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Professionelles Projektmanagement in Familienunternehmen: ein unbequemes aber

lohnendes Investment

In familiengeführten Unternehmen geht es nicht nur darum, Projekte zum Erfolg zu


führen, sondern auch Optimierungspotenziale offenzulegen und zu nutzen

von Hauke Thun

Ziemlich weit weg von der reinen Lehre – so lässt sich mit wenigen Worten die Projektma-
nagement-Kultur in Familienunternehmen beschreiben. Für sich genommen zunächst einmal
keine alarmierende Feststellung. Aber die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen
des Projektmanagements lohnt sich für jeden Mittelständler, denn hier werden Defizite im
Hinblick auf bestehende Strukturen und Abläufe sehr schnell offensichtlich. Erscheinungen,
die teils mit substanziellen Kosten- und Leistungsnachteilen verbunden sind, die in keiner
Bilanz direkt erfasst werden und die durch systematisches Projektmanagement schonungs-
los zutage gefördert werden. Das macht die Sache ungemütlich, weitsichtigen Unternehmern
sind aber genau diese Effekte sehr willkommen.

Charakteristisch für die Situation familiengeführter Unternehmen ist das von den Gründern
geprägte Werte- und Kultursystem, das als mindestens ebenso wichtig bewertet wird, wie
renditebezogenes, langfristig orientiertes Denken. Hinzu kommen in der Regel enge offene
und verdeckte Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen Familienmitgliedern (die nicht
notwendigerweise an einem Strang ziehen) und ihren Führungskräften. Loyalität und persön-
liche Bindungen stehen bei der Besetzung von Projektteams wie im gesamten Unternehmen
über der Frage nach der bestmöglichen Qualifikation.

Interessenskollisionen entstehen erfahrungsgemäß immer dort, wo stringentes und zielorien-


tiertes Arbeiten und das althergebrachte, wertebewahrende Handeln beteiligter Führungs-
kräfte aufeinanderprallen. Die Konsequenz sind in der Regel Entwicklungen, die Anpas-
sungsprozesse wie die Einführung neuer Strukturen und Methoden notwendig machen.

Das klingt zunächst einmal so, als seien Familienunternehmen per se mit einer schweren
Hypothek in Form massiver Wettbewerbsnachteile beladen. Nein, sind sie nicht - denn zum
Glück stehen viele dieser Betriebe, die eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft bilden,
sehr gut da und agieren erfolgreich auf dem Weltmarkt. In vielen Fällen gelingt es ihnen
auch, die Besonderheiten ihrer Managementkultur zumindest teilweise durch schnelle Ent-
scheidungen, Innovationen und die Motivationskraft charismatischer Unternehmensführer zu
kompensieren. Trotzdem stehen sie unter enormen Wettbewerbsdruck und müssen erken-
nen, wo und wie ihre Unternehmen Produktivität und Zukunftsfähigkeit weiter verbessern
können.

So gesehen ist es wirtschaftlich nur konsequent und sinnvoll, wenn auch mittelständische
Unternehmen sich ernsthaft mit dem Potenzial des Projektmanagments auseinander setzten
und die internen Rahmenbedingungen für die Projektarbeit so gestalten, dass Erfolg mög-
lichst vorhersagbar, planbar und wiederholbar wird. Doch die Realität sieht meist so aus:
Anstatt international bewährte und standardisierte Methoden (etwa nach IPMA, PMI oder
PRINCE2) abgestimmt auf die Belange des Unternehmens anzuwenden, stehen speziell
externe Projektmanager vor der Herausforderung, unter den gegebenen organisatorischen
Voraussetzungen herauszuholen, was möglich ist. Dieses verschiebt den Anforderungskata-

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log eher in Richtung hoher operativer Intelligenz, Geduld, Überzeugungskraft sowie eines
ausgeprägten Einfühlungsvermögens.

In den Mittelpunkt ihres Handelns rückt das Stakeholder Management, das die Einbindung
und den Informationsfluss zu und zwischen allen Projektbeteiligten regelt, die Einfluss auf
das Projekt oder die Projekte ausüben. Überlebensnotwendig ist hier eine „Hidden Agenda“
des Projektverantwortlichen, die analysiert, wie einzelne Entscheidungsträger mit ihren indi-
viduellen Potenzialen und Bewegungsspielräumen eingesetzt werden können. Dazu gehört
vor allem das Erkennen weicher Faktoren: Beziehungsgeflechte und verdeckte Entschei-
dungsstrukturen. Von Bedeutung für das Vorgehen des Projektmanagers ist an dieser Stelle
auch, ob das Unternehmen Qualitätsziele oder Kostenziele verfolgt.

Will der Projektmanager erfolgreich sein, sollte er mit Augenmaß und Einfühlungsvermögen
auf mehr Objektivität und gesteigerte Transparenz im Hinblick auf Zielsetzungen, Kosten,
Zeitbudgets, Zeitschreibung, Kommunikation, Vertragspolitik und persönliche Verantwortung
hinarbeiten. Auch die richtige Aufhängung entscheidet darüber, ob Projekte zum Erfolg ge-
führt werden können: In familiengeführten Unternehmen ist ein Stabs-Projektmanagement
am häufigsten. Der Projektverantwortliche ist hier dem Chef direkt unterstellt und agiert aus
dem Kreis des Vorstands oder der Geschäftsführung heraus. Damit kann er kaum die Unab-
hängigkeit entwickeln, die es für eine nüchterne Analyse und Steuerung von Projekten
braucht. Nicht selten werden seine Aufgaben und Kompetenzen zudem nur vage definiert.
Es ist die schwächste Form der Projektorganisationen mit den geringsten Veränderungspo-
tenzialen.

Die bessere Alternative ist ein vom Tagesgeschäft unabhängigeres Projektmanagement, das
von der Spitze mit einer klaren Kompetenzen- und Ressourcen-Zuteilung ausgestattet und
auch im Hinblick auf inhaltliche und disziplinarische Fragen handlungsfähig ist. Wesentlich ist
hier eine klare Trennung zwischen Linien- und Projektarbeit, da sonst unter anderem Kosten-
intransparenz entsteht - in der Praxis fehlen oft Verrechnungssätze für die beteiligten Mitar-
beiter.

Die Faktoren für ein erfolgreiches Projektmanagement in Familienunternehmen:

 Ein Projekt braucht die uneingeschränkte und fortgesetzte Rückendeckung der Unter-
nehmensführung, wenn es erfolgreich sein soll. Unangenehme Fakten dürfen nicht ver-
drängt oder unterdrückt, sondern müssen ausdrücklich begrüßt werden

 Es bedarf einer eindeutigen Definition der strategischen Geschäftsziele: Welche konkre-


ten unternehmerischen Ziele sind am Ende mit dem Projekt verbunden?

 Die Aufgaben, Kompetenzen, Personalausstattung und Budgetmittel des Projektmana-


gers müssen klar definiert sein

 Der Projektmanager benötigt Einblick in die für das Projekt relevanten Kostenstrukturen
und Vertragsvorgänge, um die Projektsteuerung im Rahmen seines Auftrags auch hin-
sichtlich der vertraglichen und budgetären Aspekte ausüben zu können

 Klare Aufhängung in der Organisation des Unternehmens – vorzugsweise als eigenstän-


dige Einheit. Im Falle einer Einflechtung in die Linien-Struktur ist eine klare Zuteilung von
Ressourcen erforderlich, verbunden mit eindeutigen Verrechnungssätzen

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 Auch Projektmanager sind Teil des Führungspersonals eines Unternehmens. Sie bedür-
fen wie das gesamte Management einer permanenten Weiterbildung, Leistungsanreizen
und eines klaren Karriereplans

Management Summary

Familienunternehmen zeichnen sich durch ihre auf Loyalität und Vertrauen basierende Un-
ternehmenskultur sowie ihren nachhaltigen Umgang mit Ressourcen aus, sei es das Perso-
nal oder das Kapital. Durch die Kopplung von Familie, Kapital und Unternehmen ergeben
sich Potenziale, die Familienunternehmen zu den erfolgreichsten Playern im deutschen Mit-
telstand machen.

Die spezielle Konstellation birgt jedoch auch Gefahren: etwa eine große Skepsis gegenüber
Veränderungen und Beratung von außen. Familienstreitigkeiten können sich zudem drama-
tisch auf das Unternehmen auswirken. Um den wachsenden Anforderungen des Marktes
gerecht werden zu können, müssen auch Familienunternehmen Veränderungsprozesse zu-
lassen und einleiten.

Professionelles Projektmanagement, wie es in Großunternehmen erfolgreich implementiert


ist, unterstützt bei der Bewältigung gegenläufiger Interessen. Etwa, in dem es mit stringen-
tem Vorgehen und effizienten Prozessen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ver-
bessert und gleichzeitig mit einem maßgeschneiderten Stakeholder Management den Infor-
mationsbedürfnissen im Unternehmen Rechnung trägt. Allerdings ist dafür eine Öffnung der
Unternehmensführung im Hinblick auf die eigenständige Arbeitsweise von Projektteams nö-
tig. Sie müssen sich, sollen die definierten Ziele erreicht werden, primär von wirtschaftlichen
Fakten und Notwendigkeiten leiten lassen. Dass dadurch teilweise bestehende Strukturen,
Abläufe und Refugien hinterfragt beziehungsweise herausgefordert werden, ist Teil des Prin-
zips. Dem Gesamtunternehmen entsteht daraus ein erheblicher Nutzen, der weit über das
einzelne Projekt hinaus reicht.

Hamburg, im März 2010

Der Autor
Hauke Thun ist Gründer und Inhaber von PM Firefighters (www.pm-firefighters.eu). Vor der
Gründung seines Unternehmens im Jahr 2003 war der Dipl.-Ing. der Technischen Informatik
18 Jahre in unterschiedlichen Funktionen in den Bereichen Software-Entwicklung, Projektma-
nagement und Unternehmensführung tätig. Zu seinen Stationen gehören die IDM Inc., G+J
EMS GmbH, HTC Babelsberg GmbH, e-dict GmbH (Geschäftsführer), 7d AG (Vorstand), di-
vine GmbH (Director Quality Management). Thun verfügt über Zertifizierungen nach GPM /
IPMA Level D und PMI / PMP. Er engagiert sich außerdem international, so etwa als Assessor
für den International Project Excellence Award (IPMA).

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