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INTRO
Dieses Jahr findet am 1. Mai in Berlin nicht nur die
Revolutionäre 1. Mai-Demonstration am Abend
in Kreuzberg statt. Bereits am Vormittag wollen
Nazis durch Berlin marschieren. Mit diesem Jugend-
info wollen wir,Antifa-Gruppen aus beidenVorbereitungs-
kreisen, euch unsere Gedanken zum 1. Mai, den Nazis
und der ganzen restlichen Kackscheiße vorstellen. Wir
beschäftigen uns u.a. mit der Gewalt und dem 1. Mai
(S. 6), der Geschichte der Autonomen Antifa (S. 19), der
Schule im Kapitalismus (S. 4) und der Gentrifizierung
unserer Kieze (S. 12). Außerdem wollen wir euch
noch ein paar Tipps und Tricks für eine kraftvolle
Revolutionäre 1. Mai-Demonstration und Aktionen
gegen den Naziaufmarsch mit auf den Weg geben.
See you on the barricades!
Inhalt
17 ... Der 1. Mai und die Nazis
03 ... Eine Welt in Bewegung?
18 ... Komm zur Antifa!
04 ... Wessen Bildung - Unsere Bildung?!
19 ... Geschichte der Autonomen Antifa
06 ... Euer Frieden kotzt uns an
22 ... Was ist die Extremismus-Theorie?
08 ... Wir betteln nicht beim König
23 ... “Antikapitalismus“ von Rechts?
09 ... Keine Freunde, keine Helfer
24 ... “Linke“ Nazis machen auf “Querfront”
10 ... Arbeit für alle? Ist doch scheiße!
12 ... Sie nennen es “Gentrifizierung“
TIPP
14 ... Geschichte des 1. Mai 05 ... Vermummung S&T
RICK
16 ... Warum Männer nicht einparken und 10 ... Zivibullen S
Frauen nicht zuhören können 13 ... Bezugsgruppen
15 ... Mehr als nur dabei
25 ... Bitte sag jetzt nichts!
26 ... Verhalten auf Demos
Rechtliches
Die Texte dieses Heftes geben nur die Meinung der jeweiligen Autor_Innen wieder.
Diese Broschüre bleibt bis zu ihrer Aushändigung Eigentum des/der Absender_in.
“Zu Habenahme“ ist keine persönliche Aushändigung im Sinne dieses Vorbehalts.
Die Verteiler_Innen sind mit den Macher_innen nicht identisch.
V.i.S.d.P.
Maria Wiedmaier, Käthe-Niederkirchner-Str. 10, 10407 Berlin
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Eine WELT IN BEWEGUNG?
Antifaschistisches Jugendbündnis Berlin
Deutschland erwacht aus seinem ist es egal, ob dies durch Blockaden oder nach Profiten für Wenige strebt.
„Jahrhundertwinterschlaf” und offensicht- andere Aktionen geschieht. Dabei werden Wer in diesem System nicht funktioniert,
lich sind die eisigen Temperaturen nicht wir uns auch nicht von den scheiß Bullen wird aussortiert und stigmatisiert. Wir
spurlos an uns vorbei gegangen. Das aufhalten lassen. Also kommt mit uns allen wollen ein schönes Leben, welches uns
gesellschaftliche (wie auch das Koalitions-) auf die Straße und zeigt den Nazis, was ihr dieses Konkurrenzsystem jedoch nicht
Klima wird rauer und kälter. Die Schulden, von ihnen haltet. bieten kann. Deshalb gibt es für uns nur
die sich unter dem Eis der Finanzkriese eine logische Konsequenz: Die soziale
gebildet haben, blitzen plötzlich, wie die …für ein schöneres Leben für alle! Revolution!
Böllerreste, unterm Schnee hervor und Im Gegensatz zu den Nazis, die Arbeit als
die Erwerbslosen die zuvor schon an die „charakter- und wertformend“ ansehen, Wir gehen am 1. Mai nicht auf die Straße,
„nationale Schneefront“ gerufen wurden, finden wir es scheiße, uns jeden Tag um Forderungen an den Staat, etwa nach
sollen auch diese bezahlen. Die deutsche im Job, in der Schule oder in prekären besseren Arbeitsbedingungen, besserer
Wirtschaft strauchelt und rutscht noch Lebenssituationen rumquälen zu müssen. Bildung oder einem polizeilichen Verbot des
immer und das Streusalz ist alle! Der Kapitalismus macht uns täglich zu Naziaufmarsches zu stellen. Wir fordern
Konkurent_innen in einer rücksichtslosen nichts von diesem Staat und diesem
Auf die Straße gegen Nazis… Ellenbogengesellschaft. Wir müssen jeden Schweinesystem! Wir gehen auf die Straße,
Nicht nur, weil Nazis stellvertretend für eine Tag aufs Neue gegen unseren Willen Dinge um den Kapitalismus zu überwinden und
mörderische Ideologie stehen, sondern mit lernen, die wir nicht brauchen, Arbeiten uns ein schönes Leben zu erkämpfen!
ihrer Pseudo-„Kritik“ am Kapitalismus den verrichten, die wir nicht wollen, für Leute
in Deutschland noch immer vorhandenen schuften, die wir nicht mögen und uns Kommt mit uns am 1. Mai auf die Straße!
Antisemitismus und Rassismus nähren, einem System beugen, dass sich nicht nach Beteiligt euch an den Aktivitäten gegen
werden wir sie am 1. Mai stoppen. Uns unseren Bedürfnissen richtet, sondern nur den Naziaufmarsch!
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Wessen Bildung - unsere Bildung?!
ten, zum Beispiel, wann und wie die Ern- werden, eine gewisse Zeit in der Schule Schon lange vor dem ersten Bildungs-
te einzufahren ist, bekamen sie von ihren zu verbringen. streik im Sommer 2009 war das Thema
Eltern beigebracht. Dann jedoch erfand je- Bildung in Zeitungen und Fernsehen wo-
mand die Dampfmaschine und die soge- ...von Rohrstöcken und Noten. chenlang präsent. Es ging um Rütli-Schü-
nannte „Industrialisierung“ begann. Die ler_innen, steigende Jugendkriminalität,
Bäuer_innen jedenfalls konnten sich mit Ganz oben auf dem Lehrplan standen versaute PISA-Studien, Fachkräftemangel
ihren kleinen Bauernhöfen nicht mehr auch „Tugenden“ wie Pünktlichkeit, Ord- und vor allem immer wieder um Deutsch-
über Wasser halten und zogen zu Hundert- nung, Fleiß und Disziplin. Jungen Men- lands drohenden Untergang. Denn nach
tausenden in die entstehenden Städte. schen bei der „Entfaltung ihrer Meinung von Politik und Medien reißen
Persönlichkeit“ zu helfen bedeutete sich die deutschen Schüler_innen nicht
Sie alle hatten nichts mehr. Keine Hüh- schon immer, möglichst fleißige Arbei- genügend den Arsch auf, um sich in der
ner, Kühe, Schafe und auch kein Land ter_innen heran zu züchten, die „ihren“ internationalen Konkurrenz als qualifizier-
mehr. Alles was sie noch besaßen waren Staat und „ihre“ Nation zu schätzen wuss- te Arbeitskraft durchzusetzen.
ihre eigenen Körper. Um überleben zu kön- ten und sich verpflichtet fühlten, fleißig in Viele Lehrstellensuchende sind laut Wirt-
-nen, mussten sie also ihren Körper für ei- den Fabriken zu arbeiten. Zwar hat sich schaftsverbänden „zu dumm“ für die an-
ne gewisse Zeit verkaufen, zum Beispiel seitdem das eine oder andere geändert, gebotenen Ausbildungsplätze. Das ist
an eine der vielen Fabriken die zu damals der Kaiser hat abgedankt und Demokratie auch der Grund dafür, dass das Thema
in den Städten wie Pilze aus den Boden und Chancengleichheit wurden ausgeru- Bildung in den vergangenen Jahren öfters
schossen, um sich von dem Lohn, den sie fen. Die Prügelstrafe wurde abgeschafft von bürgerlichen Medien diskutiert wur-
dafür bekamen, über Wasser zu halten. und es geht in der Schule allgemein huma- de.
ner zu. Aber im Kern geht es immer noch
Die vielen Kinder der neuen Arbei- um dasselbe. Im Wesentlichen wurden ein- Von der PISA-Studie bis zur Bologna-Re-
ter_innen arbeiteten entweder auch in fach nur alte Unterrichtsprinzipien durch form wurde ungewöhnlich scharfe Kritik
den Fabriken oder hingen auf der Straße neuere ersetzt, die effizienter waren und geübt, dass die jeweiligen Verantwortli-
rum und machten allerlei Unsinn. Das wur- die Unterrichtsthemen an die Erfordernis- chen ihren Job nicht ordentlich gemacht
de dem Staat mit der Zeit zu bunt. Zum se der heutigen Wirtschaft angepasst. haben.
einen, weil die Kids mit der Zeit ziemlich Das Verprügeln von all jenen, die etwas
ungehorsam und unkontrollierbar wurden im Unterricht nicht verstanden hatten,
und für den Militärdienst nicht mehr zu ge- konnten den „Problemschüler_innen“ vor
brauchen waren. Zum anderen reichte es 100 Jahren zwar eine gehörige Portion Dis-
in der Fabrik nicht mehr aus, nur Stahlträ- ziplin einimpfen – ein besseres Verständ-
ger schleppen zu können. Der technische nis für mathematische Funktionen hatte
Fortschritt machte es nötig, auch Lesen der Rohrstockeinsatz allerdings nur selten
zu können. Der Staat musste also drin- zur Folge. Seitdem wird Generationen von
gend was unternehmen, ansonsten wä- Schüler_innen erklärt, dass von ihrem En-
ren seine Kinder zu unerzogen zum Krieg gagement in der Schule abhängt, ob sie
führen und zu dumm zum Maschinen be- später in der Gosse landen oder einen si-
dienen gewesen. Und mit einem unerzoge- cheren Arbeitsplatz mit vergleichsweise
nen und faulen Nachwuchs würde es mit guter Bezahlung haben werden. Die Schü-
den Weltmachtsambitionen des deut- ler_innen werden heutzutage also viel stär-
schen Kaisers ziemlich schlecht ausse- ker in Konkurrenz zueinander gesetzt.
hen. Also Verbot der Staat die
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Einzelne stärker zu „motivieren“ und zu fördern bis hin zur For-
derung nach mehr Schulpsycholog_innen und Lehrer_innen.
Sie alle behaupten von sich, die Effizienz des ganzen Spekta-
kels enorm zu steigern.
Eine andere Art der Bildung, in der die Menschen und nicht die
Profite einiger weniger im Mittelpunkt stehen, ist in dieser ka-
Die Probleme, die die Medien ausgemacht haben sind zahl- pitalistischen Gesellschaft undenkbar. Erst in einer Gesell-
reich: Da wäre z.B. der Fachkräftemangel, also die dumme Si- schaft, in der die Produktion anhand der Bedürfnisse und
tuation, dass gar nicht so viele Leute in Deutschland Lust Fähigkeiten aller organisiert wird, kann die Bildung sich an
haben, Ingenieure zu werden, wie die deutsche Wirtschaft das den Interessen der Menschen orientieren und werden Zwang
gerne hätte – so eine Frechheit aber auch – oder das schlech- in Konkurrenz der Vergangenheit angehören.
te Abschneiden der deutschen Schüler_innen in Mathe, Eng- Und genau das sollte unsere Perspektive sein, wenn die Bil-
lisch usw. im internationalen Vergleich bei der PISA-Studie. dungsproteste im Juni wieder losgehen! Denn die Zeit der For-
derungen ist vorbei – Her mit dem schönen Leben! Wir wollen
Um den Ansprüchen der deutschen Wirtschaft zu genügen und dieses Schul- und Bildungssystem nicht verbessern sondern
sie international wettbewerbsfähiger zu machen, muss also et- zerschlagen und eine Gesellschaft ohne Herrschaft und Aus-
was passieren. Horden von Beamten, Parteipolitiker_innen und beutung aufbauen!
Leuten, die das offenbar noch werden wollen, überbieten sich
mit Konzepten, wie das am besten zu erreichen sei: Von Ganz- Bildet Banden und beteiligt euch an Aktivitäten rund um
tagsschulen über allerlei pädagogische Ansätze, um den/die den Schul- und Bildungsstreik am 9. Juni!
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Euer Frieden kotzt uns an!
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Es sorgt dafür, dass die Inhaber_innen den, dass sie auch nur eine Flasche auf rung der gesellschaftlichen Teilhabe am
großer Unternehmen auch in zehn Jah- die Bullen geworfen haben, zieht das Reichtum) ausdrückt, kann vom Großteil
ren noch soviel Geld haben, dass sie es überharte Strafen nach sich. Begleitet der Öffentlichkeit nicht erkannt werden.
nie im Leben ausgeben können, wäh- werden die 1.Mai-Prozesse jedes Mal Diese hat die Regeln des Spiels schon
rend wir und andere Lohnabhängige von einer öffentlichen Hetze, die ihresglei- lange nicht nur akzeptiert, sondern sogar
auch in zwanzig Jahren und trotz 40- chen sucht. Ob in der BILD, im Tagesspie- derart verinnerlicht, dass diese Art, die
Stunden-Woche noch immer Urlaub an gel, im RBB oder in der Taz: Die Gesellschaft zu organisieren als natürlich
der Ostsee machen müssen. Wenn über- „Gewaltchaoten“ des 1. Mai lösen über- und alternativlos angesehen wird.
haupt. all Empörung aus. Warum das Einschmei-
ßen einer Bankscheibe oder das Für uns verweist diese Unterscheidung
Wie dem auch sei: Es ist offensichtlich, Anzünden von Mülltonnen ein derartiger zwischen legaler, weil staatlicher, und il-
dass das staatliche Gewaltmonopol not- Skandal ist, wo doch niemand stirbt und legaler, weil nichtstaatlicher Gewalt auf
wendige Grundlage für das Funktionie- vergleichsweise wenig Menschen ver- den von uns kritisierten Normalzustand
ren des Kapitalismus ist. Anlässlich des letzt werden (2009 mussten lediglich 14 des permanenten Gewaltverhältnisses in
bevorstehenden 1. Mai stellt sich für uns Polizist_innen aufgrund von Verletzun- diesem Staat.
die Frage, was passiert, wenn sich Men- gen behandelt werden, 2008 überhaupt
schen auflehnen gegen dieses System keine), hängt mit dem symbolhaften Cha- Dieser Unterscheidung liegt die Annah-
und dabei das staatliche Gewaltmonopol rakter des 1.Mai-Krawalls und der verord- me zugrunde, dass die Menschen nicht
in Frage stellen. Logischerweise muss neten Unantastbarkeit des staatlichen in der Lage seien, ihr Leben friedlich und
der Staat dann eingreifen, weil er seine Gewaltmonopols zusammen. Für die bür- an den individuellen und gemeinsamen
Prinzipien zu verteidigen hat. gerliche Öffentlichkeit stellt die angekün- Bedürfnissen orientiert organisieren zu
digte kollektive Verletzung dieses Ge- können. Und genau das Gegenteil davon
Und das tut er. Die polizeilichen Prügelor- waltmonopols, wie sie am 1. Mai erfolgt, wollen wir beweisen. Emanzipation und
gien am 1. Mai sind jedes Jahr mit einer eine ungeheure Provokation dar, wird freie Organisation aller Individuen wird
enormen Repressionswelle verbunden. hier doch eins der Grundprinzipien der Ge- aber niemals in diesem Staat, im Kapita-
Bei keiner regelmäßigen Demonstration sellschaft in Frage gestellt. Dass die Ge- lismus möglich sein. Erst seine Überwin-
in Deutschland werden so viele Men- walt dabei nicht von uns Jugendlichen dung, das komplette Verschwinden
schen festgenommen, wie am 1. Mai in ausgeht, sondern vielmehr eine Antwort seiner Rechts- und Warenform zuguns-
Kreuzberg. Die Festgenommenen wan- auf den alltäglichen und allumfa- ssen- ten einer Produktion, die sich an den Be-
dern, sogar wenn sie keine Straftat be- den Gewaltzustand Kapitalismus dar- dürfnissen der Menschen und nicht an
gangen haben und im Nachhinein frei- stellt, auf die Gewalt des Staates, die dem zu erzielenden Profit orientiert,
gesprochen werden müssen, wie im Fall sich sowohl unmittelbar (Abschiebungen, macht dieses, zutiefst friedliche und
der beiden Jugendlichen Yunus & Rigo Polizeigewalt, Knast), als vor allem auch menschenfreundliche Projekt möglich.
für Monate in Untersuchungshaft. Kann ih- strukturell (Gewährleistung des Lohnar-
nen aber vor Gericht nachgewiesen wer- beits- und Konkurrenzprinzips, Verhinde-
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Wir betteln nicht beim König,
denn wir wollen ihn stürzen!
WARUM ES AM 1. MAI 2009 IN KREUZBERG ZU AUSEINANDERSETZUNGEN KAM UND WARUM DAS GUT IST.
"Aber wenn das ganze System bis zu euren gewaltlosen Gedanken von einer tausendjährigen
Unterdrückung bedingt ist, dann dient eure Passivität nur dazu, euch auf die Seite der Unterdrücker zu
treiben." (Jean Paul Sartre)
wir absurd, aus Sicht der vorrangegangenen Hetze gegen uns Für uns ist der 1. Mai allerdings kein "Event", wie es jetzt viele
aber nur konsequent. "Expert_innen" meinen. Wir sind keine "aktionsorientierten Ju-
gendlichen", die mit den Cops lediglich Räuber und Gendarme
Warum gegen die Bullen? spielen wollen. Wir sind auch keine Chaoten, die Spaß daran ha-
Das ganze Jahr über greifen uns Cops an. Sie verprügeln uns, ben Banken einzuschmeißen. Nein, ganz im Gegenteil: Wir kön-
wenn wir auf einer Bildungsstreikdemo demonstrieren; verhaften nen uns unendlich viele Sachen vorstellen, die schöner sind, als
uns beim Sprühen; busten uns beim Skaten; kontrollieren uns, das Risiko von Verletzungen, Traumatisierungen und Verhaftun-
weil sie uns als Migrant_innen einordnen. Sie observieren uns, gen in Kauf zu nehmen. Wir sind lediglich Menschen, die mit mili-
weil wir politisch aktiv sind; durchsuchen unsere Wohnungen, tantem Widerstand ihren unversöhnlichen Bruch mit dem Hier
weil wir gerne kiffen und es auch anderen ermöglichen; sie schie- und Jetzt begehen. Und wir fordern jeden und jede auf, dies täg-
ben uns in Länder ab, in denen Krieg herrscht, Hunger zur Norma- lich ebenfalls zu tun.
lität gehört und uns auch mal Folter und Ermordung erwarten.
Dieser Staat tötet täglich Menschen durch Militär und Polizei,
Gleichzeitig ist die Polizei nicht bloß irgendeine Institution. Gemein- durch Ungleichheit und Ausgrenzung, durch Hunger und Armut.
sam mit dem Militär ist sie für die Durchsetzung des staatlichen Zeit etwas dagegen zu tun!
Gewaltmonopols zuständig. Auf diesem Anspruch des Staates,
als einziger legitime körperliche Gewalt ausüben zu dürfen, be- Einige Autonome aus Berlin
ruht die staatliche Herrschaft. Diesen setzt er wenn nötig mit nack-
ter Gewalt durch. Ein Angriff auf die Polizei ist somit immer auch
ein symbolischer Angriff auf den Staat als Ganzes – und damit
auf den Herrschaftsapperat, der bei der Aufrechterhaltung dieser
beschissenen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse eine zen-
trale Rolle spielt.
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und das Vertragsrecht in Frage ge-
UNTERSTÜTZT SCHWARZFAHRER_INNEN
LADENDIEB_INNEN,SPRAYER_INNEN...
WEHRT EUCH GEGEN REPRESSION!
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B ullen in ziviler Kleidung erfüllen operative Aufgaben bei großen Einsätzen wie am Ersten
Mai. Zwei Einheiten haben hierbei von sich reden gemacht; Einmal die Einheit Fahndung
Aufklärung und Observation (FAO) und die während der WM 2006 entstandene Einheit für
Aufklärung und Intervention (AuI). Beide stellen sich aus den lokalen Kriminaldezernaten
zusammen und erfüllen aufklärende Aufgaben in zivil; Zu ihrem Tätigkeitsfeld gehört die
Observation von Personen oder Lokalitäten. Sie sind jedoch oftmals auch bei Razzien oder
Festnahmen vor Ort.
zivibullen
Obwohl die Beamten in zivil meistens über Funk die Festnahme „erkannter Straftäter_innen“
durch uniformierte Bullen veranlassen und währenddessen Beweise sammeln, können sie
auch selbst Festnahmen durchführen. So Geschehen am Ersten Mai 2009 bei der Festnahme
von Rigo und Yunus. Im Falle des Antifaschisten Christian S. filmten Beamte der FAO mit
ihrem Handy das Geschehen während den Ausschreitungen am Rande eines Naziaufmarsch
am 1. Mai an der Frankfurter Allee, diese waren Grundlage für die spätere Anklage und
Verurteilung.
Zivibullen zu erkennen und zu enttarnen ist nicht besonders einfach. Obwohl es durchaus
welche gibt die durch ihre Statur und ihre Kleidung auffällig sind, können viele Zivibullen nicht
aufgrund von Äußerlichkeiten, sondern vielmehr durch ihr Verhalten und ihr Auftreten auffällig
sein. Da Zivilbullen einen bestimmten Auftrag erfüllen, müssen sie ihren Vorgesetzen
Meldung geben und über unruhige Lagen Bericht erstatten. Das tun sie meistens per Funk
oder per Telefon. Die Aufklärung zwingt sie oft dazu vor Ort zu sein, ohne aktiv am
Geschehen teilzunehmen.
Während einigen Prozessen rund um den 1. Mai 2009 stellte sich heraus, dass die Bullen sich
während des Einsatzes oftmals in zweier Teams organisieren, die unterschiedlichen Teams
aber in der örtlicher Nähe eingesetzt sind und somit zusammenarbeiten. Eine Faustregel um
Zivibullen zu erkennen gibt es dennoch nicht. Es könnte daher sinnvoll sein wenn, eine_r von
euch jederzeit das Geschehen im Blick hat: achtet auf die Umgebung und die Leute um euch
„WIE DIE BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (BA) AM DONNERSTAG MITTEILTE, KLETTERTE DIE ZAHL DER
ARBEITSLOSEN BINNEN MONATSFRIST UM 26.000 AUF INSGESAMT RUND 3.643.000 MENSCHEN.“
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Der Besitz dieser für den Herstellungspro- Um zu verstehen warum der_die Arbeitge- schen, diejenigen die keinen eigenen Pro-
zess notwendigen so genannten „Produk- ber_in innerhalb dieses Systems der kapi- duktionsmittel besitzen, sind gezwungen
tionsmittel“ (z.B. Maschinen), war nur talistischen Lohnarbeit durchaus logisch ihre Arbeitskraft zu verkaufen und sind
den Menschen vergönnt, die durch vorheri- handelt, wenn er_sie möglichst niedrige von dem Reichtum, der mit ihrer Arbeits-
ge Anhäufung von Geld zum Kauf in der La- Löhne zahlen möchte, muss ein weiteres kraft geschaffen wird, ausgeschlossen.
ge waren. Diese verfügten nun alleine Grundlegendes Merkmal der Produktion Doch auch die, denen der Profit erst mal
über die Möglichkeit, die für die Men- im Kapitalismus erklärt werden. Das Ziel zu Gute zu kommen scheint, den Eigentü-
schen lebensnotwendigen Güter in ausrei- jedes Unternehmens vom Späti bis zum in- mer_innen der Produktionsmittel, können
chender Zahl zu produzieren. Die wenige ternationalen Großkonzern ist es einen den Gewinn nicht einfach behalten. Sie
menschliche Arbeitskraft, die der_die Ei- möglichst hohen Gewinn zu erzielen, da müssen den erzielten Profit wieder inves-
gentümer_in der Produktionsmittel noch es nur so mit den Konkurrent_innen mit- tieren, damit sie in Zukunft noch höhere
benötigte, konnte er_sie von den verbliebe- halten kann. Dieser Gewinn, auch Profit ge- Gewinne machen und auf dem Markt
nen Menschen, die keine eigenen Maschi- nannt wird dazu verwendet die möglichst besser dastehen als alle ihre
nen besaßen, für Geld „einkaufen“. Das Produktion weiter zu entwickeln um im Konkurrent_innen. Ihr seht Arbeit im Kapi-
klingt für dich vielleicht, als würden wir nächsten Jahr noch mehr Profit zu ma- talismus ist ein System, indem niemand
über einen gewöhnlichen Einkauf in ei- chen. Es geht nicht um die Versorgung richtig glücklich ist und es vielen Leuten
nem Supermarkt sprechen. Doch das Prin- der Menschen mit Lebensmitteln und an- richtig dreckig geht.
zip ist tatsächlich das gleiche: Die deren notwendigen Dingen, sondern al-
Arbeitskraft dieser „verbliebenen Men- lein darum mit der Produktion möglichst Was die ganze Theorie mit euch zu tun
schen“ ist in einer kapitalistischen Gesell- hohe Gewinne zu erzielen. Die möglichst hat? Ganz einfach, im Moment geht ihr
schaft, in der auch wir leben, eine Ware effiziente Ausbeutung der Arbeitskraft der noch zur Schule, aber ihr ahnt es viel-
wie jede andere. Jede_r einzelne_r Arbei- Lohnarbeiter_innen stellt dabei die Grund- leicht schon, auch die hat im Kapitalis-
ter_in muss Zeit, Kraft und Wissen (Ar- lage für die Erwirtschaftung dieses Profi- mus eine ganz bestimmte Funktion.
beitskraft) als Ware auf einem Markt den tes dar. In der Praxis funktioniert das Anders als oft behauptet, ist die Aufgabe
Produktionsmittelbesitzer_innen anbie- einfach ausgedrückt ungefähr so: ange- der Schule nicht etwa „Lernen fürs Le-
ten, in der Hoffnung einen möglichst ho- nommen ein_e Arbeiter_in arbeitet acht ben“, sondern in erster Linie ist sie dafür
hen Preis dafür zu erzielen. Er_Sie steht Stunden am Tag. In den ersten vier Stun- da, euch so gut wie möglich auf den Ar-
dabei immer in Konkurrenz zu allen ande- den erwirtschaftet er_sie den Gegenwert beitsmarkt vorzubereiten. Wer von euch
ren Arbeiter_innen, die ebenfalls gezwun- für den eigenen Lohn, den er_sie für den hat nicht schon Sätze von Lehrer_innen
gen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. ganzen Arbeitstag erhält. In den folgen- gehört, die so oder ähnlich lauten „Wenn
Der „Preis“ für die Arbeit, den er_ sie er- den vier Arbeitsstunden arbeiter er_sie al- du keine besseren Noten schreibst, wird
hält ist der so genannte „Lohn“. Je weni- lein für den Profit seiner_ihrer aus dir später nie was“. Besser heute als
ger Arbeitskräfte benötigt werden z.B. Arbeitgeber_in, also quasi unbezahlt. Das morgen sollt ihr Teil des sich täglich wie-
dadurch, dass Maschinen sie ersetzen, de- Geld, dass er_sie in den zweiten vier Stun- derholenden Kreislaufes der Lohnarbeit
sto geringer ist der „Preis“ den der_ die den nicht für seine Versorgung, sondern werden, um auch eure Arbeitskraft dort
Besitzer_in der Produktionsmittel hierfür für den Unternehmensprofit erarbeitet, zu verhökern. Keine schönen Aussichten,
zahlen muss. Durch das große Angebot wird um noch ein Mal mit Karl Marx zu oder? „Arbeit für Alle“ heißt in der Reali-
an Arbeiter_innen aus denen er_sie wäh- sprechen „Mehrwert“ genannt. Du findest tät eben nichts anderes als früh aufste-
len kann, steigt auch ihre Ersetzbarkeit das ungerecht, denn warum muss der_- hen und schlecht bezahltes Schuften für
und sie müssen für noch weniger Geld die Arbeiter_in den Reichtum seines Unter- Alle.
schuften. Sicherlich kennst du Formulie- nehmens mit seiner Arbeitskraft
rungen wie „wir müssen den Gürtel enger erarbeiten ohne davon etwas zu bekom- Arbeit für alle? Ist doch scheiße!
schnallen“ oder die verschiedenen Forde- men, außer das Geld das er_sie braucht
rungen von Arbeitgeber_innen, die Löhne um zu überleben, d.h. auch weiterhin ar-
möglichst gering zu halten. Häufig drohen beiten zu können? Doch genau das ist
sie andernfalls mit Entlassungen. Diesen das Prinzip nach dem Arbeit in unserer jet-
ganzen Prozess nennt Karl Marx „Ausbeu- zigen Gesellschaft, dem Kapitalismus,
tung“. funktioniert. Der übergroße Teil der Men-
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SIE NENNEN ES “GENTRIFIZIERUNG“
Autonome Neuköllner Antifa
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Die Gesellschaftsform heißt Kapitalismus.
In ihr sind alle Menschen, wenn sie über-
leben wollen gezwungen zu arbeiten d.h.
sich ihre Zeit, ihre Kraft und ihr Wissen von
ihrem Arbeitgeber abkaufen zu lassen. Den
Preis den der Arbeitgeber dafür bezahlt
wird „Lohn“ oder „Gehalt“ genannt. Dass
Geld was die Menschen für ihre Arbeit
bekommen, hat wie du dir wahrscheinlich
vorstellen kannst, mit den riesigen Gewin-
nen der Unternehmen über die im Fernseh-
en berichtet wird, wenig zu tun. Der Lohn,
den Kiez ziehen, in dem du wohnst. Schuld der bezahlt wird, reicht in der Realität,
daran sind auch nicht die „Yuppies“ oder wenn überhaupt, meistens nur zu wenig
„Schwaben“, wie viele Menschen es mehr als eben zum Überleben und nur bei oder gerne hätten. Gentrifizierung muss
sagen und auch du es vielleicht schon mal sehr wenigen Menschen für große Urlaubs- also immer in Zusammenhang mit der
zuhören bekommen hast. Verantwortlich reisen, die schicken Klamotten aus der Gesellschaftsform betrachtet werden
dafür, dass es vielen Leuten so schlecht gerade in der Straße neu eröffneten in der sie stattfindet. Gentrifizierung im
geht und es sich 99% der Menschen eben Boutique oder andere tolle Sachen. Denn Kapitalismus bedeutet für die allermeisten
nicht leisten können in einer Loft-Wohnung ob Sportschuhe oder eine neue PS 3, all Menschen nichts als Zwang und Ausgren-
mit Swimming-Pool und Sauna zu wohnen, diese Sachen gibt es im Kapitalismus nur zung. Sie ist allerdings nur ein Symptom
auch wenn sie das vielleicht noch so sehr für die Menschen, die genug Geld haben, von einer Gesellschaft in der noch viel
wollen, ist die Art der Gesellschaft, in der um sich die Sachen zu kaufen und nicht mehr falsch läuft.
wir zur Zeit alle leben. für die Menschen, die diese brauchen
BEZUGSGRUPPEN
Ob auf Demos, Aktionen gegen einen dass ihr euch als Bezugsgruppen eure
Naziaufmarsch oder anderswo, es ist eigenen Gedanken macht und diese
wichtig, dass du nicht alleine unterwegs umsetzt. Aktionen bzw. Demos leben
bist. Deshalb solltest du dich mit 4 bis letztendlich von der Kreativität und Ent-
5 Leuten, die du gut kennst, in einer schlossenheit der Teilnehmer_innen.
sogenannten Bezugsgruppe zusam-
mentuen. Am besten ist es wenn ihr Ein weiterer Grund weshalb sich feste
eine feste Bezugsgruppe bildet, damit Bezugsgruppen bewährt haben ist der
ihr gemeinsame Erfahrungen sammeln aktive Schutz vor staatlicher Repres-
könnt und euch gegenseitig auch in sion. Durch Bezugsgruppen lassen sich
Stressituationen vertrauen könnt. Es staatliche Repressionsangriffe (Fest-
ist zu empfehlen die Sache langsam nahmen, Übergriffe...) besser abwehren
anzugehen, das heißt übernehmt euch oder besser überstehen. Es ist sehr an-
nicht und fangt einfach mit etwas an genehm von der eigenen Bezugsgruppe
worauf alle Lust haben. Dadurch ent- von der Gesa abgeholt zu werden oder
wickelt ihr nach und nach ein Gefühl nach einer Aktion nicht alleine Nach-
für die Bedürfnisse und Ängste der hause gehen zu müssen.
anderen und schafft Vertrauen. Unglaub-
lich wichtig ist es deshalb, dass ihr im Um auf Demos nicht eure Namen durch
Nachhinein alles genau auswertet. die Gegend rufen zu müssen sucht euch
vor der Aktion irgendein Wort oder einen
Zu jeder Aktion/Demo gehört natürlich Namen aus, den ihr stattdessen ruft. So
auch eine ausgiebige Vorbereitung, könnt ihr euch notfalls wiederfinden.
bei der ihr über eure Bedürfnisse und
Prioritäten spricht. Ihr solltet euch im Organisierte Bezugsgruppen ergänzen
Vorfeld klar machen was ihr bei der bestehende oder von anderen
Aktion/Demo erreichen wollt. Es gibt organisierte Aktionem oder Demos.
eine Vielzahl an Möglichkeiten durch Auf den Sinn von Bezugsgruppen und
Bezugsgruppen eine Demo o. Aktion eine regelmäßige Auswertung der
aktiv zu unterstützen. Zum Beispiel ist selber gemachten Erfahrungen kann
es extrem sinnvoll durch organisierte nicht oft genug hingewiesen werden.
Bezugsgruppen die Struktur der Demo Also, lets go!...
in Form von geschlossenen Reihen zu
unterstützen. Dennoch kommt es an Mehr Infos findet ihr unter:
dieser Stelle erstmal mehr darauf an
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Geschichte des 1. Mai
Jonas Schiesser
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Nach dem Krieg bleibt der 1. Mai in DDR und Bündniss“ zu einer eigenständigen antikap- seiner Geschichte. In Berlin kommt es seit
BRD als Feiertag bestehen. In der DDR wird italistischen Demonstration in Kreuzberg 1994 immer wieder zu meist kleineren
der „Internationale Kampf- und Feiertag auf. Zuvor hatte es lediglich revolutionäre Nazikundgebung, wie im letzten Jahr in
der Werktätigen“ für „Frieden und Soz- Blöcke auf Gewerkschaftsdemonstrationen Köpenick. Am 1.Mai 2004 versuchten
ialismus“ staatlich begangen. In der BRD gegeben doch seit 1988 gibt es in die Nazis einen Großaufmarsch durch die
organisieren Gewerkschaften die „1. Mai- Kreuzberg die revolutionäre 1.Mai- Bezirke Lichtenberg und Friedrichshain, der
Demonstrationen“ sowie Festlichkeiten Demonstration. Jährlich kommen tausende jedoch wegen massiven antifaschistischen
um auf ihre Forderungen aufmerksam Menschen zusammen um ihrer Ablehnung Widerstand abgebrochen werden musste.
zu machen. Als offizieller Feiertag büßt eines Systems, das auf Konkurrenz, Aus- Dieses Jahr wird wieder ein zentraler
der 1.Mai an kämpferischer Auflehnung beutung und Unterdrückung basiert deutlich Naziaufmarsch mit hundert oder tausend
im Vergleich mit der Vorkriegszeit ein. zu machen. Dabei kommt es regelmäßig anreisenden Nazis aus der ganzen BRD
Vor dem Krieg als es Arbeiter_Innen in zu massiven Auseinandersetzungen und erwartet. Während die revolutionäre
Kauf nahmen, für die Durchsetzung ihrer Straßenschlachten mit der Polizei, welche Mai-Demonstration in den letzten Jahren
Forderungen unerlaubt die Arbeit nieder- mitunter auch brutal gegen Unbeteiligte immer größer werden, nimmt die
zulegen, gab es keine Feiertagsroutine. und Journalisten vorgeht. Willkürliche Fest- Beteiligung und die Bedeutung der
Seit der Studierendenrevolte 1968 kom- nahmen und Prozesse, wie im vergangen gewerkschaftlichen Mai-Kundgebung im-
mt es in der BRD wieder unregelmäßig Jahr gegen die Berliner Schüler Yunus und mer weiter ab. Erschienen in den 90er und
zu Maidemonstrationen von linken, Rigo, sind dabei keine Seltenheit. 80er Jahren noch zehntausende Gewerk-
kommunistischen und anarchistischen schaftsmitglieder zu den zentralen Mai-
Gruppen. Seit Mitte der 1990er Jahre versucht auch Feiern des DGB, waren es im letzten Jahr
die erstarkende Nazibewegung wieder- lediglich 3000.
1987 greift die Polizei ein Straßenfest am holt eine Vereinnahmung des 1.Mai und
Lausitzer Platz in Kreuzberg an. Daraufhin Anzeige
vertreiben Hausbesetzer_innen, Autonome,
Punks und Bewohner_innen Kreuzbergs in
stundenlanger Straßenschlacht die Polizei
aus SO36 und sorgen für temporär kos-
tenfreien Zugang zu diversen Supermarkt-
produkten. Der Bolle Supermarkt am Gör-
litzer Bahnhof brennt komplett nieder. Erst
am nächsten Morgen ist die Staatsmacht
wieder Herr der Lage. Im Folgejahr
1988 ruft ein „revolutionäres 1.Mai-
1. Malt eigene Transparente: Überlegt euch eine Message, 3. Die Demo kreativ begleiten: Ihr könnt Demos auch kreativ
ein Motiv oder einen witzigen Spruch, mit dem ihr euch an im Vorfeld begleiten, indem ihr Plakate oder Transparente
der Demo beteiligen wollt und der euer Anliegen verdeut- entlang der Route aufhängt oder euch etwas anderes über-
licht. Die meisten Transparente für Demos oder Aktionen legt. Außerdem könnt ihr während der Demonstration oder
werden mittlerweile in einem Computerprogramm designt Aktion eure Solidarität von Balkonen, Brücken etc. zum
und dann über einem Beamer oder einen OH-Projektor bzw. Ausdruck bringen. In dieser Hinsicht sind der Kreativität
Polilux auf den Stoff projiziert und abgezeichnet. Dann wird keine Grenzen gesetzt... Seit dennoch vorsichtig und achtet
das ganze ausgemalt. Ihr könnt Transparente natürlich auch darauf euch oder andere bei solchen Aktionen nicht in
ohne Vorlage malen. Um an einen Beamer oder OH-Projektor Gefahr zu bringen
zu kommen, fragt doch einfach mal an der Schule oder im
Jugendclub nach. Gute Stoffe in den unterschiedlichsten
Farben gibts preiswert auf Märkten. Dann muss das ganze
nur noch trocknen und los gehts zur Demo!
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Warum Männer nicht einparken und
Frauen nicht zuhören können …
Jugendantifa Berlin
16
DER 1. MAI UND DIE NAZIS ... Totalität, in der nun einmal jede_r gezwun-
gen ist, sich auf dem Markt zu verkaufen,
Antifaschistische Jugendaktion Kreuzberg
war die Verantwortung für Kapital und Krise
17
KOMM ZUR ANTIFA!
Jugendantifa Berlin
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Geschichte der Autonomen Antifa
Tim Laumeyer (Antifaschistische Linke Berlin)
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gung im Bremer Weserstation am 6. Mai ständlich sein, gehört die eigene Presse- autonomen Bewegung eine rege Diskussion
1980. Im Zuge einer Protestdemonstration und Medienarbeit doch zu einem der Es- über Sinn und Unsinn einer Organisierung
kam es dort zu einer Massenmilitanz gegen sentials linker Politik. Dies war zu Anfang statt. Viele Zusammenhänge lehnten dieses
ein massives Polizeiaufgebot. Alle sozialen der 1990er Jahre aber keinesfalls so. Die Modell allein schon aus repressionstech-
Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre Autonome Szene war ein Aussteigermodell nischen Gründen ab, für andere wiederum
hatten ihren militanten Arm oder zumindest und die bürgerlichen Medien wurden als eröffnete es die Perspektive, organisierter
ihre militanten Widerstandsformen. Diese ideologische Handlanger des Kapitals inter- gegen Nazis vorzugehen.
wurden in erster Linie von den Autonomen pretiert. Ihre Stärke zog die radikale Linke In Wuppertal wird im Juni 1992 die
praktiziert.(2) aus ihrer eigenen kulturellen und politisch- „Antifaschistische Aktion / Bundesweite
en Attraktivität. Ein „Verkaufen“ dieser war Organisation (AA/BO)“ von elf Antifa-
Themenfeld Antifaschismus ein Verrat der eigenen Ansprüche. Neben Gruppen gegründet. Mit medienwirksamen
Das Thema Antifaschismus war somit einer eigenen Pressearbeit betonte die An- Aktionen, Kampagnen, Plakaten und Flug-
innerhalb der Autonomen Bewegung im- tifa M noch eine eigene „Kulturfähigkeit“: blättern prägt die AA/BO – beziehungs-
mer ein Teilbereich neben vielen anderen „Das ökonomische Standbein des Systems weise die Mitgliedsgruppen – bis in die
und spielte je nach regionalen Besonder- anzugreifen, mag heutige Zeit einen
heiten mal eine größere, mal eine kleinere das Entscheid- gewissen „Stil“
Rolle. Ende der 1980er Jahre kam es zu endste für revo- antifaschistischer
einem Aufschwung neonazistischer Gewalt, lutionäre Verän- Aktionen.(5)
in erster Linie durch Skinhead-Gruppen derung sein. Wir Vor allem die
und Hooligans. Betroffen waren hiervon aber wollen er- Göttinger Gruppe
Migrant_innen und Linke, häufig auch reichen, dass aus revoltierendem Bewusst- „Autonome Antifa (M)“ und „Antifaschis-
besetzte Häuser und linke Jugendzen- sein heraus, eine Umwälzung aller Lebens- tische Aktion Berlin“ (AAB) prägten das
tren. Durch diese Zunahme von Naziterror bereiche stattfindet … Letztlich kann eine Bild der AA/BO. Eine weitere Debatte über
gründeten sich autonome Gruppen mit Vernichtung bürgerlicher Lebensweise und Organisierung Anfang der 90er Jahre
antifaschistischem Arbeitsschwerpunkt.(3) Staatsdoktrin nur dann Erfolg haben, wenn firmierte unter dem Namen „Heinz-
diese von Menschen angestrebt wird, die Schenk-Debatte“. In der Berliner
Krise der Autonomen die Welt schon anders interpretieren, ein Autonomenzeitschrift „Interim“ erscheinen
Das autonome Selbstverständnis stieß bei anderes Lebensgefühl und Lebensweise zahlreiche Papiere mit dem Namen des
den Einzelnen schnell an Grenzen: Rück- lebbar wäre, mit der mensch sich über TV-Stars. In ihnen wurde nicht nur unge-
zug ins Private, Karrierechancen, oder die alten Normen hinwegsetzt.“ Um die wohnt drastische Kritik an der autonomen
auch langjährige Knastaufenthalte, poli- Organisierung voranzutreiben, schlug die Bewegung geäußert. Auch ein Neuan-
tische Repression und die offensichtlichen Antifa M als thematische Klammer das fang jenseits traditioneller autonomer
Widersprüche zwischen Theorie und Praxis Thema Antifaschismus vor. „Die BRD ist Politikkonzepte wurde gefordert. Wegen
waren für viele Menschen Gründe genug, in Kontinuität zum NS Staat entstanden. der Ablehnung jeder Organisation seien
sich von diesem Aussteigermodell wie- Die ökonomischen und politischen Grund- informelle, undemokratische Strukturen in
der zu verabschieden. Die ökonomischen strukturen blieben bestehen und wurden der Szene entstanden, so die Kritiker_in-
Sachzwänge taten ihr übriges: Das west- weiterentwickelt. Die geschichtliche nen. Zudem sei das Bewegungsmodell
deutsche Wohlfahrtstaatsmodell geriet Trennung von faschistischer und bürg- „gesichtslos“ und führe nicht zu einem
langsam aber sicher in eine Krise. Hinzu erlicher Gesellschaft ist nicht aufrecht- kollektiven Gedächtnis. Die Autonomen
kam, dass der Verzicht auf festere Organi- zuerhalten. … Das gleiche System, das seien nicht mehr eine unverbindliche, sub-
sationsstrukturen eine Weiterentwicklung sich hier demokratisch gebärdet, ist für kulturelle Jugendbewegung ohne Kontinu-
autonomer Politik äußerst schwer machte. Unterdrückung und Ausbeutung von Men- ität und theoretische Grundlage. „Ich bin
Wissen und Erfahrungen wurden nur schen in anderen Teilen der Welt verant- doch kein Kampagnenheinz!“ lautete ein
unzureichend weiter vermittelt, jede neue wortlich. Wenn die kapitalistischen Inter- damals viel zitierter Satz, der die Kritik an
autonome Generation wiederholte essen gefährdet wären, so würden auch autonomer Kampagnenpolitik ausdrückte.
die Debatten und Fehler der vorange- hier zu ihrer Verteidigung faschistische Noch deutlicher waren Sätze wie: „Die
gangenen. Die Autonome Bewegung kam Potentiale eskaliert werden. Faschismus Autonomen haben keine Fehler, sie sind
an ihre Grenzen und nahm an Dynamik und ist integraler Bestandteil westeuropäischer der Fehler.“
Ausstrahlungskraft ab. Die Wiedervereini- Demokratien.“(4) In Berlin gründete sich im Zuge dieser De-
gung und der anschließende Deutschland- Aufgrund des Papiers fand innerhalb der batte die Gruppe „Für eine linke Strömung“,
Taumel führte der Linken ihren geringen kurz FelS, die bis heute aktiv ist. Unter an-
gesellschaftlichen Einfluss vor Augen. derem gibt Fels die Zeitschrift Arranca! her-
aus. In Norddeutschland etablierte sich die
Organisierungsdebatten Gruppe „Avanti – Projekt undogmatische
Im August 1991 veröffentlichte die Göt- Linke“ als feste Organisationsstruktur in
tinger Gruppe „Autonome Antifa (M)“ ein norddeutschen Städten.
„Diskussionspapier zur autonomen Orga-
nisierung“. In dem Papier kritisieren die Aktionsformen
Autor_innen mangelnde Kontinuität und Im Selbstverständnis autonomer Antifas
Verbindlichkeit und schlagen ein verbindli- spielte Militanz immer eine wesentliche
cheres Organisierungsmodell sowie eine Rolle. Sie richtete sich sowohl gegen
eigene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Personen aus der Nazi-Szene, als auch ihre
vor. Dies mag aus heutiger Sicht unver- Strukturen. Brandanschläge auf Fahrzeuge
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und Einrichtungen, Überfälle auf Nazi- anderen Orten kam es zu großen Antifa- setzten häufig auf eine intensive Bündnis-
Kader, das Abreißen von Naziaufnähern Demos. Neben den vielen Demonstrationen arbeit, gerne auch mit linken, liberalen und
und Abziehen von rechten Marken- wurden regelmäßig Antifa-Kongresse bürgerlichen Gruppen, da die eigene Wirk-
klamotten sollte zur Folge haben, dass organisiert. Sommer-Camps für Jugend- samkeit als zu gering in den konkreten
ihre politische Arbeit eingeschränkt wird, Antifas mit Workshops zu Anti-Repressions- Kämpfen eingeschätzt wurde. Bündnis-
sich einzelne Mitglieder lieber ins Private arbeit, Layout-Kursen, Selbstverteidigung arbeit, Presseerklärungen und Inter-
zurückziehen und Stadtteile bzw. Gegend- und diversen Geschichtsthemen gab es in views und ein modernes, poppiges Auf-
en frei von Nazigewalt werden. Vor allem vielen Bundesländern regelmäßig. treten gehören im 21. Jahrhundert eher
in Ost-Deutschland kam es zu teils sehr zu den Standards linksradikaler Politik.
heftig ausgeführten Auseinandersetzungen Revolutionärer Antifaschismus In den 1990er Jahren war dies immer
um die Hegemonie auf der Straße. Dort, wo 1998 bringt die Antifaschistische Aktion ein umstrittenes Feld. Insgesamt führte
linke Kneipen, besetzte Häuser und linke Berlin (AAB) eine Broschüre unter dem die radikale Linke in den 1990er Jahren
Freiräume entstanden, mussten sich rechte Namen „Das Konzept Antifa“ heraus. In durchweg Abwehrkämpfe. Auf konkreter
Schlägerbanden oft zurückziehen. Wo sich dieser Broschüre wird sowohl das eigene Ebene gegen die faschistische Bedrohung,
solche Strukturen nicht herausbildeten, Konzept, als auch das der AA/BO noch den gesellschaftlichen und institutionellen
kam den Antifa-Gruppen eine Art „Feuer- einmal vorgestellt und anhand konkreter Rassismus, dem Abbau demokratischer
wehrfunktion“ zu: wenn es Nazistress Praxisbeispiele erläutert. Um ihren Rechte und auf ideologischer Ebene gegen
gab, griffen AntifaschistInnen ein und ver- revolutionären Anspruch zu unterstreichen, das Ausrufen des Endes der Geschichte.
suchten, das öffentliche Bild nach links zu erläutert die AAB ihr Politik-Konzept Sozialismus und Kommunismus galten im
prägen. Antifaschistische Straßenpräsenz unter dem Label „Antifa ist der Kampf ums politischen Mainstream als unwiderruflich
in Form von Sprühereien, Aufklebern Ganze“. Darin wird beschrieben, wie das beerdigt. Viele Antifas hielten dem ein trotz-
und Angriffen auf Nazitreffpunkte führte Thema Antifaschismus als Ansatzpunkt iges „Für den Kommunismus!“ entgegen.
dazu, dass sich die Nazis aus bestimmten für eine inhaltliche Orientierung dient:
Gegenden zurückzogen und Menschen, die „Der Erfolg jedes linken Konzeptes misst Der Antifa-Sommer im Jahre 2000
nicht in deren Weltbild passten, sich dort sich an der doppelten Aufgabe, Leute zu 1998 gab es erstmals eine rot-grüne
ungestörter aufhalten und leben konnten. erreichen und zu politisieren. Ideal ist dafür Bundesregierung unter Kanzler Schröder
Für viele Menschen innerhalb der Linken die politische Position als radikaler Kern in- und Außenminister Fischer. Diese läuteten
kommt Militanz nicht in Frage, wenngleich nerhalb einer breit wirksamen Bewegung. eine neue Ära politischer Auseinander-
ein nicht unerheblicher Teil mit dieser Damit eine solche Bewegung wirksam ist, setzungen auch im Kampf gegen Rechts
sympathisiert.Auch wenn man selber solche braucht sie einen Ansatzpunkt. Sie muss ein. Vorbei die Zeiten, als der dicke Ewig-
Aktionsformen nicht nutzt – wirkungsvoll sich um ein Anliegen gruppieren, um eine Kanzler Kohl den gesellschaftlichen
war der militante Antifaschismus alle mal. Idee, die sich auf das eigene Leben und die Rassismus bewusst forcierte und der
Er sorgte dafür, dass bestimmte Gegenden momentane Situation bezieht“.(6) Staat auf dem rechten Auge blind war.
„nazifrei“ und die Bedrohung durch Nazi- Weiter führt die Gruppe aus: „In unserem Als im Sommer 2000 eine Paketbombe in
banden real weniger wurde. Verständnis ist Antifa also das Aufgreifen Düsseldorf explodierte, wurde der Kampf
von Antifaschismus als Konzept, weder gegen Rechts zur Bundespolitik erkoren,
Antifaschistische Mobilisierungen Lockmittel noch Notlösung. Alles fängt mit staatliche Initiativen gegründet und viele
In den 1990ern gab es eine Antifa an, aber nichts hört dabei auf.“(7) Gelder verteilt. Doch während die Zivil-
Reihe bedeutender antifaschistischer Im weiteren Verlauf werden verschie- gesellschaft gegen Neonazis entstand,
Mobilisierungen. Als Reaktion auf das dene Gesichtspunkte aufgegriffen, immer löste sich die AA/BO auf. „Parallel dazu
Pogrom von Rostock-Lichtenhagen im mit dem Hinweis auf die eigene konkrete zeigt sich auch die autonome antifas-
Sommer 1992 demonstrierten rund 15.000 Praxis: Geschichtsbezug am Beispiel der chistische Bewegung in einem desolaten
Menschen in Rostock gegen den Nazi- Luxemburg-Liebknecht Demonstration, Zustand. Ihr Erscheinungsbild ist derzeit
terror, darunter viele Autonome aus ganz die Gründung von Jugendantifa-Gruppen, weniger das einer politischen Bewegung,
Deutschland. Eine wichtige Rolle spielte regionale Vernetzung, internationale Aus- als vielmehr das vieler vereinzelter Split-
die Verhinderung von Nazi-Aufmärschen richtung und der eigene organisatorische tergruppen. Ihre momentane politische
am 1. Mai, sowie der Verherrlichung des Aufbau. Die Gruppen innerhalb der AA/BO Schwäche wurde ausgerechnet im ‚Antifa-
Nationalsozialismus. Besonders die Nazi-
aufmärsche am 1. Mai in Berlin, Rostock
und Leipzig wurden durch tausende Anti-
faschisten begleitet, behindert und an-
gegriffen. In den Städten Halbe, Wunsiedel
und Dresden versuchte die Naziszene
ideologische Anknüpfungspunkte an den
NS heraus zu stellen. Antifaschistische
Proteste wurden vor allem in den ersten
Jahren durch die Polizei massiv behindert
und drangsaliert. Weiterhin gab es bundes-
weite Demonstrationen in ostdeutschen
Kleinstädten mit Nazi-Hegemonie. Im Som-
mer 1996 demonstrierten über 6.000 fast
ausschließlich autonome Antifas in Wurzen
(Sachsen). Auch in Saalfeld (Thüringen) und
21
Sommer‘ 2000 offenkundig, als die bürger- bei den Demonstrationen und Blockaden
liche Öffentlichkeit endlich der Gefahr von gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im
rechts genügend Aufmerksamkeit widmete Sommer 2007. Auch wenn viele aus der
und die linksradikalen, antifaschistischen organisierten autonomen Antifa der 1990er
Kräfte sich als unfähig erwiesen, das un- Jahre entstandene Gruppen heute ein
verhoffte Medieninteresse für eigene poli- breiteres, auf radikalisierende Intervention-
tische Akzente zu nutzen. en in gesellschaftliche Konflikte abzielen-
Da eine gemeinsame organisatorische des Politikverständnis haben, spielt das
Plattform nicht existiert, gelingt es der Thema Antifa in diesen Gruppen weiterhin
Antifa nicht, die vorhandenen Ressourcen eine wichtige Rolle, ebenso wie der Kampf
zu bündeln. Notwendige Diskussionen über Amsterdam (1997) und zum G7- und EU- gegen Naziaufmärsche wie zum Beispiel
inhaltliche und strategische Ansätze werden Gipfel nach Köln (1999) mobilisiert. Im in Dresden. Ein Ansatz aus den 1990ern
bundesweit so gut wie nicht mehr geführt. Dezember 1999 fand diese Bewegung mit behält dabei bis heute Gültigkeit: Den
Dadurch erfolgt in den meisten Fällen nur den Protesten gegen die WTO in Seattle Antifaschismus als notwendiges Element
eine langsame und vereinzelte Reaktion weltweite Beachtung. Gipfelproteste des Kampfes um eine klassenlose und
auf aktuelle politische Entwicklungen.“(8) bildeten eine wichtige Aktionsform für herrschaftsfreie Gesellschaft zu begreifen.
Auf dem Antifa-Kongress 2001 in Göttingen antifaschistische Aktivisten auf der Suche
wurde das Projekt AA/BO für beendet nach einer antikapitalistischen Praxis, (1) Zeitschrift radikal 97, 8/1981
(2) Logischerweise gab es somit in den sozialen Bewegun-
erklärt. Ein wesentlicher Grund war, dass so in Prag 2000 und in Genua 2001. Die
gen immer wieder Gewalt- und Militanzdebatten. Geeinigt
sie ihr Profil nie über das Thema Anti- Zunahme von Sozialprotesten in wurde sich in Bündnissen eher selten. Auch lehnten viele
faschismus hinaus schärfen konnte. Eine Deutschland im Zuge der Bewegung gegen linke Gruppen Militanz aus unterschiedlichen Gründen ab,
eigene, klassenkämpferische Praxis war die Einführung der Hartz-IV-Gesetze ver- obwohl die Militanz nie einfach negative Begleiterscheinung
eher Anspruch als Realität geblieben. stärkte die Suche nach einer linksradikalen, war, sondern der Zuspitzung von politischen Auseinander-
setzungen diente.
Diverse Antifa-Gruppen spalteten sich. interventionistischen Praxis. 2004 entstand
(3) Z.B. die „Antifa Westberlin“ und „Autonome Antifa (M)“,
Während einige sich auf so genannte daraus die „Interventionistische Linke“ (IL) Göttingen 4 Autonome Antifa (M), Diskussionspapier zur
antideutsche Positionen zu- und von als ein Zusammenschluss linksradikaler Autonomen Organisierung, radikal 144, S. 39
sozialen Konflikten abwendeten, machten Gruppen und Einzelpersonen. In der IL sind (4) Autonome Antifa (M), Diskussionspapier zur Autonomen
sich andere auf die Suche nach Möglich- Gruppen aktiv, die zuvor schon in der AA/BO Organisierung, radikal 144, S. 39
(5) Von Kritikern wurde der AA/BO gerne das Label „Pop-
keiten umfassenderer und explizit organisiert waren, wie die aus der AAB
Antifa“ aufgedrückt: Keine oder platte Inhalte, dafür aber
antikapitalistischer Interventionen in hervorgegangene Antifaschistische Linke immer stylisch und macker-militant.
soziale Bewegungen. Berlin (ALB), die aus der Antifa M (6) Antifaschistische Aktion Berlin: Das Konzept Antifa, S. 5.
entstandene „Antifaschistische Linke (7) ebenda
Linksradikal im neuen Jahrhundert International“ (ALI) in Göttingen, die (8) Joachim Kolb: Antifa heißt Kontakt aufnehmen
Eine Möglichkeit dazu bot die global- „organisierte autonomie“ (oa) in Nürn- Dieser Text wurde aus der Broschüre “Block
isierungskritische Bewegung. Autonome berg, aber auch Gruppen wie Avanti und Fascism“ vom Januar 2010 entnommen.
Antifas hatten bereits zum EU Gipfel in FelS. Die IL spielte eine wichtige Rolle
Der Extremismus-Begriff geht vom derzeitigen politischen System als „Mitte“ aus und
steckt alle davon abweichenden Vorstellungen in eine Schublade. Würden wir beispiels-
weise gerade in einer Monarchie leben, wären Menschen, die diese ablehnen würden,
Extremisten. Heute sind jedoch diejenigen Extremisten, die wieder einen König haben
wollen, da sie den “demokratischen Verfassungsstaat” ablehnen.
Die Extremismustheorie ist also lediglich ein Mittel des Staates politische Gegner_innen und ihre gesellschaftlichen Alternativen
zu bekämpfen, sowie ihre Inhalte zu diffamieren. So werden Linke und Nazis von der Bildzeitung bis zu Bundeszentrale für
politische Bildung als „Chaoten“ oder „Extremisten“ gleichgesetzt, obwohl jeder denkende Mensch in der Lage sein sollte
den Unterschied zwischen einem Angriff auf ein Asylbewerber_innenheim und einem Angriff auf einen Naziladen zu erkennen.
Vorläufer der Extremismus- war die Totalitarismustheorie, die die sozialistischen Staaten mit dem Faschismus gleichsetzte.
Damit sollten diese Staaten und die Linken innerhalb der BRD dämonisiert werden. Auch heute wird mittels Gerede über „die
zwei deutschen Diktaturen“ Nazideutschland verharmlost.
Die inhaltslose Einteilung in gute Demokrat_innen und böse Extremist_innen ermöglicht es bürgerlichen Politiker_innen
außerdem, sich als demokratische Gegenspieler_innen der prügelnden Nazis aufzuspielen, während sie die Parole „Ausländer
raus!“ durch Abschiebungen praktisch umsetzen. Der Extremismus-Begriff dient also nicht nur dazu politische Gegner_innen
anzugreifen, sondern auch die inhaltliche und praktische Nähe zu bestimmten “Extremisten“, nämlich den Nazis, zu
verschleiern.
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Naziaufmarsch am 1. Mai 2008 in Hamburg
“ANTIKAPITALISMUS“ VON RECHTS?
Jugendantifa Berlin
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“Linke” Neonazis machen auf “Querfront” und agitieren
für einen “souveränen sozialistischen Nationalstaat”
Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg
1. Mai 2009 in Berlin: Auf der DGB-Demo im Klassenkampf- von einigen misstrauischen Leuten angesprochen und wegge-
Block tauchten am Vormittag augenscheinlich autonom schickt. Am gleichen Tag beteiligten sie sich dann am frühen
gekleidete Personen mit einem Transparent - „Eigentum in Abend an der u.a. von Jürgen Elsässer organisierten Anti-EU-
fremder Hand? Unsere Antwort: Klassenkampf! Deutschland Demo gegen den “Lissabonner Vertrag”. Thematisch waren die
enteignen!“ - auf. Leider haben die Organisator_innen des Querfront-Neonazis von SAM hier auf jeden Fall richtig, denn
Blockes erst im Nachhinein festgestellt, dass es sich bei diesen Jürgen Elsässers Thesen mit der Fixierung auf den National-
vermeintlichen Autonomen um national- und sozialrevolutionär staat und gegen das internationale Finanzkapital ist natürlich
ausgerichtete Neonazis handelte. Sie nennen sich “Sozial- eine Einladung für Nationalisten sämtlicher Couleur.
revolutionäre Alternative Mitte” (SAM) und gehören zu einem Die sozial/nationalrevolutionären Kameraden beteiligten sich
“Netzwerk sozialistische Nation” (NWSN). bei dieser “Elsässer-Demo” mit einem Transparent auf dem sie
dreisterweise Symboliken der linken Freien Arbeiterinnen- und
Arbeiter Union (FAU) benutzten. Aus dem Agieren der national-
und sozialrevolutionär Neonazis vom “Netzwerk sozialistische
Nation” ziehen wir als Antifaschist_innen nur ein Fazit - sie
energisch vor die Tür zu setzen, überall dort wo sie auftauchen.
Dem deutschen Nationalismus ist eine klare Absage zu erteilen,
egal in welcher ideologischen Variante er daherkommt.
Weiterführende Artikel gibt es in der Antifaschistischen Zeitung zum 9. November 2009
und im Antifa-Infoblatt Nr. 85.
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tipps & trix
werden und in der Gesa landen. Es ist eine Ausnahmesi- Du hast das Recht zwei Telefonate zu betätigen. Rufe
tuation. Deshalb gibt es einige nützliche Tipps und Hin- unbedingt den Ermittlungsausschuss (EA) an und infor-
weise, die du beachten solltest, wenn du miere die Leute dort über deine Festnahme. Der EA
festgenommen wirst: braucht erstmal bloß deinen Namen und dein Geburts-
datum. Falls du weißt, was dir vorgeworfen wird, teile
Nach der Festnahme kommst du erst in einen Gefan- dem EA auch den dir zur Last gelegten Vorwurf mit.
genentransporter und wirst irgendwann in die Gesa (Ge- Auch wenn es schwer ist, versuche dann die Zeit in
fangenensammelstelle) gebracht. Rede während der der Gesa so schnell wie möglich über dich ergehen zu
Fahrt und dem Weg zur Gesa über gar nichts, was das lassen. Rede auf keinen Fall mit Leuten, die eventuell
Geschehene angeht – weder mit den Bullen oder ande- mit dir in der Zelle sitzen, über das Geschehene und
ren Festgenommenen. In der Gesa werden dir zuerst al- versuche die Leute zu beruhigen. Lege ihnen nahe
le persönlichen Gegenstände abgenommen und du ebenfalls die Aussage zu verweigern.
wirst zu deinen Personalien befragt.
Nachdem du irgendwann aus der Gesa rausgelassen
Das einzige was du angeben musst sind dein Name, wurdest, hast du immer noch genug Zeit dich mit ei-
dein Geburtsdatum, deine Meldeadresse und eine unge- nem Anwalt abzusprechen und dich auf den Prozess
fähre Berufsbezeichnung (z.B. Schülerin, Auszubilden- vorzubereiten. Schreibe nach deiner Freilassung ein
der). Obwohl es die Bullen immer wieder versuchen Gedächtnisprotokoll, worin du alles, woran du dich er-
werden: zu allen anderen Fragen gibt es nichts zu sa- innerst, festhältst. Dieses kann für einen möglichen
gen außer: "Ich verweigere die Aussage!" Prozess und für deinen Anwalt sehr hilfreich sein.
Kontrolliere genau welche Gegenstände dir von den Bul- Schreibe auch auf, wie es dir in der Gesa ergangen ist
len abgenommen werden und lasse das protokollieren. und lasse dir mögliche Verletzungen sofort durch einen
Lese das Beschlagnahmungsformular ganz genau Arzt attestieren. Außerdem solltest du dem EA Be-
durch, unterschreibe aber nichts und versuche Wider- scheid sagen, dass du wieder freigelassen wurdest.
spruch einzulegen. Auch wenn du ihn nicht selber anrufen konntest, hat
ihn vielleicht jemand anders über deine deine Festnah-
Egal was du gemacht oder nicht gemacht hast, du soll- me informiert. Der EA wird sonst weiterhin versuchen,
test weder bei den Bullen noch woanders über das re- deinen Verbleib zu ermitteln und kann sich nicht um
den, was vorgefallen ist. Für die Bullen sind alle die Leute kümmern, die wirklich noch im Knast sitzen.
Informationen, die sie von dir bekommen, unheimlich
kostbar. Diese helfen ihnen sich ein besseres Bild zu Geh unbedingt zu einer Beratung beim Ermittlungsaus-
machen und können bei einem möglichem Prozess ge- schuss, wenn du Festgenommen wurdest. Auch wenn
gen dich oder gegen andere genutzt werden. Aussage- es erstmal so aussieht, als hätte sich die Sache erle-
verweigerung kann nicht negativ gegen dich digt, können noch Monate später Strafbefehle oder An-
verwendet werden, eine Aussage hingegen schon. Du klagen ins Haus flattern.
kannst in dieser Stresssituation und nach der Reaktion
der Bullen gar nicht erst einschätzen welche Aussage
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no camera, no problem!
Seit dem Handys mit integrierter Fotokamera auf dem Markt sind finden sich auf
Portalen wie YouTube jede Menge selbst gedrehter Videos von spontanen
Situationen, Ausschreitungen und Schlägereien. Dabei wird oftmals keine
Rücksicht darauf genommen, dass die gefilmten Menschen es oftmals gar nicht
cool finden, im Internet die Hauptrolle in einem 30 Sekunden langem Clip zu
spielen. Problematisch wird es spätestens wenn die Menschen auf den Videos
dadurch in die Zielscheibe von Bullen und Staatsanwälten kommen. So wurde im
vergangenen Jahr nach einer Demonstration in Berlin eine Person aufgrund
eines auf YouTube eingestellten Handyvideos zu 15 Monaten Haft verurteilt.
Lasst eure Handys und Kameras bei Aktionen einfach zu Hause und filmt nichts.
Macht auch eure Freund_innen darauf aufmerksam und fordert Leute, die
filmen, auf dies zu unterlassen. Dadurch werden Leute unnötig in Gefahr
gebracht.
- Persönliche Gegenstände wie Notizbücher, Kalender oder Telefonlisten haben auf Demonstrationen nichts zu
suchen. Solltest du aus irgendwelchen Gründen festgenommen werden, müssen die Bullen nicht die Notizen
deines letzten Plenums oder deine persönlichen Emotionen und Gedanken zu lesen bekommen. Auch Handys
mit persönlichen SMS und Telefonnummern solltest du besser zu Hause lassen. Dasselbe gilt für digitale
Daten auf USB-Sticks, Netbooks oder MP3-Playern...
- Handys können abgehört und geortet werden. Über die Verbindungsdaten deines Mobilfunkanbieters lässt
sich bei einem Prozess später unter Umständen nachweisen, dass du dich zu einer bestimmten Uhrzeit an
einem bestimmten Ort aufgehalten hast. Das kann sehr ungünstig sein. Willst du nicht dass die Bullen und
dein Mobilfunkanbieter wissen, wo du dich aufgehalten hast, dann lass dein Handy entweder zu Hause oder
macht es wenigstens aus und nimm den Akku raus.
Wenn ihr Festnahmen beobachtet, meldet diese dem EA mit Namen und
Geburtsdatum. Sagt aber kein Wort, zu dem was vorgefallen ist. Der EA
braucht nur den Namen und das Geburtsdatum der Festgenommenen.
Jeden Dienstag ist der EA im Mehringhof von 20 bis 22 Uhr geöffnet. Dort
könnt ihr Rat und Unterstützung bekommen. Außerdem können sie euch
erfahrene, politische Anwälte und Anwältinnen vermitteln.
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TERMINE
INFOLAEDEN
Infoveranstaltung zum 1. Mai Buchladen Schwarze Risse (Kreuzberg)
Samstag, 17. April, 19 Uhr, Schreina47 Gneisenaustr. 2a, U-Bhf. Mehringdamm
Schreinerstr. 47, U-Samariterstraße Mo. - Fr. 10.00 - 18.30 Uhr, Sa. 11.00 - 14.00 Uhr
Infoveranstaltung zum 1. Mai und Repression Buchladen Schwarze Risse (Prenzlauer Berg)
Donnerstag, 22. April, 20 Uhr, Bunte Kuh Kastanienallee 85, U-Bhf. Eberswalder Straße
Bernkastelerstr. 78, Tram M4, 24 Rennbahnstr. Mo. - Fr. 11.00 - 19.00 Uhr, Sa. 11.30 - 15.00 Uhr
Weitere Termine findet ihr beim Stressfaktor ... Red & Anarchist Skinheads ... www.red-skins.de/wrash
stressfaktor.squat.net Theorie.Organisation.Praxis ... www.top-berlin.net
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