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Marburg
Institut
für
Neuere
deutsche
Literatur
Proseminar
und
Seminar:
Einführung
in
literaturwissenschaftliche
Textanalysen
und
Arbeitstechniken
/
Einführung
in
das
Studium
der
Neueren
deutschen
Literatur
Leitung:
Dr.
Margarete
Fuchs
Wintersemester
2016/17
Lösungsskizze
Abschlussklausur
1a)
Griem,
Julika:
Monkey
Business.
Affen
als
Figuren
anthropologischer
und
ästhetischer
Reflexion
1800-‐2000.
Berlin:
trafo
2010.
b)
Joos
Birgit:
Lebende
Bilder
als
Charakterbeschreibungen
in
Goethes
‚Wahlverwandtschaf-‐
ten’.
In:
Erzählen
und
Wissen.
Paradigmen
und
Aporien
ihrer
Inszenierung
in
Goethes
Wahlverwandtschaften.
Hg.
v.
Gabriele
Brandstetter.
Freiburg
i.Br.
2003.
S.
111-‐136
2)
Hermeneutik:
Kunst
des
Verstehens;
Deuten
als
Dolmetschen;
unerschöpfliche
Bedeu-‐
tungsfülle;
Unlesbarkeit;
Lesen..
3)
erzählerische
Innenweltdarstellung:
innerer
Monolog,
erlebte
Rede,
Bewusstseinsstrom
4)
Zeitraffung:
erzählte
Zeit
ist
länger
als
Erzählzeit
(ggfs.
auch
Zeitsprung
oder
Aussparung)
5)
Figur:
die
im
Bühnengeschehen
repräsentierte
Person.
Rolle
+
Schauspieler/Imagination
=
Figur;
statische
u.
dynamische
Figurenkonzeption;
flach
vs.
rund
6)
Unterschied
Erzählprosa
und
dramatischer
Text:
Erzählerinstanz
(im
Drama
kein
Erzähler)
7)
inneres
und
äußeren
Kommunikationssystem
dramatischer
Texte:
Figuren
kommunizieren
untereinander
(=
inneres
K.),
Dialog
dient
aber
auch
zugleich
der
Kommunikation
zwischen
Inszenierung
und
Theaterteam
bzw.
Zuschauer
(=
äußeres
K.)
8)
Metapher:
klassische
Rhetorik:
sprachlicher
Ausdruck,
der
in
übertragener
Bedeutung
gebraucht
wird;
‚eigentlicher’
Ausdruck
wird
durch
einen
‚uneigentlichen’
ersetzt.
Ei-‐
ne
Art
‚gekürzter’
Vergleich.
Neuere
Theorien:
Metapher
als
Ausdruck,
der
in
einem
führ
ihn
unüblichen
Kontext
erscheint
und
so
eine
semantische
Inkongruenz
entste-‐
hen
lässt.
Metapher
als
Abweichung
von
einem
dominanten,
prototypischen
Ge-‐
brauch
eines
Wortes.
In
ihr
verschmelzen
zwei
verschiedene
semantische
Bereiche
zu
einer
neuen
Einheit/neuen
Bedeutung.
Metonymie:
nachbarschaftliches
Verhältnis
zwischen
Bildspender
und
-‐empfänger
liegt
vor.
Die
Grenzverschiebung
findet
außerhalb
der
Ebene
des
Begriffsinhaltes
statt.
Zwi-‐
schen
Bildspender
und
-‐empfänger
besteht
eine
reale
Beziehung
–
räumlich,
zeitlich
oder
kausal
9)
Bei
der
Verwendung
des
Ausdrucks
„Lyrisches
Ich“
besteht
die
Gefahr,
dass
wichtige
Un-‐
terscheidungen,
die
von
den
Termini
‚Sprecher’,
‚Erzähltes
Ich’
und
‚Erzählendes
Ich’
erfasst
sind,
verdeckt
werden,
womöglich
sogar
ein
Kurzschluss
auf
den
Autor
statt-‐
findet.
10)
unbetont
–
betont:
Jambus
11)
Fixierung,
Fiktionalität,
Poetizität
Fixierung:
räumliche
und
zeitlich
Fixierung,
die
der
Expansion
dient;
Gedächtnis
und/oder
Schrift
Fiktionalität:
entscheidend
ist
das
Wissen
des
Lesers/der
Leserin;
textinterne
und
-‐
externe
Fiktionalitätssignale
Poetizität:
künstlerische
Sprachverwendung;
gewohnte
Wahrnehmungsmuster
wer-‐
den
unterlaufen;
Selbstreflexion
des
Textes
und
der
Sprache
durch
Darbietung
seiner
‚Gemachtheit’
12A)
Mörike:
Um
Mitternacht
Das
Gedicht
setzt
sich
aus
zwei
sich
gleichenden
8-‐versigen
Strophen
zusammen.
Optisch
auffällig
ist
die
Einschiebung
von
V.
5-‐7
bzw.
13-‐15
und
die
Verkürzung
von
V.
7.
-‐8.
bzw.
15-‐
16,
die
sich
echoartig
wörtlich
wiederholen.
Auch
metrische
Struktur
ist
auffällig:
die
jeweils
ersten
zwei
Verse
haben
einen
vierfüßigen
Jambus,
die
beiden
folgenden
einen
fünfhebigen
Jambus.
Der
jeweils
zweite
teil
der
beiden
Strophen
ist
aus
rhythmisch
bewegteren
Daktylen
gebildet.
Alle
Verse,
in
Paarreimen,
enden
mit
männlicher
Kadenz,
nur
die
jeweils
zwei
letzten
Verse
enden
weiblich.
Die
Unruhe
der
Strophenform
wird
durch
die
Übereinstimmung
mit
der
anderen
Strophe
ausgeglichen.
Und
der
metrischen
Zweiteilung
entspricht
der
Gegensatz
von
Ruhe
und
Bewegtheit,
der
das
Gedicht
strukturiert.
In
den
ersten
beiden
jambischen
Hälften
tritt
die
personifizierte
Nacht
auf
(kein
erzählendes
oder
erzähltes
Ich
zu
erkennen
–
ein
menschenleeres
Gedicht)
und
steigt
„gelassen“
an’s
Ufer,
durch
den
fünfhebigen
Jambus
(ab
V.
3)
und
den
dadurch
länger
gewordene
Vers
ver-‐
langsamt
sich
das
Tempo
und
schließt
endlich
mit
dem
Wort
„ruhn“
ab
–
darin
kommt
schließlich
auch
die
letzte
ruhige
Bewegung
zum
Erliegen.
Mit
dem
Daktylus
ab
V.
5
bzw.
13
unterbrechen
die
ebenfalls
personifizierten
‚kecken’
Quel-‐
len
die
Ruhe,
bringen
Bewegung
in
das
fast
stillstehende
Gedicht.
Aber
das
Enjambement
in
V.
6/7
bzw.
14/15
verzögert
jedoch
auch
hier
das
Tempo,
bringt
den
Lesefluss
(und
den
Fluss
des
Wassers)
in’s
Stocken.
Und
schließlich
bändigt
die
Wiederholung
des
Wortes
„Tage“
die
Unruhe
und
Bewegung,
bringt
wieder
Ordnung
und
Ruhe
in
das
Gedicht.
Durch
die
Wiederholung
der
beiden
Schlussverse
wird
zugleich
der
Liedcharakter
des
„Schlummerliedes“
betont,
zugleich
auch
die
deutlich
gemacht,
dass
die
Quellen
„immer“
das
letzte
Wort
behalten.
Das
Gedicht
selbst
ist
wie
die
„goldne
Waage“
konzipiert:
alle
Gegensätze
von
Stillstand
und
Bewegung,
von
Nacht
und
Tag,
von
Jambus
und
Daktylus,
von
Wiederholung
und
Einzigartig-‐
keit
gleichen
sich
beständig
aus,
gehen
auseinander
hervor,
holen
sich
wieder
ein.
Weiter
könnte
man
auch
noch
verschiedene
Weisen
des
Umgangs
mit
der
Zeit
und
der
Ver-‐
gänglichkeit
erkennen
(Gedicht
beginnt
im
Präteritum,
ab
V.
3
im
Präsens):
Versenkung
und
Erinnerung....
B)
Eichendorff:
Das
Schloß
Dürande.
Eine
Erzählung
Er-‐Form,
auktoriale
und
personale
Erzählsituation;
gelegentlich
Passagen
in
direkter
Rede
ohne
Erzählerkommentar
oder
verba
dicendi,
indirekte
Rede
Kurzes
Lied
in
den
Erzähltext
eingebunden
Zunächst
im
Präsens
erzählt,
dann
Rückwendung
in
Vergangenheit
und
in’s
epische
Präteri-‐
tum.
Analepse:
„..und
erzählte,
wie
er
an
einem
schönen
Sonntagsabend,
als
sie
eben
allein
vor
der
Tür
gesessen...“
Teilweise
zeitdeckendes
Erzählen
(v.a.
ab
„Auf
einmal
aber
hielt
er
den
Atem
an...“),
aber
auch
zeitraffend
(z.B.
„Der
Fremde
war
schon
zwischen
den
Bäumen
verschwunden...“)
Oppositionen:
Berg
–
Tal
Stadt
(Marseille)
–
Einsamkeit
Trümmer
des
Schlosses
–
lebendige
Stadt
Stille
–
Glocken
–
Gesang
–
Schuss
Hirschgeweih
über
Eingangstür
(totes
Tier)
–
Wild
(lebend)
kommt
weidend
bis
vor
die
Tür
Wiese
–
Wald
–
Saum
des
Waldes
(Grenze
zwischen
Wiese
und
Wald
ist
unscharf!)
Bruder
–
Schwester
–
Fremder
Heller
Mond
–
dunkler
Schatten
–
aber
wechselnder
Schatten
Flinte
–
Pistol
Lied
–
Prosa
usw.
Textausschnitt
ist
stark
durch
Oppositionen
strukturiert:
z.B.
Raumordnung:
oben
–
unten;
fern
–
nah;
Trubel
–
Einsamkeit.
Und
gleich
mit
den
ersten
Lebewesen,
die
im
Text
auftauchen,
dem
Wild,
wird
auch
die
Op-‐
position
von
tot
und
lebendig
eingeführt,
die
aber
schon
vorbereitet
wird
durch
den
Gegen-‐
satz
von
Trümmern
und
lebendiger
Stadt.
Später
wird
der
Gegensatz
von
tot
und
lebendig
dekonstruiert
durch
die
Verletzung
von
Gabriele:
sie
ist
nicht
getötet
worden,
aber
ist
auch
nicht
völlig
heil
geblieben.
Die
Handlung
wird
dadurch
in
Gang
gesetzt,
dass
in
die
Zweierbeziehung
von
Bruder
und
Schwester,
dass
in
die
Geschwisterbeziehung
ein
Drittes
einbricht,
ein
Fremder,
der
die
binä-‐
re
Ordnung
bedroht.
–
Wobei
die
Beziehung
Bruder-‐Schwester
schon
dadurch
nicht
unprob-‐
lematisch
ist,
dass
Renald
eigentlich
die
Vaterrolle
inne
hat
(„Denn
der
Vater
hatte
sterbend
ihm
das
Mädchen
auf
die
Seele
gebunden...“),
das
Geschwisterpaar
eigentlich
ein
Vater-‐
Tochter-‐Paar
ist.
Das
Lied,
das
in
den
Prosatext
eingeflochten
ist,
weicht
strenge
Gattungsgrenzen
auf
(also
die
Grenze
zwischen
Prosa,
Lyrik
und
Drama),
Gattungen
werden
nicht
mehr
als
unverein-‐
bar,
gegensätzlich
angesehen,
sondern
miteinander
in
Verbindung
gebracht,
ergänzen
sich.
Ebenso
Zeitebenen:
von
der
Gegenwart
des
Erzählers
geht
es
in
die
Vergangenheit
der
er-‐
zählten
Handlung,
von
dort
aus
noch
weiter
zurück
in
die
Vergangenheit
(Analepse)
in
die
Geschichte,
die
Gabriele
über
das
Kennenlernen
erzählt...
C)
Schnitzler:
Die
letzten
Masken
a) ausführlicher
Nebentext
zu
Beginn,
Figurenbeschreibung
durch
Berufsbezeichnung
und
äußerliche
Beschreibung.
Sprache
der
Wärterin
ist
leicht
dialektal
gefärbt
(Wie-‐
nerisch).
Raum:
als
Krankenhausraum
markiert
durch
Bett,
Wärterin,
Fläschchen,
Schlafrock
von
Rademacher
usw.
b) Gleich
zu
Beginn
tritt
Florian
durch
den
Vorhang
–
wie
beim
Auftritt
auf
dem
Theater:
da
er
Schauspieler
ist,
ist
schon
hier
unklar,
ob
er
nun
als
‚echter’
Kranker
oder
als
schauspielernder
Charakter
auftritt.
Florian
spielt,
ahmt
andere
täuschend
echt
nach
(Hamschlöger,
den
Primarius,
Engstl...)
Es
geht
immer
fort
um’s
Theaterspielen,
um’s
Nachahmen,
um
die
Karriere,
um
Thea-‐
terkritik
–
und
alles
im
Verhältnis
zum
Kranksein,
zum
Sterben.
Mal
wird
der
Kran-‐
kenhausaufenthalt
schöngeredet
und
nur
als
Zeit
zum
Studium
angesehen,
dann
wird
das
Krankenzimmer
selbst
zur
Bühne
(=
Spiel
im
Spiel)
Das
Sterben
wird
zum
Spiel
–
damit
wird
auch
die
Frage
nach
dem
Verhältnis
von
Spiel
und
‚Ernst’,
von
Als-‐Ob
und
Realität
gestellt.
Immerfort
wird
die
Frage
nach
Schein
und
Sein
gestellt,
bspw.
an
der
Stelle,
als
Florian
sich
zum
ersten
Mal
Radema-‐
cher
näher:
Florian:
„ich
hab’
gemeint,
er
ist
schon
tot.“
–
Wärterin:
„Das
dauert
noch
eine
Weile“
–
es
ist
für
Florian
nicht
zu
unterscheiden,
ob
Rademacher
nun
wirklich
tot
ist
oder
es
nur
zu
sein
scheint.
Die
vielfältigen
Varianten
von
Schein
und
Sein
werden
hier
mithilfe
der
Schauspiel-‐
metaphorik
durchgespielt
und
immer
wieder
in
Frage
gestellt
–
und
das
letztlich
auf
der
Grenze
von
Leben
und
Tod,
also
auf
einer
Grenze,
die
eigentlich
keinen
Schein
kennt.
Und
zugleich
ist
es
ja
nur
eine
gespielte
Grenze,
ein
gespieltes
Sterben,
das
man
in
diesem
Drama
zu
sehen
bzw.
zu
lesen
bekommt.
Das
Drama
denkt
hier
mit
seinen
eigenen
Mitteln,
mit
dem
Mittel
des
Schauspielens,
über
seine
eigenen
Möglichkeiten
und
Grenzen
nach,
es
reflektiert
sich,
seine
Bedin-‐
gungen
und
Grenzen
im
Rahmen
des
Dramas.