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ATZ/MTZ-Fachbuch

Richard van Basshuysen


Fred Schäfer Hrsg.

Handbuch
Verbrennungs-
motor
Grundlagen · Komponenten ·
Systeme · Perspektiven
8. Auflage
ATZ/MTZ-Fachbuch
Die komplexe Technik heutiger Kraftfahrzeuge und Antriebsstränge macht einen immer größer
werdenden Fundus an Informationen notwendig, um die Funktion und die Arbeitsweise von Kom-
ponenten oder Systemen zu verstehen. Den raschen und sicheren Zugriff auf diese Informationen
bietet die Reihe ATZ/MTZ-Fachbuch, welche die zum Verständnis erforderlichen Grundlagen,
Daten und Erklärungen anschaulich, systematisch, anwendungsorientiert und aktuell zusam-
menstellt.
Die Reihe wendet sich an Ingenieure der Kraftfahrzeugentwicklung und Antriebstechnik sowie
Studierende, die Nachschlagebedarf haben und im Zusammenhang Fragestellungen ihres Arbeits-
feldes verstehen müssen und an Professoren und Dozenten an Universitäten und Hochschulen mit
Schwerpunkt Fahrzeug- und Antriebstechnik. Sie liefert gleichzeitig das theoretische Rüstzeug für
das Verständnis wie auch die Anwendungen, wie sie für Gutachter, Forscher und Entwicklungs­
ingenieure in der Automobil- und Zulieferindustrie sowie bei Dienstleistern benötigt werden.
Richard van Basshuysen
Fred Schäfer
(Hrsg.)

Handbuch
Verbrennungsmotor
Grundlagen, Komponenten, Systeme, Perspektiven
8. überarbeitete Auflage
Herausgeber
Richard van Basshuysen Fred Schäfer
Bad Wimpfen, Deutschland Hamm, Deutschland

ATZ/MTZ-Fachbuch
ISBN 978-3-658-10901-1 ISBN 978-3-658-10902-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8

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V

Vorwort zur 8. Auflage

Das „Handbuch Verbrennungsmotor“ hat sich im Laufe der Jahre zum international aner-
kannten Standardwerk unseres Fachgebietes entwickelt. Die Komplexität, die heute einen
modernen Verbrennungsmotor ausmacht, ist sicherlich einer der Gründe dafür, dass ein Ein-
zelner nicht mehr in der Lage ist, alle wichtigen Zusammenhänge in ihrer Tiefe umfassend
darzustellen. Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, dass es bisher weltweit überraschen-
derweise keine Gesamtdarstellung zu diesem Thema gibt. Eine Vielzahl von Fachbüchern
beschäftigt sich zwar mit Teilaspekten des Verbrennungsmotors; es fehlte jedoch ein Werk,
das alle bedeutenden Aspekte von Diesel- und Ottomotoren berücksichtigt.

Die über 100-jährige Entwicklung des Verbrennungsmotors hat bezüglich der unter-
schiedlichen Anforderungen, der großen Anzahl von Bauelementen und deren Zu-
sammenwirken eine explosionsartige Vielfalt an wichtigen Erkenntnissen und Detail-
wissen hervorgebracht. Mit einem aktualisierten und erweiterten Umfang auf über
1350 Seiten, 1841 Abbildungen und mehr als 1500 Literaturangaben sind die wesentlichen
Inhalte der Technik des Verbrennungsmotors dargestellt.

Es war das besondere Bestreben der Herausgeber, Akzente an der richtigen Stelle zu setzen
und damit ein Werk zu präsentieren, das Defizite in der Fachliteratur beseitigt. Von besonde-
rer Bedeutung ist, dass diese Überarbeitung und Erweiterung in kürzester Zeit entstand und
somit den aktuellen, hohen Stand der heutigen technischen Entwicklung widerspiegelt und
einen Blick in die Zukunft erlaubt.

Besonders wichtig war es den Herausgebern, Theorie und Praxis in einem ausgewogenen Ver-
hältnis darzustellen. Das gelang vor allem dadurch, dass über 140 Autoren aus Wissenschaft
und Industrie zur Mitarbeit gewonnen werden konnten. Mit ihrer Hilfe entstand ein Werk,
das in Lehre, Forschung und Praxis gleichermaßen ein einmaliger Helfer und Ratgeber bei
der täglichen Arbeit ist.

Es richtet sich vor allem an in Wissenschaft und Praxis tätige Fachleute der Automobil-,
Motoren-, Mineralöl-, und Zubehörindustrie und an Studenten, es ein hilfreicher Begleiter
durch das Studium sein soll. Darüber hinaus soll es Patentanwälten, dem Kraftfahrzeugge-
werbe, Regierungsstellen, Umweltorganisationen, Journalisten sowie interessierten Laien ein
nützlicher Ratgeber sein.

Die Frage nach der Zukunft des Verbrennungsmotors spiegelt sich in vielen neuen Ansätzen
zur Lösung der Probleme beispielsweise im Zusammenhang mit Kraftstoffverbrauch und
Umweltverträglichkeit. Insbesondere unter diesen Aspekten, im Vergleich zu den Alternati-
ven, fällt die Prognose nicht schwer, dass uns der Hubkolbenmotor für den mobilen Einsatz
in seinen grundlegenden Elementen noch lange erhalten bleiben wird. Neue Antriebssysteme
haben das Problem, gegen eine über 100-jährige Entwicklung mit weltweit enormen Entwick-
lungskapazitäten konkurrieren zu müssen. Das gilt sicherlich auch für den Elektroantrieb für
Kraftfahrzeuge entgegen der zur Zeit von politischer Seite entfachten Euphorie.
VI Vorwort zur 8. Auflage

Neben der Darstellung des aktuellen Standes der Motorenentwicklung ist die Beantwortung
der Fragen wichtig: Wohin entwickelt sich der Verbrennungsmotor? Wie ist sein Potenzial
im Hinblick auf Kraftstoffverbrauch, Kostenoptimierung und Umweltverträglichkeit nach
über hundert Jahren Entwicklungszeit zu bewerten? Welche Möglichkeiten bieten alternative
Kraftstoffe und alternative Antriebssysteme in der Zukunft? Sind Range Extender und hybride
Antriebe nur Brückenfunktionen hin zum reinen Elektroantrieb? Gibt es Wettbewerbssys-
teme, die ihn in den nächsten Jahrzehnten ablösen könnten? Auf diese Fragen wurden nach
dem heutigen Kenntnisstand schlüssige Antworten gegeben.

Wenn auch der Schwerpunkt des Buches beim Pkw-Motor liegt, betreffen grundsätzliche
Zusammenhänge auch Nutzfahrzeugmotoren. Neu ist auch, dass die in vielen Bereichen un-
terschiedlichen Aspekte des Ottomotors im Vergleich zum Dieselmotor in diesem Buch he-
rausgearbeitet werden. Sind in einigen Jahren überhaupt noch grundsätzliche Unterschiede
zwischen Diesel- und Ottomotoren vorhanden? Man denke an die sich annähernden Verbren-
nungsverfahren zwischen Otto- und Dieselmotoren: Ottomotoren mit Direkteinspritzung
– zukünftig vielleicht Dieselmotoren mit homogener Verbrennung.

Unser besonderer Dank gilt allen unseren Autoren für ihre konstruktive und disziplinierte
Mitarbeit sowie ihr Verständnis für die schwierige Aufgabe, die Beiträge so vieler Mitarbeiter
zu koordinieren. Besonders hervorzuheben ist die Termintreue der Autoren, die es ermög-
lichte, auch das Erscheinen des überarbeiteten und erweiterten Buches zeitnah und damit
aktuell am Markt zu platzieren – ein besonders erwähnenswerter Vorgang, wie wir meinen.

Nach dem großen Erfolg der ersten sieben Auflagen – von 2002 bis 2016 wurden mehr als
30.000  Exemplare in deutscher und englischer Sprache gedruckt – wurde der Inhalt vieler
Kapitel der 8. Auflage aktualisiert und die Literaturstellen ergänzt.

Dabei wird der wachsenden Bedeutung der Diskussion um Treibhausgase wie CO2 besonders
Rechnung getragen und der Einfluss der Motorapplikation auf die CO2-Emission gezeigt.
An anderen Stellen wurde, wo erforderlich, der Inhalt auf den aktuellen Stand der Technik
gebracht.

Dem Springer Vieweg Verlag und insbesondere dem Lektorat Ewald Schmitt und Elisabeth
Lange sei für die konstruktive und vorausschauende Mitarbeit herzlich gedankt.

Last but not least danken die Herausgeber insbesondere der Firma IAV GmbH für die fach-
liche und materielle Unterstützung bei der Entstehung dieses Werkes, ohne deren Mithilfe
dieses Handbuch so nicht hätte realisiert werden können.

Bad Wimpfen/Hamm, im Jahr 2017

Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen, VDI


Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer, SAE
Unser Antrieb:
Innovative Technologien
für eine umweltgerechte Mobilität
Mit technologisch anspruchsvollen Innovationen leisten Unsere Kompetenz reicht weiter: über effiziente Lö-
wir einen Beitrag zur Emissions-, Verbrauchs- und Ge- sungen im Bereich der Abgasnachbehandlung bis hin
wichtsreduzierung, zum Einsatz alternativer Kraftstoffe zu Komponenten für Brennstoffzellen und für Lithium-
und zur Entwicklung neuer Motoren- und Getriebe- Ionen-Batterien. So fördern wir nachhaltige Mobilität.
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industrie ist unsere Innovationskraft nicht nur bei
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.
IX

Die Herausgeber

Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen, VDI, wurde 1932 in Bingen/Rhein


geboren. Nach einer Lehre mit Abschluss als Kfz-Schlosser studierte
er an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel von 1953 bis
1955 mit Abschluss als Ingenieur für Maschinenbau. 1982 wurde ihm
der Hochschulgrad Diplom-Ingenieur verliehen.
Von 1955 bis 1965 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Aral AG in
Bochum. 1965 wechselte er zur NSU AG, wo er die Versuchsleitung der
Motor- und Getriebeentwicklung einschließlich der Wankelmotorent-
wicklung übernahm und zum stellvertretenden Leiter des Fahrzeug-
versuchs berufen wurde. In dieser Funktion war er mitverantwortlich
für die Entwicklung der Fahrzeuge Prinz 4, NSU 1000 und 1200, RO
80 und K 70. 1969 wurde die NSU AG von der heutigen Audi AG
übernommen. Bei der Audi AG begründete er dann als Entwicklungs-
leiter die Fahrzeugkomfortklasse V8/A8 und war Leiter der Motoren-
und Getriebeentwicklung und parallel dazu Aufsichtsratsmitglied
der Audi AG als gewählter Vertreter der leitenden Angestellten. Seine
bedeutendste Entwicklung war die des weltweit ersten abgasent-
gifteten Pkw-Dieselmotors mit Direkteinspritzung und Turboauf-
ladung, die er gegen große Widerstände auch im eigenen Hause im
VW-Konzern durchsetzte. Da dieser Motor 20 % weniger Kraftstoff als
sein Vorgänger als Kammerdieselmotor verbraucht und ein Motor mit
hoher Leistung und sehr hohem Drehmoment ist, hat er sich weltweit
durchgesetzt. In Europa wuchs sein Marktanteil von circa 12 % im Jahr
1989 auf circa 50 % nach nur etwas mehr als einer Dekade.
Nach seiner aktiven Laufbahn in der Automobilindustrie gründete
Richard van Basshuysen 1992 ein Ingenieurbüro, das er bis heute leitet.
Auch war er 20 Jahre lang Herausgeber der international bedeutenden
technisch-wissenschaftlichen Fachzeitschriften ATZ (Automobiltech-
nische Zeitschrift) und MTZ (Motortechnische Zeitschrift). Er berät
internationale Automobilhersteller und Ingenieurdienstleister und ist
Autor und Herausgeber technisch-wissenschaftlicher Fachbücher, die
auch ins Englische und Chinesische übersetzt wurden und werden.
Außerdem ist er seit 2006 zusammen mit Prof. Dr. Ing. Fred Schäfer
Herausgeber und Mitautor des Internetportals www.motorlexikon.de.
Darüber hinaus war er Beiratsmitglied und Mitglied des Vorstandes in
verschiedenen Gremien wie dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI)
und dem Österreichischen Verein für Kraftfahrzeugtechnik. Auch ist er
Autor und Mitautor von über 60 technisch-wissenschaftlichen Publi-
kationen. 2001 erhielt er für die Entwicklung des zukunftsweisenden
Dieselmotor mit Direkteinspritzung den hochdotierten Ernst-Blickle-
Preis 2000 und die BENZ-DAIMLER-MAYBACH-EHRENMEDAILLE des
VDI für ,,seine herausragende Ingenieurleistung bei der Entwicklung
des Pkw-Dieselmotors mit Direkteinspritzung sowie seine langjäh-
rigen Engagements als Herausgeber der ATZ/MTZ und als Beirats-
X Die Herausgeber

mitglied der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik“. Für


sein Lebenswerk wurde ihm 2004 von der Universität Magdeburg die
Ehrendoktorwürde verliehen.

Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer wurde im Jahr 1948 in Neuwied am Rhein


geboren. Nach einer Lehre als Maschinenbauer folgte ein Studium
des Maschinenbaus an der staatlichen Ingenieurschule Koblenz.
Im Anschluss daran absolvierte er ein Studium an der Universität
Kaiserslautern in der Fachrichtung Kraft- und Arbeitsmaschinen mit
dem Abschluss ,,Dipl.-Ing.“. Die Promotion zum Dr.-Ing. am Institut
für Kraft- und Arbeitsmaschinen der Universität in Kaiserslautern
wurde mit dem Thema ,,Reaktionskinetische Untersuchungen der
Wasserstoff-Methanolverbrennung im Ottomotor“ abgeschlossen.
Der weitere Berufsweg führte zur Audi AG nach Neckarsulm, zunächst
als Assistent des Entwicklungsleiters. Weitere Stationen während der
zehnjährigen Tätigkeit waren Hauptgruppenleiter im Motorenversuch
und im Anschluss daran Leiter der Abteilung Motorkonstruktion.
1990 wurde er zum Professor für Kraft- und Arbeitsmaschinen an
die damalige Fachhochschule Iserlohn berufen, die heute Teil der
Fachhochschule Südwestfalen mit Sitz in Iserlohn ist. Im Rahmen
dieser Tätigkeit leitet er das Labor für Verbrennungsmotoren und
Strömungsmaschinen. Herr Prof. Dr.-Ing. Schäfer war in vielen
Hochschulgremien tätig unter anderem im Senat der Hochschule. In
der Funktion als Prodekan für Lehre und Forschung war er Mitglied
im Leitungsgremium des Fachbereiches Maschinenbau. Herr Prof.
Dr.-Ing. Schäfer ist darüber hinaus freiberuflich im Bereich Forschung
und Entwicklung auf dem Sektor der Motorentechnik tätig.
Zusammen mit Herrn Dr. van Basshuysen war er unter anderem von
1996 bis 2003 Herausgeber der Zeitschriftenbeilage Shell-Lexikon
Verbrennungsmotor, welche im Jahr 2004 als Buch mit dem Titel
,,Lexikon Motorentechnik“ erschienen ist. Darüber hinaus ist er mit
Herrn Dr.-Ing. E.h. van Basshuysen Herausgeber und Mitautor des
Internetportals www.motorlexikon.de und des „Handbuch Verbren-
nungsmotor“. Herr Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer ist seit Jahren Mitglied
des VDI und der SAE.
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XIII

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

1 Geschichtlicher Rückblick Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer


Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima (†)

2 Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren Dr.-Ing. Hanns Erhard Heinze


Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke
2.1 Definitionen
2.2 Möglichkeiten der Einteilung

3 Kenngrößen Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher


3.1 Hubvolumen
3.2 Verdichtungsverhältnis
3.3 Drehzahl und Kolbengeschwindigkeit
3.4 Drehmoment und Leistung
3.5 Kraftstoffverbrauch
3.6 Gasarbeit und Mitteldruck
3.7 Wirkungsgrad
3.8 Luftdurchsatz und Zylinderfüllung
3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis

4 Kennfelder Dipl.-Ing. Bernd Haake


Dr.-Ing. Joschka Schaub
4.1 Verbrauchskennfelder
4.2 Emissionskennfelder
4.3 Zündungs- und Einspritzkennfelder
4.4 Abgastemperaturkennfelder

5 Thermodynamische Grundlagen Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer


5.1 Kreisprozesse
5.2 Vergleichsprozesse
5.3 Offene Vergleichsprozesse
5.4 Wirkungsgrade
5.5 Energiebilanz am Motor

6 Triebwerk
6.1 Kurbeltrieb Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima (†)
6.2 Drehschwingungen Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer
6.3 Variabilität von Verdichtung und Hubvolumen Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer

7 Motorkomponenten
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung Dr.-Ing. Uwe Mohr
Dr.-Ing. Wolfgang Issler
7.2 Pleuel Dr. Thierry Garnier
7.3 Kolbenringe Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer
Dipl.-Phys. Hans-Rainer Brillert
7.4 Kurbelgehäuse Dipl.-Ing. Günter Helsper
Dipl.-Ing. Karl B. Langlois
Dr.-Ing. Michael Wagner
Dipl.-Ing. Gerd Ohrnberger
XIV Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

7.5 Zylinder Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer


Dr.-Ing. Arnim Robota
7.6 Ölwanne Dipl.-Ing. Günter Helsper
Dipl.-Ing. Karl B. Langlois
Dr.-Ing. Michael Wagner
Dipl.-Ing. Gerd Ohrnberger
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung Dr.-Ing. Uwe Meinig
7.8 Zylinderkopf Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wilhelm Hannibal
Dipl.-Ing. Johann Schopp
7.9 Kurbelwellen Dr. sc. techn. ETH Werner Menk
Dipl.-Ing., MBA Ilias Papadimitriou
Guido Rau
7.10 Ventiltriebskomponenten Wolfgang Christgen
Michael Haas
Norbert Nitz
7.11 Ventile Dr.-Ing. Olaf Josef
Dipl.-Ing. Axel Linke
7.12 Ventilfedern Dr.-Ing. Rudolf Bonse
7.13 Ventilsitzringe Dr.-Ing. Gerd Krüger
7.14 Ventilführungen
7.15 Schmierölpumpen Dr.-Ing. Uwe Meinig,
Dr. Christof Lamparski
7.16.1 – Nockenwelle Dipl.-Ing. Hermann Hoffmann
7.16.9 Dr.-Ing. Martin Lechner
Dipl.-Ing. GwL. Falk Schneider
Dipl.-Ing. Markus Lettmann
Dipl.-Ing. Rolf Kirschner
7.16.10 Nockenwellenverstellsysteme Andreas Strauss
7.17 Kettentrieb Dr.-Ing. Peter Bauer
7.18 Riementriebe Dipl.-Ing. Ralf Walter
Dipl.-Ing. Wolfgang Körfer
Dipl.-Ing. Michael Neu
Dipl.-Ing. Franz Fusenig
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren Dipl.-Ing. Dr. techn. Rainer Aufischer
Dipl.-Ing. Andreas Weber
7.20 Ansaugsysteme Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn
7.20.1 Komponenten der Ansaugsysteme Dipl.-Ing. Andreas Weber
Dipl.-Ing. Andreas Pelz
Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn
7.20.2 Akustik Dipl.-Ing. (FH) Matthias Alex
7.21 Dichtsysteme
7.21.1 Zylinderkopfdichtungssysteme Dipl.-Ing. Armin Diez
Andreas Göttler
7.21.2 Spezialdichtungen Dipl.-Ing. Wilhelm Kullen
Dr.-Ing. Oliver Göb
7.21.3 Elastomer-Dichtsysteme Dipl.-Ing. Eberhard Griesinger
7.21.4 Entwicklungsmethoden Dipl.-Ing. Uwe Georg Klump
Dr. rer. nat. Hans-Peter Werner
7.22 Verschraubungen am Motor Dipl.-Ing. Siegfried Jende
Dipl.-Ing. Thomas Kurtz
7.23 Abgaskrümmer Dipl.-Ing. Hubert Neumaier
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren Dipl.-Ing. Peter Amm
Dipl.-Ing. Franz Pawellek
Mirko Sierakowski
7.25 Steuerorgane des Zweitaktmotors Dr.-Ing. Uwe Meinig
XV
Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

8 Motoren
8.1 Motorkonzepte Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer
8.2 Aktuelle Motoren
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren Andreas Bilek
8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor Mazda Motors (Deutschland)
Leverkusen
8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeits- Dr.-Ing. Tim Gegg
geräte

9 Tribologie
9.1 Reibung Dr.-Ing. Franz Maassen
9.2 Schmierung Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima (†)

10 Ladungswechsel
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher
10.2 Ladungswechselrechnung
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren Dr.-Ing. Uwe Meinig
10.4 – Variable Ventilsteuerungen Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wihelm Hannibal
10.4.3 Dipl.-Ing. Andreas Knecht
Dipl.-Ing. Wolfgang Stephan
10.4.4 Perspektiven des variablen Ventiltriebs Prof. Dr.-Ing. Rudolf Flierl
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wihelm Hannibal

11 Aufladung von Verbrennungsmotoren


11.1 Mechanische Aufladung Prof. Dr.-Ing. Hans Zellbeck
Dr.-Ing. Tilo Roß
11.2 Abgasturboaufladung
11.3 Ladeluftkühlung
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter
11.5 Dynamisches Verhalten
11.6 Zusatzmaßnahmen bei aufgeladenen Verbren-
nungsmotoren
11.7 Leistungsexplosion durch Register- und zweistu- Dipl.-Ing. Marc Sens
fige Aufladung bei Personenkraftwagen (Hochauf- Dipl.-Ing. Guido Lautrich
ladung)
11.8 Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turbola- Dipl.-Ing. Marc Sens
derprüfständen Dr.-Ing. Panagiotis Grigoriadis

12 Gemischbildungsverfahren und -systeme


12.1 Innere Gemischbildung Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer
12.2 Äußere Gemischbildung
12.3 – Gemischbildung bei Ottomotoren
12.3.7
12.3.8.1 Saugrohreinspritzsysteme
12.3.8.2 Systeme für Direkteinspritzung Dr. Erwin Achleitner,
Dr.-Ing. Harald Bäcker
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke
12.4.1 Einspritzsysteme – Überblick
12.4.2 Systeme mit einspritzsynchroner Druckerzeugung
12.4.3 Systeme mit zentralem Druckspeicher Dipl.-Ing. Wolfgang Bloching
Dr.-Ing. Klaus Wenzlawski
12.4.4 Einspritzdüsen und Düsenhalter Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke
12.5 Kraftstoffversorgungssystem Dr.-Ing. Thomas Zapp
XVI Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

12.5.1 Kraftstoffbehälter
12.5.2 Das Tankentlüftungssystem
12.5.3 Anforderungen an ein Kraftstofffördersystem Dipl.-Ing. Holger Dilchert
Dipl.-Ing. Bernd Jäger
Dipl.-Ing. Frank Kühnel
Dipl.-Ing. Ralph Schröder
12.5.4 Die Füllstandsmessung Dipl.-Ing. Knut Schröter

13 Zündung Dr. Manfred Adolf


Dipl.-Ing. Heinz-Georg Schmitz
13.1 Zündung – Ottomotor
13.2 Zündkerzen
13.3 Zündung – Dieselmotor

14 Verbrennung Univ. Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker


Dr.-Ing. Peter Eckert
14.1 Kraftstoffe und Kraftstoffchemie
14.2 Oxidation von Kohlenwasserstoffen
14.3 Selbstzündung
14.4 Flammenausbreitung
14.5 Modellbildung und Simulation

15 Verbrennungsverfahren
15.1 Dieselmotoren Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke
Dr.-Ing. Detlef Hieber
15.2 Ottomotoren Dipl.-Ing. Marc Sens
Dipl.-Ing. Reinhold Bals
Dipl.-Ing. Ralf Wascheck
Dipl.-Ing. Michael Riess
15.3 Zweitakt-Dieselmotor Dr.-Ing. Uwe Meinig
15.4 Zweitakt-Ottomotor

16 Elektronik und Mechanik für Motor- und Getrie-


besteuerung
16.1 Umweltanforderungen Dr. rer. Nat.-Phys. Thomas Riepl
Dipl.-Ing. Karl Smirra
16.2 Standalone-Produkte Dr. rer. Nat.-Phys. Thomas Riepl
16.3 Verbindungstechnik
16.4 Getriebesteuergeräte Prof. Dr. rer. Nat.-Phys. Matthias Wieczorek
Dr.-Ing. Andreas Plach
16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauele- Dipl.-Ing. Gerwin Höreth
mente Dipl.-Ing. Rainer Riecke
16.6 Steuergeräteelektronik Dipl.-Ing. Gerwin Höreth
Dipl.-Ing. Alexander Sedlmeier
Dipl.-Ing. Martin Götzenberger
Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer
16.7 Software-Strukturen Dipl.-Ing. Gerhard Wirrer
Dipl.-Ing. Thomas Vogt
16.8 Die Steuerung des Verbrennungsmotors Dipl.-Ing. Alfred Brandl
Dipl.-Ing. Martin Jehle
16.9 Funktionen Dipl.-Ing. Martin Jehle
16.10 Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer
16.11 Motor- und Getriebesteuergeräte im 48-Volt- Dipl.-Ing. Alexander Sedlmeier
Bordnetz Dipl.-Ing. Martin Götzenberger
XVII
Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

17 System Antriebsstrang
17.1 Antriebsstrang-Architektur Dr.-Ing. Michael Ulm
17.2 Längsdynamik des Kraftfahrzeuges
17.3 Getriebetypen
17.4 Leistungsebene und Signalverarbeitungsebene
17.5 Getriebesteuerung Dipl.-Ing. Friedrich Graf
17.6 Integriertes Antriebsstrangmanagement (IPM®)
17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung Dipl.-Ing. Uwe Möhrstädt

18 Sensoren Dr.-Ing. Anton Grabmaier


Dr.-Ing. Bernd Last
18.1 Temperatursensoren
18.2 Füllstandsensoren
18.3 Klopfsensoren
18.4 Abgassensoren
18.5 Drucksensoren
18.6 Luftmassensensor
18.7 Drehzahlsensoren
18.8 Brennraumdrucksensoren für Dieselmotoren

19 Aktuatoren
19.1 Antriebe Dipl.-Ing. Stefan Klöckner
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan Grüneis
19.2 Drosselklappenstellglieder
19.3 Drall- und Tumbleklappen
Resonanzaufladung
19.4 Turbolader mit variabler Turbinengeometrie
19.5 Abgasrückführventile Dipl.-Wirt.-Ing. Axel Tuschik
19.6 Verdunstungsemission, Komponenten Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan Grüneis

20 Kühlung von Verbrennungsmotoren Dipl.-Ing. Matthias Banzhaf


Dr.-Ing. Wolfgang Kramer
20.1 Allgemeines
20.2 Anforderungen an das Kühlsystem
20.3 Berechnungsgrundlagen und Simulations-Tools
20.4 Subsysteme der Motorkühlung
20.5 Kühlmodule
20.6 Gesamtsystem Motorkühlung

21 Abgasemissionen
21.1 Gesetzliche Vorschriften ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ernst Pucher
21.2 Abgasmesstechnik
21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung
21.4 Minderung von Schadstoffen
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer
21.5.1 Katalysatoraufbau und chemische Reaktionen
21.5.2 Katalysatorkonzepte stöchiometrisch betriebener
Motoren
21.5.3 Katalysatorkonzepte für Magermotoren
21.5.4 Metallische Katalysatorträger Dr. Andrée Bergmann
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor
21.6.1 Diesel-Oxidationskatalysatoren Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen
21.6.2 NOx Adsorber für Diesel-Pkw
XVIII Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

21.6.3 Partikel/Partikelfilter Dr. h.c. Dipl.-Ing. Andreas C. R. Mayer


Dr. Markus Kasper
Prof. Dr. Heinz Burtscher
21.6.4 Katalytischer Partikelfilter Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen
21.6.5 WLTP- und RDE-Testverfahren zur Abgasmessung

22 Betriebsstoffe
22.1 Kraftstoffe Wolfgang Dörmer
22.1.1 Dieselkraftstoff
22.1.2.3 Alternative Ottokraftstoffe Norbert Neumann
22.2 Schmierstoffe Volker Clasen
Dr. Ulrich Pfisterer
22.3 Kühlmittel Volker Clasen
Dr. Oliver Busch

23 Filtration von Betriebsstoffen Dr.-Ing. Pius Trautmann


23.1 Luftfilter
23.2 Kraftstofffilter
23.3 Motorölfilter

24 Berechnung und Simulation


24.1 Festigkeits- und Schwingungsberechnung Dr. Peter Klumpp
24.1.1 Methoden
24.1.2 Ausgewählte Anwendungsbeispiele
24.1.3 Kolbenberechnungen Priv.-Doz. Dr.-Ing. Ralf Meske
Dipl.-Ing. Klaus Lades

25 Verbrennungsdiagnostik – Indizieren und Visua- Dr. Ernst Winklhofer


lisieren in der Verbrennungs entwicklung Dr. Walter F. Piock
Dr. Rüdiger Teichmann
25.1 Themenstellung
25.2 Indizieren
25.3 Visualisieren

26 Kraftstoffverbrauch Prof. Dr.-Ing. Peter Steinberg


Dr.-Ing. Dirk Goßlau
26.1 Allgemeine Einflussgrößen
26.2 Motorische Maßnahmen
26.3 Getriebeübersetzungen
26.4 Fahrerverhalten
26.5 CO2-Emissionen

27 Geräuschemissionen Dr.-Ing. Hans-Walter Wodtke


Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Hartmut Bathelt
Dipl.-Ing. Andreas Gruber
27.1 Physikalische Grundlagen und Begriffe
27.2 Gesetzliche Außengeräuschvorschriften
27.3 Geräuschquellen des Außengeräusches
27.4 Maßnahmen zur Außengeräuschminderung
27.5 Motorgeräusch im Innenraum
27.6 Akustische Leitlinien für den Motorkonstrukteur
27.7 Messtechniken und Analysemethoden
27.8 Psychoakustik
27.9 Sound-Engineering
XIX
Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

27.10 Simulationswerkzeuge
27.11 Anti-Noise-Systeme: Geräuschminderung durch
Gegenschall

28 Motorenmesstechnik Univ. Prof. Dr. techn. Christian Beidl


Dipl.-Ing. Dr. techn. Klaus-Christoph
Harms
Dr. Christoph R. Weidinger

29 Hybridantriebe Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer


Dipl.-Ing. Carsten von Essen
29.1 Historie
29.2 Grundlagen der Hybridantriebe (allgemeiner
Überblick)
29.3 Einteilung der Hybridantriebe
29.4 Elektrische Antriebssysteme
29.5 Energiespeichersysteme
29.6 Getriebe für Hybridantriebe
29.7 Energiemanagement
29.8 Betriebsstrategien
29.9 Aktuelle Hybridfahrzeuge
29.10 Zukünftige Entwicklung
29.11 Range Extender Hon.-Prof. Dr.-Ing. habil. Eduard Köhler
Dr.-Ing. Martin Hopp

30 Alternative Fahrzeugantriebe und APUs (Auxili- Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert


ary Power Units) Prof. Dr.-Ing. Burghard Voß
Dipl.-Ing. Katharina Schütte
Dipl.-Ing. Ralf Wascheck
30.1 Gründe für Alternativen
30.2 Elektroantrieb
30.3 Stirlingmotor
30.4 Gasturbine
30.5 Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb
30.6 Zusammenfassende Bewertung der Alternativen
Energien und Antriebe
30.7 Wasserstoff-Verbrennungsmotor
30.8 Stromerzeugung durch eine Auxiliary Power Unit
(APU)

31 Energiemanagement in Motor und Fahrzeug Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer


Dr.-Ing. E.h. Johannes Liebl
31.1 Verluste bei der Energieumwandlung
31.2 Bedarfsorientiertes Energiemanagement
31.3 Stromerzeugung im Fahrzeug
31.4 Wärmemanagement

32 Energien für Antriebe nach 2020 Dipl.-Ing. (FH) Rolf Brück


Dipl. Chem.-Ing. Peter Hirth
Dr. Eberhard Jacob
Dipl.-Ing. Wolfgang Maus

33 Ausblick Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen


.
Firmen- und Hochschulverzeichnis

Firmenverzeichnis

Akustikzentrum GmbH, Lenting Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn.


Hartmut Bathelt

Andreas Stihl AG & Co. KG, Waiblingen Dr.-Ing. Tim Gegg

Audi AG, Ingolstadt Dipl.-Ing. Andreas Gruber


Dr. Peter Klumpp

AVL List GmbH, A-Graz Dr. Walter F. Piock


Dr. Rüdiger Teichmann
Dr. Ernst Winklhofer
Dr. Christoph R. Weidinger
Dipl.-Ing. Dr. techn. Klaus-Christoph Harms

BorgWarner BERU Systems GmbH, Ludwigsburg Dr. Manfred Adolf


Dipl.-Ing. Heinz-Georg Schmitz (ehemals)

Bleistahl, Wetter Dr.-Ing. Gerd Krüger (ehemals)

BMW Group, München Dipl.-Ing. Johann Schopp


Dr.-Ing. E.h. Johannes Liebl

BRP-Powertrain GmbH & Co. KG, A-Gunskirchen Dipl.-Ing. Gerd Ohrnberger


Dr.-Ing. Michael Wagner (ehemals)
XXIII
Firmen- und Hochschulverzeichnis

Continental Automotive GmbH Dr. Erwin Achleitner


Dr.-Ing. Harald Bäcker
Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer
Dipl.-Ing. Wolfgang Bloching
Dipl.-Ing. Alfred Brandl
Dipl.-Ing. Holger Dilchert
Dipl.-Ing. Martin Götzenberger
Dr.-Ing. Anton Grabmaier
Dipl.-Ing. Friedrich Graf
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan Grüneis
Dipl.-Ing. Gerwin Höreth
Dipl.-Ing. Bernd Jäger
Dipl.-Ing. Martin Jehle
Dipl.-Ing. Stefan Klöckner
Dipl.-Ing. Frank Kühnel
Dr.-Ing. Bernd Last
Dipl.-Ing. Uwe Möhrstädt
Dr.-Ing. Andreas Plach
Dipl.-Ing. Rainer Riecke
Dr. rer.nat. Dipl.-Phys.Thomas Riepl
Dipl.-Ing. Ralph Schröder
Dipl.-Ing. Knut Schröter
Dipl.-Ing. Alexander Sedlmeier
Dipl.-Ing. Karl Smirra
Dipl.-Wirt.-Ing. Axel Tuschik
Dr.-Ing. Michael Ulm
Dipl.-Ing. Thomas Vogt
Dr.-Ing. Klaus Wenzlawski
Prof. Dr. rer. Nat.-Phys. Matthias Wieczorek
Dipl.-Ing. Gerhard Wirrer
Dr.-Ing. Thomas Zapp

Continental Emitec GmbH, Hörselberg-Hainich Dr. Andrée Bergmann

Continental Emitec GmbH, Lohmer Dipl.-Ing. (FH) Rolf Brück


Dipl. Chem.-Ing. Peter Hirth

Deutsche BP AG, Bochum Dr. Oliver Busch


Wolfgang Dörmer (ehemals)
Norbert Neumann
Dr. Ulrich Pfisterer

Deutsche BP AG, Hamburg Volker Clasen

Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG, Weissach Dipl.-Ing. Günter Helsper (ehemals)


Dipl.-Ing. Karl B. Langlois

ElringKlinger AG, Dettingen/Erms Dipl.-Ing. Armin Diez


Dr.-Ing. Oliver Göb
Andreas Göttler
Dipl.-Ing. Eberhard Griesinger
Dipl.-Ing. Uwe Georg Klump
Dipl.-Ing. Wilhelm Kullen (ehemals)
Dr. rer. nat. Hans-Peter Werner (ehemals)

Emissionskonzepte Motoren UG, Krailing Dr. Eberhard Jacob


XXIV Firmen- und Hochschulverzeichnis

Federal-Mogul Burscheid GmbH, Burscheid Dipl.-Phys. Hans-Rainer Brillert


Dr.-Ing. Arnim Robota

Federal-Mogul Wiesbaden GmbH & Co. KG, Wiesbaden Dr. Thierry Garnier

Federal-Mogul Nürnberg GmbH, Nürnberg Dipl.-Ing. Klaus Lades


Priv.-Doz. Dr.-Ing. Ralf Meske

FEV GmbH, Aachen Dipl.-Ing. Bernd Haake


Dr.-Ing. Franz Maassen
Dr.-Ing. Joschka Schaub

Gates GmbH, Aachen Dipl.-Ing. Franz Fusenig


Dipl.-Ing. Wolfgang Körfer
Dipl.-Ing. Michael Neu
Dipl.-Ing. Ralf Walter

Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen Dr. sc. techn. ETH Werner Menk
Dipl.-Ing., MBA Ilias Papadimitriou
Guido Rau

Geräte- und Pumpenbau GmbH Dr. Eugen Schmidt, Dipl.-Ing. Peter Amm
Merbelsrod Dipl.-Ing. Franz Pawellek

Hilite International/Hydraulik-Ring, Nürtingen Dipl.-Ing. Andreas Knecht

hofer mechatronik, Oberboihingen Dipl.-Ing. Wolfgang Stephan

IAV GmbH, Berlin Dr.-Ing. Panagiotis Grigoriadis


Dipl.-Ing. Guido Lautrich
Dipl.-Ing. Michael Riess
Dipl.-Ing. Marc Sens
Dipl.-Ing. Carsten von Essen
Prof. Dr.-Ing. Burghard Voß

IAV GmbH, Gifhorn Dipl.-Ing. Reinhold Bals


Dipl.-Ing. Katharina Schütte
Dipl.-Ing. Ralf Wascheck

IGS Zwickau Mirko Sierakowski

iwis motorsysteme GmbH & Co. KG, München Dr.-Ing. Peter Bauer

KSPG AG, Neckarsulm Dr.-Ing. Martin Hopp


Hon.-Prof. Dr.-Ing. habil. Eduard Köhler (ehemals)

KTM Sportmotorcycle AG Andreas Bilek (ehemals)

MAHLE GmbH, Stuttgart Dipl.-Ing. Rolf Kirschner


Dipl.-Ing. Markus Lettmann
Dipl.-Ing. GwL. Falk Schneider

MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart Dipl.-Ing. Matthias Banzhaf
Dr.-Ing. Wolfgang Kramer

MAHLE International GmbH, Stuttgart Dipl.-Ing. Hermann Hoffmann


Dr.-Ing. Uwe Mohr
Dr.-Ing. Martin Lechner (ehemals)
Dr.-Ing. Wolfgang Issler

MAN Truck & Bus AG, Nürnberg Dr.-Ing. Peter Eckert


XXV
Firmen- und Hochschulverzeichnis

Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg Dipl.-Ing. (FH) Matthias Alex


Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn
Dipl.-Ing. Andreas Pelz
Dr.-Ing. Pius Trautmann
Dipl.-Ing. Andreas Weber

Matter Engineering AG, CH-Wohlen Dr. Markus Kasper

Mazda Motors (Deutschland) GmbH, Leverkusen

Miba-Bearing Group – Miba Gleitlager GmbH, A-Laarkirchen Dipl.-Ing. Dr. techn. Rainer Aufischer

Muhr und Bender KG, Attendorn Dr.-Ing. Rudolf Bonse

Peiner Umformtechnik GmbH, Peine Dipl.-Ing. Siegfried Jende (ehemals)

Richard Bergner Verbindungstechnik GmbH & Co. KG, Dipl.-Ing. Thomas Kurtz
Schwabach

Schaeffler Engineering GmbH, Werdohl Dr.-Ing. Hans-Walter Wodtke

Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach Wolfgang Christgen


Michael Haas
Norbert Nitz
Andreas Strauss

SHW Automotive GmbH, Bad Schussenried Dr.-Ing. Uwe Meinig


Dr. Christof Lamparski (ehemals)

Tenneco GmbH, Edenkoben Dipl.-Ing. Hubert Neumaier

TRW Automotive, Barsinghausen Dipl.-Ing. Axel Linke


Dr.-Ing. Olaf Josef

TTM Technik Thermische Maschinen, CH-Niederrohrdorf Dr. h.c. Dipl.-Ing. Andreas C. R. Mayer

WM Engineering Consulting, Bergisch Gladbach Dipl.-Ing. Wolfgang Maus

Hochschulverzeichnis

Fachhochschule Aargau, CH-Windisch Prof. Dr. Heinz Burtscher

Technische Hochschule Mittelhessen (THM), Friedberg Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer


Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima (†)

Fachhochschule Südwestfalen, Iserlohn Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wihelm Hannibal


Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer

BTU Cottbus-Senftenberg, Lehrstuhl Fahrzeugtechnik Dr.-Ing. Dirk Goßlau


und -antriebe Prof. Dr.-Ing. Peter Steinberg

Technische Universität Braunschweig Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert

Technische Universität Darmstadt Univ. Prof. Dr. techn. Christian Beidl

Technische Universität Dresden Prof. Dr.-Ing. Hans Zellbeck


Dr.-Ing. Tilo Roß

Technische Universität Hannover Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker

Technische Universität Kaiserslautern Prof. Dr.-Ing. Rudolf Flierl

Technische Universität Wien ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ernst Pucher
XXVI Firmen- und Hochschulverzeichnis

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Dr.-Ing. Hanns Erhard Heinze


Dr.-Ing. Detlef Hieber
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke

Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher


Effizienz erhöhen,
CO2 reduzieren
Das Gründungsjahr 1365 definiert die SHW als einen der ältesten Indus-
triebetriebe Deutschlands. Ganz und gar nicht alt sind unsere Produkte
und Innovationen, die wesentlich zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs
und damit der CO2-Emission in Automobilen und Nutzfahrzeugen bei-
tragen. In unserem Geschäftsbereich Pumpen und Motorkomponenten
entwickeln und produzieren wir zukunftsweisende hydraulische Kompo-
nenten und Module für konventionelle, Hybrid- und E-Antriebe. Diese
leisten als Motorschmierölpumpen, Getriebeölpumpen, Kühlmittelpumpen,
Vakuumpumpen oder elektrische Ölpumpen verlässlich ihren Beitrag in
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XXIX

Autorenverzeichnis

Achleitner, Erwin, Dr. Continental Automotive GmbH


Adolf, Manfred, Dr. BorgWarner BERU Systems GmbH, Ludwigsburg
Alex, Matthias, Dipl.-Ing. (FH) Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg
Amm, Peter, Dipl.-Ing. Geräte- und Pumpenbau GmbH, Dr. Eugen Schmidt,
Merbelsrod
Aufischer, Rainer, Dipl.-Ing. Dr. techn. Miba Bearing Group – Miba Gleitlager GmbH,
A-Laakirchen
Bäcker, Harald, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH
Bals, Reinhold, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Gifhorn
Banzhaf, Matthias, Dipl.-Ing. MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart
Bathelt, Hartmut, Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Akustikzentrum GmbH, Lenting
Bauer, Peter, Dr.-Ing. iwis motorsysteme GmbH & Co. KG, München
Beidl, Christian, Univ. Prof. Dr. techn. Technische Universität Darmstadt, Institut für Verbren-
nungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe
Bergmann, Andrée, Dr. Continental Emitec GmbH, Hörselberg-Hainich
Bertelshofer, Peter, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Bilek, Andreas ehemals KTM Sportmotorcycle AG
Bloching, Wolfgang, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Bonse, Rudolf, Dr.-Ing. Muhr und Bender KG, Attendorn
Brandl, Alfred, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Breuer, Claus, Prof. Dr.-Ing. Technische Hochschule Mittelhessen (THM), Friedberg
Brillert, Hans-Rainer, Dipl.-Phys. Federal-Mogul Burscheid GmbH, Burscheid
Brück, Rolf, Dipl.-Ing. (FH) Continental Emitec GmbH, Lohmar
Burtscher, Heinz, Prof. Dr. Fachhochschule Aargau, CH-Windisch
Busch, Oliver, Dr. Deutsche BP AG, Bochum
Christgen, Wolfgang Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach
Clasen, Volker Deutsche BP AG, Hamburg
Diez, Armin, Dipl.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms
Dilchert, Holger, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Dörmer, Wolfgang Deutsche BP AG, Bochum
Eckert, Peter, Dr.-Ing. MAN Truck & Bus AG, Nürnberg
Flierl, Rudolf, Prof. Dr.-Ing. TU Kaiserslautern
Fusenig, Franz, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen
Garnier, Thierry, Dr. Federal-Mogul Wiesbaden GmbH
Gegg, Tim, Dr.-Ing. Andreas Stihl AG & Co. KG, Waiblingen
Göb, Oliver, Dr.-Ing. ehemals ElringKlinger AG, Dettingen/Erms
Götzenberger, Martin, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Göttler, Andreas ElringKlinger AG, Dettingen/Erms
Goßlau, Dirk, Dr.-Ing. Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senf-
tenberg, Lehrstuhl Fahrzeugtechnik und -antriebe
Grabmaier, Anton, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH
Graf, Friedrich, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Griesinger, Eberhard, Dipl.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms
Grigoriadis, Panagiotis, Dr.-Ing. IAV GmbH, Berlin
Gruber, Andreas, Dipl.-Ing. Audi AG, Ingolstadt
Grüneis, Stefan, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Continental Automotive GmbH
Haake, Bernd, Dipl.-Ing. FEV GmbH, Aachen
Haas, Michael Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach
Hannibal, Wilhelm, Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. FH Südwestfalen, Iserlohn
XXX Autorenverzeichnis

Harms, Klaus-Christoph, Dipl.-Ing. Dr. techn. AVL List GmbH, A-Graz


Heinze, Hanns Erhard, Dr.-Ing. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Helsper, Günter, Dipl.-Ing. Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG, Weissach
Hieber, Detlef, Dr.-Ing. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Hirth, Peter, Dipl. Chem.-Ing. Continental Emitec GmbH, Lohmar
Hoffmann, Hermann, Dipl.-Ing. MAHLE International GmbH, Stuttgart
Hopp, Martin, Dr.-Ing. KSPG AG, Neckarsulm
Höreth, Gerwin, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Issler, Wolfgang, Dr.-Ing. MAHLE International GmbH, Stuttgart
Jäger, Bernd, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Jacob, Eberhard, Dr. Emissionskonzepte Motoren UG, Krailling
Jehle, Martin, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Jende, Siegfried, Dipl.-Ing. ehemals Peiner Umformtechnik GmbH, Peine
Josef, Olaf, Dr.-Ing. TRW Automotive, Barsinghausen
Kasper, Markus, Dr. Matter Engineering AG, CH-Wohlen
Kirschner, Rolf, Dipl.-Ing. MAHLE GmbH, Stuttgart
Klöckner, Stefan, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Klump, Uwe Georg, Dipl.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms
Klumpp, Peter, Dr. Audi AG, Ingolstadt
Knecht, Andreas, Dipl.-Ing. Hilite International/Hydraulik-Ring, Nürtingen
Köhler, Eduard, Hon.-Prof. Dr.-Ing. habil. ehemals KSPG AG, Neckarsulm
Körfer, Wolfgang, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen
Korn, Alexander, Dipl.-Ing. (FH) Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg
Kramer, Wolfgang, Dr.-Ing. MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart
Krüger, Gerd, Dr.-Ing. ehemals Bleistahl, Wetter
Kühnel, Frank, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Kullen, Wilhelm, Dipl.-Ing. ehemals ElringKlinger AG, Dettingen/Erms
Kurtz, Thomas, Dipl.-Ing. Richard Bergner Verbindungstechnik GmbH & Co. KG,
Schwabach
Lades, Klaus, Dipl.-Ing. Federal-Mogul Nürnberg GmbH, Nürnberg
Lamparski, Christof, Dr. ehemals SHW Automotive GmbH, Bad Schussenried
Langlois, Karl B., Dipl.-Ing. Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG, Weissach
Last, Bernd, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH
Lautrich, Guido, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin
Lechner, Martin, Dr. techn. ehemals MAHLE International GmbH, Stuttgart
Lettmann, Markus, Dipl.-Ing. MAHLE GmbH, Stuttgart
Liebl, Johannes, Dr.-Ing. E.h. BMW Group, München
Linke, Axel, Dipl.-Ing. TRW Automotive, Barsinghausen
Maassen, Franz, Dr.-Ing. FEV GmbH, Aachen
Maus, Wolfgang, Dipl.-Ing. WM Engineering & Consulting, Bergisch Gladbach
Mayer, Andreas C. R., Dr. h.c. Dipl.-Ing. TTM Technik Thermische Maschinen, CH-Niederrohrdorf
Mazda Motors (Deutschland) GmbH Leverkusen
Meinig, Uwe, Dr.-Ing. SHW Automotive GmbH, Bad Schussenried
Menk, Werner, Dr. sc. techn. ETH Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen
Merker, Günter P., Univ. Prof. Dr.-Ing. habil. ehemals Leiter Institut für Technische Verbrennung,
Universität Hannover
Meske, Ralf, Priv.-Doz. Dr.-Ing. Federal-Mogul Nürnberg GmbH, Nürnberg
Möhrstädt, Uwe, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Mohr, Uwe, Dr.-Ing. MAHLE International GmbH, Stuttgart
Neu, Michael, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen
Neumaier, Hubert, Dipl.-Ing. Tenneco GmbH, Edenkoben
Neumann, Norbert Deutsche BP AG, Bochum
XXXI
Autorenverzeichnis

Nitz, Norbert Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach


Ohrnberger, Gerd, Dipl.-Ing. BRP-Powertrain GmbH & Co. KG, A-Gunskirchen
Papadimitriou, Ilias, Dipl.-Ing., MBA Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen
Pawellek, Franz, Dipl.-Ing. Geräte- und Pumpenbau GmbH, Dr. Eugen Schmidt,
Merbelsrod
Pelz, Andreas, Dipl.-Ing. Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg
Pfisterer, Ulrich, Dr. Deutsche BP AG, Bochum
Piock, Walter F., Dr. AVL List GmbH, A-Graz
Plach, Andreas, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH
Pucher, Ernst, ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Technische Universität Wien, Institut für Fahrzeug­
antriebe und Automobiltechnik, A-Wien
Rau, Guido Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen
Riecke, Rainer, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Riepl, Thomas, Dr. rer. nat.-Phys. Continental Automotive GmbH
Riess, Michael, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin
Robota, Arnim, Dr.-Ing. Federal-Mogul Burscheid GmbH
Roß, Tilo, Dr.-Ing. Technische Universität Dresden
Schäfer, Fred, Prof. Dr.-Ing. FH Südwestfalen, Iserlohn
Schaub, Joschka, Dr.-Ing. FEV GmbH, Aachen
Schmitz, Heinz-Georg, Dipl.-Ing. ehemals BERU AG, Ludwigsburg
Schneider, Falk, Dipl.-Ing. GwL. MAHLE GmbH, Stuttgart
Schopp, Johann, Dipl.-Ing. BMW Group, München
Schröder, Ralph, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Schröter, Knut, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Schütte, Katharina, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Gifhorn
Sedlmeier, Alexander, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Seiffert, Ulrich, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Braunschweig
Sens, Marc, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin
Sierakowski, Mirko IGS Zwickau
Smirra, Karl, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Spicher, Ulrich, Prof. Dr.-Ing. Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Steinberg, Peter, Prof. Dr.-Ing. Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senf-
tenberg, Lehrstuhl Fahrzeugtechnik und -antriebe
Stephan, Wolfgang, Dipl.-Ing. hofer mechatronik, Oberboihingen
Strauss, Andreas Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach
Teichmann, Rüdiger, Dr. AVL List GmbH, A-Graz
Trautmann, Pius, Dr.-Ing. Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg
Tschöke, Helmut, Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Tuschik, Axel, Dipl.-Wirt.-Ing. Continental Automotive GmbH
Ulm, Michael, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH
van Basshuysen, Richard, Dr.-Ing. E. h. Herausgeber und Autor, Bad Wimpfen
Vogt, Thomas, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
von Essen, Carsten, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin
Voß, Burghard, Prof. Dr.-Ing. IAV GmbH, Berlin
Wagner, Michael, Dr.-Ing. ehemals BRP-Powertrain GmbH & Co. KG, A-Gunskirchen
Walter, Ralf, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen
Wascheck, Ralf, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Gifhorn
Weber, Andreas, Dipl.-Ing. Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg
Weidinger, Christoph R., Dr. AVL List GmbH, A-Graz
Klaus Wenzlawski, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH
Werner, Hans-Peter, Dr. rer. nat. ehemals ElringKlinger AG, Dettingen/Erms
Wieczorek, Matthias, Prof. Dr. rer. Nat.-Phys. Continental Automotive GmbH
XXXII Autorenverzeichnis

Winklhofer, Ernst, Dr. AVL List GmbH, A-Graz


Wirrer, Gerhard, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH
Wodtke, Hans-Walter, Dr.-Ing. Schaeffler Engineering GmbH, Werdohl
Zapp, Thomas, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH
Zellbeck, Hans, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Dresden
Zima, Stefan, Prof. Dr.-Ing. (†) FH Gießen-Friedberg, FB Maschinenbau, Friedberg
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XXXVII

Inhaltsverzeichnis

1 Geschichtlicher Rückblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer, Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima

2 Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9


Dr.-Ing. Hanns-Erhard Heinze, Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke

3 Kenngrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher

4 Kennfelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Dipl.-Ing. Bernd Haake, Dr.-Ing. Joschka Schaub

5 Thermodynamische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer

6 Triebwerk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima, Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer, Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer

7 Motorkomponenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Dr.-Ing. Uwe Mohr, Dr.-Ing. Wolfgang Issler, Dr. Thierry Garnier,
Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer, Dipl.-Phys. Hans-Rainer Brillert,
Dipl.-Ing. Günter Helsper, Dipl.-Ing. Karl B. Langlois, Dr.-Ing. Michael Wagner,
Dipl.-Ing. Gerd Ohrnberger, Dr.-Ing. Arnim Robota, Dr.-Ing. Uwe Meinig,
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wilhelm Hannibal, Dipl.-Ing. Johann Schopp,
Dr. sc. techn. ETH Werner Menk, Dipl.-Ing. Ilias Papadimitriou, Guido Rau,
Wolfgang Christgen, Michael Haas, Norbert Nitz, Dr.-Ing. Olaf Josef,
Dipl.-Ing. Axel Linke, Dr.-Ing. Rudolf Bonse, Dr.-Ing. Gerd Krüger,
Dr. Christof Lamparski, Dipl.-Ing. Hermann Hoffmann, Dr.techn. Martin Lechner,
Dipl.-Ing. GwL. Falk Schneider, Dipl.-Ing. Markus Lettmann,
Dipl.-Ing. Rolf Kirschner, Andreas Strauss, Dr.-Ing. Peter Bauer,
Dipl.-Ing. Ralf Walter, Dipl.-Ing. Wolfgang Körfer, Dipl.-Ing. Michael Neu,
Dipl.-Ing. Franz Fusenig, Dipl.-Ing. Dr.techn. Rainer Aufischer,
Dipl.-Ing. Andreas Weber, Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn, Dipl.-Ing. Andreas Pelz,
Dipl.-Ing. Matthias Alex, Dipl.-Ing. Armin Diez, Andreas Göttler, Dipl.-
Ing. Wilhelm Kullen, Dr.-Ing. Oliver Göb, Dipl.-Ing. Eberhard Griesinger,
Dipl.-Ing. Uwe Georg Klump, Dr. rer.nat. Hans-Peter Werner,
Dipl.-Ing Siegfried Jende, Dipl.-Ing. Thomas Kurtz, Dipl.-Ing. Hubert Neumaier,
Dipl.-Ing. Peter Amm, Dipl.-Ing. Franz Pawellek, Mirko Sierakowski

8 Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer, Andreas Bilek, Dr.-Ing. Tim Gegg

9 Tribologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
Dr.-Ing. Franz Maassen, Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima
XXXVIII Inhaltsverzeichnis

10 Ladungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher, Dr.-Ing. Uwe Meinig,
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wilhelm Hannibal, Dipl.-Ing. Andreas Knecht,
Dipl.-Ing. Wolfgang Stephan, Prof. Dr.-Ing. Rudolf Flierl

11 Aufladung von Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607


Prof. Dr.-Ing. Hans Zellbeck, Dr.-Ing. Tilo Roß, Dipl.-Ing. Marc Sens,
Dipl.-Ing. Guido Lautrich, Dr. Panagiotis Grigoriadis

12 Gemischbildungsverfahren und -systeme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641


Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer, Dr. Erwin Achleitner, Dr.-Ing. Harald Bäcker,
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke, Dipl.-Ing. Wolfgang Bloching,
Dr.-Ing. Klaus Wenzlawski, Dr.-Ing. Thomas Zapp,
Dipl.-Ing. Holger Dilchert, Dipl.-Ing. Bernd Jäger, Dipl.-Ing. Frank Kühnel,
Dipl.-Ing. Ralph Schröder, Dipl.-Ing. Knut Schröter 

13 Zündung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697
Dr. rer. Nat. Dipl.-Phys. Manfred Adolf, Dipl.-Ing. Heinz-Georg Schmitz

14 Verbrennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker, Dr.-Ing. Peter Eckert

15 Verbrennungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke, Prof. Dr.-Ing. Detlef Hieber,
Dipl.-Ing. Marc Sens, Dipl.-Ing. Reinhold Bals, Dipl.-Ing. Ralf Waschek,
Dipl.-Ing. Michael Riess, Dr.-Ing. Uwe Meinig

16 Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 801


Dr. rer. Nat.-Phys. Thomas Riepl, Dipl.-Ing. Karl Smirra, Dr.-Ing. Andreas Plach,
Prof. Dr. rer. Nat.-Phys. Matthias Wieczorek, Dipl.-Ing. Gerwin Höreth,
Dipl.-Ing. Rainer Riecke, Dipl.-Ing. Alexander Sedlmeier,
Dipl.-Ing. Martin Götzenberger, Dipl.-Ing. Gerhard Wirrer, Dipl.-Ing. Thomas Vogt,
Dipl.-Ing. Alfred Brandl, Dipl.-Ing. Martin Jehle, Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer

17 System Antriebsstrang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863


Dr.-Ing. Michael Ulm, Dipl.-Ing. Friedrich Graf, Dipl-Ing. Uwe Möhrstädt

18 Sensoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881
Dr.-Ing. Anton Grabmeier, Dr.-Ing. Bernd Last

19 Aktuatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895
Dipl.-Ing. Stefan Klöckner, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan
Grüneis, Dipl.-Wirt.-Ing. Axel Tuschik

20 Kühlung von Verbrennungsmotoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 911


Dipl.-Ing. Matthias Banzhaf, Dr.-Ing. Wolfgang Kramer
XXXIX
Inhaltsverzeichnis

21 Abgasemissionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923
ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ernst Pucher, Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer,
Dr. rer.nat. Andrée Bergmann, Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen,
Dr. h. c. Dipl.-Ing. Andreas C. R. Mayer, Dr. Markus Kasper, Prof. Dr. Heinz Burtscher

22 Betriebsstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1011
Wolfgang Dörmer, Norbert Neumann, Volker Clasen,
Dr. Ulrich Pfisterer, Dr. Oliver Busch 

23 Filtration von Betriebsstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083


Dr.-Ing. Pius Trautmann

24 Berechnung und Simulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107


Dr. Peter Klumpp, Priv.-Doz. Dr. Ralf Meske, Dipl.-Ing. Klaus Lades

25 Verbrennungsdiagnostik – Indizieren und Visualisieren in der


Verbrennungs­entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127
Dr. Ernst Winklhofer, Dr. Walter F. Piock, Dr. Rüdiger Teichmann

26 Kraftstoffverbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1149
Prof. Dr.-Ing. Peter Steinberg, Dr.-Ing. Dirk Goßlau

27 Geräuschemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1185
Dr.-Ing. Hans-Walter Wodtke, Prof. Dipl.-
Ing. Dr. techn. Hartmut Bathelt, Dipl.-Ing. Andreas Gruber

28 Motorenmesstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1207
Univ. Prof. Dr.-techn. Christian Beidl,
Dipl.-Ing. Dr. techn. Klaus-Christoph Harms, Dr. Christoph R. Weidinger 

29 Hybridantriebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1231
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer, Dipl.-Ing. Carsten von Essen,
Prof. Dr.-Ing. Eduard Köhler, Dr.-Ing. Martin Hopp 

30 Alternative Fahrzeugantriebe und APUs (Auxiliary Power Units) . . . . . . . . . . . . . 1315


Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert, Prof. Dr. Burghard Voß,
Dipl.-Ing. Katharina Schütte, Dipl.-Ing. Ralf Wascheck

31 Energiemanagement in Motor und Fahrzeug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1339


Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer, Dr.-Ing. E.h. Johannes Liebl

32 Energien für Antriebe nach 2020. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1349


Dipl.-Ing. Rolf Brück, Dipl. Chem.-Ing. Peter Hirth,
Dr. Eberhard Jacob, Dipl.-Ing. Wolfgang Maus 

33 Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1359
Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1361
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1362
1 1

Geschichtlicher Rückblick
Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer, Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_1
2 Kapitel 1 • Geschichtlicher Rückblick

Seit mehr als hundert Jahren werden Kraftfahrzeuge überhaupt erst aufrechterhalten werden; er war des-
1 mit Verbrennungsmotoren als Antriebsquelle gebaut. halb ebenso eine Voraussetzung für das Beherrschen
Das Aussehen der Fahrzeuge verdeutlicht auf Anhieb des motorischen Prozesses wie die an Dampfmaschi-
2 auch dem technischen Laien, welche Fortschritte in
diesem Zeitraum gemacht worden sind. Anders ver-
nen mit Gasturbinenantrieb gewonnenen Kenntnisse
und Erfahrungen mit Triebwerkslagern und deren
hält es sich mit den Motoren: Der Grundaufbau des Schmierung.
3 Triebwerks ist derselbe geblieben, nur an Dimensio- Zunächst ging es darum, zentrale Motorfunktio-
nen, Ausführungsart und im Detail ist zu erkennen, nen darzustellen. Das schwierigste Problem der frühen
dass auch in der Motortechnik eine kontinuierliche Motoren war die Zündung. Die Flammzündung (Otto)
4 Weiterentwicklung stattgefunden hat (. Abb. 1.1), die und ungesteuerte Glührohrzündung (Maybach/Daim-
selbst nach über hundert Jahren nicht an Tempo und ler) – stellten eine Hürde für die Motorentwicklung dar,
5 Innovation verloren hat. die erst mit elektrischen Zündverfahren überwunden
Der Ursprung der Kraftfahrzeugmotoren liegt wurde: Abschnapperzündung (Otto), Summerzündung
letztlich in der Forderung der damaligen Handwerker (Benz), die Bosch-Magnet-Niederspannungszündung
6 und Kleingewerbetreibenden nach einer erschwingli- mit Abreißfunken und schließlich mit der Hoch-
chen und einfachen Kraftquelle – gasbetriebene Sta- spannungsmagnetzündung (Bosch). Als Nächstes
7 tionärmotoren zum Antrieb von Arbeitsmaschinen
aller Art.
musste die Gemischbildung qualitativ und quantita-
tiv verbessert werden. Mit Docht-, Oberflächen- und
Es wurde von verschiedenen Stellen an solchen Bürstenvergasern konnten nur die niedrig siedenden
8 Antrieben gearbeitet. Nikolaus August Otto hatte 1876 Fraktionen des Benzins (Siedeende circa 100 °C) ge-
mit seinem Motor das bereits von dem Franzosen Beau nutzt werden, außerdem verdampften die einzelnen
de Rochas beschriebene Viertakt-Verfahren erfolgreich Fraktionen nicht gleichzeitig. Im Spritzdüsenverga-
9 in die Praxis umgesetzt, wobei der entscheidende Vor- ser von Wilhelm Maybach wurde der Kraftstoff nicht
teil gegenüber den Gasmotoren des Franzosen Jean mehr „vergast“, sondern zerstäubt. Jetzt konnte man
10 Joseph Etienne Lenoir in der Vorverdichtung des Ge-
misches lag. Der britische Ingenieur Dougald Clerk
auch Schwerbenzin (Siedeende um 200 °C) verwenden.
Das Spektrum nutzbarer Kraftstoffe wurde erheblich
„verkürzte“ das Viertakt-Verfahren zum Zweitakt- erweitert. Vor allem aber ließ sich der Kraftstoff in
11 Verfahren, indem er die Ladungswechselhübe entfal- nahezu beliebiger Menge aufbereiten – Voraussetzung
len ließ. Unabhängig voneinander schufen Karl Benz für weitere Leistungssteigerung. Vergaser mit selbst-
und Gottlieb Daimler mit Wilhelm Maybach 1886 den tätiger Zusatzluftregelung von Krebs, Claudel (Zenith)
12 leichten, weil schnelllaufenden Motor, der zudem mit sowie Menesson und Goudard (Solex) verbesserten das
flüssigen Kraftstoffen betrieben werden konnte. Da- Betriebsverhalten der Motoren und senkten den Ver-
13 mit waren die entscheidenden Bedingungen für den brauch.
Antrieb von Kraftfahrzeugen – und später auch von Mit steigender Leistung musste auch mehr Wärme
Luftschiffen und Flugzeugen – erfüllt. mit dem Kühlwasser abgeführt werden. Nun erwies
14 Rudolf Diesels „rationeller Wärmemotor“ 1893– sich die einfache Verdampfungskühlung als leistungs-
1897 konnte zunächst nur stationär eingesetzt wer- begrenzendes Kriterium: Die Wärmeabfuhr war zu ge-
15 den; das gilt auch für seine Vorläufer, die Motoren von
George Bailey Brayton und Herbert Akroyd Stuart. Bis
ring, der mitzunehmende Wasservorrat zu groß und
außerdem ließen sich mit natürlichem Wasserumlauf
der Dieselmotor „auf die Straße kam“, sollte es noch (Thermosyphon) kritische Bauteile nicht sicher und
16 Jahrzehnte dauern. ausreichend kühlen. Der Bienenwabenkühler von Wil-
Der grundsätzliche Aufbau des Verbrennungs- helm Maybach bot die physikalisch „richtige“ Lösung:
motors war von der Dampfmaschine vorgegeben: Der Intensivierung des Wärmeübergangs auf der Seite des
17 Kurbeltrieb steuert den Ablauf des thermodynami- schwachen Wärmeübergangs – der Luftseite!
schen Prozesses und wandelt den Gasdruck erst in eine Nachdem motorseitig diese Grundlagen geschaf-
18 oszillierende und dann in eine Drehbewegung um. Der fen waren, entwickelte sich das Kraftfahrwesen rasch,
hohe Entwicklungsstand der Dampfmaschine Ende wobei die Fortschritte auf der Motorseite die auf der
des 19. Jahrhunderts bildete das Fundament für die Fahrzeugseite beflügelten – und umgekehrt! Immer
19 Motoren: Gießen, Schmieden und genaues Bearbei- mehr Firmen nahmen die Fertigung von Fahrzeugen
ten komplizierter Maschinenteile wurden beherrscht. und Motoren auf. Um die Leistung zu steigern und die
20 Mit dem einteiligen selbstspannenden Kolbenring von
John Ramsbottome (1854) konnten die hohen Arbeits-
Laufruhe zu verbessern, erhöhte man die Zylinderzahl
– von einem auf zwei und dann auf vier, wie beim Mer-
drücke im Brennraum von Verbrennungsmotoren cedes-Simplex-Motor. Die Aufteilung des Arbeitsraums
Kapitel 1 • Geschichtlicher Rückblick
3 1
Daimler- 1899 1984 Mercedes-Benz
Phönix-Motor M 102

4 Zyl.-Otto
d = 100 mm
s = 140 mm
n = 660 1/min
P = 8,8 kW

4 Zyl.-Otto
d = 89,0 mm
s = 80,25 mm
n = 5200 1/min
P = 77 kW

1998

Opel 1,8 l 2011

BMW 2,0 l

4 Zyl.-Otto 4 Zyl. Otto


d = 80,5 mm d = 84 mm
s = 888,2 mm s = 94 mm
n = 5400 1/min n = 5000 1/min
P = 85 kW P = 135-180 kW

..Abb. 1.1  Motoren 1899 bis 2011 [1, 2]

auf mehrere Zylinder gestattet höhere Drehzahlen und lung – weil als solche erkannt – bei Kfz-Motoren von
eine bessere Ausnutzung des Arbeitsraumes, das heißt vorneherein vermieden werden. Ungeachtet dessen
höhere spezifische Arbeit (effektiver Mitteldruck). In standen mehrere Antriebskonzepte im Wettbewerb:
anderen Ländern – Frankreich, Italien, England und Die bewährte technisch ausgereifte Dampfmaschine
später in den USA – hatte man ebenfalls den Bau von hatte auch als Antrieb von Straßenfahrzeugen Vorteile:
Kraftfahrzeugen und Motoren aufgenommen, zu- Selbstanlauf, ein elastisches, dem Zugkraftbedarf des
nächst noch an deutschen Vorbildern orientiert, doch Fahrzeugs entsprechendes Betriebsverhalten und ruhi-
löste man sich bald davon und schuf eigene Konstruk- ger Lauf. Noch vorteilhafter schien der Elektroantrieb.
tionen. Mit der Fliegerei nahm die Motortechnik einen Doch wurde man sich der Nachteile dieser Antriebs-
ungeheuren Aufschwung, wovon die Fahrzeugmoto- konzepte rasch bewusst.
ren profitierten: Erfahrungen flossen zurück, ande- Mit der Motorleistung nahmen Geschwindigkeit
rerseits konnten Irrwege in der Flugmotorenentwick- und Masse der Fahrzeuge zu. Nun kam es darauf an,
4 Kapitel 1 • Geschichtlicher Rückblick

motorische Funktionen wie Gemischzusammenset- köpfen baute man nun auch Motoren mit hängenden
1 zung, Zündzeitpunkt, Schmierung und Kühlung an Ventilen und kompakten Brennräumen; das ermög-
die Bedingungen des Straßenverkehrs anzupassen. lichte höhere Verdichtungsverhältnisse – Vorausset-
2 Das komplexe technische System Motor musste für
ungeübtes Personal – nämlich die Fahrzeugbetreiber
zung für mehr Leistung und niedrigeren Verbrauch.
Mit dem Kolbenwettbewerb von 1921, veranstaltet
– handhabbar gemacht werden. Kraftstoff- und Ölver- vom Reichsverkehrsministerium, wurden der deutschen
3 brauch mussten gesenkt werden; letzterer nicht nur Motorenindustrie die Vorteile des Leichtmetallkol-
aus Kostengründen, sondern weil die mit ganz- und bens gegenüber dem Gusseisenkolben überzeugend
teilverbranntem Öl angereicherten Abgase öffentliches aufgezeigt. In der Folge wurden in den 1920er-Jahren
4 Ärgernis erregten. die Motoren auf Leichtmetallkolben umgestellt, was
Aus diesem Gemenge von Anforderungen, Män- – trotz mancher Rückschläge – einen beträchtlichen
5 geln, Erfahrungen und neuen Erkenntnissen entwi- Zuwachs an Leistung und Wirkungsgrad brachte.
ckelten sich Motorkonzepte mit unterschiedlichen, Mit den Regelkolben konnte das Kolbenklappern
aber auch gleichen konstruktiven Elementen. W-, verringert und schließlich beseitigt werden. Anfang
6 Stern-, Einwellen-Gegenkolben und Umlaufmotoren der 1920er-Jahre hatte es mit den Pleuellagern der
wurden nur vereinzelt für Kraftfahrzeuge gebaut. Die Flugmotoren erhebliche Schwierigkeiten gegeben;
7 Standardbauart war der Reihenmotor mit vier, sechs
und acht Zylindern, auch V-Motoren mit 8, 12 und
sie waren an die Grenze ihrer Belastbarkeit gestoßen.
Das Stahl-Bleibronzelager, von Norman Gilmann bei
sogar 16 Zylindern gab es. Der „typische“ Motor be- Allison (USA) entwickelt, brachte Abhilfe. Diese Lager
8 stand aus niedrigem Kurbelgehäuse mit aufgesetzten fanden in Nkw-Dieselmotoren Eingang, dann auch in
Einzel- oder Doppelzylindern. Zylinder und Zylinder- Pkw-Hochleistungsmotoren. Den nächsten Entwick-
kopf waren einteilig gegossen, die stehenden Ventile lungsschritt stellten die Dreistofflager dar, bestehend
9 wurden von der/den tief im Kurbelgehäuse gelagerten aus Stahlstützschale, Bleibronze-Zwischenschicht und
Nockenwelle(n) angetrieben. Die Kurbelwelle wurde Weißmetall-Laufschicht; sie waren von Clevite in den
10 hängend in Lagerbrücken, nur nach jeder zweiten oder
sogar dritten Kröpfung gelagert. Zwar hatte man mitt-
USA entwickelt worden.
Höhere Drehzahlen und Leistungen sowie gestei-
lerweile die selbsttätigen zu Gunsten zwangsbetätigter gerte Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Moto-
11 Einlassventile aufgegeben. Dennoch bereitete die Ven- ren verlangten eine bessere Motorschmierung.
tilsteuerung Schwierigkeiten: Ventile brannten durch, Von der Docht- und Vasenschmierung (Schmie-
Ventilfedern brachen, auch war die Geräuschent- rung aus Vorratsgefäßen) sowie der Schmierung mit-
12 wicklung hoch. Deshalb schien damals die laufruhige tels Handpumpe(n) bei den frühen Fahrzeugmotoren
Knight-Schiebersteuerung überlegen zu sein. Doch ging man zur Tauchschmierung über, bei der durch
13 letztlich konnte sich die konstruktiv und betriebsmä- Eintauchen von Triebwerksteilen oder speziellen
ßig einfachere Ventilsteuerung behaupten. Schöpfmechanismen die Ölverbraucher mit Schmier-
In den USA wurde der Wandel des Pkw vom Frei- stoff versorgt wurden; dann folgte die Zwangsumlauf-
14 zeitvergnügen Wohlhabender zum Gebrauchsgegen- schmierung, wie sie in Flugzeugmotoren üblich war.
stand schon vor dem ersten Weltkrieg eingeleitet: 1909 Zweitaktmotoren arbeiteten mit Mischungsschmie-
15 hatte Henry Ford die Produktion des Modell T (Tin
Lizzie) aufgenommen; bis 1927 wurden über 15 Mil-
rung, das heißt Ölzugabe zum Kraftstoff.
Mit der konstruktiv einfachen Thermosyphonküh-
lionen dieser Fahrzeuge hergestellt. In Europa kam lung konnte nicht mehr genug Wärme aus thermisch
16 es erst durch den ersten Weltkrieg zum Einsatz von hoch belasteten Bauteilen abgeführt werden, so dass
Kraftfahrzeugen, vornehmlich Nutzfahrzeugen in gro- man – abgesehen von kleinen Motoren – allgemein die
ßer Zahl. Die Massenfabrikation erzwang eine gewisse Zwangsumlaufkühlung einführte.
17 Vereinheitlichung und Normung von Bauteilen. Der Das Klopfen war schon im ersten Weltkrieg zu
Betrieb unter den extremen Bedingungen an der Front einem leistungsbegrenzenden Kriterium bei Ottomo-
18 deckte konstruktive Mängel schonungslos auf. Einsatz, toren geworden. 1921 entdeckten in den USA Thomas
Wartung und Reparatur so vieler Fahrzeuge verlangten Midgley, jr. und T. A. Boyd die Wirksamkeit von Bleite-
die Ausbildung und Schulung des Fahrpersonals. Die traethyl (TEL) als „Klopfbremse“. Dadurch klopffestere
19 durch den Krieg forcierte Entwicklung der Flugmo- Kraftstoffe erlaubten höhere Verdichtungsverhältnisse
toren gab den Kfz-Motoren Anfang der 1920er Jahre und führten zu besseren Wirkungsgraden.
20 kräftige Impulse. Das gilt für die Konzeption (Grund-
aufbau) wie für Details einzelner Bauteile. Neben
In den 1920er Jahren wurde eine Vielzahl von
Kleinwagen entwickelt, deren Motoren leicht, einfach
stehenden Ventilen mit L- und T-förmigen Zylinder- und billig sein mussten. Hier bot sich das Zweitakt-
Kapitel 1 • Geschichtlicher Rückblick
5 1
Imbert-Holzgasgenerator für PKW
verfahren mit seiner hohen Leistungsdichte an. Dafür
sprachen zwei – letztlich sich einander ausschließende Deckel
– Argumente: Hohe Leistungsdichte und konstruktive Zentrifugal-Reiniger
Gas-
Einfachheit. Ventillose Zweitakter mit Kurbelkasten- Holz
Kühler

spülung eigneten sich für Motorräder und Kleinkraft-


wagen, die Schnürle-Umkehrspülung von DKW war Luft-Düsen
Gas

ein entscheidender Fortschritt gegenüber der Quer- Gas


Luft
stromspülung, weil sie eine bessere Spülung des Zy-
Luft- und Gas-
linders ermöglicht und weil die thermisch hoch belas- Zündloch
Gemisch-
Drossel-
Luft- Ventilator
Mischer
teten Nasenkolben durch Flachkolben ersetzt werden Holzkohle Herd klappe Verschluss-
Gas klappe
konnten. zum Motor Luft-
Drossel-
Mit den Goldenen Zwanziger Jahren kam die Zeit Regler-Drosselklappe
klappe
Holzwolle
der „großen“ Mercedes, Horch, Stöhr und Maybach Luft Feinfilter

mit 8-Zylinder-Reihen- und 12-Zylinder-V-Motoren.


In England waren es Rolls-Royce, Bentley, Armstrong-
Siddeley, in Frankreich Delage und Bugatti, in den USA
Pierce Arrow, Duesenberg, Auburn, Cord, Cadillac und
Packard.
Beeinflusst von der Entwicklung im Flugmotoren-
bau begann man Motoren aufzuladen, mit – je nach
Leistungsbedarf zu- und abschaltbaren – Gebläsen
in Verdrängerbauweise (Roots-Gebläse): Mercedes-
Benz, Itala oder Bentley und mit Radialgebläsen (Tur- ..Abb. 1.2 Holzgasgenerator für Pkw-Motoren [3]
boverdichter): Duesenberg. Vorteile schien auch die
Luftkühlung der Flugmotoren zu versprechen. Doch bieten konnte. Die Bedienung der Motoren wurde er-
gestaltete sich diese bei Kfz-Motoren wegen der nied- leichtert, vor allem durch den von Charles F. Kettering
rigen Fahrzeuggeschwindigkeit und ungünstigerer Be- bei General Motors eingeführten elektrischen Anlasser,
triebsbedingungen erheblich schwieriger. Ein Pionier der nicht nur das Starten des Motors erleichterte, son-
der Luftkühlung war die amerikanische Firma Frank- dern auch ungefährlich machte. Zündzeitpunkt (früh
lin Mfg. Co, die schon vor dem ersten Weltkrieg einen – spät) und Gemischzusammensetzung (arm – reich)
luftgekühlten 6-Zylinder-Reihenmotor herstellte. Auch mussten nicht mehr vom Fahrer verstellt werden, son-
General Motors setzte mit einem Chevrolet (Chevrolet dern erfolgten nun selbsttätig. In den 1930er Jahren
Copper Engine) auf die Luftkühlung, wobei zur Verbes- wurden Pkw zunehmend auch im Winter gefahren Der
serung der Wärmeabfuhr die Kühlrippen aus Kupfer Ganzjahresbetrieb verlangte eine Abstimmung des Öl-
gefertigt wurden. Wegen technischer Probleme ging wechsels auf die Jahreszeiten (Sommeröl – Winteröl);
dieser Motor nicht in die Großserie. Auch in Europa außerdem musste den niedrigen Außentemperaturen
wurden in den 1920er und 1930er Jahren luftgekühlte durch Regelung der Kühlwassertemperatur Rechnung
Kfz-Motoren entwickelt und gebaut: Nutzfahrzeugmo- getragen werden, zuerst durch Abdeckung des Kühlers
toren von Krupp und Phänomen, Pkw-Motoren von mit Lederdecken, dann durch verstellbare Kühlerja-
Tatra und Ferdinand Porsche für den neuen Volkswa- lousien und schließlich durch Thermostatregelung der
gen. Der luftgekühlte Boxer-Motor von Volkswagen Motorwassertemperatur.
wurde – erst im Kübel- und im Schwimmwagen – spä- In den 1930er Jahren arbeitete man auch an alter-
ter im „Käfer“ zu einem Synonym für Zuverlässigkeit nativen Konzepten mit Dampfmotoren für Nutzfahr-
und Robustheit. zeugmotoren, um Kraftstoffkosten zu sparen und um
In den 1920er Jahren entstand in Symbiose mit der höhere Leistungen darzustellen, als damals mit Diesel-
Fahrzeug- und Motorenindustrie eine leistungsfähige motoren möglich war. Auch spielten dabei Erwägun-
Zubehörindustrie, die als Schaltstellen der Entwick- gen über eine wirtschaftliche Autarkie eine Rolle. Trotz
lung fungierend, nicht nur Wissen und Erfahrungen der vorteilhaften Zugkraft-Kennlinie konnte sich der
auf den jeweiligen Gebieten vereinigte, sondern auch, Dampfantrieb letztlich nicht gegen den Verbrennungs-
da für mehrere oder sogar alle Motorhersteller produ- motor, angetrieben mit Gas – Speicher- und Genera-
zierend, erprobtes, weitgehend vereinheitlichtes und torgas – durchsetzen. Im und nach dem Zweiten Welt-
preisgünstiges Zubehör wie Kolben, Lager, Kühler, Ver- krieg mussten auch Pkw-Motoren aus Kraftstoffmangel
gaser, Elektrik und Dieseleinspritz-Einrichtungen an- auf Generatorgas umgestellt werden (. Abb. 1.2).
6 Kapitel 1 • Geschichtlicher Rückblick

Die Kraftstoffeinspritzung mittels Druckluft England Austin und Morris und für Italien Fiat. Um
1 („Lufteinblasung“) war ein Hindernis für den Einsatz den hohen Kraftstoffverbrauch von Zweitakt-Otto-
des Diesels im Fahrzeug gewesen. Anfang der 1920er motoren durch Spülverlust zu vermeiden, erhielten
2 Jahre wurde intensiv an einer „kompressorlosen“ Ein-
spritzung gearbeitet. Aufbauend auf Vorarbeiten vor
Gutbrod- und Goliath-Motoren eine mechanische Ben-
zineinspritzung. Mit dem „Wirtschaftswunder“ ging
und im ersten Weltkrieg (L’Orange, Leissner) entstan- die Nachfrage nach Kleinwagen zurück, so dass sich
3 den kompressorlose Fahrzeug-Dieselmotoren – in der Zweitaktmotor im Pkw nicht behaupten konnte;
Deutschland von MAN, Benz (später: Mercedes-Benz) lediglich in der DDR wurden die Pkw Wartburg und
und Junkers entwickelt. Auf der Grundlage von Acro- Trabant bis Ende der 1980er Jahre damit ausgerüstet.
4 Patenten entwickelte die Fa. Robert Bosch komplette Anfang der 1950er Jahre waren noch viele Vier-
Einspritzsysteme für Fahrzeug-Dieselmotoren. Die takt-Pkw-Motoren seitengesteuert und die Kurbelwelle
5 Einspritzpumpen hatten Schrägkantensteuerung und nur nach jeder zweiten Kröpfung gelagert. Doch das
Überströmregelung. Weil man die direkte Einsprit- begann sich zu ändern; neue Motoren wurden modern
zung bei Fahrzeugmotoren mit ihrem großen Dreh- konzipiert: Tief unter die Kurbelwellenmitte herabge-
6 zahlbereich nicht beherrschte, gab man der indirekten zogene Kurbelgehäuse, Lagerung der Kurbelwelle nach
Einspritzung (Vor- und Wirbelkammer, Luftspeicher) jeder Kröpfung, kompakte Brennräume mit schräg
7 den Vorzug. Der Dieselmotor bewährte sich im schwe-
ren Nutzfahrzeug und wurde zunehmend in leichte
hängenden Ventilen (OHV), dann Tassenstößel mit
obenliegenden Nockenwellen (OHC) erlaubten hö-
Nutzfahrzeuge, schließlich auch in Pkw eingesetzt here Drehzahlen; auch nahmen die Hubvolumina zu.
8 (Mercedes-Benz, Hanomag, Oberhänsli, Colt, Cummins Mercedes-Benz beteiligte sich wieder erfolgreich an
und so weiter). Einer der ersten Pkw mit Dieselantrieb Rennen; die Motoren der Silberpfeile hatten eine von
war ein Packard mit Cummins-Motor. Um die Eignung den Flugzeugmotoren abgeleitete Benzineinspritzung
9 von Dieselmotoren für Pkw nachzuweisen, wurden und zwangsbetätigt schließende Ventile (desmodro-
speziell umgerüstete Fahrzeuge in Rennen eingesetzt. mische Steuerung).
10 Ein Packard-Roadster mit Cummins-Dieselmotor
erreichte auf der Daytona-Beach-Rennstrecke in Flo-
Der wirtschaftliche Aufschwung in der westlichen
Welt ließ den Wohlstand allgemein ansteigen, so dass
rida 1930 eine Geschwindigkeit von 82  Meilen pro sich Angehörige breiter Bevölkerungsschichten ein Kfz
11 Stunden (131 km/h). In Deutschland war es 1978 ein leisten konnten. Die Fahrzeugproduktion nahm zu.
Mercedes-Benz C 111, der mit 316,5 km/h einen Re- Mittel für die Fahrzeugentwicklung standen reichlich
kord aufstellte. zur Verfügung. Mit Japan erschien ein neuer Anbieter
12 Ungeachtet der Vorzüge von Dieselmotoren wur- auf dem Weltmarkt, der mit hohem Qualitätsstan-
den großvolumige Pkw-Ottomotoren zum Antrieb dard, Verringerung der Fertigungstiefe, Ausgliedern
13 von Nfz eingesetzt – in den USA wie in Deutschland, von Fertigungs-, Montage und Entwicklungsprozessen,
wo der 12-Zylinder-Motor des Maybach-Zeppelin zeitgerechte Zulieferung (just-in-time) die Kfz-Ferti-
Omnibusse, Feuerwehrfahrzeuge und Halbketten- gung revolutionierte. Ein globaler Wettbewerb zwang
14 Zugmaschinen antrieb und der Nkw Opel-Blitz mit zu noch schärferer Kostenbetrachtung; die Motoren
dem 6-Zylinder-Reihenmotor des Opel-Admiral zum wurden – weit mehr noch als früher – in Hinblick
15 Standardfahrzeug der deutschen Wehrmacht wurde.
Auch kleine Lieferwagen (Tempo, Goliath, Standard)
auf wirtschaftliche Fertigung, einfache Wartung und
Reparatur gebaut. Die elektronische Datenverarbei-
liefen mit Ottomotoren. Andererseits drang der Die- tung (EDV) setzte sich ab den 1970er Jahren in der
16 selmotor in den Pkw-Bereich vor. Domäne des Pkw- Entwicklung durch und führte zu Rationalisierung,
Dieselmotors war das Taxi. Beschleunigung und zielgenauerer Entwicklung mit
Im Zweiten Weltkrieg stagnierte weltweit die Ent- Rechenmethoden der Finiten Elemente (FEM), des
17 wicklung von Pkw-Motoren, jetzt galten andere Pri- Konstruierens mit CAD und der Simulation von mo-
oritäten! Nach dem Krieg wurde die Fertigung von torischen Prozessen.
18 Vorkriegsmotoren aufgenommen. In den USA konnte Immer wieder wurde das Konzept des Hubkolben-
man sich großvolumige Motoren leisten – 6-Zylinder- motors in Frage gestellt: Ende der 1940er Jahre hatte
Reihen- und 8-Zylinder-V-Motoren. In Europa ent- Rover in Großbritannien ein Fahrzeug mit Gasturbi-
19 stand eine Vielzahl von Kleinst- und Kleinwagen mit nenantrieb entwickelt.
Antrieb durch luft- und wassergekühlte Zwei- und Trotz wesentlicher Vorteile, wie hoher Leistungs-
20 Viertaktmotoren. Für Deutschland sind zu nennen:
Gutbrod, Lloyd, Goliath und DKW, für Frankreich
dichte, ruhigem Lauf und rauchfreiem Abgas, zeigte
sich, dass Gasturbinen hinsichtlich des Wirkungs-
Dyna-Panhard, Renault 4 CV und Citroën 2 CV, für grades für die kleinen Leistungen und die Betriebs-
Kapitel 1 • Geschichtlicher Rückblick
7 1

bedingungen von Pkw nicht geeignet sind. In den Ein an sich bestechendes Konzept der Aufladung ist
1960er Jahren versprach der Kreiskolbenmotor von der Druckwellentauscher (Comprex-Lader) der BBC,
Felix Wankel, entwickelt von NSU, eine Alternative bei dem die Energie aus dem Abgas dynamisch direkt
zum Hubkolbenmotor zu werden. Seine Kinematik, auf die Ladeluft, das heißt ohne Abgasturbine und
Leistungsdichte und kompakte Bauart sind Vorteile Turboverdichter, übertragen wird. Trotz erheblichen
gegenüber Hubkolben-Triebwerken. Doch letztlich Entwicklungsaufwands hat sich dieses Prinzip in der
überwogen die Nachteile: Begrenztes Verdichtungs- Motorpraxis bisher nicht durchsetzen können.
verhältnis, ungünstiger Brennraum, Verbrennung Pkw-Dieselmotoren, schon in den 1930er Jahren
mit hohem Gleichdruckanteil, „späte“ Verbrennung entwickelt und serienreif gemacht, erfreuten sich ab
in die Expansion hinein, problematische Abdichtung den 1950er Jahren einer zwar begrenzten, aber über-
des Arbeitsraumes führen zu hohen Verbräuchen und zeugten Anhängerschaft durch Taxifahrer und soge-
schlechten Abgaswerten. Lediglich Mazda gelang es nannte Vielfahrer, die weniger Wert auf sportliches
mit einigem Erfolg, sportliche Fahrzeuge mit Wankel- Fahren, dafür umso mehr auf geringen Kraftstoff-
motor zu bauen (siehe ▶ Abschn. 8.4.4 und [4]). verbrauch und lange Lebensdauer legten. Neben den
Die Energiekrise der 1970er Jahre verlangte sparsa- Motoren von Mercedes-Benz und Borgward gab es zu-
mere und schadstoffärmere Motoren. Ausgehend von nächst nur Dieselmotoren von Peugeot und Fiat, bis
der mechanischen Einspritzung wurde – vor allem von in den 1970er Jahren VW einen Pkw-Diesel heraus-
Bosch vorangetrieben – eine Niederdruckeinspritzung brachte und dann weitere Hersteller in Deutschland:
mit elektronisch geregelter Kraftstoffzumessung ent- Opel, BMW, Ford und Audi damit folgten. In den USA
wickelt. Trotz hohem Entwicklungsstand der Verga- ist das Interesse an Diesel-Pkw nach wie vor gering.
sertechnik (Doppelvergaser, Registervergaser, Gleich- In den 1960er/1970er Jahren kam die Verteilerpumpe
druckvergaser) setzte sich die Benzineinspritzung auf, die sich gerade für die kleinen Einspritzmengen
schnell durch. Immer mehr hielt die Elektronik Einzug der Pkw-Dieselmotoren als geeignet erwies. Nachdem
in die Motorsteuerung. Eine gemeinsame mikropro- sich in den 1960er Jahren die direkte Einspritzung
zessorgesteuerte Elektronik mit Kennfeldspeicherung bei Nkw-Motoren durchgesetzt hatte, versprach diese
steuert Zündung und Gemischbildung. auch bei Pkw-Motoren beachtliche Verbrauchsvor-
Da innermotorische Maßnahmen nicht mehr aus- teile. Ford hatte bereits einen Lieferwagen mit einem
reichten, die Schadstoffe auf die gesetzlich begrenzten Motor mit Direkteinspritzung ausgerüstet, als Audi
Werte zu reduzieren, wurden Dreiwegekatalysatoren Ende der 1980er Jahre schadstoffarme Pkw-Motoren
eingesetzt, die ein genaues Einhalten des stöchiome­ mit Direkteinspritzung herausbrachte. Andere Fir-
trischen Luftverhältnisses durch kontinuierliches Mes- men folgten, so dass heute die Direkteinspritzung bei
sen des Sauerstoffgehaltes im Abgas mit der Lambda- Pkw-Dieselmotoren Standard ist. Zunehmend wurde
Sonde erfordern. Zusätzliche Verbesserung erreicht die Einspritzung für Pkw-Dieselmotoren die zentrale
man mit geregelter Abgasrückführung. Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur immer sparsa-
Die Abgasturboaufladung als Mittel zur Leistungs- meren und saubereren Dieselverbrennung, meist in
steigerung und Verringerung des Verbrauchs wurde Kombination mit Abgasturboaufladung, Ladeluftküh-
ab den 1960er Jahren bei Nkw-Motoren eingesetzt. lung und Abgasrückführung. Heutzutage dominieren
Mit steigendem Entwicklungsstand konnten Abgas- Common-Rail-Einspritzsysteme mit Drücken von bis
turbolader soweit „miniaturisiert“ werden, dass man zu 2000 bar und Mehrfacheinspritzung zur optimalen
auch Pkw-Ottomotoren damit ausrüstete. Da die Strö- „Formung“ des Verbrennungsablaufes die Dieselein-
mungsmaschine Abgasturbolader und die Kolbenma- spritztechnologie. Um die Dieselkolben thermisch zu
schine Verbrennungsmotor unterschiedliches Betriebs- entlasten, werden diese durchweg durch Anspritzen
verhalten zeigen, musste man – anfangs meist durch der Kolbenunterseiten oder durch Kühlkanäle gekühlt.
Überbrücken der Turbine mit einem Teil des Abgas- In den 1980er und 1990er Jahren wurde der La-
stromes (Waste-Gate-Regelung), mittlerweile mittels dungswechsel zu einem Schwerpunkt der Entwicklung.
verstellbarer Turbinengeometrie bei Dieselmotoren – Durchflussbeiwerte und Liefergrad konnten mit der
„Luftangebot“ des ATL und „Nachfrage“ des Motors in Mehrventiltechnik verbessert werden; ein weiteres
Einklang bringen. Weitere Verbesserung erzielte man brachten verstellbare Steuerzeiten und Ventilhübe
durch die Ladeluftkühlung. Bezüglich ihres Ansprech- sowie Schaltsaugrohre. Die Entwicklung geht nun
verhaltens für den Kfz-Betrieb sind mechanisch an- zunehmend in Richtung „vollvariabler“ Ventiltriebe.
getriebene Lader von Vorteil. Volkswagen entwickelte Damit kann der Ansaugvorgang entdrosselt und so ein
einen Spirallader (G-Lader), Mercedes-Benz verwen- prinzipieller Nachteil des Ottomotors gemildert wer-
det Roots-Gebläse für „sportliche“ Fahrzeugmotoren. den. Die direkte Benzineinspritzung in die Zylinder
8 Kapitel 1 • Geschichtlicher Rückblick

von Ottomotoren liefert höhere Leistung, niedrigere ist und bleibt auch längerfristig die Reduktion der
1 Schadstoffemission und geringeren Verbrauch. Emissionen und des Energieverbrauchs zukünftiger
Motorseitig wurde der Kraftstoffverbrauch mit Antriebskonzepte. Der Verbrennungsmotor bietet
2 einem ganzen Bündel von Maßnahmen gesenkt:
Kleinere Abmessungen und Massen des Triebwerks
hierfür weiterhin enormes Potenzial.

(Downsizing), Rollenabgriff statt Gleitabgriff in der


3 Steuerung, Leichtlauföle, bedarfsgesteuerter Betrieb Literatur
von Gebläse und Pumpen und so weiter.
Steigende Drehzahlen und gleichzeitig höhere
4 Komfortanforderungen der Kunden, aber auch der
Verwendete Literatur

Trend zum Downsizing verlangen Maßnahmen zur [1] Zima, S.: Kurbeltriebe, 2. Aufl. Vieweg, Wiesbaden (1999)
[2] Steinparzer, F., Klauer, N., Kannenberg, D., Unger, H.: Der
5 Verbesserung der Maschinendynamik. Weiterfüh-
Neue Aufgeladene 2,0-l-Vierzylinder-Ottomotor vom BMW.
rende Entwicklungen von Ausgleichsvorrichtungen
MTZ 72(12), 928–937 (2011)
und Drehschwingungsdämpfern minimieren den
6 Zielkonflikt zwischen gewünschter Laufruhe der Mo-
[3] Eckermann, E.: Alte Technik mit Zukunft (Hrsg. Deutsches
Museum. R. Oldenbourg, München (1986)
toren und dem Anstieg der Triebwerksmasse und der [4] Dobler, H.: Renesis – ein neuer Wankelmotor von Mazda.

7 Reibung.
Begrenzte Ressourcen und insgesamt hoher
MTZ 61(7/8), 440 (2000)

Weiterführende Literatur
Schadstoffausstoß zwingen zur Suche nach anderen
8 Antriebskonzepten. Zum einen geht es um die Subs- [5] Robert Bosch GmbH: Bosch und die Zündung Bosch-
Schriftenreihe, Bd. 5. Selbstverlag der Robert Bosch GmbH,
titution des Erdöls, zum anderen um die Entlastung
Stuttgart (1952)
der Umwelt. Eine von der Politik zeitweise stark favori-
9 sierte Lösung war die Verwendung regenerativer Ener-
[6] Bussien, R. (Hrsg.): Automobiltechnisches Handbuch,
18. Aufl. Technik Verlag H. Cram, Berlin (1965)
gie in Gestalt von Pflanzenöl (Rapsmethylester); doch [7] Fersen, O. von (Hrsg.): Ein Jahrhundert Automobiltechnik
10 weder reichen die Rapsanbauflächen für eine ausrei-
chende Kraftstoffversorgung aus, ganz abgesehen von
– Personenwagen. VDI-Verlag, Düsseldorf (1986)
[8] Frankenberg, R. von, Mateucci, M.: Geschichte des Automo-
den ökologischen Problemen von Monokulturen; noch bils. Siegloch, Künzelsau (1988)
11 ist es technisch sinnvoll, Mineralöle in Kfz-Motoren, [9] Kirchberg, P.: Plaste, Bleche und Planwirtschaft. Die Ge-
wo die Gemischbildung im Millisekundenbereich er- schichte des Automobilbaus in der DDR. Nicolasche Ver-
folgen muss, durch Rapsöl zu ersetzen, solange man lagsbuchhandlung, Berlin (2000)
12 in Hausheizungen wertvolles Leichtöl (= Dieselöl) zur [10] Krebs, R.: 5 Jahrtausende Radfahrzeuge. Springer, Berlin
(1994)
Wärmeerzeugung verschwendet.
[11] Sass, F.: Geschichte des deutschen Verbrennungsmotoren-
13 Eine andere Entwicklung zielt auf die Verwendung baues. Springer, Berlin (1962)
von Wasserstoff als Kraftstoff. Wasserstoff in her- [12] Pierburg: Vom Docht zur Düse, Ausgabe 8/1979. Neuss: Fa.
kömmlichen Kolbenmotoren kann die Schadstoffsitu-
14 ation entschärfen helfen, ebenso wie dessen Einsatz in
Pierburg, 1979

der Brennstoffzelle. Allerdings muss der Wasserstoff in


15 Umkehr der Elektrolyse „erzeugt“ werden, was erhebli-
chen Energieeinsatz verlangt. Eine andere Möglichkeit
der Wasserstoffgewinnung besteht in der Konvertie-
16 rung von Methanol oder Benzin; doch damit werden
keine Ressourcen geschont. Ein denkbares Szenario
besteht im verstärkten Einsatz von erdgasbetriebenen
17 Motoren, womit einerseits die Energieversorgung bei
knapper werdendem Erdöl gesichert und der Einstieg
18 in eine Gastechnologie mit Wasserstoff vorbereitet
werden könnte.
Aktuell stellt die „Hybridisierung“ und „Elektrifi-
19 zierung“ der Fahrzeugantriebe ganz neue Herausforde-
rungen an die Motorenentwicklung, obwohl die Kom-
20 bination von Elektro- und Verbrennungsmotor schon
im Jahr 1900 von Ferdinand Porsche im „Lohner-Por-
sche“ eingesetzt wurde. Das primäre Entwicklungsziel
9 2

Definition und Einteilung


der Hubkolbenmotoren
Dr.-Ing. Hanns-Erhard Heinze, Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke

2.1 Definitionen – 10
2.2 Möglichkeiten der Einteilung  –  10
2.2.1 Verbrennungsverfahren – 10
2.2.2 Kraftstoff – 11
2.2.3 Arbeitsverfahren – 12
2.2.4 Gemischbildung – 12
2.2.5 Ladungswechselsteuerung – 12
2.2.6 Ladungseinbringung – 13
2.2.7 Bauform – 13
2.2.8 Zündung – 15
2.2.9 Kühlung – 15
2.2.10 Lastregelung – 15
2.2.11 Einsatzzweck – 15
2.2.12 Drehzahl- und Leistungsabstufung  –  16

Literatur – 16

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_2
10 Kapitel 2  •  Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

2.1 Definitionen werden muss. Die Verbrennung erfolgt daher zyklisch,


1 wobei je nach Verbrennungsverfahren zwischen Otto-,
Kolbenmaschinen sind Maschinen, in denen die Ener- Diesel- und Hybridmotoren unterschieden wird.
2 gie eines Fluids (Gas oder Flüssigkeit) auf einen beweg-
ten Verdränger (zum Beispiel einen Kolben) oder von
Bei Motoren mit äußerer Verbrennung (zum Bei-
spiel Stirlingmotor) wird die außerhalb des Arbeitsrau-
dem Verdränger auf das Fluid übertragen wird [1–3]. mes durch kontinuierliche Verbrennung entstehende
3 Sie gehören damit zu den Fluidenergiemaschinen, die Wärme auf das Arbeitsmedium übertragen. Damit ist
als Arbeitsmaschinen mechanische Energie aufneh- ein Arbeitsprozess mit geschlossenem Kreislauf und
men, um die Energie des geförderten Fluids zu erhö- nahezu beliebigem Kraftstoff möglich.
4 hen. Dagegen wird bei Kraftmaschinen mechanische Im Weiteren werden nur Hubkolbenmotoren mit
Energie als Nutzarbeit am Kolben beziehungsweise am innerer, zyklischer Verbrennung betrachtet.
5 Kurbeltrieb freigesetzt.
Für die Arbeitsweise von Kolbenmaschinen ist
charakteristisch, dass durch die Bewegung des Ver- 2.2 Möglichkeiten der Einteilung
6 drängers (Kolbens) ein sich periodisch verändernder
Arbeitsraum entsteht. Abhängig von der Art der Be- Die Möglichkeiten der Einteilung von Hubkolbenmo-
7 wegung des Verdrängers unterscheidet man zwischen
Hub- und Rotationsverdrängermaschinen. Bei Hub-
toren sind auf Grund der komplexen Zusammenhänge
sehr vielfältig. Hubkolbenmotoren mit innerer Ver-

8
kolbenmaschinen bewegt sich als Verdränger ein zy-
lindrischer Kolben in einem Zylinder zwischen zwei
--
brennung [7] kann man unterscheiden nach:
Verbrennungsverfahren,
Endlagen, den Totpunkten. Der Begriff „Kolben“ wird
oft auch auf nichtzylinderförmige Verdränger ange-
--
Kraftstoff,
Arbeitsverfahren,

--
9 wendet. Bei den Rotationskolbenmaschinen bewirkt Gemischbildung/Kraftstoffeinbringung,
üblicherweise ein rotierender Verdränger die Verän- Ladungswechselsteuerung,
10 derung des Arbeitsraumes.
Verbrennungskraftmaschinen sind Maschinen,
bei denen durch die Verbrennung eines zündfähigen -
Ladungseinbringung,
Bauform.

---
11 Luft-Kraftstoff-Gemisches chemische in mechanische Weitere Unterscheidungsmerkmale können sein [8, 9]:
Energie umgesetzt wird. Die bekanntesten Verbren- Zündung,
nungskraftmaschinen sind Verbrennungsmotoren und Kühlung,

--
12 Gasturbinen. Einen Überblick gibt . Abb. 2.1. Lastregelung,
Verbrennungsmotoren sind Kolbenmaschinen. Einsatzzweck,
13 Je nach Ausbildung des gasdichten, veränderlichen Drehzahl- und Leistungsabstufung.
Arbeitsraums beziehungsweise nach der Kolbenbewe-
gung werden Hubkolbenmotoren [5] (mit oszillieren- Einige Einteilungsmerkmale sind heute nur noch von
14 der Kolbenbewegung) und Rotationskolbenmotoren historischer Bedeutung.
(mit rotierender Kolbenbewegung) unterschieden. Die
15 Rotationskolbenmotoren wiederum werden eingeteilt
in Drehkolbenmotoren (mit Innen- und Außenläufer 2.2.1 Verbrennungsverfahren
mit reiner Drehbewegung um feste Achsen) und in
16 Kreiskolbenmotoren (mit einem Innenläufer, dessen Nach dem Verbrennungsverfahren wird vorrangig
Achse eine Kreisbewegung ausführt) [6]. . Abb. 2.2 zwischen dem Ottoverfahren und dem Dieselverfah-
zeigt die unterschiedlichen Wirkprinzipien. Nur der ren unterschieden. Hybridmotoren weisen Merkmale
17 Wankelmotor, ein Kreiskolbenmotor, hat Bedeutung sowohl des Otto- als auch des Dieselverfahrens auf,
erlangt. sie sind nicht mit den Hybridantrieben zu verwech-
18 Nach Art der Prozessführung unterscheidet man seln.
weiterhin zwischen Verbrennungsmotoren mit innerer Der Ottomotor [10] ist ein Verbrennungsmotor,
und mit äußerer Verbrennung. Bei Motoren mit inne- bei dem die Verbrennung des verdichteten Kraftstoff-
19 rer Verbrennung ist das Arbeitsmedium (Luft) zugleich Luft-Gemisches durch zeitlich gesteuerte Fremdzün-
Träger des für die Verbrennung erforderlichen Sauer- dung eingeleitet wird. Dagegen entzündet sich beim
20 stoffs. Durch die Verbrennung des zugeführten Kraft-
stoffes entsteht Abgas, das in einem Ladungswechsel
Dieselmotor [11] der in den Verbrennungsraum ein-
gespritzte flüssige Kraftstoff an der Luftladung, nach-
vor jedem Arbeitsspiel durch Frischladung ersetzt dem diese vorher durch Verdichtung auf eine für die
2.2  •  Möglichkeiten der Einteilung
11 2

Art der Prozessführung Offener Prozess Geschlossener Prozess


innere Verbrennung äußere Verbrennung
Brenngas ≠ Arbeitsmedium
Brenngas = Arbeitsmedium Phasenumwandlung des
Arbeitsmediums
n ein Ja
Art der Verbrennung zyklische Verbrennung kontinuierliche Verbrennung
Selbst-
Art der Zündeinleitung Fremdzündung
zündung
Motor Diesel- Hybrid- Otto- Rohs- Stirling- Dampf-
Art der [4] [5] [6]
Maschine
Turbine – – – Gas- Heißdampf- Dampf-
heterogen homogen heterogen
Art des Gemisches (homogen) (heterogen)
(im Brennraum) (in kontinuierlicher Flamme)

..Abb. 2.1  Systematik der Verbrennungskraftmaschinen (nach [4])

..Abb. 2.2  Wirkprinzipien von Hub-, Dreh- und Kreiskolbenmotor. a Tauchkolbenmotor, b Drehkolbenmotor:


kraftabgebender Außenläufer mit epitrochoidenförmiger Innenkontur und Innenläufer (Kolben) als Absperror-
gan, c Kreiskolbenmotor (Wankelmotor): Gehäuse mit epitrochoidenförmiger Innenkontur und kraftabgeben-
dem Innenläufer (Kolben), der sich exzentrisch um ein Ritzel dreht und gleichzeitig die Abdichtfunktion hat

Einleitung der Zündung hinreichend hohe Temperatur 2.2.2 Kraftstoff


gebracht worden ist [7].
Bei Hybridmotoren wird unterschieden zwischen In Verbrennungsmotoren können gasförmige, flüssige
Motoren mit Ladungsschichtung [12] und Vielstoffmo- und feste Kraftstoffe verbrannt werden, siehe auch
toren [4] (siehe auch ▶ Abschn. 15.1 und 15.2).

-
▶ Abschn. 22.1:
Gasförmige Kraftstoffe: Propan, Butan, Erd-
gas (CNG, überwiegend Methan), Generator-,
12 Kapitel 2  •  Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

Gicht-, Biogas (Klär-, Deponiegas), Wasserstoff


- äußere Gemischbildung: Bildung des Kraftstoff-

--
1 (auch flüssig speicherbar) Luft-Gemisches im Einlasssystem (Einspritzung

2
Flüssige Kraftstoffe:
Leichtkraftstoffe: Benzin, Kerosin, Benzol, Al-
kohole (Methanol, Ethanol, Butanol), Aceton, - oder Vergaser (veraltet)),
innere Gemischbildung: Gemischbildung im
Arbeitsraum (Einspritzung),

-
Ether, verflüssigte Gase (LNG, LPG, DME)
3 Schwerkraftstoffe: Petroleum, Gasöl (Diesel-
kraftstoff), Fettsäure-Methyl-Ester (FAME)
vorrangig in Europa Raps-Methyl-Ester -
nach der Qualität des Gemischs:
homogenes Gemisch: Vergaser und Saugrohrein-
spritzung beim Ottomotor oder Benzindirektein-

-
4 (RME, auch als Biodiesel bezeichnet), Pflan- spritzung während des Ansaugtakts,
zenöle, Schweröle, Marine Fuel Oil (MFO), inhomogenes (heterogenes) Gemisch: Einsprit-
5 Biokraftstoffe der 2. und 3. Generation, hyd- zung innerhalb sehr kurzer Zeitintervalle beim

-
rierte Pflanzenöle (HVO), Gas-to-liquid Dieselmotor und beim Ottomotor mit Benzindi-
Mischkraftstoffe: Diesel – RME, Diesel – rekteinspritzung (BDE) gegen Ende des Verdich-
6 Wasser, Diesel – Alkohol, Benzin – Alkohol, tungstaktes

7 - Benzin – Diesel
Feste Kraftstoffe: Kohlenstaub, Entwicklung seit
langem eingestellt.
-
und nach dem Ort der Gemischbildung:
direkte Einspritzung in den Arbeitsraum, zum
Beispiel bei DI-Dieselmotoren und BDE-Moto-
8
9
2.2.3 Arbeitsverfahren

Beim Arbeitsverfahren wird zwischen Viertakt- und


- ren,
indirekte Einspritzung in einen Nebenbrenn-
raum, zum Beispiel Vorkammer- oder Wirbel-
kammer- sowie Luftspeicher-Dieselmotoren

10
Zweitaktverfahren unterschieden. Beiden gemeinsam
ist die in einem ersten Takt (Hub) ablaufende Verdich-
tung der Ladung (Luft- oder Kraftstoffdampf-Luft-Ge-
misch) durch Verringerung des Arbeitsraumes sowie
- (IDI),
Saugrohreinspritzung (bei Ottomotoren), zentral
oder zylinderindividuell.

11 die im Bereich des oberen Totpunktes der Kolbenbe-


wegung einsetzende Zündung, die Verbrennung mit 2.2.5 Ladungswechselsteuerung
einer Druckerhöhung bis auf maximalen Zylinder-
12 druck und Ausdehnung des Arbeitsgases im darauf Zur Steuerung des Ladungswechsels kommen Ventil-,
folgenden Takt, bei der am Kolben Arbeit geleistet Schlitz- und Schiebersteuerungen zur Anwendung.
13 wird. Bei der Ventilsteuerung unterscheidet man oben-
Das Viertaktverfahren benötigt zwei weitere Takte, gesteuerte und untengesteuerte Motoren [7]. Der
um das Verbrennungsgas durch Ausschieben aus dem obengesteuerte Motor hat hängende Ventile; das heißt
14 Arbeitsraum zu entfernen und durch Ansaugen den die Schließbewegung der Ventile erfolgt gleichsinnig
Arbeitsraum mit frischer Ladung zu füllen. mit der Kolbenbewegung in Richtung OT. Umgekehrt
15 Beim Zweitaktverfahren erfolgt der Ladungswech-
sel im Bereich des unteren Totpunkts bei nur noch
hat der untengesteuerte Motor stehende Ventile und
die Ventilschließbewegung erfolgt gleichsinnig mit der
geringer Änderung des Arbeitsvolumens durch Aus- Kolbenbewegung in Richtung UT.
16 spülen der Verbrennungsgase mit frischer Ladung, so Bei modernen 4-Takt-Motoren wird ausschließlich
dass für die Verdichtung und Ausdehnung nicht der die „overhead valves“ (ohv)-Bauweise mit hängenden,
volle Hub ausgenutzt wird. Für den Spülvorgang ist oft im Zylinderkopf angeordneten Ventilen verwendet.
17 ein zusätzliches Spülgebläse erforderlich, siehe auch Die Nockenwelle kann dabei im Zylinderkopf oder im
▶ Kap. 10. Zylinderkurbelgehäuse angeordnet sein.
18 Bei 2-Takt-Motoren kommen überwiegend
Schlitzsteuerungen (Schlitze in der Zylinderbüchse,
2.2.4 Gemischbildung Kolben als Schieber), in Einzelfällen auch Aus-
19 lassventile, Kegel-, Walzen-, Flachschieber sowie
Eine Unterscheidung von Verbrennungsmotoren be- Membransteuerungen zur Anwendung. Bei großen
20 züglich der Gemischbildung kann folgendermaßen
vorgenommen werden, siehe auch ▶ Kap. 12:
2-Takt-Schiffsdieselmotoren werden üblicherweise
Auslassventile verwendet.
2.2  •  Möglichkeiten der Einteilung
13 2

Aufladung

Fremdaufladung Selbstaufladung

mit Verdichter ohne Verdichter

mit Abgasnutzung ohne Abgasnutzung mit Abgasnutzung ohne Abgasnutzung

Abgasturbo- Mechanische Druckwellen- Resonanz-


aufladung Aufladung aufladung aufladung

Kombinierte mechanische
Kombinierte Fremd- und und Abgasturboaufladung
Abgasturboaufladung

Schwingsaugrohr-
Stauaufladung Stoßaufladung
aufladung

..Abb. 2.3  Prinzipielle Möglichkeiten der Aufladung (nach [13])

2.2.6 Ladungseinbringung auch ▶ Kap. 11. Daneben finden noch Verfahren ohne


Verdichter Anwendung, die gasdynamische Vorgänge
Beim Saugmotor wird die Frischladung (Luft oder im Ansaug- und Abgassystem für die Ladungserhö-
Gemisch) durch den Arbeitskolben in den Zylinder hung nutzen.
gesaugt (Selbstansaugen).
Durch Aufladung wird die Ladungsmenge durch
Vorverdichtung vergrößert; dabei fördert ein Verdich- 2.2.7 Bauform
ter die Frischladung in den Zylinder. Vorrangige Ziele
der Aufladung sind Leistungs- und Drehmomenten- In der fast 140-jährigen Geschichte des Verbrennungs-
steigerung, Kraftstoffverbrauchs- und Abgasemissions- motors sind zahlreiche Varianten der Zylinderanord-
senkung, siehe auch ▶ Kap. 10 und 11. nung vorgeschlagen worden. Überlebt haben nur ei-
Eine Übersicht über mögliche Aufladearten gibt nige wenige Standardbauformen [8, 9].
. Abb. 2.3 (nach [13]). Ausgehend vom Einzylindermotor werden bei
Die in der Praxis verbreiteteste und wirkungs- Fahrzeugmotoren Zylinderzahlen bis 12 gewählt. Flug-
vollste Variante ist die Selbst- oder Eigenaufladung motoren wurden mit bis zu 48 Zylindern und Hoch-

-
mit Verdichter:
Mechanische Aufladung: Der Verdichter wird
leistungsmotoren mit bis zu 56 Zylindern gebaut.
Bei der Zylinderanordnung gibt es zahlreiche

- direkt vom Motor angetrieben.


Abgasturboaufladung (dominiert sowohl bei
Otto- als auch bei Dieselmotoren): Eine mit Mo-
torabgas beaufschlagte Turbine (Abgasturbine)
Kombinationsmöglichkeiten, die zum Teil selbsterklä-
rend mit Buchstaben bezeichnet werden. . Abb. 2.4
zeigt eine Auswahl möglicher Zylinderanordnungen
und Bauformen.
treibt den Verdichter an.

- Bedeutung haben heute:


der Reihenmotor (eine Zylinderbank, eine Kur-
Verschiedenste Kombinationen dieser beiden Stan-
dard-Aufladetechniken sind in Anwendung, auch
elektrisch angetriebene Verdichter (e-booster), siehe - belwelle).
der V-Motor (zwei Zylinderbänke, eine Kurbel-
welle): An jedem Kurbelzapfen sind zwei Pleuel
14 Kapitel 2  •  Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

Reihenmotor V-Motor W-Motor ..Abb. 2.4 Zylinder-


1 anordnungen von
Hubkolbenmotoren
[8, 14]
2
3
Boxer-Motor Sternreihen-Motor
4
5
6 X-Motor

7
8
9
Sternmotor Doppelsternmotor Vierfachsternmotor
10
11
12
Doppelreihen-
13 motor H-Motor

14 Zweiwellen-Gegen-
kolbenmotor
15
16
17 Dreiwellen-Gegen- Taumelscheiben-/
kolbenmotor Schrägscheibenmotor

18
angelenkt. Übliche V-Winkel sind 45°, 60°, 90°, angelenkt. Ein V-Motor aus zwei VR-Bänken
180°. Der VR-Motor [15] hat einen V-Winkel von wird als V-VR-Motor oder ebenfalls als W-Motor

-
19 15°, wobei die Kurbelwelle für jedes Pleuel einen bezeichnet [15].

20 - separaten Kurbelzapfen hat.


der W-Motor (drei Zylinderbänke, eine Kurbel-
welle): Je drei Pleuel sind an einem Kurbelzapfen
der Boxermotor: Im Unterschied zum V-Motor
mit 180°-V-Winkel ist jedes Pleuel an einem
separaten Kurbelzapfen angelenkt.
2.2  •  Möglichkeiten der Einteilung
15 2

Bei der Triebwerkausführung hat sich der Kurbeltrieb Durchfluss- und Mischkühlung unterschieden, siehe
bewährt [16]. Als Varianten werden Tauchkolben- und auch ▶ Kap. 20.
Kreuzkopfmotoren unterschieden. In der Literatur
werden auch noch Kurbelschleifen- und Nockentrieb-
werke sowie kurbelwellenlose Motoren (Kurvenschei- 2.2.10 Lastregelung
ben-, Kurvenbahn-, Taumelscheiben-, Schrägschei-
benmotor) beschrieben [8]. Die Motorleistung P
Nach der Wirkungsweise lassen sich einfach und
doppelt wirkende Motoren unterscheiden, je nachdem, P = M  ! = M  2    n(2.1)
ob der Kolben einseitig oder von beiden Seiten mit den
Verbrennungsgasen beaufschlagt wird. Der Doppel- kann sowohl durch Änderung der Drehzahl n als auch
kolbenmotor hat zwei zu einem Verbrennungsraum des Drehmomentes M (Last) an den Bedarf angepasst
gehörende Kolben, die entweder gegenläufig (Gegen-
kolbenmotor) oder gleichläufig (U-Kolbenmotor) an-
geordnet sind.
Nach Lage der Zylinderachse unterscheidet man
-
werden. Bei der Lastregelung unterscheidet man:
Quantitätsregelung oder Füllungsregelung: Eine
Verstelleinrichtung (Drosselklappe, Dreh-, Flach-
schieber, Ventil) steuert bei annähernd konstan-
den stehenden, liegenden und hängenden Motor und tem Luftverhältnis λ die Gemischmenge, die in
nach Lage der Steuerungseinrichtung den obengesteu- den Zylinder strömt (herkömmliche Ottomoto-
erten und den untengesteuerten Motor.

2.2.8 Zündung
- ren).
Qualitätsregelung: Bei Dieselmotoren und in be-
stimmten Betriebsbereichen bei einigen Ottomo-
toren mit Benzindirekteinspritzung (BDE) erfolgt
eine bedarfsgerechte Zumessung des Kraftstoffes.
Die Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches kann Bei annähernd konstanter Luftmenge wird die

-
durch Fremd- oder Selbstzündung erfolgen:
Fremdzündung (Ottomotor): Ein elektrischer
Einspritzmenge variiert (variables Luftverhält-
nis λ).

- Zündfunken entzündet das Gemisch im Zylinder.


Selbstzündung (Dieselmotor): In der durch
Kompression erhitzten Luft im Zylinder entzün-
det sich der eingespritzte Kraftstoff von selbst
2.2.11 Einsatzzweck

- (Kompressionszündung).
Bei Gasmotoren kann zum Beispiel durch eine
geringe, selbstzündende Dieselkraftstoffmenge
Einige Beispiele für die Verwendung von Verbren-

-
nungsmotoren sind:
Landfahrzeuge: Straßenfahrzeuge (Zwei- und
das Gas-Luft-Gemisch „fremdgezündet“ werden.
Auch Benzin-Luft-Gemische lassen sich bei ent-
sprechend hoher Temperatur selbst entzünden, - Dreiräder, Pkw, Omnibus, Nkw),
Off-Road-Fahrzeuge: Landwirtschaftliche Ma-
schinen und Fahrzeuge, Schlepper, Zugmaschi-
siehe auch ▶ Abschn. 14.3.

- nen, Baumaschinen,
Schienenfahrzeuge: Triebwagen, Rangierloko-
motiven, Lokomotiven für Güter- und Personen-

-
2.2.9 Kühlung züge,
Wasserfahrzeuge: Boote, Binnenschiffe, Küsten-
Wegen der hohen auftretenden Temperaturen muss
der Verbrennungsmotor zum Schutz der Bauteile und
des Schmieröles gekühlt werden. Man unterscheidet -- und Hochseeschiffe,
Luftfahrzeuge: Flugzeuge, Luftschiffe,
Gewerbe- und Industrieanwendungen: Förder-
direkte und indirekte Motorkühlung.
Die direkte Kühlung erfolgt mit Luft (Luftkühlung)
mit oder ohne Unterstützung durch ein Gebläse.
Bei der indirekten Kühlung wird der Motor mit
- und Hebeanlagen,
Stationäre Motorenanlagen: Motorenkraftwerke,
Blockheizkraftwerke (BHKW), Elektroaggregate,
Notstromaggregate und Versorgungsanlagen.
einer Wasser-Frostschutz-Korrosionsschutzmischung
oder mit Öl gekühlt (Flüssigkeitskühlung). Die Wär-
meabfuhr an die Umgebung erfolgt durch Wärme-
übertrager. Dabei wird nach Verdampfungs-, Umlauf-,
16 Kapitel 2  •  Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

2.2.12 Drehzahl- [12] van Basshuysen, R. (Hrsg.): Ottomotor mit Direkteinsprit-


1 und Leistungsabstufung zung, 3. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2013)
[13] Deutsches Institut für Normung (Hrsg.): DIN 6262: Verbren-
nungsmotoren – Arten der Aufladung – Begriffe. Beuth,
2 Verbrennungsmotoren werden in einem sehr brei-
ten Drehzahl- und Leistungsspektrum verwendet.
Berlin (1976)
[14] Zima, S.: Kurbeltriebe, 2. Aufl. Vieweg, Wiesbaden (1999)
Ihr Leistungsbereich reicht von Modellmotoren mit [15] Pischinger, S., Seiffert, U. (Hrsg.): Vieweg Handbuch Kraft-
3 0,1 kW bis zu Großanlagen mit 100.000 kW. Mit dem fahrzeugtechnik, 8.  Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden
Drehzahlbereich sind auch Leistung und Größe eines (2016)
Motors festgelegt.

-
[16] Köhler, E., Flierl, R.: Verbrennungsmotoren, 6. Aufl. Springer
4 Nach der Drehzahl unterscheidet man [1]: Vieweg, Wiesbaden (2011)
langsamlaufende Motoren zum Beispiel in Schif-

-
Weiterführende Literatur
5 fen (60 bis 200 l/min bei Dieselmotoren),
[17] Rohs, U.: Kolbenmotor mit kontinuierlicher Verbrennung.
mittelschnelllaufende Motoren (200 bis 1200 l/
Offenlegungsschrift DE 199 09 689 A 1, veröffentlicht:
min bei Dieselmotoren, Höchstdrehzahl < 4000 l/

-
6 min bei Ottomotoren),
07.09. 2000
[18] Werdich, M., Kübler, K.: Stirling-Maschinen: Grundlagen –
schnelllaufende Motoren, zum Beispiel für Pkw Technik – Anwendung Bd. 11. Ökobuch, Staufen (2007)

7 (Höchstdrehzahl > 1000 l/min bei Dieselmoto-


ren, Höchstdrehzahl > 4000 l/min bei Ottomoto-
[19] Buschmann, G., et al.: Zero Emission Engine – Der Dampf-
motor mit isothermer Expansion. Motortech. Z. 61(5),
ren). 314–323 (2000)
8
Bei Motoren für Sport- und Rennfahrzeuge werden
maximale Drehzahlen von etwa 20.000 l/min erreicht.
9
10 Literatur

11 Verwendete Literatur
[1] Grote, K.-H., Feldhusen, J. (Hrsg.): Dubbel – Taschenbuch für
den Maschinenbau, 24. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg,
12 New York (2014)
[2] Kleinert, H.-J. (Hrsg.): Kolbenmaschinen, Strömungsma-
schinen, 1. Aufl. Taschenbuch Maschinenbau, Bd. 5. Verlag
13 Technik, Berlin (1989)
[3] Eifler, W., Schlücker, E., Spicher, U., Will, G.: Küttner Kolben-
maschinen, 7. Aufl. Vieweg+Teubner, Wiesbaden (2009)
14 [4] Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechnisches
Taschenbuch, 28. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2014)

15 [5] Merker, G.: In: Teichmann, R. (Hrsg.) Grundlagen Verbren-


nungsmotoren, 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2014)
[6] Bensinger, W.-D.: Rotationskolben-Verbrennungsmotoren.

16 Springer, Berlin, Heidelberg (1973)


[7] Deutsches Institut für Normung (Hrsg.): DIN 1940: Verbren-
nungsmotoren – Hubkolbenmotoren – Begriffe, Formelzei-
17 chen, Einheiten. Beuth, Berlin (1976)
[8] van Basshuysen, R., Schäfer, F. (Hrsg.): Lexikon Motoren-
technik, 2. Aufl. Vieweg, Wiesbaden (2006)
18 [9] Beier, R., et al.: Verdrängermaschinen, Teil II: Hubkolbenmo-
toren. TÜV Rheinland, Köln (1983)
[10] Eichlseder, H., et al.: Grundlagen der Technologie des Otto-
19 motors. Der Fahrzeugantrieb, Bd. XIV. Springer, Wien, New
York (2008)
[11] Tschöke, H., Mollenhauer, K., Maier, R. (Hrsg.): Handbuch
20 Dieselmotoren, 4. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg, New
York (2017)
17 3

Kenngrößen
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher

3.1 Hubvolumen – 18
3.2 Verdichtungsverhältnis – 19
3.3 Drehzahl und Kolbengeschwindigkeit  –  21
3.4 Drehmoment und Leistung  –  21
3.5 Kraftstoffverbrauch – 23
3.6 Gasarbeit und Mitteldruck  –  24
3.7 Wirkungsgrad – 27
3.8 Luftdurchsatz und Zylinderfüllung  –  27
3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis – 29
Literatur – 31

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_3
18 Kapitel 3 • Kenngrößen

Motorkenngrößen dienen dem Entwickler, dem Kon­ und Einführung des Schubstangenverhältnisses
1 strukteur sowie dem Benutzer von Verbrennungs-
motoren als wichtiges Hilfsmittel bei der Auslegung r
s = (3.6)
2 der Grundabmessungen, bei der Leistungs- und Ver-
brauchsbetrachtung und bei der Beurteilung und dem
l

Vergleich verschiedener Motoren. Man unterscheidet erhält man für den Kolbenweg die Beziehung:
3 zwischen den konstruktiven Motorkenngrößen wie
Hub, Bohrung, Hubvolumen, Verdichtungsverhältnis 
l l
und den Betriebskenngrößen wie Leistung, Drehmo-
4
s’ = r  1 + − cos ˛ −
r r
ment, Drehzahl, Mitteldruck, Liefergrad und Kraft- q  (3.7)
stoffverbrauch.  1 − .r= l/2  sin2 ˛
5 

1
3.1 Hubvolumen s’ = r  .1 − cos ˛/ +
6  q
s
 (3.8)
Das Hubvolumen Vh für einen Motorzylinder ist der  1 − 1 − 2s  sin2 ˛

7 Raum, den der Kolben bei einem Kolbenhub vom un-
teren Totpunkt bis zum oberen Totpunkt durchläuft.
beziehungsweise
8 VH = Vh  z =
  dK2
sz (3.1)
4 s’ = r  f .˛/ (3.9)

9 mit mit f(α) = Hubfunktion.


s = Kolbenhub
10 dK = Kolben- beziehungsweise Zylinderdurchmesser
Vh = Hubvolumen für einen Zylinder
Das Schubstangenverhältnis λs liegt bei Pkw-Motoren
üblicherweise im Bereich von 0,2 bis 0,35. Mit der For-
VH = Gesamthubvolumen des Motors mel für den Kolbenweg lässt sich schwierig rechnen,
11 z = Zylinderzahl vor allem dann, wenn Kolbengeschwindigkeit bezie-
hungsweise Kolbenbeschleunigung zu ermitteln sind.
zz Herleitung des Kolbenhubs und des Meistens kann vereinfachend eine Näherungsformel
12 Hubvolumens über Kurbelstellung, benutzt werden, in der der Wurzelausdruck nach einer
siehe . Abb. 3.1 Potenzreihe (MacLaurin-Reihe) entwickelt wird:
13 s’ = r + l − x = r + l − r  cos ˛ − l  cos ˇ (3.2)
q
1
1 − 2s  sin2 ˛ = 1 −  2s  sin2 ˛
2
14 mit: 1 4 4
−  s  sin ˛ −
1
 6  sin6 ˛ − : : :
(3.10)
r = Kurbelradius 8 16 s
15 l = Pleuellänge
Wegen der Werte von λs ≈ 0,2 bis 0,35 ist bereits das
Zwischen dem Kurbelwinkel  α und dem Pleuel- 3. Glied gegenüber dem 1. Glied (1) sehr klein, so dass
16 schwenkwinkel β (Pleuelwinkel) besteht der Zusam-
menhang: 1
q
1 − 2s  sin2 ˛  1 −  2s  sin2 ˛ (3.11)

17 l  sin ˇ = r  sin ˛ (3.3)
2

gesetzt werden kann.


18 Mit der trigonometrischen Beziehung:
r 
ˇ = arcsin  sin ˛
l (3.4)
1
19 Mit Berücksichtigung von
sin2 ˛ =
2
 .1 − cos 2˛/

(3.12)

20 ergibt sich dann für den Kolbenweg sα:


q q
cos ˇ = 1 − sin2 ˇ = 1 − .r= l/2  sin2 ˛ (3.5)
3.2 • Verdichtungsverhältnis
19 3

1
s’  r  .1 − cos ˛/ +
s

1
 (3.13)
 1 − 1 +  2s  sin2 ˛
2


1
 (3.14)
s’  r  .1 − cos ˛/ +  s  .1 − cos 2˛/
4

Für das vom Kurbelwinkel abhängige Brennraumvo-


lumen Vα folgt:

V’ = Vc + AK  s’ (3.15)

mit
VC = Kompressionsvolumen (siehe ▶ Gl. 3.2)
AK = Kolbenfläche

Damit ergibt sich:


..Abb. 3.1 Hubvolumen und Verdichtungsverhältnis
V’  Vc + AK  r
(3.16)
 
1 Das Verdichtungsverhältnis beim Ottomotor wird
 1 − cos ˛ +  s  .1 − cos 2˛/
4 nach oben begrenzt durch Klopfen sowie durch Glüh-
zünden.
Beim Ottomotor mit Direkteinspritzung ist eine
3.2 Verdichtungsverhältnis Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses (innere Ge-
mischbildung) auf Grund der verbesserten Innenküh-
Das Verdichtungsverhältnis ist definiert als der Quo- lung durch die innere Gemischaufbereitung möglich.
tient aus maximalem und minimalem Zylindervolu- Hieraus ergibt sich ein Wirkungsgradvorteil gegenüber
men: Das maximale Zylindervolumen liegt vor, wenn dem Ottomotor mit Saugrohreinspritzung (äußere Ge-
sich der Kolben im unteren Totpunkt (UT) befindet. mischbildung).
Bei Kolbenstellung im oberen Totpunkt (OT) ist das Beim Dieselmotor muss das Verdichtungsver-
Volumen minimal und wird als Kompressions- oder hältnis mindestens so groß gewählt werden, dass bei
Totvolumen bezeichnet. Kälte ein sicherer Motorstart ermöglicht wird. Gene-
Das Kompressionsvolumen setzt sich zusammen rell steigt der thermodynamische Wirkungsgrad mit
aus dem Brennraumvolumen des Zylinderkopfes, den steigendem Verdichtungsverhältnis. Ein zu hohes Ver-
Ventiltaschen im Kolben, einer Kolbenmulde sowie dichtungsverhältnis ergibt jedoch Einbußen im effek-
dem Feuerstegvolumen bis zum oberen Verdichtungs- tiven Wirkungsgrad bei Volllast, bedingt durch stark
ring. Kompressions- und Hubvolumen lassen sich ansteigende Reibungskräfte. Im Teillastbetrieb wirkt
durch Auslitern bestimmen. sich ein hohes Verdichtungsverhältnis positiv auf den
. Abb. 3.1 stellt Hub- und Kompressionsvolumen Wirkungsgrad aus. Unabhängig davon begrenzt der
schematisch dar. aus Festigkeitsgründen limitierte Spitzendruck sowie
Für das Verdichtungsverhältnis eines 4-Takt-Mo- der Druckanstieg durch die Verbrennung das praktisch
tors ergibt sich somit: realisierbare Verdichtungsverhältnis.
. Abb. 3.2 zeigt den Einfluss des Verdichtungs-
Vmax Vh + Vc verhältnisses auf den effektiven Wirkungsgrad und
"= =
Vc (3.17)
Vmin den effektiven Mitteldruck bei einem Ottomotor im
Volllastbetrieb. Der Zündzeitpunkt wurde auf maxi-
VC = Vmin = Kompressions- oder Totvolumen males Drehmoment eingestellt. Deutlich erkennbar
ist ein Anstieg des Wirkungsgrades bis zu einem Ver-
dichtungsverhältnis von circa 17:1. Danach fällt der
20 Kapitel 3 • Kenngrößen

1
2
3 s
s

4 A

E
5
6 ..Abb. 3.2  Einfluss Verdichtungsverhältnis auf effek-
tiven Mitteldruck und effektiven Wirkungsgrad bei ..Abb. 3.3  Geometrisches und effektives
Volllast eines Ottomotors [1] Verdichtungs­verhältnis beim 2-Takt-Motor
7 Wirkungsgrad ab, im vorliegenden Fall bedingt durch der schnelleren Verbrennung. Hierdurch können HC-
zunehmende Reibungskräfte sowie durch eine un- und NOX-Emissionen wieder abgesenkt werden.
8 günstigere Brennraumform auf Grund zunehmender Bei 2-Takt-Motoren mit Schlitzsteuerung unterschei-
Quetschflächenanteile. det man zwischen dem geometrischen Verdichtungsver-
Mit steigender Verdichtung nehmen weiterhin die hältnis ε und dem effektiven Verdichtungsverhältnis ε'.
9 NOX- und HC-Emissionen zunächst zu. Die Stickoxide . Abb. 3.3 veranschaulicht den Unterschied. Die effektive
steigen durch die erhöhten Verbrennungstemperaturen Verdichtung beginnt erst, nachdem der Kolben die Ein-
10 im Brennraum, die HC-Emissionen durch die stärkere
Zerklüftung des Brennraums (relativ größerer Anteil
lass- und Auslassschlitze verschlossen hat. Das effektive
Verdichtungsverhältnis berechnet sich aus
an Spalten) sowie der Zunahme des Verhältnisses von
11 Brennraumoberfläche zu Brennraumvolumen (Ober- "0 =
V 0 h + Vc
(3.18)
flächen-Volumen-Verhältnis). Um dies zu vermeiden, Vc
müssen Brennräume möglichst kompakt ausgeführt
12 werden. Mit steigender Verdichtung sinkt zudem wegen mit
des besseren Wirkungsgrades die Abgastemperatur, so
13 dass Nachreaktionen von unverbrannten Kohlenwas-
V 0h =
  dK2 0
s (3.19)
serstoffen und von Kohlenmonoxid im Auslasstrakt 4
behindert werden. Eine Verdichtungserhöhung bewirkt
14 aber gleichzeitig eine bessere Abmagerungsfähigkeit V 0 h = Restvolumen oberhalb der Schlitze
und erlaubt einen späteren Zündzeitpunkt auf Grund s' = Resthub oberhalb der Schlitze
15
Motortyp ε Obere Begrenzung durch
16 von b is
Z w e ita k t-O tto m o to r 7 ,5 10 G lü h z ü n d e n
17 Ottomotor-SE 9 11 Klopfen, Glühzünden

18 Ottomotor-SE Turbo 8 10 Klopfen, Glühzünden


Otto-DE 11 14 Klopfen, Glühzünden

19 Otto-DE Turbo 9 12 Klopfen, Glühzünden


Diesel (Kammermotor) 18 24 Wirkungsgradeinbuße Volllast, Bauteilbelastung, Geräusch

20 Diesel
sel ((Direkteinspritzung) 16 21 Wirkungsgradeinbuße Volllast, Bauteilbelastung, Geräusch

..Abb. 3.4  Verdichtungsverhältnisse heutiger Motoren


3.4  •  Drehmoment und Leistung
21 3

. Abb. 3.4 stellt die möglichen Bereiche des Verdich-


tungsverhältnisses für gängige Motoren dar.
Neue Entwicklungen zielen darauf ab, während
-- Reibleistung,
Geräusch.

des Motorlaufs das Verdichtungsverhältnis betriebs- ebenfalls an. Insbesondere die maximal zulässigen
punktabhängig zu variieren, zum Beispiel durch Massenkräfte begrenzen die Kolbengeschwindigkeit
Realisierung einer variablen Verdichtung. Beim Ot- und damit auch die maximale Drehzahl. Bei Motoren
tomotor wird im Teillastbetrieb das Verdichtungs- mit innerer Gemischbildung, also Dieselmotoren und
verhältnis wirkungsgradoptimal gewählt, während Ottomotoren mit Direkteinspritzung, ist die Drehzahl
im Volllastbetrieb das Verdichtungsverhältnis abge- außerdem durch die zur Gemischbildung erforderliche
senkt wird, um Klopfen zu verhindern. Beim Die- Zeit begrenzt. Bei Dieselmotoren ist dies ein Grund für
selmotor ist die Verdichtung durch den maximalen die im Verhältnis zu einem Ottomotor vergleichbarer
Zylinderdruck auf Grund der Bauteilbelastung be- Größenordnung deutlich niedrigere Höchstdrehzahl.
grenzt. Bei Dieselmotoren kann das geometrische
Verdichtungsverhältnis in der Volllast optimal zwi- zz Mittlere Kolbengeschwindigkeit
schen gutem Wirkungsgrad und maximaler Bauteil-
belastung gewählt werden. Zum sicheren Kaltstart cm = 2  s  n (3.25)
wird das Verdichtungsverhältnis möglichst hoch
eingestellt. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist ein Maß zum
Vergleich der Triebwerke verschiedener Motoren un-
tereinander. Sie gibt eine Information über die Belas-
3.3 Drehzahl tung der Gleitpartner und Anhaltspunkte für die Leis-
und Kolbengeschwindigkeit tungsdichte des Motors.
In . Abb. 3.5 sind Drehzahlen und Kolbenge-
zz Drehzahl schwindigkeiten heutiger Motoren zur Orientierung
aufgelistet.
Anzahl Umdrehungen Kurbelwelle
n= (3.20)
Zeit zz Maximale Kolbengeschwindigkeit
Zur Bewertung und Auslegung der Kolbenringe und
zz Winkelgeschwindigkeit des Gleitsystems Kolben-Zylinderlaufbahn ist nicht
die mittlere, sondern die maximale Kolbengeschwin-
! = 2    n (3.21) digkeit maßgebend. Unter Annahme eines unendlich
langen Pleuels (λs = 0) vereinfacht sich die maximale
zz Kolbengeschwindigkeit Kolbengeschwindigkeit zu:
Die Kolbengeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Kur-
belwinkel ergibt sich durch die zeitliche Ableitung aus cmax = !r (3.26)
der Bewegungsgleichung des Kurbeltriebes zusammen
mit der Winkelgeschwindigkeit. Für die Berücksichtigung des endlich langen Pleuels
muss das Maximum der Gl. 3.24 bestimmt werden. Eine
ds’ ds’ d˛ Korrektur nach . Abb. 3.6 zeigt den Einfluss anschau-
sP’ = = (3.22)
d˛ dt

dt lich

d˛ cmax = !rkœs (3.27)


=! =2 n (3.23)
dt

folgt: 3.4 Drehmoment und Leistung


 
ds’ 1 Die Leistung an einem Betriebspunkt des Motors er-
sP’ = !   !  r  sin ˛ +  s  sin 2˛ (3.24)
d˛ 2 rechnet sich aus Drehmoment und Winkelgeschwin-
digkeit beziehungsweise Motordrehzahl:

-- Mit ansteigender Kolbengeschwindigkeit steigen:


Massenkräfte, Pe = Md  ! = Md  2    n (3.28)

- Verschleiß,
Strömungswiderstände beim Ansaugen,
22 Kapitel 3 • Kenngrößen

1 Motortyp Maximale Drehzahl


[1/min]
Mittlere Kolbengeschwindigkeit
[m/s]
circa circa
2 R e n n m o to re n (F o rm e l 1 ) 1 8 .0 0 0 25
K le in m o to r e n ( 2 -T a k t) 2 0 .0 0 0 19
3 M o to rra d m o to re n 1 3 .5 0 0 19
P k w -O tto m o to r e n 7 .5 0 0 20
4 P k w -D ie s e lm o to r e n 5 .0 0 0 15

5 L k w -D ie s e lm o to r e n 2 .8 0 0 14
G rö ß e re D ie s e ls c h n e lllä u fe r 2 .2 0 0 12

6 M itte ls c h n e lllä u f e r (D ie s e l) 1 .2 0 0 10
K re u z k o p fm o to re n (2 -T a k t-D ie s e l) 150 8
7 ..Abb. 3.5  Maximale Drehzahl und mittlere Kolbengeschwindigkeit bei Nenndrehzahl heutiger Motoren

8 1,08 600 180

560 160

9
Drehmoment [Nm]

1,06 520 140

Leistung [kW]
480 120
Faktor ks

10 1,04 440 100

400 80

11 1,02 360 60

320 40
0 1000 2000 3000 4000 5000
12
1,00
0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 Motordrehzahl [1/min]
Schubstangenverhältnis s
Leistung Drehmoment
13 ..Abb. 3.6  Korrektur der maximalen Kolbenge-
..Abb. 3.7  Leistungs- und Drehmomentverlauf eines
schwindigkeit durch das reale λs
Dieselmotors mit Aufladung [2]
14
Motortyp Literleistung Leistungsgewicht
15 [kW/l]
bis
[kg/kW]
bis

16 R e n n m o to r ( F o rm e l 1 ) 200 0 ,4
P k w -O tto m o to r 70 2 ,0

17 P k w -O tto m o to r m it A u f la d u n g 100 3 ,0
P k w -D ie s e lm o to r ( S a u g m o to r ) 45 5 ,0

18 P k w -D ie s e lm o to r ( A u f g e la d e n ) 70 4 ,0
N u tz fa h rz e u g d ie se lm o to r 30 3 ,0

19 G rö ß e re D ie s e ls c h n e lllä u fe r 50 1 1 ,0
M itte ls c h n e llla u f e n d e r D ie s e lm o to r 25 1 9 ,0

20 Langsamlaufender Großdieselmotor (2-Takt) 3,0 55,0

..Abb. 3.8  Erfahrungswerte für Literleistung und Leistungsgewicht


3.5 • Kraftstoffverbrauch
23 3

Eine Leistungssteigerung kann nach dieser Gleichung η e [-]

durch Steigerung der Drehzahl oder des Drehmo- 0,45

mentes realisiert werden. Beiden sind Grenzen gesetzt


(siehe ▶ Abschn. 3.3). 0,4 Euro-Super
Diesel
Beispielhaft zeigt . Abb. 3.7 Motorkennlinien ei-
0,35
nes Dieselmotors. Eingezeichnet sind das maximale
Drehmoment und die maximale Leistung über der
0,3
Drehzahl. Das Leistungsmaximum liegt nicht unbe-
dingt bei Höchstdrehzahl. Nicht nur die Spitzenwerte
0,25
von Leistung und Drehmoment, sondern ihr Verlauf
über der Drehzahl ist maßgebend für die Beurteilung 0,2
des Zusammenspiels Motor-Fahrzeug beziehungsweise
Motor-Arbeitsmaschine (siehe auch ▶ Abschn. 3.6: 0,15
Gasarbeit und Mitteldruck). 200 225 250 275 300 325 350 375 400 425 450 475 500
Bezieht man die effektive Leistung Pe auf das Hub- be [g/kWh]
volumen VH, so spricht man von Literleistung Pl. 150 200 250 300 350
be [g/PSh]
Pe
Pl =
VH (3.29) ..Abb. 3.9  Wirkungsgrad über Kraftstoffverbrauch
(HU, Euro-Super = 42,0 MJ/kg; HU, Diesel = 42,8 MJ/kg)
Wird die Motormasse mM auf die Leistung bezogen,
ergibt sich das Leistungsgewicht mG: Innerer spezifischer Kraftstoffverbrauch:

mM m
PK 1
mG = (3.30) bi = = (3.33)
Pe Pi  i  Hu

Erfahrungswerte hierzu zeigt . Abb. 3.8. mit


ηi = indizierter Wirkungsgrad oder Innenwirkungs-
grad
3.5 Kraftstoffverbrauch
Effektiver spezifischer Kraftstoffverbrauch:
Die mit dem Kraftstoff zugeführte Energie ergibt sich zu:
m
PK 1
be = = (3.34)
EK = mK  Hu (3.31) Pe  e  Hu

mit mit
mK = zugeführte Kraftstoffmasse ηe = effektiver Wirkungsgrad
Hu = unterer Heizwert des Kraftstoffs
Die Gleichung
Der Kraftstoffverbrauch wird als Volumenstrom oder
als Massenstrom gemessen 1
be =
 e  Hu (3.35)
mK
m
PK =
t
= K  VPK
(3.32) verdeutlicht den Zusammenhang zwischen effektivem
Wirkungsgrad und effektivem spezifischen Kraftstoff-
mit verbrauch, dargestellt in . Abb. 3.9.
ρK = Dichte des Kraftstoffs Die . Abb. 3.10, 3.11 und 3.12 zeigen beispielhaft
Leistungs- und Kraftstoffverbrauchskennfelder eines
Auch der Kraftstoffverbrauch kann zur besseren Ver- Pkw-Ottomotors, eines Pkw-Dieselmotors und eines
gleichbarkeit auf die innere Leistung oder auf die effek- Nfz-Dieselmotors. Die Isolinien (Muschelkurven)
tive Leistung bezogen werden. kennzeichnen Betriebspunkte gleichen Kraftstoffver-
brauchs. Zur Beurteilung des Kraftstoffverbrauchs
eines Motors ist nicht nur der Bestpunkt, sondern
24 Kapitel 3 • Kenngrößen

18 180
Der innere Mitteldruck wird aus dem Zylin-
1 16 160 derdruckverlauf und dem Hubvolumen bestimmt
14 140 (. Abb. 3.14). Aus dem p-V-Diagramm kann der indi-
2 12 120
zierte Mitteldruck durch planimetrieren (Ausmessen
Mitteldruck [bar]

255 des Flächeninhalts) bestimmt werden. Wird die von

L e is tu n g [k W ]
10
270
100 der Kurve eingeschlossene Fläche im Uhrzeigersinn
3 8
260
290
80 umfahren, so ergibt sich ein positiver, wird sie gegen
6 60 den Uhrzeigersinn durchfahren, ein negativer innerer
310 330
Mitteldruck. Man kann daher zwischen einem inneren
4 4 360
400
40
Mitteldruck des Hochdruckteils und einem inneren
2
525 g/kWh
20 Mitteldruck der Gaswechselschleife unterscheiden.
5 0 0 Die Summe dieser beiden Anteile ergibt den inneren
1000 2000 3000 4000 5000 6000 Mitteldruck des Motors pmi (. Abb. 3.15). Der innere
Drehzahl [1/min]
Mitteldruck der Gaswechselschleife pmiGW setzt sich
6 ..Abb. 3.10  Leistungs- und Verbrauchskennfeld, zusammen aus Ansaug- und Ausschiebearbeit und
Pkw-Ottomotor [3] kann daher als ein Maß für die Qualität des Gaswech-
7 der Verbrauch an allen genutzten Betriebspunkten zu
sels [6] angesehen werden. Bei Saugmotoren ist das
pmiGW in der Regel negativ, also eine Verlustarbeit.
berücksichtigen. Bei aufgeladenen Motoren ist dieser Anteil meistens
8 . Abb. 3.13 zeigt Erfahrungswerte für den spezifi- positiv.
schen Kraftstoffverbrauch. Der innere Mitteldruck, . Abb. 3.15, lässt sich aus
der während eines Arbeitsspiels am Kolben übertrage-
9 nen Arbeit der Gaskraft herleiten zu
3.6 Gasarbeit und Mitteldruck
10 Die Gasarbeit ist die durch den Zylinderdruck am Kol-
dWKA = p  AK  ds’ (3.36)

ben verrichtete Arbeit. Beim Mitteldruck unterscheidet mit


11 man zwischen innerem und effektivem Mitteldruck so- p = Verbrennungsdruck beziehungsweise Zylin-
wie dem Reibmitteldruck. derdruck
AK = Kolben- beziehungsweise Zylinderfläche
12 zz Innerer Mitteldruck sα = Kolbenweg = f (Kurbelwinkel α)
Der innere oder indizierte Mitteldruck pmi ist äquivalent WKA = Gasarbeit am Kolben pro Arbeitsspiel
13 zu der auf den Kolben wirkenden spezifischen Arbeit.

14 500

450
205
210
15 400

350
220
16
Drehmoment [ Nm]

300
230 240 250
260
250
17 200
270

280

18
150
290 g/kWh
100

19 50

20 400 800 1200 1600 2000 2400 2800 3200 3600 4000 4400 4800 ..Abb. 3.11 Ver-
brauchskennfeld, Pkw-
Drehzahl [1/min] Dieselmotor V8-TDI [4]
3.6  •  Gasarbeit und Mitteldruck
25 3

Mit der Volumenänderung in Abhängigkeit vom Kol- 20


Leistungsliniendistanz: 20 kW
benweg Verbrauchsliniendistanz: 5 g/kWh

18
AK  ds’ = dV’ (3.37)
194 g/kWh
dVα = Volumenänderung = f (Kurbelwinkel α) 16

195
und Integration über das gesamte Arbeitsspiel ergibt sich
14
I 200
WKA = p  dV’ (3.38)

M itte ld r u c k [b a r ]
12

Die innere Leistung PiZ eines Zylinders ergibt sich so- 205
10
mit zu
100
PiZ = nA  WKA (3.39) 8

mit 75
nA = Arbeitsspiele pro Zeit = i  n 6
n = Motorumdrehungen pro Zeit
i = Arbeitsspiele pro Umdrehung
4
Für 4-Takt-Motor gilt:  i = 0,5
Für 2-Takt-Motor gilt:  i = 1 29
50 kW
2
Damit gilt für die Zylinderleistung 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000
Drehzahl in [1/min]
PiZ = i  n  WKA (3.40)
..Abb. 3.12 Leistungs- und Verbrauchskennfeld, Nfz-
Motor mit VH = 12 l. [5]
Die auf das Hubvolumen Vh bezogene Gasarbeit WKA
je Arbeitsspiel wird als innerer Mitteldruck pmi be-
zeichnet beziehungsweise

WKA pmi  Vh = WKA (3.42)


pmi =
Vh (3.41)

Motortyp Spezifischer Kraftstoffverbrauch Wirkungsgrad


[g/kWh] [%]
minimal maximal
K le in m o to r e n ( 2 -T a k t) 350 24
M o to rra d m o to re n 270 31
P k w -O tto m o to r e n 235 36
P k w -D ie s e lm o to r e n I D E 240 35
P k w -D ie s e lm o to r e n D E m it A u f la d u n g 195 43
L k w -D ie s e lm o to r e n m it A u f la d u n g 185 45
G rö ß e re D ie s e ls c h n e lllä u fe r 190 44
M itte ls c h n e lllä u f e r 185 45
K re u z k o p fm o to re n (2 -T a k t-D ie s e l) 156 54

..Abb. 3.13  Erfahrungswerte für Kraftstoffverbrauch und Wirkungsgrad im Bestpunkt


26 Kapitel 3 • Kenngrößen

14 wobei:
1 12 COV = Varianz (Coefficient of Variation)
pmi = Standardabweichung des inneren Mitteldrucks
10
2 8
p mi = Mittelwert des inneren Mitteldrucks
p [bar]

6 Analog zum inneren Mitteldruck pmi definiert man


3 4
den effektiven Mitteldruck pme und den Reibmittel-
druck pmr:

4
2
p Umgebung
0 zz Effektiver Mitteldruck
0 100 200 300 400 500 Der effektive Mitteldruck lässt sich aus dem Drehmo-
5 V [cm 3] ment Md bestimmen
..Abb. 3.14  Zylinderdruck über Hubvolumen, Md  2
(n = 2000 1/min, pmi = 2 bar, Vh = 500 cm3)
6 pme =
VH  i (3.47)
Somit kann man die innere Zylinderleistung durch
7 PiZ = i  n  pmi  Vh (3.43)
Md = Drehmoment des Motors
i = Arbeitsspiele pro Umdrehung (0,5 für 4-Takt,
1 für 2-Takt)
8 ausdrücken. Diese Gleichung gilt für einen Zylinder. VH = Gesamthubvolumen des Motors
Ein Motor mit mehreren Zylindern (z = Zylinderzahl)
hat die innere Leistung . Abb. 3.16 stellt Beispiele für den effektiven Mittel-
9 druck heutiger Motoren dar.
Pi = i  n  pmi  Vh  z = i  n  pmi  VH (3.44)
10 Zur Beurteilung der Regelmäßigkeit der Verbrennung
zz Reibmitteldruck
Der Reibmitteldruck ist die Differenz aus innerem Mit-
wird der indizierte Mitteldruck vieler aufeinander fol- teldruck und effektivem Mitteldruck
11 gender Zyklen herangezogen, zum Beispiel durch Bil-
dung der Varianz. Auf diese Weise lassen sich unregel- pmr = pmi − pme (3.48)
mäßige Verbrennungen und Zündaussetzer ermitteln.
12 Dies sind Kriterien für Kohlenwasserstoffemissionen, Der Reibmitteldruck nach SAE ist die Verlustleistung
Leistung und Rundlauf des Motors. Bei gut ausgelegten aus mechanischer Reibung des Triebwerks und Pump-
13 Motoren ist die Varianz des indizierten Mitteldrucks verlusten im Kurbelgehäuse. Die Reibung des Motors
kleiner als 1 %, wobei die Varianz mit steigender Dreh- ist primär von der Motordrehzahl und somit der Kol-
zahl zunimmt. bengeschwindigkeit abhängig, wobei mit steigender
14 Die Varianz wird folgendermaßen berechnet Motordrehzahl die Reibung zunimmt. Einen geringe-
ren Einfluss auf die Reibung haben der Zylinderdruck,
15
pmi das heißt die Motorlast sowie die Motortemperatur
COV = (3.45)
p mi und die Ölviskosität. Zu den Reibverlusten nach DIN
zählen zusätzlich zu den Verlusten nach SAE-Defini-
16 v tion auch die Antriebsleistungen für Nebenaggregate
n  2 des Motors wie Generator, Klimakompressor oder
u
u 1 X
Servopumpe.
17
p mi =t pmi i − p
n−1 mi (3.46)
i =1

18
19 p mi
– =
20 Vh

..Abb. 3.15  Bestimmung des inneren Mitteldrucks aus den Flächen über dem Hubvolumen
3.8  •  Luftdurchsatz und Zylinderfüllung
27 3

Motortyp Effektiver Mitteldruck [bar]


bis
M o to rra d m o to r 12
R e n n m o to re n (F o rm e l 1 ) 16
P k w -O ttm o to r e n ( o h n e A u f la d u n g ) 13
P k w -O tto m o to r e n ( m it A u f la d u n g ) 22
P k w -D ie s e lm o to r e n ( m it A u f la d u n g ) 20
L k w -D ie s e lm o to r e n ( m it A u f la d u n g ) 24
G rö ß e re D ie s e ls c h n e lllä u fe r 28
D ie s e l-M itte ls c h n e lllä u fe r 25
K re u z k o p fm o to re n (2 -T a k t-D ie s e l) 15

..Abb. 3.16  Effektiver Mitteldruck heutiger Motoren

3.7 Wirkungsgrad Das Verhältnis von effektivem Wirkungsgrad zu in-


nerem Wirkungsgrad, wird durch den mechanischen
Beim Verbrennungsmotor unterscheidet man zwi- Wirkungsgrad beschrieben
schen innerem, effektivem und mechanischem Wir-
kungsgrad. Die Bestimmung von innerem und effekti- zz mechanischer Wirkungsgrad
vem Wirkungsgrad geht zunächst von der im Kraftstoff
gespeicherten Energie aus. e Pe
m = =
Pi (3.53)
Die mit dem Kraftstoff zugeführte Energie pro Zeit i
ergibt sich zu
. Abb. 3.17 zeigt die Aufteilung der eingebrachten
EK Kraftstoffenergie auf thermische Verluste sowie Nutz-
=m
P K  Hu (3.49)
t und Reibleistung. Dargestellt ist weiterhin die Auf-
teilung der Reibleistung oder Schleppleistung in die
mit jeweiligen Anteile.
P K = zugeführte Kraftstoffmasse pro Zeit
m
Hu = unterer Heizwert des Kraftstoffes
3.8 Luftdurchsatz
Betrachtet man die Motorleistung  P als Nutzen des und Zylinderfüllung
Motorprozesses und die zugeführte Kraftstoffenergie
pro Zeit als Aufwand, so lässt sich der Wirkungsgrad η Die Leistung eines Motors ist von der Zylinderfüllung
formulieren abhängig. Zur Beurteilung und Kennzeichnung der
Füllung dienen der Luftaufwand λa und der Liefer-
grad λl.
Nutzen P P
= = E = (3.50)
Aufwand K m
P K  Hu
t zz Luftaufwand
Der Luftaufwand ist ein Maß für die dem Motor zuge-
zz innerer Wirkungsgrad führte Frischladung. Vorausgesetzt wird, dass die La-
dung gasförmig vorliegt. Für den Luftaufwand ergibt
Pi sich somit die Beziehung
i =
P K  Hu
m (3.51)
mG mG mG ges
a = = bzw. a =
VH  th (3.54)
zz effektiver Wirkungsgrad mth Vh  th

Pe mG = gesamte einem Zylinder zugeführte Frischla-


e =
P K  Hu (3.52)
m dungsmasse je Arbeitsspiel
28 Kapitel 3 • Kenngrößen

100% Kraftstoffenergie 100% Schleppleistung ..Abb. 3.17 Aufteilung


1 Nutzleistung
des Wirkungsgrades bei
28,5% Kurbelwelle einem 4-Takt-Ottomotor
11,0% Kolbenringe [7]
2 9,0%

Kolben
3 7,5%

9,8%
4 Pleuel
7,0%

5
Gaswechsel u. Hilfsaggregate
6 Thermische Verluste
65,5%
61,7%

7 mG ges = 
gesamte dem Motor zugeführte Frischla- Setzt man die Dichte des angesaugten Gemisches be-
dungsmasse je Arbeitsspiel ziehungsweise der angesaugten Luft gleich der theore-
8 mth = theoretische Ladungsmasse je Arbeitsspiel tischen Ladungsdichte ρth, lässt sich der Luftaufwand
(Zylinder beziehungsweise gesamter Motor) auch durch volumetrische Größen ermitteln
ρth = theoretische Ladungsdichte
9 mG = VG  G bzw. mG ges = VG ges  G (3.58)
Die gesamte zugeführte Frischladung besteht beim
10 Ottomotor aus mit
VG = volumetrischer Ladungseinsatz je Arbeitsspiel
mG = mK + mL bzw. mG ges = mK ges + mL ges eines Zylinders
11  (3.55) VG ges = volumetrischer Ladungseinsatz je Arbeitsspiel
des Motors
und beim Dieselmotor aus
12 Ottomotor:
mG = mL bzw. mG ges = mL ges (3.56)
13 a =
VG
bzw. a =
VG ges
VH (3.59)
Die theoretische Frischladungsmasse wird ermittelt Vh
aus dem geometrischen Hubvolumen und dem Umge-
14 bungszustand der Ladung. Bei aufgeladenen Motoren Dieselmotor:
wird an Stelle des Umgebungszustandes der thermody-
15 namische Zustand vor den Einlassorganen angesetzt. VL VL ges
a = bzw. a =
VH (3.60)
Die Ladung besteht bei Motoren mit innerer Gemisch- Vh
bildung aus Luft, bei Motoren mit äußerer Gemischbil-
16 dung aus Luft und Kraftstoff. Um den Luftaufwand am Motor experimentell zu be-
Mit der Gasgleichung ergibt sich stimmen, wird das angesaugte Luftvolumen oder die
Luftmasse gemessen. Zusätzlich müssen Druck und
17 pu  Vh = mth  R  Tu bzw.
(3.57) Temperatur der Luft sowie der Umgebungszustand
pu  VH = mth ges  R  Tu und beim Ottomotor der Kraftstoffverbrauch erfasst
18 werden.
mit
R = RG (Gaskonstante des Gemisches) beim Otto­ zz Liefergrad
19 motor Der Liefergrad ist ein Maß für die im Zylinder nach
R = RL (Gaskonstante von Luft) beim Dieselmotor Abschluss des Ladungswechsels verbleibende Frisch-
20 oder Otto-DI
Tu = Umgebungstemperatur
ladung. Diese wird wie beim Luftaufwand auf die the-
oretische Ladungsdichte bezogen.
pu = Umgebungsdruck
3.9 • Luft-Kraftstoff-Verhältnis
29 3
mZ mZ mZ ges eine Innenkühlung und eine bessere Ausspülung des
l = = bzw. l = (3.61)
mth Vh  th VH  th Brennraumes von Restgasen zu erreichen. Hier kann
λa ≫ λl werden.
Für die Zylinderfrischladung mZ beziehungsweise Bei schlitzgesteuerten 2-Takt-Motoren existiert
mZ ges gilt ein erheblicher Unterschied zwischen Luftaufwand
und Liefergrad bedingt durch die Überströmverluste.
beim Ottomotor: Der Quotient aus Liefergrad und Luftaufwand ergibt
den Fanggrad, welcher ein Maß für die im Zylinder
mZ = mZL + mZK bzw.
(3.62) verbleibende Frischladung ist.
mZ ges = mZL ges + mZK ges

beim Dieselmotor: 3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis

mZ = mZL bzw. mZ ges = mZL ges (3.63) Bei der motorischen Verbrennung wird das Verhältnis
aus der tatsächlich im Zylinder vorhandenen Luft-
Dabei bedeutet: masse mL zur stöchiometrischen Luftmasse mL, St als
mZL = Luftmasse in einem Zylinder Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ bezeichnet.
mZL ges = Luftmasse in allen Motorzylindern Der stöchiometrische Luftbedarf LSt ist definiert
mZK = Kraftstoffmasse in einem Zylinder als der Quotient aus der Luftmasse und der Kraftstoff-
mZK ges = Kraftstoffmasse in allen Zylindern masse bei stöchiometrischen Verhältnissen

Die im Zylinder beziehungsweise in allen Motorzylin- mL; St


LSt = (3.64)
dern verbleibende Ladungsmasse lässt sich nicht direkt mK
ermitteln beziehungsweise messtechnisch erfassen. Nä-
herungsweise wird folgende Vorgehensweise gewählt: mL mL
= = (3.65)
a) Zylinderdruckindizierung in einem oder allen Mo- mL; St mK  LSt
torzylindern.
b) Annahme, dass die Zylinderladungstemperatur mit
zum Zeitpunkt „Einlassventil schließt“ näherungs- mL;St = Luftmasse bei stöchiometrischen Verhältnissen
weise gleich der Temperatur im Einlasskanal vor mK = Kraftstoffmasse
dem Einlassventil ist (Messung dieser Temperatur
mit Thermoelement). Der stöchiometrische Luftbedarf kann aus den Mas-
c) Ansatz der Gasgleichung zum Zeitpunkt „Einlass- senanteilen der im Kraftstoff enthaltenen chemischen
ventil schließt“. Elemente ermittelt werden. Dabei sind die bei der Ver-
brennung entstehenden Verbrennungsprodukte (Ab-
pZEs  VEs = mZ  R  TZEs gase) zu berücksichtigen. Der Verbrennungsprozess
selbst läuft über eine große Anzahl von Zwischenre-
Für die Gaskonstante R wird wieder RG oder RL gesetzt. aktionen ab, an denen zahlreiche, vor allem aber auch
Bei 4-Takt-Ottomotoren ist der Kurbelwinkelbe- kurzlebige Verbindungen, sogenannte Radikale, be-
reich der Ventilüberschneidung (Zeitbereich, in dem teiligt sind. Die wichtigsten Verbrennungsprodukte
sowohl Einlassventil als auch Auslassventil beim La- bei vollständiger Verbrennung sind Kohlendioxid
dungswechsel gleichzeitig geöffnet sind) relativ klein. (CO2), Wasser (H2O) und Schwefeldioxid (SO2) so-
Für den Fall der kleinen Ventilüberschneidung kann in wie durch die Verbrennung praktisch unveränderter
guter Näherung λa ≈ λl gesetzt werden. Luftstickstoff (N2, Inertgas). Somit ergibt sich für die
Bei Motoren ohne Aufladung sind λa und λl im- vollständige Verbrennung eines Kraftstoffes mit der
mer kleiner als 1, da Strömungswiderstände beim An- Zusammensetzung CxHySqOz die chemische Reakti-
saugen und beim Ausschieben ein vollständiges Aus- onsgleichung
spülen des geometrischen Hubvolumens verhindern.
Motoren mit Aufladung zum Beispiel auch Motoren  y z
C x H y Sq O z + x + + q −  O2
mit Schwingsaugrohren haben Betriebszustände, bei 4 2
denen λa und λl größer als 1 sind. y (3.66)
) x  CO2 +  H2 O + q  SO2
Dieselmotoren, insbesondere solche mit Auf- 2
ladung, haben große Ventilüberschneidungen, um
30 Kapitel 3 • Kenngrößen

1 Einheit Wert
Mittlere Molmasse des Kraftstoffs G/mol 99,1

2
G ew -% 8 7 ,0 8 K o h le n s to ff

3 Zusammensetzung der Kraftstoffprobe: Gew-% 12,87 Wasserstoff


G ew -% 0 ,0 5 S a u e rs to ff

4
– 7 ,2 K o h le n s to ff
5 Theoretische Summenformel – 12,6 Wasserstoff
– 0 ,0 S a u e rs to ff
6
B re n n w e rt (H o ) M J /k g 4 5 ,7 2
7 H e iz w e r t (H u ) M J /k g 4 2 ,8 8

8 kg Luft
Theoretischer stöchiometrischer Luftbedarf 14,47
kg Krst
9
..Abb. 3.18  Beispiel einer Kraftstoffanalyse, Euro-Super
10
mit den stöchiometrischen Komponenten Mit den Beziehungen nO2 ; St = x + y4 + q − z2 und
11 MK MK MK
nK = 1 aus den chemischen Reaktionsgleichungen er-
x= c y = h q = s gibt sich
MC MH MS
12 MK 
z= o 1 M O2 1 M O2
MO LSt =  c+ 
13
 O2 ; L MC 4 MH
M O2
 (3.68)
Hierbei bedeuten: h + s−o
c, h, s, o = Massenanteile der im Kraftstoff MS
14 enthaltenen Elemente Kohlen-
stoff (c), Wasserstoff (h), Schwe- 1
LSt =  .2;664  c + 7;937  h + 0;988  s − o/
15 MC, MH, MS, MO = 
fel (s) und Sauerstoff (o)
Molmassen der Elemente im 
0;232
(3.69)
Kraftstoff
16 MK = Molmasse des Kraftstoffs Beispielhafte Daten einer Kraftstoffanalyse zeigt
. Abb. 3.18.
Unter Berücksichtigung des Massenanteils von Sauer- Die Kraftstoffzumischung im Motorbetrieb wird
17 stoff in Luft O2 ; L ergibt sich für den stöchiometrischen durch den stöchiometrischen Luftbedarf beeinflusst.
Luftbedarf Daher muss das Gemischbildungssystem bei Anwen-
18 1 mO2 ; St 1 MO2 nO2 ; St
dung verschiedener Kraftstoffe (zum Beispiel Benzin
und Alkoholkraftstoffe) jeweils angepasst werden.
nK (3.67)
LSt =  =  
 O2 ; L mK  O2 ; L M K Bei der motorischen Verbrennung weicht das Mi-
19 schungsverhältnis mehr oder weniger vom stöchiome-
mit trischen ab.
20
MO2 = Molmasse von Sauerstoff Ein Gemisch mit Luftüberschuss (λ > 1) bezeichnet
nO2; nK = Stoffmengen von Sauerstoff und Kraftstoff man als „mageres Gemisch“ (Magerbetrieb), ein Ge-
Literatur
31 3

misch mit Luftmangel (λ < 1) wird als „fettes Gemisch“


bezeichnet. Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung
werden heute in weiten Kennfeldbereichen fast nur
noch mit stöchiometrischem Gemisch (λ = 1) betrie-
ben. Ottomotoren mit Direkteinspritzung können
homogen mit λ = 1, homogen-mager (λ > 1) und auch
geschichtet-mager (im Mittel des Brennraumes λ  1,
partiell aber auch λ = 1) betrieben werden.
Dieselmotoren werden immer mit Luftüberschuss
(λ > 1) kleine Zweitaktmotoren werden in erster Linie
im Luftmangelbereich (λ < 1) betrieben.

Literatur

Verwendete Literatur
[1] Heywood, J.B.: Internal Combustion Engine Fundamentals.
Mc Graw-Hill, New York (1988)
[2] Anisizs, F., Borgmann, K., Kratochwill, H., Steinparzer, F.: Der
erste Achtzylinder-Dieselmotor mit Direkteinspritzung von
BMW. MTZ 60(6), 362–371 (1999)
[3] Fortnagel, M., Heil, B., Giese, J., Mürwald, M., Weining, H.-K.,
Lückert, P.: Technischer Fortschritt durch Evolution: Neue
Vierzylinder Ottomotoren von Mercedes-Benz auf der Basis
des erfolgreichen M111. MTZ 61(9), 582–590 (2000)
[4] Bach, M., Bauder, R., Endress, H., Pölzl, H.-W., Wimmer, W.:
Der neue TDI-Motor von Audi: Teil 3 Thermodynamik. MTZ
60, 40–46 (1999). Sonderausgabe 10 Jahre TDI-Motor von
Audi
[5] Mollenhauer, K., Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Dieselmo-
toren. Springer, Berlin (2007)
[6] Kuratle, R.: Motorenmesstechnik, 1. Aufl. Vogel, Würzburg
(1995)
[7] Mahle GmbH: Einflussgrößen auf die Reibleistung der
Kolbengruppe Technische Information, Bd. 7148. Vieweg/
Teubner, Stuttgart (1994)
33 4

Kennfelder
Dipl.-Ing. Bernd Haake, Dr.-Ing. Joschka Schaub

4.1 Verbrauchskennfelder – 36
4.2 Emissionskennfelder – 37
4.3 Zündungs- und Einspritzkennfelder  –  40
4.4 Abgastemperaturkennfelder – 41

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_4
34 Kapitel 4 • Kennfelder

Kennfelder werden zwecks Veranschaulichung der Änderung der Motordrehzahl bei näherungsweise
1 Betriebsstrategie eines Motors sowohl zur Doku- gleichem Leistungsbedarf ein geändertes Drehmo-
mentation der motorischen Betriebsparameter wie ment. Der Betriebspunkt verlagert sich entlang der
2 Zündzeitpunkt, Einspritzzeitpunkt oder Luftverhält-
nis verwendet als auch zur Beurteilung der daraus
Leistungshyperbel bis zum Schnittpunkt mit der Fahr-
widerstandslinie, die dem Gangwechsel entspricht. Auf
resultierenden gemessenen und errechneten Größen diese Weise lassen sich die Änderungen des Betriebs-
3 wie Emissionen, Kraftstoffverbrauch oder Tempera- oder Emissionsverhaltens in Abhängigkeit von den
turen. Das Motorkennfeld stellt eine hoch verdichtete Randbedingungen des Fahrzeugs und des Fahrbetriebs
Informationsquelle dar, aus der eine Beurteilung des mithilfe des Motorkennfelds beurteilen.
4 vorliegenden Motors abgeleitet werden kann. Es wird Für Fahrzustände mit geringem Fahrleistungsbe-
herangezogen, um bestimmte Motoreigenschaften in darf, wie sie in weiten Bereichen von Emissionszyklen
5 Abhängigkeit vom Betriebspunkt zu dokumentieren. für die Typprüfung eines Fahrzeugs oder im Stadt-
Das Motorkennfeld wird in der zweidimensionalen verkehr vorkommen, sind eher Betriebspunkte aus
Darstellung von der Gesamtheit aller möglichen Be- dem linken unteren Kennfeldbereich mit geringen bis
6 triebspunkte aufgespannt, wobei der Betriebspunkt mittleren Drehzahl-Last-Kombinationen relevant. Die
eines Verbrennungsmotors durch seine Drehzahl und für Fahrten auf der Autobahn typischen Lastkollektive
7 sein Drehmoment definiert ist. Im Motorkennfeld wird
der Betriebsbereich des Verbrennungsmotors durch
liegen dagegen im rechten oberen Bereich des Motor-
kennfelds.
die Volllastkurve sowie die minimale und maximale Aus Gründen der Vergleichbarkeit von Motoren
8 Drehzahl begrenzt (. Abb. 4.1). Die vom Motor im mit unterschiedlichem Hubraum werden anstatt des
jeweiligen Betriebspunkt abgegebene Leistung errech- Drehmoments häufig die auf den Hubraum bezogenen
net sich nach der Beziehung Pe = 2 · π · M · n. Linien spezifischen Kenngrößen der Last, wie der spezifische
9 konstanter Leistung werden im Motorkennfeld als Mitteldruck pme oder die spezifische Arbeit we, ver-
Leistungshyperbeln bezeichnet. wendet.
10 Ein Motorkennfeld lässt sich mithilfe von einzel-
nen Punkten mit diskreten Werten darstellen. Liegt
. Abb. 4.2 zeigt am Beispiel eines Ottomotors mit
Direkteinspritzung und Abgasturboaufladung, wie das
eine Vielzahl von Einzelwerten aus dem gesamten Motorkennfeld zur Darstellung der Betriebsstrategie
11 Betriebsbereich des Motors vor, können aus diesen des Motors eingesetzt wird.
Werten durch Interpolation Linien gleicher Ausprä- Zur Übersicht über die Betriebsstrategie werden
gung der jeweiligen Motoreigenschaft, die sogenannten im Kennfeld charakteristische Bereiche unterschied-
12 Isolinien, erzeugt werden. Die gebräuchlichste Kenn- lich gekennzeichnet. Im vorliegenden Beispiel wird der
felddarstellung betrifft den spezifischen Kraftstoffver- Motor im größten Teil des Kennfelds mit einem stö-
13 brauch, dessen Isolinien ähnlich wie die Vertiefungen chiometrischem Luft-Kraftstoff-Verhältnis betrieben.
einer Muschelschale verlaufen und daher auch Mu- Diese Strategie ist durch den Einsatz eines konventi-
schelkurven genannt werden (siehe . Abb. 4.3). onellen Dreiwegekatalysators im gesamten Drehzahl-
14 Neben den Motoreigenschaften lassen sich im Last-Kollektiv erforderlich, das den zur Zertifizierung
Kennfeld auch die Eigenschaften des Fahrzeugs und herangezogenen Fahrzyklus abdeckt. Im rechten obe-
15 seines Antriebstrangs aufzeigen. Dies erfolgt übli-
cherweise durch die Fahrwiderstandslinien, die den
ren Kennfeldbereich ist eine Fläche hervorgehoben, die
ab einer Drehzahl von 3000 l/min von der Volllastli-
Zusammenhang zwischen Motordrehzahl und dem nie begrenzt wird und bei hohen Drehzahlen von etwa
16 vom Antriebsstrang aufgenommenen Drehmoment 6000 l/min bis herunter zu einer Last von pme = 16 bar
für jeweils einen Gang für Konstantfahrt in der Ebene reicht. Diese Fläche markiert Betriebspunkte, in denen
zeigen (siehe . Abb. 4.1). Für Berg- beziehungsweise eine Gemischanreicherung erfolgt, um die Abgastem-
17 Talfahrt ergeben sich jeweils parallel verschobene Ver- peratur aus Bauteilschutzgründen zu senken. Der un-
läufe der Fahrwiderstandslinie. terstöchiometrische Betrieb ermöglicht zusätzlich die
18 Liegt der Betriebspunkt des Motors oberhalb der Darstellung einer hohen Motorleistung. Aufgrund der
Fahrwiderstandslinie, wird das Fahrzeug beschleunigt; aus der Kraftstoffanreicherung resultierenden negati-
liegt er unterhalb, so wird es verzögert. Die für die Be- ven Konsequenzen für den Kraftstoffverbrauch im re-
19 schleunigung verfügbare Überschussleistung resultiert alen Fahrzeugbetrieb sind Ziele der Motorentwicklung
aus der aktuellen Drehzahl und dem Überschussdreh- sowohl die Fläche des betroffenen Kennfeldbereichs
20 moment, das dem Abstand der Fahrwiderstandslinie
zur Volllastlinie entspricht. Bei einem Gangwechsel
als auch den Grad der erforderlichen Anreicherung zu
minimieren. Dabei stellt die Verwendung eines in den
resultiert, für gleiche Fahrgeschwindigkeit, aus der Zylinderkopf integrierten, gekühlten Abgaskrümmers
4 • Kennfelder
35 4

..Abb. 4.1 Motorkennfeld

eine konstruktive Option zur Absenkung der Abgas-


temperaturen dar.
Der Betrieb des Motors an und nahe der Volllast ..Abb. 4.2  Übersichtskennfeld Ottomotor
bei Drehzahlen um 1500 l/min ist bei dem gezeigten
Motor ebenfalls nicht stöchiometrisch abgestimmt. kung interner Abgasrückführung genutzt wird. Zum
Um ein hohes Drehmoment bei niedriger Drehzahl, anderen wird als reibungsreduzierende Maßnahme
das Eckdrehmoment, darzustellen, kann der Lade- durch Verwendung eines regelbaren Kühlmittelther-
druck durch den Abgasturbolader in Grenzen erhöht mostaten die Kühlmitteltemperatur gegenüber dem
werden. Bei großer Ventilüberschneidung führt die restlichen Kennfeld von 90 °C auf 100 °C erhöht.
positive Druckdifferenz zwischen Einlass- und Aus- In ähnlicher Weise lassen sich auch noch weitere
lassseite bei gleichzeitig geöffneten Einlass- und Aus- Merkmale, welche die Betriebsstrategie eines Mo-
lassventilen zum Durchspülen des Brennraums mit tors charakterisieren, im Betriebskennfeld darstellen.
Frischluft. Durch die Direkteinspritzung von Benzin in Hierzu zählt die Abstimmung diskret oder kontinuier-
den Brennraum nach Schließen der Auslassventile wird lich verstellbarer Motorkomponenten wie zum Beispiel
vermieden, dass Kraftstoff direkt in den Auslasskanal variable Ventilhubsysteme, Tumbleklappen oder bei
geschoben wird. Bei diesem als „Spülen“ bezeichneten Saugmotoren schaltbare Saugrohrlängen.
Verfahren erfolgt die Verbrennung im Zylinder un- Bei der vergleichenden Bewertung von Kennfel-
terstöchiometrisch, während sich unter Einbeziehung dern auf der Basis spezifischer Motorkenngrößen ist zu
der durchgespülten Luft häufig insgesamt ein übers- berücksichtigen, dass sich grundlegende konstruktive
töchiometrisches Luft-Kraftstoff-Verhältnis einstellt. Auslegungskriterien, wie zum Beispiel das Hubvolu-
Der spülende Betrieb lässt sich im Übersichtskennfeld men und das Hub-Bohrungs-Verhältnis erfahrungsge-
gut an der Steuerzeitenstrategie erkennen, die durch mäß nur in geringen Unterschieden äußern. Moderne
Isolinien der Ventilüberschneidung dargestellt ist. Im aufgeladene Ottomotoren verdeutlichen dagegen,
entsprechenden Betriebsbereich weist die Ventilüber- dass durch die unterschiedliche Auslegung von Sys-
schneidung Werte größer 20 °KW auf. Als weitere temkomponenten wie der ladungswechselrelevanten
Maßnahme ist im hochlastigen Betrieb bei niedrigen Aufladeeinheit, Variabilitäten im Ventiltrieb oder des
Drehzahlen ein Wechsel von einer Einfach- auf eine Abgasnachbehandlungssystems in Verbindung mit
Doppeleinspritzung appliziert. Eine entsprechend op- der Abstimmung operativer Maßnahmen auch für
timierte Abstimmung der Anzahl der Einspritzimpulse ähnliche Motoren stark ausgeprägte Unterschiede im
in Verbindung mit weiteren einspritzrelevanten Para- Betriebsverhalten realisiert werden. Signifikant unter-
metern wie Raildruck, Einspritzzeitpunkte und Men- schiedliche Leistungswerte des gleichen Basistrieb-
genanteile der Einspritzungen trägt zur Vermeidung werks werden für eine unterschiedlich sportive Aus-
von motorschädigenden Vorentflammungsereignissen prägung der Zielfahrzeuge genutzt oder ermöglichen
und zur Reduktion der Ölverdünnung bei. den Einsatz eines Grundmotors in verschiedensten
Als verbrauchsmindernde Maßnahmen im Kenn- Fahrzeugklassen. Zusätzlich gibt es Motoren, die auf
feldbereich niedriger Lasten und Drehzahlen ist zum verschiedenen Zielmärkten entweder eine konventio-
einen an den relativ hohen Werten der Ventilüber- nelle stöchiometrische Abstimmung oder ein Brenn-
schneidung zu erkennen, dass die entdrosselnde Wir- verfahren mit geschichtet magerem Betrieb aufweisen.
36 Kapitel 4 • Kennfelder

1
2
3
4
5
..Abb. 4.4  Verbrauchskennfeld (TC-DI-Dieselmotor)
6 ..Abb. 4.3  Verbrauchskennfeld (TC-DI-Ottomotor)

7 Ein Entscheidungskriterium stellt beispielsweise die


Verfügbarkeit schwefelfreien Kraftstoffs dar, der eine
mender Drehzahl. Zur Volllast hin erfordert die zuneh-
mende Klopfneigung eine Spätverlagerung der Ver-
Voraussetzung für den Schichtbetrieb ist. Die höhe- brennung, was in einem ungünstigeren Wirkungsgrad
8 ren Kosten der für den Schichtbetrieb erforderlichen resultiert. Für Betriebspunkte mit hohen Lasten und
aufwändigen Abgasnachbehandlung zur NOX-Reduk- Drehzahlen ist durch Gemischanreicherung zusätzlich
tion und für zusätzliche Komponenten zur externen die Einhaltung von Abgastemperaturen unterhalb von
9 Abgasrückführung können für den gleichen Grund- kritischen Grenztemperaturen zur Vermeidung von
motor beim Einsatz in kleineren Fahrzeugklassen zu Schädigungen der Abgasturbine oder Alterung des
10 einer konventionellen Abstimmung führen, während
in oberen Fahrzeugklassen der geschichtet magere
Katalysators zu gewährleisten. Daraus resultiert ein
zunehmender Gradient des Verbrauchsanstiegs.
Betrieb appliziert ist. Diese Beispiele machen deut- . Abb. 4.4 zeigt das typische Verbrauchskennfeld
11 lich, dass Maßnahmen zur Abgasnachbehandlung für eines Dieselmotors mit Direkteinspritzung und Tur-
unterschiedliche Märkte oder auch bereits für schär- boaufladung. Auffällig ist der geringere Anstieg des
fere Emissionszertifizierungsstufen zu signifikante- Verbrauchs mit abnehmender Last, da die Qualitäts-
12 ren Unterschieden im Motorkennfeld führen, als es regelung des Dieselmotors nicht mit Drosselverlusten
beispielsweise herstellerspezifische oder konstruktive verbunden ist. Trotz der im Vergleich zum Ottomotor
13 Unterschiede erwarten lassen. deutlich günstigeren Teillastverbrauchswerte liegen die
mit der Fahrzeugkalibrierung realisierten Verbräuche
insbesondere im für den Europäischen Fahrzyklus
14 4.1 Verbrauchskennfelder relevanten Kennfeldbereich über denen einer ver-
brauchsoptimierten Abstimmung. Ursachen hierfür
15 . Abb. 4.3 zeigt ein typisches Verbrauchskennfeld eines
turboaufgeladenen Ottomotors mit Benzindirektein-
sind die zur Einhaltung der zulässigen NOX-Emissi-
onen erforderlichen hohen Raten der Abgasrückfüh-
spritzung. Wie bereits erwähnt, werden die Linien kons- rung (AGR) sowie die teilweise später kalibrierten
16 tanten spezifischen Kraftstoffverbrauchs aufgrund ihrer Einspritzzeitpunkte.
Form auch Muschelkurven genannt. Das Minimum des Das Verbrauchskennfeld eines Motors kann bei
spezifischen Kraftstoffverbrauchs befindet sich im nied- Kenntnis der wesentlichen fahrzeugspezifischen Da-
17 rigen mittleren Drehzahlbereich im Bereich von Las- ten wie Fahrwiderstände und Übersetzungen auch zur
ten im leicht aufgeladenen Betrieb. In einem größeren Berechnung des Kraftstoffverbrauchs des Fahrzeugs
18 Bereich um das Verbrauchsminimum ist der Gradient verwendet werden. Zur Berechnung des Verbrauchs
des Verbrauchsanstiegs flach. Zu niedrigen Lasten hin im instationären Testzyklus wird die Fahrkurve als
steigt der Gradient stark an. Wesentliche Ursachen hier- Funktion der fahrzeugspezifischen Parameter in eine
19 für sind zunehmende Drosselverluste beim Ottomotor Folge stationärer Betriebspunkte zerlegt, die jeweils
sowie der im Verhältnis zum abgegebenen Nutzmoment durch die Drehzahl und das Drehmoment charakteri-
20 zunehmende Anteil der Reibung.
Diese beiden Faktoren führen auch zum sichtbaren
siert sind. Die zu diesen Lastpunkten gehörenden stati-
onären Verbrauchswerte gehen dann zeitlich gewichtet
Anstieg des Verbrauchs bei konstanter Last und zuneh- in die Berechnung für den Zyklusverbrauch ein. Die
4.2 • Emissionskennfelder
37 4

..Abb. 4.5  Luft-Kraftstoff-Verhältnis (TC-DI-Otto­ ..Abb. 4.6  CO-Konzentration vor Katalysator (TC-DI-


motor) Ottomotor)
zur exakten Verbrauchsberechnung erforderlichen des betriebswarmen Motors. Dies sowie die an den
Modelle berücksichtigen neben den fahrzeugspezi- ausgewählten Motoren zur exakten Einhaltung eines
fischen Daten zusätzliche verbrauchsbeeinflussende stöchiometrischen Gemisches eingesetzte Lambda-(λ-)
Vorgänge wie zum Beispiel den Motorwarmlauf sowie Regelung gewährleisten eine hohe Konvertierung al-
Gangwechsel und andere instationäre Effekte. Mithilfe ler Schadstoffkomponenten im Katalysator nach dem
dieser Modelle lassen sich fahrzeugseitige Einflüsse auf Dreiwegeprinzip. Das in . Abb.  4.5 gezeigte Luft-
das Verbrauchs- und Emissionsverhalten des Motors Kraftstoff-Verhältnis weist den großen Kennfeld-
im Fahrzeug abschätzen. Als Anwendungsbeispiele für bereich aktiver Lambda-Regelung deutlich aus. Im
diese Vorgehensweise seien die Getriebeabstimmung gezeigten Beispiel des aufgeladenen Ottomotors mit
oder die Strategie bei der Steuerung eines kontinuier- Direkteinspritzung wird eine Gemischanreicherung
lichen Getriebes (CVT) genannt. im volllastnahen Bereich bei hohen Drehzahlen vor-
genommen. Im Bereich des Nennleistungspunkts sind
die minimalen Luft-Kraftstoff-Verhältnisse mit Wer-
4.2 Emissionskennfelder ten um λ = 0,9 kalibriert. Zur Darstellung eines hohen
Eckdrehmoments bei niedriger Drehzahl ist ein mage-
Gegenstand der Emissionskennfelder sind in der res Luft-Kraftstoff-Verhältnis bis zu λ = 1,1 im Abgas
Regel die Rohemissionen der gesetzlich limitierten als Resultat einer spülenden Abstimmung mit großer
Schadstoffkomponenten Kohlenwasserstoffe (HC), Ventilüberschneidung zu erkennen.
Stickoxide (NOX) und Kohlenmonoxid (CO). Üblich Die CO-Konzentration ist in erster Linie eine
ist dabei die Darstellung der auf die Arbeit bezogenen Funktion des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses, wie die
spezifischen Werte (in g/kWh) oder als Massenströme Kennfelder in . Abb. 4.5 und  4.6 zeigen. Im Kenn-
(in g/h). Für Dieselmotoren sowie für Ottomotoren feldbereich mit aktiver Lambda-Regelung liegen die
mit Direkteinspritzung sind auch die Kennfelder der Konzentrationen üblicherweise in einer unkritischen
Partikelemissionen von Bedeutung. Neben den Roh- Größenordnung zwischen 0,5 und 0,8 Vol.-%.
emissionskennfeldern werden häufig auch die Emissi- An der Volllast findet, bedingt durch die Ge­
onswerte hinter den Katalysatoren ausgewiesen. Diese mischanreicherung, die Verbrennung unter Sauer-
erlauben einerseits eine Bewertung der Konvertie- stoffmangel statt. Bei den maximalen Anreicherungs-
rung im Katalysator und sie werden andererseits zur raten im Bereich des Nennleistungspunkts stellt sich
Abschätzung der vom Fahrzeug in einem Fahrzyklus das Maximum der CO-Konzentration von 3,0 Vol.‑%
emittierten Schadstoffmengen herangezogen. ein. Diese in . Abb. 4.6 zum Ausdruck kommende Ab-
Die . Abb. 4.5 – 4.9 zeigen charakteristische Kenn- hängigkeit der CO-Konzentration vom Luft-Kraftstoff-
felder konventioneller Ottomotoren sowie ausgesuchte Verhältnis kann als typisch für Ottomotoren gelten. Bei
Kennfelder operativer Parameter mit Relevanz für das Motoren mit konzeptspezifisch erforderlicher stärkerer
Emissionsverhalten. Die den gezeigten Kennfeldern Gemischanreicherung werden jedoch auch deutlich
zugrunde liegenden Motoren sind zur effizienten Ab- höhere CO-Konzentrationen gemessen.
gasnachbehandlung mit Dreiwegekatalysator ausge- Auch im stöchiometrischen Betrieb kann das Ni-
stattet. Die Kennfelder beziehen sich auf den Betrieb veau der NOX-Rohemission durch Abstimmung der
38 Kapitel 4 • Kennfelder

1
2
3
4
5
..Abb. 4.9  Spezifische HC-Emissionen (MPI-Otto­
..Abb. 4.7  Spezifische NOX-Emissionen vor Katalysa-
motor)
6 tor (MPI-Ottomotor)

7 führung eingesetzt, sondern auch zur Verbesserung


des Volllast-Drehmomentverhaltens. Durch die Op-
timierung der Steuerzeiten als Funktion der Drehzahl
8 lassen sich bei Saugmotoren signifikante Luftauf-
wandsvorteile mit der Folge eines verbesserten Dreh-
momentverlaufs realisieren.
9 Anders als das Niveau der NOX- und CO-Emissio-
nen wird das Ausmaß der HC-Rohemissionen deutlich
10 stärker durch konstruktive Parameter beeinflusst. An
erster Stelle ist hier die Brennraumform zu nennen,
wobei das Oberflächen/Volumenverhältnis eine cha-
11 rakteristische Kenngröße darstellt. Die Sensitivität der
HC-Emission gegenüber operativen Parametern ist
für den betriebswarmen Motor mit Kanaleinspritzung
12 ..Abb. 4.8  Abgasrückführrate (MPI-Ottomotor)
zwar vorhanden, in den üblichen Variationsbereichen
operativen Parameter beeinflusst werden. So bietet die jedoch eher von untergeordneter Bedeutung. Motoren
13 AGR im Teillastbetrieb ein erhebliches Potenzial zur mit Benzindirekteinspritzung reagieren in Bezug auf
Reduktion der NOX-Rohemissionen bei gleichzeitigen die HC-Emissionen dagegen deutlich sensitiver auf
Wirkungsgradvorteilen infolge der mit der AGR ver- eine Variation der einspritzungsrelevanten Parameter
14 bundenen Entdrosselung des Motors. Die Abgasrück- wie Raildruck, Einspritztiming oder Anzahl der Ein-
führung kann entweder extern über ein Ventil oder spritzungen pro Arbeitszyklus. Bei beiden Einspritz-
15 als interne Abgasrückführung durch Änderung der
Steuerzeiten realisiert werden. Das Kennfeld der spezi-
konzepten kann sich eine interne AGR durch variable
Steuerzeiten positiv auswirken, da der gegen Ende des
fischen NOX-Emissionen eines Ottomotors mit externer Ausschiebevorgangs typischerweise zu verzeichnende
16 Abgasrückführung in . Abb. 4.7 und das zugehörige HC-Peak wieder der Verbrennung zugeführt wird. Ein
Kennfeld der mittels AGR-Ventil kalibrierten AGR-Ra- typisches HC-Emissions-Kennfeld eines Ottomotors
ten in . Abb. 4.8 geben ein Beispiel für die praktische mit Einlassnockenwellenverstellung ist in . Abb. 4.9
17 Anwendung der Abgasrückführung. Das Minimum der dargestellt.
NOX-Emissionen wird im Betriebspunkt mit der ma- Die hier nicht dargestellten Kennfelder der Emissi-
18 ximalen AGR-Rate erzielt. Außerhalb des Kennfeldbe- onen nach Katalysator sind für moderne Ottomotoren
reichs externer AGR stellt sich ein typisches Verhalten mit Dreiwegekatalysator durch die nahezu vollständige
der NOX-Emissionen ein. Die zur Volllast sowie zu ho- Konvertierung der Schadstoffe geprägt. Abweichungen
19 hen Drehzahlen hin zu erkennende starke Abnahme der von den extrem niedrigen Emissionsniveaus ergeben
NOX-Emission ist eine Folge der Gemischanreicherung. sich in den Kennfeldbereichen mit unterstöchiometri-
20 Kontinuierlich wirkende Systeme zur Nockenwel-
lenverstellung werden bei Großserienmotoren häufig
schem Betrieb, wo die katalytische Oxidation des HC-
und des CO-Anteils aufgrund des Sauerstoffmangels
nicht nur zur Realisierung einer internen Abgasrück- eingeschränkt bleibt.
4.2 • Emissionskennfelder
39 4

..Abb. 4.10  Spezifische CO-Emissionen (TC-DI- ..Abb. 4.12  Spezifische NOX-Emissionen (TC-DI-


Dieselmotor) Dieselmotor)

..Abb. 4.13  Abgasrückführrate (TC-DI-Dieselmotor)


..Abb. 4.11  Spezifische HC-Emissionen (TC-DI-
Dieselmotor)
spritzvorgangs, was der Spätzündung im Ottomotor
weitgehend entspricht.
Aufgrund der für Dieselmotoren typischen Ver- Zur Erhöhung der Wirksamkeit der AGR, die die
brennung mit Luftüberschuss stellen sich die CO- Menge der emittierten NOX reduziert, wird das zu-
und HC-Emissionen im Vergleich zum Ottomotor rückgeführte Abgas bei Dieselmotoren gekühlt. Dabei
auf deutlich niedrigerem Niveau ein (. Abb.  4.10 wird das Abgas je nach System vor der Turbine (Hoch-
und  4.11). Wegen des im Abgas von Dieselmotoren druck-AGR) beziehungsweise nach der Abgasnach-
stets vorhandenen Restsauerstoffs ist eine weitere Ver- behandlung (Niederdruck-AGR) entnommen. Das in
ringerung dieser Schadstoffkomponenten durch Oxi- . Abb. 4.13 gezeigte Kennfeld der AGR-Raten zeigt,
dationskatalysatoren möglich und zur Einhaltung der dass die AGR im vorliegenden Beispiel im Wesentli-
Grenzwerte der Abgasgesetzgebung erforderlich. chen für den emissionsrelevanten Kennfeldbereich ka-
Kritischer für Dieselmotoren stellen sich jedoch libriert ist. Die AGR-Raten betragen bis zu 50 % und
die NOX-Rohemissionen (. Abb.  4.12) dar. Da die liegen im Vergleich zu denen von Ottomotoren auf ei-
katalytische Nachbehandlung bei Luftüberschuss mit nem deutlich höheren Niveau. Anders als beim Otto-
NOX-Speicherkatalysatoren (NSK) oder selektiver ka- motor sind hier die Möglichkeiten der AGR nicht durch
talytischer Reduktion (SCR) einen deutlich größeren das Auftreten von Verbrennungsaussetzern begrenzt.
Aufwand erfordert, verfolgt man hier primär den Weg, Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Verbrennung
die NOX-Entstehung über eine Beeinflussung des Ver- bei hohem Luftüberschuss erfolgt und die Sauerstoff-
brennungsprozesses einzuschränken. Die hierzu ange- konzentration im Abgas noch bis zu 15 Vol.-% beträgt.
wendeten Maßnahmen sind wie beim Ottomotor die Zusätzlich zu den bereits aufgeführten gasförmi-
Abgasrückführung sowie die Spätverlegung des Ein- gen Abgaskomponenten sind auch Masse und An-
40 Kapitel 4 • Kennfelder

1
2
3
4
5
..Abb. 4.14  Partikelemissionen (TC-DI-Dieselmotor) ..Abb. 4.15  Zündzeitpunkt (TC-DI-Ottomotor)
6
4.3 Zündungs-
7 zahl der Partikelemissionen gesetzlich limitiert. Eine
gebräuchliche Messgröße zur Beurteilung der Par- und Einspritzkennfelder
tikelemission von Dieselmotoren ist die Filter Smoke
8 Number (FSN). Die erhöhten Schwarzrauchwerte im Die typische Kalibrierung der Zündwinkel konventi-
emissionsrelevanten Kennfeldbereich (. Abb.  4.14) oneller Ottomotoren mit Lambda-Regelung ist stark
deuten auf den Zusammenhang zwischen der Parti- vom Betriebspunkt abhängig. In der mittleren Teillast
9 kelbildung und der AGR hin. Dieser Zusammenhang werden die Zündwinkel in der Regel im Bereich des
macht ebenso den bekannten Zielkonflikt zwischen Wirkungsgradoptimums kalibriert. In . Abb.  4.15
10 NOX- und Partikelemissionen deutlich. Außerhalb
des mit AGR abgestimmten Kennfeldbereichs ist das
ist zu erkennen, dass sich der Vorzündbedarf bei zu-
nehmender Drehzahl sowie bei abnehmender Last
Niveau der Schwärzungszahlen auf relativ niedrigem tendenziell erhöht. Diese Tendenz wird von weiteren
11 Niveau. Es steigt erst im volllastnahen Bereich wegen Effekten überlagert. Im unteren Lastbereich ist bereits
des dort vorherrschenden geringeren Luft-Kraftstoff- bei niedrigen Drehzahlen eine deutliche Frühverstel-
Verhältnisses insbesondere bei niedrigen Drehzahlen lung der Zündung zu erkennen. Für den gezeigten
12 wieder signifikant an. Motor ist in diesem Bereich eine interne AGR kalib-
Der Partikelbildung muss durch eine gute Aufbe- riert. Das als Inertgas wirkende zurückgeführte Abgas
13 reitung des eingespritzten Dieselkraftstoffs begegnet verzögert den Brennverlauf, der entsprechend früher
werden. Deshalb stellt die Hochdruckeinspritzung eingeleitet werden muss. Weiter zeigt sich im oberen
mit hoher Zerstäubungsgüte eine der wesentlichen Lastbereich eine Spätverstellung der Zündung. Dieses
14 Entwicklungsrichtungen moderner Dieselmotoren Verhalten ist auf die im Bereich hoher Zylinderfüllung
dar. Parallel zu den innermotorischen Maßnahmen zunehmende Klopfneigung zurückzuführen. Dem
15 wurden für sensible Märkte in den vergangen Jahren
Partikelfiltersysteme eingeführt. Der Grund hierfür
heutigen Stand der Technik entsprechend können die
aus dieser Maßnahme resultierenden Nachteile durch
liegt in schärferen Partikel- bei gleichzeitig reduzier- die Anwendung dynamischer Klopfregelungssysteme
16 ten NOX-Emissionsgrenzwerten sowie der öffentlichen minimiert werden. Diese ermöglichen hinsichtlich des
Diskussion über die Feinstaubbelastung im urbanen Drehmoments optimierte Vorzündwinkel ohne die
Raum. Abweichend zu der in den Motorkennfeldern Gefahr eines Motorschadens aufgrund einer klopfen-
17 dokumentierten Stationärkalibrierung erfolgen bei der den Verbrennung.
intermittierenden Regeneration des Partikelfilters Ein- Bei Dieselmotoren wird die Verbrennung primär
18 griffe in die Kalibrierung des Motors, die zur zeitwei- durch den Einspritzvorgang gesteuert. Der Einspritz-
sen Anhebung der Abgastemperaturen in bestimmten beginn hat daher eine vergleichbare Bedeutung wie
Kennfeldbereichen führen, um so den Abbrand der an beim Ottomotor der Zündwinkel. Durch die Umstel-
19 der Filteroberfläche angesammelten Partikelbeladung lung auf die heute vorherrschende Direkteinspritzung
zu fördern. Dieser Abbrand wird zusätzlich katalytisch hat die schnellere Verbrennung mit steileren Gradi-
20 entweder durch eine entsprechende Beschichtung des
Partikelfilters oder durch Zugabe eines katalytisch wir-
enten des Zylinderdruckverlaufs zu akustischen Pro-
blemen geführt. Eine wirkungsvolle Maßnahme zur
kenden Additivs zum Kraftstoff unterstützt. Absenkung der Zylinderdruckgradienten und zur
4.4 • Abgastemperaturkennfelder
41 4

..Abb. 4.16  Ansteuerbeginn Haupteinspritzung (TC- ..Abb. 4.17  Einspritzstrategie (TC-DI-Dieselmotor)


DI-Dieselmotor)

innermotorischen Schadstoffreduktion stellt bei mo-


dernen Common-Rail-Einspritzsystemen die Ein-
spritzstrategie mit Vor- und angelagerter Nachein-
spritzung dar. Bei der Voreinspritzung wird zunächst
durch eine kleinere Einspritzmenge die Verbrennung
ausgelöst. Daran anschließend wird dem Prozess
während der Haupt- und der gegebenenfalls angela-
gerten Nacheinspritzung die restliche Dieselmenge
zugeführt. Die angelagerte Nacheinspritzung erweist
sich als wirksames Instrument zur Absenkung der
Partikelemissionen. Die . Abb. 4.16 und  4.17 zeigen
die Kennfelder für den Einspritzbeginn der Hauptein-
spritzung und die typische Einspritzstrategie eines ..Abb. 4.18  Abgastemperaturkennfeld am Katalysa-
toreintritt (TC-DI-Ottomotor)
modernen Pkw-Dieselmotors. Es ist zu erkennen, wie
durch die EDC-Motorsteuerung das Einspritz­muster
an den jeweiligen Lastbereich angepasst wird. Bei klei- lich die Gastemperatur am Turbineneintritt kritisch.
nen Lasten und Drehzahlen wird die Einspritzung auf Im Zuge des Bauteilschutzes wird das Kraftstoff-Luft-
zwei Voreinspritzungen und eine Haupteinspritzung Gemisch bei Ottomotoren daher im Kennfeldbereich
aufgeteilt. Bei mittleren Lasten wird dieses Einspritz- kritischer Abgastemperaturen wie zuvor beschrieben
muster gegebenenfalls um eine angelagerte Nachein- angereichert.
spritzung ergänzt. Im Kennfeldbereich höherer Last Für den Betrieb bei niedrigen Lastpunkten ist
und Drehzahl wird die Anzahl an Voreinspritzungen dagegen eine zu geringe Abgastemperatur zu vermei-
reduziert. den, damit der Katalysator nicht auskühlt. Aus diesem
Grund kann hier eine relativ späte Zündeinstellung
erforderlich werden. Zusätzlich zu diesen in den Sta-
4.4 Abgastemperaturkennfelder tionärkennfeldern erkennbaren Maßnahmen werden
üblicherweise nach dem Motorkaltstart abweichende
Das Verhalten der Abgastemperatur eines Ottomo- Steuergrößen hinsichtlich des Zündwinkels und der
tors ist in . Abb. 4.18 dargestellt. Der steile Anstieg AGR-Raten kalibriert, damit der Katalysator die für
der Abgastemperatur zu hohen Lasten hin erfordert eine Konvertierung der Rohemissionen in unschädli-
gezielte Maßnahmen, um den Abgaskatalysator vor che Komponenten erforderliche Light-off-Temperatur
thermischer Alterung oder gar Zerstörung zu schüt- rasch erreicht.
zen. Hierzu dienen sowohl konstruktive Maßnahmen
als auch die Kalibrierung der Betriebsparameter des
Motors. Für Motoren mit Abgasturboaufladung ist
unter Berücksichtigung des Bauteilschutzes zusätz-
43 5

Thermodynamische
Grundlagen
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer

5.1 Kreisprozesse – 44
5.2 Vergleichsprozesse – 45
5.2.1 Einfache Modellprozesse – 45
5.2.2 Exergieverluste – 48

5.3 Offene Vergleichsprozesse – 49


5.3.1 Arbeitsprozess des vollkommenen Motors  –  49
5.3.2 Annäherung an den realen Arbeitsprozess  –  52

5.4 Wirkungsgrade – 57
5.5 Energiebilanz am Motor  –  57
5.5.1 Bilanzgleichung – 57

Literatur – 58

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_5
44 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

Verbrennungsmotoren sind Wärmekraftmaschinen, geschlossenen Prozessführung bis zu mehr oder we-


1 bei denen eine Umwandlung von chemisch gebunde- niger komplizierten offenen Mehrzonenmodellen [9,
ner Energie in mechanische Energie erfolgt [1–3]. Das 11–13] reichen.
2 geschieht mittels eines Reaktionsablaufs, dem Verbren-
nungsvorgang, bei dem Energie freigesetzt wird. Ein
Teil dieser im Brennraum des Zylinders freigesetzten 5.1 Kreisprozesse
3 Wärme wird mittels des Kurbeltriebs in mechanische
Energie umgewandelt, die restliche Energie wird mit Um grundsätzliche Aussagen zu erhalten, bildet man
dem Abgas abgeführt und über die brennraumbegren- vereinfachte Modelle und beschreibt sie als Kreis-
4 zenden Wände an ein Kühlmittel sowie direkt an die prozesse. Kreisprozesse sind aufeinander folgende
Umgebung abgegeben. Zustandsänderungen eines Arbeitsmittels, bei denen
5 Ziel des Prozessablaufs bei der Umwandlung von dieses wieder auf den Ausgangszustand zurückgeführt
chemischer in mechanische Energie ist es, einen mög- wird. Man bezeichnet sie als geschlossene Kreispro-
lichst hohen Prozesswirkungsgrad, der sehr stark von zesse mit Wärmezu- und -abfuhr (. Abb. 5.1) [14].
6 dem Ablauf des thermodynamischen Prozesses ab- Diese Modellvorstellung vernachlässigt den stoff-
hängt, zu erreichen. lichen Umsatz von den Ausgangsprodukten der Ver-
7 Diese Umwandlungsprozesse sind sehr komplex,
was insbesondere auf den Verbrennungsvorgang, mit
brennung zum Beispiel Luft und Kraftstoff zu den
Abgasen (CO, HC, NOX, CO2, HCO, H2, N2 und so
seinen Energie-Stoffaustauschvorgängen und chemi- weiter).
8 schen Vorgängen des Gases im Zylinder zutrifft [4]. Die vier Takte des Verbrennungsmotors werden
Aber auch die Wärmeübertragungsprozesse vom Gas über Verdichtung, Wärmezufuhr als „Ersatz“ für
auf die unmittelbar den Brennraum umgebende Wand den Verbrennungsvorgang, Expansion und Wärme-
9 sowie auf angrenzende Motorbauteile und das Kühl- abfuhr, als „Ersatz“ für den Ladungswechsel durch-
medium beziehungsweise das Öl sind nur näherungs- geführt.
10 weise mit großem Aufwand zu erfassen [5–8].
Da die Kraftstoffe für Otto- und Dieselmotoren
Der Zustand des Mediums am zum Beispiel Be-
ginn der Verdichtung und am Ende der Wärmeabfuhr
Gemische aus diversen Kohlenwasserstoffen sind, ist ist identisch. Solche Zustandsdiagramme für Verbren-
11 eine Behandlung der Reaktionskinetik unter Berück-
sichtigung der Vielzahl von Reaktionen praktisch nicht
möglich. Häufig behilft man sich mit der Betrachtung -
nungsmotoren sind:
Druck-Volumen-Diagramm (p-v-Diagramm):
Die darin enthaltene Fläche stellt eine Arbeit dar,

-
12 „reiner“ Substanzen, zum Beispiel Methanol, Methan, die als indizierte Arbeit bezeichnet wird.
Wasserstoff, für die ein hinreichend genauer Reaktions- Temperatur-Entropie-Diagramm (T-s-Dia-
13 mechanismus mit allen zugehörenden Stoffdaten vor- gramm): Die Flächen stellen Wärmen dar. Die
liegt. Je nach Betrachtungsweise genügt auch die Nut- Kreisprozessarbeit ist die Differenz aus zugeführ-
zung spezifischer Reaktionsabläufe zum Beispiel für die ter und abgeführter Wärme. Damit ist die von
14 NO-Bildung [9] oder die vereinfachende Annahme ei- den Linien der Zustandsänderungen umschlos-
nes O–H–C-Gleichgewichtes in der Flammenfront [10]. sene Fläche ein Maß für die Nutzarbeit des
15 Betrachtet man den Vorgang örtlich mehrdi-
mensional, instationär, mit allen im Gas in Realität
Kreisprozesses.

vorliegenden Transportmechanismen, so ergeben Zentrale Aussagen, die bezüglich des motorischen Pro-
16 sich aufwändige mathematische Modelle, für deren zesses mit solchen Kreisprozessen ermöglicht werden,
physikalisch-chemische Darstellung zum Beispiel die sind solche über den Prozesswirkungsgrad.
benötigten Stoffdaten wenn überhaupt, nur mit einer Als Definition eines solchen Wirkungsgrades, des
17 gewissen Unschärfe vorliegen. thermischen Wirkungsgrades gilt:
Um qualitative Aussagen bezüglich der Abhän-
18 gigkeit bestimmter Prozessgrößen von vorgegebenen th =
qzu − qab
=1−
qab
qzu (5.1)
Parametern zu erhalten, werden daher mehr oder we- qzu
niger einfache Modellrechnungen genutzt. Damit kön-
19 nen mit einem stark reduzierten Aufwand prinzipielle Darin bedeuten: qzu = zugeführte Wärmemenge und
Aussagen über die Wirkung des Energieumsatzes auf qab = abgeführte Wärmemenge.
20 motorische Parameter gemacht werden.
Es haben sich in der Vergangenheit eine Reihe von
Die Theorie der Kreisprozesse geht auf den fran-
zösischen Offizier Sadi Carnot (1796 bis 1832) zurück,
Betrachtungsweisen ergeben, die von einer einfachen der erkannte, dass zur Umwandlung von Wärme in
5.2 • Vergleichsprozesse
45 5
Tmin  .s1 − s2 / Tmin
Druck p

Temperatur T
q zu q zu thc = 1 −
Tmax  .s4 − s3 /
=1−
Tmax (5.3)

Der thermische Wirkungsgrad nimmt bei gegebenem


Temperaturverhältnis beim Carnot-Prozess den höchs-
ten überhaupt erreichbaren Wert an. Im p-v-Diagramm
q ab q ab ist die Diagrammfläche des Carnot-Prozesses aber so
klein, dass – um eine akzeptable Nutzarbeit (entspre-
chend der Fläche im p-v-Diagramm) zu erhalten – die
Temperaturen und Drücke auf technisch nicht mehr
Volumen v Entropie s
vertretbare Höhen getrieben werden müssten. Diese
..Abb. 5.1  Zustandsänderungen und Arbeiten bei Erfahrung musste Rudolf Diesel machen, als er mit
einem Kreisprozess [15] seinem rationellen Wärmemotor den Carnot-Prozess
verwirklichen wollte. Ein als Rechteck verlaufender
Prozess im p-v-Diagramm liefert zwar die größte Ar-
Arbeit ein Temperaturgefälle vorhanden sein muss, beitsausbeute, hat aber – wegen der kleinen Fläche im
und dass der thermische Wirkungsgrad einer Wär- T-s-Diagramm – einen sehr niedrigen Wirkungsgrad.
mekraftmaschine umso höher ist, je höher die Tem- Als Rechteck verlaufende Prozesse sind also für die
peratur, bei der die Wärme zugeführt und je niedriger Praxis nicht geeignet.
die Temperatur, bei der sie abgeführt wird; besonders Die mit einer Wärmekraftmaschine technisch
deutlich wird das an dem von ihm beschriebenen opti- realisierbaren Kreisprozesse unterliegen Vorgaben
malen Kreisprozess, dem sogenannten Carnot-Prozess durch Geometrie und Kinematik der jeweiligen Ma-
(. Abb. 5.2). schinenart, Bedingungen der Energieumwandlung
Die Zustandsänderungen des Carnot-Prozesses sowie dem Stand der Technik. Beurteilungskriterien

--
sind:
Isotherme Verdichtung,
für Vergleichsprozesse, die im Folgenden beschrieben

--
werden, sind:

-- Isentrope Verdichtung,
Isotherme Expansion,
Isentrope Expansion.
-
Wirkungsgrad,
Arbeitsausbeute und
technische Realisierbarkeit.

Im T-s-Diagramm stellt sich der Carnot-Prozess als


Rechteck dar. Der thermische Wirkungsgrad ergibt 5.2 Vergleichsprozesse
sich als Verhältnis von Nutzarbeit zu zugeführter
Wärme. 5.2.1 Einfache Modellprozesse
qzu − qab qab Die motorischen Kreisprozesse beschreiben die Ener-
th = =1− (5.2)
qzu qzu gieumwandlung, wobei die einzelnen Zustandsän-

p max

q zu
q zu
p max
Druck p

T max
Temperatur T

T max

T min p min
q ab
p min
q ab T min
..Abb. 5.2 Zustandsän-
derungen beim Carnot-
Entropie s Volumen v
Prozess [15]
46 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

Gleichraumprozess ..Abb. 5.3  Zustandsänderungen im Gleich-


1 raumprozess [15]
Druck p

Temperatur T
3
3
q zu
2 q zu

3
2
2
4
4 q ab

4
1
1 q ab

Volumen v Entropie s
5
derungen des Arbeitsmittels dem tatsächlichen Ge- des Gleichdruckprozesses. Der Wirkungsgrad ist ab-
6 schehen im Motor möglichst nahe kommen sollen. hängig von der Gasart (Isentropenexponent) und dem
Im Rahmen dieser Betrachtungen stellen Verbren- Verdichtungsverhältnis. Er steigt mit zunehmendem
7 nungsmotoren geschlossene Systeme dar, in denen
die Energieumwandlung diskontinuierlich verläuft.
Verdichtungsverhältnis und bestimmt sich mit:

Ein Charakteristikum der Kreisprozesse von Verbren- qzu v − qab


th = (5.4)
8 nungsmotoren ist, dass die Zustandsänderungen in ei- qzu v
nem Arbeitsraum ablaufen, dessen Größe sich durch
die Bewegung des Kurbeltriebs im Laufe des Arbeits-
9 spiels ändert. Verdichtung und Expansion lassen sich 5.2.1.2 Gleichdruckprozess
durch einfache Zustandsänderungen beschreiben. Die Die Zustandsänderungen des Gleichdruckprozesses
10 sind in . Abb. 5.4 dargestellt. Die Folge der Zustands-

--
Verbrennung und der Gaswechsel werden durch Wär-
mezu- und Wärmeabfuhr ersetzt. änderungen bei diesem Prozess ist:
Isentrope Verdichtung,

--
Ideale Kreisprozesse für Verbrennungsmotoren
11 werden nach der Art der Wärmezufuhr unterschie- Isobare Wärmezufuhr,
den. Ein allgemeiner Prozessverlauf lässt sich mit Isentrope Expansion,
Wärmezufuhr bei konstantem Volumen (isochor) Isochore Wärmeabfuhr.
12 und bei konstantem Druck (isobar), wie er von My-
ron Seiliger (1874–1952) beschrieben worden ist Er kann dann als Vergleichsprozess herangezogen
13 und als Seiliger-Prozess bezeichnet wird, darstellen. werden, wenn aus Gründen der Bauteilbelastung eine
Daraus lassen sich Grenzfälle ableiten wie der reine Begrenzung des Höchstdruckes notwendig ist. Der
Gleichraum- (nur isochore Wärmezufuhr) und der thermische Wirkungsgrad bestimmt sich dann mit:
14 reine Gleichdruckprozess (nur isobare Wärmezu-
qzu p − qab
fuhr). th = (5.5)
15
qzu p
5.2.1.1 Der Gleichraumprozess
In . Abb. 5.3 ist der Zustandsverlauf des Gleichraum- Der Wirkungsgrad dieses Prozesses ist von der Gasart
16 prozesses dargestellt. Die Folge von Zustandsänderun- (Isentropenexponent), dem Verdichtungsverhältnis

--
gen bei diesem Prozessverlauf ist:
Isentrope Verdichtung,
und der zugeführten Wärmemenge bei konstantem
Druck abhängig. Er steigt mit zunehmendem Ver-

--
17 Isochore Wärmezufuhr, dichtungsverhältnis; sinkt jedoch mit zunehmender
Isentrope Expansion, Wärmezufuhr. Der Gleichdruckprozess erreicht von
18 Isochore Wärmeabfuhr. den drei betrachteten Prozessführungen den gerings-
ten Wirkungsgrad.
Er besitzt den thermodynamisch günstigsten Prozess-
19 verlauf, der in einer Maschine mit periodisch veränder- 5.2.1.3 Seiliger-Prozess
Die Zustandsänderungen des Seiliger-Prozesses sind in

--
lichem Arbeitsraum, unter vertretbarem technischem
20 Aufwand, realisiert werden kann [1]. Der daraus re-
sultierende thermische Wirkungsgrad ist bei gleichem
. Abb. 5.5 dargestellt. Im Einzelnen sind dies:
Isentrope Verdichtung,
Verdichtungsverhältnis größer als der des Seiliger- und Isochore Wärmezufuhr,
5.2 • Vergleichsprozesse
47 5
..Abb. 5.4  Zustandsänderungen im Gleich- q zu 3
q zu
druckprozess [15]

Temperatur T
Druck p
2 3
2
4

4
1
q ab
1 q ab

Volumen v Entropie s

..Abb. 5.5  Zustandsänderungen im Seiliger- qzu qzu


Prozess [15]

Druck p

Temperatur T
3 4 4
qzu
3

qzu
2
2
5

5 qab
1
qab
1

Volumen v Entropie s

-- Isobare Wärmezufuhr, wird angehoben. Der Verdichtung im Motor ist die

- Isentrope (adiabat-reversible) Expansion,


Isochore Wärmeabfuhr.
im Verdichter vorgeschaltet, und nach der Expansion
im Motor und einer Expansion im Abgasrohr folgt die

Bei gegebenem Verdichtungsverhältnis ist eine Höchst-


--
Expansion in der Turbine.
Isentrope Verdichtung im Verdichter,
druckbegrenzung vorzugeben. Die zugeführte Wärme
erfolgt teilweise isochor und teilweise isobar. Der sich
--
Isentrope Verdichtung im Motor,
Isochore Wärmezufuhr im Motor,
aus dieser Prozessführung ergebende thermische Wir-
kungsgrad ist:
--
Isobare Wärmezufuhr im Motor,
Isentrope Expansion im Motor,
qzu v + qzu p − qab
--
Isochore Wärmeabfuhr aus dem Motor,
Isobare Wärmezufuhr zur Turbine,

-
th = (5.6)
qzu v + qzu p Isentrope Expansion in der Turbine,
Isobare Wärmeabfuhr aus der Turbine.
Zu beachten ist, dass die Wärmemenge qzu v bei kon-
stantem Volumen zugeführt wird und daher über die Die Arbeiten der Abgasturbine und des Verdichters
Temperaturdifferenz mittels spezifischer Wärme bei stellen sich entsprechend als Flächen im p-V-Dia-
konstantem Volumen (cv) zu bestimmen ist, während gramm dar (. Abb. 5.6).
die Wärmezufuhr bei konstantem Druck qzu p aus der
Temperaturdifferenz mittels spezifischer Wärme bei 5.2.1.4 Vergleichende Betrachtung
konstantem Druck (cp) zu bestimmen ist. der Kreisprozesse
Je nach Aufteilung der zugeführten Wärmemenge . Abb. 5.7 zeigt den Vergleich der drei betrachteten
auf die isochore und isobare Zustandsänderung ergibt Prozesse im p-V- und T-s-Diagramm. Der Wirkungs-
sich als Grenzkurve für den thermischen Wirkungs- grad des Gleichraumprozesses ist dabei bei gleichem
grad diejenige, die bei reinem Gleichraum beziehungs- Verdichtungsverhältnis der maximal erreichbare.
weise Gleichdruck vorliegen würde. Das begründet sich in der geringeren abzuführenden
Betrachtet man diesen Prozessverlauf für einen Wärmemenge bei gleichem Verdichtungsverhältnis
aufgeladenen Motor, so ergeben sich die in . Abb. 5.6 und gleicher zugeführter Wärmemenge gegenüber
dargestellten Zusammenhänge. den beiden anderen Prozessführungen.
Durch die Aufladung ändert sich der motorische
Prozess prinzipiell nicht; lediglich das Druckniveau
48 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

q34 ..Abb. 5.6 Zustands­
1 p01 p67 änderungen im
Seiliger-Prozess
Druck

3 4 p5
eines abgasturbo­
2 Verdichter Abgas- Turbine aufgeladenen Motors
sammelrohr [15]

3 q23
2
pL Ladedruck
4 pA Abgasgegendruck
p0 atmosph. Druck

5 5
q51
1
6 pL 11
pA 10
7 7
6
p0 9
7 0 8 8

Fläche 1-2-3-4-5-1 Motorarbeit Volumen


8 Fläche 0-1-11-9-0 Verdichterarbeit q80
Fläche 7-8-9-10-7 Turbinenarbeit
Fläche 5-7-6-5 Verlust an kinetischer Energie
9 Fläche 7-7-8-8-7 Umwandlung von kinetischer
Energie in Wärme und
Nutzung in der Turbine
10
Vergleich der Prozesse ..Abb. 5.7 Vergleich
11 Gleiches Verdichtungsverhältnis ɛ
Gleiche zugeführte Wärmemenge q
der motorischen Ver-
gleichsprozesse [15]
Gleichraum-
Gleichraum-
12
Druck p

Prozess
Temperatur T

Prozess
Gemischter
Gemischter Prozess

13 Prozess

Gleichdruck-
14 Prozess Gleichdruck-
Prozess

15
16
Volumen V Entropie s
beim gemischten Prozess
17 zusätzlich abgeführte Wärmemenge
beim Gleichdruck-Prozess
zusätzlich abgeführte Wärmemenge

18
5.2.2 Exergieverluste delt werden kann. Unter Exergie soll dabei die Energie
19 verstanden sein, die sich unter Berücksichtigung einer
Die exergetische Betrachtung der behandelten Pro- vorgegebenen Umgebung in jede andere Energieform
20 zessführungen zeigt, dass die Exergie der zugeführten
Energie nur teilweise in mechanische Arbeit umgewan-
umwandeln lässt. Anergie ist dabei der Teil der Energie,
der sich nicht in Exergie umwandeln lässt [1].
5.3 • Offene Vergleichsprozesse
49 5

Eine anschauliche Darstellung am Beispiel des

Druck
3
Gleichraumprozesses liefert . Abb. 5.8. Im p-V-Dia-

-
gramm sind zwei der Prozessverluste darstellbar:
Würde das Medium vom Punkt 4 aus bis auf
den Punkt 5, das heißt auf den Ausgangsdruck
entspannt, so wäre die Arbeit (Fläche 4-5-1-4)

-
2
nutzbar. 4
I
Die Fläche 5-6-1-5 wäre nutzbar, wenn das Me- 5
Pu 6
dium nicht nur auf den Ausgangsdruck, sondern 1 II
auch noch weiter auf die Ausgangstemperatur v
expandiert würde. Daran müsste sich eine
3

Temperatur
isotherme Verdichtung auf den Ausgangsdruck
anschließen. v2 = konst.

Dies würde jedoch bei dem realen Motor einen erheb- 4


lichen zusätzlichen technischen Aufwand bedeuten, v1 = konst. I 5
der in keinem Verhältnis zum erzielten Gewinn ste- 2 p1 = konst.
1 II
hen würde. Tu 6
III
Der dritte Verlust speist sich aus der Anergie der 0
zugeführten Energie. Er ist nicht unmittelbar der Pro- a b
zessführung anzulasten. Hat ein Medium die Umge-
..Abb. 5.8  Thermodynamische Verluste am Beispiel
bungstemperatur und den Umgebungsdruck erreicht, des Gleichraumprozesses
so befindet es sich im thermischen und mechanischen
Gleichgewicht mit der Umgebung. Der zweite Haupt-
satz der Thermodynamik verbietet dann die Umwand-
lung der inneren Energie in Exergie beziehungsweise Die Randbedingungen, unter denen der Prozess
in Nutzarbeit [1].

--
abläuft, sind wie folgt definiert:
Ladung im Brennraum ohne Restgas,
Gleiches Luft-Kraftstoff-Verhältnis wie der wirk-

-
5.3 Offene Vergleichsprozesse liche Motor,
Verlustfreier Ladungswechsel (keine Strömungs-

-
5.3.1 Arbeitsprozess des und Lässigkeitsverluste),
vollkommenen Motors Verbrennungsablauf nach vorgegebener Gesetz-

Die idealen Kreisprozesse sind nur eine grobe Nähe-


rung, mit denen wenige prinzipielle Aussagen mög-
lich sind. Bezüglich des Wirkungsgrades liefern sie
-- mäßigkeit,
Wärmedichte Wandungen,
Isentrope Kompression und Expansion mit spe-
zifischen Wärmen cp und cv in Abhängigkeit von
im Vergleich mit der Realität zu „gute“ Werte: Die
Arbeitsausbeute ist größer, der Wirkungsgrad besser
als beim realen Motor, weil die Eigenschaften des
Arbeitsgases Luft als reales Gas behandelt und die
- der Temperatur,
Verbrennungsprodukte liegen im chemischen
Gleichgewicht vor.

Wärme-, Ladungswechsel- und Reibungsverluste Mit dem so definierten Prozess lassen sich Einflüsse
und die chemischen Reaktionen nicht berücksichtigt der Parameter Verdichtungs- und Luft-Kraftstoff-
werden. Verhältnis auf Mitteldruck, Prozesswirkungsgrad und
Um weitergehende Informationen über den Pro- einige Konzentrationen von Stoffkomponenten be-
zessverlauf zu erhalten und Fragen hinsichtlich der stimmen, . Abb. 5.9.
optimalen Prozessführung beantworten zu können, Je nach Betrachtungsweise kann in Anlehnung an
wurden Prozessabläufe definiert, die eine bessere An- die einfachen Kreisprozesse eine Prozessführung für
näherung an den realen Motor gestatten. Das ist mög- die Verbrennung gewählt werden. Das kann ein iso-
lich mit offenen Vergleichsprozessen. Ein zweckmäßi- chorer (Gleichraumverbrennung), isobarer (Gleich-
ger und häufig verwendeter Vergleichsprozess ist der druckverbrennung) oder ein gemischt isochorer-iso-
Prozess des „vollkommenen“ Motors. barer Prozessverlauf sein.
50 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

..Abb. 5.9 Berech-
1 nete Größen mit dem
Arbeitsprozess des
vollkommenen Motors
2 und am Motorprüfstand
gemessene Größen [16]

3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
5.3.1.1 Grundlagen der Berechnung Darin bedeuten m P Luft die Luftmasse, mP Kr die Kraft-
17 Die Berechnung des Prozesses des vollkommenen Mo- stoffmasse, mLuft; stöch die stöchiometrische Luftmasse
tors kann in folgende Schritte aufgeteilt werden: des entsprechenden Kraftstoffes. Das Verdichtungsver-
18 a) Isentrope Kompression des Frischgemisches. Der hältnis kann dem des entsprechenden Versuchsmotors
Ausgangszustand wird beschrieben durch den gewählt werden. Als Repräsentant von Benzin kann
Druck p0, die Temperatur T0 und die Zusammen- zum Beispiel Iso-Oktan (C8H18) gewählt werden, da
19 setzung des Frischgases, charakterisiert durch das dies den physikalisch-chemischen Eigenschaften von
Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ. Dieses ist definiert mit handelsüblichen Kraftstoffen einigermaßen gerecht
20 mP Luft
wird.
Es wird vorausgesetzt, dass die Gaszusammenset-
= (5.7)
P Kr  mLuft; stöch
m zung während der Kompression konstant bleibt. Der
5.3 • Offene Vergleichsprozesse
51 5

Verdichtungsendzustand kann mit Hilfe der Isentro- 3. Chemisches Gleichgewicht


penbeziehung S1;T1 = S2;T2 und der thermischen Zu- Die 13 Gaskomponenten, zwischen denen chemische
standsgleichung für ideale Gase Reaktionen ablaufen, bestehen aus den Basiselementen
X Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff. Zur
pv = i  R m  T ; Beschreibung des chemischen Gleichgewichtes wer-
i den daher neun unabhängige Reaktionsgleichungen
benötigt mit den stöchiometrischen Koeffizienten τj, i
mit p = Druck, v = spezifisches Volumen, T = Tempe- (j = 1 bis 9):
ratur, Rm = allgemeine Gaskonstante, σi = spezifische
i  j; i = 0: i ist das chemische Potenzial der
X
Molzahl der Komponente i, berechnet werden aus:
  i Komponente i und definiert als:
X p1
i; 1  si;0 T1 − Rm  ln 0 pi
p i = gi;0 T + Rm  T  ln
i (5.11)
  (5.8) p0
X p2
= i; 2  si;0 T2 − Rm  ln 0
p
i wobei gi;0 T die molare freie Enthalpie der Kompo-
nente i im Standardzustand repräsentiert.
Darin bedeutet si;0 T1 die Entropie der Komponente i
beim Standarddruck p0 und der Temperatur T. 4. Stoffbilanzen
Die Lösung der Gleichung kann zum Beispiel auf Die restlichen vier Gleichungen zur Bestimmung des
iterativem Wege erfolgen. Zustandes nach der Verbrennung liefern die Stoffbilan-
b) Isochore adiabate Verbrennung. Vorausgesetzt zen. Während der Verbrennung ändert sich die Menge
wird, dass sich ein totales chemisches Gleichge- der vier Basisstoffe j = 1 − 4 entsprechend O, H, N und
wicht einstellt. Die Verbrennungsprodukte beste- C nicht, so dass die Stoffbilanzen lauten:
hen zum Beispiel aus den Komponenten: X
CO, CO2, N2, NO, NO2, NH3, O2, O, H, N, H2, B; j = ˛j; i  i
(5.12)
H2O und OH. i

Der Zustand des Gasgemisches im Zylinder nach der αj, i gibt die Anzahl der Atome des Basisstoffes j in der
Verbrennung ist gekennzeichnet durch den Druck p3, Komponente i an.
die Temperatur T3 und die spezifischen Molzahlen der Das so entstandene nichtlineare Gleichungssystem,
beteiligten – in diesem Beispiel 13 – Komponenten. bestehend aus 15 Gleichungen kann zum Beispiel mit-
Zur Bestimmung dieser Größen sind somit 15 vonei- tels eines Newton-Verfahrens gelöst werden.
nander unabhängige Gleichungen notwendig. Diese c) Expansion. Die Rahmenbedingungen zur Darstel-
Gleichungen sind: lung des Expansionszustandes sind chemisches
Gleichgewicht und konstante Gaszusammenset-
1. Erster Hauptsatz der Thermodynamik für ge- zung. Die Zustandsänderung erfolgt isentrop. Da-
schlossene Systeme mit ergibt sich:
Setz man voraus, dass während der Verbrennung keine
Wärme zu- oder abgeführt und keine Arbeit verrichtet
 
X p3
i; 3  si;0 T3 − Rm  ln 0
wird, so folgt daraus: du = 0, das heißt keine Änderung p
i
der inneren Energie. Damit ergibt sich:   (5.13)
X p4
= i; 3  si;0 T4 − Rm  ln 0
p
X X
i; 2  ui; T2 = i; 3  ui; T3
(5.9) i
i i

2. Thermische Zustandsgleichung 5.3.1.2 Arbeit des vollkommenen


Diese ist gegeben mit: Motors
X Die Arbeit WVM des vollkommenen Motors ergibt sich
p 3  v3 =  i  R m  T3 aus der Differenz der inneren Energie mit:
(5.10)
i
WVM = U4 − U1 beziehungsweise mit (5.14)
52 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

weiteren Diskussion dieses Ergebnisses ist es zweckmä-


1 WVM = m 
X
i; 1  ui; T1 ßig den Exergieverlust zu betrachten. Die spezifische
i Exergie für geschlossene Systeme ist definiert mit:
(5.15)
2
!
X eT; p = uT − u0; T0 − T0  .sT; P − s0; T0; p0 /
i; 4  ui; T4 ;
(5.18)

i + p0  .v − v0 /
3
wobei U beziehungsweise ui die innere Arbeit reprä- Darin bedeuten uT und sT; P die spezifische innere
sentieren. Energie beziehungsweise Entropie bei der Temperatur
4 T und dem Druck p sowie u0; T0und s0; T0; P0 Größen
5.3.1.3 Wirkungsgrad die sich ergeben, wenn die Verbrennungsgase sich im
5 des vollkommenen Motors thermodynamischen Gleichgewicht mit der Umge-
Der Wirkungsgrad VMdes vollkommenen Motors ist bung befinden.
prinzipiell definiert mit: Der relative Exergieverlust  EV der Verbrennung
6 kann definiert werden mit:
WVM
VM =
mKr  Hu (5.16) E2 − E3
7 EV =
E1
; (5.19)
mit Hu als unterer Heizwert des Kraftstoffs und mKr
8 als eingesetzter Kraftstoffmasse. Ist der Wirkungsgrad Der relative Abgasexergieverlust mit:
definiert als das Verhältnis aus gewonnener Prozessar-
beit WVM und der maximal theoretisch gewinnbaren E4
9 Arbeit, so muss mKr · Hu durch den Begriff Wtheo ersetzt
EA =
E1 (5.20)
werden. Die Größe Wtheo kann als die maximal ge-
10 winnbare Arbeit bei reversibler Prozessführung, oder
als reversible Reaktionsarbeit gewertet werden. Diese
. Abb. 5.10 zeigt den Verlauf des relativen Exergiever-
lustes beim vollkommenen Ottoprozess.
ergibt sich aus der Differenz der freien Enthalpie aus Der relative Exergieverlust des Abgases sinkt mit
11 dem Zustand des Frischgemisches und des Abgases mit steigendem Luft-Kraftstoff-Verhältnis, während der
relative Exergieverlust der Verbrennung mit steigen-
dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis zunimmt. In Summe
12 H n − HTnn0 − T0
Wtheo = T 0 resultiert daraus ein Anstieg des Wirkungsgrades mit
mKr
dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis.
13 (5.17)
 
P n P nn
Si; p0 ;T 0 − Si; p0; T0
i i
 Hu
5.3.2 Annäherung an den realen

mKr
14 Arbeitsprozess
Darin bedeuten: HT0 n und H nn die Enthalpie der Stoff-
T0
15 ströme des Verbrannten und des Unverbrannten bei
Umgebungszustand; Si;n p0; T0 und Si;nnp0; T0 die Entropie
Sowohl die einfachen Kreisprozesse als auch der Pro-
zess des vollkommenen Motors liefern nur begrenzt
der Komponente i im Verbrannten und Unverbrann- Aussagen über die realen im Motor ablaufenden Pro-
16 ten, bezogen auf den Umgebungszustand. zesse. Daher sind Modelle notwendig, die eine weitere
Die Unterschiede aus reversibler Reaktionsarbeit Annäherung an den realen Prozess ermöglichen. Ins-
und unterem Heizwert sind für einige als Ersatzkraft- besondere sind Aussagen über indizierter Mitteldruck,
17 stoffe definierte Substanzen, wie zum Beispiel C7H14, Innenwirkungsgrad, Verbrennungsverläufe (Brenn-
C8H18 oder für Methanol sehr gering, so dass Wtheo funktionen), Verbrennungstemperaturen, Schadstoff-
18 ungefähr gleich Hu gesetzt werden kann. Für Wasser- bildung etc. wünschenswert. Solche Aussagen erhält
stoff beträgt die Differenz jedoch bereits ca. 6 % [16]. man mit Modellen, die zum Beispiel als Zwei-Zonen-
Modelle beschrieben werden können.
19 5.3.1.4 Exergieverlust Weitere Modellrechnungen basieren auf der Vor-
beim vollkommenen Prozess gabe des Einspritzratenverlaufs, mit dessen Hilfe Aus-
20 Aus dem prinzipiellen Verlauf des Wirkungsgrades
beim vollkommenen Motor ist ersichtlich, dass dieser
sagen über den Brennverlauf und die NO-Emissionen
möglich sind [8, 17, 18] oder benutzen Einzonenmo-
mit steigendem Luft-Kraftstoff-Verhältnis ansteigt. Zur delle mit vorgegebenem Ersatzbrennverlauf [19].
5.3 • Offene Vergleichsprozesse
53 5
60 liefert die Größen Masse, Temperatur und Druck im
entsprechenden Modellelement.
Beim Ein-Zonen-Modell, als „nulldimensionales“
rel. Energieverlust [%]

Verbrennung Modell, wird die Wärmefreisetzung der chemischen


40
Energie des Kraftstoffs oft mit Hilfe eines Ersatzbrenn-
verlaufs vorgegeben. Das System beschreibt sich über
Massen- und Energiebilanz in definierten System-
grenzen. Die dazu notwendigen Bilanzgleichungen
20
berücksichtigen die unterschiedlichen Möglichkeiten
Abgas der Kraftstoffzufuhr in den Brennraum, wobei die da-
raus folgenden unterschiedlichen Randbedingungen
0 zur Aufbereitung (Verdampfung) des Kraftstoffs wich-
0 1 2 4 6 8 tig sind. Neben der Energiefreisetzung werden in der
Luft-Kraftstoff-Verhältnis Regel Annahmen zum Wärmeübergang [6, 7, 23, 24]
und Ladungswechsel benötigt.
..Abb. 5.10  Exergieverlust durch Verbrennung und Eine weitere Variante der „nulldimensionalen“
Abgas (nach [16])
Modelle sind Zwei-Zonen-Modelle. Hierbei wird der
Brennraum in zwei Zonen unterteilt, die durch eine
Viele dieser Modelle verzichten auf die Betrach- sogenannte Flammenfront getrennt sind.
tung des Reaktionsablaufs und bedienen sich stattdes- Die Zone eins repräsentiert das unverbrannte
sen geeigneter Funktionen bezüglich der Energiefrei- Gemisch aus Luft und Kraftstoff, die Zone zwei die
setzung durch die Verbrennung [20], zum Beispiel die Verbrennungsprodukte, die sich im OHC(Sauerstoff-
Vibe-Funktion [21]. Wasserstoff-Kohlenstoff)-Gleichgewicht befindet. Die
Weitergehende thermodynamische Betrachtungen fiktive, räumlich nicht vorhandene Flammenfront, die
können zu Modellen führen, die neben dem zeitlichen außerdem als masselos betrachtet wird, trennt die bei-
Verlauf von Parametern auch die Ortskoordinate den Zonen. Solche Modelle, die reaktionskinetische
mit einbeziehen. Diese erfordern jedoch wegen ihrer Einflüsse berücksichtigen, lassen bei vorgegebenem
Mehrdimensionalität hohe Rechenkapazitäten. Brennverlauf Rückschlüsse auf die NOX-Bildung zu
[9].
5.3.2.1 Nulldimensionale Modelle Eine schematische Darstellung des Zwei-Zonen-
Einfache Modelle der Arbeitsprozessrechnung von Modells zeigt . Abb. 5.11.
Verbrennungsmotoren sind „nulldimensionale“ Mo-
delle, die als Füll- und Entleermethode bekannt ist zz Modelle zur Bestimmung des Brennverhaltens
[22]. Dabei hängen die Prozessgrößen nur von der Zeit Da eine direkte Bestimmung des zeitlichen Stoffum-
und nicht vom Ort ab. Zwei- oder dreidimensionale satzes während der Verbrennung im Motor praktisch
Strömungsfelder werden dabei nicht berücksichtigt. nicht möglich ist, verwendet man Modellrechnungen.
Der Brennraum und die angrenzenden gasführenden Trotz Vereinfachungen zeigen die Erfahrungen, dass
Baugruppen wie zum Beispiel Ansaug- und Abgas- damit sehr gut zumindest qualitative Aussagen mög-
rohre, beziehungsweise Behälter, Absperrorgane wie lich sind.
Klappen, Ventile etc. werden bezüglich der Ein- und Beschrieben wird im Nachfolgenden ein auf der
Ausströmvorgänge physikalisch/mathematisch be- Thermodynamik beruhendes Modell, welches wie folgt
schrieben.
Das Simulationssystem wird aufgebaut aus Behäl-
-
definiert ist:
Verwendung des im Motor gemessenen Druck-
tern mit entsprechenden Volumina, Strömungswider-
ständen (Drosseln und Blenden) und Rohrleitungen.
- verlaufs für die Prozessrechnung.
Zum Zeitpunkt der Zündung besteht der Zylin-
Die Drosseln und Blenden simulieren zum Beispiel
Drosselklappen, AGR-Ventile und starke Querschnitts-
- derinhalt aus Restgas und Frischgemisch.
Die in den Zylinder einströmende Masse verbleibt
veränderungen [23]. Verdichter und Turbine werden
bei aufgeladenen Motoren durch entsprechende Kenn-
- vollständig im Zylinder (keine Masseverluste).
Während der Verdichtung finden keine chemi-
felder berücksichtigt.
Die Lösung des Differentialgleichungssystems der
Bilanzgleichungen für die Masse und die Energie unter
Berücksichtigung der thermischen Zustandsgleichung
- schen Reaktionen statt.
Die Ladung im Zylinder besteht während der
Verbrennung aus zwei homogenen Bereichen
in Bezug auf Druck, Temperatur und Zu-
54 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

..Abb. 5.11 Schema-
1 Volumen-
änderungs-
Volumen-
änderungs-
tische Darstellung des
arbeit Zone 1 Zone 1 Zone 2 arbeit Zone 2 Zwei-Zonen-Modells
Luft und Kraftstoffe Verbrennungsprodukte
2 OHC-Gleichgewicht
Wandwärme- Wandwärme-
3 verluste
Zone 1
verluste
Zone 2

4 infinitesimal dünne
Flammenfront
Systemgrenze

5
sammensetzung (Bereich I = Unverbranntes; 2. Verbrennungsablauf

6
7
- Bereich II = Verbranntes).
Die beiden homogenen Bereiche sind durch eine
infinitesimal dünne Flammenfront getrennt und
tauschen Masse aber keine Wärme miteinander
Zone I Unverbranntes  Die thermische Zustandsglei-
chung und der erste Hauptsatz der Thermodynamik
für offene Systeme ergeben

-
X
aus. p  vI = i I  Rm  TI und
(5.22)
Die Zustandsänderung des Bereichs I erfolgt bei

-
i
8 konstanter Enthalpie.
Das aus der „Flammenfront“ austretende Gas dTI 1
=
wird in den Bereich II überführt und vermischt
9 d˛ P kI
sich mit diesem zu einem neuen Gleichgewichts-

-
i I  cp mi .TI /
zustand. i =1 (5.23)
10
0 1
Der Wärmeübergang zwischen dem jeweiligen dq I R m  T I dp XkI

Bereich („Verbranntes“, „Unverbranntes“) an die @ +   i I A


d˛ p d˛
Brennraumwand folgt vorgegebenen Gesetzmä-

-
i =1
11 ßigkeiten.
Die Zusammensetzung im Bereich I ändert sich
während der Verbrennung nicht. Zone II (Verbranntes)  Als unbekannte Größen treten
12 hier die kII spezifischen Molzahlen im Verbrannten
Ziel ist die Bestimmung der Temperatur als Funktion σi II, die Temperatur TII und die umgesetzte Gemisch-
13 der Zeit im Verbrannten und Unverbrannten, sowie masse auf. Für die Gaszusammensetzung der Zone II
der spezifischen Molzahlen im Verbrannten und der sind zum Beispiel die Komponenten CO2, CO, OH, H,
sogenannten Brennfunktion, die das Verhältnis von O, O2, H2O, H2 und N2 als inerte Komponente sinn-
14 verbrannter Kraftstoffmasse zur Gesamtkraftstoffmasse voll. Zur Ermittlung der kII spezifischen Molzahlen
darstellt. Im Unverbrannten ändern sich die spezifi- dienen r unabhängige Gleichungen für das chemische
15 schen Molzahlen definitionsgemäß nicht. Aus diesen
Größen sind Aussagen über die Brenngeschwindigkeit,
Gleichgewicht und b Gleichungen aus den Basisstoff-
bilanzen (kII = r + b). Das Gleichungssystem wird ver-
die Brenndauer und den Brennverzug möglich. Die vollständigt durch je eine unabhängige Gleichung für
16 Prozessrechnung erfolgt dann mit folgenden Schritten die Temperatur im Verbrannten und den Stoffumsatz.
als Funktion der Zeit beziehungsweise des Kurbelwin- Dieser wird charakterisiert durch die Brennfunktion,
kels α: definiert mit:
17
mII
1. Zylinderfüllung zu Beginn der Reaktion xB = (5.24)
18 Mit der thermischen Zustandsgleichung mges
X
pv = i  R m  T
19 i
(5.21)

20 und den empirisch ermittelten Größen Brennraum-


druck, Volumen oberhalb des Kolbens und Frischgaszu-
sammensetzung lässt sich die Temperatur bestimmen.
5.3 • Offene Vergleichsprozesse
55 5

Es ergeben sich somit r Gleichungen der Form: 100


λ = 0,92 λ = 1,6
λ = 2,97
0 1
%
kII
X B
B 0 i II pC
vi; j  BSmi .TII / − Rm  ln
C
 0C
@ kII p A 3000
i =1
P
i II Basis:

U m g e s e tz te G e m is c h m a s s e
i =1 Druckverlauf im Brennraum
bei n = 4000 1/min K
II k
dTII dp Rm  TII X Zündzeitpunkt optimal
 −   vi; j (5.25)
d˛ d˛ p
i =1 50 2500
kII
0 1

Temperatur
P OT
k II Bv v i; j C d Flammentemperatur
B i;j i =1 i II
X
= Rm  TII  vi; j  B
C
− C
@ i II P k II A d˛
i =1 i II
i =1 2000
OT

und b Gleichungen aus der Basisstoffbilanz:


OT
kII
X di; II 0 1500
ai; l  = 0 mit l = 1:::b (5.26) 0 50 100 °kW 150

i =1 Winkel seit Zündung

Die Gleichung für die Temperatur des Verbrannten ..Abb. 5.12  Berechnete Brennfunktionen und Flam-
lautet: mentemperaturen mit Hilfe eines Zwei-Zonen-Modells
(Methanol – H2)
dTII 1
=
d˛ kII
P Die Gleichung für den prozentualen Kraftstoffumsatz
xB  i; j  cpmi .TII /
i =1 lautet:
0 1
kII kII
X X dxB dxB 1
@ hi; Fla − i; j  Hmi .TII /A = !
d˛ d˛ kII kI
i =1 i =1 Rm
(5.27)
P P
p  TII  i; II − T  i; I
kII i =1 I i =1
X di; II
− xB  Hmi .TII /  dV

xB  Rm

d˛  −
i =1 m  d˛ p
0 1
kII 0
dq II x B dp X kII kII
@+xB  +  Rm  TII   i; j A dTII X X di; II TII dp
d˛ p d˛ @  i; II + TII  − 
i =1 d˛ d˛ p d˛
i =1 i =1
kII
1 0
kI (5.28)
X .1 − x B /  R m TII X
di; II −
A  @  di; I
p d˛
i =1 i =1
1
kI
TI dp X
−  di; I A
p d˛
i =1

Damit stehen kII + 3 Gleichungen zur Bestimmung der


Brennfunktion xB, der Temperatur im Unverbrann-
ten TI, der Temperatur des Verbrannten TII und der
Zusammensetzung des verbrannten σ1, II  … σ8, II zur
Verfügung.
Typische Aussagen, die mit solchen Modellen dar-
stellbar sind, zeigen . Abb. 5.12 und 5.13.
56 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

6 Komponenten des Kohlenwasserstoffgemisches Kraft-


1 Basis:
Druckverlauf im Brennraum bei n = 4000 1/min
stoff möglich.
Zündzeitpunkt Optimal Eine bessere Annäherung an den realen Prozess
2 λ = 0,99
der Verbrennung im Motor gegenüber zum Beispiel
nulldimensionalen Zwei-Zonen-Modellen, kann er-
B r e n n g e s c h w i n d i g ke i t

4 reicht werden, wenn Transportvorgänge wie Diffusion


3 λ = 0,7
und Wärmeleitung im Gas mit in die Modellrechnung
einbezogen werden.
Dies setzt voraus, dass sowohl das zeitliche wie
4 λ = 1,7 örtliche Verhalten wichtiger Prozessgrößen darge-
2 stellt wird. Der dazu notwendigen Formulierung der
5 λ = 2,2 Bilanzgleichungen liegt die Thermodynamik der ir-
reversiblen Prozesse zu Grunde. Betrachtet werden
dabei kontinuierliche Systeme, das heißt die inten-
6 siven Zustandsvariablen wie zum Beispiel Tempera-
0 tur, Druck, Dichte sind stetige Funktionen des Ortes
0 50 100 °kW 150
7 Winkel seit Zündung
und der Zeit. Die Bilanzgleichungen beschreiben die
lokalen Änderungen in jedem Volumenelement. Ne-
..Abb. 5.13  Berechnete Brenngeschwindigkeiten mit
ben dem Quelltherm zur Produktion oder Abbau der
8 Hilfe eines Zwei-Zonen-Modells (Methanol – H2) zugelassenen Komponenten ist ein Austausch von
Energie und Materie mit dem Nachbarelement vor-
handen [4]. Vernachlässigt man Reibungseinflüsse
9 5.3.2.2 Mehrdimensionale Modelle sowie zeitliche und örtliche Druckgradienten, stel-
Mehrdimensionale Modelle beschreiben die Vorgänge len die wesentlichen Gleichungen zur Beschreibung
10 bei der Prozesssimulation des motorischen Verhal-
tens als Funktion der Zeit und des Ortes, wobei die
solcher Systeme die Mengenbilanz und die Energie-
bilanz dar.
drei Ortskoordinaten berücksichtigt werden. Damit a) Mengenbilanz: Unter Berücksichtigung von che-
11 sind insbesondere das Einströmverhalten in und das mischen Reaktionen und Diffusion ergibt sich für
Strömungsverhalten im Zylinder darstellbar. Das ist die Änderung der spezifischen Molzahl σi:
wichtig um prozessrelevante Parameter wie Drall- und
12 Tumbleausbildung zu berechnen beziehungsweise zu r
@i @i @Ii X n
berücksichtigen. Aber auch Ausströmprozesse, La-  = −v   − + .vj; i − vj;nni /  Jj (5.29)
@t @x @x
13 dungswechsel, AGR etc. sind damit abbildbar. Diese als j =1
CFD-Simulation benannten Verfahren sind aufwändig,
da die notwendigen Netze zur Berechnung generiert b) Energiebilanz: Nicht berücksichtigt sind äußere
14 werden und die entsprechenden Anfangs-/Randbedin- Kraftfelder, Reibungseinflüsse sowie örtliche und
gungen festgelegt werden müssen [22, 24]. zeitliche Druckgradienten.
15 Der Grad der Komplexität wird weiter wesentlich
erhöht, wenn die reaktionskinetischen Prozesse sowie k
X @Hm; i
Transportvorgänge von Energie und Materie mit in die i   =
16
@t
Berechnungen einbezogen werden. i =1
k
X r
X
zz Mehrdimensionales Modell zur Hm; i .vj;n i − vj;nni /  Jj
17

Verbrennungssimulation ohne i =1 j =1
(5.30)
strömungsmechanische Überlagerung k

18
X
Auch ohne die Überlagerung von reaktionskinetischen − divI Q i    v  grad Hm; i
Abläufen durch strömungsmechanische Gegebenhei- i =1
ten ist der Aufwand zur Berechnung extrem hoch. k
19 Haupthindernis ist der teilweise nicht bekannte bezie- −
X
I i  grad Hm; i
hungsweise nur fragmentarisch vorliegende Reaktions- i =1
20 ablauf eines Kraftstoffs wie zum Beispiel Benzin, der
ein Gemisch aus vielen Einzelkomponenten darstellt. Darin bedeuten: i die Anzahl der zugelassenen Kompo-
Daher sind Modellrechnungen oft nur mit einzelnen nenten im Gas; j die Anzahl der zugelassenen chemi-
5.5  •  Energiebilanz am Motor
57 5

schen Reaktionen; nn charakterisiert das Verbrannte, Kraftstoff Luft

n das Unverbrannte; Ij ist die Diffusionsstromdichte; Jj


Systemgrenze
die Reaktionsgeschwindigkeit der Reaktion j, IQ cha-
rakterisiert den Wärmestrom und
Hm, i die partielle molare Enthalpie der Kompo-
nente i.
effektive
Leistung Kühlleistung
Motor
5.4 Wirkungsgrade

Die Betrachtung der einfachen Kreisprozesse (▶ Ab- Restwärme


schn. 5.2) liefern Wirkungsgrade, als thermische Wir-
kungsgrade ηth definiert, die als maximal mögliche Abgas
Wirkungsgrade abhängig vom gewählten Prozessver-
lauf gewertet werden können. Unter den oben ange- ..Abb. 5.14  Stoff- und Energieströme am Motor
gebenen Voraussetzungen liefert der „Vollkommene
Motor“ einen Wirkungsgrad ηv, der bei gleicher Pro- die über diese Grenze fließenden Stoff- und Energie-
zessführung einen geringeren Wirkungsgrad ergibt als ströme, . Abb. 5.14.
ηth. Im Einzelnen fließen über die Systemgrenze fol-
Mit weiterer Annäherung der Rechenmodelle an gende Ströme:
den realen Prozess entfernt man sich immer weiter von Pe = effektive Leistung
den Idealisierungen; die dann erhaltenen Wirkungs- QP Rest = Restwärme (Wärmestrom an die Umgebung
grade werden immer geringer beziehungsweise nähern auf Grund von Wärmestrahlung, Wärme­
sich der Wirklichkeit immer mehr an. leitung und Konvektion)
Die Abweichungen Wirkungsgrades des „vollkom- HP Luft = Enthalpiestrom der Luft
menen Motors“ vom inneren Wirkungsgrades ηi des HP Kr = Enthalpiestrom des Kraftstoffes

-
realen Motors sind bestimmt durch:
unvollständige Verbrennung und Brennverlauf:
Das Abgas enthält noch Komponenten, die
weiter oxidiert werden können und somit noch
HP KWE = Enthalpiestrom des Kühlwassers (Eintritt)
HP KWA = Enthalpiestrom des Kühlwassers (Austritt)
HP Abg = Enthalpiestrom des Abgases

einen nicht in der Prozessführung genutzten


Heizwert repräsentieren. Außerdem weicht der 5.5.1 Bilanzgleichung
reale Brennverlauf von dem des Vergleichspro-

- zesses ab.
Undichtigkeiten, Wärmeverluste und Ladungs-
wechselverluste.
Bilanziert man die Stoff- und Energieströme, die den
Kontrollraum passieren, so ergibt sich:

HP Kr + HP Luft + HP KWE
Der innere Wirkungsgrad ηi des realen Motors kann (5.31)
aus der Indizierung von Hoch- und Niederdruck- = HP KWA + Pe + QP Rest + HP AbgT2
schleife gewonnen werden. Der weitere Schritt zum
effektiven Wirkungsgrad ηe erfolgt über die Berück- Die Energiedifferenz durch unterschiedliche Ge-
sichtigung weiterer Verluste wie zum Beispiel Rei- schwindigkeiten der Gasströme zwischen Ein- und
bungsverluste (Triebwerksreibung, Nebenaggregate, Austritt aus dem Motor wird vernachlässigt. Luft und
Hilfsantriebe etc.). Kraftstoff werden über einen chemischen Prozess zu
Abgas gewandelt. Zur Berechnung benutzt man die
Definition des Heizwertes:
5.5 Energiebilanz am Motor
HP 10 − HP 100
Hu = ; (5.32)
Wird ein Motor stationär betrieben, das heißt bei fest mP Kr
eingestelltem Betriebspunkt, so ist der Prozess als stati-
onärer Fließprozess zu betrachten, bei dem technische wobei HP 10der Enthalpiestrom des Unverbrannten bei
Arbeit verrichtet wird. Zur Darstellung einer Energie- der Temperatur T1 und HP 100 der Enthalpiestrom des
bilanz definiert man eine Systemgrenze und betrachtet Verbrannten (Abgas) bei der Temperatur T1 ist. Die
58 Kapitel 5  •  Thermodynamische Grundlagen

Temperatur T1 des Verbrannten wird erreicht durch Literatur


1 Rückkühlung des Verbrannten auf die Ausgangstem-
peratur. Die Enthalpieströme sind definiert zu:
Verwendete Literatur
2 HP 10 = HP Luft + HP Kr und HP 100 = HP AbgT1 (5.33) [1] Behr, H.D.: Thermodynamik. Springer, Berlin, Heidelberg,
New York (1989)

3 Damit folgt:
[2] Pischinger, R., Kraßnig, G., Taucar, G., Sams, T.: Thermody-
namik der Verbrennungskraftmaschine Die Verbrennungs-
kraftmaschine Neue Folge, Bd. 5. Springer, Wien (1989)
4 HP KWA − HP KWE + Pe + QP Rest + HP AbgT2
(5.34)
[3] Heywood, J.B.: Internal Combustion Engine Fundamentals.
McGraw Hill International Editions, New York (1988)
= Hu m
P Kr + HP AbgT1 [4] Schäfer, F.: Thermodynamische Untersuchung der Reak-
5 tion von Methanol-Luft-Gemischen unter der Wirkung von
oder Wasserstoffzusatz VDI Fortschrittberichte, Reihe 6, Ener-
gietechnik/Wärmetechnik, Bd. 120. VDI Verlag, Düsseldorf
6 Hu m
P Kr = HP KW + Pe + QP Rest + HP Abg (5.35) (1983)
[5] Eiglmeier, C., Merker, G.P.: Neue Ansätze zur phänomeno-
logischen Modellierung des gasseitigen Wandwärmeüber-
7 Dabei ist zu beachten, dass HP Abg die Enthalpiediffe-
renz zwischen Abgas bei der jeweiligen Abgastempe-
gangs im Dieselmotor. MTZ 61, 5 (2000)
[6] Bargende, M.: Ein Gleichungsansatz zur Berechnung der
ratur T2 und der Temperatur T1 ist. instationären Wandwärmeverluste im Hochdruckteil von
8 Aus der obigen Gleichung wird die Aufteilung der Ottomotoren, Dissertation. TH Darmstadt, 1990
durch den Kraftstoff beziehungsweise Heizwert zuge- [7] Woschni, G.: Die Berechnung der Wandwärmeverluste und
führten Energie deutlich. Sie teilt sich in die effektive der thermischen Belastung der Bauteile von Dieselmoto-
9 Leistung, die Restwärme, die Enthalpiedifferenz des ren. MTZ 31, (1970)
Kühlwassers und die des Abgases. [8] Mollenhauer, K.: Handbuch Dieselmotoren. Springer,

10 Die Enthalpie des Kühlwassers bestimmt sich mit: (1997)


[9] Heider, G., Woschni, G., Zeilinger, K.: 2-Zonen Rechenmo-
dell zur Vorausberechnung der NO-Emission von Diesel-
P KW  cW  .TKWA − TKWE /
HP KW = m (5.36)
11 motoren. MTZ 59, 11 (1998)
[10] Torkzadeh, D. D.; Längst, W.; Kiencke, U.: Combustion and
mit: Exhaust Gas Modeling of a Common Rail Diesel Engine – an
P KW = zeitlicher Kühlwasserdurchsatz
12 m
cW = spezifische Wärme des Wassers (4185 kJ/kg  K)
Approach, SAE 2001-01-1243
[11] Jungbluth, G., Noske, G.: Ein quasidimensionales Modell
TKW A = Temperatur des Kühlwassers bei Austritt zur Beschreibung des ottomotorischen Verbrennungsab-
13 TKW E = Temperatur des Kühlwassers bei Eintritt laufs, Teil 1 und Teil 2. MTZ 52, (1991)
[12] Stiech, G.: Phänomenologisches Multizonen-Modell der
Die Enthalpiedifferenz des Abgases bestimmt sich zu: Verbrennung und Schadstoffbildung im Dieselmotor VDI
14 Fortschrittberichte, Reihe 12, Verkehrstechnik/Fahrzeug-
technik, Bd. 399. VDI Verlag, Düsseldorf (1999)
HP Abg = mP Abg
[13] Ohyama, Y.; Yoshishige, O.: Engine Control Using a Real
15 (5.37)
 ˇ ˇ 
 cpAbg ˇ0 T2 − cpAbg ˇT0 1 T1
ˇT2 ˇ Time Combustion Model, SAE 2001-01-0256
[14] Basshuysen, R. van, Schäfer, F. (Hrsg.): Lexikon Motoren-
technik. Der Verbrennungsmotor von A–Z. Vieweg Verlag,
16 mit: Wiesbaden (2006)
mP Abg ˇ = Massenstrom des Abgases, [15] Zima, S.: Unveröffentlichte Darstellungen
cpAbg ˇT0 = mittlere spezifische Wärme des Abgases [16] Jordan, W.: Erweiterung des ottomotorischen Betriebsbe-
17 reiches durch Verwendung extrem magerer Gemische un-
Der Abgasmassenstrom ist: mP Abg = m
PL +mP Kr ter Einsatz von Wasserstoff als Zusatzkraftstoff, Dissertation

18 Die Restwärme, die im Wesentlichen die Strah- 1977, Universität Kaiserslautern


[17] Chmela, F., Orthaber, G., Schuster, W.: Die Vorausberech-
lungswärme, Wärmeleitung und Konvektion umfasst,
nung des Brennverlaufs von Dieselmotoren mit direkter
ist somit berechenbar, da alle anderen Größen aus
19 Messdaten berechnet werden können
Einspritzung auf der Basis des Einspritzverlaufs. MTZ 59, 7
(1998)
[18] Sams, T., Regner, G., Chmela, F.: Integration von Simulati-
QP Rest = Hu  m
P Kr − Pe − HP KWA − HP Abg (5.38)
20 onswerkzeugen zur Optimierung von Motorkonzepten.
MTZ 61, 9 (2000)
Literatur
59 5
[19] Barba, C., Burkhard, C., Boulouchos, K., Bargende, M.: Em-
pirisches Modell zur Vorausberechnung des Brennverlaufs
bei Common-Rail-Dieselmotoren. MTZ 60, 4 (1999)
[20] Codan, E.: Ein Programm zur Simulation des thermody-
namischen Arbeitsprozesses des Dieselmotors. MTZ 57, 5
(1996)
[21] Vibe, I.: Brennverlauf und Kreisprozess von Verbrennungs-
motoren. VEB Verlag Technik, Berlin (1970)
[22] Ramos, J.I.: Internal Combustion Engine Modelling. Hemis-
phere Publishing Corporation, New York (1998)
[22] Ferziger, J.H., Peric, M.: Computational Methods for Fluid
Dynamics. Springer, Berlin, Heidelberg, New York (1996)
[23] Kleinschmidt, W.: Der Wärmeübergang in aufgeladenen
Dieselmotoren aus neuerer Sicht 5. Aufladetechnische
Konferenz, Augsburg. (1993)
[23] Seiffert, H.: Instationäre Strömungsvorgänge in Rohrlei-
tungen an Verbrennungskraftmaschinen. Springer Verlag,
Berlin, Göttingen, Heidelberg (1962)
[24] Merker, G.P., Kessen, U.: Technische Verbrennung: Verbren-
nungsmotoren. Teubner Verlag, Stuttgart (1999)
[24] Merker, G., Schwarz, C., Stiesch, G., Otto, F.: Verbrennungs-
motoren Simulation der Verbrennung und Schadstoffbil-
dung. Teubner Verlag, (2004)

Weiterführende Literatur
[25] Schwaderlapp, M., Bick, W., Duesemann, M., Kauth, J.:
200 bar Spitzendruck, Leichtbaulösungen für zukünftige
Dieselmotorblöcke. MTZ 65, (2004)
61 6

Triebwerk
Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima, Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer,
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer

6.1 Kurbeltrieb – 62
6.1.1 Aufbau und Funktion  –  62
6.1.2 Kräfte am Kurbeltrieb  –  65
6.1.3 Tangentialkraftverlauf und mittlere Tangentialkraft  –  71
6.1.4 Massenkräfte – 73
6.1.5 Massenausgleich – 79
6.1.6 Innere Momente – 83
6.1.7 Kröpfungs- und Zündfolgen  –  85

6.2 Drehschwingungen – 86
6.2.1 Grundlagen – 86
6.2.2 Reduktion der Maschinenanlage  –  87
6.2.3 Eigenfrequenzen und Eigenschwingungsformen  –  88
6.2.4 Erregerkräfte, -arbeit und -amplituden  –  88
6.2.5 Maßnahmen zur Verringerung der Kurbelwellenausschläge  –  90
6.2.6 Zweimassenschwungräder – 91

6.3 Variabilität von Verdichtung und Hubvolumen  –  92


6.3.1 Variables Hubvolumen – 92
6.3.2 Variable Verdichtung – 93

Literatur – 97

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_6
62 Kapitel 6 • Triebwerk

6.1 Kurbeltrieb oberen Totpunkt; dabei legt er zweimal den Hub zu-
1 rück. Bei dieser Bewegung wird er beschleunigt und
6.1.1 Aufbau und Funktion verzögert. Die Triebwerksbewegung, das heißt die
2 Das Triebwerk – umgangssprachliche Bezeichnung für
jeweilige Stellung des Kolbens, wird durch den Kur-
belwinkel φ – den Winkel zwischen der Zylinderachse
den Kurbeltrieb – ist diejenige Funktionsgruppe der und der Kurbelkröpfung – beschrieben.
3 Hubkolbenmotoren, die eine Wirkungsgrad günstige Die Kolbenbewegung wird durch die Abhängigkeit
Umwandlung von oszillierender (hin- und hergehen- des Kolbenwegs vom Kurbelwinkel, s = f (φ), beschrie-
der) in drehende Bewegung und umgekehrt bewirkt. ben und ergibt sich aus den geometrischen Verhältnis-
4 Hinsichtlich Arbeitsausbeute, Wirkungsgrad und tech- sen (. Abb. 6.3).
nischer Realisierbarkeit wird mit ihm eine optimale r = Kurbelradius
5 Umsetzung thermodynamischer Prozesse ermöglicht, s = Kolbenweg
auch wenn dies mit einigen wesentlichen Nachteilen l = Pleuellänge

6
-
erkauft werden muss:
Begrenzung der Drehzahl – und damit der
Leistungs­entwicklung – durch freie Massen­
v = Kolbengeschwindigkeit
 = rl = Pleuelverhältnis
a = Kolbenbeschleunigung
7
8
- wirkungen,
ungleichmäßige Kraftabgabe, deren Beherr-
schung besondere Maßnahmen erfordert in
Gestalt von Mehrzylindertriebwerken, geeigneter
s0 = l + r (6.1)

sx = r  cos ' + l  cos (6.2)


Kröpfungs- und Zündfolge, Massenausgleich und

- Massenausgleichsgetrieben, s = s0 − sx (6.3)
9 Anregung zu Drehschwingungen, welche die
Kurbelwelle und den Antriebsstrang hoch bean- s = l + r − .r  cos ' + l  cos / (6.4)
10
- spruchen,
hohe Schwankungsbreite der Kraftverläufe im Der Zusammenhang zwischen dem Kurbelwinkel φ

11
- Vergleich zu den Nennwerten dieser Kräfte,
ungünstige Bauteilgeometrie bezüglich des Kraft-
und dem Pleuelschwenkwinkel ψ stellt sich wie folgt
dar:

12 - flusses mit hohen Spannungsspitzen,


hohe tribologische Beanspruchung.

Der Kurbeltrieb besteht aus Kolben mit Ringen, Kol-


= arctan p
  sin '
1 − 2  sin2 '
(6.5)

13
  
1
q
benbolzen, Pleuel (Pleuelstange), Kurbelwelle mit s = r  1 − cos ' +  1 − 1 − 2  sin2 ' (6.6)
Gegenmasse(n) (Gegengewichte), und den Lagern 
(Pleuelbuchse, Pleuellager, Kurbelwellengrundlager)
14 (. Abb. 6.1). Da der Wurzelausdruck in der Kolbenweg-Gleichung
Für die nachfolgenden Betrachtungen wird der umständlich zu handhaben ist, wird er durch eine
15 Kurbeltrieb auf seine kinematisch relevanten Teile
zurückgeführt. Die einzelnen Teile des Kurbeltriebs
Reihe ersetzt, die – schnell konvergierend – meist
schon nach dem zweiten Glied abgebrochen werden

16
-
führen verschiedene Bewegungen aus:
Der Kolben bewegt sich im Zylinder oszillie-
kann, weil sowohl λ als auch sin φ kleiner als 1 sind.

-- rend. p 1 1 1
1 + x = 1 + x − x2 + x3 − : : : (6.7)
Das Pleuel
17 mit dem kleinen Pleuelauge am Kolbenbolzen
2 8 16

-
x = −2  sin2 ' (6.8)
angelenkt, bewegt sich ebenfalls oszillierend,
18 das große Pleuelauge – am Hubzapfen ange-

-
lenkt – macht dessen Drehbewegung mit, Somit erhält man die vereinfachte Kolbenweg-Glei-
der Pleuelschaft schwingt in der Kurbelkreis­ chung (. Abb. 6.4):

-
19 ebene und  
die Kurbelwelle rotiert (. Abb. 6.2). 1 2
s = r  1 − cos ' +    sin ' (6.9)
20 Während einer Kurbelwellenumdrehung bewegt sich
2

der Kolben vom oberen zum unteren und wieder zum


6.1 • Kurbeltrieb
63 6

..Abb. 6.1  Triebwerk eines V8-Pkw-Ottomotors

oszillierende
Bewegung

oszillierende
Bewegung

Schwenk-
bewegung

..Abb. 6.3  Geometrische Verhältnisse am Kurbeltrieb

Rotation

Rotation

..Abb. 6.2  Bewegungen der Triebwerksteile

Ein Differenzieren nach der Zeit liefert die Kolben-


geschwindigkeit (. Abb. 6.5).
  ..Abb. 6.4 Kolbenweg s = f  (φ; λ) mit r = 50 mm
1
 = r  !  sin ' +    sin 2' (6.10)
2
64 Kapitel 6 • Triebwerk

15000
1 λ = 0,35
λ = 0,25
10000

Kolbenbeschleunigung [m/s2]
2
λ=0
5000
3 λ = 0,15

0
4 0 45 90 135 180

–5000
5
–10000
6 Kurbelwinkel [°]

..Abb. 6.5 Kolbengeschwindigkeit v = f  (φ; λ) mit ..Abb. 6.6 Kolbenbeschleunigung a = f (φ;λ) mit


7 r = 50 mm und ω = 400 1 /s r = 50 mm und ω = 400 1/s

8 Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist der Weg zahl; optimierter Innengeometrie (Einzug der

9
von zwei Hüben, der während einer Umdrehung zu-
rückgelegt wird, bezogen auf die dazugehörige Zeit
t = 1/n - Bolzenaugen, Verringerung des Augenabstandes),
belastungsoptimierte Kolbenbolzengeometrie
(zum Beispiel konische Innenbohrungen oder
sogenannte Formbolzen mit optimierter Außen-
10
-
m = 2  s  n (6.11) kontur),
Massenreduktion im Bereich des kleinen Pleu-
Zweifaches Differenzieren der Kolbenweggleichung elauges durch sogenannte Trapez- oder Stufen-
11 nach der Zeit ergibt die Kolbenbeschleunigung
(. Abb. 6.6):
- pleuel,
Klemmpleuel (ein im kleinen Pleuelauge einge-
schrumpfter Kolbenbolzen, dadurch Entfall der

-
12 a = r  ! 2  .cos ' +   cos 2'/ (6.12) Bolzensicherungsringe und der Lagerbuchse),
kleine Pleuelverhältnisse zur Reduktion der
13 Kolbenweg, -geschwindigkeit und -beschleunigung Massenkräfte 2. Ordnung (der harmonischen
werden durch das Pleuelverhältnis λ beeinflusst. Bei Schwingung überlagerter Anteil).
einer unendlich langen Pleuelstange (λ = 0) entfällt in
14 der Kolbenweggleichung das der rein harmonischen Mit Motorgröße und -belastung nehmen die Massen
Kosinus-Schwingung überlagerte Glied 12    sin2 ': deutlich zu; so beträgt die Masse des „nackten“ Kolbens
15 Je größer das Pleuelverhältnis λ, desto größer die Ab-
weichung von der harmonischen Bewegung. Große
des V8-Audi-Ottomotors 355 g [1], die des kompletten
Kolbens des Porsche Carrera 650 g [2].
Pleuelverhältnisse, das heißt relativ zum Hub kurze Durch Schränken beziehungsweise Desaxieren des
16 Pleuelstangen, verringern zwar die Motorhöhe, haben Kurbeltriebes kann der Bewegungsablauf des Kurbel-
aber wegen der stärkeren Schrägstellung der Pleuel- triebs im jeweils erwünschten Sinn verändert werden

17 stangen auch größere Reibungskräfte zur Folge. Heute


übliche λ-Werte für Fahrzeugmotoren liegen etwa zwi-
-
(. Abb. 6.7). Es gibt:
desaxierte Kurbeltriebe, bei denen der Kolben-

18
schen 0,2 bis 0,35.
Durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maß-
nahmen versucht man die oszillierenden Massen zu
verringern beziehungsweise sie trotz angehobener
- bolzen aus der Zylindermitte verschoben ist,
geschränkte Kurbeltriebe, bei denen die Kurbel-
wellenmitte aus der Zylindermitte verschoben ist.

19 Leistung nicht weiter ansteigen zu lassen, wie zum Möglich ist auch die Kombination von Schränkung

20 -
Beispiel:
Kolben mit reduzierter Kompressionshöhe und
Schaftlänge sowie reduzierten Kolbenringhöhen,
gegebenenfalls auch reduzierter Kolbenringan-
und Desaxierung. Durch das Schränken wird der Be-
wegungsablauf so verändert, dass die Strecklagen des
Triebwerkes nicht mehr in der Zylinderachse liegen,
der Kolbenweg nicht mehr symmetrisch zum unteren
6.1 • Kurbeltrieb
65 6

Totpunkt (UT) ist und die Kolbengeschwindigkeiten Desaxierung Schränkung


für Hin- und Rückhub unterschiedliche Werte anneh-
men. Je nachdem, ob die Schränkung auf der Druck-

Gegendruckseite

Gegendruckseite
oder Gegendruckseite liegt, ergeben sich unterschied-

D r u c k s e it e

Druckseite
liche Vorzeichen für die auf die Pleuellänge bezogene
Schränkung y, ausgedrückt als e [3, 4]. Kolbenweg, -ge-
schwindigkeit und -beschleunigung des geschränkten
Kurbeltriebs ergeben sich zu:

y
e=
l (6.13)
 
1
q
s = r  cos ' +  1 − .  sin ' + e/2
 (6.14)

2 3
cos '  .  sin ' + e/ 7
 = −r  !  4sin ' + q (6.15)
6
5
1 − .  sin ' + e/2

2
2   cos2 '  .  sin ' + e/2
a = −r  !  4cos ' + 3
Œ1 − .  sin ' + e/2  2 ..Abb. 6.7 Schränkung und Desaxierung des Kurbel-
3 triebs
  cos2 ' − sin '  .  sin ' + e/ 7
+ 7
wird experimentell ermittelt. Bei Fahrzeugdieselmoto-
rh i 5
2
(6.16) 1 − .  sin ' + e/
ren wendet man das thermische Desaxieren an – ein
2 3 Desaxieren zur Gegendruckseite. Dadurch hält sich der
cos '  .  sin ' + e/ 7 Kolben (innerhalb des Kolbenspiels) mehr in der Zy-
− r  !P  4sin ' + q
6
lindermitte, was sich günstig auf die Dichtwirkung der
5
1 − .  sin ' + e/2
Kolbenringe auswirkt und dem Ansatz von Ölkohle am
Feuersteg entgegenwirkt (. Abb. 6.8).
Die Gründe für Schränkung und Desaxierung sind
unterschiedlich. In der Frühzeit des Motorenbaus
schränkte man den Kurbeltrieb um Werte bis zu 1/10 6.1.2 Kräfte am Kurbeltrieb
des Hubes [3]. Damit sollte die Pleuelstange bei Durch-
gang durch den OT möglichst in Zylinderachsrichtung Die Kräfte im Kurbeltrieb eines Verbrennungsmotors
gehalten werden, um im Bereich der Zündung die Nor- rühren vom Gasdruck im Brennraum und von den
malkraft (Kolbenseitenkraft) und somit Belastung und Massenkräften her.
Verschleiß zu verringern. Heute wird die Schränkung Der Anteil der Gas- und der Massenkräfte an den
bei VR-Motoren (V-Motoren mit V-Winkeln zwischen
10 und 20°) mit Rücksicht auf den nötigen Freigang der
-
Triebwerkskräften hängt ab von:
thermodynamischem Prozess: Ottomotor/Diesel-
sich gegenüberliegenden Zylinder angewendet [4, 5].
Desaxieren in Druckrichtung (Richtung, in die sich
der Kolben im Expansionshub an die Zylinderlaufbahn -- - motor,
Auslegung des Motors: Saugmotor/ATL-Motor,
Lastpunkt im Kennfeld, zum Beispiel,

-
anlegt) bewirkt einen früheren Anlagewechsel des hohe Gaskraft, niedrige Massenkräfte,
Kolbens, wenn die Normalkraft weniger stark auf den niedrige Gaskraft, hohe Massenkräfte.
Kolben wirkt. Dabei legt sich der Kolben infolge sei-
ner Kippbewegung zuerst mit dem „weichen“ Unterteil Infolge der ungleichförmigen Arbeits- und -bewe-
(Kolbenhemd) an den Zylinder an, was zusätzlich den gungsabläufe des Hubkolbenmotors ändern die Kräfte
Aufprall mildert. Man spricht deshalb von Geräusch- im Triebwerk während eines Arbeitsspieles ihre Größe
Desaxierung. Das optimale Maß für die Desaxierung und Richtung.
66 Kapitel 6 • Triebwerk

Einfluss der Kolbenbolzendesaxierung ..Abb. 6.8 Kolben­


1 auf den Anlagewechsel nach Zünd-OT bolzendesaxierung

Bolzen zur GDS Bolzen nicht


2 desaxiert desaxiert

GDS DS GDS DS

3
Impuls groß Impuls klein
Buchse steif Buchse steif
4
Impuls klein Impuls groß
5 Buchse Buchse
nachgiebig nachgiebig

6 Kavitation gering Kavitation groß

Kurbelwellendrehrichtung
DS Druckseite
7 GDS Gegendruckseite

8 F Gas (▶ Abschn. 6.1.4, Massenkräfte). Den folgenden Be-


trachtungen liegen die Kräfte kurz nach Zünd-OT bei
einer Kurbelwellenstellung von etwa 30° nach OT zu
9 F Kolben osz Grunde (. Abb. 6.9).
Der sich durch die Verbrennung des Gemischs
10 aufbauende Gasdruck hängt in Höhe und Verlauf von

---
F Pleuel osz
verschiedenen Einflüssen ab, zum Beispiel:
thermodynamischem Prozess,
11 Verbrennungsverfahren,
Betriebspunkt im Kennfeld.
12 Der Gasdruck wird mit einer Prozessrechnung oder
F Pleuel rot
durch Messung (Indizieren) ermittelt (. Abb. 6.10).
13 Vereinfachend werden die oszillierenden Massen-
kräfte zu einer Kraft Fosz zusammengefasst. Diese ist
der auf den Kolben lastenden Gaskraft in dieser Posi-
14 tion entgegengesetzt gerichtet. Gas- und Massenkräfte
F Kurbelkrpfg. rot ergeben zusammen die Kolbenkraft FK.
15 FK = FGas + FKol osz + FPleu osz

FGas = p.'/  AK AK =  d 2 (6.17)
16 F Gegengew.
4
Fosz = −mosz  r  ! 2  .cos ' +   cos 2'/
..Abb. 6.9  Am Triebwerk wirksame Kräfte
17 mosz = .mKol osz + mPleu osz /

--
FK = p.'/  AKol
18 Am Triebwerk sind wirksam:
− r  ! 2  mosz  .cos ' +   cos 2'/
Gaskraft,

19
20
-
oszillierende Massenkraft,
rotierende Massenkraft.

Die Massenkraft durch die Schwenkbewegung des


Da die Pleuelstange, abgesehen von den Totpunkten,
eine von der Zylinderachsrichtung abweichende Stel-
lung einnimmt, muss die Kolbenkraft FK entsprechend
Pleuels wird vereinfachend auf die oszillierenden umgeleitet werden. Das hat die Stangenkraft FST und
und rotierenden Massenanteile des Pleuels aufgeteilt die normal, das heißt senkrecht zur Zylinderwand wir-
6.1 • Kurbeltrieb
67 6
..Abb. 6.10 Gasdruck- 100 % Leistung
160
verläufe eines aufgela-
denen Dieselmotors mit
Direkteinspritzung
Viertakt-Dieselmotor
120

Gasdruck im Zylinder [bar]


Abgasturboaufladung
86 %
Leistungspunkte
entsprechend einer
80 Fahrwiderstandskurve
71 %

40
48 %
39 %

0
300 360 420 480 540
Kurbelwellenstellung [°KW]

kende Normalkraft FN (andere Bezeichnung: Kolben-


seitenkraft) zur Folge (. Abb. 6.11 und 6.12).
FN
FK
FST =
cos (6.18)

FN = −FK  tan (6.19)


FST

Der Vorzeichenwechsel der Kolbenkraft und somit


FK
auch der Normalkraft FN bedeutet, dass diese mehr-
fach während eines Arbeitsspiels ihre Richtung ändert
(. Abb. 6.13).
Der Kolben wird von der einen auf die andere Seite
der Zylinderlaufbahn gedrückt (sogenannte Kolben­

-
sekundärbewegung) – mit unerwünschten Folgen:
Bei kaltem Motor macht sich das bei Leicht-
metallkolben durch ein lästiges Geräusch, das
Kolbenklappern, bemerkbar (reduzierbar durch ..Abb. 6.11  Aufteilung der Kolbenkraft

- sogenannte Regelkolben und/oder Desaxierung).


Nasse Zylinderbuchsen werden zu Schwingungen
angeregt, denen das Kühlmittel nicht mehr folgen lich die Kurbelkröpfung auf Biegung (. Abb. 6.17); sie

- kann, so dass es zu Kavitation kommen kann.


Die Stangenkraft FST greift in ihrer Wirkungs-
richtung am Hubzapfen an (. Abb. 6.14).
ist eine leistungslose oder Blindkraft.

FR = FST  cos.' + / = FK 
cos.' +
cos
/

(6.21)
Der Hubzapfen dreht sich unter der Wirkung der Stan-
genkraft auf dem Drehkreis des Kurbelradius weg, wo- Gemäß dem Gesetz von actio  =  reactio muss ein
bei die tangentiale Komponente der Stangenkraft, die dem Motornutzdrehmoment am Motorblock ent-
Tangentialkraft FT, mit dem Kurbelradius das Drehmo- gegengesetzt wirkendes Drehmoment auftreten, das
ment M ergibt (. Abb. 6.15 und 6.16). Reaktionsmoment MR. Dieses ergibt sich aus der
Normalkraft FN und dem sich mit der Kolbenstellung
sin.' + / ändernden Abstand b der Normalkraft von der Kur-
FT = FST  sin.' + / = FK  (6.20)
cos belwellenachse.
M = FT  r MR = FN  b
Die radiale Komponente, die Radialkraft FR, liefert kei- (6.22)
nen Beitrag zum Motordrehmoment; sie belastet ledig- b = r  cos ' + l  cos
68 Kapitel 6 • Triebwerk

1 FK
FST

S ta n g e n k r a ft F ST
Kolbenkraft F K

2
3
180 360 540 720 180 360 540 720

4
Kurbelwinkel [°}
Kurbelwinkel [°}

..Abb. 6.12  Verlauf der Kolbenkraft eines schnelllau-


5 fenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel
..Abb. 6.14  Verlauf der Stangenkraft eines schnell-
laufenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel

6
FN

7
Nor malkraftverlauf FN

8
180 360 540 720

9 Kurbelwinkel [°}

10
FR FT
11 ..Abb. 6.13  Verlauf der Normalkraft eines schnelllau-
fenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel

12 FST

Somit ergeben sich die Auflagerkräfte FA und FB aus ..Abb. 6.15  Aufteilung der Stangenkraft
13 dem Reaktionsmoment und ihren jeweils wirksamen
Hebelarmen (. Abb. 6.18).
Der Hubzapfen wird durch die Stangenkraft FST gen Winkel ihrer Wirkungsrichtung in der Reihenfolge
14 und durch die rotierende Massenkraft des Pleuels FPL rot des Kurbelwinkels aufträgt (. Abb. 6.20).
belastet. Geometrisch addiert, ergeben diese Kräfte die Hierbei ist zu beachten, dass Kurbelwinkel und
15 Hubzapfenkraft FHZ. Winkel der Kraftrichtung nicht identisch sind. Man
muss deshalb, will man den zeitlichen Verlauf der
v
uF + F2 Kräfte verfolgen, den Kurbelwinkel für die einzelnen
u 2
Pleu rot − 2  FST
16 FHZ = t ST
 FPleu rot  cos.' + /
(6.23) Punkte des Kraftverlaufs angeben. Oft ist es sinnvoll,
die Kräfte auf verschiedene Koordinatensysteme zu

17 Als Reaktion der Hubzapfenkraft FHZ wirkt die Pleuel-


-
beziehen (. Abb. 6.21).
Raum- (beziehungsweise gehäuse-)festes System

18
lagerkraft FPL auf das Pleuellager (. Abb. 6.19).

- (zum Beispiel Grundlagerkräfte)


Schalenfestes System (zum Beispiel Wirkung von

-
FPL = −FHZ (6.24) Kräften auf das Pleuellager)
Zapfenfestes System (zum Beispiel Wirkung der
19 Wenn sich Kräfte während eines Arbeitsspieles der Kräfte auf rotierende Zapfen)
Größe und der Richtung nach ändern – wie zum Bei-
20 spiel die Pleuellagerkraft, stellt man diese Kräfte in Po-
lardiagrammen dar, indem man sie unter dem jeweili-
Die Triebwerkskräfte werden über Grundlagerzapfen
und Grundlager auf das Kurbelgehäuse übertragen. Die
6.1 • Kurbeltrieb
69 6

FT MR
Tangentialkraft F T

FN

180 360 540 720

b r

Kurbelwinkel [°} FB

..Abb. 6.16  Verlauf der Tangentialkraft eines schnell-


M FT
laufenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel FA

FR a
R a d ia lk ra ft F R

..Abb. 6.18  Aktions-, Reaktionsmoment und Aufla-


gerkräfte

180 360 540 720

Kurbelwinkel [°}

..Abb. 6.17  Verlauf der Radialkraft eines schnelllau-


fenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel FPleuellager FPleuel rot

rotierende Massenkraft der Kurbelkröpfung FKR rot, die


Hubzapfenkraft FHZ beziehungsweise deren Kompo-
nenten FT, FR sowie FPleu rot, und die Kräfte der Gegen-
masse Fm geg („Gegengewichte“) ergeben zusammen
die Grundlagerkraft FGL (. Abb. 6.22). FHZ
v
u .FKW rot + FR + FPleu rot
u
FGL = t (6.25) FST
− Fm geg /2 + FT2

..Abb. 6.19 Hubzapfenkraft
Die rotierenden Massen der Kröpfung werden auf die
Hubzapfenachse bezogen. Die Kurbelwelle ist, abgesehen von Einzylin-
dermotoren, mehr als zweifach gelagert; sie stellt
mKröpf = mHubz + 2  mWange red (6.26) ein statisch unbestimmtes System dar. Angesichts
der Schwankung des Gasdruckes von Arbeitszyk-
rSchwpkt lus zu Arbeitszyklus, der Toleranzen der Massen,
mWange red = mWange 
r (6.27) der Verformung der Kurbelwelle, des Ölfilms und
der Nachgiebigkeit der Lagerung verzichtet man oft
Als Reaktion auf die Grundlagerkraft FGL tritt die auf eine (scheinbar) exakte Bestimmung der Auf-
gleich große, aber entgegengesetzt wirkende Grundla- lagerkräfte und betrachtet die Kurbelwelle als aus
gerzapfenkraft FGZ auf. Die Grundlagerkraft FGL teilt einzelnen Kröpfungen – gelenkig miteinander ver-
sich auf die beiden der Kurbelkröpfung benachbarten bunden – bestehend. Der Unterschied zwischen den
Grundlager auf. Ergebnissen des statisch unbestimmten und des als
70 Kapitel 6 • Triebwerk

Polardiagramm der Pleuellagerkraft ..Abb. 6.20 Po-


1 (schalenfest)
Viertakt-Dieselmotor
lardiagramm der
Pleuellagerkraft
eines schnelllaufenden
2 0°
360°
Viertakt-Dieselmotors
15° über ein Arbeitsspiel
720°

3 10°

330° 20° 30°
690° 300°
4 25° 0°

5 Der Kraftangriffs-
30° 20°

winkel ist nicht


35°
6
identisch mit
dem Kurbel-
40°
winkel 710°
300° 90°
7 660° 200°
420°
100°500°540° 225°
485° 610°
8 80°
455°
260°
270° 60°
630° 680° 450°
9 430°
675°
290°

415°

10 240°
385°
600° 335° 120°
380° 480°
11 Die Zahlen
an der Orts-
kurve der Pleuel-
lagerkraft geben 150°
12
210° 510°
den dazugehörigen 570° 180°
Kurbelwinkel an.
540°

13
..Abb. 6.21 Schalen-
und zapfenfeste Koordi-
14 natensysteme
x x

15
x

16 y y
x

17
18 y x
y x
Schalenfestes Diagramm Zapfenfestes Diagramm
19 Bezug der Kräfte auf ein in der
Bohrung (Schale) ruhendes
Bezug der Kräfte auf ein im Zapfen
ruhendes Koordinatensystem
Koordinatensystem

20
6.1 • Kurbeltrieb
71 6

FKR rot

FKR rot ..Abb. 6.23  Kraftfluss im Kurbelgehäuse

FHZ
FGegenmasse
nur einen Bruchteil der maximalen Tangentialkraft
FGL
(. Abb. 6.24).

Z'p
..Abb. 6.22 Grundlagerkraft 1
FTm =
'p
 FT .'/  d' (6.28)
0
statisch bestimmt angesehenen Systems ist gering,
und insbesondere für eine grundlegende Auslegung Um den Tangentialkraftverlauf zu vergleichmäßigen
vernachlässigbar. Die von jeder Kröpfung wirkenden und die Leistung zu erhöhen, baut man Motoren, von
Teil-Auflagerkräfte werden addiert und ergeben die Ausnahmen abgesehen, mehrzylindrig. Die Tangenti-
Gesamtlagerkraft. alkräfte (Drehkräfte) der einzelnen Zylinder addieren
Die Gaskraft, die den Kolben nach unten drückt, sich phasenverschoben entsprechend den Zündabstän-
versucht auch den Zylinderkopf abzuheben. Das wird den über die Kurbelwelle zur Gesamtdrehkraft an der
durch die Zylinderkopfschrauben verhindert, welche Kupplungsseite des Motors. Dadurch vergleichmä-
den Zylinderkopf auf dem Zylinderkurbelgehäuse fest- ßigt sich die Tangentialkraft, so dass schon bei einem
halten. Andererseits wirkt die Gaskraft über Kolben, sechszylindrigen Reihentriebwerk die Tangentialkraft-
Pleuel und Kurbelwelle auf die Kurbelwellengrundla- schwankung auf einen Bruchteil der eines Einzylinder-
ger. Diese werden von den Grundlagerbrücken (Grund- triebwerks gesunken ist (. Abb. 6.25).
lagerdeckel) und den Grundlagerschrauben gehalten. Der ungleichförmige Drehkraftverlauf hat
Somit schließt sich der Kraftfluss, wobei die Kurbel- Schwankungen der Drehzahl zur Folge, weil der Über-
gehäusezwischenwand dynamisch beansprucht wird schuss an Drehkraft FT(φ) über den Mittelwert FTm
(. Abb. 6.23). das Triebwerk beschleunigt, bei FT(φ)  < FTm wird es
verzögert. Die Schwankung der dem Triebwerk zuge-
führten Energie wird als Arbeitsschwankung WS be-
6.1.3 Tangentialkraftverlauf
und mittlere Tangentialkraft
Tangentialkraft FT

Mit den sich periodisch ändernden Gas- und Mas- mittlere


Tangentialkraft FTm
senkräften schwankt auch die Tangentialkraft (Dreh-
kraft). Die mittlere Tangentialkraft errechnet sich aus
dem Integral des Tangentialkraftverlaufs über ein Ar-
90 180 270 360 450 540 630 720
beitsspiel. Die von der Tangentialkraft und den Dia-
grammachsen eingeschlossene Fläche ist ein Maß für Kurbelwinkel °KW
die (indizierte oder innere) Arbeit Wi. Bezieht man
diese Arbeit auf die Länge des Arbeitsspiels φp, erhält ..Abb. 6.24  Tangentialkraftverlauf und mittlere
man die mittlere Tangentialkraft FTm. Diese beträgt Tangentialkraft
72 Kapitel 6 • Triebwerk

25 25 ..Abb. 6.25 Überlage-
1 20
Zylinder 1
20
Zylinder 1 + 2
rung der Tangentialkräf-
Tangentialkraft FT in [kN]

Tangentialkraft FT in [kN]
15 15 te eines Viertakt-Sechs-
zylinder-Reihenmotors
2 10
5
10
5
0 0
3 –5 –5
–10 –10
0 180 360 540 720 0 180 360 540 720
4 Kurbelwinkel [°] Kurbelwinkel [°]

Zylinder 1 + 2 + 3 Zylinder 1 + 2 + 3 + 4
5 25
Tangentialkraft FT in [kN]

20 Tangentialkraft FT in [kN] 25
20
6
15
15
10
10
5 5
7 0 0
–5 –5
–10
8 –10
0 180 360 540 720 0 180 360 540 720
Kurbelwinkel [°] Kurbelwinkel [°]

9 25
25
Tangentialkraft FT in [kN]

Tangentialkraft FT in [kN]

Zylinder 1 + 2 + 3 + 4 + 5 20 Zylinder 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6
20
15 15
10 10 10
5 5
0 0
11 –5 –5
–10 –10
0 180 360 540 720 0 180 360 540 720
12 Kurbelwinkel [°] Kurbelwinkel [°]

13
zeichnet. Mit dem Trägheitsmoment I des Triebwerks Je ruhiger der Motor laufen soll, desto kleiner muss
folgt: der Ungleichförmigkeitsgrad δ sein; insbesondere beim
14 Hochfahren des Motors unter Last wirkt sich der Un-
WS =
1 2
 I  .!max 2
− !min / gleichförmigkeitsgrad unangenehm aus, indem er die
15 2
1 (6.29)
Hilfsaggregate des Motors zu Schwingungen anregt.
=  I  .!max − !min /  .!max + !min /
2 !max − !min
16
ı= (6.31)
!m
1
!m = 2    n   .!max + !min / (6.30) 2 (6.32)
WS  I  ı  !m
17 2

Durch ein Schwungrad lässt sich die Drehzahl- WS WS


ı bzw: I  (6.33)
18 schwankung verringern. Das Schwungrad wirkt als 2
I  !m 2
ı  !m
Energiespeicher, der bei Tangentialkraftüberschuss
Energie speichert und im umgekehrten Fall wieder Die mittlere Tangentialkraft lässt sich auch aus der in-
19 abgibt. Je nach Art der vom Motor anzutreibenden neren Leistung des Motors bestimmen:
Maschine werden unterschiedliche Anforderungen
20 an den Gleichlauf gestellt. Die Drehzahlschwankung
wird durch den Ungleichförmigkeitsgrad δ angege-
Pi = AK  s  z  wi  n  i (6.34)

ben. Pi = Mi  ! ! = 2    n (6.35)
6.1 • Kurbeltrieb
73 6
s Das Triebwerk führt teils rotierende, teils oszillierende
Mi = FTm  r r=
2 (6.36) sowie Schwenkbewegungen aus. Zur Vereinfachung
der Berechnung reduziert man das Triebwerk auf zwei
AK  z  wi  ii Massenpunkte (. Abb. 6.26), in denen man sich die
FTm =
(6.37) oszillierenden und rotierenden Massen konzentriert

-

denkt:
1 auf den Anlenkpunkt des Pleuels am Kolben

-
wi = w e 
m (6.38) (Kolbenbolzenachse) und
auf den Anlenkpunkt des Pleuels an der Kurbel-
Pe = FTm  r  2    n  m (6.39) welle (Hubzapfenachse).

AK = Kolbenfläche Das Pleuel führt auch eine Schwenkbewegung durch,


r = Kurbelradius die gleichfalls Massenkräfte zur Folge hat. Vereinfa-
s = Hub chend, aber mit ausreichender Genauigkeit, kann die
z = Zylinderzahl im Schwerpunkt schwenkende Masse auf die beiden
Pe = effektive Leistung Anlenkpunkte bezogen werden. Dazu wird die Masse
wi = indizierte spezifische Arbeit des Pleuels umgekehrt proportional zu den jeweiligen
we = effektive spezifische Arbeit Schwerpunktabständen (a, b) in einen oszillierenden
i = Taktzahl und in einen rotierenden Teil aufgeteilt, so dass der
ηm = mechanischer Wirkungsgrad Schwerpunkt des Pleuels erhalten bleibt. Bei Pleuel-
stangen für Kfz-Motoren entspricht das in etwa einem

-
Die Kurbelwelle wird beansprucht durch:
das Nutz- oder Arbeitsdrehmoment aus der
mittleren Tangentialkraft, das sich von Kröpfung
Verhältnis von 1/3 (oszillierende Masse) zu 2/3 (rotie-
rende Masse).

- zu Kröpfung aufaddiert, a
das pulsierende Drehmoment, wie es sich durch
mPleu osz =
l
 mPleu
(6.40)
den stark schwankenden Verlauf der Tangenti-
alkraft ergibt. Die Drehkräfte der einzelnen Zy- b
linder addieren sich entsprechend ihrer Phasen-
mPleu rot =
l
 mPleu
(6.41)
verschiebung (Zündabstand); zur Kupplungsseite
hin vergleichmäßigt sich zwar das pulsierende
Drehmoment, maßgeblich für die Kurbelwellen-
oszillierende
Beanspruchung ist aber die Schwankungsbreite

-
Massen von
an den einzelnen Kröpfungen, Kolben und Pleuel
die Drehschwingungen, welche zu zusätzlichen mosz
Drehmomenten in der Kurbelwelle führen. Diese
Schwingungsmomente können ein Mehrfaches
der anderen Momente betragen.
l
φ ψ
6.1.4 Massenkräfte

An Hubkolbenmotoren treten Massenwirkungen auf,


die von den Bewegungen der Triebwerksteile herrüh-

-
mrot
ren. Massenkräfte haben ambivalenten Charakter: φ
zum einen sind sie unerwünscht, weil sie zu-
sätzliche Beanspruchungen hervorrufen und die r
Leistungsentwicklung der Hubkolbenmotoren

-
rotierende
beeinträchtigen, Massen von
zum anderen vergleichmäßigen sie die Kraftab- Pleuel und
Kurbelwelle
gabe des Triebwerks, indem sie Kräfte aus
Gasdruckspitzen kompensieren und somit Kräfte ..Abb. 6.26  Reduktion des Kurbeltriebs auf zwei
und Beanspruchungen verringern. Massenpunkte
74 Kapitel 6 • Triebwerk

resultierende ..Abb. 6.27 Resultie-
1 oszillierende Massenkraft rende oszillierende Mas-
senkraft am Einzylinder-
Triebwerk
2 oszillierende oszillierende
Massenkraft Massenkraft
1. Ordnung 2. Ordnung
3
90 270

4
Kraft

0 180 360
Kurbelwinkel [°]
5
6
7
Diese Massenkräfte und die von ihnen hervorgerufe- wobei sie im Laufe des Kolbenhubs Größe und
8 nen Massenmomente wirken sich nach außen als freie Vorzeichen (Richtung) ändern:
Kräfte und freie Momente aus, die das Kurbelgehäuse
in waagerechter und senkrechter Richtung hin und her Fosz = mosz  ! 2  r  .cos ' +   cos 2'/ (6.43)
9 zu bewegen versuchen; außerdem führen sie zu Kipp-
bewegungen um die Motorachsen. Diese freien Kräfte Fosz = mosz  ! 2  r  cos '
10 und Momente können mehr oder weniger – mit ent-
sprechendem Aufwand sogar vollständig – durch Ge- + mosz  ! 2  r    cos 2' (6.44)

11
12
genmassen (Gegengewichte), durch Ausgleichwellen
beziehungsweise -getriebe oder/und durch entspre-
chende Zahl und Anordnung von Kröpfungen ausge-
glichen werden, so dass der Motor nach außen hin in
- Massenkraft 1. Ordnung: Unter einer Ordnung
versteht man in diesem Zusammenhang „die
Häufigkeit, mit der ein Ereignis im Verhältnis
Ruhe verharrt. zur Kurbelwellendrehzahl auftritt“. Die Mas-
senkraft 1. Ordnung ändert ihre Größe mit
13 6.1.4.1 Massenkräfte am Einzylinder-
Triebwerk
Kurbelwellenfrequenz – daher „1. Ordnung“
– und während einer Umdrehung zweimal die
Am Triebwerk treten eine rotierende Massenkraft auf Richtung.
14 und oszillierende Massenkräfte 1. und höherer Ord-
nungen. Insbesondere bei üblichen Nenndrehzahlen FIosz = mosz  ! 2  r  cos ' (6.45)
15
16
berücksichtigt man die oszillierenden Massenkräfte

-
nur bis einschließlich der 2. Ordnung.
Rotierende Massenkraft: Die rotierende Mas-
senkraft ist eine Fliehkraft; ihr Betrag ist – bei
- Massenkraft 2. Ordnung: Ihr Größtwert beträgt
nur den λ-fachen Teil der oszillierenden Mas-
senkraft 1. Ordnung; sie ändert mit doppelter
konstanter Motordrehzahl – von gleich blei- Kurbelwellenfrequenz ihre Größe und während
bender Größe, aber sich mit dem Kurbelwinkel einer Umdrehung viermal die Richtung.
17 ändernder Richtung. Die rotierende Massenkraft
läuft mit Kurbelwellenfrequenz um. Ihre Orts- FIIosz = mosz  ! 2  r    cos 2' (6.46)
18 kurve ist ein Kreis.
Die Kurvenverläufe der oszillierenden Massenkräfte 1.
und 2. Ordnung addieren sich zur resultierenden oszil-
19 Frot = mrot  ! 2  r (6.42) lierenden Massenkraft (. Abb. 6.27).

20 - Oszillierende Massenkräfte: Die oszillierenden


Massenkräfte wirken in Zylinderachsrichtung,
Diese Gesamtmassenkraft für einen Zylinder er-
gibt sich aus der vektoriellen Addition der rotierenden,
der oszillierenden Massenkräfte  1. und 2.  Ordnung,
6.1 • Kurbeltrieb
75 6

oszillierende
Massenkraft V-Winkel δ
2. Ordnung
A B
oszillierende
Massenkraft
1. Ordnung

rotierende
Massenkraft

φ φ
B

φ
A

..Abb. 6.28 Ortskurve der resultierenden Massen-


..Abb. 6.29  Bezeichnung der Kurbelwinkel am V-
kraft am Einzylinder-Triebwerk
Triebwerk

gegebenenfalls noch der Kräfte höherer Ordnung


(. Abb. 6.28). - Die resultierende oszillierende Massenkraft
1. Ordnung ergibt sich durch vektorielle Addi-
tion der Massenkräfte der beiden Zylinder A
6.1.4.2 Massenkräfte am und B. Zählt man den Kurbelwinkel φ der
Zweizylinder-V-Triebwerk Kurbelkröpfung von der Halbierenden des V-
Wirken zwei unter einem Winkel δ (. Abb. 6.29) zuei- Winkels aus, dann ist (bei Rechtsdrehung) der
nander geneigte Zylinder gemeinsam auf eine Kurbel- Kurbelwinkel des Zylinders A: φA = φ + (δ/2)
kröpfung (V-Motor), dann addieren sich die Massen- und der des Zylinders B: φB = φ − (δ/2). Zwi-
kräfte beider Zylinder vektoriell. schen den oszillierenden Massenkräften der
Die Ortskurve der rotierenden Massenkräfte bei- Zylinder A und B besteht ein Laufzeitunter-
der Zylinder ist ein Kreis, die Ortskurven der oszillie- schied von der Größe des V-Winkels δ.
renden Massenkräfte können – abhängig vom V-Win-  
kel δ und der Ordnung der betrachteten Kraft – Kreise, ı

--
FI oszA = FI  cos ' +
2 (6.49)
Ellipsen und Geraden bilden (. Abb. 6.30).
Rotierende Massenkraft  
Die resultierende rotierende Massenkraft ı
FI oszB = FI  cos ' −
2 (6.50)
ist wie beim Einzylinder-Triebwerk ein mit
Kurbelwellendrehzahl umlaufender Vektor
(6.51)
konstanter Größe. Die rotierende Masse setzt FI = mosz  r  ! 2
sich aus den rotierenden Massen der beiden r
Pleuel und der rotierenden Masse der Kurbel- ı
FI osz res = 2  FI  cos ı  cos2 ' + sin4 (6.52)
kröpfung zusammen; ihre Ortskurve ist ein 2
Kreis.
Grafisch lässt sich die Resultierende so bestimmen,
FV2rot = mV2  ! 2  r (6.47) dass man die Kurbelwellen-Kröpfung in ihrer jewei-
ligen Lage durch einen Zeiger der Größe FI darstellt.
mV2 = 2  mPleu rot + .mKW rot − mm geg / (6.48) Diesen Zeiger projiziert man auf die Zylinderachsen A

- Oszillierende Massenkraft 1. Ordnung


und B. Die so ermittelten Momentanwerte der Massen-
kräfte der beiden Zylinder werden vektoriell addiert
76 Kapitel 6 • Triebwerk

V-Winkel δ p
1 FII osz res = 2  FII
v
u 2
A B u cos 2'  .cos 2ı + cos ı/
2 t
+ sin2 ı  .1 − cos ı/
(6.58)

3 Grafisch lässt sich die Resultierende ermitteln, indem


2.0 man die Momentanwerte der oszillierenden Massen-
kräfte 2. Ordnung für die Zylinder A und B bestimmt
4 1.0
und vektoriell addiert. Den Momentanwert für den Zy-
0 0° linder A bekommt man, indem man von der Zylinder-
5 45°
30° achse A den Massenkraftzeiger FII unter dem Winkel
1. Ordnung
φA = 2φ + δ aufträgt und auf die Zylinderachse A pro-
80°
jiziert. Den Momentanwert für den Zylinder B erhält
6 90°
man durch Auftragen des Zeigers FII unter dem Winkel
120° φB = 2φ − δ, nun aber von der Zylinderachse B gezählt,
V-Winkel δ 135°
7 150° und Projizieren auf die Achse des Zylinders B.
180° 6.1.4.3 Massenkräfte
1.0
8 und Massenmomente
bei Mehrzylinder-Triebwerken
0.5
Die Massenkräfte an den einzelnen Kröpfungen ha-
9 0
2. Ordnung ben entsprechend ihren Abständen vom Bezugspunkt
Momente – Massenmomente – zur Folge. Kräfte und
10 ..Abb. 6.30  Ortskurven der freien Massenkräfte von
V-Triebwerken abhängig vom V-Winkel
Momente sind vektorielle Größen, so dass die Kraft-
und Momentenvektoren der einzelnen Kröpfungen
zu resultierenden Kräften und Momenten aufaddiert
11 werden können. V-Motoren stellen triebwerksme-
und ergeben den resultierenden Massenkraftvektor chanisch zwei um den V-Winkel zueinander geneigte
1. Ordnung (Fosz 1 res) (. Abb. 6.31). Reihentriebwerke dar. Man kann die Massenwirkung

--
12 jeweils einer Motorreihe bestimmen und sie dann mit
Oszillierende Massenkraft 2. Ordnung der anderen – um den V-Winkel phasenverschoben
13 Die resultierende oszillierende Massenkraft – addieren, oder aber die Resultierenden der im V ge-
2. Ordnung setzt sich ebenfalls aus den Mas- genüberliegenden Triebwerke wie beim Reihentrieb-
senkräften von Zylinder A und B zusammen. werk zusammensetzen. Die Massenwirkungen sind
14 Da sich die oszillierende Massenkraft 2. Ord- durch die Lage der jeweiligen Kröpfungen bestimmt

15
nung mit doppelter Kurbelwellenfrequenz
ändert, ergeben sich für die Zeigerdrehwinkel
die doppelten Werte der 1. Ordnung. Der
Betrag hat den λ-fachen Teil der Massenkraft
-
(. Abb. 6.32).
Massenkräfte. Die rotierenden Kräfte wirken in
Kröpfungsrichtung, die oszillierenden werden
durch gegensinnig umlaufende Zeiger dargestellt,
16 1. Ordnung. so dass durch die Projektion der Kurbelkröp-
fungen die Richtungen der Massenkraftvektoren
'A = 2  ' + ı (6.53) vorgegeben sind. Bei dem so entstandenen Kröp-
17 fungs- oder Kurbelstern wählt man als Bezug oft
'B = 2  ' − ı (6.54) die erste Kröpfung (je nach Festlegung von der
18 FII osz A = FII  cos.2' + ı/ (6.55)
Kraftabgabeseite oder Gegenkraftabgabeseite
gezählt) in OT-Stellung. Die Lage der folgenden
Kröpfungen ist durch den jeweiligen Kröpfungs-
19
-
FII osz B = FII  cos.2' − ı/ (6.56) abstand (Kröpfungswinkel) festgelegt.
Bei der oszillierenden Massenkraft 2. Ord-
FII =   mosz  ! 2  r (6.57)
20 nung bedient man sich des Kröpfungssterns
2. Ordnung, den man erhält, indem man die
6.1 • Kurbeltrieb
77 6
..Abb. 6.31 Ortskur-
ve der oszillierenden
Massenkraft 1. Ordnung
eines 2-V-60°-Triebwerks

Kröpfungen jeweils unter dem doppelten seiner Wirkebene, das heißt senkrecht zu seiner

- Kröpfungswinkel anordnet.
Massenmomente. Der Momentenvektor steht
senkrecht auf seiner Wirkungsebene. Das
Vorzeichen hängt von der Lage der betrachteten
Kröpfung, steht, eilt der Momentenstern dem
Kurbelstern um 90° nach. Man kann deshalb
die Momentenvektoren in Kröpfungsrichtung
zeichnen und den Vektor des resultierenden
Kröpfung bezüglich des gewählten Bezugspunk- Momentes um 90° entgegen dem Uhrzeigersinn
tes ab; es muss deshalb entsprechend berücksich- zurückstellen. Bei V-Motoren fasst man die
tigt werden. In der Ansicht des Momentensterns Massenkräfte der beiden auf eine Kröpfung wir-
zeigen die Vektoren der Momente, die von kenden Zylinder zusammen und bestimmt mit
Kräften links des Bezugspunktes herrühren, vom
Kurbelwellen-Mittelpunkt weg, bei Momenten
rechts des Bezugspunktes zum Mittelpunkt
hin. Weil der Momentenvektor senkrecht auf
- diesen das Massenmoment.
Rotierende Massenmomente. Die Massen-
momente ergeben sich aus der rotierenden
Massenkraft und dem jeweiligen Abstand von
78 Kapitel 6 • Triebwerk

2a kkRotierendes Massenmoment
1 2a Die Kröpfungsabstände im Kröpfungsstern 1.  Ord-
a nung betragen
2
a
5
4 ˛1 = 0 ˛2 = 216ı
1

3 1 2
3
2 ˛3 = 144ı (entfällt, weil die Kröpfung im
1 3
72°
288° 144° Schwerpunkt liegt)
4 5 4 216°
72°
288° 144° 5 4 ˛4 = 72ı ˛5 = 288ı
Kröpfungsstern
5 1. Ordnung 216°
Kröpfungsstern Unter Berücksichtigung der Vorzeichen (Vorzei-
2 3 2. Ordnung
chenumkehr entspricht +180°) der Momente der ein-
6 ..Abb. 6.32  Schema Kröpfungssterne eines 5-Zylin- zelnen Kröpfungen ergeben sich die Wirkrichtungen
der-Reihenmotors (Zündfolge 12453) der Momente (. Abb. 6.33):
7
'1 = 0 '2 = 216ı
der Bezugsebene. Sie werden entsprechend dem
8
- -
'3 entfällt '4 = 72ı .+180ı / = 252ı
Kröpfungsstern geometrisch addiert.
Oszillierende Massenmomente. '5 = 288ı .+180ı /468ı bzw: 108ı
Oszillierende Massenmomente 1. Ordnung
9 Die Vektoren der oszillierenden Massen- Frot = mrot  r  ! 2
momente 1. Ordnung werden in Richtung
10 des Kröpfungssterns 1. Ordnung aufgetra-
X
MX = a  Frot .2  sin 0ı + sin 216ı
gen. Nach der Vektoraddition wird der sich
ergebende Momentenvektor auf die Zylin- + sin 252ı + 2  sin 108ı /
11 derachse projiziert, weil die oszillierenden X
MX = a  Frot  0;363
Kräfte nur in Zylinderachsrichtung wirken.
Diese Projektion wird um 90° entgegen dem
12 Uhrzeigersinn verdreht; das ist dann das X
resultierende oszillierende Massenmoment MY = a  Frot  .2  cos 0ı /
13
-
1. Ordnung.
Oszillierende Massenmomente 2. Ordnung X
MY = a  Frot  0;264
Mit den oszillierenden Massenmomenten
14 2. Ordnung wird genauso verfahren, lediglich
q
Mrot res = a  Frot  0;3632 + 0;2642
dass nun der Kröpfungsstern 2. Ordnung zu
15 Grunde gelegt wird. = a  Frot  0;4488

6.1.4.4 Beispiel 0;363


16
tan ı = = 1;375ı = 54ı
(Fünfzylinder-Reihenmotor) 0;264
Zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge wird die
Kurbelwelle eines Fünfzylinder-Reihenmotors grafisch kkOszillierendes Massenmoment 1. Ordnung
17 und analytisch untersucht. Es wird ein sogenannter ho- Die Wirkrichtungen der Vektoren sind dieselben wie

18 -
mogener Motor vorausgesetzt:
gleiche Massen der Triebwerksteile aller Kröp-
bei den rotierenden Massenmomenten (. Abb. 6.34)
und somit auch der Rechenweg:

19 - fungen,
gleiche Zylinderabstände a.

In diesem Beispiel wird als Bezugspunkt der Motor-


F1 = mosz  r  ! 2

Mosz max = a  F1 
q
0;3632 + 0;2642
20 schwerpunkt gewählt, der in der Mitte des Motors in
Kurbelwellenachse liegt. = a  F1  0;4488
6.1 • Kurbeltrieb
79 6
Kröpfungsstern 1. Ordnung Kröpfungsstern 1. Ordnung

1 MZyl 1 MZyl 1
1

MZyl 1 MZyl 1
5 MZyl 5 4 MZyl 5
5 MZyl 4 4
MZyl 4 108° 108°
MZyl 4
MZyl 2 MZyl 4
MZyl 2 MZyl 2
252° MZyl 2
MZyl 5 252° MZyl 5
216° 216°

2 3 3
2
MZyl 2 MZyl 2
MZyl 1 MZyl 1
MZyl 4 MZyl 4

MZyl 5
MZyl 5
1
1 Vektoren M*osz 1 res 5 4
Mrot res
Mres 5 4 vergrößert Mosz 1 max
dargestellt Mosz 1 res 2 3
4 2 3 4 5
3 5 3
2 2
1
1
..Abb. 6.34  Ermittlung des resultierenden oszillieren-
..Abb. 6.33  Ermittlung des resultierenden rotieren-
den Massenmomentes 1. Ordnung
den Massenmomentes
X
0;363 MY = a  F2  .2  cos 0ı + cos 72ı
tan ı = = 1;375 ı = 54 ı
0;264 + cos 324ı + 2  cos 36ı /
X
MX = a  F2  1;539
kkOszillierendes Massenmoment 2. Ordnung
Die Kröpfungsabstände im Kröpfungsstern 2.  Ord- X
MY = a  F2  4;736
nung betragen q
Mosz max = a  F2  1;5392 + 4;7362
˛1 = 0˛2 = 72ı
= a  Frot  4;98
˛3 = 288ı entfällt ˛4 = 144ı
˛5 = 216ı 1;539
tan ı = = 0;325 ı = 18ı
4;736
Wiederum unter Berücksichtigung der Vorzeichen der
Momente der einzelnen Kröpfungen ergeben sich die
Wirkrichtungen (. Abb. 6.35). 6.1.5 Massenausgleich

c'1 = 0'2 = 216 Unter Massenausgleich versteht man den Ausgleich


konstruktiv bedingter Unwuchten; den Ausgleich
'3 entfällt '4 = 144 .+180/ = 324
ı ı
fertigungsbedingter Unwuchten bezeichnet man als
'5 = 216ı .+180/ = 396ı bzw: 36ı Auswuchten.

F2 =   mosz  r  ! 2 6.1.5.1 Ausgleich am Einzylinder-


Triebwerk
Die rotierende Massenkraft lässt sich durch
X
MX = a  F2 .2  sin 0ı + sin 72ı
Gegenmasse(n) ausgleichen, wobei die Bedingung er-
+ sin 324ı + 2  sin 36ı / füllt sein muss, dass sich das statische Moment (Pro-
80 Kapitel 6 • Triebwerk

1
2
3
4
5
6
7
8
9 ..Abb. 6.35  Ermittlung des resultierenden, oszillie-
renden Massenmomentes 2. Ordnung

10 dukt aus Masse und Abstand von der Drehachse) der


rotierenden Massen und der Ausgleichsmasse(n) ent- ..Abb. 6.36  Ausgleich oszillierender Kräfte mittels
11 sprechen. umlaufender Massen

FAusgl = Frot (6.59) gleichsmasse so, dass die Komponente in Zylinderachs-


12 richtung der oszillierenden Massenkraft entspricht;
mAusgl  rAusgl = mrot  r
dann ist diese zwar ausgeglichen – allerdings um den
13 mAusgl = mrot 
r
rAusgl
Preis einer freien Komponente quer zur Zylinderachse
(6.60) (. Abb. 6.36).

14 Bei Aufteilung der Ausgleichsmasse auf zwei Gegen-


gewichte gilt: FAusgl = mAusgl  r  ! 2 (6.62)
15 1 r XAusgl = mAusgl  r  ! 2  sin ' (6.63)
mAusgl =  mrot  (6.61)
2 rAusgl
16 YAusgl = mAusgl  r  ! 2  cos ' (6.64)
Um die Ausgleichsmassen klein zu halten, muss man
sie in möglichst großem Abstand von der Drehachse Bessere Verhältnisse ergeben sich, wenn man die os-
17 (Kurbelwellenachse) anbringen; dem sind jedoch zillierende Massenkraft 1. Ordnung nicht vollständig
durch bauliche Gegebenheiten enge Grenzen gesetzt. ausgleicht. Da das Kurbelgehäuse in Hochrichtung (Y-
18 Grundsätzlich soll der Massenausgleich möglichst ein Richtung) steifer ist als in Querrichtung (X-Richtung),
großes statisches Moment und ein kleines Trägheits- verzichtet man auf einen vollständigen Ausgleich
moment haben. der oszillierenden Massenkraft 1.  Ordnung, um die
19 Oszillierende Massenkräfte lassen sich ebenfalls freie X-Komponente nicht zu groß werden zu lassen,
durch umlaufende Gegenmassen ausgleichen, denn und gleicht sie meist nur zu 50 % aus. Die Massenkraft
20 deren Kraftvektor setzt sich aus Komponenten in
Zylinderachsrichtung (Y-Richtung) und quer dazu
2. Ordnung lässt sich aufgrund ihrer doppelten Fre-
quenz nicht mittels einer mit Kurbelwellendrehzahl
(X-Richtung) zusammen. Wählt man nun die Aus- umlaufenden Masse ausgleichen.
6.1 • Kurbeltrieb
81 6

Den vollständigen Ausgleich der rotierenden


Massenkraft Frot und den 50 %gen Ausgleich der os-
zillierenden Massenkraft 1. Ordnung bezeichnet man
als Normalausgleich – er wurde schon im 19. Jahr-
hundert bei den Triebwerken von Dampflokomoti-
ven angewendet. Der Massenausgleich ausgeführter
Pkw-Motoren liegt im Bereich von 50 bis 60 % der
oszillierenden und 80 bis 100 % der rotierenden Mas-
senkräfte.

mAusgl  rAusgl = .˛1  mrot + ˛2  mosz /  r (6.65)

mNormausgl = .1  mrot + 0;5  mosz /


r

rAusgl (6.66)

Vollständig ausgleichen lassen sich die oszillierenden


Massenkräfte 1. und auch 2. Ordnung, wenn man je
Ordnung zwei gegensinnig umlaufende Ausgleichs-
massen der halben Größe der jeweils wirkenden oszil-
lierenden Massen in symmetrischer Anordnung zur
Motorhochachse vorsieht. Dann gleichen die beiden
Komponenten in Zylinderachsrichtung die oszillie- ..Abb. 6.37  Vollständiger Ausgleich der Massenkräfte
rende Massenkraft aus; die beiden Komponenten 1. Ordnung
quer zur Zylinderachse heben sich gegenseitig auf
(. Abb. 6.37).
Um einen Ausgleich 2. Ordnung zu erhalten, müs-
-
Kriterien für die Kröpfungsfolge sind:
Keine oder möglichst geringe freie Massenwir-
sen die Gegenmassen mit doppelter Kurbelwellendreh-
zahl umlaufen und um das Pleuelverhältnis λ kleiner
sein. - kungen.
Es dürfen durch den Massenausgleich keine
zusätzlichen Momente, durch den Momentenaus-

6.1.5.2 Ausgleich am Mehrzylinder-


Triebwerk
Fahrzeugmotoren werden mehrzylindrig, das heißt
- gleich keine zusätzlichen Massenkräfte auftreten.
Gleichmäßige Zündabstände.

Freie Massenmomente 1.  Ordnung lassen sich durch


mit 3 bis 12 (16) Zylindern gebaut, meist als 3-, 4-, eine mit Kurbelwellendrehzahl gegensinnig umlaufende
5- und 6-Zylinder-Reihen- und als V6-, V8- und V12 Welle mit zwei Gegenmassen von entsprechender Größe
(V16)-Motoren sowie als VR5- und VR6-Motoren. und Längenabstand ausgleichen (Momentenausgleichs-
Diese Motoren haben 3-, 4-, 5- und 6-(8-)hübige Kur- getriebe). Die Anordnung im Motor ist frei wählbar. Der
belwellen, so dass sich bei entsprechender Anordnung Antrieb erfolgt durch Zahnräder oder Ketten; oft verbin-
die Massenwirkungen der einzelnen Kröpfungen ge- det man damit den Ölpumpenantrieb. Für den Ausgleich
genseitig ganz oder teilweise aufheben können (Selbst- von Momenten 2. Ordnung läuft das Ausgleichsgetriebe
ausgleich). Zu diesem Zweck sind die Kröpfungen in mit doppelter Kurbelwellendrehzahl (. Abb. 6.38).
Umfangsrichtung und in Längsrichtung gleichmäßig

-
zu verteilen:
Bei zentralsymmetrischen Wellen (gleiche Kröp-
fungsabstände über den Umfang) gleichen sich -
Für die Kurbelwellen von Viertaktmotoren gilt:
2-hübige Welle: Für 2-Zylinder-4-Takt-Reihen-
motoren lassen sich alle drei zuvor genannten

- die freien Kräfte gegenseitig aus.


Zentral- und längssymmetrische Anordnung der
Kröpfungen einer Viertaktmotoren-Welle haben
keine freien Kräfte und Momente 1. Ordnung; ab
Kriterien gleichzeitig nur mit konstruktiv aufwän-
digen Ausgleichsmechaniken erfüllen. Bei Wellen
mit um 180° versetzten Kröpfungen treten keine
Massenkräfte 1. Ordnung sowie keine Momente
sechs Hüben sind die Wellen völlig kräfte- und 2. Ordnung auf; es lassen sich aber nur im 2-Takt-
momentenfrei. Verfahren gleiche Zündabstände erzielen. Gleiche
82 Kapitel 6 • Triebwerk

1
2
3
4
5
6
7
8 Ölpumpenantrieb

9 ..Abb. 6.38  Momentenausgleichsgetriebe Audi V6

..Abb. 6.39  Kurbeltrieb eines BMW 2-Zylinder-Rei-


10 Zündabstände im 4-Takt-Verfahren – auch als
henmotors mit Ausgleichsmechanik [6]

Voraussetzung für ausgewogene Ladungswechsel


11 – sind nur durch Kurbelwellen ohne Hubzapfen- Wegen der hohen Umfangsgeschwindigkeiten der
versatz (Kröpfungen um 0° beziehungsweise 360° Lagerzapfen dieser Ausgleichsgetriebe – immerhin
versetzt) zu realisieren, die gleichzeitig die Mo- bis 14 m/s – müssen Lagerung und Antrieb sorgsam
12 mente 1. und 2. Ordnung eliminieren. Allerdings gestaltet werden. Angetrieben werden die Ausgleichs-
führt dieser Wellenaufbau zu Kräften 1. Ordnung. wellen von einem Zahnrad auf der Kurbelwange,
13 Eine neuartige Ausgleichsvorrichtung arbeitet wobei das Zahnflankenspiel des Antriebs auf die Ver-
mit einem Ausgleichspleuel und daran angelegter lagerungen und Drehschwingungen der Kurbelwelle
Ausgleichsschwinge (. Abb. 6.39) [6]. Das Schwin- abgestimmt sein muss (. Abb. 6.40).
14 gensystem ist in Kurbelwellenmitte angeordnet, Durch Höhenversatz der Ausgleichswellen

15 um die Entstehung neuer Momente zu vermeiden.


Je nach Auslegung können so die Kräfte 1. Ord-
nung vollständig, die Kräfte 2. Ordnung zu hohen
(. Abb. 6.41) lässt sich ein zusätzliches Wechselmo-
ment 2. Ordnung erzeugen, mit dem man auch Gas-
kraftanteile des Wechseldrehmomentes ausgleichen

16
- Anteilen ausgeglichen werden.
3-hübige Welle: Es treten freie Momente 1. und
2. Ordnung auf. Die Momente 1. Ordnung wer-
kann. Die Wirkung des Höhenversatzes muss daher
sowohl drehzahl- als auch lastabhängig optimiert wer-
den (. Abb. 6.42), zum Beispiel durch Variation des

17
18 -
den – vor allem bei V-Motoren – durch Momen-
tenausgleichsgetriebe kompensiert.
4-hübige Welle: Bei Vierzylinder-Viertakt-Rei-
henmotoren summieren sich die Massenkräfte
-
Höhenversatzes.
5-hübige Welle: Es treten große freie Massen-
momente auf, die je nach gewählter Zündfolge
entweder in der 1. Ordnung (zum Beispiel für
2. Ordnung. Der Ausgleich dieser Kräfte durch ZF 15234) oder in der 2. Ordnung (zum Beispiel
zwei mit doppelter Kurbelwellendrehzahl gegen- für ZF 12453; siehe Beispiel) – besonders aus-
19 sinnig umlaufender Wellen mit Gegenmassen geprägt sind oder einen Kompromiss für beide
(Ausgleichsgetriebe) gewinnt für Motoren mit Ordnungen darstellen. Pkw- und Nkw-Motoren
Nenndrehzahlen > 4000 min−1 aufgrund steigen-
20 der Komfortansprüche zunehmend an Bedeutung.
werden teils mit, teils ohne gesonderten Momen-
tenausgleich gebaut.
6.1 • Kurbeltrieb
83 6
..Abb. 6.40 Ausgleichs- Einstellung des
getriebe für Massenkräf- Zahnflanken-
spiels über
te 2. Ordnung Scheibendicke s

Distanzplatten

Zahnradantrieb des Massenaus-


gleich-Getriebes (BMW 318i)

- 6-hübige Welle: Zentral- und längssymme-


trische Wellen ab sechs Hüben sind in sich
ausgeglichen, sie haben keine freien Massenwir-
kungen.

Übergeordnete Gesichtspunkte für die Auslegung des

--
Massenausgleichs sind:
konstruktiver Aufwand (Ausgleichsgetriebe),
Betriebsverhalten bei hohen Drehzahlen (2. Ord-

-- nung): Lagerung, Schmierung etc.,


Entlastung der Triebwerkslager,

--
Ausgleich der Gaskraft,
Drehschwingungsverhalten,

-
Massenträgheit,
Reibungsverhalten.

Die freien Kräfte und Momente der verschiedenen Zy-


linderkonfigurationen findet man in der einschlägigen
..Abb. 6.41  Massenausgleich 2. Ordnung mit Höhen-
Literatur tabellarisch zusammengestellt.
versatz der Ausgleichswellen [7]
Nicht nur am Kurbeltrieb, sondern auch am Ven-
tiltrieb, das heißt an Nockenwellen, wird ein Massen-

-
ausgleich vorgenommen:
Die Kernseele wird exzentrisch (mittenversetzt)
gebohrt, so dass über die fertigungsbedingte Un-
wucht auch freie Ventilmassenkräfte weitgehend
– frei schwebend gedachten – Kurbelwelle auftreten
(. Abb. 6.44).
Diese inneren Momente belasten die Kurbelwellen-
grundlager zusätzlich und beanspruchen das Kurbelge-

- ausgeglichen werden.
Es werden Ausgleichsmassen direkt an der No-
ckenwelle angebracht (. Abb. 6.43).
häuse auf Biegung. Mit zunehmender Schnellläufigkeit
stellen die inneren Momente höhere Anforderungen
an die Konstruktion des Motors, vornehmlich bei V12-
und V16-Motoren. Das innere Moment nimmt von
den Kurbelwellenenden zur Motormitte hin zu. Bei
6.1.6 Innere Momente längssymmetrischen Wellen wird das mittlere Lager
durch die Massenkräfte der benachbarten gleichgerich-
Neben unausgeglichenen Massenkräften und -mo- teten Kröpfungen hoch belastet, was man durch in-
menten, die sich als freie Massenwirkungen bemerkbar neren Massenausgleich, das heißt Ausgleich der Mas-
machen, treten am Motor auch noch innere Momente senkräfte am Ort ihrer Entstehung, an jeder Kröpfung
auf. Hierunter versteht man Biegemomente, die an der also, verhindern kann (. Abb. 6.45).
84 Kapitel 6 • Triebwerk

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11 ..Abb. 6.42  Systemverhalten von Ausgleichswellen mit und ohne Höhenversatz [8]

12 a
Inneres Moment
a a

13 F F

14
15
F F

16
Biege-
momenten-
17
F·a
verlauf in der
..Abb. 6.43  Nockenwelle mit Ausgleichsmasse Kurbelwelle

18
19 Biege-
momenten-
verlauf im
20 Kurbelgehäuse

..Abb. 6.44  Innere Momente (Schema)


6.1 • Kurbeltrieb
85 6

linderzahl – entspricht. Weitere Gesichtspunkte für die

-
Zündfolge sind:
keine oder möglichst kleine freie Massenwirkun-

-- gen,
günstiges Drehschwingungsverhalten,
gute Verhältnisse für den Ladungswechsel/Aufla-
dung.

Bei Zweitaktmotoren mit einer Arbeitsspieldauer von


360° KW entspricht die Kröpfungsfolge der Zündfolge;
Viertaktmotoren haben je Arbeitsspiel zwei Totlagen
(Zünd-/Ladungswechsel-OT). Deshalb ergeben sich
zu jeder Kröpfungsfolge mehrere Zündfolgen. Die
Anzahl der theoretisch möglichen Zündfolgen steigt
..Abb. 6.45  Vierzylinder-Ottomotor (Opel-Ecotec) signifikant mit der Kröpfungszahl. Unter Beachtung
mit Ausgleich an allen Wangen der zuvor genannten Anforderungen stellen sich für
jede Motorbauform und Zylinderzahl jedoch meist nur
einige wenige als günstig heraus.
Die Vorteile eines vollständigen inneren Massen- V-Motoren stellen einen guten Kompromiss zwi-
ausgleichs sind gegen die Nachteile einer Erhöhung schen hoher Leistungsdichte und kompaktem Grund-
von Masse, Trägheitsmoment, Reibung und Kosten aufbau dar. Deshalb ist der V-Motor eine auch bei
abzuwägen. Pkw-Motoren bevorzugte Bauart. Bei VR-Motoren
werden beide Bänke eines V-Motors mit sehr engem V-
Winkel unter einen gemeinsamen Zylinderkopf ange-
6.1.7 Kröpfungs- und Zündfolgen ordnet. Bei der V-VR-Bauform sind wiederum zwei
dieser VR-Anordnungen in einem meist regulären V-
Für einen möglichst gleichmäßigen Drehmomen- Winkel zueinander angeordnet.
tenverlauf muss die Zündung der einzelnen Zylinder Kleine  V-Winkel verlangen längere Pleuel (klei-
gleichmäßig über das Arbeitsspiel erfolgen. Vorausset- nere Pleuelverhältnisse λ = r/l) und gegebenenfalls eine
zung dafür ist, dass die Kröpfungen gleichmäßig über Schränkung des Kurbeltriebs, um den nötigen Freigang
den Umfang verteilt sind. Somit betragen die Kröp- der Zylinder zu gewährleisten. Das ergibt höhere Kur-
fungsabstände: belgehäuse bei allerdings geringeren Kolbenseitenkräf-
Viertaktmotoren 720°KW/Zylinderzahl ten als Folge kleinerer Pleuelschwenkwinkel. Für Fahr-
Zweitaktmotoren 360°KW/Zylinderzahl zeugmotoren wird der 90°-V-Winkel bevorzugt, weil
dieser einen vollständigen Ausgleich der oszillierenden
Die Zündfolge wird auch durch die Drehrichtung Massenkräfte 1. Ordnung durch umlaufende Gegenge-
der Kurbelwelle bestimmt. Für Kfz-Motoren sind wichte ermöglicht; zudem entspricht bei 8-Zylinder-
die Drehrichtung und die Zylinderzählweise in der V-90°-Viertaktmotoren der V-Winkel dem gleichmäßi-

-
DIN 73021 festgelegt.
Rechtslauf: im Uhrzeigersinn bei Blick auf die
Gegenkraftabgabeseite (GKS), Zählrichtung der
gen Zündabstand, sogenannter „natürlicher V-Winkel“.
Wenn Zylinderzahl und V-Winkel nicht korrespon-
dieren oder auch bei VR-Anordnungen, erreicht man

- Zylinder von GKS aus.


Linkslauf: entgegen dem Uhrzeigersinn bei Blick
auf die Gegenkraftabgabeseite (GKS), Zählrich-
tung der Zylinder von GKS aus.
dennoch gleiche Zündabstände durch „Aufspreizen“
der Hubzapfen um die Differenz zwischen V-Winkel
und Zündabstand, dem sogenannten Pleuelversatzwin-
kel. Dies führt zu gekröpften Hubzapfen (Hubversatz;
Split-pin-Kurbelwelle). So werden heute 6-Zylinder-
Die Zylinder von Boxer- und V-Motoren werden (Blick Pkw- und Nkw-Motoren mit V-Winkeln von 90°, 60°
von GKS aus) ausgehend von der linken Motorreihe und sogar 54°, 8-Zylinder-Motoren von 75° gebaut,
(1 bis z/2) fortlaufend, dann – beginnend mit z/2 + 1 was einen Pleuelversatzwinkel von insgesamt 30°, 60°,
– von der rechten Reihe aus gezählt (. Abb. 6.46). Bei 66° beziehungsweise 15° erfordert. Für die Wahl des
V-Motoren sind gleiche Zündabstände nur dann zu V-Winkels sind neben triebwerksmechanischen vor al-
erhalten, wenn der V-Winkel dem Arbeitsspiel (720 lem Gesichtspunkte des Einbauraums der Motoren und
beziehungsweise 360° KW) – dividiert durch die Zy- der Abstimmung des Motorprogramms bestimmend.
86 Kapitel 6 • Triebwerk

..Abb. 6.46 Zählweise
1 Zählrichtung Zylin- Übliche Zündfolge (Beispiele)
derzahl
und übliche Zündfolge
von KFZ-Motoren (Aus-
zug aus [9])
2 4
5
1
1
3
2
4
4
2
5
oder 1 2 4 3
3 oder 1 5 2 3 4
6 1 5 3 6 2 4 oder
3 1
1
2
4
4
2
6
6
5 3 oder
3 5 oder
1 4 5 6 3 2
4
4 1 3 2 4
5 6 1 2 5 6 4 3 oder
1 4 5 6 2 3
8 1 6 3 5 4 7 2 8 oder
6 1 5 4 8 6 3 7 2 oder
1 8 3 6 4 5 2 7
10 1 6 2 8 4 9 5 10 3 8 oder
7 1 6 5 10 2 7 3 8 4 9
12 1 7 5 11 3 9 6 12 2 8 4 10 oder
1 12 5 8 3 10 6 7 2 11 4 9
8 16 1 14 9 4 7 12 15 6 13 8 3 16 11 2 5 10

4 1 4 3 2
9 6 1 6 2 4 3 5

10
11 6.2 Drehschwingungen tenzielle Energie umgewandelt, um danach wieder in
kinetische Energie zurückgewandelt zu werden. Bei ei-
6.2.1 Grundlagen ner verlustfreien Energieumsetzung dauern die freien
12 Schwingungen ewig; die Eigenfrequenz hängt aus-
Das Triebwerk ist ein Feder-Masse-System, das durch schließlich von den Systemeigenschaften Federsteifig-
13 die periodisch wirkenden Drehkräfte (Tangential- keit und Masse ab. Infolge von Bewegungswiderständen
kräfte) zu Schwingungen (schwingende Drehbewegung wird dem System Energie entzogen und in Wärme um-
der auf der Welle aufgereihten Einzelmassen) angeregt gewandelt: Die Schwingung wird gedämpft und klingt,
14 wird, die sich der eigentlichen Drehbewegung der Kur- je nach Dämpfung, schnell oder weniger schnell ab.
belwelle überlagern. Die Drehbewegung der Kurbel- Greift an dem System von außen eine periodische
15
-
welle setzt sich somit aus drei Anteilen zusammen:
gleichmäßige Drehung entsprechend der Dreh-
Kraft an, dann zwingt ihm diese ein anderes Schwin-
gungsverhalten auf; das System schwingt – nach einer

16
- zahl,
Drehzahlschwankung infolge des ungleichmäßi-
gen Drehkraftverlaufes (Tangentialkraftverlaufs)
über ein Arbeitsspiel („statische Drehzahl-
Einschwingphase – mit der Frequenz der Erreger-
kraft. Stimmen Eigen- und Erregerfrequenz überein,
liegt Resonanz vor. Ohne Dämpfung nähmen dann
die Schwingungsausschläge unendliche Werte an.

-
17 schwankung“) und Doch die stets vorhandene Dämpfung begrenzt die
Schwingung um den durch die Drehkraft hervor- Ausschläge, wobei die Größe des Ausschlages von der
18 gerufenen Verschiebungswinkel („dynamische Stärke der Dämpfung abhängt. Stellt man den Verlauf
Drehzahlschwankung“). der Schwingungsausschläge der einzelnen Massen
über der Länge der Welle als Kurvenzug dar, erhält
19 Die Bewegung des Systems wird durch den Verdreh- man die Schwingungsformen mit dem (oder den)
winkel der Drehmassen gegenüber der Ausgangslage Nulldurchgänge(n) dieser Kurve als Schwingungs-
20 beschrieben.
Die in den Drehmassen gespeicherte kinetische
knoten, bei dem/denen zwei benachbarte Massen
in entgegengesetzte Richtung schwingen. An diesen
Energie wird an die Drehfedern abgegeben und in po- Stellen findet keine Drehschwingungsbewegung statt
6.2 • Drehschwingungen
87 6
..Abb. 6.47 Schema
eines Drehschwingungs- Schwingungslinie
systems cn – 1
c4
n

4
3 c3
ln
2 c2
l5
1 c1 l4
Schwingungsknoten
l3
l2
Schwingungs-
ausschlag l1

(sehr wohl aber Drehschwingungsbeanspruchungen)


(. Abb. 6.47).
Zu jeder möglichen Schwingungsform gehört je
eine Eigenfrequenz, mit der das System in der betreffen-
den Schwingungsform freie Schwingungen ausführen
kann. Die Schwingungsformen und die Eigenfrequen-
zen hängen von der Größe und von der Verteilung der
Drehsteifigkeiten und der Drehmassen im System ab.
Weil bei Resonanz die Schwingungsausschläge
zur Zerstörung der Kurbelwelle führen können
(. Abb. 6.48), kommt es darauf an, solche betriebsge-
fährdenden Zustände schon im Vorgriff zu erkennen
und durch entsprechende Maßnahmen auszuschließen.
Moderne Bauteilprüfkonzepte steigern zuneh-
mend die Sicherheit der Betriebsfestigkeit im realen
Triebwerk [10]. Auch die rechnerische Untersuchung
mit modernen Simulationsprogrammen der Betriebs-
festigkeit leistet trotz der hohen Systemkomplexität ei- ..Abb. 6.48 Torsionsbruch einer Pkw-Kurbelwelle aus
nen zunehmenden Beitrag zur Vermeidung von Über- GGG 70
dimensionierungen. Zur Verdeutlichung wesentlicher
Zusammenhänge wird das Triebwerk nachfolgend
gedanklich vereinfacht (reduziert). So werden auch 6.2.2 Reduktion
überschlägige Berechnungen möglich. Grundlage ei- der Maschinenanlage
ner solchen Reduktion ist die Übereinstimmung der
dynamischen Eigenschaften des reduzierten mit denen Das Triebwerk mit den angekoppelten Massen
des wirklichen Systems. Eine Drehschwingungsrech- (Schwungrad, Rädertrieb, Steuerung, Riementriebe

--
nung besteht aus:
Reduktion der Maschinenanlage,
Ermittlung der Eigenfrequenzen und Eigen-
etc.) wird so auf ein einfaches geometrisches Modell
zurückgeführt, dass sich potenzielle und kinetische
Energie von wirklichem und reduziertem System ent-

- schwingungsformen,
Berechnung der Erregerkräfte sowie der Erreger-
-
sprechen.
Massenreduktion: Die Kurbelwelle mit Pleuel,

- arbeiten und -amplituden,


Berechnung der Kurbelwellenausschläge bei
- Kolben und den von ihr angetriebenen Massen.
Rädertrieb, Schwungscheibe, Dämpfer etc. wer-

- Resonanz,
Berechnung der Kurbelwellenbeanspruchung
den durch kreiszylindrische Scheiben konstanten
Trägheitsmomentes ersetzt. Zwar ändern sich die

- durch die Schwingungsausschläge bei Resonanz,


Berechnung der kritischen Drehzahlen.
Trägheitsmomente des Kurbeltriebs infolge der
Kolben- und Pleuelbewegung, der Berechnung
88 Kapitel 6 • Triebwerk

1 - Rückstellmomenten aus Federsteifigkeit und


Differenz der Verdrehwinkel beiderseits der
betrachteten Masse.
2 Das Dämpfungsmoment kann bei der Bestimmung
der Eigenfrequenzen vernachlässigt werden, weil bei
3 schwacher Dämpfung die Eigenfrequenzen nur un-
wesentlich beeinflusst werden. Die Integration dieser
Gleichungen liefert die Eigenfrequenzen des Systems.
4 Zur Lösung dieser Differentialgleichungen wird
ein Ansatz in Form einer harmonischen Bewegung
5 ..Abb. 6.49  Gegenseitige Verdrehung der Drehmas- gemacht. Systeme mit mehr als drei Drehmassen füh-
sen des reduzierten Triebwerks ren zu unübersichtlichen und umständlich handzuha-
benden Gleichungssystemen, weshalb verschiedene
6 Probierverfahren entwickelt worden sind, wie zum
werden jedoch konstante Trägheitsmomente zu Beispiel das Verfahren von Gümbel-Holzer-Tolle. Es
7
8
- Grunde gelegt.
Längenreduktion: Die Kurbelkröpfung wird
durch ein gerades trägheitsloses Wellenstück vom
Durchmesser des Kurbelwellen-Grundlagers (oder
bietet Einblick in das physikalische Geschehen der
Schwingungsvorgänge, lässt sich nach einem einfachen
und übersichtlichen Rechenschema durchführen und
liefert letztendlich die gesuchten Eigenfrequenzen ωe,n.
des Hubzapfens) ersetzt, dessen Länge so bemes- Mit bekannten Eigenfrequenzen lassen sich die
sen wird, dass Kröpfung und Wellenstück die glei- jeweiligen Eigenschwingungsformen (Gesamtheit
9 che Drehsteifigkeit (Federkonstante) aufweisen. der Amplituden aller Drehmassen, durch die der Ver-

10 - Hierfür gibt es eine Reihe von Reduktionsformeln.


Weil die Kurbelkröpfung wegen ihrer Form
relativ drehweich ist, ist ihre reduzierte Länge im
Allgemeinen größer als die Länge der Kröpfung.
formungzustand des Schwingungssystems für jede
Eigenfrequenz definiert ist) bestimmen. Allerdings
erhält man nur die relativen Ausschläge, das heißt die
Ausschläge der einzelnen Drehmassen bezogen auf den
11 Ausschlag der ersten Drehmasse (. Abb. 6.50).
Es handelt sich also um ein Eigenwertproblem, des-
6.2.3 Eigenfrequenzen sen Lösungen nur bis auf einen gemeinsamen Faktor be-
12 und Eigenschwingungsformen stimmt sind. Zur Bestimmung der absoluten Ausschläge
benötigt man die erregenden Kräfte. Einen anderen,
13 Das Triebwerk besteht aus miteinander gekoppelten dem Gümbel-Holzer-Tollen-Verfahren entsprechen-
Drehmassen und Drehsteifigkeiten, die sich in ihrem den Lösungsweg bietet die Matrizenrechnung, die sich
Schwingungsverhalten gegenseitig beeinflussen. insbesondere mit Hilfe der rechnergestützten Analyse
14 Für die einzelnen Drehmassen entsprechend zunehmend durchsetzt. Dabei wird ein mit Matrizen
. Abb. 6.49 werden die Bewegungsgleichungen auf- darstellbares Gleichungssystem gelöst, das wiederum
15 gestellt. aus den Bewegungsgleichungen hergeleiteten Beziehun-
gen zwischen den Amplituden der Drehschwingungs-
Ik  'R + ck−1  .'k − 'k−1 / + ck  .'k − 'k+1 / = 0 ausschläge und den Rückstellmomenten abgeleitet wird.
16 (6.67)
I  'R + D  'P + c  ' = M.t/ (6.68)
I = Massenträgheitsmoment der Drehmasse
17 φ = Verdrehwinkel der Drehmasse
c = Drehsteifigkeit des Wellenstücks 6.2.4 Erregerkräfte, -arbeit
18 k = Zähler für die Drehmassen und -amplituden

Man erhält ein System von homogenen gekoppelten Die schwingungserregende Drehkraft (Tangentialkraft)
19 linearen Differentialgleichungen mit konstanten Koef- setzt sich zusammen aus der Gasdrehkraft und der

20 -
fizienten, die das Gleichgewicht beschreiben zwischen:
Beschleunigungsmomenten infolge des Träg-
heitsmomentes und der Winkelbeschleunigung
sowie
Drehkraft der oszillierenden Massenkräfte.
Die Gasdrehkraft ist von der Belastung (spezifische
Arbeit), die Massendrehkraft vom Quadrat der Dreh-
zahl abhängig. Die resultierende (Tangential-)Erreger-
6.2 • Drehschwingungen
89 6

..Abb. 6.51  Fourier-Analyse eines Tangentialkraft-


..Abb. 6.50  Eigenschwingungsformen für die drei
Diagramms: Die Tangentialkraftkurve wurde aus den
ersten Eigenfrequenzen eines 6-hübigen Triebwerks
ersten sechs Harmonischen zusammengesetzt
mit Rädertrieb und Kupplung

kraft lässt sich nicht durch eine geschlossene Funktion dargestellt. Die Phasenrichtungssterne der einzelnen
beschreiben und wird deshalb einer Fourier-Analyse Ordnungen ergeben sich aus dem Kröpfungsstern
unterzogen. Sie setzt sich aus einem statischen Anteil 0,5. Ordnung (4-Takt) beziehungsweise 1. Ordnung
– dem Nenndrehmoment – und einem dynamischen (2-Takt) (. Abb. 6.52).
Anteil – einer Grundschwingung und sich überlagern- Unter Berücksichtigung der Schwingungsaus-
der Oberschwingungen – zusammen. Die erregenden schläge der einzelnen Kröpfungen und der Phasen-
Frequenzen sind also die Grundfrequenz (Zahl der Ar- verschiebung (Zündfolge) erhält man die effektive
beitsspiele pro Zeiteinheit) und deren ganzzahlige Viel- Erregerkraft des Motors.
fache. Sie sind der Kurbelwellendrehzahl proportional. Die relativen Kurbelwellenausschläge der einzel-
Alle diese erregenden Frequenzen können mit einer der nen Zylinder sind in Richtung der Strahlen der Pha-
Eigenfrequenzen Resonanz bewirken (. Abb. 6.51). senrichtungssterne geometrisch zu addieren. Hieraus
Für die Schwingungserregung ist die Erregerarbeit erklärt sich, dass bestimmte Ordnungen besonders ge-
maßgeblich. Eine Erregerkraft (resultierende Erreger- fährlich sind, weil deren geometrische Summe große
kraftamplitude aus den Amplituden von Gas- und Mas- Werte annimmt. Diese geometrische Summe wird als
sendrehkräften für die einzelnen Erregerfrequenzen) spezifische Erregerarbeit, das heißt auf die Kraft 1 be-
ruft einen umso größeren Ausschlag hervor, je weiter zogene Erregerarbeit des Motors, bezeichnet. Je nach
entfernt sie vom Schwingungsknoten angreift (Erre- Ordnung und Phasenlage nimmt die spezifische Erre-
gerarbeit = Erregerkraft × Schwingungsausschlag). Die gerarbeit unterschiedliche Werte an.
Phasenlage der Erregerkräfte, das heißt ihre zeitliche Die Amplitude – der absolute Ausschlag – der
Aufeinanderfolge, wird in Phasenrichtungssternen Masse  1 errechnet sich aus dem Gleichgewicht von
90 Kapitel 6 • Triebwerk

Md cx  A1  .ux − ux+1 /
1 =
Wp
=
Wp (6.72)

2 Die Gaskräfte regen besonders Schwingungen solcher


Ordnung an, die ein ganzzahliges Vielfaches der An-
zahl i der Zündungen innerhalb einer Umdrehung der
3
-
Kurbelwelle sind.
Viertaktmotor: i = z/2 Zündungen je Kurbelwelle-

4
5
- numdrehung
Zweitaktmotor: i = z Zündungen je Kurbelwelle-
numdrehung

Alle ganzzahligen Vielfachen von z/2 (Viertakt) be-


ziehungsweise z (Zweitaktmotor) sind gefährlich, weil
6 bei diesen Ordnungen die Erregenden aller Zylinder
..Abb. 6.52  Phasenrichtungssterne bis zur 6. Ord- gleichgerichtet wirken. Die kritischen Drehzahlen er-
7 nung für ein Reihensechszylinder-Viertakt-Triebwerk geben sich als Schnittpunkte der Hauptharmonischen
mit den Erregerschwingungszahlen. Das Ausmaß der
Gefährdung des Motors bei den einzelnen kritischen
8 Erregungsarbeit und Dämpfungsarbeit (je Schwin- Drehzahlen ergibt sich aus der Berechnung der Reso-
gung). Hieraus lassen sich die absoluten Ausschläge A nanzausschläge der Kurbelwelle.
der einzelnen Massen des Ersatzsystems bestimmen:
9
z
6.2.5 Maßnahmen zur Verringerung
der Kurbelwellenausschläge
10
P
FTk  ux
1
A1 = z (6.69)
P
ˇx  .ux /2 Ohne Dämpfung würden die Ausschläge der Kurbel-
11
!e 
1 welle immer größer werden, bis die Welle bricht. In der
(6.70) Praxis liegt aber stets Dämpfung vor: Werkstoffdämp-
fung, Reibungsdämpfung und Dämpfung durch den
12 Ax = ux  A1 Schmierfilm, doch reicht diese bei modernen Trieb-
werken nicht aus, so dass zusätzliche Maßnahmen ge-
13 FTk = resultierende Erregerkraftamplitude aus den troffen werden müssen. Zur Vermeidung gefährlicher
Amplituden von Gas- und Massendrehkräf-
ten (für alle Zylinder als gleich angenom-
-
Drehschwingungszustände kann man:
die Erregerarbeiten durch Variation der Zünd-

-
14 men) folge beeinflussen und/oder
ux = relative Kurbelwellenausschläge die Eigenschwingungszahlen durch Verändern
15 ωe
βx
= Eigenfrequenz
= Dämpfungsbeiwert des x-ten Zylinders, in
von Massen und Federsteifigkeiten verlagern.

der Regel werden für alle Zylinder gleiche Diese Maßnahmen sind allerdings nur von begrenzter
16 Dämpfungsbeiwerte angenommen Durchführbarkeit und Wirksamkeit. Eine scheinbar
A1 = Amplitude (absoluter Ausschlag) der ersten einfache Maßnahme ist das Vergrößern des Trägheits-
Masse des Systems momentes des Schwungrades. Dadurch lässt sich zwar
17 u x = geometrische Summe der relativen Kurbel- die Eigenfrequenz absenken, gleichzeitig wird der
wellenausschläge Schwingungsknoten zum Schwungrad hin verlagert
18 Index x = Zylinderzahl und die Wellenbeanspruchung vergrößert.
Index k = Ordnung Aus diesen Gründen bleibt nur die Möglichkeit,
die Drehschwingungen auf ein ungefährliches Ausmaß
19 Die Relativverdrehung ∆φ der Massen  x und x + 1 zu begrenzen. Hierzu gibt es prinzipiell zwei Möglich-

20
infolge der Drehschwingung beansprucht die Kurbel-
welle zusätzlich zur statischen Drehkraft.

' = .ux − ux+1 /  A1 (6.71)


-
keiten:
Dämpfen (Umwandlung von Schwingungs-
energie in Wärme). Bei stationär erzwungenen
Schwingungen und geschwindigkeitspropor-
6.2 • Drehschwingungen
91 6
Einfluss des Drehschwingungsdämpfers auf die
Drehschwingungsausschläge der Kurbelwelle
BeispieL. 6-Zyl.-Boxermotor

ohne Schwingungsdämpfer
Summe 3.-6. Ordnung

Verdrehwinkel
..Abb. 6.53 Zweimassen-Gummischwingungsdämp-
fer (Bauart Palsis) (Quelle: Palsis)

2000 4000 6000


tionaler Dämpfung herrscht Gleichgewicht Motordrehzahl [min –1]
zwischen den Momenten der Massenträgheit, der
Dämpfung, der Rückstellkraft und der Erregung.
Je größer nun das Dämpfungsmoment ist, desto

-
Verdrehwinkel mit Schwingungsdämpfer
kleiner werden die Schwingungsausschläge. Summe 3.-6. Ordnung
Tilgen („Auslöschen“ von Resonanzen durch
Verstimmen des Systems). Hierbei verlagert man
die Eigenfrequenzen in andere Drehzahlbereiche
durch die Gegenwirkung einer Masse. Durch
Ankoppelung einer solchen Zusatzmasse, dem 2000 4000 6000
„Tilger“, bekommt das System einen Freiheitsgrad Motordrehzahl [min –1]
mehr; die ursprüngliche Eigenfrequenz spaltet
..Abb. 6.54  Wirkung eines Drehschwingungsdämp-
sich in zwei Eigenfrequenzen auf, die dicht ober-
fers
und unterhalb der ursprünglichen liegen. Wird
das System in der ursprünglichen Eigenfrequenz
erregt bleibt es in Ruhe, während der Tilger in Zweimassen-Gummischwingungsdämpfer für einen
Schwingung gerät. Einfache Tilger sind aber nur 5-Zylinder-Dieselmotor (2,5 l), bei dem beide Massen
für eine Frequenz wirksam. Fliehkrafttilger sind auf Torsion abgestimmt sind.
drehzahlabhängig wirksam. Durch das Absenken der Drehschwingungsaus-
schläge (. Abb. 6.54) werden nicht nur die Kurbel-
Die Wirkung von Schwingungsdämpfern für Kfz- welle und Nockenwelle mechanisch entlastet – auch
Motoren beruht auf beiden Effekten; Dämpfung und werden das spielbedingte Geräusch des Motors und
Tilgung. Sie sind bezüglich Federsteifigkeit, Dämp- die Anregung der Nebenaggregate zu Schwingungen
fungsverhalten und Massenträgheit so ausgelegt, dass verringert [12].
sie die Drehschwingungsausschläge des Systems nach- Große Motorabmessungen (Hubvolumen) und
haltig verkleinern. steigende spezifische Arbeiten (eff. Mitteldruck) erhö-
Für Pkw-Motoren werden Gummischwingungs- hen die Notwendigkeit effektiver Schwingungsdämp-
dämpfer eingesetzt: Eine kreisringförmige Dämpfer- fer, zum einen wegen der stärkeren Erregung, zum
masse (Sekundärteil) ist mit der primärseitigen L-för- anderen wegen der niedrigeren Eigenfrequenzen als
migen Mitnehmerscheibe über eine aufvulkanisierte Folge größerer Triebwerksmassen. Die Eigenfrequen-
Gummischicht elastisch angekoppelt. Die Schwin- zen von Pkw-Triebwerken liegen im Bereich von 300
gungsenergie wird durch die Werkstoffdämpfung bis 700 Hz, für die auch zunehmend Viskosedämpfer
(Hysterese) des Gummis in Wärme umgewandelt. Die eingesetzt werden, wie sie sonst überwiegend nur für
Resonanzspitze wird in zwei Resonanzen aufgespalten, größere Motoren verwendet wurden (. Abb. 6.55).
deren Spitzen durch die Dämpfung abgesenkt werden.
Je nach Bauart wird die Dämpfermasse radial oder/und
axial am Primärteil befestigt; auch werden zweistufig 6.2.6 Zweimassenschwungräder
wirkende Dämpfer eingesetzt, bei denen zwei Dämp-
fermassen auf zwei verschiedene Frequenzen abge- Der Antriebsstrang eines Kraftfahrzeuges besteht
stimmt sind [11] (. Abb. 6.53), so zum Beispiel der aus Motor, Getriebe und Fahrzeug, so dass sich die
92 Kapitel 6 • Triebwerk

erforderlich sind, müssen die Kennlinien der Federn


1 entsprechend ausgelegt werden. Das wird zum Bei-
spiel durch Reihenschaltung von Federn verschiedener
2 Steifigkeit erreicht. Bei entsprechend abgestimmten
Feder-Keil-Systemen sorgt Reibung für die gewünschte
Dämpfung [13] (. Abb. 6.56).
3 Wegen des geringeren Trägheitsmomentes des
Primärteils des Schwungrades verändert sich das
Drehschwingungsverhalten des Motortriebwerks
4 (. Abb. 6.57).
Mit Zweimassenschwungrädern werden nicht nur
5 der Fahrkomfort verbessert, sondern auch das Getriebe
von zusätzlichen Wechselmomenten entlastet. Sie wer-
den hauptsächlich in Pkw-Motoren ≥ 2 l Hubraum ein-
6 gesetzt, hier wiederum besonders in Verbindung mit
Dieselmotoren [13]. Mittlerweile werden auch schon
7 Dreimassenschwungräder verwendet.
Moderne Downsizingkonzepte mit Aufladung und
..Abb. 6.55 Viskose-Schwingungsdämpfer mit reduzierter Zylinderzahl stellen besondere Herausfor-
8 entkoppelter Riemenscheibe (drehelastische Gummi-
kupplung) für Reihen-6-Zylinder-Dieselmotor (Quelle:
derungen, auch an die Reduzierung von Drehschwin-
gungen, insbesondere vor dem Hintergrund steigender
Palsis) Komfortansprüche dar. Neue aktive, vom Motorsteuer-
9 gerät an den momentanen Betriebszustand anpassbare
Schwingungsanregung vom Motor auch auf die üb- Systeme zur Drehschwingungskompensation zeigen
10 rigen Komponenten des Antriebs auswirkt. Motor-
induzierte Schwingungen des Getriebes machen sich
vielversprechende Ergebnisse am Beispiel eines aufge-
ladenen Zweizylinder-Triebwerks [14].

11
-
bemerkbar als
Ruckeln: Der Motor regt das System mit der

- 0,5. Ordnung an, er schwingt gegen das Fahrzeug. 6.3 Variabilität von Verdichtung
Rasseln: Der Motor regt das Getriebe vorwiegend und Hubvolumen
12 mit der 4. bis 6. Ordnung an, so dass Zahnrä-
der und Synchronringe, die nicht im Kraftfluss 6.3.1 Variables Hubvolumen
13 liegen, mit vergleichsweise großen Amplituden
gegeneinander schwingen. Hubvolumen ist das Produkt aus dem Hub und der
Fläche, die durch den Bohrungsdurchmesser des Zy-
14 Hinzu kommt, dass der Antriebsstrang bei Last- linders bestimmt ist. Es ist die zentrale Größe, welche
wechsel tordiert wird und – nur schwach gedämpft das Drehmoment und im Zusammenhang mit der
15 – ausschwingt. Diese Schwingungen machen sich un-
angenehm bemerkbar, sie beeinträchtigen den Fahr-
Drehzahl die Leistung eines Motors bestimmt. Bei
Otto- und Diesel-Pkw-Motoren liegt das Hubvolumen
komfort und beanspruchen die Bauteile zusätzlich. Um je nach Anzahl der Zylinder überwiegend im Bereich
16 Schwingungs- und Geräuschverhalten des Antriebes zwischen 1 und 3 Litern. Pro Zylinder beträgt das Hub-
zu verbessern, setzt man Zweimassenschwungräder volumen in der Regel zwischen 350 und 600 cm3.
ein. Die Masse des Motorschwungrades wird in einen Bei Teillast muss beim konventionellen Ottomotor,
17 mit der Kurbelwelle starr verbundenen Primärteil und im Gegensatz zum Dieselmotor, die angesaugte Luft-
einen auf dem Primärteil beweglich angeordneten Se- beziehungsweise Gemischmasse durch Drosselung
18 kundärteil aufgeteilt. Primär- und Sekundärteil sind (Quantitätsregelung) reduziert werden. Durch den
durch Federn drehelastisch verbunden. Dadurch wird Drosselvorgang entstehen Verluste, so dass die Füllung
eine Schwingungsisolation erreicht, das heißt der Ar- nicht derjenigen entspricht, die aufgrund des Hubvo-
19 beitsbereich wird in den überkritischen Bereich der lumens theoretisch möglich wäre.
Vergrößerungsfunktion verlagert. Weil zur Unterdrü- Zur Verringerung dieser Drosselverluste im Motor-

--
20 ckung des Getrieberasselns in den unterschiedlichen
Betriebsbereichen (Zug, Schub, Leerlauf) unterschied-
betrieb gibt es mehrere Wege. Zwei Wesentliche sind:
variables Hubvolumen,
liche Drehsteifigkeiten und Dämpfungseigenschaften Zylinderabschaltung.
6.3  •  Variabilität von Verdichtung und Hubvolumen
93 6
..Abb. 6.56 Zweimas- Zweimassenschwungrad
senschwungrad (GAT) (mechanischer Torsionsdämpfer) Anlasserzahnkranz

Keil Spritzblech
Primär-
Fett blech
Deckblech
Abdeck-
blech Sekundär-
schwungrad
Druck- Zentral-
feder flansch
Verstärk-
ungsring
Niet
Gleitlager
Excenter-
blech

Scherkeil

..Abb. 6.57 Wirkung System mit


eines Zweimassen- konventionelles System Zweimassenschwungrad
schwungrades 2 · 10 4
Motor
Amplituder der Winkel-
beschleunigung in s–2

Motor
1 · 10 4
Getriebe
Getriebe

0
1000 2000 3000 1000 2000 3000
Drehzahl in min–1

Mit beiden Methoden lassen sich die Ladungswechsel- Stickoxidemissionen werden ebenfalls beeinflusst
verluste reduzieren, da für einen gegebenen Lastpunkt [19].
bei verkleinertem Hubvolumen, gleichgültig durch Konstruktive Lösungen zu einer kontinuierlichen
welche der oben genannten Maßnahmen, die Drosse- Variation des Kolbenhubs sind seit langem bekannt
lung entscheidend verringert wird. und stellen im Hinblick auf eine Reduktion der Gas-
Wird das Hubvolumen verkleinert, muss, um glei- wechselarbeit eine optimale Lösung dar, da im Extrem-
che spezifische Arbeit zu erhalten, der Motor in einem fall ganz auf die Drosselklappe verzichtet werden kann.
höheren Lastbereich betrieben werden, wodurch sich Die konstruktiven Überlegungen im Zusammen-
Saugrohrunterdruck und Drosselverluste verringern. hang mit variablem Hubvolumen gehen prinzipiell von
Die Wirkung auf die Verringerung der Gaswechselar- einer Modifikation der Kinematik des Kurbeltriebes
beit führt zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs aus. Durch zum Beispiel seitliches Verschieben der
[15–17]. Kurbelwelle wurde der Hub und damit das Hubvolu-
Da aus funktionalen Gründen eine Variabilität men reduziert. Versuche mit variablem Hubvolumen
der Bohrung nicht realisierbar ist, konzentrieren sich wurden zwar durchgeführt, doch waren die techni-
die Bemühungen auf eine Variabilität des Kolbenhu- schen Lösungen zu aufwändig.
bes. Bei gegebener Bohrung und einer Verringerung
des Hubes ändert sich aber auch das Hub-/Bohrungs-
verhältnis, es wird geringer. Das hat zur Folge, dass 6.3.2 Variable Verdichtung
sich ebenso das Oberflächen-Volumen-Verhältnis
des Brennraums ändert mit dem bekannten Einfluss Der Vorgang der Verdichtung ist einer der vier Arbeits-
auf die HC-Emissionen [18–20]. Wirkungsgrad und takte eines Verbrennungsmotors. Er sorgt dafür, dass
94 Kapitel 6 • Triebwerk

findlichkeit in Volllastnähe muss beim aufgeladenen


1 Ottomotor die geometrische Verdichtung gegenüber
einem Saugmotor reduziert werden. Dies hat einen
2 weiteren Wirkungsgradabfall in der Teillast zur Folge.
. Abb. 6.60 zeigt das effektive Verdichtungsverhältnis
bei einem Ottomotor im Kennfeld.
3 Die variable Verdichtung ist beim Ottomotor
wirkungsgraderhöhend, da sein Verdichtungsverhält-
nis durch die Klopfneigung des Ottokraftstoffes bei
4 Volllast begrenzt ist. Wird bei Teillast das Verdich-
tungsverhältnis erhöht, verbessert sich der Innenwir-
5 ..Abb. 6.58  Verdichtungsverhältnis und thermischer kungsgrad beachtlich. Im CVS-Test relevanten Bereich
Wirkungsgrad können 10 % Verbrauchseinsparung gegenüber Moto-
ren mit fester Verdichtung erreicht werden. Noch be-
6 eine Temperatur- und Druckerhöhung im Arbeitsme- deutender sind die Verbesserungen bei aufgeladenen
dium erfolgt und so eine Verbrennung mit höherem Motoren mit variabler Verdichtung, da in diesem Fall
7 Wirkungsgrad stattfindet. Die Abhängigkeit des ther-
mischen Wirkungsgrades vom Verdichtungsverhältnis
ein zusätzlicher Gewinn durch die Betriebspunktver-
lagerung auftritt. In einem gegebenen Fall wurde die
an einem Modellprozess zeigt . Abb. 6.58. Verdichtung eines aufgeladenen Motors bei Teillast
8 Hoher thermischer Wirkungsgrad des Modell- auf ein Verdichtungsverhältnis von ε = 13,5 angeho-
prozesses lässt einen hohen Wirkungsgrad des mo- ben, während das Verdichtungsverhältnis bei Volllast
torischen Prozesses erwarten mit der Folge einer Mi- ε = 8 betrug. Der Verbrauchsgewinn lag in diesem Fall
9 nimierung des Kraftstoffverbrauchs. Aus . Abb. 6.58 über 20 % im CVS-Test bei gleichen Fahrleistungen.
lässt sich jedoch erkennen, dass mit zunehmendem Hochaufladung mit bis zu 100 KW/Liter Hubraum
10 Verdichtungsverhältnis der thermische Wirkungsgrad
immer weniger stark ansteigt. Die Konsequenz daraus
können bis zu 30 % Verbrauchseinsparung im NEFZ
bringen [32].
in Bezug auf die Realisierung der variablen Verdich- Systeme mit variabler Verdichtung haben sich
11 tung im Motor und dem damit verbundenen Bauauf- wegen ihres hohen Aufwandes und der hohen Kosten
wand legt nahe, dass Verdichtungsverhältnis nur bis zu noch nicht in der Serie durchgesetzt. Folgende Systeme
12
13
einer bestimmten Größe zu erhöhen. In dargestellten
Motoren wird daher ein Verdichtungsverhältnis zwi-
schen 8:1 und 16:1 realisiert [31].
. Abb. 6.59 stellt die möglichen Bereiche des Ver-
-
wurden unter anderen beispielhaft untersucht:
Kolben mit variabler Kompressionshöhe. Der
Nachteil ist die hohe Masse des Kolbens, welche
bei hohen Drehzahlen zu hohen Massenkräften

14
dichtungsverhältnisses für gängige Motoren dar.
Mit zunehmender Drosselung sinkt beim Otto-
motor das effektive Verdichtungsverhältnis bei gleich-
bleibender geometrischer Verdichtung. Dies hat einen
- führt.
Vergrößerung beziehungsweise Verkleinerung
des Brennraumes durch Verschieben zum
Beispiel eines Zylinders im Zylinderkopf. Der
15 sinkenden Wirkungsgrad zur Folge. Dies wird noch
drastischer, wenn man einen aufgeladenen Ottomotor
Nachteil liegt in verschlechterten Verbrennungs-
bedingungen durch einen zerklüfteten Brenn-
betrachtet. Mit Rücksicht auf die höhere Klopfemp- raum.
16
17 Motortyp ε Begrenzung durch
O tto m o to r (2 -T a k t) 7 ,5 b is 1 0 G lü h z ü n d e n

18 Ottomotor (2-Ventiler) 8 bis 10 Klopfen, Glühzünden


Ottomotor (4-Ventiler) 9 bis 11 Klopfen, Glühzünden

19 Ottomotor (Direkteinspritzung) 11 bis 14 Klopfen, Glühzünden


Diesel (Kammermotor) 18 bis 24 Wirkungsgradeinbuße, Bauteilbelastung

20 Diesel (Direkteinspritzung) 17 bis 21 Wirkungsgradeinbuße, Bauteilbelastung

..Abb. 6.59 Verdichtungsverhältnisse
6.3  •  Variabilität von Verdichtung und Hubvolumen
95 6
SI-engine ε = 12,5 (geometrical)
1,2
[kJ/dm3]
1,0
12,5

12
0,8
Specific work

11
0,6 10

0,4 9
8

0,2 7
6 ..Abb. 6.61  Mechanismus zum Schwenken des Zylin-
5 derkopfes (Quelle: MOT)
0,0
1000 3000 5000 [rpm] 7000
Engine Speed Motor verringert [21, 25]. Das ist ebenfalls eine
sehr aufwändige Lösung. . Abb.en 6.61 und 6.62
..Abb. 6.60  Effektives Verdichtungsverhältnis bei
zeigen den Schwenkmechanismus, mit dem der
einem Ottomotor
Zylinderkopf bis zu 4 Grad geschwenkt werden

Verlagerung der Kurbelwellenachse zum Beispiel


durch ein Parallelkurbelgetriebe. Mit Hilfe einer
Exzentereinheit verlagert sich die Kurbelwelle
kann, was eine Änderung des Verdichtungsver-
hältnisses von 8:1 auf 14:1 ermöglicht.
Eine andere Möglichkeit, das Verdichtungsver-
hältnis variabel zu gestalten, liegt in der konst-
nach oben beziehungsweise nach unten. Die ruktiven Ausführung des Pleuels mit Hilfe einer
Rotationsbewegung der schwenkbaren Kurbel- exzentrischen Kolbenbolzenlagerung [26, 27].
wellenachse wird auf die ortsfeste Achse des Durch diese exzentrische Lagerung im kleinen
Getriebeeingangs übertragen. Diese konstruktiv Pleuelauge (. Abb. 6.63) wird ein längenvariables
sehr aufwändige Lösung erhöht die Motormasse Pleuel ermöglicht, das die auftretenden Trieb-

- nur marginal [17, 21–24].


Neigung des Zylinderkopfes, der so ausgebildet
ist, dass die Trennfuge zwischen Kopf und Block
nach „unter“ verschoben wird, das heißt die
werkskräfte zur Verstellung nutzt.

Es gibt viele Wege um eine variable Verdichtung zu


realisieren. . Abb. 6.64 zeigt einige weitere prinzipielle
Blockhöhe ist gegenüber dem konventionellen Möglichkeiten.

1 4 :1 8 :1

..Abb. 6.62 Längs-
schnitt durch den Motor
Saab Variable Compres-
sion (Quelle: MOT)
96 Kapitel 6 • Triebwerk

Welche Verfahren sich zukünftig in der Serie


1 durchsetzen werden, kann aus heutiger Sicht nicht ab-
schließend beurteilt werden. Einige wesentliche Ge-
2 sichtspunkte für den Großserieneinsatz sind neben der

---
sicheren Funktionalität sicherlich:
Packagefähigkeit (Bauraum),
3 Herstellkosten,

4 - Übertragbarkeit auf andere Motorbauformen,


Motormasse.

Eine Abschätzung der Vor- und Nachteile einzel-


5 ner Prinzipien zur Variation der Verdichtung zeigt
. Abb. 6.65.
Die Nissan-Tochter Infiniti hat einen Motor vor-
6 gestellt, der mit einer aufwendigen Mechanik eine
stufenlose Variation der Verdichtungsverhältnisses
7 ..Abb. 6.63  VCR-Pleuel (Variable Compression Ratio)
von ε = 8 bis ε = 14 ermöglicht. Das Pleuel ist kurbel-
wellenseitig nicht direkt mit der Kurbelwelle verbun-
(Quelle: MTZ/Pischinger)
den sondern mit einem drehbaren Zwischenelement,
8
9
10
11
Vertikales Verschieben Vertikales Brennraumvolu- Kolben mit veränderbarer
des Zylinderblocks men dur ch Nebenkolben Kompressionshöhe
12
13
14
15 Pleuellagerung in exzen- Exzentrische Kurbelwel - Kraftübertragung mit
trischen Hubzapfen lenlagerung (Prinzip VCR) Zahnstangengetriebe

16
17
18
19 ..Abb. 6.64 Schema-
Zweiter versc hiebbarer Zweiter verschiebbarer Zweiter verschiebbarer tische Darstellung zur
20 Anlenkpunkt für Pleuel (1) Anlenkpunkt für Pleuel (2 ) Anlenkpunkt für Pleuel (2 ) Realisierung der variab-
len Verdichtung (Quelle:
MOT)
Literatur
97 6

..Abb. 6.65  Vergleich verschiedener Systeme zur variablen Verstellung des Verdichtungsverhältnisses (Quelle:
MTZ/Pischinger)

..Abb. 6.66 Neuer
Motor der Nissan
Tochter Infiniti [31, 32]

welches auf dem Kurbelzapfen der Kurbelwelle ange- Literatur


ordnet ist. Der Winkel des Zwischenelementes wird
über einen Stellmechanismus verändert, was zu einer
Verwendete Literatur
Veränderung des Kolbenhubs und damit des Verdich-
tungsverhältnisses führt. Eingesetzt wird das System [1] Bauder, A., Krause, W., Mann, M., Pischke, R., Pölzl, H.-W.: Die
neuen V8-Ottomotoren von Audi mit Fünfventiltechnik.
an einem 2,0 Liter Motor mit Aufladung, der 2018 in
MTZ 60(1), 16, (1999)
Serie gehen soll.
98 Kapitel 6 • Triebwerk

[2] Dorsch, H., Körkemeier, H., Peiters, S., Rutschmann, S., [23] Guzella, L., Martin, R.: Das SAVE-Motorkonzept. MTZ 10,
1 Zwickwolf, P.: Der 3,6-Liter-Doppelzündungsmotor des (1998)
Porsche Carrera 4. MTZ 50, 2, (1989) [24] Fraidl, K.G., Kapus, P., Piock, W., Wirth, M.: Fahrzeugklassen-
[3] Riedl, C.: Konstruktion und Berechnung moderner Auto- spezifische Ottomotorenkonzepte. MTZ 10, (1999)
2 mobil- und Kraftradmotoren, 3. Aufl. R. C. Schmidt, Berlin, [25] Bergsten, L.: Saab Variable Compression SVC. MTZ 62, 6,
S. 224–231 (1937) (2001)
[4] Krüger, H.: Sechszylindermotoren mit kleinem V-Winkel. [26] Pischiner, S., Wittek, K., Tiemann, C.: Zweistufiges Verdich-
3 MTZ 51, 10, (1990) tungsverhältnis durch exzentrische Kolbenbolzenlage-
[5] Krüger, H.: Der Massenausgleich des VR6-Motors. MTZ 54, rung. MTZ 70, 02, (2009)
2, (1993) [27] Wittek, K.: Variables Verdichtungsverhältnis beim Verbren-
4 [6] Gumpesberger, M., Landerl, C., Miritsch, J., Mosmüller, E., nungsmotor durch Ausnutzung der im Triebwerk wirksa-
Müller, P., Ohrnberger, G.: Der Antrieb der neuen BMW men Kräfte, Dissertation. RWTH Aachen, 2006

5 F800. MTZ 67, 6, (2006)


[7] Neukirchner, H., Arnold, O., Dittmar, A., Kiesel, A.: Die Ent- Weiterführende Literatur
wicklung von Massenausgleichseinrichtungen für PKW- [28] Indra, F.: Zylinderabschaltung für alle Hubkolbenmotoren.

6 Motoren. MTZ 64, 5, (2003)


[8] Gruber, G., Prandstötter, M., Hollnbuchner, R.: Integriertes
MTZ 72, 10, (2011)
[29] Constensou, C., Kapus, P., Prevedel, K., Bandel, W.: Perfor-
Ausgleichswellensystem des neuen Vierzylinder-Dieselmo- mance measurements of a GDI variable compression ratio

7 tors von BMW. MTZ 69, 6, (2008)


[9] Braess, H., Seiffert, U.: Handbuch Kraftfahrzeugtechnik,
engine fittet with a 2-stage boosting system and external
cooled EGR 20. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Mo-
6. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2012) torentechnik. (2011)
8 [10] Fröschl, J., Achatz, F., Rödling, S., Decker, M.: Innovatives
Bauteilprüfkonzept für Kurbelwellen. MTZ 71, 9, (2010)
[30] Kapus, E., Prevedel, K., Bandel, W.: Potenziale von Motoren
mit variablem Verdichtungsverhältnis. MTZ 73, 5, (2012)
[11] Anisits, F.B.K., Kratochwill, H., Steinparzer, F.: Der neue BMW [31] http://www.Berlin.de/special/auto-und-motor/nachrich-
9 Sechszylinder Dieselmotor. MTZ 59, 11, (1998) ten
[32] http://www.Autobild.de/.../infiniti-paris-2016
[12] Pilgrim, R., Gregotsch, K.: Schwingungstechnisch-akusti-
sche Entwicklung am Sechszylinder-Triebwerk des Porsche
10 Carrera 4. MTZ 50, 3, (1989)
[13] Nissen, P.-J., Heidingsfeld, D., Kranz, A.: Der MTD – Neues
Dämpfungssystem für Kfz-Antriebsstränge. MTZ 61, 6,
11 (2000)
[14] Bey, R., Ohrem, C., Biermann, J.-W., Bütterling, P.: Down-
sizingkonzept mit Zweizylinder-Erdgasmotor. MTZ 74, 9,
12 (2013)
[15] Schäfer, F., Basshuysen, R. v: Schadstoffreduzierung und

13 Kraftstoffverbrauch von Pkw-Verbrennungsmotoren Die


Verbrennungskraftmaschine, Bd. 7. Springer Verlag, Wien,
New York (1993)

14 [16] Basshuysen, R., Schäfer, F. (Hrsg.): Lexikon Motorentechnik.


Vieweg Verlag, Wiesbaden (2006)
[17] Pischinger, F.: Gedanken über den Automobilmotor von
15 morgen. Vortrag VW-AG, Juli 1990
[18] Kreuter, P., Gand, B., Bick, W.: Beeinflussbarkeit des Teillast-
verhaltens von Ottomotoren durch das Verdichtungsver-
16 hältnis bei unterschiedlichen Hub-Bohrungs-Verhältnissen
2. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik.
(1989)
17 [19] Gand, B.: Einfluss des Hub-Bohrungs-Verhältnisses auf
den Prozessverlauf des Ottomotors, Dissertation. RWTH
Aachen, 1986
18 [20] Bick, W.: Einflüsse geometrischer Grunddaten auf den
Arbeitsprozess des Ottomotors bei verschiedenen Hub-
Bohrungs-Verhältnissen, Dissertation. RWTH Aachen, 1990
19 [21] Blumenstock, K.U.: Ungenutzte Potenziale. mot (2004)
[22] Schwaderlapp, M., Pischinger, S., Yapici, K.I., Habermann,
K., Bolling, C.: Variable Verdichtung – eine konstruktive
20 Lösung für Downsizing-Konzepte Aachener Kolloquium
Fahrzeug- und Motorentechnik, Okt. (2001)
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Dipl.-Ing. Peter Amm, Dipl.-Ing. Franz Pawellek, Mirko Sierakowski

7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung – 106
7.1.1 Kolben – 106
7.1.2 Kolbenbolzen – 120
7.1.3 Kolbenbolzensicherungen – 120

7.2 Pleuel – 122
7.2.1 Aufbau des Pleuels  –  122
7.2.2 Belastung – 122
7.2.3 Pleuelverschraubung – 124
7.2.4 Gestaltung – 125

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_7
7.2.5 Pleuelfertigung – 126
7.2.6 Pleuel-Werkstoffe – 128

7.3 Kolbenringe – 129
7.3.1 Ausführungsformen – 130
7.3.2 Ringbestückungen – 133
7.3.3 Kenngrößen – 134
7.3.4 Kolbenringherstellung – 136
7.3.5 Beanspruchung, Schäden, Verschleiß, Reibung  –  139

7.4 Kurbelgehäuse – 139
7.4.1 Aufgaben und Funktionen  –  139
7.4.2 Gestaltung von Zylinderkurbelgehäusen  –  142
7.4.3 Optimierung der Akustik  –  146
7.4.4 Minimierung der Kurbelgehäusemasse  –  148
7.4.5 Gießverfahren für Kurbelgehäuse  –  150

7.5 Zylinder – 151
7.5.1 Gestaltung von Zylindern  –  151
7.5.2 Bearbeitung von Zylinderlaufflächen  –  156
7.5.3 Zylinderkühlung – 157

7.6 Ölwanne – 158
7.6.1 Ölwannenbauart – 158

7.7 Kurbelgehäuseentlüftung – 159
7.7.1 Gesetzliche Randbedingungen – 159
7.7.2 Technische Anforderungen – 162
7.7.3 Systemaufbau aktueller Kurbelgehäuseentlüftungs­systeme  –  164
7.7.4 Ölabscheidung – 164
7.7.5 Kurbelgehäusedruckregelung – 170
7.7.6 Module und Ventilhaubenintegration – 172

7.8 Zylinderkopf – 173
7.8.1 Grundauslegung des Zylinderkopfes  –  174
7.8.2 Die Konstruktion des Zylinderkopfes  –  176
7.8.3 Gießverfahren – 186
7.8.4 Modell- und Formenbau  –  191
7.8.5 Mechanische Bearbeitung und Qualitätssicherung  –  192
7.8.6 Ausgeführte Bauformen von Zylinderköpfen  –  193
7.8.7 Perspektiven in der Zylinderkopftechnologie  –  199
103 7

7.9 Kurbelwellen – 201
7.9.1 Funktion im Fahrzeug  –  201
7.9.2 Herstellung und Eigenschaften  –  202
7.9.3 Leichtbau und Verfahren zur Steigerung der Festigkeit  –  204
7.9.4 Berechnung von Kurbelwellen  –  206

7.10 Ventiltriebskomponenten – 207
7.10.1 Standard-Ventiltrieb – 207
7.10.2 Riemenspannsysteme, Spann- und Umlenkrollen  –  219
7.10.3 Kettenspann- und Führungssysteme  –  222

7.11 Ventile – 225
7.11.1 Funktion und Begriffserklärungen  –  225
7.11.2 Fertigungsmethoden und Ventilarten – 226
7.11.3 Ausführungsformen – 228
7.11.4 Ventilwerkstoffe – 229
7.11.5 Sonder-Ventilausführungen – 230
7.11.6 Ventilkegelstücke – 231
7.11.7 Ventildrehvorrichtung – 232

7.12 Ventilfedern – 233
7.13 Ventilsitzringe – 236
7.13.1 Einleitung – 236
7.13.2 Anforderungen an Ventilsitzringe – 237

7.14 Ventilführungen – 244
7.14.1 Anforderungen an Ventilführungen – 244
7.14.2 Werkstoffe und Eigenschaften  –  247
7.14.3 Geometrie Ventilführung – 250
7.14.4 Zylinderkopfmontage – 251

7.15 Schmierölpumpen – 252
7.15.1 Schmiersystem und Anforderungen an die Ölpumpen  –  252
7.15.2 Bauarten von Schmierölpumpen  –  255
7.15.3 Regelung von Motorschmierölpumpen  –  263
7.15.4 Pumpenkonzepte und Anbauorte  –  271
7.15.5 Entwicklung – 276

7.16 Nockenwelle – 283
7.16.1 Aufgaben der Nockenwelle  –  283
7.16.2 Ventiltriebkonfigurationen – 284
7.16.3 Aufbau einer Nockenwelle  –  284
7.16.4 Technologien und Werkstoffe – 286
7.16.5 Massereduktion – 291
7.16.6 Einflussfaktoren für Nockenwellenbelastung  –  292
7.16.7 Auslegung von Nockenprofilen  –  293
7.16.8 Kinematikrechnung – 294
7.16.9 Dynamikrechnung – 295
7.16.10 Nockenwellenverstellsysteme – 296

7.17 Kettentrieb – 301
7.17.1 Kettenbauformen – 301
7.17.2 Kettenkennwerte – 303
7.17.3 Kettenräder – 303
7.17.4 Kettenführungselemente – 304
7.17.5 Reibungsreduzierungs­konzepte von Steuerkettentrieben  –  305

7.18 Riementriebe – 305
7.18.1 Zahnriementriebe zum Antrieb von Nockenwellen  –  305
7.18.2 Keilrippenriementriebe zum Antrieb von Nebenaggregaten  –  313

7.19 Lager in Verbrennungsmotoren – 317


7.19.1 Grundlagen – 317
7.19.2 Berechnung und Dimensionierung von Motorlagern  –  319
7.19.3 Lagerwerkstoffe – 325
7.19.4 Lagerbauarten – Aufbau, Belastbarkeit, Anwendung  –  330
7.19.5 Lagerversagen – 333
7.19.6 Ausblick – 336

7.20 Ansaugsysteme – 336
7.20.1 Komponenten des Ansaugsystems  –  337
7.20.2 Akustik – 342

7.21 Dichtsysteme – 346
7.21.1 Zylinderkopfdichtungssysteme – 346
7.21.2 Spezialdichtungen – 352
7.21.3 Elastomer-Dichtsysteme – 357
7.21.4 Entwicklungsmethoden – 360

7.22 Verschraubungen am Motor  –  365


7.22.1 Hochfeste Schraubenverbindungen – 365
7.22.2 Qualitätsanforderungen – 365
7.22.3 Schraubverbindungen – 366
105 7

7.22.4 Aggregateverschraubungen und Verschrauben


in Leichtmetalle – 373
7.22.5 Schraubenanziehverfahren – 373

7.23 Abgaskrümmer – 375
7.23.1 Ablauf einer Krümmerentwicklung  –  377
7.23.2 Krümmer als Einzelkomponente  –  378
7.23.3 Krümmer als Teilmodul – 380
7.23.4 Integrierte Abgaskrümmer – 380
7.23.5 Krümmer-Komponenten – 381

7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren – 381


7.24.1 Anforderungen, Bauarten und konstruktiver Aufbau  –  381
7.24.2 Flügelrad und Spiralkanal  –  383
7.24.3 Kühlmittelseitige Abdichtung – 384
7.24.4 Kennfeld und Ähnlichkeitsbeziehungen der Kühlmittelpumpe  –  385
7.24.5 Kavitation – 388
7.24.6 Strömungssimulation, Strömungsanalyse,
Festigkeitsnachweis und Optimierung  –  389
7.24.7 Schaltbare, regelbare und elektrische Kühlmittelpumpen  –  390

7.25 Steuerorgane des Zweitaktmotors  –  394


Literatur – 397
106 Kapitel 7 • Motorkomponenten

7.1 Kolben/Kolbenbolzen/ Der dadurch bedingte überproportionale Anstieg


1 Kolbenbolzensicherung der Massenkräfte der sich hin- und herbewegenden
Motorteile wird durch Verkleinerung der Kompressi-
7.1.1 Kolben
2 onshöhe (KH) und durch die gewichtsoptimierte Kol-
benbauweise weitgehend kompensiert.
7.1.1.1 Anforderungen und Funktion Die Gesamtlänge GL des Kolbens, bezogen auf
3 Die Aufgabe des Kolbens besteht darin, die bei der Ver- den Kolbendurchmesser, ist besonders bei kleineren
brennung des Kraftstoff-Luft-Gemisches entstehenden schnelllaufenden Motoren kürzer als bei größeren,
Druckkräfte aufzunehmen, über den Kolbenbolzen und mittelschnelllaufenden Motoren.
4 die Pleuelstange auf die Kurbelwelle zu übertragen. Die Kompressionshöhe KH beeinflusst neben der
Als bewegliche kraftübertragende Wand muss der Bauhöhe des Motors entscheidend das Kolbengewicht.
5 Kolben zusammen mit den Kolbenringen den Brenn- Der Motorenkonstrukteur ist deshalb bestrebt, diese so
raum gegen Gasdurchtritt und Schmieröldurchfluss bei niedrig wie möglich auszuführen. Die KH wird deshalb
allen Lastzuständen zuverlässig abdichten. Durch stän- immer einen Kompromiss zwischen der Forderung
6 dige Effizienz- und Leistungssteigerungen der Motoren nach geringster Bauhöhe und hoher Betriebssicher-
werden die an die Kolben gestellten Anforderungen heit darstellen.
7 immer höher.
Ein Beispiel für die Kolbenbelastung: Bei einer
Die in . Abb. 7.3 angegebenen Werte für die Bo-
dendicke  s gelten allgemein für Kolben mit ebenen
Drehzahl von 6000 l/min eines Ottomotors wird jeder und flachen, konvex oder konkav gewölbten Böden.
8 Kolben (D = 90 mm) bei einem Zylinderspitzendruck Bei Kolben für Dieselmotoren mit Direkteinspritzung
von 75 bar 50-mal pro Sekunde mit einer Last von mit tiefen Mulden liegen die Bodendicken, je nach
circa 5 t beaufschlagt! maximalem Zylinderdruck, zwischen 0,16 bis 0,23 des
9 Die Erfüllung unterschiedlichster Aufgaben, maximalen Muldendurchmessers (DMu).
wie Anpassungsfähigkeit an verschiedene Betriebs- Aus den Richtwerten der . Abb. 7.3 für den Kol-
10 bedingungen, Fresssicherheit bei gleichzeitig hoher
Laufruhe, geringes Gewicht bei ausreichender Ge-
benbolzendurchmesser BO ist zu entnehmen, dass die
höheren Arbeitsdrücke der Dieselmotoren größere
staltfestigkeit, geringer Ölverbrauch und niedrige Bolzendurchmesser erfordern.
11 Schadstoffemissionswerte, resultiert in Anforderungen Die Kolbenringzone sorgt zusammen mit den Kol-
an Konstruktion und Werkstoff, die zum Teil gegen- benringen für die bewegliche Abdichtung des Verbren-
läufig sind. Diese Kriterien müssen für jeden Motor- nungsraums gegen den Kurbelraum. Ihre Höhe richtet
12 typ sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Die sich nach der Zahl und Höhe der eingesetzten Kolben-
jeweils für den Einzelfall optimale Lösung kann daher ringe und der Höhe der Stege zwischen den Ringen.
13 sehr verschiedenartig ausfallen. Das Ringpaket besteht bei Kolben für Viertaktmotoren
In . Abb. 7.1 sind die Betriebsbedingungen des üblicherweise aus zwei Verdichtungsringen und einem
Kolbens, die sich daraus für seine Gestaltung erge- Ölabstreifring. Die Höhe des ersten Ringstegs wird ent-
14 benden Anforderungen sowie die konstruktiven und sprechend dem auftretenden Zünddruck des Motors
werkstoffseitigen Lösungen zusammengestellt. und der Stegtemperatur ausgelegt. Die Steghöhen der
15 7.1.1.2 Konstruktive Gestaltung
nachfolgenden Ringstege können wegen der geringe-
ren Temperatur und Gasdruckbelastung geringer ge-
Aus den Betriebsanforderungen der jeweiligen Ver- wählt werden.
16 brennungskraftmaschinen (2-Takt-, 4-Takt-, Otto- Der Kolbenschaft dient zur Führung des Kolbens
und Dieselmotor) ergibt sich, dass in der Regel Alu- im Zylinder. Er überträgt die bei der Auslenkung der
minium-Silizium-Legierungen die zweckmäßigsten Pleuelstange entstehenden Seitenkräfte gleitend an die
17 Kolbenwerkstoffe sind. Kolben aus Stahl werden im Zylinderwand. Durch genügende Schaftlänge und enges
Dieselmotor bei hohen Belastungen eingesetzt und Laufspiel unter Berücksichtigung der Zylinderverzüge
18 erfordern besondere Kühlmaßnahmen. wird das sogenannte „Kolbenkippen“ beim Anlage-
Aus Festigkeits- und Gewichtsgründen ist eine sorg- wechsel des Kolbens von der einen zur gegenüberliegen-
fältige konstruktive Auslegung der Kolben notwendig, den Zylinderwand (Kolbensekundärbewegung) gering
19 verbunden mit der Forderung nach guter Kolbenküh- gehalten. Dies ist für die Vermeidung von kolbenbe-
lung. Wichtige Begriffe und Abmessungen zur Beschrei- dingten Motorgeräuschen und zur Reduzierung des
20 bung der Geometrie zeigen die . Abb. 7.2 und 7.3.
Die Steigerung der spezifischen Leistungen der
Verschleißes an allen Gleitflächen des Kolbens wichtig.
Die Kolbennaben haben die gesamten Längskräfte
Motoren erfolgt zum Teil über die Drehzahlerhöhung. vom Kolben auf den Bolzen zu leiten und müssen da-
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
107 7

Betriebsbedingungen Anforderungen Lösung Konstruktion Lösung Werkstoff


an den Kolben
Mechanische Belastung Hohe statische und dy- Genügende Wandstärke, Verschiedene Al-Si-
a) Kolbenboden/Verbren- namische Festigkeit bei gestaltfeste Bauweise, Gusslegierungen
nungsmulde hohen Temperaturen. gleichmäßiger „Kraft- warmausgelagert (T5)
Ottomotoren: fluss“ und „Wärme- oder ausgehärtet (T6,
Zünddrücke 50 – 130 bar Hohe Flächenpressung in fluss“. T7),
Dieselmotoren: den Nabenbohrungen. gegossen oder
Zünddrücke 80 – 230 bar Geringe plastische Nabenbuchse, geschmiedet
b) Kolbenschaft: Seitenkraft: Deformation. Kolbenköpfe aus Stahl Sondermessing,
circa 6 – 8 % der maxi- oder einteilige Bronze,
malen Zündkraft Stahlkolben Vergütungsstahl
c) Kolbennaben: zulässige
Flächenpressung
temperaturabhängig
Hohe Temperatur Festigkeit muss auch bei Ausreichende Wie oben
im Verbrennungsraum: hoher Temperatur noch Wärmeflussquerschnitte,
mittlere Gastemperatur über erhalten bleiben. Kühlkanäle
1000 °C Kennzeichen:
am Kolbenboden/Mulden- Warmhärte, Dauerfestig-
kante: 200 – 400 °C keit, hohe Wärmeleit-
bei Eisenwerkstoffen: fähigkeit, zunderbeständig
circa 350 – 500 °C (Stahl)
an Bolzennabe:
150 – 260 °C
am Kolbenschaft:
120 – 180 °C
Beschleunigung von Geringes Gewicht, ergibt Leichtbau mit höchster Al-Si-Legierung,
Kolben und Pleuel bei kleine Massenkräfte Werkstoffausnutzung geschmiedet
hoher Drehzahl: beziehungsweise
zum Teil über 25.000 m/s2 Massenmomente
Gleitende Reibung Geringer Reibungs- Ausreichend große Al-Si-Legierungen,
in den Ringnuten, am widerstand, hohe Gleitflächen, gleich- Schaft verzinnt,
Schaft, in den Bolzenlagern. Verschleißfestigkeit mäßige Druckverteilung. graphitiert,
Zum Teil ungünstige (beeinflusst Lebensdauer), Nutarmierung, beschichtet,
Schmierverhältnisse geringe Neigung zum Ölversorgung Nutenbewehrung
Fressen durch eingegossenen
Ringträger
Anlagewechsel von einer Geräuscharmut, kleines Geringes Laufspiel, Niedrige
Zylinderseite zur anderen „Kolbenkippen“ bei kal- elastische Schaftgestal- Wärmeausdehnung.
(vor allem im Bereich des tem und warmem Motor, tung mit optimierter Eutektische oder
oberen Totpunktes) geringe Kavitations- Kolbenform, Desachsie- übereutektische
anregung, kleine rung der Nabenboh- Al-Si-Legierungen,
Aufschlagimpulse rungen niedrig legierte Stähle

..Abb. 7.1 Betriebsbedingungen und sich daraus ergebende Forderungen an den Kolben sowie konstruktions-
und werkstoffseitige Lösungen

her gegen den Boden und Schaft gut abgestützt sein. Gestaltung des Nabenabstützungsbereichs erforder-
Der ausreichend dimensionierte Abstand zwischen lich. Um Nabenrisse zu vermeiden, sollte die mittlere
Oberkante der Nabenbohrung und Kolbenboden- rechnerische Flächenpressung in der Nabenbohrung
innenform führt zu einer gleichmäßigeren Span- von Aluminiumkolben in Abhängigkeit von der
nungsverteilung im Abstützquerschnitt. Bei hohen Naben-Bolzen-Konfiguration, vom Werkstoff und
Belastungen ist deshalb eine besonders sorgfältige von der Nabentemperatur Werte zwischen 55 und
108 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Ottomotoren Dieselmotoren
1 (Viertakt)
Zweitakt Viertakt Pkw-Diesel
2 Durchmesser D (mm) 30 bis 70 65 bis 105 65 bis 95
Gesamtlänge GL/D 0,8 bis 1,0 0,6 bis 0,7 0,8 bis 0,95
3 Kompressionshöhe KH/D 0,4 bis 0,55 0,30 bis 0,45 0,5 bis 0,6
Bolzendurchmesser BO/D 0,20 bis 0,25 0,20 bis 0,26 0,32 bis 0,40
4 Feuersteg F (mm) 2,5 bis 3,5 2 bis 8 4 bis 15
1. Ringsteg St/D* 0,045 bis 0,06 0,040 bis 0,055 0,05 bis 0,09
5 Nutenhöhe für 1. Ring (mm) 1,2 und 1,5 1,0 bis 1,75 1,75 bis 3,0
Schaftlänge SL/D 0,55 bis 0,7 0,4 bis 0,5 0,5 bis 0,65
6 Nabenabstand AA/D 0,25 bis 0,35 0,20 bis 0,35 0,20 bis 0,35
Bodendicke s/D bzw. s/DMu 0,055 bis 0,07 0,06 bis 0,10 0,15 bis 0,22**

7 * Werte bei Dieselmotoren gelten für Ringträgerkolben; je nach Verbrennungsspitzendruck


** Bei Direkteinspritzern ~ 0,2 × Muldendurchmesser (DMu)

8 ..Abb. 7.2  Übliche Hauptabmessungen für Leichtmetallkolben/Pkw

D ..Abb. 7.3 Wichtige
9 Dmax Begriffe und Abmessun-
gen am Kolben

10 s
F

ST
11 KH DL

12 BO
GL

SL
13 UL
AA
14
15 F Feuersteg BO Nabenbohrungs-Ø
s Bodendicke (Bolzen-Ø )
ST Ringsteg SL Schaftlänge
16 KH
DL
Kompressionshöhe
Dehnlänge
UL
AA
Untere Länge
Nabenabstand
GL Gesamtlänge D Kolbendurchmesser
17 Dmax max. Muldendurchmesser

18 75 N/mm2 nicht überschreiten. Noch höhere Werte optimale Abstützung ausgeführt und die oszillierenden
sind nur durch besondere Maßnahmen zur Festig- Massen können kleingehalten werden.
keitssteigerung der Nabenbohrung möglich.
19 Der Abstand  AA zwischen den beiden Naben 7.1.1.3 Desachsierung
richtet sich nach der Breite des oberen Pleuelauges. der Nabenbohrung
20 Im Interesse geringer Verformungswerte von Kolben
und Kolbenbolzen muss dieser Wert optimiert werden.
Ein Versatz der Bolzenachse zur Kolbenlängsachse
(Desachsierung) bewirkt ein optimiertes Anlagever-
Nur mit kleinstmöglichen Nabenabständen kann eine halten des Kolbens beim Seitenwechsel. Die Kolbense-
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
109 7

Kolbenbauart Regelkolben Ohne Regelstreifen


geschlitzt Al-Kolben Moderne
ungeschlitzt Leichtkolben
Arbeitsverfahren Otto Otto und Diesel Otto (Zweitakt) Diesel Otto (Viertakt)
Einbauspiele 0,3 bis 0,5 0,6 bis 1,3 0,7 bis 1,3 0,3 bis 0,5
(Nennmaßbereich)
Oberes Schaftende 0,6 bis 1,2 1,8 bis 2,2 1,4 bis 4,0* 1,8 bis 2,4 1,7 bis 2,2
* Nur bei 1-Ring-Ausführung und Hochleistungsmotoren (Schaftende nahe Feuersteg)

..Abb. 7.4  Übliche Einbauspiele von Leichtmetall-Kolben für Fahrzeugmotoren (in ‰ vom Nenndurchmesser;
Einbau in GG-Motorblock)

Schwimmende Schrumpfsitz Bolzenlagerung ist die Standardausführung und die in


Bolzenlagerung Kolbenbolzen (fixed pin) den Kolbennaben spezifisch am höchsten belastbare
0,002 bis 0,005 0,006 bis 0,012 Variante. Die nach Aussage einiger Motorenbauer kos-
tengünstigere „Schrumpfpleuel-Ausführung“ wird nur
..Abb. 7.5 Mindestbolzenspiel für Ottomotoren in noch selten und nur im Ottomotorbereich eingesetzt.
mm (nicht für Rennmotoren) Sie ist für moderne Dieselmotoren und für Turbo-
Ottomotoren ungeeignet.
kundärbewegung und hieraus resultierende Aufschlag­
impulse können mit dieser Maßnahme entscheidend 7.1.1.5 Kolbenmassen
beeinflusst werden. Durch Berechnung der Kolbenbe- Der Kolben mit seinem Zubehör (Ringe, Bolzen, Si-
wegung wird die Lage und Größe des Versatzes zur cherungsringe) bildet mit dem oszillierenden Pleuel-
Kolbenlängsachse optimiert. So wird eine Reduzierung anteil die oszillierende Masse. Je nach Motorenbauart
des Kolbenlaufgeräusches und eine Minimierung der entstehen dadurch freie Massenkräfte oder/und freie
Gefahr von Kavitation an der Zylinderlaufbuchse er- Momente, die zum Teil nicht mehr oder nur mit er-
reicht. heblichem Aufwand ausgeglichen werden können. Da-
her entsteht vor allem bei schnelllaufenden Motoren
7.1.1.4 Einbau- und Laufspiele der Wunsch nach niedrigsten oszillierenden Massen.
Am Kolbenschaft strebt man an, das Einbauspiel Der Kolben und der Kolbenbolzen haben den größten
möglichst klein zu halten, damit bei allen Betriebs- Anteil an den oszillierenden Massen. Somit muss die
zuständen ein gleichmäßig ruhiger Lauf erreicht Gewichtsoptimierung hier beginnen.
wird. Bei Leichtmetallkolben ist dieses Ziel infolge Etwa 80 % des Kolbengewichts liegen oberhalb
der hohen Wärmeausdehnung der Leichtmetall- der Kolbenbolzenachse bis zur Bodenoberkante. Von
Legierungen nur durch besondere Konstruktions- den Hauptabmessungen am Kolben kommt somit der
maßnahmen zu erreichen. Hierfür wurden früher Kompressionshöhen-Festlegung entscheidende Bedeu-
häufig eingegossene Stahlstreifen zur Beeinflussung tung zu, das heißt, es werden mit der Festlegung der
der Wärmeausdehnung eingesetzt („Regelkolben“). Kompressionshöhe bereits circa 80 % des Kolbenge-
Aus Gewichts- und Kostengründen kommen diese wichts vorgegeben.
Ausführungen für Neukonstruktionen nicht mehr Für Ottomotoren mit Direkteinspritzung wird der
zum Einsatz. Kolbenboden zur Strahlumlenkung herangezogen und
. Abb.  7.4 gibt eine Übersicht über die Spiele entsprechend geformt, . Abb. 7.6. Die Kolben bauen
verschiedener Kolbenbauarten an Schaft und Feu- höher und werden schwerer. Der Schwerpunkt ver-
ersteg. schiebt sich nach oben. Bei strahlgeführten Einspritz-
Das Spiel des Kolbenbolzens in den Bolzennaben verfahren werden die Böden wieder flacher.
ist für einen ruhigen Lauf der Kolben und den Ver- Die Kolbenmassen GN lassen sich am besten ver-
schleiß dieser Lagerstellen wichtig. Für die Mindest- gleichen, wenn man sie auf das Vergleichs-Volumen
spielauslegung (. Abb.  7.5) ist für Ottomotoren zu V ∼ D3 bezieht (ohne Ringe und Bolzen).
unterscheiden, ob es sich um eine „schwimmende“ Für bewährte Kolbenausführungen sind die Mas-
Bolzenlagerung oder einen im kleinen Pleuelauge sekennzahlen GN/D3 (ohne Ringe und Bolzen) in
eingeschrumpften Bolzen handelt. Die schwimmende . Abb. 7.7 dargestellt.
110 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Andererseits sind die Temperaturen in der 1. Ring-


1 nut hinsichtlich der Ölverkokung von Bedeutung. Bei
Überschreiten gewisser Grenzwerte neigen die Kol-
2 benringe abhängig von der Ölqualität zum „Festgehen“
und werden hierdurch in ihrer Funktion beeinträch-
tigt. Neben den Maximaltemperaturen ist die Abhän-
3 gigkeit der Kolbentemperaturen von den motorischen
Betriebsbedingungen (wie Drehzahl, Mitteldruck,
Zündzeitpunkt, Einspritzmenge und -zeitpunkt) von
4 Bedeutung. . Abb. 7.10 zeigt typische Werte für Pkw
Otto- und Dieselmotoren im Bereich der 1. Ringnut,
5 für unterschiedliche Betriebsbedingungen.

7.1.1.7 Kolbenkühlung
6 Durch steigende Motorleistungen und Aufladung wird
die gezielte Kolben-Kühlung auch bei Ottomotoren
7 ..Abb. 7.6  Kolben für einen Ottomotor mit Direktein-
weiter an Bedeutung gewinnen.

spritzung Anspritzkühlung
8 Eine übliche Ausführung ist eine am unteren Ende des
Zylinders befindliche Düse, die Motoröl in die Innen-
7.1.1.6 Betriebstemperaturen kontur des Kolbens spritzt. Die Kühlwirkung ist abhän-
9 Eine hinsichtlich der Betriebssicherheit und Lebens- gig von der Kühlölmenge und der zur Wärmeabfuhr
dauer wichtige Größe ist die Bauteiltemperatur von zur Verfügung stehenden Oberfläche. Es lassen sich
10 Kolben und Zylindern. Der den heißen Verbren-
nungsgasen ausgesetzte Kolbenboden nimmt eine je
hiermit an Nut 1 und Nabe Temperaturabsenkungen
bis zu 30 °C erzielen. Eine einfachere Variante ist eine
nach Betriebspunkt (Drehzahl, Drehmoment) unter- Bohrung im großen Pleuelauge, die über die Pleuel-
11 schiedliche Wärmemenge auf. Diese Wärmemenge lagerschmierung mit Öl versorgt wird. Neben einer
wird bei nicht ölgekühlten Kolben hauptsächlich geringen Kühlwirkung bewirkt der teilweise auf die
durch den 1. Kolbenring, in wesentlich geringerem Zylinderlaufbahn auftreffende Ölstrahl hier eine bes-
12 Maß durch den Kolbenschaft, an die Zylinderwand sere Schmierung, die eine größere Sicherheit gegen
abgegeben. Bei Einsatz einer Kolbenkühlung wird Kraftstoffreiber bietet.
13 dagegen ein wesentlicher Anteil der Wärmemenge
Kolben mit Kühlölhohlräumen
an das Motoröl abgegeben. Durch die konstruktiv
gegebenen Materialquerschnitte ergeben sich Wärme- Eine aufwändigere, jedoch wirkungsvollere Mög-
14 ströme, die zu charakteristischen Temperaturfeldern lichkeit zur Kolbenkühlung ist die Einbringung von
führen. Typische Temperaturverteilungen an Kolben Hohlräumen im thermisch hoch beanspruchten Be-
15 für Otto- und Dieselmotoren zeigen die . Abb. 7.8
und 7.9.
reich Kolbenboden und Ringnuten. Durch eine Zu-
lauföffnung wird ein ringförmiger Kühlkanal über eine
Hohe thermische Belastung mindert einerseits die Spritzdüse mit Motoröl versorgt, das nach Wärmeauf-
16 Dauerfestigkeit des Kolbenwerkstoffs. Die kritischs- nahme (∆T bis circa 40 °C) durch eine Ablauföffnung
ten Stellen diesbezüglich sind beim Dieselmotor mit auf der gegenüberliegenden Seite des Kolbens in den
Direkteinspritzung der Naben-Zenit sowie der Mul- Ölsumpf zurückgeführt wird. Die empfohlenen spezifi-
17 denrand, beim Ottomotor der Übergangsbereich Na- schen Kühlölmassen betragen etwa 5 kg/kWh. Optimal
benanbindung zu Kolbenboden. wirksam hinsichtlich der Nutkühlung ist ein direkt an
18
Werkstoff Arbeitsverfahren GN/D3 (g/cm3) ..Abb. 7.7 Massekenn-
19 Aluminium-Legierungen 4-Takt-Ottomotoren* 0,40 bis 0,55
zahlen für Pkw-Kolben
< 105 mm Durchmesser
2-Takt-Ottomotoren* 0,5 bis 0,7
20 4-Takt-Dieselmotoren 0,80 bis 1,10
* Saugrohreinspritzung
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
111 7
301.0 375.0
[°C]
[°C] 359.0
290.0
280.0 343.0
269.0 327.0
259.0 311.0
248.0 295.0
237.0 279.0
227.0 263.0
216.0 247.0
206.0 231.0
195.0 215.0
184.0 199.0
174.0
183.0
163.0
167.0
153.0
151.0
142.0
135.0
..Abb. 7.8 Temperaturverteilung an einem Kolben
..Abb. 7.9  Temperaturverteilung an einem Kolben
für einen Ottomotor
mit Kühlkanal für einen Dieselmotor

Motorbedingungen Änderung der Motorbedingungen Änderung der Kolbentemperatur


in der Nut 1
Wasserkühlung Wassertemperatur 10 °C 4 bis 8 °C
50 % Frostschutz + 5 bis 10 °C
Schmieröltemperatur 10 °C 1 bis 3 °C
(ohne Kolbenkühlung)
Kolbenkühlung durch Öl Spritzdüse im Pleuelfuß – 8 bis 15 °C einseitig
Normale Spritzdüse (Standdüse) – 10 bis 30 °C
Kühlkanal – 25 bis 50 °C
Kühlöltemperatur 10 °C 4 bis 8 °C (auch Muldenrand)
Mitteldruck (n = konst.) 0,1 MPa 5 bis 10 °C (Muldenrand 15 bis 20 °C)
Drehzahl (pe = konst.) 100 1/min 2 bis 4 °C
Zündzeitpunkt, 1° kW 1,5 bis 3,5 °C
Förderbeginn
Luftverhältnis Lambda Lambda = 0,8 bis 1,0 Geringer Einfluss

..Abb. 7.10  Einfluss der Motorbetriebsbedingungen auf die Kolbenringnuttemperaturen

den Ringträger angeformter Kühlkanal („gekühlter den. Daneben werden neue Entwicklungsrichtungen
Ringträger“). verfolgt, wie zum Beispiel Kolben für extrem niedrig
. Abb.  7.11 zeigt die typischen Einsatzbereiche bauende Motoren, Kolben aus Verbundwerkstoff mit
verschiedener Kolbenausführungen. lokalen Verstärkungselementen oder Kolben mit ver-
änderlicher Kompressionshöhe (VKH-Kolben), die
7.1.1.8 Kolbenbauarten eine variable Verdichtung zulassen.
Die Kolbenentwicklung hat eine große Zahl von Bau- Zur Anwendung kommen in modernen Ottomo-
arten hervorgebracht, von denen die wichtigsten im toren Leichtbaukonstruktionen mit symmetrischen
Motorenbau bewährten Ausführungen vorgestellt wer- oder asymmetrischen ovalen Schaftformen und ge-
112 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1 Arbeitsverfahren Belastung
Otto keine Kolbenkühlung Kolben mit Anspritzkühlung geschmiedeter Kolben mit
Anspritzkühlung
2
niedrig ≈ 40 kW/l mittel ≈ 65 kW/l hoch ≈ 60 kW/l

3
Pkw-Diesel Anspritzkühlung Kühlkanalkolben gekühlter Ringträger
4 niedrig ≈ 35 kW/l mittel ≈ 35 – 70 kW/l hoch > 45 kW/l

5 ..Abb. 7.11  Übersicht Kühlungsvarianten

6
7
8
..Abb. 7.12 Asymdukt®-Kolben
9
10 gebenenfalls unterschiedlichen Wanddicken für die
Druck- und Gegendruckseite. Diese Kolbenbauarten
zeichnen sich durch Gewichtsoptimierung und be- ..Abb. 7.13 Evotec®-Kolben
11 sondere Flexibilität im mittleren und unteren Schaft-
bereich aus. Aus den genannten Gründen treten die
„Regelkolben“, bei denen im Schaftbereich Stahlstrei- unterschiedlichen Schaftbreiten, die stark gewichtsop-
12 fen eingegossen werden, um das Wärmeausdehnungs- timiert sind, ohne Kompromisse in der Belastbarkeit
verhalten zu verändern, immer mehr in den Hinter- einzugehen, . Abb. 7.13. Diese Kolbenbauarten erfor-
13 grund. Der Vollständigkeit wegen werden auch ältere dern Anpassungen am Gießwerkzeug und im Gieß-
Bauarten kurz angesprochen. prozess.

14 Asymdukt® -Kolben Kolben für den Rennsport


Diese Kolbenbauart, . Abb. 7.12, zeichnet sich durch Hier handelt es sich durchweg um Sonderkonstruk-
15 geringes Gewicht, eine optimierte Abstützung und kas-
tenähnliche ovale Schaftgestaltung aus. Sie ist hervor-
tionen, . Abb. 7.14. Die Kompressionshöhe KH ist
sehr niedrig und der Kolben insgesamt extrem ge-
ragend für den Einsatz in modernen Pkw-Ottomotoren wichtsoptimiert. Es kommen nur geschmiedete Kol-
16 geeignet. Sie eignet sich sowohl für Al-Motorblöcke ben zum Einsatz. Die Gewichtsoptimierung und die
wie auch für Grauguss-Motorblöcke. Durch die flexible Kolbenkühlung sind hier entscheidende Kriterien für
Schaftgestaltung kann die unterschiedliche Wärmeaus- die Auslegung dieser Kolben. In der Formel 1 sind
17 dehnung zwischen Grauguss-Block und Aluminium- spezifische Leistungen von mehr als 200 kW/l und
Kolben sehr gut im elastischen Bereich kompensiert Drehzahlen von 15.000 l/min üblich. Die Lebens-
18 werden. Die Kolben können gegossen oder aber auch dauer der Kolben ist auf die extremen Bedingungen
geschmiedet sein. Die geschmiedete Ausführung abgestimmt.
kommt vor allem in hochbelasteten Sportmotoren oder
19 in hochbelasteten Turbo-Ottomotoren zum Einsatz. Kolben für Zweitaktmotoren
Beim Zweitaktkolben, . Abb. 7.15, ist die thermische
Evotec® - und Evolite® -Kolben
20 Weiterentwicklungen des Asymdukt®-Kolbens sind der
Belastung wegen des häufigeren Wärmeeinfalls – bei
jeder Umdrehung der Kurbelwelle ein Arbeitshub –
Evotec®- und jüngst der Evolite®-Kolben mit deutlich besonders hoch. Bei seiner Auf- und Abbewegung im
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
113 7

..Abb. 7.14 Formel-1-Kolben geschmiedet, V8-Motor

..Abb. 7.16  Ringträgerkolben mit Nabenbuchsen aus


Sondermessing

Der Ringträgerwerkstoff besteht aus einem


nichtmagnetischen Gusseisen mit ähnlichem Wär-
meausdehnungsverhalten wie der Kolbenwerkstoff.
Der Werkstoff ist gegen Reib- und Schlagverschleiß
besonders widerstandsfähig. Die am meisten gefähr-
dete erste Nut und der darin eingesetzte Kolbenring
werden dadurch wirksam vor überhöhtem Verschleiß
geschützt. Dies wirkt sich besonders vorteilhaft bei ho-
hen Betriebstemperaturen und -drücken aus, wie sie
speziell im Dieselmotor, aber auch bei hochbelasteten
..Abb. 7.15  Kolben und Zylinder für Zweitaktmotor
Ottomotoren auftreten.

Zylinder steuert der Kolben den Gaswechsel, indem Gekühlte Kolben


er die Ein-, Auslass- und Überströmkanäle abdeckt Um eine besonders wirksame Kühlung im brenn-
beziehungsweise freigibt. Dies führt zu einer hohen raumnahen Bereich zu erreichen und den durch Leis-
thermischen und mechanischen Belastung. tungssteigerungen bedingten, erhöhten Temperaturen
Zweitaktkolben sind mit einem oder zwei Kol- zu begegnen, gibt es verschiedene Ausführungen von
benringen ausgestattet und können in ihrer äußeren Kühlkanälen beziehungsweise Kühlräumen. Die Zu-
Gestalt von der offenen Fensterkolbenbauart bis zur fuhr des Kühlöls erfolgt allgemein über im Kurbelge-
Ausführung als Vollschaftkolben variieren. Dies ist ab- häuse angebrachte Standdüsen.
hängig von der Gestaltung der Überströmkanäle (lange Beim Kühlkanalkolben, . Abb. 7.17, werden die
Kanäle oder kurze Henkelkanäle). Die Kolben werden ringförmigen Hohlräume durch Eingießen von Salz-
in diesem Fall üblicherweise aus der übereutektischen kernen geschaffen. Die eingegossenen Kerne werden
Al-Si-Legierung MAHLE 138 hergestellt. mit Wasser, das mit sehr hohem Druck eingespritzt
wird, herausgelöst.
Ringträgerkolben
Bei Ringträgerkolben, . Abb. 7.16, – schon 1931 seri- Kolben mit gekühltem Ringträger
enmäßig eingeführt – liegt die oberste, mitunter auch Eine weitere gekühlte Kolbenvariante ist der Kolben
noch die zweite Ringnut in einem durch intermetalli- mit „gekühltem Ringträger“, . Abb.  7.18. Der „ge-
sche Bindung fest mit dem Kolbenwerkstoff verbunde- kühlte Ringträger“ erlaubt eine wesentlich verbesserte
nen sogenannten „Ringträger“. Kühlung der ersten Ringnut und des thermisch hoch-
114 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
..Abb. 7.17 Kühlkanalkolben mit Ringträger für
8 einen Pkw-Dieselmotor

9 ..Abb. 7.19 Ferrotherm®-Kolben

10 die Werkstofffestigkeit der Aluminiumlegierungen


deutlich abfällt.
11 Für extrem belastete Kolben reichen geometrische
Maßnahmen, wie Formbohrung, Entlastungstaschen
sowie ovale Nabenbohrungen, zur Steigerung der
12 Nabenbelastbarkeit nicht mehr aus. Deshalb wurde
eine Armierung der Nabenbohrungen mittels einge-
13 schrumpfter Buchsen aus einem Werkstoff höherer
Festigkeit (zum Beispiel CuZn  31  Si  1) entwickelt,
. Abb. 7.16.
14
Ferrotherm® -Kolben
Beim Ferrotherm®-Kolben, . Abb. 7.19, werden Füh-
15 rungs- und Abdichtfunktionen voneinander getrennt.
Die beiden Teile, Kolbenkopf und Kolbenschaft,
16 ..Abb. 7.18  Pkw-Kolben mit gekühltem Ringträger
sind über den Kolbenbolzen beweglich miteinander
verbunden. Der Kolbenkopf, bestehend aus Schmie-
destahl und überträgt den Zünddruck über Bolzen und
17 belasteten Verbrennungsmuldenrandes. Durch die in- Pleuel auf die Kurbelwelle.
tensive Kühlung der ersten Ringnut ist es möglich, den Der leichte Aluminiumschaft stützt lediglich die
18 üblichen Doppeltrapezring durch einen Rechteckring Seitenkräfte ab, die durch die Winkelstellungen des
zu ersetzen. Pleuels entstehen und unterstützt durch entsprechende
Formgebung die notwendige Ölkühlung des Kolben-
19 Kolben mit Buchsen in der Nabenbohrung kopfs. Neben dieser „Shakerkühlung“ über den Schaft
Einer der höchstbelasteten Bereiche des Viertakt-Kol- können auch geschlossene Kühlräume im Kolbenkopf
20 bens ist die Bolzenlagerung. Dort unterliegt der Kol-
benwerkstoff thermischen Belastungen bis über 240 °C
realisiert werden. Der äußere Kühlraum des Stahl-
Kolbenkopfes wird dazu mit geteilten Federblechen
und kommt damit in einen Temperaturbereich, in dem verschlossen, . Abb. 7.19.
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
115 7

..Abb. 7.20 Monotherm®-Kolben für Nkw-Motor ..Abb. 7.21 Monoweld®-Kolben für Nkw-Motor

Der Ferrotherm®-Kolben bietet durch seine Bau- steigende spezifische Leistungen und damit Erhö-
weise neben hoher Festigkeit und Temperaturbestän- hung der thermischen und mechanischen Lasten. Der
digkeit geringe Verschleißwerte. Sein konstant niedri- MonoWeld®-Kolben ist ein reibgeschweißter Stahlkol-
ger Ölverbrauch, sein geringes Schadvolumen sowie ben bestehend aus einem geschmiedeten Stahlober-
seine vergleichsweise hohe Oberflächentemperatur und Stahlunterteil. Eine Schweißnaht liegt zwischen
bieten gute Voraussetzungen für die Einhaltung nied- der Verbrennungsmulde und der Nabenabstützung,
riger Abgas-Emissionsgrenzwerte. eine zweite im Bereich der Kolbenringnuten.
Durch die geschlossene Struktur des Kühlkanals
Monotherm® -Kolben und die Anbindung des Ringbereiches an den Kolben-
Der Monotherm®-Kolben [1], . Abb.  7.20, ist aus schaft sind im Vergleich zum Monotherm®-Kolben
der Entwicklung des Ferrotherm®-Kolbens hervorge- noch höhere Verbrennungsdrücke bei gleichzeitig re-
gangen. Diese Kolbenbauart – ein einteiliger Kolben duzierten Wandstärken zwischen Verbrennungsmulde
aus geschmiedetem Stahl – ist sehr stark gewichtsop- und Kühlkanal realisierbar. Durch die reduzierten
timiert. Bei kleiner Kompressionshöhe und Bearbei- Wandstärken reduzieren sich bei identischer Verbren-
tung oberhalb des Augenabstands (innen) kann das nung und Muldengeometrie aufgrund des veränderten
Kolbengewicht mit Kolbenbolzen nahezu gleich dem Wärmedurchgangs die Temperaturen am thermisch
Gewicht des vergleichbaren Aluminium-Kolbens besonders hochbelasteten Rand der Verbrennungs-
mit Kolbenbolzen sein. Der äußere Kühlraum ist zur mulde um bis zu −80 K.
Verbesserung der Kolbenkühlung durch zwei Feder- Am MonoWeld®-Kolben kann wegen der Lage der
blechhälften verschlossen. Der Monotherm®-Kolben Schweißnaht unterhalb der Mulde die Kompressions-
wird für hochbelastete Nkw-Motoren wie auch PKW- höhe nur begrenzt reduziert werden. Daher sind die
Motoren eingesetzt. Eine Weiterentwicklung dieses bei einem Monotherm®-Kolben theoretisch möglichen
Kolbenkonzepts erfolgt durch das Verschweißen eines sehr kleinen Kompressionshöhen und damit auch
Oberteils oder eines Ringeinsatzes mit dem geschmie- niedrigeren Gewichte mit dem MonoWeld®-Kolben
deten Stahlkolbenunterteil, wodurch sich eine erhöhte nicht erreichbar.
Steifigkeit des Bodenbereichs erzielen lässt.
7.1.1.9 Kolbenherstellung
MonoWeld® -Kolben Moderne Gieß- und Bearbeitungsmaschinen und Fer-
Der MonoWeld®-Kolben, . Abb. 7.21 ist die Weiter- tigungsprozesse in Verbindung mit einem integrierten
entwicklung des Monotherm®-Kolbens für Nutzfahr- Qualitätsmanagementsystem garantieren ein Höchst-
zeuge und Off-Highway-Anwendungen in Bezug auf maß an Qualität für die gesamte Produktpalette.
116 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Kokillenguss hungsweise Warmfließpressen angewendet. Als Aus-


1 Kolben aus Aluminiumlegierungen werden überwie- gangsmaterial dienen üblicherweise Stranggussab-
gend im Schwerkraft-Kokillengießverfahren herge- schnitte. Das Umformen führt zu wesentlich höheren
2 stellt. Die aus Eisenwerkstoffen bestehenden Kokillen
bewirken eine rasche Erstarrung der Schmelze, wo-
und gleichmäßigeren Festigkeitswerten als sie beim
Gießen zu erreichen sind. Eine weitere Möglichkeit
durch sich bei kurzer Gieß-Zykluszeit ein feinkörniges besteht in der Verwendung von Halbzeug aus sprüh-
3 Gefüge mit guten Festigkeitseigenschaften ausbildet. kompaktierten oder pulvermetallurgisch hergestellten
Eine optimierte Kokillenkühlung in Verbindung mit Werkstoffen. Mit dieser Verfahrenstechnik lassen sich
einer sorgfältig ausgelegten Speiser- und Anschnitt- für höchstbelastete Kolben, z. B. für Anwendungen im
4 technik ist notwendig, um bei den konstruktiv vorgege- Rennsport extrem warmfeste Werkstoffe einsetzen, die
benen Wanddickenunterschieden vom dünnen Schaft schmelzmetallurgisch nicht herstellbar sind.
5 zum dicken Kolbenboden durch eine gezielte Erstar-
Flüssigpressen (Liquostatik® , squeeze casting)
rung ein möglichst fehlerfreies und dichtes Gussstück
zu erzeugen. Mehrteilige Gießformen und Gießkerne Das Flüssigpressen unterscheidet sich vom Schwer-
6 erlauben eine freizügige Gestaltung der Kolbengeome- kraft-Kokillenguss durch den auf die Schmelze aufge-
trie, so dass auch Hinterschneidungen, zum Beispiel an brachten Druck (bis 100 MPa und darüber), der bis zur
7 der Kolbeninnenform, realisiert werden können. Zur
Erhöhung des Verschleißwiderstands der Ringnuten
vollständigen Erstarrung des Gussstücks aufrechterhal-
ten bleibt. Der außerordentlich gute Kontakt der er-
lassen sich Ringträger aus austenitischem Gusseisen starrenden Schmelze mit den Kokillenwänden bewirkt
8 mit intermetallischer Bindung (Alfin-Bindung) pro- eine sehr schnelle Erstarrung. Dadurch wird ein für die
blemlos eingießen. Durch Eingießen von Kernen aus Werkstofffestigkeit vorteilhaftes feines Gefüge erzielt.
gepresstem Salz, die anschließend durch Wasser aus- Mit dem Flüssigpressen lassen sich Kolben herstel-
9 gelöst werden, können Hohlräume zur Kolbenkühlung len, die örtlich am Kolbenboden, im Nut- oder Naben-
gebildet werden. Mit speziellen Gießverfahren kann bereich mit Keramikfasern oder porösen metallischen
10 lokal der Aluminiumwerkstoff mit einer Verstärkung
durch keramische Fasern hergestellt werden. Um den
Werkstoffen verstärkt sind. Diese Eingießteile werden
durch den auf die Schmelze aufgegebenen Druck voll-
hohen Ansprüchen an Qualität und Wirtschaftlichkeit ständig mit der Kolbenlegierung durchdrungen.
11 Rechnung zu tragen, werden in der Großserienherstel- Neben dem Flüssigpressen mit sehr hohem Druck
lung Mehrfachkokillen und Gießroboter eingesetzt. ist auch ein modifiziertes Gießverfahren einsetzbar, das
mit nur geringen Änderungen erlaubt, auch übliche
12 Schleuderguss Gießwerkzeuge zur Herstellung von lokal faserver-
Für die Herstellung der Ringträger zur Kolbennutbe- stärkten Kolben einzusetzen.
13 wehrung wird das Schleudergießverfahren eingesetzt.
Wärmebehandlung (Vergütung)
In rotierenden Kokillen werden Rohre aus austeniti-
schem Gusseisen mit Lamellengraphit gegossen, aus Leichtmetallkolben erfahren je nach Legierung und
14 denen die Ringträgerringe bearbeitet werden. Herstellungsart eine ein- oder mehrstufige Wärme-
behandlung. Dadurch erhöhen sich bei den meisten
Strangguss
15 Dieses Verfahren ist bekannt für Knetlegierungen –
Legierungen die Härte und die Festigkeit. Außerdem
werden dadurch bleibende Volumenänderungen
vorwiegend für Barren und Blöcke. MAHLE hat dieses („Wachsen“) und Verzüge, die sonst unter dem Ein-
16 Verfahren, bei dem der Strang unmittelbar nach der fluss der Betriebswärme auftreten würden, vorwegge-
Kokille direkt mit Wasser abgekühlt wird, für die üb- nommen.
lichen Kolbenlegierungen weiterentwickelt. Die hohe
17 Erstarrungsgeschwindigkeit hat positive Auswirkun- Bearbeitung
gen auf das Gefüge. Bedeutende Kolbenhersteller entwickeln für die Kol-
18 Die Stränge werden in verschiedenen Durchmes- benbearbeitung selbst Fertigungskonzepte und Son-
sern gegossen und dienen als Ausgangsmaterial für
geschmiedete Kolben oder Kolbenteile.
-
dermaschinen. Die Besonderheiten liegen in
komplexen Kolbenaußenformen und engen

-
19 Kolben-Durchmessertoleranzen,
Schmieden (Pressen) komplexen Nabenbohrungsformen (rund, oval
20 Für die Herstellung von Kolben und Kolbenunterteilen
(für mehrteilige, gebaute Kolben) aus Al-Legierungen
oder Sonderformen) und engen Nabenbohrungs-
toleranzen,
für hochbelastete Motoren wird das Schmieden bezie-
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
117 7

- hoher Oberflächengüte und Geometrie bei


Rechteck- und Trapeznuten in Alu-Kolbenlegie-
Verbesserung des Gleitverhaltens
Ein dünner Überzug aus Zinn, der chemisch auf den

- rungen sowie in Ringträgern aus Niresist,


engen Kompressionshöhentoleranzen.

So erfolgt die Bearbeitung komplexer Kolbenaußenfor-


Leichtmetallkolben aufgebracht wird, beugt bei Kalt-
starts und beim Einlaufen unter ungünstigen Schmier-
verhältnissen Fressangriffen vor. Die Schichtdicke liegt
bei circa 1 µm.
men auf freiprogrammierbaren Formdrehmaschinen, Bei engen Einbauspielen und sehr hohen An-
deren CNC-Steuerung hohe Flexibilität und Qualität forderungen hinsichtlich Fresssicherheit wird die
garantieren. Damit sind zum Beispiel aus Motoren- GRAFAL®-Laufschicht verwendet. Diese Beschich-
versuchen empirisch als optimal gefundene unregel- tung besteht aus mit Grafit gefülltem Kunstharz, das
mäßige Kolbenformen problemlos in der Großserie haftfest auf die Kolbenlauffläche aufgebracht wird.
herstellbar. Die Dicke der Schicht liegt im Allgemeinen bei
Das Gleiche gilt für die Bearbeitung der Naben- 10–20 µm. Für Kolben für Pkw- und Nkw-Motoren
bohrung. Mit einer ebenfalls frei programmierbaren werden diese Schichten typischerweise im Siebdruck
Formfeinbohrmaschine sind unterschiedliche Naben- aufgebracht, während bei Kolben für Großmotoren
bohrungsformen in Nabenbohrungsachsrichtung und die Spritzschicht GRAFAL® 240 oder die Siebdruck-
in Nabenbohrungsumfangsrichtung möglich. schicht GRAFAL® 255 zum Einsatz kommt. Als noch
Die Bearbeitung der Ringnuten im Eisenwerk- verschleißbeständigere Weiterentwicklung ersetzt die
stoff von Ringträgerkolben stellt besonders hohe Evoglide®-Schicht die Siebdruck-Grafalschicht bei
Ansprüche an die Fähigkeiten der eingesetzten Ma- Neuentwicklungen.
schinen. Die Paarung Bolzen/Nabe ist bei Aluminiumkol-
ben normalerweise – richtige Form- und Spielgebung
7.1.1.10 Laufflächenschutz/ vorausgesetzt – bezüglich des Gleitverhaltens auch
Oberflächenschutz ohne spezielle Beschichtung unkritisch. Bei Stahl-
Die modernen, hoch entwickelten Werkstoffe und Kolben sind dagegen besondere Schutzmaßnahmen
Feinbearbeitungsverfahren für Kolben gewährleisten erforderlich. Als Alternative zu Nabenbuchsen wird
hohe Verschleißbeständigkeit und gute Laufeigen- hier üblicherweise eine Gleitphosphatierung einge-
schaften. Trotzdem sind für die Einlaufphase und für setzt.
ungünstige Betriebszustände – Trockenlauf nach häu-
figen Kaltstarts, vorübergehende Überlastung, Man- Erhöhung des Verschleißschutzes
gelschmierung – Laufschutzschichten mit verbesser- Mit dem unbeschichteten SILUMAL®-Zylinder oder
ten Notlaufeigenschaften am Kolbenschaft vorteilhaft. anderen unbeschichteten Zylinderwerkstoffen auf
Unter besonderen Betriebsedingungen sind auch Ver- Basis Aluminium-Silizium werden FERROSTAN®-
schleißschutzschichten, zum Beispiel im Nutbereich, beschichtete Kolben gepaart. FERROSTAN®-Kolben
erforderlich. Hoher thermischer Beanspruchung am besitzen am Schaft eine Eisenschicht mit einer Schicht-
Kolbenboden muss mit zusätzlichen lokalen Schutz- dicke von 6 µm und einer Härte von HV 350 bis 600.
maßnahmen begegnet werden. Für die verschiedenen Die Eisenschicht wird maßgenau aus speziellen Elek-
Aufgaben haben sich die nachfolgend erläuterten Be- trolyten galvanisch abgeschieden. Zur Konservierung
schichtungen vielfältig bewährt. und zur Verbesserung des Gleitverhaltens wird der
Mit automatischen Sondermaschinen für die eisenbeschichtete Kolben zusätzlich mit einer 1 µm
Oberflächenbehandlung werden Kolben beschichtet dicken Zinnschicht überzogen. Alternativ werden

--
durch:
Verzinnung der kompletten Kolbenoberfläche,
Siebdruckschichten, die Eisenpartikel enthalten, ge-
nutzt. Als FERROPRINT®-Schicht sind sie erfolgreich

- Phosphatieren + Grafitieren (Spritzverfahren),
Gleitlacke (Siebdruck) mit und ohne Phosphatie-
ren
a) Kolbenschaft,
im Serieneinsatz.
Auf Grund gestiegener thermischer und mecha-
nischer Belastungen treten an den Flanken der ersten
Nut von Ottomotor-Kolben häufig Verschleiß- und

- b) Kolbenschaft und Ringpartie,


Fe-Beschichtung Kolbenschaft partiell (bei
Zerrüttungseffekte auf. Als wirksame Gegenmaß-
nahme ist ein Hartanodisieren des gefährdeten Be-

- Aluminium-Zylinderlaufflächen),
HA-Beschichtung (Hartanodisieren)
a) 1. Nut,
b) Kolbenboden (komplett oder teilweise).
reichs üblich. Beim Hartanodisieren von Aluminum-
Legierungen wird eine oberflächennahe Randzone des
Grundmaterials Aluminum elektrolytisch in Alumi-
numoxid umgewandelt. Die dabei erzeugte Schicht ist
118 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
-
zz Aluminium-Silizium-Legierungen
Eutektische Legierungen mit 11 bis 13 % Si und
kleineren Anteilen hauptsächlich von Cu, Mg,
Ni. Zu dieser im Motorenbau am häufigsten ver-
wendeten Gruppe von Kolbenlegierungen gehört
MAHLE 124, die auch bei Zylindern eingesetzt
3 wird. Sie bietet für viele Anwendungsfälle eine
ideale Kombination aus mechanischen, physi-
kalischen und technologischen Eigenschaften.
4 Für den Einsatz speziell bei hohen Temperaturen
wurde die Legierung MAHLE 174+ mit größeren
5 Gehalten an Cu und Ni entwickelt. Sie zeichnet
sich durch bessere thermische Stabilität und
deutlich gesteigerte Warmfestigkeit und Kriech-

-
6 beständigkeit aus.
Übereutektische Legierungen mit 15 bis 25 % Si
7 und Zusätzen von Cu, Mg und Ni, zum Beispiel
bei MAHLE 138 und für hohe Temperaturen bei
..Abb. 7.22  Hartanodisierter Kolbenboden MAHLE 145. Sie werden für Kolben dort einge-
8 setzt, wo die Forderung nach geringer Wärme-
keramischer Natur, mit einer Härte von circa 400 HV. ausdehnung und hoher Verschleißbeständigkeit
In dieser Anwendung wird eine Schichtdicke von bis im Vordergrund steht. Für Zylinder beziehungs-
9 etwa 15 µm eingestellt und die Verfahrensparameter weise Motorblöcke ohne Laufbahnbewehrung
sind so optimiert, dass eine relativ geringe Schichtrau- kommt die Legierung MAHLE 147 (SILUMAL®)
10 heit entsteht, und dadurch die Nutflanken nicht mehr
nachbearbeitet werden müssen.
zum Einsatz.

Werkstoffkennwerte zeigen die . Abb. 7.23 und 7.24.


11 Thermischer Schutz Magnesium hat sich bis heute in der Großserie
Kolben für Dieselmotoren sind im Boden- und Mul- nicht durchsetzen können. Der hohe Preis und die un-
denrandbereich sehr hohen Temperaturwechselbelas­ günstigen Kriecheigenschaften sind die Hauptgründe
12 tungen ausgesetzt. Diese können zu Temperaturwech- dafür.
selrissen führen. Eine Hartoxidschicht am Boden des
13 Aluminiumkolbens, . Abb. 7.22, mit einer typischen zz Aluminium-Kupfer-Legierungen
Dicke von 60–100 µm, verbessert die Temperatur- In geringerem Umfang werden wegen ihrer guten
wechselbeständigkeit und verhindert dadurch die Bil- Warmfestigkeit auch nahezu siliziumfreie Legierungen
14 dung von Muldenrand- beziehungsweise Bodenrissen. mit Kupfer und niedrigen Nickelzusätzen eingesetzt. Im
In Bolzenrichtung sind Aussparungen sinnvoll, um Vergleich zu den Al-Si-Legierungen weisen sie höhere
15 keine Kerbwirkung im Bereich der maximalen Zug-
spannungsamplituden zu erzeugen.
Wärmeausdehnung und geringere Verschleißbestän-
digkeit auf. Während die Al-Si-Legierungen sowohl
gießbar als auch warm umformbar sind, eignen sich
16 7.1.1.11 Kolbenwerkstoffe die Al-Cu-Legierungen eher für die Warmumformung.
Aluminiumlegierungen
Reinaluminium ist für Kolben wie für viele andere Ver- Leichtmetall-Verbundwerkstoffe
17 wendungszwecke zu weich und zu wenig verschleiß- Durch die Verbundwerkstofftechnik eröffnen sich ver-
beständig. Deshalb sind Legierungen entwickelt wor- schiedenartige Möglichkeiten, die Belastbarkeit von
18 den, die besonders auf die im Kolbenbau gestellten Leichtmetallkolben wesentlich zu steigern. Hierbei
Anforderungen abgestimmt sind. Sie vereinigen bei werden Verstärkungselemente, zum Beispiel aus Ke-
niedrigem spezifischem Gewicht gute Warmfestig- ramikfasern oder porösen metallischen Werkstoffen,
19 keitseigenschaften mit geringer Verschleißneigung, in besonders hoch belasteten Kolbenregionen gezielt
hoher Wärmeleitfähigkeit und zumeist auch niedriger angeordnet. Die Herstellung des Verbundwerkstoffs
20 Wärmeausdehnung.
Je nach dem Hauptzusatz Silizium oder Kupfer ha-
geschieht durch Infiltration der Verstärkungselemente
mit Leichtmetallen wie Aluminium oder Magnesium
ben sich zwei Legierungsgruppen herausgebildet: unter Anwendung des Flüssigpressverfahrens.
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
119 7

Bezeichnung MAHLE 124 MAHLE 138 MAHLE 174+

Elastizitätsmodul E 20 °C 80.000 84.000 84.000


[N/mm2] 250 °C 72.000 75.000 75.000
Wärmeleitzahl λ 20 °C 155 143 130
[W/mk] 250 °C 159 150 142

Mittlere, lineare 20 – 100 °C 19,6 18,6 19,2


Wärmeausdehnung α 20 – 300 °C 21,4 20,2 21,1
[1/K · 10–6]

Dichte ρ 20 °C 2,68 2,67 2,77


[g/cm3]

..Abb. 7.23  Physikalische Eigenschaften von MAHLE-Aluminiumkolbenlegierungen

Festigkeitswerte gelten für getrennt hergestellte Probestäbe.

Bezeichnung MAHLE 124 G MAHLE 124 P MAHLE 138 G MAHLE 174+

Zugfestigkeit Rm 20 °C 200 bis 250 300 bis 370 180 bis 220 200 bis 280
[N/mm2] 250 °C 90 bis 110 110 bis 140 80 bis 110 100 bis 120

Dehngrenze Rp0,2 20 °C 190 bis 230 280 bis 340 170 bis 200 190 bis 260
[N/mm2] 250 °C 70 bis 100 90 bis 120 70 bis 100 80 bis 110

Bruchdehnung A 20 °C 0,1 bis 1,5 1 bis 3 0,2 bis 1,0 0,1 bis 1,5
[%] 300 °C 2 bis 4 8 bis 10 1,0 bis 2,2 1,5 bis 2,5

Biegewechsel- 20 °C 90 bis 110 100 bis 140 80 bis 100 100 bis 110
Festigkeit σbw 250 °C 45 bis 50 50 bis 60 40 bis 50 50 bis 55
[N/mm2]

Relative Verschleißzahl 1 0,9 0,95

Brinellhärte HB 2,5/62,5 90 bis 130 100 bis 150

..Abb. 7.24  Mechanische Eigenschaften von MAHLE-Aluminiumkolbenlegierungen

Unter den vielfältigen Möglichkeiten ist vor allem Verbundwerkstoff weist günstige Verschleißeigenschaf-
die Verstärkung von Aluminiumkolben mit kerami- ten und eine sichere Verbindung zum umgebenden
schen Kurzfasern aus Aluminiumoxid zu einer er- Aluminiumgrundwerkstoff auf. Er eignet sich bei-
folgreichen Serienanwendung gekommen. Die Fasern spielsweise zur Bewehrung extrem hoch liegender
werden nach einem Waschprozess zur Entfernung Ringnuten, bei denen für ein Umgießen auf der Bo-
nicht faserförmiger Bestandteile zu eingießbaren denseite kein Raum verbleibt.
Formteilen (Preforms) mit Fasergehalten zwischen 10
und 20 Vol.-% verarbeitet. Damit werden zum Beispiel
am Muldenrand von Dl-Dieselkolben deutliche Festig-
keitssteigerungen erzielt.
Für Ringnuten wurde ein Verstärkungselement
aus porösem Sinterstahl mit durchgehender Poro-
sität von 30 bis 50 % entwickelt. Der Porostatik®-
120 Kapitel 7 • Motorkomponenten

7.1.2 Kolbenbolzen 7.1.2.4 Werkstoffe


1 Verwendet werden heute hauptsächlich die Einsatz-
7.1.2.1 Funktion stähle 17Cr3 und 16MnCr5. Für höhere Belastungen
2 Der Kolbenbolzen stellt die Verbindung zwischen
Kolben und Pleuel her. Er ist den hohen wechselnden
kann auch der Nitrierstahl 31CrMoV9 herangezogen
werden. Werkstoffkennwerte für Kolbenbolzen zeigt
Belastungen aus Gasdruck und Massenkraft ausgesetzt. . Abb. 7.26. Höchstbelastete Bolzen werden aus ESU-
3 Wegen der nur geringen Relativbewegungen (Drehbe- Material („Elektro-Schlacke-Umschmelzverfahren“)
wegungen) zwischen Kolben und Bolzen beziehungs- hergestellt; damit ist eine hohe Reinheit des Werkstoffs
weise Bolzen und Pleuel liegen zudem ungünstige sichergestellt.
4 Schmierverhältnisse vor.

7.1.2.2 Bauarten 7.1.3 Kolbenbolzensicherungen


5
Für die meisten Anwendungen hat sich der Bolzen mit
zylindrischer Innen- und Außenkontur durchgesetzt. Sofern der Bolzen nicht durch eine Schrumpfverbin-
6 Zur Gewichtsreduzierung und damit Reduzierung dung im Pleuel gehalten wird, muss er gegen seitliches
der Massenkräfte werden häufig die äußeren weniger Auswandern aus der Nabenbohrung und Anlaufen ge-
7 belasteten Enden der Bolzeninnenbohrung konisch
ausgeführt.
gen die Zylinderwand gesichert werden. Dazu werden
fast ausschließlich außenspannende Sicherungsringe
Bei Kolben für einige Pkw-Ottomotoren werden aus Federstahl verwendet, die in Nuten am Außenrand
8 die Bolzen durch Schrumpfspannungen im Pleuel der Nabenbohrungen eingesetzt werden.
(„Schrumpfpleuel, Klemmpleuel“) gehalten. In hoch- Bei kleinen Bolzendurchmessern werden überwie-
beanspruchten Otto- und in Dieselmotoren wird der gend gewickelte Ringe aus Runddraht eingesetzt. Die
9 Bolzen mit Spiel im Pleuel „schwimmend“ gelagert. Enden können bei etwas langsamer laufenden Motoren
Er muss dabei mit Bolzensicherungen gegen seitliches zur Montageerleichterung nach innen hakenförmig
10 Auswandern im Kolben gesichert sein (siehe ▶ Ab- umgebogen sein. Bei Ringen für Rennsportmotoren
schn. 7.1.3). wird häufig ein Hakenende als Verdrehsicherung nach
außen abgewinkelt. Tritt starker Bolzenaxialschub auf,
11 7.1.2.3 Anforderung kommen in Einzelfällen auch innenspannende Siche-
und Dimensionierung rungsringe, die in Nuten an den Bolzenenden einge-
Unter der Wirkung der oben beschriebenen Kräfte er- setzt sind, zur Anwendung.
12 gibt sich für den Bolzen eine sehr komplexe Beanspru-
chung, zusätzlich beeinflusst durch die Deformationen
13 von Kolben und Pleuel.
Die wesentlichen Aspekte für die Auslegung des

14
-
Kolbenbolzens sind:
ausreichende Festigkeit (Betriebssicherheit) des

15 -- Bolzens,
Rückwirkung auf die Kolbenbeanspruchung,

- Gewicht (Massenkraft),
Oberflächengüte, Formgenauigkeit (Laufeigen-
16
17
- schaften),
Oberflächenhärte (Verschleiß).

Die Dimensionierung des Bolzens erfolgt heute meist


mit Hilfe von 3D-FE-Berechnungen, zum Teil unter
18 Berücksichtigung der Schmierfilmausbildung (Druck-
verteilung) in Nabe und Pleuel. Für die Beurteilung der
berechneten Spannungen sind fundierte Kenntnisse
19 des dynamischen Werkstoffverhaltens nötig. Richt-
werte für die Auslegung des Bolzendurchmessers sind
20 für die verschiedenen Einsatzgebiete aus . Abb. 7.25
zu entnehmen.
7.1 • Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung
121 7

Anwendung Verhältnis von Bolzen- Verhältnis von Bolzen-


außen- zu Kolbendurch- außen- zu Bolzeninnen-
messer durchmesser
Ottomotoren 2-Takt-Kleinmotoren 0,20 bis 0,25 0,60 bis 0,75
Pkw 0,20 bis 0,26 0,55 bis 0,70
Dieselmotoren Pkw 0,32 bis 0,40 0,48 bis 0,52

..Abb. 7.25  Dimensionierung von Kolbenbolzen (Richtwerte)

Werkstoffklasse L (17Cr3) M (16MnCr5) N (31CrMoV9)


Einsatzstahl Einsatzstahl Nitrierstahl
Chemische Zusammensetzung C 0,12 bis 0,20 0,14 bis 0,19 0,26 bis 0,34
in Gew.-%
Si 0,15 bis 0,40 0,15 bis 0,40 0,15 bis 0,35
Mn 0,40 bis 0,70 1,00 bis 1,30 0,40 bis 0,70
P maximal 0,035 maximal 0,035 maximal 0,025
S maximal 0,035 maximal 0,035 maximal 0,25
Cr 0,40 bis 0,90 0,80 bis 1,10 2,3 bis 2,7
Mo – – 0,15 bis 0,25
V – – 0,10 bis 0,20
Oberflächenhärte HRC 59 bis 65 59 bis 65 59 bis 65
(vol.konst. 57 bis 65)
Kernfestigkeit in N/mm2 wanddicken- wanddicken- 1000 bis 1400
abhängig von 700 bis abhängig von 850
1500 bis 1350
Mittlere lineare Wärmeausdehnung 12,8 12,7 13,1
1/K · 10–6 20 bis 200 °C
Wärmeleitzahl W/m · K 20 °C 51,9 50,0 46,4
200 °C 48,2 48,7 45,5
Elastizitätsmodul N/mm2 210 000 210 000 210 000
3
Dichte g/cm 7,85 7,85 7,85
Verwendung Standardwerkstoff für für hochbean- für hochbeanspruchte
Kolbenbolzen spruchte Kolben- Kolbenbolzen
bolzen (Sonderfälle)
..Abb. 7.26 Kolbenbolzenstähle DIN 73 126
122 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Auf der Kurbelwellenseite befindet sich das geteilte


1 große Pleuelauge. Mittels Gleitlager seltener Wälzlager,
Fixierung und Verschraubung des Pleuellagerdeckels
2 wird die Funktion sichergestellt.
Die Verbindung zwischen den Pleuelaugen stellt
der Pleuelschaft dar. Je nach Anforderung hat dieser
3 einen besonderen Querschnitt, zum Beispiel I-Form
oder H-Form.
Der Pleuel muss ausreichende Gleiteigenschaften
4 der Lager im kleinen und großen Auge sicherstellen.

5 7.2.2 Belastung
..Abb. 7.27  Kolbenbolzensicherungen
6 Der Pleuel wird durch Gaskräfte im Zylinder und
Trägheitskräfte der bewegten Massen beansprucht.
7.2 Pleuel
7 Die kinematischen Verhältnisse am Kurbeltrieb zeigt
. Abb. 7.29.
Das Triebwerk von Verbrennungsmotoren als Hub- Die durch die seitliche Auslenkung in der Pleu-
8 kolbenmotor ist ein Kurbeltrieb, bei dem der Pleuel elschwingebene erzeugten Fliehkräfte führen zu Bie-
oder die Pleuelstange den Kolben mit der Kurbelwelle gungen, die in erster Approximation vernachlässigt
verbindet. Über den Pleuel wird die oszillierende Be- werden können.
9 wegung des Kolbens in eine rotierende Bewegung der Die beschleunigt-verzögerte Bewegung der Pleuel-
Kurbelwelle umgesetzt. Darüber hinaus überträgt der und Kolbenmasse führt zu einer Zugspannung im
10 Pleuel die Kräfte vom Kolben auf die Kurbelwelle. Die
Aufnahme von Bohrungen zur Schmierölversorgung
Schaft sowie im Übergang vom Schaft zum großen
Auge. Der Pleuel ist damit einer Zug-Druck Wechsel-
der Kolbenbuchse, beim schwimmenden Zapfen, ist belastung ausgesetzt, wobei für Diesel und aufgeladene
11 eine weitere Aufgabe des Pleuels. Ottomotoren der Betrag der Druckkraft den der Zug-
Gewicht und Gestaltung des Pleuels beeinflussen kraft überschreitet. Aus diesem Grund muss bei der
direkt Leistungsgewicht und Leistungsfähigkeit sowie Auslegung des Pleuels die Knicksicherheit sorgfältig
12 die Laufruhe eines Motors. Daher kommt einem ge- überprüft werden.
wichtsoptimierten Pleuel im Hinblick auf komfortable Für die heutigen hochdrehenden Ottomotoren
13 Motoren wachsende Bedeutung zu. sind die Zugkräfte mit entscheidend. Die während der
Entsprechend der umgekehrten Lage des Pleuels in beschleunigt-verzögernden Bewegung innerhalb eines
den ersten Motoren im 19. Jahrhundert wird der untere Arbeitszyklus des Hubkolbenmotors entstehenden
14 (kolbenseitige) Teil Pleuelfuß und der obere (kurbel- Trägheitskräfte werden von der Masse des Kolbens,
wellenseitige) Teil Pleuelkopf genannt. des Kolbenbolzens und des Pleuels beeinflusst.
15 Zur vereinfachten Ermittlung der daraus resultie-
renden Kräfte wird die Masse des Pleuels aufgeteilt in
7.2.1 Aufbau des Pleuels einen rotierenden und einen oszillierenden Massen-
16 anteil unter der Voraussetzung, dass die Gesamtmasse
Der Pleuel hat zwei sogenannte Pleuelaugen [2]. und der Pleuelschwerpunkt erhalten bleiben. Der im
Über das kleine Pleuelauge wird die Verbindung großen Auge konzentrierten Masse wird ausschließ-
17 zum Kolben mittels Kolbenbolzen hergestellt. We- lich eine rotierende Bewegung, der im kleinen Auge
gen der seitlichen Auslenkung des Pleuels während konzentrierten Masse wird eine oszillierende Bewe-
18 einer Kurbelwellenumdrehung muss es drehbar am gung zugeordnet.
Kolben befestigt werden. Das geschieht mit Hilfe ei- Zur Berechnung der Massenanteile wird zunächst
nes Gleitlagers. Dazu wird während der Bearbeitung der Schwerpunkt (SP) des Pleuels ermittelt. Der Mas-
19 eine Lagerbuchse in das kleine Pleuelauge eingepresst senanteil des kleinen Auges ergibt sich aus:
(. Abb. 7.28). Alternativ kann die Lagerung im Kolben
20 integriert sein. In diesem Fall wird der Kolbenbolzen
in das kleine Pleuelauge eingeschrumpft.
mPl,kl. Auge = mPl,gesamt 
SP
l 
(7.1)
7.2 • Pleuel
123 7
4 24 ..Abb. 7.28 Geometrie
und Bezeichnungen
1 2 einer gerade geteilten
Pleuelstange (Quelle
3 Federal-Mogul)

A
23
22
17
5
1 Kleines Pleuelauge 8
2 Pleuelbuchse 9
3 Kolbenbolzenbohrung
4 Ölbohrung 25
5 Pleuellänge
6 Haltefläche
7 Schaft 6
8 Schulter
9 Spritzölbohrung 20
10 Schraubenpfeife
16
11 Schraube
12 Pleuelmutter (nicht vorhanden) 26
13 Pleueldeckel 14
14 Pleuellagerschalen
15 Ausgleichsmasse
16 Zapfenbohrung 19
17 Pleuelbreite 21
18 Schraubenkopfauflage 13
19 Trennfuge
10
20 Haltenase
21 Pleueldicke 11
18 15
22 Rippendicke
23 Wandstärke
24 Stirnfläche
25 Nut in der Stirnfläche 24
26 Großes Pleuelauge

mit l als Mittenabstand zwischen den Pleuelaugen, der Die wahren Bewegungsverhältnisse eines Pleuel-
als Pleuellänge bezeichnet wird. Die Differenz zum Masseteilchens und damit die Kraftwirkungen sind
Gesamtgewicht ergibt den Massenanteil des großen sehr viel komplizierter als dies die oben beschriebene
Auges [3]. näherungsweise Aufteilung widerspiegelt. Prinzipiell
Die oszillierende Masse von Pleuel (und Kolben führt jedes Masseteilchen zwischen kleinem und gro-
mit Bolzen und Ringen) beeinflusst über die daraus ßem Pleuelauge eine oszillierende und eine rotierende
resultierenden Massenkräfte die Beanspruchung und Bewegung aus. In Richtung des großen Pleuelauges
die Laufruhe des Motors. Diese oszillierenden Kräfte nimmt der oszillatorische Anteil ab.
können nur durch zusätzliche Ausgleichwellen 100 % Mit Hilfe moderner FEM-Berechnungsverfahren
ausgeglichen werden. (. Abb. 7.30) ist es möglich, dieses dynamische Ver-
Daher ist es notwendig, die Pleuelmasse bezie- halten zu simulieren und die wirkenden Spannungen
hungsweise den oszillierenden Massenanteil des zu beurteilen. Die Elasto-Hydrodynamischen Lager-
Pleuels zu reduzieren. Das kann erfolgen durch Ge- berechnungen (EHL) (siehe ▶ Abschn. 7.19.2.3) haben
staltoptimierung des Pleuelschaftes und zum Beispiel auch gezeigt wie wesentlich die Verformungen der
durch die Ausführung des kleinen Auges als Trapez- Pleuelaugen für das Laufverhalten des Pleuellagers und
auge. der Pleuelbuchse sind.
124 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6 l
l · cosβ

7
r+l

8 ..Abb. 7.30  Spannungsanalyse einer schräg geteilten


l · sinβ Pleuelstange mit trapezförmigem kleinen Auge (Halb-
modell, Quelle: Federal-Mogul)
9
Einsatzgebiet Masse Werkstoff
10 Lkw Diesel 1,6 – 5 kg Schmiedestahl
r · cosα

α Großserie
r

11 Pkw Otto
Großserie
0,4 – 1 kg Schmiedestahl, GGG,
Sinterstahl
r · sinα Sporteinsatz 0,4 – 0,7 kg Stahl, Titan
12 Rennmotor/F1 0,3 – 0,4 kg Titan, Kohlefaser
Kompressor 0,2 – 0,6 kg Aluminium
13 ..Abb. 7.31  Pleuelmassen für verschiedene Einsatz-
gebiete
14 ..Abb. 7.29  Kinematik des Kurbeltriebes wirken die Trägheitskräfte von Pleuelstange und
Kolben sowie eine Querkraft auf Grund der
15 Deswegen muss die interaktive Kombination von
außermittigen Belastung und die Kräfte durch
Wegdrücken des Überstands der Lagerschalen.
der FEM-Gestaltoptimierung mit der EHL Schmie- Während der Motormontage wird in der Regel
16 rungsberechnung stattfinden. durch zur Streckengrenzen oder Drehmoment
Die Masse für unterschiedliche Pleuel geht aus plus Drehwinkel kontrollierten Anzug eine
. Abb. 7.31 hervor. entsprechende Vorspannung in die Schraube
17 gebracht, die der wirkenden Trägheitskraft entge-

18 7.2.3 Pleuelverschraubung

Mit der Pleuelverschraubung werden Pleuelstange und


- gen gerichtet ist [5, 6].
Pleuelstange und Deckel müssen exakt zuein-
ander geführt und gegen Verschieben (Versatzt)
gesichert sein. Dazu stehen mehrere Möglichkei-
19 Pleueldeckel miteinander verbunden. Diese Verschrau- ten zur Verfügung:

20 -
bung hat zwei Funktionen zu erfüllen [4]:
Die Pleuelschraube muss verhindern, dass es zu
einem Klaffen in der Trennfuge zwischen Deckel
und Stange kommt. Auf die Pleuelschraube
a) Führung mittels Pleuelschraube, deren Bund
oder Riffelungen in der Trennebene liegen und
somit das Verschieben von Stange und Deckel
verhindern,
7.2 • Pleuel
125 7

..Abb. 7.32  Passhülse und Dehnschraube

b) Führung mittels kleiner Stifte neben Schrauben ..Abb. 7.33  Pleuel gecrackt


oder Buchsen um die Schrauben (. Abb. 7.32),
c) Einbringen einer Verzahnung in der Trenn­ Für die Pleuelmontage auf der Kurbelwelle ist
ebene, das große Auge geteilt ausgeführt und wird mit zwei
d) Führung in der Bruchtrennfläche (Cracken) Schrauben zusammengehalten.
(. Abb. 7.33). Die Teilung des großen Auges erfolgt üblicherweise
senkrecht zur Längsachse des Pleuels. Bei großen Kur-
Werden bruchgetrennte Pleuel (Cracken) oder Stifte belzapfendurchmessern kann eine schräge Teilung nö-
beziehungsweise Buchsen eingesetzt, kann auf Pass- tig sein, um den Ein- und Ausbau des Pleuels über die
schrauben verzichtet werden, da in diesem Fall die Zylinderbohrung zu ermöglichen. Nachteil des schräg
strukturierte Trennfläche beziehungsweise die Stifte geteilten Pleuels ist, dass durch die Schräge hohe Quer-
und Buchsen ausreichend Halt gegen Relativbewegung kräfte in den Trennflächen aufgenommen werden müs-
von Stange und Deckel bieten (siehe ▶ Abschn. 7.22.3.3). sen. Die unsymmetrische Struktur des großen Auges
wirkt sich wegen ungleichmäßigen statischen und dyna-
mischen Verformungen nachteilig auf die Performance
7.2.4 Gestaltung des Pleuellagers aus. Der Auslauf der Sacklochbohrung
für die Pleuelschraube im hochbelasteten Bereich ver-
Bezüglich der Pleuelgestaltung sind folgende Aspekte ursacht einen Steifigkeitssprung in der Struktur, was

-
von Bedeutung:
Formstabilität der Bereiche zur Aufnahme der
ebenfalls negative Effekte mit sich bringt. Einsatzberei-
che schräg geteilter Pleuel sind vor allem V-Motoren

- beiden Pleuellager,
eventuell ein Kanal zur Ölversorgung des kleinen
Pleuelauges (bei modernen Konstruktionen
sowie große Dieselmotoren, die aufgrund der Belastung
einen großen Hubzapfendurchmesser haben.
Das große und kleine Auge werden durch den

- unüblich),
Teilung des großen Pleuellagers zur Montage auf
Pleuelschaft verbunden, der als I- oder H-Querschnitt
ausgeführt wird. Dadurch lassen sich die Forderungen

-- den Pleuelzapfen der Kurbelwelle,


Fixierung und Befestigung des Pleueldeckels,
gestaltoptimierte beziehungsweise masseredu-
nach reduziertem Gewicht bei hohem Widerstands-
moment erfüllen.

- zierte Auslegung des Pleuelschaftes, 7.2.4.1 Pleuelstangenverhältnis


beanspruchungsgerechte Gestaltung der kriti- Das Pleuelstangen- oder Schubstangenverhältnis ist

- schen Zonen,
Kompatibilität mit dem Bauraum des Gehäuses,
in welchem sich das Pleuel bewegt („Geige“).
eine geometrische Vergleichsgröße – gebildet aus dem
Kurbelradius r und dem Mittenabstand l von kleinem
und großem Auge und definiert als

Zur Reduzierung der Kolben- beziehungsweise der  = r= l: (7.2)


Pleuelmasse kann das kleine Auge nach oben hin tra-
pezförmig abgeflacht werden, was aus Belastungsgrün- Es beträgt für Pkw-Motoren üblicherweise 0,28 bis
den (zum Beispiel für Turbomotoren) vorteilhaft für 0,33, wobei die niedrigeren Werte für Dieselmotoren
die Beanspruchung ist, da es engen Abstand der Kol- gelten. Die Gestaltung der Pleuellänge ist von vielen
benbolzenaugen und damit geringere Durchbiegung Einflussfaktoren geprägt, wie Hub-Bohrungs-Verhält-
des Bolzens ermöglicht. nis, Kolbengeschwindigkeit, Motordrehzahl, Brenn-
126 Kapitel 7 • Motorkomponenten

7.2.5 Pleuelfertigung
1
7.2.5.1 Rohteileherstellung

2 Die Herstellung des Pleuel-Rohteils kann je nach An-


wendungsfall auf verschiedene Arten erfolgen:
a) Gesenkschmieden. Ausgangsmaterial für die
3 Rohteilherstellung ist Stabstahl in Rund- oder
Quadratquerschnitt, der auf eine Temperatur zwi-
schen 1250 und 1300 °C erwärmt wird. In einem
4 Reckwalzprozess wird zunächst eine Vorverteilung
der Massen zum großen und kleinen Pleuelauge
5 hin durchgeführt (. Abb. 7.34). Alternativ zum
Reckwalzen wird auch Querkeilwalzen eingesetzt,
..Abb. 7.34  Warme Rohlinge (Quelle: Krupp Gerlach) womit die Vorformgeometrie verbessert werden
6 kann. Die Hauptumformung erfolgt in einer Presse
oder einem Hammeraggregat. Das überschüssige
7 Material fließt in einen Grat, der in der nachfol-
genden Operation entfernt wird. Gleichzeitig mit
dem Abgraten wird das große Auge und bei grö-
8 ßeren Pleuel das kleine Auge (aus-)gelocht.
Zur Einstellung der erforderlichen Gefüge- und
Festigkeitseigenschaften werden die Pleuel je nach
9 Stahllegierung verschiedenen Behandlungsverfah-

--
ren unterzogen:
10 Vergütung aus der Schmiedewärme (VS),

-
gesteuerte Abkühlung im Luftstrom (BY),
konventionelle Vergütung.
11
Abschließend wird der Zunder auf dem Rohteil
durch Reinigungsstrahlen entfernt, wobei Druck-
12 eigenspannungen von 200 MPa im oberflächen-
nahen Bereich erzeugt werden (. Abb.  7.35).
13 Weitere Arbeitsgänge wie Rissprüfung etc. schlie-
ßen sich an. In den meisten Fällen werden Pleuel-
stange und Pleueldeckel gemeinsam geschmiedet
14 und während der Bearbeitung getrennt. Je nach
..Abb. 7.35  Gestrahlte Rohlinge (Quelle: Plettac) Pleuel und Anlagengröße werden zur Steigerung
15 der Produktivität Doppelstücke, das heißt zwei
Pleuel gleichzeitig im Gesenk geschmiedet.
raum-Spitzendruck, Blockhöhe, Kolbenauslegung, b) Gießen. Ausgangspunkt für die Rohteilherstellung
16 und so weiter. ist ein Modell aus Kunststoff oder Metall bestehend
Mit steigendem Pleuelstangenverhältnis erhöhen aus zwei Hälften, welche zusammengesetzt ein
sich die Seitenkräfte auf den Kolben. Das führt zum positives Abbild des Pleuels darstellen. Mehrere
17 Beispiel zu geänderten Vorgaben für die Kolbenaus- solcher identischen Hälften werden auf einer Mo-
legung. Mit sinkendem Pleuelstangenverhältnis steigt dellplatte zusammengefasst und mit dem Modell
18 die Bauhöhe des Motors als Folge der Zylinderblock- für das Gieß- und Anschnittsystem verbunden. In
erhöhung. Nicht zuletzt verbieten fertigungsbedingte einem vielfach reproduzierbaren Prozess werden
Restriktionen (Zylinderblockhöhe) eine Veränderung die beiden Modellplatten mit Grünsand über eine
19 der Pleuelstange. Verdichtung des Sandes abgeformt. Die entstan-
denen Sandformen stellen je ein negatives Abbild
20 der entsprechenden Modellplatte dar. Übereinan-
der gestellt bildet sich ein Hohlraum in Gestalt der
herzustellenden Pleuel. Dieser wird mit flüssigem
7.2 • Pleuel
127 7

Gewicht Nocken

Pulver

..Abb. 7.37  Traditioneller Pleuel, Körper und Deckel


separat geschmiedet mit Schrauben und Muttern
Grünling gepresst und gesintert

7.2.5.2 Bearbeitung
Die Rohteile werden spanend auf das Fertigmaß be-
arbeitet. In der Großserienfertigung geschieht dies
auf vollautomatischen Bearbeitungslinien, die in die
Motorenfertigung integriert sind. Für kleinere Serien
stehen Bearbeitungszentren mit geringerem Automa-
tisierungsgrad zur Verfügung.
Geschmiedet und fertig bearbeitet Im Anschluss an die Bearbeitung wird das Fertig-
teil gewogen und in Klassen eingeteilt. In den Motor
werden dann Pleuel einer Gewichtsklasse eingebaut.
Wird bereits das Rohteil mit enger Gewichtstoleranz
gefertigt, kann das Einteilen in Klassen entfallen.
Zum Erreichen des Sollgewichts für das fertig
..Abb. 7.36  Prozess – sintergeschmiedete Pleuel-
bearbeitete Pleuel können am kleinen und/oder gro-
stange
ßen Auge des Rohteils Nocken vorgesehen werden
Gusseisen gefüllt, das im Kupol- oder Elektroofen (. Abb. 7.37), die während der mechanischen Bear-
mit Stahlschrott als Einsatz erschmolzen wird. Das beitung des Pleuel so weit abgefräst werden, dass das
Metall erstarrt langsam in der Form. Sollgewicht exakt erreicht wird.
c) Sintern. Der Herstellprozess beginnt mit dem Das früher übliche Gewichtsfräsen, das heißt Ab-
servo-hydraulischen Pressen des fertiglegierten tragen einer Bearbeitungszugabe bis zum Erreichen
Pulvers zu einem Grünling. Das nachfolgende eines Sollgewichtes, wird daher heute nur noch selten
Wiegen stellt sicher, dass der Grünling eine enge durchgeführt.
Gewichtstoleranz von ± 0,5 % erfüllt. In den modernen Herstellverfahren lassen sich
Der Sinterprozess, . Abb.  7.36, findet in einem die Fertigungsparameter exakt überwachen, so dass
elektrisch beheizten Durchlaufofen statt, in dem Rohteile mit einer ausreichenden Gewichtstoleranz
die Teile bei etwa 1120 °C circa  15 min verwei- gefertigt werden können.
len. Im anschließenden Schmiedevorgang wird Im Folgenden sind beispielhaft die Bearbeitungs-
ausschließlich eine Höhenreduktion des Bauteils
durchgeführt, um die Dichte des Bauteils bis zur
-
schritte für bruchgetrennte Pleuel (Cracken) aufgeführt:
Schleifen der Stirnflächen von großem und klei-
theoretisch möglichen Grenze zu erhöhen. Ab-
schließend wird durch Kugelstrahlen ein Druck-
eigenspannungszustand in der Oberfläche einge- -- nem Auge,
Vorspindeln von großem und kleinem Auge,
Bohren und Gewindeschneiden der Schrauben-
stellt.
Da der Schmiedevorgang in diesem Herstellver-
fahren kostenintensiv ist, gibt es Entwicklungen -- löcher,
Cracken, Bruchschmutz wegblasen,
Verschrauben von Deckel und Stange und –
mit dem Ziel, durch neue Pulvertechnologie diesen
einzusparen [7, 8].
- wenn nötig – Einsetzen der Buchse,
Schrauben lösen, Deckel öffnen, dann Schrauben
wieder anziehen,
128 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
Ankerben mittels Laser
..Abb. 7.38  Konstruktionsunterschied zwischen
5 einem Crackpleuel (oben) und einem gesägten Pleuel

6
- Fertigschleifen der Stirnflächen, Trapez des klei-

7 -- nen Auges fräsen,


Bohren des kleinen Auges,
Spindeln des großen Auges, optional Honen.

8 Als Cracken bezeichnet man dabei das Bruchtrennen


von Pleuelstange und Deckel während der Bearbei-
tung. Voraussetzungen dafür sind auf der Werkstoff-
9 seite das Vorliegen eines grobkörnigen Gefüges und
auf der Anlagenseite eine Crackeinrichtung, welche
10 die erforderliche Bruchenergie mit einer hohen Ge-
schwindigkeit aufbringt. Liegt für den Werkstoff das
Verhältnis zwischen Zugfestigkeit und Streckgrenze in Trennen durch Keil-Bruch
11 der Nähe von zwei zu eins, lässt sich das Cracken ohne
große Verformungen durchführen. Rohteile aller Her- ..Abb. 7.39 Pleuel-Bruchtrennen
stellverfahren lassen sich heute durch Cracken tren-
12 nen [9]. Die Unterschiede im konstruktiven Aufbau Führungsaufgabe beziehungsweise Fixierungsaufgabe
des Pleuels zeigt . Abb. 7.38. übernehmen muss [10].
13 Vor dem Cracken werden in die Seitenfläche des Bruchgetrennte Pleuel sind eine kostengünstige
großen Auges Kerben mittels Laser oder Räumnadeln Alternative zu herkömmlich getrennten Pleuel.
eingebracht, um an der gewünschten Trennebene
14 eine hohe Kerbwirkung zu erzielen (. Abb.  7.39).
Das große Auge wird auf einen zweigeteilten Brech- 7.2.6 Pleuel-Werkstoffe
15 dorn gesetzt und gespannt. Der Brechdorn wird mit
hoher Geschwindigkeit gespreizt und die dabei im Je nach Einsatzfall und daraus resultierender Belastung
Werkstück entstehende Spannung führt zu einem werden für Pleuel unterschiedliche Werkstoffe einge-
16 Bruchbeginn an den Kerben, der sich dann radial setzt.
nach außen fortpflanzt. Bei optimalem Prozessverlauf
liegt die Unrundheit nach dem Cracken bei maximal zz Gusswerkstoff
17 30 µm. Als Pleuelgusswerkstoffe kommen in erster Linie
Der Vorteil des Crackens liegt vor allem in der Re- Gusseisen mit Kugelgraphit (GGG-70) und Schwar-
18 duzierung der Bearbeitungsschritte. Das bisher übliche zer Temperguss (GTS-70) zur Anwendung. Dabei hat
mechanische Bearbeiten der Trennfläche entfällt. Die GGG-70 sowohl technische als auch wirtschaftliche
beiden Hälften lassen sich nach dem Cracken passge- Vorteile gegenüber Temperguss. Insbesondere die für
19 nau fügen und sind durch die unregelmäßige Bruch- Pleuel wichtige spezifische Schwingfestigkeit liegt bei
struktur gegen Relativbewegung gesichert, so dass GGG-70 deutlich höher.
20 keine zusätzlichen Führungselemente erforderlich
sind. Einen weiteren Vorteil bietet die Verwendung
Beim GGG-70 handelt es sich um einen Eisen-
Kohlenstoff-Gusswerkstoff mit weitgehend kugelför-
einer vereinfachten Pleuelschraube, da diese keine miger Graphiteinlagerung im vorwiegend perlitischen
7.3 • Kolbenringe
129 7

Material Name NCI P/F-11C50 HS150 C70S6/ 36MnVS4 C38 42Cr Al TiAl4V4
Cu2C5 Cu3C6 C70+
Process comment cast forge in open die forged & fracturable BY HT cast forged
open die truck/car aircraft
Young Modulus (GPa) 170 199 200 213 210 210 210 68,9 128
Fatigue Strength (pull) (MPa) 200 320 390 300/365 430 420 480 50 225
Fatigue Strength (push) (MPa) 200 330 395 300/365 430 420 480 50 309
Rp 0,2 % Yield Strength (MPa) 410 550 700 550/650 750 550 >800 130 1000
Compressive Yield Str. (MPa) – 620 – 550/650 700 620 850 150 –
Rm: Tensile Strength (MPa) 750 860 950 900/1050 950/1100 900 1050 200 1080
Conrod Material Density 7,2 7,6 7,8 7,85 7,85 7,85 7,85 2,71 4,51

..Abb. 7.40  Werkstoffeigenschaften von Pleuel (Quelle: Federal-Mogul)

Grundgefüge. Die kompakte Form des Graphits ver- nach dem Sintern und dem Schmieden eine Zugfestig-
leiht dem Werkstoff ein Maximum an Festigkeit und keit bis 950 MPa zu erreichen [14]. Weitere Entwick-
Duktilität. Gleichzeitig ist der Kohlenstoff aber auch lungen dieses Sinterwerkstoffs durch eine Erhöhung
für die guten Gießeigenschaften verantwortlich. Der des Cu-Anteils von 2 auf 3 % zeigen eine Verbesserung
erforderliche Gefügezustand wird ohne zusätzliche der Zugfestigkeit um 10 % beziehungsweise eine Ver-
Wärmebehandlung beim Gießvorgang erzeugt. besserung der Wechselfestigkeit um 22 % [15].
Beim Temperguss, ein ebenfalls Eisen-Kohlenstoff-
Gusswerkstoff, wird das Gefüge über eine dem Gießen zz Alternative Werkstoffe
nachgeschaltete Wärmebehandlung eingestellt. Neben den obligatorischen Werkstoffen für Pleuel in
Großserienfertigung verfolgt der Einsatz von alter-
zz Schmiedestahl nativen Werkstoffen vor allem das Ziel, bei gleicher
Der überwiegende Teil der Pleuel wird aus Stahl im Belastbarkeit das Gewicht des Pleuels zu reduzieren.
Gesenkschmiedeverfahren hergestellt. Dabei werden in Dazu wird kohlenfaser-verstärktes Aluminium oder
den meisten Fällen mikrolegierte Stähle wie 27MnVS6 kohlenfaserverstärkter Kunststoff verwendet.
BY oder Kohlenstoff-Mangan Stähle wie C40 mod BY Im Rennsport weit verbreitet sind Titan-Pleuel,
verwendet. Für bruchgetrennte Schmiedepleuelstangen mit denen eine beträchtliche Gewichtsreduktion er-
(Cracken) wird ein Stahl mit hohem Kohlenstoffgehalt zielt wird. Nachteil der Titan-Pleuel sind die starke
(C70 S6 BY) eingesetzt. Bei diesen Werkstoffen wird Bohrungserweiterung im Betrieb, die sich nachteilig
eine Zugfestigkeit von Rm = 1000 MPa erreicht [11]. auf den Presssitz der Lagerschalen auswirken. Titan ist
Für hochbelastete Pleuel steht mit 34CrNiMo6 V auch kein guter Reibpartner zum Stahl, dadurch sind
(oder 42CrMo4) ein Stahl zur Verfügung, der eine Zug- Gleitbeschichtungen an den Stirnseiten gegen Reib-
festigkeit von 1200 MPa erreicht. In diesem Fall ist eine schweißungen (Scuffing) beziehungsweise am Lager-
zusätzliche Wärmebehandlung (Vergüten) erforderlich. stahlrücken gegen Fretting erforderlich.
Verbesserungen des C70S6 Stahls sorgen auch bei Den Pleuel dieser alternativen Werkstoffe gemein-
bruchtrennfähigen Werkstoffen für Zugfestigkeiten sam sind die hohen Herstellkosten, die für Einzelmoto-
bis 1000 MPa bei Streckgrenzen über 700 MPa. Diese ren gerechtfertigt sind, jedoch einer größeren Verbrei-
Stähle sind mit dem Begriff „C70+“ in der Material- tung in Großserienmotoren entgegenstehen.
Tabelle gekennzeichnet [12]. Die wichtigsten Werkstoffe und ihre Eigenschaften
Um Forderungen nach höheren Festigkeiten sind in . Abb. 7.40 zusammengefasst.
zwecks Massenreduzierungen nachzukommen, wird
der AFP-Stahl 36MnVS4 in die Entwicklung einbezo-
gen. Wie C70S6 ist der neue Stahl gut zu „cracken“ und 7.3 Kolbenringe
zeigt eine im Durchschnitt um 30 % höhere Dauerfes-
tigkeit [13]. Kolbenringe sind metallische Dichtungen und haben
die Aufgaben, den Brennraum gegen das Kurbelge-
zz Pulvermetall häuse abzudichten, die Wärme vom Kolben zur Zy-
Der Werkstoff P/F-11C50 wird derzeit am häufigsten linderwand abzuleiten und den Ölhaushalt zu regu-
für Pleuel aus Pulvermetall verwendet. Die festigkeits- lieren. Dabei muss einerseits eine Mindestmenge Öl
steigernden Elemente, 2 % Cu und 0,5 % C, erlauben zur Bildung eines hydrodynamischen Schmierfilmes
130 Kapitel 7 • Motorkomponenten

den auf den Ring wirkenden Gasdruck wird sowohl


1 die radiale Kraft auf die Zylinderwand als auch die
axiale Anlage in der Ringnut des Kolbens wesentlich
2 Gasdruck unterstützt. Die axiale Anlage kann durch das Zusam-
menwirken von Gas-, Massen- und Reibungskräften
zwischen der unteren und der oberen Kolbennutflanke
3 wechseln [16].
Gasdruck Federkraft Die störungsfreie Funktion der Kolbenringe ist ab-
hängig von den sich während der Arbeitstakte zum Teil
4 sehr dynamisch ändernden thermischen und mechani-
Reibkraft schen Belastungen, resultierend aus der Verbrennung,
5 den konstruktiven Gegebenheiten, aber auch aus der
Gasdruck Bearbeitung und Werkstoffpaarung von Kolben, Kol-
benringen und Zylinder. Somit bestimmt die Qualität
6 Massenkraft Bewegungs-
der Ringe selber, aber auch die exakte Abstimmung
richtung dieser Komponenten aufeinander, entscheidend das
7 Betriebsverhalten der Kolbenringe.
des Kolbens
Reibkraft
Die Zahl der Ringe pro Kolben hat Einfluss auf die
..Abb. 7.41  Kräfte am Kolbenring Reibleistung des Motors. Ihre Masse hat Anteil an den
8 oszillierenden Massenkräften. Beides begründet den
Maulweite m Trend zu wenigen Ringen pro Kolben. Üblich ist die
Kombination aus Verdichtungsringen und Ölabstreif-
9 Stoßspiel Stoßenden ringen zu einem Ringpaket aus drei Ringen.
ungespannter
Die wichtigsten Bezeichnungen am Kolbenring
10 Ring zeigt . Abb. 7.42.
gespannter

11 Ring
7.3.1 Ausführungsformen

Die unterschiedlichen Ausführungsformen der Kol-


12
d
Ringlauffläche
benringe unterteilt man zunächst nach ihrer primären

13 -
Aufgabe in
Verdichtungsringe zur Abdichtung des Brennrau-

-
Ringrücken mes gegen das Kurbelgehäuse,
a
Ölabstreifringe zur Regulierung des Ölhaushal-
14 h tes.
Ringflanken
a = (radiale) Wanddicke
7.3.1.1 Verdichtungsringe
15 h = (axiale) Ringhöhe
d = Nenndurchmesser Bei den Verdichtungsringen (. Abb. 7.43) unterschei-
det man wiederum zwischen:
16 ..Abb. 7.42  Bezeichnungen am Kolbenring

zz Rechteckring (.  Abb. 7.43a)


auf die Zylinderwand gelangen beziehungsweise dort Er wird als Kolbenring mit rechteckigem Querschnitt
17 verbleiben, andererseits muss der Ölverbrauch aber so zur Abdichtung bei normalen Betriebsbedingungen
gering wie möglich eingestellt werden. eingesetzt. Die Lauffläche dieses Ringes ist symmet-
18 Dazu ist es notwendig, dass die Kolbenringe an risch oder asymmetrisch ausgebildet. Insbesondere
der Zylinderwand und an der Ober- oder Unterflanke durch die asymmetrische Form wird die Einlaufzeit
der Kolbennut anliegen. Die Anlage an der Zylinder- verkürzt und der Ölverbrauch verringert.
19 wand wird durch die radial wirkende Federkraft des
Ringes bewirkt. . Abb. 7.41 zeigt die Kräfte am Kol- zz Minutenring (.  Abb. 7.43b)
20 benring.
Die radiale Anpresskraft von Ölabstreifringen
Er besitzt eine konische Lauffläche. Wegen der ölab-
streifenden Wirkung wird er auch zur Unterstützung
wird durch eine zusätzliche Feder verstärkt. Durch bei der Steuerung des Ölverbrauchs verwendet.
7.3 • Kolbenringe
131 7

zz Doppeltrapezring (.  Abb. 7.43c)


Durch die konischen Ringflanken wird das „Festge-
Rechteckring
hen“ des Ringes stark gemindert, da er sich selbststän-
dig von Verkokungs- und Verbrennungsrückständen
a
freiarbeitet. Er kommt praktisch nur in Dieselmotoren
zum Einsatz.
Minutenring
zz Einseitiger Trapezring (.  Abb. 7.43d)
Der einseitige Trapezring mit oberer, schräger Flanke b
vermindert wie der Doppeltrapezring des „Festge-
hen“ und wird hauptsächlich in Dieselmotoren ein-
Doppeltrapezring
gesetzt.

zz Ring mit Innenfase beziehungsweise c


Innenwinkel, oben (.  Abb. 7.43e)
Durch die Querschnittsstörung der Innenfase bezie- Einseitiger Trapezring
hungsweise des Innenwinkels an der Oberflanke von
Rechteck- oder Minutenringen wird erreicht, dass d
sich der Ring im eingebauten Zustand tellerförmig
verwirft. Dadurch liegt der Ring in allen Laufphasen
ohne Gasdruckbelastung nur mit der unteren Laufflä-
chenkante an der Zylinderwand und mit der Innen-
Ring mit Innenfase bzw.
kante an der unteren Kolbennutflanke an (sogenann- Innenwinkel, oben
ter positiver Twist). Die dadurch gebildete konische
Lauffläche führt zu einer verbesserten ölabstreifenden
Wirkung. Allerdings wird der Ring unter Gasdruck
plan gedrückt, wodurch im Betrieb eine zusätzliche
dynamische Beanspruchung auf den Kolbenring ent- e
steht.

zz Minutenring mit Innenfase


Minutenring mit Innenfase
beziehungsweise Innenwinkel, unten bzw. Innenwinkel, unten
(.  Abb. 7.43f )
Diese Ringausführung wird auch als negativer Torsi-
onsring bezeichnet. Die Querschnittsstörung an der
unteren Ringflanke bewirkt im eingebauten Zustand
f
eine negative Vertwistung des Ringes, das heißt in um-
gekehrter Richtung wie beim positiv twistenden Ring.
Um eine Anlage der oberen Laufkante an der Zylinder- L-förmiger Verdichtungsring
wand zu vermeiden, muss die Konizität der Lauffläche
größer ausgeführt werden als beim Minutenring ohne g
oder mit positiver Vertwistung.
..Abb. 7.43 Verdichtungsringe
zz L-förmiger Verdichtungsring
(.  Abb. 7.43g)
Dieser auch Dykes-Ring genannte Verdichtungsring 7.3.1.2 Ölabstreifringe
wird hauptsächlich bei kleinen 2-Takt-Ottomotoren Ölabstreifringe sind von besonderer Bedeutung für
als sogenannter „Head-Land-Ring“ eingesetzt, wo- den Ölhaushalt eines Motors [17] und werden unter-
bei der senkrechte L-Schenkel in Richtung der obe-
ren Kolbenbodenkante zeigt. Durch den hinter dem
senkrechten L-Schenkel wirkenden Gasdruck dichtet
dieser Ring auch bei Anlage an der Kolbennutober-
-
teilt in:
Abstreifringe, die praktisch Verdichtungsringe
mit besonders ölabstreifender Wirkung sind, wie
sie oft in der 2. Nut von Otto- und Dieselmotoren
flanke ab. verwendet werden (. Abb. 7.44a–c),
132 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
Nasenring Ölschlitzring
mit Schlauchfeder
2 a
a

3 Nasenminutenring
Dachfasenring
mit Schlauchfeder
b
4 b

5 Nasenminutenring
am Stoß geschlossen Gleichfasenring
c mit Schlauchfeder

6 ..Abb. 7.44 Abstreifringe c

7 - mehrteilige, federgespannte beziehungsweise


federgestützte Ölabstreifringe, meist für die
unterste Kolbennut. Hier differenziert man noch
Dachfasenring
mit verchromten, profil-
geschliffenen Laufstegen
und Schlauchfeder
8 zwischen zweiteiligen (. Abb. 7.45a–e) und d
dreiteiligen Systemen (. Abb. 7.45f–h).

9 zz Nasen- und Nasenminutenring


Profilstahlring nitriert

Durch die Ein- beziehungsweise Hinterdrehung im Be-


10 reich der unteren Ringlauffläche wird beim Nasenring
(. Abb. 7.44a) eine besonders gute Ölabstreifwirkung
e

erreicht. Zur Verstärkung dieser Wirkung wird beim


11 Nasenminutenring (. Abb. 7.44b) die Lauffläche zu- VF-System
sätzlich konisch ausgeführt.
12 zz Nasenminutenring am Stoß geschlossen
f
Diese Sonderform des Nasenminutenringes
13 (. Abb. 7.44c) mit einfacher Eindrehung ohne Hin-
MF-System
terschnitt zeichnet sich durch eine bessere Gasab-
dichtung aus, da im Stoßbereich die Nase geschlossen
14 ist. Er wird in Einzelfällen auch in der 1. Nut einge- g
setzt.
15 zz Ölschlitz-, Dachfasen- und Gleichfasenring
SS50-System
mit Schlauchfeder
16 Um eine gute Abstreifwirkung des Ölringes zu errei-
chen, wird eine hohe Flächenpressung und ein gutes h
Formfüllvermögen des Ölabstreifringes benötigt.
17 Der übliche Weg, um diese beiden Forderungen zu
..Abb. 7.45  Zwei- und dreiteilige Ölabstreifringe

kombinieren, ist der Einsatz von mehrteiligen Ölab-


18 streifringen. Hierbei drückt eine zusätzliche Feder, zz Dachfasenring mit verchromten,
die in einer Nut am Innendurchmesser des Ringes profilgeschliffenen Laufstegen und
angeordnet ist und die sich an den Federenden selbst Schlauchfeder
19 abstützt, den querschnittsoptimierten Ringkörper ge- Die verchromten Laufflächen ermöglichen eine
gen die Zylinderwand. Die Bezeichnung der Ringe hohe Langzeitstabilität, deshalb wird dieser Ringtyp
20 erfolgt abhängig von der Ausführung der Laufstege
(. Abb. 7.45a–c).
(. Abb.  7.45d) meist in Dieselmotoren eingesetzt.
Durch das Profilschleifen der Laufstege sind an diesen
wichtigen Funktionsflächen enge Toleranzen erreich-
7.3 • Kolbenringe
133 7
1. Nut Rechteckring, ballige Lauffläche zz Dreiteilige Ölabstreifsysteme
Werkstoff: Stahl nitriert Diese Ölabstreifringe bestehen aus zwei dünnen
axiale Höhe: 1,0–1,2 mm Stahlbandringen – auch Rails oder Stahllamellen
genannt – sowie einer Abstandsfeder, die einerseits
die Rails in dem gewünschten axialen Abstand zuei-
2. Nut Nasenminutenring oder
Minutenring nander hält und sie zum anderen gleichzeitig an die
Werkstoff: Grauguss Zylinderwand presst. Die Rails sind an ihrer Lauf-
Lauffläche unbeschichtet fläche beschichtet (zum Beispiel mit Cr oder PVD)
axiale Höhe: 1,2–1,75 mm oder allseitig nitriert. Die Federn bestehen aus einem
dünnen Stahlband, das für die jeweiligen Federtypen
3. Nut MF-System
Feder unbehandelt oder nitriert,
charakteristisch geformt wird. Als Federwerkstoff
Rails mit verchromter Lauffläche kommt überwiegend austenitischer Cr-Ni-Stahl zum
oder nitrierter Oberfläche Einsatz. Zum Schutz gegen Federverschleiß, dem so-
axiale Höhe: 2,0 oder 2,5 mm genannten Sekundärverschleiß, kann die Feder nit-
Alternativ: riert werden.
2-tlg. Ölabstreifring mit In . Abb. 7.45f–h sind drei unterschiedliche Fe-
Schlauchfeder dertypen mit gebräuchlichen Bezeichnungen abgebil-
Werkstoff: GG oder Stahlprofil det, wobei sich das MF-System aufgrund der einfachen
Lauffläche unbeschichtet oder
nitriert
Federform und dem Potenzial für axial niedrige Ring-
höhen weitgehend durchgesetzt hat.
..Abb. 7.46  Ringbestückung für Pkw-Ottomotoren

bar. Weiterentwicklungen dieses Ringtypes werden mit 7.3.2 Ringbestückungen


besonders ausgebildeten konischen Laufstegen (zum
Beispiel LKZ®-Ring) ausgeführt. Des Weiteren werden Kolbenringauslegungen sind im Wesentlichen durch
auch neue, verschleißfestere Beschichtungen statt der die Funktionsanforderungen bestimmt, die abhängig
bekannten Chromschicht eingesetzt. sind von den technischen und kommerziellen Rah-
menbedingungen der Segmente Pkw-Otto-, Pkw-Die-
zz Profilstahlring sel und Nkw-Diesel-Anwendungen. Die spezifischen
Dieser Dachfasenring, auch I-Section Ring genannt, Anforderungen der Motorausführung sind jedoch
wird aus einem profiliertem Stahldraht hergestellt. maßgebend bei der Optimierung der jeweiligen Kol-
Zum Verschleißschutz werden die Laufstege zum Bei- benringbestückung. In den . Abb. 7.46 und 7.47 wer-
spiel mit PVD beschichtet oder der Ring wird allseitig den daher nur exemplarisch typische Bestückungen für
nitriert (. Abb. 7.45e). die einzelnen Marktsegmente dargestellt.

1. Nut Rechteck- oder Doppeltrapezring, 1. Nut Doppeltrapezring, einseitig


einseitig ballige Lauffläche ballige Lauffläche
Werkstoff: Sphäroguss Werkstoff: Sphäroguss oder Stahl
Laufflächenbeschichtung aus Laufflächenbeschichtung:
Chrom-Keramik (CKS) oder Chrom-Diamant-Schicht (GDC)
Chrom-Diamant (GDC) oder PVD-Schicht
axiale Höhe: 1,75–3,5 mm axiale Höhe: 2,5–4,0 mm

2. Nut Minuten- oder Nasenminutenring 2. Nut Minutenring


Werkstoff: legierter Grauguss Werkstoff: Grauguss
Lauffläche unbeschichtet Lauffläche verchromt
axiale Höhe: 2,0–2,5 mm axiale Höhe: 2,0–3,0 mm

3. Nut Ölabstreifring mit Schlauchfeder 3. Nut Ölabstreifring mit Schlauchfeder


Werkstoff: GG oder Stahlprofil Werkstoff: GG/GGG oder
Lauffläche verchromt oder Stahlprofil
nitriert Lauffläche verchromt oder nitriert
axiale Höhe: 2,0–3,0 mm axiale Höhe: 3,0–4,0 mm
a b
..Abb. 7.47  a Ringbestückung für Pkw-Dieselmotoren, b Ringbestückung für Nkw-Dieselmotoren
134 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Viertakt-Charakteristik (positiv oval)


1 Ft Ft

2 p = const.
Stoßspiel

3
4
..Abb. 7.48  Tangentialkraft am Kolbenring
5
Die in . Abb.  7.46 wiedergegebene Ringbestü-
6 ckung zeigt eine heute übliche Auslegung für Pkw-
Ottomotoren. a
7 Für Pkw-Dieselmotoren ist in . Abb. 7.47a eine
typische Bestückung dargestellt.
Bei höherer thermischer Beanspruchung wird der konstante Druckcharakteristik (kreisförmig)
8 Ring der ersten Nut oft als Doppeltrapezring mit sonst
gleichen Merkmalen ausgeführt.
Für Nkw-Dieselmotoren stellt der Doppeltrapez-
9 ring in angepasster axialer Höhe den Standard dar,
wird im Gegensatz zur Pkw-Anwendung aber auch
10 in Stahl ausgeführt. . Abb. 7.47b zeigt eine typische
Nkw-Bestückung.

11
7.3.3 Kenngrößen

12 zz Tangentialkraft
Die Tangentialkraft Ft ist die Kraft, die an den Ringen- b
13 den am äußeren Durchmesser angreifend erforderlich
ist, um den Kolbenring auf Stoßspiel zusammenzudrü-
cken (. Abb. 7.48). Zweitakt-Charakteristik (negativ oval)
14 Sie ist die bestimmende Größe für die Ermitt-
lung des Anpressdruckes. Der Anpressdruck, also
15 der Druck mit dem der Ring gegen die Zylinderwand
drückt, bestimmt wesentlich die Dichtfunktion. Er be-
rechnet sich mit p = Anpressdruck, d = Nenndurch-
16 messer, h = Ringhöhe zu:

2  Ft h
17
i
p= N/mm2 : (7.3)
d h 

18 zz Radialdruckverteilung
Der Anpressdruck kann über dem Umfang als kon-
stante Druckverteilung oder entsprechend einer spe- c
19 ziellen Charakteristik gewählt werden. Diese Radi-
aldruckverteilung ist von großer Bedeutung für die ..Abb. 7.49 Radialdruckverteilungen

20 Dichtfunktion des Kolbenringes an der Lauffläche der


Zylinderwand. Die Weiterentwicklung von konstan- . Abb. 7.49 gezeigt, erlaubt das Funktionsverhalten
ten zu inkonstanten Radialdruckverteilungen, wie in der Ringe im Motor gezielt zu beeinflussen.
7.3 • Kolbenringe
135 7

Einen Anhaltspunkt für die Radialdruckverteilung eckringe ist bei Verwendung der Tangentialkraft  Ft
des Kolbenringes liefert die Ovalität. Als Maß für die definiert als:
Ovalität wird die Differenz der Ringaußendurchmesser
angenommen, die in Richtung Ringstoß/Ringrücken .d − a/2 Ft
k =3  (7.6)
und 90° versetzt dazu gemessen wird. h  a3 E

zz Einbaubiegespannung beziehungsweise
Sie ist die Biegebeanspruchung, die der Kolbenring im
eingebauten Zustand im Zylinder erfährt. Die Maxi- 2 m
k=  (7.7)
malspannung liegt dabei im Ringrücken und errechnet 3   d − a
sich für den Rechteckring nach:
bei Einsatz der Maulweite m (. Abb. 7.42).
aE h i
ıb =  2  k N/mm2 (7.4)
d −a  zz Formfüllvermögen
Unter Formfüllvermögen versteht man die Eigen-
und für einen Ölabstreifring nach: schaft des Kolbenringes, sich auch unrunden Zylin-
dern anzupassen. Hohes Formfüllvermögen unter-
xl  E Iu + Is h i
stützt die funktionsgerechte Abdichtung gegen Gas
ıb = k N/mm2 (7.5)
d −a Is und Öl.
Das Formfüllvermögen des Ringes QR im Ringrü-
mit: cken für eine radiale Verformung i-ter Ordnung ui des
a = Wanddicke, Zylinders, bei der gerade noch Anlage des Ringes an
d = Nenndurchmesser, der Zylinderwand mit einem Radialdruck des Ringes
E = Elastizitätsmodul des Ringwerkstoffes, p = 0 gewährleistet ist, berechnet sich zu:
k = Kolbenringparameter,
xl = doppelter Abstand des Schwerpunktes zum Au- ui k
ßendurchmesser, QR = =  2 (7.8)
r 2
i −1 
Iu = Flächenträgheitsmoment des ungeschlitzten Quer-
schnitts, mit r = (d − a) / 2.
Is = Flächenträgheitsmoment des geschlitzten Quer-
schnitts. Da mit steigender Ordnungszahl i das Formfüllver-
mögen mit annähernd vierter Potenz abnimmt sind
zz Überstreifspannung Zylinderverzüge höherer Ordnung für die Funktion
Die größte Beanspruchung erfährt der Ring beim der Kolbenringe besonders kritisch.
Aufziehen auf den Kolben, da er mindestens so weit Bei Kompressionsringen erhöht der Gasdruck
geöffnet werden muss, dass die Innenkontur über den hinter dem Ring das Formfüllvermögen, während bei
Durchmesser des Kolbens passt. Ausgehend vom ma- Ölabstreifringen die zusätzliche Unterstützung durch
thematisch exakten und aufwändigen Ansatz zur Be- die Federkraft wirkt, so dass sich das gesamte Form-
rechnung der Überstreifspannung wurden handliche füllvermögen ergibt zu:
Formeln zur Berechnung von Rechteckquerschnitten
als auch von Ölabstreifringen abgeleitet. Diese in [16] Qges = QR  .1 + x/ (7.9)
dokumentierten Formeln unterscheiden das Aufzie-
pz p
hen des Ringes unter rein tangentialer Belastung sowie mit x = für Kompressionsringe und x = f für
über eine Überstreifhülse. p p
Grundsätzlich sei hier angemerkt, dass die rein Ölababstreifringe.
tangentiale Belastung zur maximalen Überstreifspan-
nung im Ringrücken führt, während beim Aufziehen pz = Anpressdruck durch Gasdruck
mittels Überstreifhülse diese eher im Bereich 90° be- pf = Anpressdruck durch Federkraft
ziehungsweise 270° liegt.
Es ist zu beachten, dass die vereinfachten Gln.  7.8
zz Kolbenringparameter und 7.9 nur Aussagen über das Formfüllvermögen im
Der Kolbenringparameter k charakterisiert das elas- Ringrücken ermöglichen, nicht jedoch über das örtli-
tische Verhalten des Ringes. Der k-Faktor für Recht- che Vermögen am Ringumfang [18].
136 Kapitel 7 • Motorkomponenten

zz Stoßspiel gleichmäßige Wanddicke über den Ringumfang ge-


1 Das Stoßspiel ist der von den Ringenden gebildete Spalt währleistet. Nach Heraustrennen des der Maulweite
im eingebauten Zustand, der unter anderem zum Aus- entsprechenden Ringsegmentes hat der Ring die un-
2 gleich der Wärmeausdehnung des Ringes erforderlich
ist (. Abb. 7.48). Während zu groß ausgelegte Stoß-
gespannte Form, die nach Einbau in den Zylinder die
gewünschte Radialdruckverteilung realisiert. Die Form
spiele oft erhöhte Gasleckagen – also Blow-by-Mengen des Kopiernockens ist dabei speziell für jede Radial-
3 – verursachen, führt eine zu kleine Auslegung zum druckcharakteristik des Ringes mathematisch berech-
sogenannten „Ringdrücken“ beziehungsweise „Ring- net und ausgelegt.
beißen“. Dabei wird die Wärmeausdehnung des Ringes
4 durch sich berührende Stoßenden behindert. Es kann zz Wickeln
sowohl zum Ringbrechen aber auch zu Fressern zwi- Das Wickeln von Kolbenringen wird für Stahlringe
5 schen Ring- und Zylinderlauffläche kommen, da der praktiziert. Der profilgezogene Stahldraht wird rund
Anpressdruck unzulässig steigt. gewickelt. Die so entstehende Spirale wird längs aufge-
trennt, dadurch werden die Ringe vereinzelt. Anschlie-
6 zz Ringstoß ßend werden die Ringe auf einen Formdorn gezogen
In Pkw- und Nkw-Motoren werden im Allgemeinen und in einem Wärmebehandlungsprozess formgeglüht.
7 nur gerade Ringstöße eingesetzt, da einfache Schräg-
stöße sowie überlappte Stöße bezüglich Dichtigkeit
Hierbei muss der Dorn entsprechend der zu erzielen-
den Radialdruckcharakteristik berechnet und ausge-
keine Vorteile aufweisen. Besondere Konstruktionen legt werden.
8 für Ringstöße mit erhöhter Dichtigkeit (zum Beispiel Die Profilgebung der Laufflächen, insbesondere
Typ „walzenförmig“ oder Typ „schräg“) können da- von Minuten-, Nasen- und Ölschlitzringen erfolgt je
gegen die Abdichtung gegenüber dem Geradstoß nach Ausführung auf Außendrehautomaten oder Pro-
9 verbessern und werden vielfach in großen Zweitakt- filschleifmaschinen mit Hilfe von speziellen Profil-
Dieselmotoren verwendet. werkzeugen vor beziehungsweise nach einer eventuel-
10 len Laufflächenbeschichtung oder Nitrierbehandlung.

7.3.4 Kolbenringherstellung 7.3.4.2 Verschleißschutzschichten


11 Zur Verringerung des Verschleißes an den Kolbenrin-
Kolbenringe aus Gusseisen werden zum einen im Ein- gen und am Zylinder werden vor allem die Ringlauf-
zelgussverfahren als Einfach-, Doppel- oder Mehrfach- flächen mit verschleißfesten Schutzschichten bewehrt
12 rohlinge auf Formplatten nach einem mathematisch [19]. Eingesetzt werden folgende Verschleißschutz-
bestimmten Modell geformt und im Stapelguss abge- schichten:
13 gossen. Ein anderes Herstellverfahren ist, Gussbuchsen
im Stand- oder Schleuderguss zu erstellen. zz Verchromung
Für Kolbenringe aus Stahl wird bevorzugt kaltge- Im tribologischen System Kolbenring/Zylinderwand
14 zogener Profilstahl verwendet. Dabei kommen nicht zeichnen sich elektrochemisch erzeugte Hartchrom-
nur annähernd rechteckige Profile für Kompressions- schichten auf Kolbenringlaufflächen durch eine hohe
15 ringe, sondern auch Spezialprofile für Ölabstreifringe
zur Anwendung.
Eigenverschleißbeständigkeit sowie geringe von ih-
nen ausgelöste Zylinderverschleiße aus. Anwendung
finden normale Chromschichten heute eigentlich nur
16 7.3.4.1 Formgebung noch auf Ringen der 2. Nut, sowie auf Ölringen. Ge-
Während die Flankenbearbeitung der Ringe mit kon- gen Schädigungen der Schicht, wie Brandspuren und/
ventionellen Arbeitsverfahren wie Planschleifen ge- oder ermüdungsbedingte Ausbrüche, die vor allem in
17 schieht, wird die Kontur im ungespannten Zustand, der Einlaufphase auftreten können, wurden beson-
die die Charakteristik der Kolbenringe bestimmt, dere Oberflächentopographien zur Optimierung der
18 durch spezielle Verfahren – dem Doppelformdrehen Schmierfilmaufbereitung entwickelt. Hier ist beson-
für Gussringe und dem Wickeln für Stahlringe – her- ders die Sonderläppung zu nennen [16].
gestellt. Ständig steigende Anforderungen an die Belas-
19 tungsniveaus bei modernen Verbrennungsmotoren er-
zz Doppelformdrehen fordern eine über den Einlauf hinausgehende Verbes-
20 Beim Doppelformdrehen wird der an den Flanken
geschliffene Rohling innen und außen gleichzeitig
serung der mechanisch/thermischen Belastbarkeit der
Schichten. Durch die Einlagerung von keramischen
im Kopierdrehverfahren bearbeitet, welches eine Partikeln (Al2O3) in eine elektrochemisch erzeugte
7.3 • Kolbenringe
137 7
..Abb. 7.50 Schema- Rissnetzwerk
tische Darstellung von Zeit
Chromschichten mit
Feststoffeinlagerungen

Rissbreite

– +
Stromdichte
Lagendicke
Risstiefe

Hartchromschicht (zum Beispiel CKS®-Schicht) wird HVOF-Beschichten wird ein Überschall-Flammstrahl


nicht nur deren Verschleißwiderstand über der gesam- zur Beschleunigung und Erwärmung der Spritzwerk-
ten Lebensdauer der Schichtdicke verbessert, sondern stoffe verwendet, was gegenüber dem Plasmaspritzen
auch der Widerstand gegen Brandspurbildung, also deutlich dichtere und festere Schichten entstehen
gegen die thermische Überlastung (. Abb. 7.50). lässt [21]. Diese prinzipiellen Vorteile gegenüber dem
Für noch höhere motorische Belastungen können Plasma können für den Motor aber nur realisiert wer-
statt der oben genannten Keramikpartikel kleinste Di- den, wenn die Schichtwerkstoffe optimal auf die be-
amantpartikel in der sonst vergleichbaren Hartchrom- sonderen Prozesseigenschaften abgestimmt sind. Als
schicht verankert (GDC®-Schicht) werden. Dadurch Werkstoffe kommen vor allem Metalle mit hohem
kann der Eigenverschleiß bei nochmals verbesserter Karbidanteil zum Einsatz.
Brandspursicherheit etwa halbiert werden, ohne den
Zylinderverschleiß wesentlich zu erhöhen [20]. zz Nitrieren und Nitrocarburieren
Hierbei werden durch thermochemische Behandlung
zz Molybdänbeschichtung (Diffusion) Stickstoff und zum Teil auch Kohlenstoff
Sie wird vor allem wegen ihres hohen Widerstandes in die Oberfläche des Kolbenringes (überwiegend aus
gegen Brandspurbildung angewendet. Molybdän wird Werkstoff Stahl) eingelagert. Diese Diffusion erzeugt
als thermische Spritzschicht hauptsächlich im Flamm- eine sehr hohe Oberflächenhärte (circa 1300 HV 0,025),
spritzverfahren auf die Kolbenringfläche aufgetragen. die der Schicht einen hohen Verschleißwiderstand ver-
Die hohe Resistenz der Mo-Schicht gegen Brandspuren mittelt. Härte und Schichtdicke wachsen mit dem Anteil
wird auf den hohen Schmelzpunkt von Mo (2600 °C) nitridbildender Legierungselemente des Ringwerkstof-
und auf die poröse Schichtstruktur zurückgeführt. fes (überwiegend Stahl mit 13 % beziehungsweise 18 %
Chromgehalt). Bei Ottomotoren werden sie als Alter-
zz Plasmaspritzschichten native zu galvanischen Chromschichten und teilweise
Die Technik des Plasmaspritzverfahrens ermöglicht auch zu thermischen Spritzschichten angewendet, ins-
es, metallische beziehungsweise metallkeramische besondere bei Ringhöhen ≤ 1,2 mm. Weitere Vorteile
Mischschichten zu erstellen, deren Basiswerkstoffe sind die Formtreue, die die Abbildung scharfer Lauf-
besonders hohe Schmelzpunkte haben. Die dadurch kanten am Kolbenring ermöglicht, sowie die allseitige
erzielten Verschleißschutzschichten haben einen Beschichtung, durch die ein zusätzlicher Schutz gegen
noch höheren Verschleißwiderstand als Molybdän­ Flankenverschleiß gewonnen wird. Die Brandspursi-
schichten und höhere Brandspursicherheit als cherheit dieser Schichten kann wie die von galvanischen
Chromschichten. Normalchromschichten gewertet werden, die von ther-
mischen Spritzschichten wird nicht erreicht.
zz HVOF-Schichten
(High Velocity Oxy-Fuel). Die HVOF-Beschichtung, zz PVD-Schichten
ein Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen, baut auf (Physical Vapor Deposition). Mit der Technologie des
der sehr hohen Brandspurresistenz der Plasmabe- Aufdampfens von Hartstoffen wie CrN werden Ver-
schichtung auf, wobei die Eigen- und Zylinderver- schleißschutzschichten erzeugt, die eine konturenge-
schleißwerte weiter reduziert werden können. Beim naue Abbildung der Oberflächen ermöglichen.
138 Kapitel 7 • Motorkomponenten

PVD-beschichtete Kolbenringe zeichnen sich 7.3.4.4 Werkstoffe für Kolbenringe


1 durch hohen Verschleißwiderstand, hohe Brandspur- Bestimmend für die Wahl der Kolbenringwerkstoffe
sicherheit und einen niedrigen Zwickelverschleiß sind die Forderungen nach guten Lauf- und Notlauf-
2 in den Zylindern aus. Die PVD-Schichtdicken sind
durch den Abscheideprozess begrenzt, die heute er-
eigenschaften (Verschleißverhalten), gutem elastischen
Verhalten, guten Wärmeleitwerten und thermischen
reichbaren Schichtdicken von bis zu 50 µm erfüllen Ausdehnungseigenschaften sowie hoher Korrosions-
3 die Lebensdauererwartungen sowohl in Otto- als beständigkeit. Hohe Festigkeit ist dann gefordert,
auch Dieselmotoren. Ein weiterer Vorteil der PVD- wenn motorenseitig extreme Bedingungen wie hohe
Schichten ist die Reduzierung von Reibungsverlusten Drehzahlen oder hohe Gradienten des Verbrennungs-
4 im Mischreibungsgebiet. Insbesondere DLC (Dia- druckes vorliegen. Folgende Werkstoffe kommen zum
mont like Carbon)-Beschichtungen gewinnen hier an Einsatz [19]:
5 Bedeutung [22]. Infolge der begrenzten Lebensdauer
von wasserstoffhaltigen DLC-Beschichtungen werden zz Gusseisen mit Lamellengraphit,
diese bevorzugt als Einlaufschicht oder als reibungsre- unvergütet
6 duzierende Beschichtung in ottomotorischen Anwen- „Standard-Werkstoff “ für Kolbenringe mit guten Ein-
dungen eingesetzt [23]. Neuere Entwicklungstrends lauf- und Notlaufeigenschaften sowie befriedigendem
7 nutzen wasserstofffreie DLC-Beschichtungen, die
durch hohe Verschleißbeständigkeit gekennzeichnet
Verschleißverhalten. Die Biegefestigkeitswerte sind
mit mindestens 350 N/mm2 relativ niedrig. „Standard-
sind. Durch diese neuen Schichten wird die Nutzung Werkstoff “ wird für Ringe der 2. Nut und Ölabstreif-
8 der Reibleistungsvorteile auch für Dieselmotoren in ringe verwendet.
zunehmendem Maße möglich.
zz Gusseisen mit Lamellengraphit, legiert,
9 7.3.4.3 Oberflächenbehandlungen vergütet
Die nachfolgend aufgeführten Oberflächenbehand- Die niedrigen Festigkeitswerte des „Standard-Werk-
10 lungen dienen bei Kolbenringen hauptsächlich zum
Korrosionschutz bei der Lagerung, zur optischen Auf-
stoffes“ sind durch Vergüten angehoben. Die Biege-
festigkeiten liegen bei mindestens 650 N/mm2, gleich-
wertung sowie zur Verbesserung des Einlaufs. Eine zeitig wird die Härte gesteigert. Dieser Werkstoff wird
11 nennenswerte Erhöhung der Brandspursicherheit im ebenfalls für Ringe der 2. Nut eingesetzt.
Einlauf wird allerdings nicht erreicht.
zz Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss),
12 zz Phosphatieren niedriglegiert, vergütet
(Zinkphosphat- beziehungsweise Manganphosphat- Dieses Gusseisen zeichnet sich durch hohe Biegefes-
13 schichten). Durch chemische Behandlung wird die tigkeit von mindestens 1300 N/mm2 aus. Wegen der
Oberfläche des Kolbenringes in Phosphatkristalle hohen Biegefestigkeit wird Sphäroguss vorzugsweise
umgewandelt. Diese Phosphatschicht ist weicher als für Ringe der 1. Nut verwendet.
14 das Grundmaterial des Ringes und trägt sich demnach
leichter ab, was den Einlauf der Ringe beschleunigt. zz Stahl
15 Die Dicken dieser Schicht liegen zwischen 2 und 5 µm. Wegen der hohen Bruchsicherheit wird Stahl zum
Beispiel bei niedriger Ringhöhe (≤ 1,2 mm) für Ot-
zz Brünieren tomotoren und in Dieselmotoren mit hohen Druck-
16 Brünierschichten werden hauptsächlich zur Flanken- steigerungsraten sowie bei Ölabstreifringen für Stahl-
beschichtung von Rails aus Kohlenstoffstahl eingesetzt. lamellen, Abstandsfedern und als Profilstahlölring
Diese sehr dünnen (< 1 µm) Eisenoxidschichten stellen eingesetzt. Bevorzugte Stahlwerkstoffe sind Feder-
17 einen gewissen Korrosionsschutz dar. stähle, zur Erhöhung des Verschleißschutzes durch ein
nachfolgendes Nitrieren werden ebenso hochchrom-
18 zz CPS und CPG haltig legierte martensitische Werkstoffe genutzt. In
CPS (bei nitrierten Stahlringen) und CPG (bei nitrier- zunehmenden Maße werden Stahlgusswerkstoffe mit
ten Gussringen) sind Verfahren der chemischen Passi- erhöhten Chrom- und Siliziumgehalten für Kompres-
19 vierung und vermindern die Gefahr des sogenannten sionsringe in Dieselmotoren angewendet.
Microweldings infolge einer gezielten Veränderung der
20 Oberflächenmorphologie [24]. Gleichzeitig werden
Korrosionsbeständigkeit und Gestaltfestigkeitsverhal-
ten positiv beeinflusst.
7.4 • Kurbelgehäuse
139 7
7.3.5 Beanspruchung, Schäden,
Ring mit balliger
Verschleiß, Reibung
Lauffläche
a
Kolbenringe werden bei der Montage durch die Über-
streifbiegespannung und im eingebauten Zustand
im Zylinder durch die Einbaubiegespannung bean-
sprucht. Zusätzlich treten dynamische Belastungen
Ring mit asymmetrisch
auf, nämlich eine Axialbewegung des Kolbenringes,
balliger Lauffläche
die durch die Wechselwirkung zwischen Gas-, Mas- b
sen- und Reibungskräften hervorgerufen wird. In
extremen Fällen werden unkontrollierte, axiale und
auch radiale Bewegungen des Ringes hervorgerufen,
die insbesondere in Benzinmotoren bei niedrigen Mit-
teldrücken und hohen Drehzahlen zu stark reduzierter
Dichtfunktion und somit zu hohen Blow-by-Verlusten Ring mit optimierter
führen können. Diese extremen Ringbewegungen asymmetrisch
können in Einzelfällen ebenso zum Ringbruch füh- c balliger Lauffläche
ren wie extreme Druckanstiegsraten bei klopfender
Verbrennung eines Otto- oder wie bei nagelnder ..Abb. 7.51 Laufflächenformen
Verbrennung eines Dieselmotors. Außergewöhnlich
hohe Beanspruchung des Ringes entsteht auch durch
Ölverkokung in der Kolbennut, was zum Ringstecken 7.4 Kurbelgehäuse
führen kann. Weitere Ringschäden sind Brandspuren
und Fressen der Ringe [25]. Als Kurbelgehäuse bezeichnet man das Bauelement
Die Lebensdauer der Kolbenringdichtung wird des Motors, das den Zylinder, den Kühlmantel und
entscheidend von ihrem Verschleiß bestimmt. Es das Triebwerksgehäuse umfasst.
tritt Radialverschleiß (Laufflächenverschleiß), Axial-
verschleiß (Ringflanken- und Kolbennutverschleiß),
„Microwelding“ (eine spezielle Schädigung der Ring- 7.4.1 Aufgaben und Funktionen
und Nutflanken) und Sekundärverschleiß an Ölringen
(Verschleiß zwischen Ring und Schlauchfelder bezie- Als Hauptfunktionen, die das Kurbelgehäuse zu erfül-
hungsweise zwischen Lamellen und Abstandsfeder)
auf. Das tribologische System der Kolbenringdichtung
ist sehr komplex, weil praktisch alle üblichen Ver- -
len hat gelten:
Aufnahme der Gas- und Massenkräfte in den
Kurbelwellenlagern beziehungsweise in der Ver-
schleißarten wie abrasiver, adhäsiver und korrosiver
Verschleiß mit mehr oder weniger starker Auswirkung
- schraubung des Zylinderkopfes,
Aufnahme des Triebwerkes, bestehend aus Kol-
auftreten. Der Anteil der Kolbengruppe an den me-
chanischen Verlusten eines Motors beträgt circa 40 %.
Die Kolbenringe verursachen hiervon etwas mehr als
die Hälfte. Wesentliche Einflussgrößen auf die Kolben-
- ben, Pleuel, Kurbelwelle und Schwungrad,
Aufnahme und Anschluss der Zylinder oder bei
mehrteiliger Kurbelgehäusebauart Anschluss zu
einzelnen Zylindern oder zu Zylinderblock/Zy-
ringreibung sind die Flächenpressung, die Ringhöhe
(Breite des Laufspiegels) beziehungsweise die Lauf-
steghöhe bei Ölringen, die Laufflächenform (Balligkeit;
unterschiedliche Ausführungen siehe . Abb.  7.51),
- linderblöcken,
Lagerung von Kurbelwelle, von gegebenenfalls
einer Zwischenwelle für den Steuerungsantrieb
und von gegebenenfalls einer oder zwei Aus-
der Reibbeiwert der Laufflächenbeschichtung (nur im
Mischreibungsgebiet in den Totpunkten; hier ist aber
die Kolbengeschwindigkeit sehr niedrig) und die An-
zahl der zur ausreichenden Dichtfunktion notwendi-
- gleichswellen für den Massenausgleich,
Aufnahme von Kanälen zum Transport von
Schmier- und Kühlmitteln. Mit Schmiermittel
zu versorgen sind Kurbelwellen- und Pleuella-
gen Ringe pro Kolben. Alle Maßnahmen zur Reduzie- ger, gegebenenfalls Kolbenspritzdüsen für die
rung der Kolbenringreibung müssen daher so gewählt Kolbenkühlung, gegebenenfalls vorhandene
werden, dass sie das Funktionsverhalten der Kolben- hydraulische Kettenspanner sowie die im Zy-
ringe, insbesondere die Abdichtwirkung gegen Brenn- linderkopf angeordneten Bauteile. Dieses sind
gas und Schmieröl, nicht negativ beeinflussen [26]. Nockenwelle(n), Tassenstößel oder Kipp- oder
140 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Schlepphebel, gegebenenfalls vorhandene Hyd- cke im Allgemeinen stärker dimensionierte Kurbel-


1 raulikelemente für den automatischen Ausgleich gehäuse als Ottomotoren. Die Höhe der auftretenden
des Ventilspiels sowie gegebenenfalls vorhandene Massenkräfte wird durch die maximale Drehzahl und
2 Verstelleinrichtungen für die Steuerzeitenver-
stellung. Der Schmiermittelrücklauf aus dem Zy-
die Auslegung des Kurbeltriebes bestimmt. Die Ten-
denz zur Aufladung von Diesel- und Ottomotoren,
linderkopf/den Zylinderköpfen erfolgt meistens sowie zum Downsizing mit gleicher Leistung bei klei-
3 ebenfalls durch im Kurbelgehäuse angeordnete nerem Hubvolumen, erhöht die vom Kurbelgehäuse

4 - Kanäle,
Bei flüssigkeitsgekühlten Motoren beinhaltet
das Kurbelgehäuse um die Zylinder herum den
sogenannten Wassermantel sowie gegebenenfalls
aufzunehmenden Kräfte.
Die Wirkung der Kräfte und der daraus resultie-
renden Momente sowohl im Inneren des Kurbelgehäu-
ses als auch nach außen (Motorlagerung, mechanische
5 weitere Kühlmittel führende Kanäle. Häufig dient Schwingungen, Geräuschabstrahlung) hängt ab von
hier das Kurbelgehäuse auch zur Aufnahme der der konstruktiven Ausführung des Motors.

6
- Kühlmittelpumpe,
Integration eines Systems zur Kurbelgehäuseent-
Die wesentlichen Einflussparameter der Motor-
bauart auf die Beanspruchung des Kurbelgehäuses

7 - lüftung,
Anschluss zu Getriebe und Ventilsteuerungsan-
trieb und dessen Abdeckung sowie Aufnahme
und Führung von Übertragungselementen wie
sind die Zahl und Anordnung der Zylinder sowie die
Kröpfungsanordnung der Kurbelwelle und die Zünd-
folge. Die dabei im Kurbelgehäuse auftretenden Bean-
spruchungen sind von Einfluss auf die Konstruktion
8
9
- zum Beispiel Ketten,
Anschlüsse und Aufnahme diverser Nebenaggre-
gate so zum Beispiel für Motorlagerung im Fahr-
zeug, Bauteile für die Kühlmittelvorwärmung,
des Kurbelgehäuses beziehungsweise die Kurbelge-
häusebauart im Hinblick auf ausreichende Festigkeit,
minimale Verformungen, kostengünstige Herstellung,
Recycling, Geräuschabstrahlung und auf das Kurbel-
Öl-Wasser Wärmetauscher, Ölfilter, Ölabschei- gehäusegewicht und damit auf das Motorgesamtge-
10 der für Kurbelgehäuseentlüftung, Sensoren für
Öldruck-, Öltemperatur-, Kurbelwellendrehzahl-,
wicht.
Die Festigkeit eines Kurbelgehäuses wird be-

11
12
- Klopferkennung und so weiter,
Verschluss des Kurbelraumes nach außen durch
die Ölwanne und für den Kurbelwellendurchtritt
mittels Radialwellendichtringen.
stimmt durch den verwendeten Werkstoff, durch die
in Abhängigkeit vom verwendeten Gießverfahren und
Werkstoff mögliche Wärmebehandlung sowie durch
die konstruktive Gestaltung, charakterisiert durch Kur-
belgehäusebauart, Verrippung, Wandstärken etc. Gän-
Auf Grund der vielfältigen zu erfüllenden Funktionen gige Kurbelgehäuse-Werkstoffe, zum Vergleich auch
13 ist das Kurbelgehäuse unterschiedlichen und sich über- GGV, und die wichtigsten Werkstoffeigenschaften sind
lagernden Beanspruchungen ausgesetzt. Es wird auf in . Abb. 7.52 dargestellt.
Zug-Druck, Biegung und Torsion beansprucht durch Kurbelgehäuse werden je nach der Motorbauart,

-
14 Massen- und Gaskräfte. Im Einzelnen sind dies: wie zum Beispiel Reihen-, V- und Boxermotor durch
Gaskräfte, die von der Zylinderkopfverschrau- die folgenden Hauptabmessungen charakterisiert
15
-
bung und der Kurbelwellenlagerung aufzuneh-
men sind,
-
(. Abb. 7.53):
Länge als Maß von Vorderkante Kurbelgehäuse

16
innere Massenmomente (Biegemomente),
resultierend aus rotierenden und oszillierenden
-- bis Motor-Getriebeflansch,
Breite, als maximale Breite über alles,

- Massenkräften,
innere Torsionsmomente (Kippmomente) zwi-

-
Höhe als Maß von Mitte Kurbelwelle in Zylinder-
achsrichtung bis Deckplattenebene,

-
17 schen einzelnen Zylindern, Zylinderbohrung als Nenninnendurchmesser der

18
-
Kurbelwellendrehmoment und die daraus resul-
tierenden Reaktionskräfte in der Motorlagerung,
- Zylinder,
Zylinderabstand als Maß zwischen den Mitten

19
freie Massenkräfte und Massenmomente, resul-
tierend aus oszillierenden Massenkräften, die in
der Motorlagerung aufzunehmen sind. - zweier benachbarter Zylinder,
Zylinderversatz bei V-, W- und Boxermotoren
als Maß zwischen den Mitten von zwei sich in
benachbarten Zylinderbänken gegenüberliegen-
20 Arbeitsverfahren und Betriebsgrenzen bestimmen die
maximal auftretenden Kräfte. So benötigen Dieselmo-
toren aufgrund ihrer höheren Spitzen- und Mitteldrü- - den Zylindern,
Zylinderlänge als Maß von Deckplatte bis unte-
rem Zylinderende.
7.4 • Kurbelgehäuse
141 7

Werkstoffe
(gängige Werkstoffe für Kurbelgehäuse)
Werkstoffgruppe: Al uminium Ei sen
Werkstoff: AISI6Cu4 AISi17Cu4Mg AISi9Cu3 G3L-240 G3L-300 G3V
Bemerkung: untereutektisch übereutek- übereutek- untereutektisch Gusseisen Gusseisen Vermi-
tisch, tisch mit Lamel- mit Lamel- cular
lengraphit lengraphit Graphit
Werkstoffzustand: Gusszustand wärme- Gusszustand Gusszustand
behandelt
Gusstechnik: Sand- und Druckguss Sand- und Druckguss Sand- und Druckguss
Kokillenguss Kokillenguss Kokillenguss
Dehngrenze Rp02 (N/mm2): 90–100 140 190–320 150–210 90–180 150 165–228 195–260 240–300
Zugfestigkeit Rm (N/mm2): 150–170 240 220–360 260–300 150–170 220 250 300 300–500
Bruchdehnung A6 (%): 1 1 0,5 0,3 1 1 0,8–0,3 0,8–0,3 2–6
Brinelhärte HB: 60–75 80 90–150 25 60–75 80 180–250 200–275 160–280
Biegewechselfestigkeit 60–80 70–90 90–125 70–95 60–95 70–90 87,5–125 105–150 160–210
(N/mm2)
E-Modul (kN/mm2): 73–76 75 83–87 83–87 74–78 75 103–118 108–137 130–160
Wärmeausdehnungskoef. 21–22,5 22,5 18–19,5 18–19,5 21–22,5 21 11,7 11,7 11–14
(20°–200° C) (10–4 /K):
Wärmeleitfähigkeit (W/mK): 100–110 100–110 117–134 117–150 110–120 110–120 48,5 47,5 42–44
Dichte (kg/dm3): 2,75 2,75 2,75 2,75 2,75 2,75 7,25 7,25 7,0–7,7
Quellen: Kolbenschmidt AG, Neckarsulm, Handbuch Aluminium – Gussteile, Heft 18
DIN EN 1706, Aluminium und Aluminiumlegierungen, Gussstücke, chemische Zusammensetzung und mechanische EIgenschaften
DIN EN 1591, Gusseisen mit Lamellengraphit
Porsche Technische Lieferungsbedingungen 2002
Vermiculargraphitguss (GGV) – Ein neues Material für den Verbrennungsmotor,
Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik 95,
Prof. Dr. techn. F. Indra, Dipl. Ing. M. Tholl, Adam Opel AG, Rüsselsheim

..Abb. 7.52  Werkstoffe von Kurbelgehäusen

Das Bohrbild gibt die Lage der Zylinderkopfver-


schraubung an: je nach deren Ausführung, zum Bei- 6

spiel 4- oder 6-fach je Zylinder. 3

Folgende Maße von der Kurbelwellenmitte bis zum


Flansch der Ölwanne sind definiert:
a) gleich null bei Trennebene zu Ölwanne auf Mitte 8
Kurbelwelle,
b) Höhe des Deep-Skirt bei Kurbelgehäuse mit her- 1 Länge
untergezogenen Seitenwänden, 2 Breite
c) Höhe des Kurbelgehäuse-Unterteils bei zweigeteil- 3 Höhe
4 Zylinderbohrung
ten Kurbelgehäusen. 5 Zylinderabstand
6 Zylinderlänge
5 7 Abmessungen Bohrbild
. Abb. 7.53 zeigt die wesentlichen Abmessungen. 8 Maß von Mitte Kurbelwelle
Bei jeder Kurbelwellenumdrehung führt der Pleuel bis Flansch zu Ölwanne
eine Schwenkbewegung aus. Die dabei entstehende 1

Hüllkurve, bestimmt durch die Außenkontur des


Pleuels und durch den Kurbelradius, wird wegen ihrer 4

charakteristischen Form, die der Außenkontur einer


Geige ähnelt, als Pleuelgeige bezeichnet (. Abb. 7.54). 7
Bei der Konstruktion eines Kurbelgehäuses ist daher 2
ein entsprechender Freigang zur Pleuelgeige sicherzu-
stellen. Die wichtigsten Engstellen zwischen Kurbelge- ..Abb. 7.53  Hauptabmessungen des Kurbelgehäuses

-
häuse und Pleuelgeige sind üblicherweise:
Unterkante Zylinder, bei V-, W- und Boxermoto- Der Freigang beträgt in der Regel zwischen 3,5 und

- ren auch des gegenüberliegenden Zylinders,


Kurbelgehäuseseitenwände mit insbesondere
neben der Pleuelgeige angeordneten Kanälen für
Ölrücklauf oder Kurbelgehäuseentlüftung.
4,5 mm und ist bedingt durch die Berücksichtigung
aller Toleranzen der beteiligten Bauteile, einschließlich
der Gusstoleranzen des Kurbelgehäuses.
142 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
Pleuelgeige

5
6
7
8
..Abb. 7.54 Pleuelgeige ..Abb. 7.55 Closed-Deck-Bauweise
9
7.4.2 Gestaltung
10 von Zylinderkurbelgehäusen
Die Deckplatte wird, mit Ausnahme der Zylinder,
im Wesentlichen nur von kleineren, im Querschnitt
abgestimmten Öffnungen für das Kühlmittel durch-
11 7.4.2.1 Kurbelgehäusebauart brochen. Diese Öffnungen verbinden den die Zylin-
Die Kurbelgehäusebauarten können strukturiert wer- der umfassenden Wasserraum über festgelegte Öff-
den entsprechend der konstruktiven Ausführung im nungsquerschnitte in der Zylinderkopfdichtung und

--
12 Bereich von: Öffnungen in der Zylinderkopfbrennraumplatte mit
Deckplatte, dem Wassermantel im Zylinderkopf. Diese Bauart hat
13
14
- Hauptlagerstühlen,
Zylinder.

Da den Zylindern ein eigenes Kapitel gewidmet ist,


Nachteile bezüglich der Zylinderkühlung im OT-Be-
reich. Die Darstellung des Kurbelgehäusewasserman-
tels erfordert bei der Closed-Deck-Bauweise einen
Sandkern, da der Wassermantel im oberen Bereich
werden sie in diesem Zusammenhang nicht behandelt. des Kurbelgehäuses größtenteils durch die Deckplatte
15 Deckplatte
verschlossen ist. Er ist daher nicht, zum Beispiel als
Bestandteil der Gießaußenform für den oberen Teil des
Ein wesentliches Konstruktionsmerkmal, welches die Kurbelgehäuses, abformbar und muss in der Gießform
16 Auswahl des Gießverfahrens einschränkt, ist die Kur- gelagert werden. Diese Lagerstellen finden sich meist
belgehäusedeckplatte. Dabei kann man unterscheiden am fertigen Kurbelgehäuse als Gussaugen in den Kur-
zwischen Closed-Deck- und Open-Deck-Bauweise. belgehäuseseitenwänden wieder. Die Öffnungen der
17 Kernlagerungen werden mit Blechverschlussdeckeln
zz a) Closed-Deck verschlossen. Derartige Kernlageraugen am Kurbelge-
18 Bei dieser Bauweise ist die Kurbelgehäusedeckplatte häuse sind bei einem fertig montierten Motor ein Indiz
in dem Bereich um die Zylinder herum weitgehend für die Closed-Deck-Bauart der Deckplatte.
geschlossen. In der Deckplatte sind, unabhängig von Der Vorteil der Closed-Deck-Bauart im Vergleich
19 deren Ausführung, immer Öffnungen der Zylinder, zur Open-Deck-Bauart ist die höhere Steifigkeit der
Öffnungen für Gewindebohrungen zur Zylinderkopf- Deckplatte. Dies wirkt sich positiv auf Deckplattenver-
20 verschraubung und in der Regel Bohrungen und Ka-
näle für Drucköl, Kühlwasser, Ölrücklauf und Kurbel-
formung, Zylinderverzug und Akustik aus.
Die Ausführung von Kurbelgehäusen mit Closed-
gehäuseentlüftung vorhanden (. Abb. 7.55). Deck-Design schränkt jedoch die Auswahl an Gieß-
7.4 • Kurbelgehäuse
143 7

zur herkömmlichen Weichstoffzylinderkopfdichtung,


geringeres Setzverhalten eine niedrigere Vorspannkraft
der Zylinderkopfverschraubung, wodurch Deckplat-
tenverformung und Zylinderverzug reduziert werden.
Die Ausführung von Kurbelgehäusen mit Open-
Deck-Design lässt prinzipiell die Anwendung aller
Gießverfahren zu.
Das Open-Deck-Design eröffnete für Kurbel-
gehäuse aus Aluminium-Silizium Legierungen die
Möglichkeit der Herstellung mit dem wirtschaftlichen
Druckgussverfahren. Das ermöglicht darüber hinaus
die Realisierung spezieller Zylinder-/Zylinderbuchsen-
Techniken.

Hauptlagerstuhl-Bereich
Der Hauptlagerstuhl-Bereich ist bei Kurbelgehäusen
der Bereich der Kurbelwellenlagerung. Die konstruk-
tive Ausführung dieses Bereiches ist von besonderer
Bedeutung, da unter anderem die auf die Kurbelwel-
lenlager wirkenden Kräfte aufgenommen werden müs-
..Abb. 7.56 Open-Deck-Bauart
sen.
Möglichkeiten, die Kurbelgehäuseausführung
verfahren ein. Wegen des erforderlichen Wasserman- weiter zu strukturieren, sind zum einen die Lage der
telsandkernes wird die Closed-Deck-Bauart nahezu Trenn­ebene zwischen Kurbelgehäuse und Ölwanne und
ausschließlich im Sand- oder Kokillenguss hergestellt. zum anderen die Konstruktion der Hauptlagerdeckel.
Das für die Darstellung des Wassermantelkernes Bezüglich der Trennebene unterscheidet man zwi-
auch anwendbare Lost-Foam-Verfahren wird nur ganz schen Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle und Öl-
vereinzelt angewendet. wannenflansch unterhalb Mitte Kurbelwelle.
Gusseisen-Kurbelgehäuse, hergestellt im Sandguss- Bei der Konstruktion der Hauptlagerdeckel lässt
verfahren, haben ausschließlich ein Closed-Deck-De- sich differenzieren zwischen einzelnen Hauptlager-
sign. Kurbelgehäuse aus Aluminium-Silizium-Legie- deckeln, der Einbindung in eine Leiterrahmenkons-
rungen mit Closed-Deck-Design werden in Großserie truktion und der Integration in das Kurbelgehäuse-
überwiegend im Kokillen-/Niederdruckguss und zum Unterteil.
geringen Teil auch im automatisierten Sandgussver-
fahren hergestellt. Hauptlagerdeckel  Die Hauptlagerdeckel bilden den
unteren Abschluss der Hauptlagerstühle, werden mit
zz b) Open-Deck diesen fixiert und verschraubt. Hauptlagerdeckel und
Bei der Open-Deck-Bauweise ist der die Zylinder Hauptlagerstühle haben prinzipiell die gleiche Funk-
umfassende Wassermantel nach oben hin offen, tion, nämlich Aufnahme der Kräfte und Momente, die
. Abb. 7.56. Das bedeutet gießtechnisch, dass für die die Kurbelwelle belasten, Aufnahme der entsprechen-
Darstellung des Wassermantels kein Sandkern und da- den Lager, einschließlich Passlager (Bundlager oder
mit auch keine Kernlagerungen erforderlich sind. Der Anlaufscheiben) sowie auf der Getriebeausgangsseite
Wassermantelkern ist ohne Hinterschnitte abformbar am letzten Hauptlager die Aufnahme eines Radialwel-
und als Stahl-Formteil darstellbar. lendichtringes für die Abdichtung des hinteren Kur-
Der nach oben offene Wassermantel ermöglicht belwellenendes.
im Vergleich zur Closed-Deck-Bauweise eine bessere Hauptlagerdeckel und Hauptlagerstühle im Kur-
Kühlung des heißen oberen Bereiches der Zylinder. belgehäuse werden gemeinsam bearbeitet und sind
Die Steifigkeit der Deckplatte ist beim Open-Deck- daher und auch für die nach der Bearbeitung erfol-
Design geringer als bei der Closed-Deck-Bauweise. genden Montagevorgänge zueinander fixiert. Übliche
Der daraus resultierende negative Einfluss auf Deck- Fixierungen sind seitlich in den Hauptlagerstühlen ge-
plattenverformung und Zylinderverzug wird kom- räumte Flächen oder Bohrungen für Passhülsen.
pensiert durch Verwendung einer Metallzylinderkopf- Hauptlagerdeckel werden ausschließlich aus Guss-
dichtung. Diese ermöglicht durch ihr, im Vergleich eisen hergestellt und mit Kurbelgehäusen sowohl aus
144 Kapitel 7 • Motorkomponenten

führung eines Kurbelgehäuses im Bereich der Kurbel-


1 wellenlagerung sind die Hauptlagerstühle immer im
Guss des Kurbelgehäuses oder Kurbelgehäuse-Ober-
2 teils integriert (. Abb. 7.57).
Die Anzahl der Hauptlagerstühle eines Kurbel-
gehäuses hängt ab von der Motorbauart und insbe-
3 Durchbruch
sondere der Zylinderanzahl und Zylinderanordnung.
Heute werden Kurbelgehäuse aus schwingungstech-
nischen Gründen nahezu ausschließlich mit einer so-
4 Ölzufuhrbohrung
genannten Voll-Lagerung der Kurbelwelle ausgeführt.
Vollgelagerte Kurbelwellen haben neben jeder Kurbel-
5
Hauptlagerstuhl
wellenkröpfung einen Hauptlagerzapfen. Ein vollgela-
gerter Reihenvierzylindermotor hat daher fünf Haupt-
lagerstühle; vollgelagerte Reihensechszylinder- und
6 Hauptlagerdeckel Sechszylinderboxermotoren haben sieben Hauptlager;
V6- und V8-Motoren haben vier beziehungsweise fünf
7 Hauptlager und so weiter.
Die wichtigsten Funktionen der Hauptlagerstühle

-
..Abb. 7.57 Hauptlagerstuhl/Hauptlagerdeckel
sind:
8 Aufnahme von axial und radial wirkenden Kräf-

9
Gusseisen als auch aus Al-Legierungen kombiniert.
Die gemeinsame Bearbeitung von Al-Hauptlagerstuhl
und Gusseisen-Lagerdeckel ist wegen der werkstoffspe-
zifisch unterschiedlichen optimalen Schnittgeschwin-
- ten und Momenten der Kurbelwellenlagerung,
Aufnahme der oberen Gleitlagerschalen für die
radiale Lagerung der Kurbelwelle sowie Auf-
nahme der Bundlager oder der Anlaufscheiben in
10 digkeiten zwar nicht unproblematisch aber Stand der einem Hauptlagerstuhl, dem sogenannten Passla-

11
Technik in der Großserie. Die Kombination von Al-
Hauptlagerstuhl und Gusseisen-Hauptlagerdeckel hat
Gusseisen-werkstoffbedingte Vorteile: Der niedrigere
Wärmeausdehnungskoeffizient des Hauptlagerdeckels
- ger, für die axiale Lagerung der Kurbelwelle,
Aufnahme der Gewinde, Fixierbohrungen oder
Einpass für Fixierungen zur Befestigung und Fi-
xierung von Hauptlagerdeckel oder Leiterrahmen
12 aus Gusseisen begrenzt das Betriebslagerspiel der
Kurbelwellenlagerung. Dies reduziert den Öldurch-
satz durch die Kurbelwellenhauptlager. Reduziertes - oder Kurbelgehäuse-Unterteil,
Aufnahme von Ölzufuhrbohrungen und Ölnuten
für die Versorgung der Kurbelwellenhauptlager
13
14
Hauptlagerspiel und höhere werkstoffbedingte Stei-
figkeit des Gusseisen-Lagerdeckels (E-Modul von
Gusseisen ist höher als E-Modul von Al) reduzieren
die Geräuschentstehung und -Emission im Hauptla-
- mit Öl,
je nach Motorkonstruktion Aufnahme des Radial-
wellendichtringes im letzten Hauptlagerstuhl für
die Abdichtung des hinteren Kurbelwellenendes.
gerstuhlbereich.
15 Die in Großserienfertigung früher am meisten
verbreitete Bauart waren Kurbelgehäuse aus Gussei-
Die Hauptlagerstühle weisen häufig Durchbrüche auf,
die dem Druckausgleich der einzelnen Kammern des
sen mit einzelnen Gusseisen-Hauptlagerdeckeln. Die Kurbelraumes dienen und dadurch Verluste durch in-
16 Kurbelgehäuse waren sowohl mit Ölwannenflansch auf nere Motorreibung reduzieren.
Mitte Kurbelwelle als auch als Kurbelgehäuse mit her- Ebenfalls häufig werden vertikale Bohrungen oder
untergezogenen Seitenwänden ausgeführt. V-Motoren Kanäle für den Ölrücklauf aus dem Zylinderkopf be-
17 hatten häufig bereits Al-Kurbelgehäuse mit einzelnen ziehungsweise für die Kurbelgehäuseentlüftung seitlich
Gusseisen-Hauptlagerdeckeln. durch die Hauptlagerstühle geführt.
18 Seit Anfang/Mitte der 90er-Jahre wurden und wer- Diese vielfältigen Funktionen erfordern eine große
den bei Motor-Neukonstruktionen für die Großserie Sorgfalt bei der konstruktiven Auslegung und Gestal-
die Kurbelgehäuse vermehrt als Voll-Aluminium-Aus- tung der Hauptlagerstühle und den mit ihnen kombi-
19 führungen dargestellt. nierten Bauteilen Hauptlagerdeckel oder Leiterrahmen
oder Kurbelgehäuse-Unterteil. Eine Auslegung dieser
20 Hauptlagerstuhl  Als Hauptlagerstuhl wird die obere
Hälfte einer Kurbelwellenlagerstelle im Kurbelgehäuse
Baugruppen erfolgt fast ausschließlich durch die heute
verfügbaren Konstruktionshilfsmittel, wie zum Beispiel
bezeichnet. Unabhängig von der konstruktiven Aus- FEM (Finite-Elemente-Methoden)-Berechnungen.
7.4 • Kurbelgehäuse
145 7

Kurbelgehäuse-Unterteil Beim Kurbelgehäuse-Un-
terteil sind die einzelnen Hauptlagerdeckel wie bei der
Leiterrahmenkonstruktion in einem Bauteil zusam-
mengefasst. Im Gegensatz zum Leiterrahmen liegt das
Kurbelgehäuse-Unterteil nicht innerhalb des Motors.
Die Seitenwände des Kurbelgehäuse-Unterteils bilden
vielmehr die äußere Begrenzung des Kurbelraumes; die
untere Ebene bildet den Flansch zur Ölwanne.
Ein Kurbelgehäuse-Unterteil bietet prinzipiell
dieselben konstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten
wie unter Leiterrahmenkonstruktion beschrieben. Da
Kurbelgehäuse-Unterteile in Serienfertigung fast aus-
schließlich aus Al-Legierungen und im Druckguss her-

-
gestellt werden, sind weitere Funktionen integrierbar:
Ölhobel, das heißt radiales Abstreifen des Motor-
öls um die Hüllkurven der Kurbelwellengegenge-

- wichte und der Pleuel,


Teile des Motor-Ölkreislaufes, wie zum Beispiel
Ölansaugkanal zwischen Ölpumpe und Ölsumpf,
Ölkanal zwischen Ölfilterflansch und Ölpumpe, Öl-
..Abb. 7.58 Leiterrahmenkonstruktion
filterflansch selbst, Ölrücklaufkanäle, Hauptölkanal
und Ölkanäle zu den einzelnen Hauptlagerstellen,

- partielle Integration des Ölpumpengehäuses,


Aufnahme von Wellendichtringen für die Ab-
dichtung der Kurbelwelle.
Im Bereich der einzelnen Lagerstellen können Ein-
sätze aus Gusseisen mit Kugelgraphit (zum Beispiel GJS
600) mit eingegossen werden. Dann ergeben sich die
gleichen Vorteile (Reduzierung des Betriebslagerspiels
Kurbelgehäuse-Unterteile werden bei in Serie gefer- der Kurbelwelle, Erhöhung der Steifigkeit des Leiter-
tigten Vollaluminiummotoren und bei Rennmotoren rahmens und Reduzierung der Geräuschabstrahlung
verwendet. im Hauptlagerstuhlbereich) wie bei der Kombination
Al-Kurbelgehäuse und Hauptlagerdeckel aus Gusseisen.
Leiterrahmenkonstruktion  Bei der Leiterrahmenkon- Bei bestehenden Kurbelgehäusekonstruktionen
struktion sind die einzelnen Hauptlagerdeckel ähnlich mit einzelnen Gusseisen-Hauptlagerdeckeln können
der Bauart mit Kurbelgehäuse-Unterteil in einem Bau- diese zur Erhöhung der Steifigkeit beziehungsweise
teil zusammengefasst, . Abb. 7.58. Im Gegensatz zum zur Verbesserung der Akustik durch eine Leiterrah-
Kurbelgehäuse-Unterteil hat der Leiterrahmen keine menkonstruktion ersetzt werden, ohne dass gleich
Flanschebene zur Ölwanne. Der Leiterrahmen liegt eine komplette Neukonstruktion des Kurbelgehäuses
vielmehr innerhalb des Motors, wird also bei der Bau- erforderlich ist. Auch Zwitterlösungen zwischen ein-
art mit Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle von der zelnen Hauptlagerdeckeln und einem integralen Lei-
Ölwanne eingehüllt beziehungsweise bei Kurbelgehäu- terrahmen sind möglich, indem die einzelnen Lager-
sen mit heruntergezogenen Seitenwänden von diesen deckel über ein als Leiter ausgebildetes eigenständiges

-
umschlossen. Die Vorteile eines Leiterrahmens sind:
im Vergleich zu einzelnen Hauptlagerdeckeln
höhere Steifigkeit und dadurch bessere Akustikei-
Gussteil durch Verschrauben miteinander verbunden
werden.
Kurbelgehäuse mit Leiterrahmen können sowohl

- genschaften, einfacher und schneller montierbar,


nahezu gleiche konstruktive Gestaltungsfreihei-
ten bezüglich der Integration von Funktionen wie
mit Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle als auch
als Kurbelgehäuse mit heruntergezogenen Seitenwän-
den ausgeführt werden.

- sie das Kurbelgehäuse-Unterteil bietet,


kostengünstiger und leichter als ein Kurbelge-
häuse-Unterteil.
Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle  Ein weiteres
Konstruktionsmerkmal von Kurbelgehäusen ist die
Lage der Trennebene zwischen Kurbelgehäuse und
Leiterrahmen aus Al-Legierungen sind im Druckguss Ölwanne auf Mitte Kurbelwelle, . Abb. 7.59. Bei die-
darstellbar. Dies ermöglicht auch die Integration von ser Konstruktion sind die oberen Hälften der Kurbel-
gegossenen Ölnuten zur Ölversorgung der Hauptlager. wellenlagerstellen als Hauptlagerstühle im Guss des
146 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Unterteil, zusammengefasst. Die Trennebene zwischen


1 Kurbelgehäuse-Oberteil und -Unterteil liegt auf Mitte
Kurbelwelle. Das heißt, das hier mit Kurbelgehäuse-
2 Oberteil bezeichnete Bauteil entspricht dem Kurbel-
gehäuse der Bauart Ölwannenflansch auf Mitte Kur-
belwelle.
3 Die untere Seite des Kurbelgehäuse-Unterteils bil-
det die Flanschfläche zur Ölwanne. Die Abdichtung
der Kurbelwelle erfolgt je nach Motorkonstruktion
4 Mitte Kurbelwelle
getriebeseitig durch einen Radialwellendichtring im
letzten Hauptlagerstuhl und am vorderen Ende durch
5 Hauptlagerdeckel
einen Radialwellendichtring im zum Beispiel Ölpum-
pengehäuse oder im Stirndeckel.
Vorteile dieser Bauweise sind hohe Steifigkeit, gute
6 Ölwanne Akustikeigenschaften und die konstruktiven Gestal-
tungsmöglichkeiten für insbesondere das Kurbelge-
7 häuse-Unterteil, wie unter Kurbelgehäuse-Unterteil und
Leiterrahmenkonstruktion beschrieben (zum Beispiel
..Abb. 7.59  Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle
Eingießen von Einsätzen aus Gusseisen mit Kugelgra-
8 phit im Bereich der einzelnen Lagerstellen bei Kurbel-
Kurbelgehäuses integriert. Die unteren Hälften der gehäuse-Unterteilen aus Al-Legierungen und hergestellt
Kurbelwellenlagerstellen sind entweder als einzelne im Druckguss). Nachteile sind höhere Herstellkosten
9 Hauptlagerdeckel, als Leiterrahmenkonstruktion oder und gegebenenfalls etwas höheres Gewicht im Vergleich
als Kurbelgehäuse-Unterteil ausgeführt. zur Bauweise mit einzelnen Hauptlagerdeckeln.
10 Die Abdichtung zwischen Kurbelgehäuse und Öl-
wanne erfolgt zwischen den in der Trennebene liegen-
Diese Bauart ist in Serie mit Kurbelgehäuse-Ober-
teil und -Unterteil aus Al-Legierungen ausgeführt. Da
den Flanschen. Die Abdichtung der Kurbelwelle am Rennmotoren häufig als tragendes Bauteil in die Ge-
11 vorderen und hinteren Ende erfolgt entsprechend der samtkonzeption des Fahrzeuges miteinbezogen sind,
jeweiligen Motorkonstruktion, zum Beispiel vorde- werden Rennmotoren-Kurbelgehäuse wegen der ho-
res Kurbelwellenende über Radialwellendichtring im hen erforderlichen Steifigkeit praktisch ausschließlich
12 Ölpumpengehäuse oder im Stirndeckel, hinteres Kur- nach diesem Konstruktionsprinzip dargestellt.
belwellenende über Radialwellendichtring im letzten
13 Hauptlagerstuhl oder in einem separaten Deckel. zz b) Kurbelgehäuse mit heruntergezogenen
Gusseisen-Kurbelgehäuse mit Trennebene zur Öl- Seitenwänden (.  Abb. 7.60b)
wanne auf Mitte Kurbelwelle und mit einzelnen Haupt- Bei dieser Bauweise sind die Außenwände des Kurbel-
14 lagerdeckeln wurden früher bei Hubraum kleineren gehäuses bis unterhalb Mitte Kurbelwelle heruntergezo-
(bis circa 1,8 l) Reihenvierzylindermotoren sowie bei gen und enden dort in der Flanschebene zur Ölwanne.
15 einigen V6- und V8-Motoren verwendet.
Die Vorteile dieser Bauweise sind günstige Herstell-
Die Teilung der Hauptlagerstühle ist aus Gründen der
Bearbeitung weiterhin auf Mitte Kurbelwelle. Ausge-
kosten. Die Nachteile dieser Konstruktion im Vergleich führte Konstruktionen haben sowohl einzelne Haupt-
16 zu Kurbelgehäusen mit heruntergezogenen Seitenwän- lagerdeckel als auch zu einer Leiterrahmenkonstruktion
den oder mit Kurbelgehäuse-Unterteil sind geringere zusammengefasste Hauptlagerdeckel.
Steifigkeit und schlechteres Akustikverhalten. Die Vorteile der Konstruktion mit Leiterrahmen
17 sind ähnlich hohe Steifigkeit, ähnlich gutes Akustik-
Ölwannenflansch unterhalb Mitte Kurbelwelle Bei verhalten und, nicht zuletzt auch von der Stückzahl
18 dieser Lage der Trennebene zwischen Kurbelgehäuse abhängig, etwas geringere Herstellkosten im Vergleich
und Ölwanne sind zwei Kurbelgehäusebauarten zu zur Bauart mit Kurbelgehäuse-Oberteil und -Unterteil.
unterscheiden:
19
zz a) Bauart mit Kurbelgehäuse-Oberteil 7.4.3 Optimierung der Akustik
20 und -Unterteil (.  Abb. 7.60a)
Bei dieser Bauweise sind die Hauptlagerdeckel zu ei- Die Einhaltung gesetzlicher Geräuschvorschriften und
nem Lagergehäuse, dem sogenannten Kurbelgehäuse- die Erfüllung von Geräusch-Komfortansprüchen sind
7.4 • Kurbelgehäuse
147 7

Oberteil

Mitte Kurbelwelle Mitte Kurbelwelle

Hauptlagerdeckel
Unterteil
Kurbelgehäuse

Ölwanne
Ölwanne

a b
..Abb. 7.60  a Bauart mit Kurbelgehäuse-Oberteil und -Unterteil, b Kurbelgehäuse mit heruntergezogenen
Seitenwänden

Schwerpunkte bei der Akustik-Entwicklung von An- im Ventiltrieb und durch Kolbenkraftanregungen
triebsaggregaten. hervorgerufen. Die hohen Frequenzen liegen im Be-
Das akustische Verhalten und die Laufruhe eines reich des hörbaren Schalls und werden als akustische
Verbrennungsmotors sind eine Funktion vieler Para- Schwingungen bezeichnet. Ein Teil der hochfrequen-
meter und werden in hohem Maße bereits durch die ten, akustischen Schwingungen wird über die Kurbel-
Festlegung der Motor- und Kurbelgehäusebauart vor- gehäuseseitenwände abgestrahlt.
ausbestimmt. Tief- und hochfrequente Schwingungen wirken
Die Optimierung der akustischen Eigenschaften über die Verbindung des Kurbelgehäuses mit der Mo-
der Kurbelgehäuse-Struktur, zum Beispiel Erhöhung torlagerung im Fahrzeug. Abhängig von der Art der
der Steifigkeit der Kurbelgehäuse-Seitenwände unter Motorlager können Schwingungen und Körperschall
Berücksichtigung der vielfältigen Anforderungen an in das Fahrzeug übertragen werden. Bei der akusti-
die Funktion, ist dabei ein wichtiges Entwicklungsziel. schen Optimierung eines Motors sind zu berücksich-
Das wird erreicht durch eine geringe Geräuschabstrah-
lung, Vermeidung von Resonanzen und durch Dämp-
-
tigen:
die oben genannten Körperschall-Anregungsur-
fung von Erregerschwingungen.
Die Beanspruchung des Kurbelgehäuses durch den
- sachen,
die Körperschallwege in Zylinderkopf, Zylinder,
ungleichförmigen Drehmomentenverlauf in der Kur-
belwelle und durch die freien Massenkräfte und Mas-
senmomente führt zu mechanischen Schwingungen. - Kolben, Kolbenbolzen, Pleuel, Kurbelwelle,
die Ausführung der Motorlagerung und deren
Anbindung an das Kurbelgehäuse oder an andere
Deren Erregerfrequenz steht entsprechend der Erreger-
ordnungen der freien Gas- und Massenkraftwirkungen
in einem bestimmten Verhältnis zu der Drehfrequenz
der Kurbelwelle. Mechanische Schwingungen werden
- Motor- und Antriebsaggregatebauteile,
die Struktur des Kurbelgehäuses in Verbindung
mit der Kurbelgehäusebauart.

durch niedrige Erregerordnungen hervorgerufen, sind Bei der Optimierung der akustischen und schwin-
tieffrequent und wirken hauptsächlich im Bereich des gungstechnischen Eigenschaften ist insbesondere auch
Hauptlagerstuhl- und Kurbelraumbereiches. das Zusammenspiel mit dem angeflanschten Getriebe
Hochfrequente Schwingungen in den Kurbelge- zu berücksichtigen, es beeinflusst sowohl die Schwin-
häusewänden werden durch den Verbrennungsvor- gung des Gesamtverbandes Motor-Getriebe als auch
gang, zum Teil durch impulsförmige Kraftübertragung die Übertragung auf die Fahrzeugstruktur.
148 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Die moderne Kurbelgehäuse-Entwicklung erfolgt bination mit den verschiedenen Kurbelgehäuse-


1 in der geschlossenen CAE Prozesskette. 3D-CAD-Dar- bauarten einen steifen Motor-Getriebe-Verbund.
stellung und Vernetzung der Gehäuse-Struktur sind
2 die Grundlage für FEM-Berechnungen von Festigkeit,
Steifigkeit, Dynamik und Akustik. 7.4.4 Minimierung
Eine experimentelle Modalanalyse am ausgeführ- der Kurbelgehäusemasse
3 ten Kurbelgehäuse gibt zusätzlich Aufschluss über des-
sen Eigenschwingungsformen. Ein wichtiges Ziel in der Motorenentwicklung ist
Erfahrung und die heute verfügbaren Konst- neben der Minimierung von Schadstoffemissionen
4 ruktions-, Berechnungs- und Analysemöglichkeiten die Senkung des Kraftstoffverbrauchs bei gleichzeiti-
führen zu der prinzipiellen Aussage, dass für eine ge- ger Verbesserung der Fahrzeug-Fahrleistungen. Die
5 räuschoptimierte Kurbelgehäusegestaltung ein mög- Zielerreichung erfordert neben anderen Maßnahmen
lichst steifes Kurbelgehäuse und ein möglichst steifer die Umsetzung von konsequentem Leichtbau aller
Motor-Getriebe-Verbund notwendig sind. Fahrzeugkomponenten. Ein Beitrag zur Gewichtsmi-
6 Erreicht wird dieses durch kurbelgehäusebauart­ nimierung des gesamten Antriebsstranges ist die Re-
unabhängige Maßnahmen und durch die Nutzung duzierung des Kurbelgehäusegewichtes.
7
-
bauartspezifischer Vorteile wie:
Ausbildung der Kurbelgehäuse-Oberflächen-
struktur mit Bombierungen und Verrippungen
Der Anteil des Kurbelgehäusegewichtes am Mo-
torgesamtgewicht (nach DIN 70020 A) liegt je nach
Motorgröße, Motorbauart, Verbrennungsverfahren
8
9
- zur Reduktion der Luftschallemission,
steife Deckplatte und tief unter der Deckplatte
liegender Kraftangriffspunkt der Zylinderkopf-
schrauben. Sie führen zu geringen Dichtflächen-
und Kurbelgehäusebauart bei etwa 25 bis 33 %. Die
Reduzierung des Kurbelgehäusegewichtes verringert
daher wesentlich das Motorgesamtgewicht. Die Maß-
nahmen zur Gewichtsreduzierung des Kurbelgehäuses
und Zylinderverzügen. Letzteres ist Vorausset- sind unterteilbar in Gewichtsreduktion durch Struk-
10 zung für geringes Kolbenlaufspiel und damit turoptimierung und werkstoffspezifische Gewichtsre-

- geringes Kolbengeräusch,
steifer Kurbelwellen-Hauptlagerstuhlverbund,
duktion. Dem Trend zur Gewichtsreduktion steht die
Tendenz zu höheren Belastungen des Kurbelgehäuses
11
12
- der geringe Lagerspiele erlaubt,
steife Flansche zur Ölwanne und zum Getriebe
als Voraussetzung für einen steifen Motor-Ge-
triebe-Verbund.
durch Downsizing mit steigenden Spitzen- und Mittel-
drücken und (Hoch-)aufladung entgegen.

zz Gewichtsreduktion durch
Strukturoptimierung
13 Die verschiedenen Kurbelgehäusebauarten haben un- Einen wesentlichen Einfluss auf das Kurbelgehäuse-

14 -
terschiedliche spezifische akustische Vorteile:
Closed-Deck-Design hat eine steife Deckfläche
mit Vorteilen bei Dichtflächen- und Zylinderver-
gesamtgewicht hat die Kurbelgehäusebauart. Mit den
heute üblichen Konstruktions- und Berechnungsme-
thoden wie zum Beispiel CAD und FEM ist im Ver-

15 - zug im Vergleich zum Open-Deck-Design.


Eine Bauart, bestehend aus Kurbelgehäuse-
Oberteil und -Unterteil, ergibt einen steifen
Motor-Getriebe-Verbund im Vergleich zu einem
gleich zu früher eine gezielte beanspruchungs- und
funktionsgerechte Strukturoptimierung möglich.
Das heißt, die für die Funktion erforderlichen
Wandquerschnitte und die genaue Position, Anzahl
16 Kurbelgehäuse mit unter die Kurbelwellenmitte und Geometrie von Rippen, die der Erhöhung der Stei-
heruntergezogenen Seitenwänden in Kombi- figkeit und zur Verbesserung der Akustik dienen, wer-
nation mit einzelnen Hauptlagerdeckeln. Bei den heute mit minimiertem Werkstoffeinsatz darge-
17 letzterer Bauart wird die Steifigkeit erhöht durch stellt. Zusammengegossene Zylinder sowie Integration
die Zusammenfassung der einzelnen Hauptlager- vieler Funktionen in das Kurbelgehäuse tragen eben-
18
19
- deckel zu einem Leiterrahmen.
Bei Vollaluminiumkurbelgehäusen, bestehend
aus Oberteil und Unterteil, reduzieren Einguss-
teile aus Grauguss in den Hauptlagerstellen die
falls zur Verringerung des Motorgesamtgewichtes bei.

zz Werkstoffspezifische Gewichtsreduktion
Bis Anfang/Mitte der 1990er-Jahre war die Mehrzahl
thermische Aufweitung und damit das Lager- der in Großserie hergestellten Kurbelgehäuse aus Guss-
20
- spiel.
Die Verwendung einer gegossenen Aluminiumöl-
wanne mit Flansch zum Getriebe ergibt in Kom-
eisen. Der Zwang zum Leichtbau führte dazu, dass im
Zuge von Motorneukonstruktionen auch für in Groß-
serie hergestellte Otto- und inzwischen sogar Diesel-
7.4 • Kurbelgehäuse
149 7

Werkstoff 0,2 % Dehngrenze Dichte E-Modul Biegewechselfestigkeit


[N/ mm2] [g/cm3] [kN/mm2] [N/mm2]
Magnesium-Legierung 140 – 160 1,8 45
Druckguss
Al-Si-Legierung 140 – 210 2,75 74 – 78 70 – 90
Druckguss
Gusseisenwerkstoff 7,2 – 7,7 100 bis 160 85 bis 210

..Abb. 7.61  Werkstoffe von Kurbelgehäusen

motoren der Werkstoff für Kurbelgehäuse vermehrt auf gleichbarer Kurbelgehäusebauart eine Gewichts­
Aluminium-Silizium-Legierungen umgestellt wurde. einsparung in der Größenordnung von 25 %
Das bei Kurbelgehäusen aus Gusseisen vorhandene
Gewichtsreduzierungspotenzial ist geringer als die bei
Verwendung von Al-Si-Legierungen erreichbare Ge-
wichtseinsparung. Bei Gusseisenkurbelgehäusen ist
- erzielbar.
Die Korrosionsbeständigkeit von Bauteilen aus
Mg-Legierungen ist ohne Zusatzmaßnahmen ge-
ringer als die von Bauteilen aus Al-Si-Legierun-
durch Strukturoptimierungen, durch Dünnguss und gen, deren natürliche Gussoberfläche/Gusshaut
durch Verwendung von Vermikulargraphitguss (GJV) bereits ausreichend korrosionsbeständig ist. An
ein Gewichtseinsparungspotenzial von etwa 30 % vor- ungeschützten Oberflächen tritt nicht nur Ober-
handen. Der Vorteil von GJV im Vergleich zu Gussei- flächenkorrosion sondern auch Kontaktkorrosion
sen mit Lamellengraphit (GJL) ist der höhere E-Modul, auf. Kontaktkorrosion entsteht bei Kontakt von
der Nachteil sind die höheren Werkstoffkosten. Bauteilen aus Mg-Legierungen mit Bauteilen
Dem gegenüber steht, bei vergleichbarer Kurbel- aus anderen Metallen beziehungsweise Metall-
gehäusebauart, eine Reduzierung von 40 bis 60 % des Legierungen. Ursache sind die unterschiedlichen
Kurbelgehäusegewichtes durch Verwendung von Al- Stellungen der verschiedenen Metalle in der
Si-Legierungen anstatt von Gusseisen. elektrochemischen Spannungsreihe. Kontaktkor-
Diese Gewichtsreduzierung fällt geringer aus als rosion entsteht beispielsweise an Schraubverbin-
das Verhältnis der spezifischen Gewichte von Al-Si- dungsstellen und Bohrungen für Fixierelemente
Legierung und Gusseisen, dabei der Konstruktion die
unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften Biegewech-
selfestigkeit und insbesondere der E-Modul zu berück-
sichtigen sind.
- wie Passhülsen und Passstifte.
Der Kostenvorteil von Al-Si-Legierungen
im Vergleich zu Mg-Legierungen liegt in der
Größenordnung des Faktors drei und resultiert
. Abb. 7.61 zeigt die Daten einiger Werkstoffe für im Wesentlichen aus dem nichtvorhandenen
Kurbelgehäuse. Mg-Recyclingmarkt. Während Al-Si-Legierungen
Ein Werkstoff, der eine noch niedrigere Dichte als kostengünstig in Form von Sekundärlegierun-
Aluminium aufweist und daher immer wieder Inte- gen aus wieder eingeschmolzenen Bauteilen zur
resse findet ist Magnesium. Für die Anwendung von Verfügung stehen, muss bei Mg-Legierungen auf
Mg-Legierungen als Kurbelgehäusewerkstoff spricht die teuren Primärlegierungen zurückgegriffen
deren geringes spezifisches Gewicht. Nachteilig im werden.
Vergleich zu den heute in Serienproduktion üblichen
Al-Si-Legierungen sind, die geringere Werkstoff-Fes- Die moderne Konstruktion eines 3,0-Liter-Ottomo-
tigkeit, die geringere Korrosionsbeständigkeit und die tors in Reihenbauweise kompensiert diese Nachteile

-
hohen Werkstoffkosten.
Durch die geringere Werkstoff-Festigkeit gilt,
dass Kurbelgehäuse aus Mg-Legierungen gegen-
über Al-Legierungen nicht im Verhältnis der
durch das Umgießen eines Aluminium-Inserts, wel-
ches die Zylinderlaufbuchsen, die Kurbelwellenhaupt-
lagerstühle sowie die Kühlmittelführung beinhaltet.
Das aggressive Kühlmittel kommt dadurch mit dem
spezifischen Gewichte leichter darstellbar sind. Magnesium-Mantel des Kurbelgehäuses nicht in Be-
Bei der beanspruchungsgerechten konstruktiven rührung, Korrosion wird vermieden. Für diese Bau-
Auslegung sind die Unterschiede der Werkstoffei- art werden Gewichtsersparnisse von 57 % gegenüber
genschaften zu berücksichtigen. Im Vergleich zu einem vergleichbaren Grauguss-Block und von 24 %
einem Kurbelgehäuse aus einer Al-Si-Legierung gegenüber einem Aluminium-Kurbelgehäuse ge-
ist bei Verwendung einer Mg-Legierung bei ver- nannt.
150 Kapitel 7 • Motorkomponenten

7.4.5 Gießverfahren Gussteilen aus Leichtmetalllegierungen. Wie beim


1 für Kurbelgehäuse Sandguss werden Sandkerne in die Gießform einge-
legt mit dem Vorteil großer konstruktiver Gestaltungs-
2 Kurbelgehäuse für Fahrzeugmotoren werden haupt-
sächlich aus Gusseisen oder Aluminium-Silizium-
freiheit. Hinterschnitte im Gussteil sind im Gegensatz
zu Druckguss möglich. Das Kokillengussverfahren
Legierungen hergestellt. Kosten, Stückzahlen und ermöglicht im Gegensatz zum Sandguss ein vielfaches
3 konstruktive Auslegung sind die Hauptkriterien für Abgießen je Gießform, wobei für jeden Gießvorgang
die Auswahl des Gießverfahrens. neue Sandkerne benötigt werden.
In der Kokille erfolgt, im Gegensatz zur Sand-
4 7.4.5.1 Druckguss gussform, eine schnelle und gerichtete Erstarrung der
Beim Druckgussverfahren werden Dauerformen aus Metallschmelze. Eine gezielte Kühlung der Kokille ist
5 vergüteten Warmarbeitsstählen verwendet. Vor jedem möglich und wird häufig eingesetzt.
Gießvorgang müssen die Formteile mit einem Trenn- Die Kokille muss durch Auftragen eines Trennmit-
mittel behandelt werden. tels, der sogenannten Schlichte, gegen die Leichtmetall-
6 Im Gegensatz zu Sand- und Kokillenguss können schmelze geschützt werden.
keine Kerne in die Gießform eingelegt werden, da die Im Vergleich zum Sandguss besitzen Gussteile aus
7 Leichtmetallschmelze unter hohem Druck und hoher
Geschwindigkeit in die Gießform eingebracht wird.
der Kokille ein feineres Gefüge, höhere Festigkeit, hö-
here Maßgenauigkeit und eine bessere Oberflächengüte.
Die Höhe des Druckes ist abhängig von der Größe Bei Kokillengussteilen ist eine doppelte Wärme-
8 des Gussteils und liegt zwischen 400 bis circa 1000 bar. behandlung möglich. Neben gezielter Steuerung der
Der Druck wird während der Erstarrung aufrechter- Abkühlung des Gussstückes in der Kokille als erste
halten. Bei größeren Gussteilen werden die Gießform- Wärmebehandlung wird häufig eine weitere Wärme-
9 hälften gekühlt, womit eine gerichtete Erstarrung des behandlung, die Warmauslagerung, vorgenommen.
Gussteiles erreicht wird. Beim Kokillenguss unterscheidet man zwischen
10 Im Vergleich zu Sand- und Kokillenguss ermög-
licht Druckguss die genaueste Wiedergabe des Gieß-
Schwerkraft- und Niederdruckguss. Der Unterschied
liegt im Wesentlichen nur in der Art, wie die Schmelze
formhohlraumes und damit des Gussteiles. Es können eingebracht wird.
11 dünnwandige Gussstücke mit engen Maßtoleranzen, Das flüssige Metall wird beim Niederdruckguss-
hoher Formgenauigkeit und hoher Oberflächengüte verfahren unter einem Überdruck von 0,2 bis 0,5 bar
erzeugt werden. Maßgenaues Gießen von Augen, Boh- von unten in die Kokille eingespeist und erstarrt unter
12 rungen, zum Teil auch Passungen und Beschriftungen diesem Druck. Die dadurch erzielte, nahezu ideale ge-
ohne nachträgliche mechanische Bearbeitung sowie richtete Erstarrung des Gussteils ist ein wesentlicher
13 Eingießen von Buchsen zum Beispiel Zylinderlauf- Grund für die Hochwertigkeit von Niederdruckguss-
buchsen aus Grauguss, Bolzen und anderen Einlege- teilen.
teilen sind möglich. Beim Schwerkraft-Kokillenguss erfolgt dagegen die
14 Das Druckgussverfahren hat im Vergleich zu Sand- Befüllung der Gießform bei Atmosphärendruck durch
beziehungsweise Kokillenguss die höchste Produktivi- die auf die Metallschmelze wirkende Schwerkraft.
15 tät, da alle Gieß- und Formbewegungsabläufe weitge-
hend vollautomatisch stattfinden. 7.4.5.3 Lost-Foam-Verfahren
Nachteile sind die eingeschränkte konstruktive Dieses ist eine Sonderform des Sandguss-Verfahrens.
16 Gestaltungsfreiheit für das Gussteil, da keine Hinter- Von dem zu erstellenden Gussstück wird ein Schaum-
schnitte möglich sind. Möglicherweise eingeschlossene stoffmodell aus EPS (expandierbares PolyStyrol)durch
Luft- beziehungsweise Gasporen lassen eine doppelte Aufschäumen und gegebenenfalls Zusammenkleben
17 Wärmebehandlung wie bei Sand- und Kokillenguss einzelner Segmente hergestellt. Das Schaumstoffmo-
nicht zu. dell wird mit Schlichte auf Wasserbasis geschlichtet.
18 Kurbelgehäuse in Aluminium-Silizium-Legie- Das geschlichtete und getrocknete Modell wird in ei-
rungen, insbesondere in Kombination mit speziellen nen Gießbehälter eingeformt, indem reiner Quarzsand
Zylinderbuchsen-Techniken, werden im Druckguss- ohne jegliches Bindemittel mit Vibrationstechnik zu-
19 verfahren hergestellt. geführt wird. Beim schnell stattfindenden (15 bis 20 s)
Gießvorgang wird die Schmelze als sogenannter Voll-
7.4.5.2 Kokillenguss
20 Eine Kokille ist eine metallische Dauerform aus Grau-
formguss auf das Schaumstoffmodell geleitet. Durch
die Hitze der Schmelze wird das Schaumstoffmodell
guss oder Warmarbeitsstählen zur Herstellung von zersetzt: Dessen flüssige und gasförmige Bestandteile
7.5 • Zylinder
151 7

gehen in den Formsand über. Nach dem Abkühlen und 7.4.5.5 Squeeze-Casting
Entformen liegt ein gratfreies Gussstück vor. Das Squeeze-Casting-Verfahren (Pressguss) stellt eine
Der besondere Vorteil des Verfahrens liegt infolge Kombination aus Kokillen-Niederdruckguss und dem
der Möglichkeiten der Herstellung von Schaumstoff- Druckguss-Verfahren dar. Metallische Dauerformen
modellen in der Darstellbarkeit von Gussteilgeomet- werden unter einem Überdruck von 0,2 bis 0,5 bar von
rien, die mit herkömmlichen Sandgussverfahren aus unten mit der Leichtmetallschmelze befüllt. Anschlie-
formtechnischen Gründen nicht möglich sind. Nach- ßend erfolgt die Erstarrung unter hohem Druck um
teilig ist, dass dieses Gießverfahren größere Wandstär- 1000 bar.
ken benötigt als zum Beispiel Druckguss. Die sehr gute Dichtspeisung der Gießform ermög-
Das Lost-Foam-Verfahren eignet sich zur Herstel- licht auch die Verwendung von hochfesten Legierun-
lung von Gussteilen aus Gusseisen und aus Leichtme- gen mit schlechter Gießbarkeit.
talllegierungen. Die Erstarrung der Schmelze unter hohem Druck
ergibt ein sehr feines Gefüge des Gussteiles.
7.4.5.4 Sandguss Langsame Formfüllung und Erstarrung der
Zur Formausbildung des späteren Kurbelgehäuseguss­ Schmelze unter hohem Druck resultieren in einem
teils in der Sandform werden Modelle und Kernkästen nahezu porenfreien Gefüge und damit höherer Dau-
aus Hartholz, Metall oder Kunststoff verwendet. Die erfestigkeit gegen wechselnde Beanspruchung und
Gussformen werden in der Regel aus Quarzsand (Na- höherer Temperaturwechselfestigkeit im Vergleich
tursand, synthetischer Sand) und Bindern (Kunstharz, sowohl zum Niederdruckguss- als auch zum Druck-
CO2) hergestellt. In Kernschießmaschinen werden gussverfahren.
durch Einschießen von Sand die Kerne dargestellt. Der Die Verwendung von Sandkernen ist beim
Zusammenbau von einzelnen Kernen zu einem Kern- Squeeze-Casting-Verfahren wie beim Druckguss nicht
paket und von Kernpaket und Gussaußenform erfolgt möglich. Mangels Darstellbarkeit von Hinterschnitten
bereits bei der Fertigung von mittleren Stückzahlen bestehen für Squeeze-Casting-Gussteile die gleichen
maschinell und vollautomatisch. konstruktiven Restriktionen wie für Druckgussteile.
Modell-, Kern- und Formteilungen in verschie- Im Gegensatz zum Druckgussverfahren ist beim
denen Ebenen und das Einlegen von Kernen in die Squeeze-Casting wegen des nahezu porenfreien Gefü-
Gießform lassen die Darstellung von komplizierten ges eine doppelte Wärmebehandlung möglich.
Gussteilen mit Hinterschnitten zu. Das Squeeze-Casting vereint also die Vorteile von
Beim Gießvorgang werden die Hohlräume zwi- Kokillenguss/Niederdruckgussverfahren und Druck-
schen Außenform und Kernen mit Schmelze gefüllt. guss.
Nach dem Gießvorgang und der Erstarrung der
Metallschmelze wird das Gussstück aus der Sandform
herausgenommen. Dabei wird die Sandform zerstört. 7.5 Zylinder
Anschließend erfolgt der Putzvorgang des Gussteils
mit Entfernen von Anguss, Steigern, Gusshaut und Zylinder dienen der Aufnahme der Kolbengruppe und
Gussgraten. erfüllen mit ihrer Oberfläche und dem verwendeten
Bei Sandgussteilen aus Al-Si-Legierungen ist eine Werkstoff im Zusammenwirken mit den Kolbenrin-
doppelte Wärmebehandlung zur Festigkeitssteigerung gen Gleit- und Dichtfunktionen. Darüber hinaus tra-
möglich. Die erste Wärmebehandlung besteht aus der gen sie, je nach Bauweise, zur Wärmeabfuhr über das
gesteuerten Abkühlverweildauer des Gussstückes in Kurbelgehäuse oder direkt ins Kühlwasser bei.
der Sandform. Die zweite Wärmebehandlung ist die
Warmauslagerung, eine zeit- und temperaturgesteu-
erte Lagerung des Gussteils in einem Ofen. Das Sand- 7.5.1 Gestaltung von Zylindern
gussverfahren ergibt nur einen einmaligen Abguss je
Gießform. Die Ausführung von Zylinder und Zylinderlaufbahn
Sandguss ist die traditionelle Gießtechnik für Kur- hat konstruktive und werkstoffliche Aspekte. Beide
belgehäuse aus Gusseisen. Es werden aber auch Kur- sind miteinander verknüpft. Die Zylinder- beziehungs-
belgehäuse aus Al-Si-Legierungen in einem Präzisions- weise Kurbelgehäuseausführung kann werkstofforien-
Sandgussverfahren in Großserie hergestellt.
Ein weiteres Anwendungsgebiet des Sandgussver-
--
tiert gegliedert werden in:
Monometall-Bauart,
fahrens ist die Herstellung von Prototypen- und Klein-
serienteilen.
- Einsatztechnik,
Verbundtechnik.
152 Kapitel 7 • Motorkomponenten

7.5.1.1 Monometall-Bauart spersionsschicht (zum Beispiel Nikasil®) auf die


1 Typische Vertreter der Monometall-Bauart sind Kur- Zylinderlaufbahn aufgebracht wird. Die Schicht
belgehäuse aus Gusseisenlegierungen, bei denen die besteht aus einer Nickelmatrix, in die Silizium-
2 Zylinder Bestandteil des Kurbelgehäuses sind. Die er-
forderliche Oberflächengüte wird durch Bearbeitung
karbidteilchen gleichmäßig verteilt eingelagert
sind. Derartig beschichtete Zylinderlaufbahnen
in mehreren Schritten, wie Vor- und Feinbearbeitung haben sehr gute Laufeigenschaften, geringen Ver-
3 sowie Honen, hergestellt. Monometall-Kurbelgehäuse schleiß und können mit den bekannten Kolben
aus Al-Si-Legierungen werden in zwei Ausführungen und Kolbenringwerkstoffen beziehungsweise

4
5
-
ausgeführt:
Herstellung des Kurbelgehäuseteils aus einer
übereutektischen Al-Si-Legierung. Als übereu-
tektisch werden Al-Si-Legierungen bezeichnet,
-beschichtungen kombiniert werden. Es besteht
allerdings eine Empfindlichkeit der Schicht
gegenüber Korrosion bei der Verwendung von
schwefelhaltigen Kraftstoffen.
deren Siliziumanteil größer als 12 % ist. Das Nickeldispersionsbeschichtete Zylinder werden
im Gussteil ausgeschiedene Primärsilizium häufig bei Einzelzylindern von Motorradmoto-
6 wird nach der mechanischen Bearbeitung des ren angewendet. Mehrzylinder-Kurbelgehäuse
Kurbelgehäuses im Bereich der Zylinderlaufbahn von Fahrzeugmotoren in Großserie mit nickel-
7 durch einen chemischen Ätzvorgang oder durch
eine spezielle, mechanische Honbearbeitung
dispersionsbeschichteten Zylindern werden in
geringem Umfang realisiert.
freigelegt. Es entsteht eine harte, verschleißfeste, Beschichtungen mittels Dünnschichtverfahren
8 sogenannte unbewehrte Zylinderlaufbahnober- sind derzeit aufgrund diverser Nachteile nicht im
fläche, für die als Laufpartner eine Kolbenschaft- Serieneinsatz. Galvanische Verfahren scheiden
beschichtung erforderlich ist. dabei meist wegen der Umweltverträglichkeit,
9 Wegen des hohen Siliziumanteils von übereutek- PVD- und CVD-Verfahren dagegen wegen der
tischen Al-Si-Legierungen lassen sich Werkstücke hohen Herstellkosten aus [27].
10 aus dieser Legierung prinzipiell schlechter bear-
beiten als Gussteile aus untereutektischen Legie-
In den letzten Jahren haben Zylinderinnenbe-
schichtungen mittels thermischer Spritzverfahren
rungen. Die im Gussteil ausgeschiedenen Primär- an Bedeutung zugenommen. Von den verschie-
11 siliziumkristalle werden bei der mechanischen denen thermischen Spritzverfahren sollen zwei
Bearbeitung zerstört und splittern. Die Folge Verfahren hervorgehoben werden, die sich bereits

-
ist eine unerwünscht kurze Spanbildung. Bei im Serieneinsatz befinden:
12 übereutektischer Al-Si-Legierung und Closed- Lichtbogendrahtspritzen (LDS, Nanoslide):
Deck-Design wird diese Monometall-Zylinder- Mittels eines Lichtbogens werden Eisen-
13 beziehungsweise Kurbelgehäuseausführung im Kohlenstoff-Drähte aufgeschmolzen und
Niederdruckgussverfahren, bei übereutektischer durch einen inerten Gasstrom auf die vorher
Al-Si-Legierung und Open-Deck-Design im aufgeraute, aktivierte Innenwand der Zylinder
14 Druckgussverfahren hergestellt. Bei Anwendung aufgespritzt [28]. Die entstehende Porösität
des Druckgussverfahrens wird das Primärsi- stellt sicher, dass trotz einer extrem glatten
15 lizium mit wesentlich kleineren Korngrößen Honstruktur ausreichende Ölhaltevolumina

-
ausgebildet als beim Niederdruckgussverfahren, vorhanden sind.
wodurch die Bearbeitbarkeit deutlich verbessert Plasma Transfer Wire Arc (PTWA): Die he-
16 wird. Die kleineren Siliziumkristalle können auf- rausstechende Besonderheit des PTWA-Ver-
grund der reduzierten Splitterneigung daher bei fahrens besteht darin, dass ein Plasmagas dem
gleichzeitig besseren Schnittergebnissen schneller Partikelstrahl zusätzliche thermische Energie

-
17 zerspant werden. hinzufügt und damit weitere Freiheitsgrade
Herstellung des Kurbelgehäuses aus einer un- in der Verfahrensdurchführung und der
18 tereutektischen Al-Si-Legierung in Kombination Schichtausbildung gestattet [27].
mit einer Beschichtung der Zylinderlaufbahn. Die
Beschichtung kann entweder mit galvanischen Zylinderkonstruktion bei Monometall-Bauart
19 Verfahren oder mit thermischen Spritzverfahren Man unterscheidet zwischen in der Kurbelgehäuse-
aufgebracht werden. längsachse nicht zusammengegossenen sowie zusam-
20 Im Serieneinsatz, wenn auch mit abnehmender
Bedeutung, finden sich Quasi-Monometall-Kur-
mengegossenen Zylindern. Um eine möglichst gleich-
mäßige Temperaturverteilung um den Zylinder und
belgehäuse, bei denen galvanisch eine Nickel-Di- geringe Verzugsbeeinflussung zwischen den Zylindern
7.5 • Zylinder
153 7

zu erreichen, ist es vorteilhaft, die Zylinder ohne Guss- Wasserraum


steg in Kurbelwellenlängsachse zu gießen. Durch ent-
sprechende konstruktive Maßnahmen (zum Beispiel
Stegbohrungen) kann gewährleistet werden, dass auch
in der Motorlängsachse zusammengegossene Zylinder
eine in etwa gleichmäßige Temperaturverteilung auf-
weisen. Dadurch können Verzugsprobleme und damit
einhergehende Funktionsprobleme wie hoher Ölver-
brauch oder auch hohes Blow-by reduziert werden.
Die Vorteile von zusammengegossenen Zylindern sind
höhere Kurbelgehäusefestigkeit, kürzere Kurbelgehäu-
selänge und geringeres Motorgewicht. Die geringere Laufbuchse
Motorlänge ist heute ein dominierendes Kriterium in
Hinblick auf den Motorenquereinbau und auf den für Gehäuse
Antriebsaggregate immer geringeren zur Verfügung
stehenden Einbauraum. Je nach Motorbauart (Reihen-
motor, V-Motor, Boxermotor) wird durch Ausführung
des Kurbelgehäuses mit zusammengegossenen Zylin-
dern eine unterschiedliche Baulängen- und Gewichts-
..Abb. 7.62  Nasse Laufbuchse
reduzierung erreicht. Die Grenze für das Zusammen-
gießen von Zylindern stellt die als Dichtfläche noch
verbleibende Stegbreite zwischen den Zylindern dar. Bei der hängenden Buchse wird diese über einen
Unabhängig vom Kurbelgehäusewerkstoff werden bei Bund am oberen Buchsenende zwischen Kurbelge-
heute in Serie gefertigten Motoren Zylinderstege von häuse und Zylinderkopfdichtung beziehungsweise
kleiner 5,5 mm realisiert. Dieses wurde nicht zuletzt Zylinderkopf eingespannt. Die Zentrierung im Kur-
durch den Einsatz von Metallzylinderkopfdichtungen belgehäuse erfolgt durch den Bund selbst oder über
(siehe ▶ Abschn. 7.21.1) mit geringem Setzverhalten einen Durchmesser unterhalb des Bundes. Die Zen-
und deswegen geringerem Vorspannkraftbedarf funk- trierung durch den Bund hat den Vorteil der guten
tionell beherrschbar. Neben der einwandfreien Ab- Kühlung der Zylinderbuchse im oberen, thermisch
dichtung am Zylindersteg wird infolge der geringeren hochbelasteten Teil, führt aufgrund des ungünstigen
Vorspannkraft für den Verbund aus Zylinderkopf und Kraftflusses jedoch zu hohen Belastungen der Hohl-
Kurbelgehäuse die Zylinderverformung auf ein Mini- kehle im Kurbelgehäuse. Die Zentrierung der Buchse
mum reduziert. unterhalb des Bundes verschlechtert die Kühlung des
oberen Buchsenendes, entlastet jedoch die Hohlkehle
7.5.1.2 Einsatztechnik im Kurbelgehäuse. Nasse, oben aufgehängte Buchsen
Es können verschiedenen Arten von Buchsen in das werden über O-Ringe gegen Kühlmittel und unten ge-
Kurbelgehäuse eingesetzt werden. Man unterscheidet gen Öl aus dem Kurbelraum abgedichtet.
nach ihrer Funktion zwischen nassen und trockenen Bei der stehenden, nassen Buchse erfolgt die Auf-
Buchsen, nach ihrer Verbindung von Buchse und Kur- lage und Zentrierung entweder im unteren Bereich
belgehäuse zwischen eingegossenen, eingepressten, der Buchse oder etwa in der Mitte (sogenannte „Mid-
eingeschrumpften, sowie eingeschobenen Buchsen. Stop“ Ausführung). Diese Buchsenbauart erfordert
Darüber hinaus ist eine Unterscheidung nach dem eine besonders sorgfältige Auslegung, um den Zy-
Werkstoff der Buchse üblich. linderverzug klein zu halten. Die Abdichtung erfolgt
oben über die Zylinderkopfdichtung und unten über
Nasse Buchsen eine Flachdichtung unterhalb der Buchsenauflage
Nasse Buchsen werden praktisch ausschließlich in beziehungsweise über O-Ringe. Problematisch kann
Nutzfahrzeugmotoren beziehungsweise Mittelschnell- ein Über- oder Rückstand von nassen Buchsen in
läufer verbaut. Sie werden in das Kurbelgehäuse in da- Bezug auf die Deckenplattenebene sein. Dieser wirkt
für entsprechend bearbeitete Aufnahmen eingescho- sich negativ auf die Flächenpressung der Zylinder-
ben. Der Wassermantel um die Zylinder herum wird kopfdichtung um die Zylinder herum sowie auf den
zwischen dem Kurbelgehäuseguss und der Buchse Zylinderverzug aus. Der Buchsenüber- oder -rück-
gebildet (. Abb. 7.62). stand ist daher auf ein unvermeidbares Minimum zu
reduzieren.
154 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Wasserraum Ein Überstand der trockenen, eingepressten oder


1 eingegossenen Buchsen in Bezug auf die Deckplatten­
ebene wird eliminiert, indem eine gemeinsame Be-
2 arbeitung von Deckplatte und eingefügter Buchsen
erfolgt. Trockene Buchsen werden bezüglich der
Zylinderlaufbahn prinzipiell gleich ausgeführt wie
3 nasse Buchsen und haben die dort beschriebenen Ei-
genschaften. Die Vorteile trockener Zylinderbuchsen
gegenüber der Monometall-Bauart liegen vor allem in
4 der Freiheit bei der Wahl des Buchsenwerkstoffes.
Mechanisch verbundene (eingepresst oder ein-
5 Laufbuchse geschrumpft) Buchsen können, unabhängig vom
Werkstoff, prinzipiell in Open-Deck- und Closed-
Deck-Konstruktionen verwendet werden. Serienmä-
6 Gehäuse ßig Anwendung finden vor allem sogenannte Slip-
fit-Buchsen aus dünnwandigem Grauguss. Nach der
7 Bearbeitung im bereits gefügten Zustand weisen Slip-
fit-Buchsen nur noch eine Wandstärke von 1 mm auf.
Dem Nachteil höherer Kosten gegenüber der Verbund-
..Abb. 7.63  Trockene Laufbuchse
8 technik stehen Vorteile bei der Buchsenpositionierung
und den Zylinderverzügen gegenüber [29].
Das Einsetzen von fertig bearbeiteten, nassen Um den Wärmeübergang von der Buchse in den
9 Buchsen ins Kurbelgehäuse mit fertigbearbeiteter Motorblock zu verbessern und damit geringere Ober-
Deckplatte erfolgt durch extreme Toleranzeinschrän- flächentemperaturen an der Lauffläche zu erreichen,
10 kung der entsprechenden Buchsenmaße. Bei stehen-
den Buchsen ist auch ein Ausdistanzieren üblich. Eine
wurden Buchsen entwickelt, bei denen eine dünne
Buchse aus Kohlenstoffstahl von außen mittels Licht-
andere Möglichkeit ist eine abschließende gemeinsame bogendrahtspritzen mit einer AlSi12-Beschichtung
11 Bearbeitung von Kurbelgehäusedeckplatte und einge- versehen wird (Sprayfit®).
setzten Buchsen. Eingegossene Laufbuchsen sind in verschiedenen
12 Üblicherweise werden nasse Buchsen aus GG-
Werkstoffen gefertigt. Die Vorteile der Verwendung
von nassen Buchsen sind die Flexibilität in Bezug auf -
Varianten eingeführt:
Rillierte GG-Buchsen: Die Außenstruktur
(Rillen) wird durch mechanische Bearbeitung
13
14
Zylinderbohrung und damit Hubraum durch Kombi-
nation von entsprechenden Buchsen mit demselben
Kurbelgehäuse und einfache Auswechselbarkeit bezie-
hungsweise Reparaturmöglichkeit. Nachteilig sind die
- erzeugt.
As-Cast GG-Buchsen: Die Buchsenaußenseite
wird durch das Gießverfahren strukturiert.
Serienbedeutung haben zwei Verfahren erlangt:
höheren Herstellungskosten im Vergleich zur Mono- Rauguss-Buchsen (Gussverfahren, bei der die
15 metall-Bauart. Gießoberfläche der Außenseite bewusst rau ge-
staltet wird) oder das sogenannte Spiny-Verfah-
Trockene Buchsen ren (ASLOCK® – an der Außenfläche der Buchse
16 Trockene Buchsen werden in das Kurbelgehäuse einge- werden durch ein spezielles Gussverfahren „Pilz-
presst, eingeschrumpft, eingeschoben oder eingegossen köpfchen“ erzeugt, die eine besonders effektive
(. Abb. 7.63). Für das Eingießen werden Buchsen in Verklammerung der Buchse im Blockguß mittels
17 die Gießform des Kurbelgehäuses eingesetzt und mit einer Vielzahl von Hinterschnitten sicherstellt).
der Al-Legierungsschmelze umgossen. Geht der äußere
18 Bereich der Buchse dabei eine intermetallische Verbin- Bezüglich der Herstellkosten ergeben sich im Vergleich
dung mit dem Blockmaterial ein, spricht man von einer zur Monometall-Bauart abhängig von Stückzahl, Gieß-
Verbundtechnik (siehe ▶ Abschn. 7.5.1.3). Der Wasser- verfahren und konstruktiver Detailausführung von
19 mantel befindet sich im Gegensatz zu nassen Buchsen Kurbelgehäuse und Buchse Vor- oder Nachteile. Ins-
nicht zwischen Buchse und Kurbelgehäuse, sondern ist besondere eine in hohen Stückzahlen im Druckguss-
20 wie bei der Monometall-Bauart im Kurbelgehäuse inte-
griert. Zwischen trockener Buchse und Kurbelgehäuse
oder automatisierten Sandgussverfahren eingegossene
GG-Buchse kann sehr kostengünstig ausgeführt wer-
ist deshalb keine Abdichtung erforderlich. den.
7.5 • Zylinder
155 7
..Abb. 7.64  a Einge-
gossene Grauguss-
buchse (Rauguss),
b HYBRID®-Buchse [31]

7.5.1.3 Verbundtechnik Al-Legierung durch Ätzen, Siliziumkristalle frei-


Die Verbundtechnik kann nur bei Kurbelgehäusen gelegt. Es entsteht eine harte und verschleißfeste
aus Al-Legierungen angewendet werden. Bei der Zylinderlaufbahnoberfläche.
Verbundtechnik wird im Gegensatz zu Al-Gehäusen
in klassischer Monometall-Bauart mittels spezieller Die intermetallische Verbundtechnik kann mit der
Maßnahmen eine untrennbare Einheit von Kurbel- Verwendung einer HYBRID®-Buchse angewendet
gehäuse und Zylinderlaufbahn entweder durch in- werden. Der Aufbau einer HYBRID®-Buchse besteht
termetallische Verbindung oder durch Infiltration in aus einer GG-Buchse, auf die nach einer mechanischen
sogenannte Preforms erzeugt. Die Verbundtechnik Vorbearbeitung und anschließender Aktivierung die
beschränkt die Auswahl der Gießverfahren auf Druck- Anbindeschicht aus einer Al-Si-Legierung auf den
guss beziehungsweise auf vom Druckguss abgeleitete äußeren Umfang thermisch aufgespritzt wird. Beim
Verfahren, wie das „Squeeze-Casting“ oder das von Umgießen der Laufbuchse im Druckgussverfahren
Honda entwickelte „New-Die-Cast“-Verfahren. Auf findet eine besonders gute Verklammerung zwischen
Grund der technologiebedingten Einschränkung auf Al-Block und Buchse durch die Infiltration der Block-
Druckguss- und druckgussverwandte Verfahren muss schmelze sowie Materialaustausch zwischen Block-
bei der Verbundtechnik die Deckplattenausführung im material und Anbindeschicht der Buchse statt. Durch
Open-Deck-Design erfolgen. Sowohl zusammengegos- zusätzliches Anschmelzen der Anbindeschicht entsteht
sene als auch nicht zusammengegossene Zylinder sind eine Werkstoffverbindung, die der Wirkungsweise ei-
darstellbar. ner Lötverbindung gleichkommt. Damit erhält der
Preforms aus einem Verbund geeigneter metalli- Motorblock im Bereich der Laufbuchse eine hohe dy-
scher und keramischer Werkstoffe, meist als zylindri- namische Festigkeit. Die geringe Wandstärke von nur
sche Formkörper ausgeführt, werden in die Gießform 1,7 bis 2 mm ermöglicht entsprechende Freiheiten in
eingelegt und von der Aluminiumlegierungsschmelze der Konstruktion und die hervorragende Anbindung
beim Gießvorgang unter hohem Druck infiltriert. sorgt für geringe Zylinderverzüge, vergleichbar mit
Dabei können zwei Verfahren unterschieden wer- denen der Monometall-Bauart und damit Vorteile in

-
den:
Honda-MMC-Verfahren: Dieses Metall-Matrix-
Composite-Verfahren ist bereits seit einigen
Jahren in Serie. Faser-Preforms bestehen unter
Tribologie und Ölverbrauch [30].
In . Abb. 7.64 ist der Unterschied der mechani-
schen Verklammerung einer GG-Raugussbuchse (a)
im Vergleich zur intermetallischen Anbindung in Ver-
anderem aus einem Verbund von Al2O3- und bundtechnik am Beispiel der HYBRID®-Buchse  (b)
Kohlenstoff-Fasern und werden beim Honda dargestellt.
„New-Die-Cast“-Verfahren mit der Aluminium- Eine nochmals verbesserte Wärmeabfuhr aus dem

- schmelze infiltriert.
KS-Lokasil®-Verfahren: Ein hochporöser
zylindrischer Formkörper aus Silizium wird im
Squeeze-Cast-Verfahren unter hohem Druck
Brennraum erreichen hochsiliziumhaltige Alumini-
umbuchsen, wie zum Beispiel die sprühkompaktierte
Silitec® Laufbuchse. Allerdings lassen die höheren
Herstellkosten diese Lösung nur noch in vereinzelten
mit der flüssigen Aluminiumlegierung infiltriert. Serienanwendungen zu.
Die Zylinderlaufbahn wird durch dreistufiges
Honen erzeugt. Dadurch werden, ähnlich der
Monometall-Bauart im Fall der übereutektischen
156 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.65 Rauheits-
1 A 5µm
profile einer Normal-
honung (A), einer
Plateauhonung (B), einer
2 B
Spiralgleithonung (C),
einer Lasertaschenstruk-
tur (D) und einer glatten
3 C
Normalhonung (E)

D
4
5
6 E

0 2,5 5 7,5 10 12,5

7 Gesamtmessstrecke lm in mm

8 struktur erzeugt, das heißt es existieren ebenso viele


7.5.2 Bearbeitung Vertiefungen wie Spitzen im Rauheitsprofil.
von Zylinderlaufflächen Die sogenannte Plateauhonung hingegen kappt
9 durch einen zusätzlichen Bearbeitungsschritt die Rau-
Die Zylinderlauffläche von Verbrennungsmotoren ist heitsspitzen und schafft eine plateauartige Gleitfläche
10 tribologischer Laufpartner und Dichtfläche für Kolben
und Kolbenringe. Die Oberflächenbeschaffenheit der
mit ölhaltenden tiefen Riefen.
Das Spiralgleithonen ist eine Weiterentwicklung
Zylinderlauffläche ist maßgeblich am Aufbau und der des Plateauhonens. In erster Linie unterscheidet es
11 Verteilung eines Ölfilms zwischen den Laufpartnern sich vom Plateauhonen durch die geringere Rauheit,
beteiligt. Es besteht ein starker Zusammenhang zwi- insbesondere der Spitzenrauheit, und einem sehr
schen der Oberflächenbeschaffenheit des Zylinders großen Honwinkel von 120 bis 150° der tiefen Riefen.
12 und dem Ölverbrauch und Verschleiß eines Motors. Durch spezielle, der Bohrungsform folgende Honleis-
Die klassische Endbearbeitung von Zylinderlaufflä- ten wird eine sehr gleichmäßige Oberflächenrauheit
13 chen erfolgt durch Feinbohren oder -drehen und einer erzielt.
anschließenden Honbearbeitung. Beim Honen über- Das Laserstrukturieren ermöglicht eine nahezu
lagern sich eine rotatorische und eine alternierende, freie Gestaltung der Oberfläche durch das gezielte Ab-
14 translatorische Bewegung zur Schneidbewegung. Es tragen von Material mittels Laser [33]. Die Zylinder-
wird so eine Zylindrizität von unter 10 µm und eine lauffläche wird zum Beispiel im Bereich des OT struk-
15 gleichmäßige Oberflächenrauheit erzielt. Die durch die
Schneidbewegung entstehenden Honriefen schließen
turiert und ansonsten glatt ausgeführt. Strukturen, wie
spiralförmig angeordnete Schlitze und Taschen, sowie
den in . Abb. 7.66 dargestellten Honwinkel α ein. Näpfchen sind neben gleichmäßigen konventionellen
16 Die Honbearbeitung, zum Beispiel mit einem Kreuzriefenstrukturen möglich.
Mehrleistenhonwerkzeug, soll möglichst schonend Rauheitsprofile verschiedener Honverfahren zeigt
für das Material vonstatten gehen, um Ausbrüche, . Abb. 7.65. Der Einfluss der Laufflächentopographie
17 Verquetschungen der Randzone sowie Gratbildung auf den Ölverbrauch und die Partikelemission wurde
zu verhindern. Der Werkstoffschnitt erfolgt mit Hilfe am Beispiel eines DI-Dieselmotors eindeutig nachge-
18 von Honleisten unter wasserhaltigem Kühlschmier- wiesen [34].
stoff oder speziellem Honöl [32]. Bei vorgegebenem Eine aufwändige Variante des Honens, bei dem
Anpressdruck wird ein Materialabtrag von 100 µm im freies Schleifkorn zum Einsatz kommt, ist das Läpp­
19 Durchmesser in weniger als einer Minute erzielt. honen. Hierbei wird loses Korn verwendet, um der
Zylinderlauffläche eine chaotische Hochtiefstruktur
7.5.2.1 Bearbeitungsverfahren
20 Bei der Normalhonung wird durch ein- oder mehr-
zu verleihen. Das harte Läppmittel wird durch solide
Leisten zum Teil in die Oberfläche eingedrückt und
stufige Bearbeitung eine normalverteilte Oberflächen- eine Plateaufläche erzeugt.
7.5 • Zylinder
157 7

..Abb. 7.66  3D-Oberflächenbild einer gehonten ..Abb. 7.67  3D-Oberflächenbild einer Aluminiumzy-


Graugusszylinderlauffläche mit Blechmantel (weiße linderlauffläche mit freigelegter Partikelverstärkung
Marmorierung) und eingezeichnetem Honwinkel

Beim Bürsthonen wird nach der Normalhonbear- Plasma- oder flammgespritzte Zylinderrohre
beitung eine Verrundung und Entgratung der Oberflä- können wie induktivgehärteter Grauguss sehr glatt
chenstruktur mittels einer mit Hartstoff beschichteten bearbeitet werden. Das durch die Werkstoffporosität
Bürste erzeugt. Ein weiteres Verfahren die Metallflitter vorhandene Ölhaltevolumen sorgt für gute Laufeigen-
– auch Blechmantel genannt – von der Oberfläche zu schaften.
entfernen und vorhandene Poren in der Oberfläche frei Beispielhafte 3D-Oberflächenbilder einer gehon-
zu spülen, ist das Fluidstrahlen. Bei diesem Verfahren ten Graugusszylinderlauffläche sowie einer Alumini-
wird mit wasserhaltigem Kühlschmierstoff unter einem umzylinderlauffläche zeigen die . Abb. 7.66 und 7.67.
Druck von circa 120 bar die gesamte Zylinderlaufbahn
gestrahlt.
Auch eine Belichtung von Graugusszylinderlauf- 7.5.3 Zylinderkühlung
flächen mittels Eximerlaserstrahlung kommt zum Ein-
satz, die durch ein Öffnen der Graphitausscheidungen 7.5.3.1 Flüssigkeitskühlung
und gleichzeitiges Anschmelzen der Oberfläche ver- Heutige Fahrzeugmotoren sind praktisch ausschließ-
besserte Laufeigenschaften verspricht [35]. lich flüssigkeitsgekühlt. Dabei werden die Zylinder mit
Das Freilegungshonen von Aluminiumzylinder- einem Wasserraum, dem sogenannten Wassermantel,
laufbahnen bewirkt durch speziell ausgelegte Honleisten umgeben.
eine Zurücksetzung der weichen Aluminiummatrix ge- Ein wichtiges Konstruktionsmaß ist die Wasser-
genüber der Faser- oder Partikelverstärkung. Die Frei- manteltiefe, das Maß von Deckplattenebene bis zur
legung der Partikel kann auch mittels Ätzen erfolgen. tiefsten Stelle des Wassermantels. Bei Grauguss-Mo-
Ziel der Freilegung ist die Zurücksetzung der zu torblockkonstruktionen endet der Wassermantel etwa
Verschweißungen neigenden Aluminiumbindung um im Bereich der unteren Kolbenringzone, das heißt,
0,5 bis 1 µm. Das durch die Rücksetzung des Alumini- im Bereich zwischen erstem Kompressionsring und
ums entstehende Ölhaltevolumen verbessert die Lauf- Ölabstreifring bei Position des Kolbens im unteren
eigenschaften der Oberfläche. Totpunkt.
158 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Bei Al-Kurbelgehäusen ist der Wassermantel


1 nochmals kürzer ausgeführt und deckt etwa das obere
Drittel der Zylinderlaufbahnlänge ab. Dies ist durch
2 die höhere Wärmeleitfähigkeit von Aluminiumlegie-
rungen im Vergleich zu Gusseisenwerkstoffen sowie Blech-Ölwanne
durch Kolben mit immer kleineren Kompressions-
3 höhen möglich. Ein kürzerer Wassermantel reduziert
die Kühlmittelmenge im Motor und damit das Mo-
torgewicht sowie die Warmlaufphase des Motors, mit
4 positiven Auswirkungen auf den Verbrauch und die
Emissionen.
5 7.5.3.2 Luftkühlung
Luftgekühlte Zylinder werden im Fahrzeugbau nur
6 noch in Zweiradfahrzeugen verwendet. Jedoch finden
sie häufig noch Anwendung im Flug- und Kleinmoto-
7 renbau. Die Wärmeabfuhr bei luftgekühlten Zylindern
erfolgt bei allen Konstruktionen über Zylinder(kühl)
rippen. Bei gegossenen Zylindern entstehen verfah-
8 rensbedingt schwach trapezförmige Rippen mit ver- Al-Druckguss-Ölwanne mit Ölpeilstab
rundeten Kanten. Diese Form bietet gleichzeitig eine Motor 944 Turbo
gute wirksame Wärmeübertragungsfläche. Bei hohen
9 Zylinderleistungen muss die Wärmeübertragung je- ..Abb. 7.68 Ölwanne
doch oft durch Zusatzmaßnahmen erhöht werden.
10 Neben höheren Rippen und der Verwendung von
Al-Legierungen statt Grauguss – wegen ihrer höhe-
Dies führt unter Umständen dazu, dass gleiche
Motoren in Längs- und Quereinbau unterschiedliche
ren Wärmeleitfähigkeit – kommt der Kühlluftführung Ölwannen aufweisen.
11 mittels Luftleitblechen sowie der Erhöhung der Kühl- Die Ölwanne hat die folgenden wichtigsten Funk-

12
luftgeschwindigkeit eine hohe Bedeutung zu. Kann
die dauerhafte und ausreichende Zufuhr von Kühlluft,
zum Beispiel bei Fahrzeugmotoren, nicht gewähr- -
tionen zu erfüllen:
Sie dient als Behälter zur Aufnahme des Motoröls
und als Sammelbehälter für das rücklaufende

13
leistet werden, muss eine Zwangskühlung durch ein
zusätzliches Gebläse und Luftleitbleche vorgesehen
werden.
Die Verrippung von Kurbelgehäusen muss auch
- Motoröl aus den Lager- und Schmierstellen.
Als Verschluss des Kurbelraumes dient sie
bei speziell strukturierten Ölwannenbauarten
gleichzeitig der Versteifung des Motor-Getriebe-
14 unter Berücksichtigung der Steifigkeit, zum Beispiel Verbundes. Sie verbessert dadurch das akustische
der Kurbelgehäuse-Seitenwände, und der Optimierung Verhalten des Motor-Getriebeverbundes im
15
16
der Krafteinleitung von weniger steifen in tragende Be-
reiche des Gehäuses erfolgen. Zudem muss die akus-
tische Anregung der Rippen durch das Kurbelgehäuse
sowie über die Luftführung im Sinne der Geräusch­
- niederfrequenten Bereich.
Sie leitet das Öl durch Ölleitrippen gezielt zur
Ölansaugstelle, beinhaltet Schwallbleche zur
Ölberuhigung und ermöglicht die Abscheidung

17
emissionen kritisch geprüft werden.

7.6 Ölwanne
- von Luft aus dem Öl.
Neben der Aufnahme eines Gewindes für die
Ölablassschraube und das Ölmessstabführungs-
rohr enthält sie häufig einen Ölstandsgeber für
18 die Anzeige des Ölstandes im Fahrzeug.
Die Ölversorgung von Pkw-Motoren wird heute fast
ausschließlich mit einer Nasssumpfschmierung sicher-
19 gestellt. Die Ölwanne bildet daher bei solchen Moto- 7.6.1 Ölwannenbauart
ren meist den unteren Abschluss des Kurbelgehäuses,
20 . Abb. 7.68. Die Form und Konstruktion der Ölwanne
wird stark durch die Einbausituation (Package) des ak-
Bei Großserienmotoren wird die Ölwanne überwie-
gend als einlagiges Tiefziehteil aus Stahlblech herge-
tuellen Fahrzeuges bestimmt. stellt. Zur Verbesserung der Akustik wird auch eine
7.7 • Kurbelgehäuseentlüftung
159 7

Bauweise mit zwei Lagen Stahlblech und dazwischen Reduktion des Druckverlustes in den Ölkanälen
liegender Kunststoff-Folie verwendet. Bei großvolumi- führen und damit die für die Ölpumpe benötigte
gen Motoren mit Gusseisen oder Al-Kurbelgehäusen Antriebsleistung reduzieren.
werden häufig Ölwannen aus Al-Si-Legierungen, her-
gestellt im Kokillenguss oder im Druckguss, eingesetzt.
Durch steife Gestaltung der Ölwannenseitenwände und 7.7 Kurbelgehäuseentlüftung
hauptsächlich durch einen integrierten Flansch auf der
Kupplungsseite des Motors als Anschluss zum Getrie- Wegen der begrenzten Dichtheit der Kolbenringe ge-
beflansch trägt diese Bauart wesentlich zur Versteifung langt beim Betrieb von Hubkolbenverbrennungsmoto-
des Motor-Getriebe-Verbundes und damit zu einem ren ein kleiner Teil des Arbeitsgases als Blow-by-Gas-
besseren Akustikverhalten bei. Diese Bauart wird etwa strom (Durchblase- beziehungsweise Leckgasstrom)
bei der Hälfte der europäischen Motorkonzepte einge- aus dem Brennraum an den Wandungen von Zylindern
setzt. Ölwannen aus Al-Legierungen werden sowohl und Kolben vorbei ins Kurbelgehäuse. Weitere Ursa-
einteilig als auch zweiteilig ausgeführt. Zweiteilige Öl- chen für entsprechende Leckgasströme ins Kurbelge-
wannen bestehen aus einem Oberteil aus Leichtmetall häuse sind Leckagen an den Ventilführungen und den
und einem mit diesem verschraubten Unterteil aus Wellenlagerungen von Turboladern, aber auch die bei
Stahlblech. Dieses Stahlblech kann bei Verformungen Diesel- und Ottomotoren mit Benzindirekteinsprit-
(Aufsitzen des Fahrzeuges) kostengünstiger gewechselt zung eingesetzte Vakuumpumpe (Bremsservopumpe).
werden. Im Gegensatz dazu müsste eine Ölwanne aus In Verbindung mit hohen Temperaturen bewirken
Al komplett ersetzt werden. Dieser Vorteil ist heute insbesondere die an den Kolbenringen anliegenden
nur noch von untergeordneter Bedeutung im Hinblick hohen Druckdifferenzen, dass ein Teil des an Kolben
auf die vermehrt im Bereich des Motors verwendeten und Zylinder anhaftenden Motoröls zu einem feinen
Fahrzeug-Unterbodenverkleidungen. Öltröpfchenaerosol zerstäubt wird und zusammen mit
Eine neuere Entwicklung ist die Verwendung von den Blow-by-Gasen ins Kurbelgehäuse gefördert wird.
glasfaserverstärktem Polyamid für die Konstruktion Unabhängig hiervon werden bei laufendem Motor
der Ölwanne. Spezielle Anforderungen an den Kunst- überwiegend größere Öltröpfchen von den bewegten
stoff ergeben sich in dieser Anwendung durch die lan- Triebwerkskomponenten (Kurbelwelle, Kolben, Pleuel,
gen Zeiten des Kontaktes mit Luft und Öl bei hohen Nockenwelle, Steuerkette) abgeschleudert. Als eine we-
Temperaturen. Das Alterungsverhalten wird daher in sentliche Quelle von Ölnebel ist auch die bei Hoch-
Tests mit Ölbenetzung bei 160 °C über 5000 h getestet. leistungsmotoren verbreitete Kolbenspritzölkühlung
Mechanische Anforderungen an den Kunststoff erge- anzusehen, bei der neben der Schmierölzerstäubung
ben sich zum Beispiel insbesondere durch Aufnahme auch Kondensationsvorgänge von zuvor verdampften,
und Absetzen des Motors durch Gabelstapler in der niedrig siedenden Schmierölbestandteilen zur Ölpar-
Werkstatt. tikelbildung beitragen. Um im Motorbetrieb einen un-
Konstruktiv kann man zwischen reinen Kunststoff­ zulässigen Druckanstieg im Kurbelgehäuse zu vermei-
ölwannen und Kunststoffölwannen in Verbindung mit den (Gefahr von Gas- und Ölleckagen/Umweltschutz,
Aluminiumdruckgussteilen (Hybrid) unterscheiden. Funktionsstörungen der Wellendichtringe) muss das
Diese erlauben dann wieder die Abstützung des Getrie- Blow-by-Gas über ein Kurbelgehäuseentlüftungssys-
bes. Die Abdichtung der Kunststoffölwanne entspricht tem kontinuierlich aus dem Kurbelgehäuse abgeführt
der von Zylinderkopfhauben, es kommen T- oder I- werden. . Abb. 7.69 illustriert am Beispiel eines Ent-
Profildichtungen zum Einsatz. Auch die Abdichtung lüftungssystems für einen abgasturboaufgeladenen
durch Flüssigsilikon ist möglich. Motor Blow-by-Gaspfade und die Transportmecha-

- Ölwannen aus Kunststoff bieten folgende Vorteile:


Gewichtsreduzierungen von circa 30 % für die
Hybridlösung und circa 60 % für die reine Kunst-
stoffkonstruktion gegenüber einer zum Beispiel
nismen für Ölnebel und Ölwandfilm.

7.7.1 Gesetzliche Randbedingungen

- 2,2 kg schweren Aluminiumkonstruktion.


Durch hohe Integrationsdichte lassen sich
Packagingvorteile erreichen. So können nicht
nur Ölkanäle und Kanäle der Kurbelgehäuseent-
In den ersten Jahrzehnten des Motorenbaus wurden
die Kurbelgehäuseentlüftungsgase üblicherweise
direkt in die Atmosphäre geleitet. Insbesondere die
lüftung, sondern auch der Ölfilter, die Öldruck- hohen Anteile an Kohlenwasserstoffen in den Blow-
regelung und der Ölkühler integriert werden. by-Gasen von Ottomotoren bildeten den Hinter-
Dies kann bei geeigneter Auslegung auch zu einer grund für die zunächst freiwillige, später gesetzlich
160 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
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9
10
11
12
13
14
..Abb. 7.69  Illustration von Blow-by-Gaspfaden sowie Transportmechanismen für Ölnebel und Ölwandfilm am
15 Beispiel eines abgasturboaufgeladenen Ottomotors

16 geforderte Einführung von geschlossenen Kurbelge- . Abb. 7.70 zeigt eine Aufstellung über die diesbe-
häuseentlüftungssystemen (CCV-Systemen: Closed züglichen gesetzlichen Meilensteine auf den verschie-
Crankcase Ventilation) zur Rückführung der Blow- denen Märkten. Gemäß der im Anhang V, Prüfung Typ
17 by-Gase in den Ansaugtrakt in den 1960er-Jahren in III der in der EU für Pkw gültigen Vorschrift 70/200/
Kalifornien und den übrigen US-Bundesstaaten [36]. EWG muss dabei nachgewiesen werden, dass im Kur-
18 Entsprechende gesetzliche Regelungen wurden in der belgehäuse bei drei verschiedenen Betriebspunkten
Folge auf allen wichtigen Märkten beschlossen und des Motors kein Überdruck herrscht. Die Kurbelge-
auf Pkw- sowie Lkw-Dieselmotoren ausgeweitet [37]. häuseentlüftungsgase, deren Zusammensetzungen
19 Insbesondere bei Motoren für Off-Road-Anwendun- und Massenströme (bei europäischen Applikationen
gen und schwere NFZ ist im Grundsatz aber noch bis zu 1 % des Ansaugluftmassenstroms) in erhebli-
20 immer eine Entlüftung des Kurbelgehäuses in die
Atmosphäre (OCV-Systeme: Open Crankcase Venti-
chem Maße vom Brennverfahren, von der Gestaltung
des Triebwerks, vom Betriebszustand (eff. Mitteldruck,
lation) zulässig. Drehzahl, Kühlmitteltemperatur) und vom Verschleiß-
7.7 • Kurbelgehäuseentlüftung
161 7

Region Vorschrift/Grenzwert Gesetz Gültig ab


USA Kalifor- Freiwilliger Einbau von sogenannten Empfehlung: Vehicle Combus- 01. 01. 1961
nien „halboffenen“ Systemen tion Products Committee
„Positive Crankcase Ventilation“ (PCV) Californian Health and Safety 01. 01. 1964
Systeme für Pkw mit Ottomotoren Code
USA-Bund Übernahme der in Kalifornien eingebau- Freiwillige Maßnahme Modelljahr 1963
ten Systeme
100-%ige Eliminierung der aus dem Code of Federal Regulations Modelljahr 1968
Kurbelgehäuse von Ottomotoren (40 CFR)
emittierten Kohlenwasserstoffe
Japan Einsatz von PCV-Systemen in allen Code of Federal Regulations 01. 09. 1970
neuen Pkw-Modellen mit Ottomotoren for Road Vehicles (SRRV) (neue Modelle),
Chapter II, Article 31(12) 11. 01. 1971 (lau-
fende Produktion)
Schweden Geschlossene Systeme zur Kurbel- F12-1968 01. 01. 1969
gehäuseentlüftung für Ottomotoren
Übernahme der US-Bundes- Code of Federal Regulations 1976
Gesetzgebung (40 CFR)
Kanada Übernahme der US-Bundes- Code of Federal Regulations 1971
Gesetzgebung (40 CFR)
Deutschland Grenzwert für HC-Emission aus Übernahme der Direktive 01. 10. 1970
KGH: 0,15 % des verbrauchten 70/220 EWG als Anhang XIV
Kraftstoffs zu § 47 StVZO ins nationale
Recht
EU (Pkw) Grenzwert für HC-Emission aus ECE/R15 01. 10. 1971
KGH: 0,15 % des verbrauchten (veröffentlicht 01. 08. 1970)
Kraftstoffs
70/220/EWG (veröffentlicht
04. 04. 1970)
EU (Nfz) Allgemeiner Geltungsbereich: „Emis- 88/77 EWG Anhang I 09. 02. 1988
sion gasförmiger Schadstoffe und luft-
verunreinigender Partikel“ (Forderung
nach Rückführung der Kurbelgehäu-
segase)

..Abb. 7.70  Beginn der Einführung von Vorschriften zur Begrenzung der Emission aus dem Kurbelgehäuse von
Kraftfahrzeugen (Angaben unter Verwendung von [36] und Info Fa. Berg-Automotive, Stuttgart)

zustand des Triebwerks abhängen, müssen dement- fenden technischen Anforderungen, im Hinblick auf
sprechend durch das Kurbelgehäuseentlüftungssys- die Ölverbräuche der Motoren, Verschmutzungen so-
tem kontinuierlich in das Ansaugsystem des Motors wie Ablagerungen in den Komponenten der Ansaug-
zurückgeführt werden. Verglichen mit der Abgasrück- systeme, den Brennräumen und den Einrichtungen zur
führung und der Rückführung der Aktivkohlefilter- Abgasnachbehandlung (insbesondere bei der Kombi-
spülgase der Tankentlüftung (Ottomotoren), bei denen nation gekühlter EGR-Systeme mit CCV) erfordern
die Massenströme, entsprechend den Erfordernissen es, die im Entlüftungsgas befindlichen Schmierölbe-
im Kennfeld, im Grundsatz frei appliziert werden standteile möglichst vollständig abzuscheiden, um
können, wird durch die vom Triebwerk aufgeprägten Ruß-Ablagerungen an klebrigen HC-Bestandteilen zu
Blow-by-Massenströme, vor allem bei Ottomotoren, verhindern.
eine schadstoffoptimierte Gemischbildung und damit
die Einhaltung strenger Abgasemissionsgrenzwerte
wesentlich erschwert. Insbesondere die sich verschär-
162 Kapitel 7 • Motorkomponenten

7.7.2 Technische Anforderungen der Schmierölversorgung schwerwiegende Motorstö-


1 rungen beziehungsweise Motorschäden verursachen.
Aus den genannten gesetzlichen Randbedingungen Die dargestellte Problematik betrifft in besonderem
2 resultieren zahlreiche technische Anforderungen an
Kurbelgehäuseentlüftungssysteme. Wesentliche For-
Maße aufgeladene Ottomotoren mit Benzindirektein-
spritzung, bei denen große Kraftstoffmengen in kurzen
derungen betreffen das Einhalten eines bestimmten zur Verfügung stehenden Zeiträumen zur Verbrennung
3 Druckes im Kurbelgehäuse, die Abscheidung der Öl- aufbereitet werden müssen. Insbesondere bei nicht op-
bestandteile aus dem Entlüftungsgas und die Rück- timal ausgebildeter Gemischbildung besteht die Gefahr,
führung des abgeschiedenen Öls in den Ölsumpf des dass vor allem in Kennfeldpunkten hoher Last inner-
4 Motors. Zur Einhaltung des vorgeschriebenen Drucks halb verhältnismäßig kurzer Zeiträume große Mengen
im Kurbelgehäuse dienen entweder in der Zu- und Ab- an flüssigem Kraftstoff ins Kurbelgehäuse gefördert
5 strömleitung zum Kurbelgehäuse angeordnete Drosseln werden. Neben der Verringerung der Schmierölvisko-
beziehungsweise Strombegrenzungsventile oder bei sität können sehr hohe Kraftstoffanteile (bis zu 20 %)
modernen Kurbelgehäuseentlüftungssystemen über- im Öl auch zum Versagen bewährter Dichtelastomere
6 wiegend verwendete Druckregelventile (DRV). Die (starke Quellung, „Schwitzen“ der Dichtung) führen,
Förderung der Entlüftungsgase ins Ansaugsystem des was durch entsprechende Lastenheft- beziehungsweise
7 Motors und die Abscheidung der Schmierölpartikel er-
folgt bei konventionellen Entlüftungssystemen mittels
Materialvorgaben der Motorenhersteller bei der Ent-
wicklung eines Motors zu berücksichtigen ist. Um eine
der Druckdifferenz zwischen dem Kurbelgehäuse und Anreicherung von Wasser und Kraftstoffkondensaten
8 dem Ansaugsystem. Wie aus den in den . Abb. 7.71 im Kurbelgehäuse zu vermeiden, wird daher bei Otto-
und 7.72 exemplarisch für einen abgasturboaufgelade- motoren häufig ein kleiner Teil der Ansaugluft als Spül-
nen Ottomotor mit Benzindirekteinspritzung darge- luft durch das Kurbelgehäuse geführt (PCV-Systeme:
9 stellten Saugrohrdruck- und Blow-by-Gaskennfeldern Positive Crankcase Ventilation, – Achtung: Doppelb-
ersichtlich ist, variieren die Blow-by-Massenströme und edeutung mit Pressure Control Valve). Wesentlich für
10 die Druckgefälle zur Rückführung der Entlüftungsgase
ins Ansaugsystem des Motors im Allgemeinen erheb-
die Funktion von PCV-Systemen ist, dass Wasser und
Kraftstoffkondensate nicht im Ölnebelabscheider abge-
lich. Erschwerte Bedingungen für eine wirksame Ölne- schieden und ins Kurbelgehäuse zurückgeführt werden,
11 belabscheidung herrschen im Kennfeld beim Vorliegen sondern zum Beispiel gasförmig durch den Abscheider
von ungünstigen Verhältnissen zwischen Blow-by-Gas- geführt werden, was durch ein niedriges Druck- und
strömen und vorhandenen Ansaugunterdrücken zum ein hohes Temperaturniveau im Abscheider begünstigt
12 Beispiel in der Volllast bei niedrigen Motordrehzahlen wird. Die hohen Kohlenwasserstoffkonzentrationen im
(große Blow-by-Gasströme, niedrige für die Ölnebel- Entlüftungsgas in der Warmlaufphase, aber auch bei
13 abscheidung nutzbare Druckdifferenzen, im Allge- betriebswarmem Motor, bedingen bei Berücksichti-
meinen kleine Partikelgrößenverteilungsspektren). gung ansteigender Blow-by-Gasströme mit steigender
Weitere Einflüsse ergeben sich sowohl durch kurbelge- Laufleistung des Motors wesentliche Einflüsse auf die
14 häuse- als auch saugrohrseitige Druckpulsationen, die Gemischbildung sowie die Lambda-Regelung und da-
in der Regel bei bestimmten Motordrehzahlen durch mit auf die Abgasemissionen. Um diese Einflüsse soweit
15 Rohr- beziehungsweise Pfeifenschwingungen verstärkt
werden. Die Quantitätsregelung konventioneller Otto-
wie möglich zu minimieren, muss durch die Anord-
nung und Gestaltung der Einleitstelle(n) des Entlüf-
motoren mit stöchiometrischen oder auch zeitweilig tungsgasstroms in das Ansaugsystem eine möglichst
16 „fetten“ Luft-Kraftstoff-Verhältnissen bedingt, dass gleichmäßige Verteilung des Blow-by-Gasstroms auf
wesentliche Anteile der mit dem Blow-by-Gas ins Kur- alle Zylinder des Motors (einheitliche Luftverhältnisse
belgehäuse geförderten schwersiedenden Kraftstoff- und Klopfgrenzen in den einzelnen Zylindern) erreicht
17 komponenten und bei der Verbrennung entstehendes werden. In [38] am Beispiel der Tankentlüftung darge-
Wasser im Kurbelgehäuse kondensieren. Diese Kon- stellte Untersuchungen zum Einfluss der Einleitung von
18 densate können sich bei anhaltendem Schwachlast- und Kohlenwasserstoff beladenen Gasströmen ins Ansaug-
Kurzstreckenbetrieb, insbesondere bei nicht betriebs- system zeigen, dass sich gute Mischbedingungen und
warmem Motor, im Kurbelgehäuse anreichern. Abge- eine gute Gleichverteilung bei einer über den Kanalum-
19 sehen von der hiermit verbundenen Beeinträchtigung fang verteilten Einleitung im Bereich der Drosselklappe
der Schmierölqualität – bei Berücksichtigung einer (hohe Luftgeschwindigkeiten/Turbulenz) verwirklichen
20 generellen Tendenz zur Verlängerung der Ölwechsel-
intervalle – kann im Winter eingefrorenes Kondensat
lassen.
Bei Kurbelgehäuseentlüftungssystemen für zu-
durch Verblocken der Kurbelgehäuseentlüftung oder künftige Fahrzeugmotoren resultieren wesentlich
7.7 • Kurbelgehäuseentlüftung
163 7
..Abb. 7.71 Kennfeld
der Druckdifferenz
Saugrohrdruck – At-
mosphärendruck eines
turboaufgeladenen,
quantitätsgeregelten
1,8 l-Pkw-Ottomotors
mit Direkteinspritzung

..Abb. 7.72 Kennfeld
der Blow-by-Gasmen-
gen (ohne Kurbelge-
häuse-Belüftung) eines
turboaufgeladenen,
quantitätsgeregelten
1,8 l-Pkw-Ottomotors
mit Direkteinspritzung

gesteigerte Anforderungen vor allem aus der generel- oder On-Board-Diagnose (OBD) [39]. Die Erfüllung
len Tendenz zur Verlängerung oder zum Entfall von dieser Anforderungen wird im Allgemeinen dadurch
Wartungsintervallen, zur Verschärfung von Emissi- erschwert, dass in Folge der zunehmenden Entdros-
onsstandards und zur Ausdehnung dieser auf hohe selung der gesamten Ansaugsysteme bei modernen
Fahrleistungen sowie zur Überprüfung der Einhal- Otto- und Dieselmotoren, insbesondere in kritischen
tung dieser Forderungen durch Feldüberwachung Kennfeldbereichen (Volllast und niedrige Motordreh-
164 Kapitel 7 • Motorkomponenten

zahlen), in der Tendenz immer niedrigere für die dem Gas, auch Schmieröltröpfchen unterschiedlicher
1 Feinölabscheidung nutzbare Druckdifferenzen zur Größe und ein Wandfilm aus Motoröl in Richtung des
Verfügung stehen. Bei aufgeladenen Ottomotoren ma- Saugrohrs gefördert wird. In Anlehnung an entspre-
2 chen die wechselnden Druckniveaus im Saugsystem
im Allgemeinen die Anordnung von zwei, bei einigen
chende Begriffsdefinitionen in der Verfahrenstechnik
[41] werden vielfach Ölnebelpartikel im Blow-by-Gas
Aufladekonzepten sogar drei Einleitstellen für die Ein- mit xP < 10 µm als Feinöl und xP < 1 µm als Feinstöl
3 leitung von Entlüftungsgasen ins Ansaugsystem und (Nanopartikel) bezeichnet.
die Verwendung entsprechender Rückschlagventile er-
forderlich. Hierdurch steigt der Komplexitätsgrad der 7.7.4.1 Grobölabscheidung
4 Entlüftungssysteme. Gleichzeitig zwingen die beengten Für Ölbestandteile, die in dieser Strömung mit dem
Bauraumverhältnisse in den Motorräumen moderner bloßen Auge sichtbar sind (Spritzer, Wandfilme) hat
5 Fahrzeuge zu einer kompakten, platzsparenden Bauart sich die Bezeichnung „Groböl“ eingebürgert. Da bei
der Einzelkomponenten und zur Integration von ver- den meisten für die Feinölabscheidung eingesetzten
schiedenen Funktionsumfängen in Module. Zu erwäh- Ölnebelabscheidern die Abscheiderleistung bei Zufuhr
6 nen ist außerdem der anhaltende Kostendruck in der größerer Mengen an Groböl einbricht und die gegen
Automobilindustrie, der trotz steigender Anforderun- eine hohe Druckdifferenz ins Kurbelgehäuse rückzu-
7 gen an Funktion und Zuverlässigkeit, die Entwicklung
kostengünstiger Komponenten, Module und Systeme
führenden Ölmengen minimiert werden sollten, wer-
den Feinölabscheidern in der Regel Grobölabscheider
erzwingt. (zum Beispiel Volumenabscheider, Prallplattenabschei-
8 der, Drahtgestrickabscheider oder Grobölzyklone)
vorgeschaltet. Kriterien für die Auswahl eines Groböl-
7.7.3 Systemaufbau aktueller abscheiders sind unter anderem: Bauraumverhältnisse
9 Kurbelgehäuseentlüftungs­ beziehungsweise Bauraumbedarf, Kosten, Skalierbar-
systeme keit und Druckverlust. Derartige Grobölabscheider
10 Für die Rückführung von Blow-by-Gasen in das An-
müssen eine unter ungünstigen Bedingungen auftre-
tende Förderung von Schwallöl durch den Entlüftungs-
saugsystem des Motors kommen in der Praxis eine strang („Ölreißen“) sicher verhindern. Entscheidend
11 große Zahl unterschiedlicher Entlüftungskonzepte für die sichere Funktion von Grobölabscheidern ist es,
zum Einsatz. Wesentliche Unterscheidungsmerk- dass das strömende Entlüftungsgas auf das die Ober-
male sind die Verwendung oder der Verzicht auf ein flächen des Entlüftungsstrangs benetzende Öl keine so
12 Kurbelgehäusedruckregelventil und die Frage, ob das hohen Schubkräfte ausübt, in dessen Folge es zu einem
Kurbelgehäuse lediglich entlüftet oder auch be- bezie- Mitreißen von gegebenenfalls sogar bereits abgeschie-
13 hungsweise durchlüftet wird. In . Abb. 7.73 ist eine denem Öl kommt. Während bei gut ausgelegten Grob-
Übersicht über verschiedene Entlüftungssysteme für und Feinölabscheidersystemen die durch die Kurbelge-
aufgeladene Otto- (. Abb. 7.73a–d) und Dieselmoto- häuseentlüftung bedingten Ölverbräuche zum Beispiel
14 ren (. Abb. 7.73e–g) mit jeweiligen Vor- und Nachtei- bei Pkw-Motoren auf unter 1 g/h (circa 1 bis 2 % der
len dargestellt [40] (entspr. Darst. f. Saugmot. in 3. und durch die Kolbenringe und Ventilführungen bedingten
15 4. Aufl.). Bei modernen Fahrzeug-Ottomotoren wer-
den, insbesondere im Hinblick auf ausreichende Ölne-
direkten Ölverluste) gesenkt werden können, können
im Falle von Ölreißen die durch die Entlüftung geför-
belabscheidegrade, überwiegend Entlüftungskonzepte derten Ölmengen 10 bis 2000 g/h betragen. Abgese-
16 mit Druckregelventilen verwendet. Die Einleitung der hen von einer zweckmäßigen Gestaltung des Groböl-
Entlüftungsgase erfolgt bei aufgeladenen Dieselmoto- abscheiders und des entsprechenden Ölrücklaufs lässt
ren vor dem Verdichter des Turboladers. sich die Gefahr des Ölreißens auch durch die folgenden

-
17 Maßnahmen verringern:
Wahl einer günstigen von Spritzöl abgeschirmten
7.7.4 Ölabscheidung
18 Entnahmestelle für den Blow-by-Gasstrom im

Eine wesentliche Funktion des Kurbelgehäuseentlüf-


- Kurbelgehäuse oder Zylinderkopf,
ausreichende Dimensionierung der Entlüftungs-

-
19 tungssystems stellt die Abscheidung der mit dem Blow- und Ölrückführungsleitungsquerschnitte,
by-Gas mitgeführten Ölanteile dar. Bei dem durch das Begrenzung der Entlüftungsgasströme aus dem
20 Entlüftungssystem aus dem Kurbelgehäuse geführten
Gasstrom handelt es sich um eine Mehrphasenströ-
Kurbelgehäuse (zum Beispiel durch optimierte
Kolbenringbestückung),
mung, bei der im allgemeinen Fall, zusammen mit
7.7 • Kurbelgehäuseentlüftung
165 7

..Abb. 7.73  Übersicht über verschiedene Entlüftungssysteme von aufgeladenen Ottomotoren (a, b, c, d) und
aufgeladenen Dieselmotoren (e, f, g) mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen
166 Kapitel 7 • Motorkomponenten

- Abschirmung der rotierenden Triebwerksteile haben einen relativ großen Bauraumbedarf, sind jedoch

--
1 vom Ölsumpf durch Schwallbleche oder Ölhobel, verglichen mit Prallvliesabscheidern bei entsprechender
Begrenzung der Motorölfüllstände, Auslegung auch bedeutend leistungsfähiger, insbeson-
2
- Begrenzung der Öltemperaturen,
Begrenzung der Viskositätsverringerung der
dere bei sehr kleinen Partikelgrößen. Nachteilig ist ins-
besondere bei Dieselmotoren die Neigung zur Bildung

3
4
- eingesetzten Motoröle,
Verminderung von Pulsationen.

Die im Motorbetrieb stark schwankenden Entlüftungs-


von Ablagerungen auf den Abscheidermedien (Funk-
tion als Filter), die in vielen Fällen einen Austausch des
Abscheidereinsatzes volldurchströmter Faserabschei-
der innerhalb der Fahrzeuglebensdauer erforderlich
volumenströme, Druckpulsationen im Kurbelgehäuse macht. Ferner besteht wegen der Speicherfähigkeit des
und Saugrohr, unterschiedliche in [42] illustrierte Pha- Abscheidemediums für Kondensate die grundsätzliche
5 senverteilungszustände von Groböl in Rohrleitungen, Gefahr des Einfrierens dieser Abscheider im Winter.
die in einzelnen Kennfeldbereichen begrenzten, für die Zur Vermeidung eines schädlichen Kurbelgehäuseüber-
Abscheidung nutzbaren Druckdifferenzen, verbunden druckes durch Verblockungserscheinungen werden bei
6 mit steigenden Anforderungen an die Abscheidegüte, volldurchströmten Faserabscheidern oftmals Notven-
stellen insgesamt betrachtet, hohe Anforderungen an tile vorgesehen, die bei deren Verblocken einen Bypass
7 die eingesetzten Abscheider. um den Faserabscheider freigeben.

7.7.4.2 Ölnebelabscheidung Zyklonabscheider


8 Für die Abscheidung von Ölnebel aus dem Gasstrom Aus den genannten Gründen werden bei den Kurbel-
der Kurbelgehäuseentlüftung stehen, wie in [43] dar- gehäuseentlüftungssystemen aktueller Pkw-Fahrzeug-
gestellt, grundsätzlich eine Vielzahl unterschiedlicher motoren häufig Zyklonabscheider als Kompromiss
9 Ölnebelabscheider zur Auswahl, die entweder die zwischen Leistungsfähigkeit, Bauraum und Kosten
Druckdifferenz zwischen Saugrohr und Kurbelge- eingesetzt. Diese besitzen eine geringe Empfindlich-
10 häuse, mechanische Antriebsenergie oder elektrische
Energie zur Abscheidung nutzen. Wesentliche Aus-
keit gegen Verschmutzungen und sind daher Lebens-
dauerbauteile. Durch zahlreiche Detailoptimierungen
wahl- beziehungsweise Bewertungskriterien sind da- an mehreren klein dimensionierten parallel geschal-
11 bei die Abscheidegrade, die Druckverluste über dem teten Zyklonen konnten – bezogen auf gleiche Ab-
Abscheider, die Kosten, der Applikationsaufwand, der scheiderdruckverluste – die Feinölabscheidegrade in
Energiebedarf, der Wartungsbedarf und die grund- den vergangenen Jahren wesentlich gesteigert werden.
12 sätzliche Umsetzbarkeit eines jeweiligen Abscheider- Im Grundsatz ist es als Nachteil zu werten, dass Zy-
prinzips in einem Fahrzeugmotor. Zur Beurteilung klonabscheider, aber auch andere Ölnebelabscheider,
13 des Feinölabscheidevermögens eines Abscheiders unter der Randbedingung begrenzter, für die Ölne-
wird dabei vielfach der Abscheidegrad für ein mittle- belabscheidung verfügbarer Druckgefälle, lediglich
res Tröpfchengrößenspektrum von xP = 1 µm heran- bei einem jeweiligen durch die Dimensionierung des
14 gezogen. Hierbei handelt es sich um einen Partikel- Abscheiders festgelegten Gasdurchsatz optimale Ab-
größenbereich, in dem entsprechend den physikalisch scheidegrade liefern. Ein Ansatz um diesen Nachteil
15 wirksamen Abscheidemechanismen [44] besondere
Maßnahmen zur Verwirklichung einer effektiven Ab-
abzumildern besteht darin, der verhältnismäßig klein
dimensionierten Abscheidereinheit, wie in . Abb. 7.74
scheidung notwendig sind. Insbesondere bei Ölnebel- dargestellt, ein DBV (Druckbegrenzungsventil) paral-
16 abscheidern für NFZ-Motoren werden in letzter Zeit lel zu schalten, welches beim Überschreiten einer vor-
zunehmend auch deutlich kleinere Partikelgrößen (bis gegebenen Druckdifferenz einen Impaktorabscheider
zu 0,4 µm) betrachtet. als Bypass öffnet und auf diese Weise bei großen Blow-
17 by-Massenströmen einen unzulässigen Aufbau eines
Faserabscheider Überdrucks im Kurbelgehäuse verhindert.
18 Die in der Vergangenheit vielfach eingesetzten Draht- Die Gestaltung des DBVs als Impaktor verhindert
gestrickabscheider besitzen den Nachteil begrenzter dabei ein unzulässiges Absinken der Abscheidegrade
Abscheidegrade insbesondere für Feinöl. Im Vergleich des Abscheiders bei parallel durchströmtem DBV. In
19 hierzu lassen sich mit Faserabscheidern höhere bis . Abb.  7.75 sind die entsprechenden Druckverlust-
höchste Abscheidegrade verwirklichen. Faserabschei- kennlinien und Abscheidegrade einer Zyklonabschei-
20 der können entsprechend dem Funktionsprinzip in
volldurchströmte Faserabscheider und Prallvliese un-
dereinheit mit und ohne DBV dargestellt. Bei Verzicht
auf ein DBV muss zur Vermeidung unzulässiger Über-
tergliedert werden. Volldurchströmte Faserabscheider drücke im Kurbelgehäuse bei großen Blow-by-Mas-
7.7 • Kurbelgehäuseentlüftung
167 7
..Abb. 7.74 Schnitt-
darstellung eines
Kurbelgehäuseentlüf-
tungsmoduls für einen
turboaufgeladenen
Benzindirekteinspritz-
Ottomotor mit
Grobölabscheider,
Feinölabscheider,
diskontinuierlicher
Ölrückführung über
Sammelbehälter und
Rückschlagventile, Kur-
belgehäusedruckregel-
ventil und reingasseiti-
gen Rückschlagventilen
(Fa. Hengst)

senströmen (verschlissenes Triebwerk) ein sehr groß Zentrifugalabscheider


dimensionierter Feinölabscheider eingesetzt werden. Alternativ zu den genannten passiven Vlies-, Wickel-,
Dies hat zur Folge, dass bei in weiten Kennfeldberei- Zyklon- und Impaktorabscheidern werden von ein-
chen vorliegenden niedrigen Blow-by-Massenströmen zelnen Motorenherstellern zur Ölnebelabscheidung
die Feinölabscheidegrade nur niedrige Werte anneh- aktiv von der Nockenwelle oder einer von der Mas-
men (. Abb. 7.75, Zyklonvariante II). senkraftausgleichswelle angetriebenen Groböl-Zent-
rifugalabscheider eingesetzt. Mit derartigen Zentrifu-
Impaktoren galabscheidern lassen sich größere Mengen von mit
Mit dem zunehmenden Focus auf Bauraum und Kos- dem Blow-by-Gasstrom gefördertem Groböl zuver-
ten werden für Fahrzeugmotoren inzwischen sehr lässig abscheiden. Wegen der begrenzten Drehzahlen
häufig Ölnebelabscheider eingesetzt, deren Wirkweise von Nockenwellen oder Ausgleichswellen, begrenzten
auf dem Prinzip der Impaktion beruht. Die Wirkung Bauabmessungen und verhältnismäßig hohen Förder-
dieser Trägheitsabscheider mit einmaliger scharfer geschwindigkeiten des Entlüftungsgases durch diese
Strömungsumlenkung kann dabei durch Kombina- Abscheider sind die Feinölabscheidegrade derartiger
tionsverfahren, zum Beispiel mit teildurchströmten Zentrifugalabscheider allerdings verhältnismäßig ge-
Vliesstoffen, verbessert werden. Da auch bei diesen ring.
passiven Ölnebelabscheidern die Gewinnung der Die heute im Gegensatz zu Pkw-Motoren an Nfz-
erforderlichen Abscheideenergie aus der Blow-By- Motoren zunehmend geforderten überaus hohen Fein-
Strömung (Differenzdruck) erfolgt, ist jedoch auch ölabscheidegrade lassen sich mit Feinölzentrifugalab-
deren Leistungsfähigkeit durch den – im Allgemeinen scheidern erzielen, die mit entsprechenden Vor- und
begrenzten – zulässigen Differenzdruck beschränkt. Nachteilen behaftet [45], entweder mechanisch über
Ein vorteilhaftes Konzept, ungenutzte Energie für die die Kurbelwelle, hydraulisch über Drucköl, pneuma-
Ölabscheidung durch Impaktion zu nutzen, stellt das tisch oder elektrisch angetrieben werden können. Der
in ▶ Abschn. 7.7.5.2 näher erläuterte Impaktor-Druck- hydraulische Antrieb mit dem Drucköl des Motors
regelventil dar. ermöglicht eine kostengünstige und betriebssichere
168 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.75 Druck-
1 verlustkennlinien und
Abscheidegrade einer
Zyklonabscheidereinheit
2 mit und ohne Druckbe-
grenzungsventil

3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13 Applikation. Allerdings wird die nutzbare Leistung Die höheren erreichbaren Dauerdrehzahlen erlauben
durch den zulässigen Absteuervolumenstrom, die Ab- eine Miniaturisierung der Zentrifugalabscheider. An-
laufquerschnitte und die im Motorkennfeld zur Verfü- spruchsvoll ist die Entwicklung preisgünstiger lebens-
14 gung stehenden Öldrücke begrenzt. Veränderungen in dauer- und temperaturfester bürstenloser Elektromo-
der Ölviskosität (Temperatur, Ölzustand) stellen eine toren und eines standfesten Lagerkonzeptes.
15 Herausforderung an die Auslegung derartiger Antriebe
dar und erfordern Kompromisse. Die notwendigen
Der in . Abb.  7.76 im Schnitt illustrierte Tel-
lerseparator stellt eine klassische Bauart derartiger
hydraulischen Schnittstellen schränken universelle Zentrifugalabscheider dar, die bereits seit mehr als
16 Applikationsmöglichkeiten ein. Ein elektrischer An- hundert Jahren in der Verfahrenstechnik eingesetzt
trieb stellt im Hinblick auf die Gesamtwirkungsgrade werden. Kernstück dieses Abscheiders ist der Rotor,
und der erforderlichen Abscheideleistungen eine im bei dem zahlreiche hohlkegelförmige Teller axial
17 Vergleich zum hydraulischen Antrieb vorteilhaftere hintereinander mit der Welle verspannt werden. Bei
Lösung dar. Ferner ist der Antrieb unabhängig vom der Durchströmung der engen Spalte zwischen den
18 Betriebszustand des Verbrennungsmotors und erlaubt Tellern werden die Ölnebeltröpfchen aufgrund ihrer
einen bedarfsgerechten Betrieb bis hin zum gezielten höheren Dichte durch die Zentrifugalbeschleunigung
Nachlauf des Separators nach dem Abstellen des Ver- radial nach außen bewegt und prallen auf die Innen-
19 brennungsmotors (Start/Stopp bei Hybridmotoren). seite des jeweils axial benachbart angeordneten Tellers,
Die bei strengen Abgasstufen geforderte OBD-Über- so dass sich dort ein Wandfilm ausbildet, der durch die
20 wachung kann sehr einfach realisiert werden. Schließ-
lich lassen sich standardisierte Bauteile relativ univer-
Fliehkraft an den äußeren Tellerrand gefördert wird.
Am Außenradius der Teller wird das abgeschiedene
sell auch für Kleinserienanwendungen installieren. Öl in Form von größeren Tropfen abgeschleudert, die
7.7 • Kurbelgehäuseentlüftung
169 7

..Abb. 7.76  Schnittdarstellung eines Tellerseparators zur Ölnebelabscheidung (Quelle: Fa. Hengst)

von der Gasströmung nicht mehr mitgerissen werden Elektrostatische Abscheider


und sich an der Innenwand des Tellerseparatorgehäu- Bei sehr hohen Anforderungen an die Ölnebelabschei-
ses abscheiden. Dieses Öl sammelt sich am Boden des degrade, auch von Feinstpartikeln und geringen für die
Tellerseparatorgehäuses und kann von da aus ins Kur- Abscheidung nutzbaren Druckgefällen, kann der Ein-
belgehäuse zurückgeführt werden. . Abb. 7.77 zeigt satz von elektrostatischen Abscheidern [46] in Betracht
für einen Zentrifugalabscheider der in . Abb.  7.76 gezogen werden. Derartige Abscheider nutzen zur Ab-
dargestellten Tellerseparator-Bauart die Abhängigkeit scheidung die Kräfte auf ein geladenes Partikel im elek-
der Abscheidegrade von der Drehzahl des Rotors für trischen Feld [44]. Bei Rohrabscheidern ist zentrisch in
verschiedene mittlere Partikelgrößenspektren. Die einem rohrförmigen Kanal eine Sprühelektrode ange-
Abbildung zeigt den für Zentrifugalabscheider typi- ordnet, während die Kanalwandung als Niederschlags-
schen Anstieg der Abscheidegrade mit zunehmender elektrode dient. Durch Anlegen einer Hochspannung
Drehzahl des Rotors. Mit Tellerseparatoren lassen sich zwischen der Sprüh- und der Niederschlagselektrode
grundsätzlich höchste Abscheidegrade, insbesondere in einer Größenordnung von 10 kV entsteht ein elek-
für kleine Partikelgrößen, verwirklichen. Dadurch trisches Feld. Freie Elektronen in unmittelbarer Nähe
sind Tellerseparatoren auch für OCV-Systeme an der negativ geladenen Sprühelektrode werden in Rich-
NFZ-Motoren geeignet. Konzeptionell ist eine Durch- tung des positiveren elektrischen Potenzials zur Nie-
strömung der Tellerseparatoren von außen nach innen derschlagselektrode beschleunigt und erzeugen beim
aber auch von innen nach außen möglich. Eine Durch- Zusammenprall mit neutralen Gasmolekülen weitere
strömung von innen nach außen hat den Vorteil eines Elektronen und Kationen. Die hierdurch entstehende
negativen Differenzdruckes (Förderwirkung) in vielen Koronaentladung wird zum einen durch Kationen, die
Betriebsbereichen. Die konventionelle Bauart des Tel- weitere Elektronen aus der Sprühelektrode heraus-
lerseparators mit einzelnen mit der Welle verspannten schlagen, stabilisiert. Weiterhin erzeugen angeregte
Tellern weist Herausforderungen im Hinblick auf die Gasionen durch Photoionisation weitere Ladungsträ-
Toleranzproblematik, dynamische Schwingungen, ger. Auf dem Weg zur Niederschlagselektrode lagern
die Lagerung und Wuchtung des Rotors und die Her- sich die erzeugten Elektronen an den Öltröpfchen an,
stellungskosten auf. Prinzipiell können bei Zentrifu- die infolge der im elektrischen Feld wirkenden Kräfte
galabscheider in der Kurbelgehäuseentlüftung auch auf der Niederschlagselektrode abgeschieden werden.
alternative Rotorformen, wie Wabenkörper, in Frage Mit elektrostatischen Abscheidern lassen sich in Die-
kommen. selmotoren bei minimalen Druckverlusten Fein- und
170 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.77 Abhän-
1 gigkeit der Feinölab-
scheidegrade eines
Tellerseparators von der
2 Partikelgröße bei ver-
schiedenen Drehzahlen
des Separators
3
4
5
6
7 Feinstölabscheidergrade von annähernd 100 % errei- Gasmengen in der Teillast ein unzulässiges Absinken
chen, was auch diesen Abscheidertyp für den Einsatz der Drücke im Kurbelgehäuse zu verhindern, wird
8 in OCV-Systemen qualifiziert. Als nachteilig sind bei über eine weitere Leitung Frischluft ins Kurbelgehäuse
bisherigen konzeptionellen Ansätzen vor allem die ver- gefördert. Bei hohen Blow-by-Gasmengen und hohen
gleichsweise hohen Kosten, aber auch die Gefahr von Absolutdrücken im Saugrohr (Volllast) kehrt sich die
9 bleibenden Ablagerungen im Abscheider zu werten. Strömungsrichtung in der Frischluftleitung um, so dass
Aus diesem Grund werden elektrostatische Ölnebel- unter diesen Bedingungen auch eine Einleitung von
10 abscheider nur selten in Kurbelgehäuseentlüftungssys-
temen an Fahrzeugmotoren eingesetzt. Einem Einsatz
Entlüftungsgasen vor der Drosselklappe erfolgt.

in Ottomotoren steht vor allem die Entzündungsgefahr 7.7.5.1 Druckregelventile


11 von stark kraftstoffhaltigen Blow-by-Gasen bei mög- Bei aktuellen Kurbelgehäuseentlüftungssystemen für
lichen Überschlägen entgegen. Aufgrund ihrer Leis- Otto- und Dieselmotoren sorgen im Leitungsstrang zwi-
tungsfähigkeit eignen sich elektrostatische Ölabschei- schen Kurbelgehäuse und Saugrohr eingefügte Druck-
12 der hervorragend als Messgeräte zur gravimetrischen regelventile (DRV) (. Abb. 7.73a, b, f, g) dafür, dass die
Bestimmung von Partikelmassen in Aerosolen. Druckdifferenz zwischen dem Kurbelgehäuse und der
13 Umgebung, auch bei in weiten Bereichen variierenden
Blow-by-Gasströmen und Saugrohrdrücken, weitge-
7.7.5 Kurbelgehäusedruckregelung hend konstant gehalten wird. . Abb.  7.78 zeigt eine
14 Schnittdarstellung eines in wesentlichen Merkmalen
Zur Förderung der Entlüftungsgase in den Ansaug- konventionellen Druckregelventils. Der von der Mem-
15 trakt und zur Abscheidung der Schmierölpartikel
wird bei konventionellen Kurbelgehäuseentlüftungs-
bran und dem korrespondierenden Abströmstutzen
gebildete Strömungsquerschnitt durch das Ventil stellt
systemen die Druckdifferenz zwischen dem Kurbelge- sich entsprechend dem Kräftegleichgewicht zwischen
16 häuse und dem Ansaugsystem genutzt. Dabei besteht der Kraft der Regelfeder, dem auf der Oberseite der
meist die Anforderung, dass bei stark wechselnden Membran wirkenden Umgebungsdruck und dem auf
Saugrohrdrücken und unterschiedlichen Blow-by- der Unterseite der Membran wirkenden Druck im Zu-
17 Massenströmen im Kennfeld ein leichter Unterdruck strömraum sowie dem Abströmstutzen des Ventils ein.
(∆pUmg.-KG < circa 30 hPa) herrscht. Bei der Einfüh- In . Abb. 7.79 sind in schematischer Darstellung
18 rung geschlossener Kurbelgehäuseentlüftungssysteme im Vergleich die Kennlinien von zwei verschiedenen
in den 1960er-Jahren wurde dies bei (quantitätsgere- Druckregelventilen dargestellt.
gelten) Ottomotoren durch PCV-Systeme gelöst. Bei Die Kurve von Ventil A zeigt eine große Abhän-
19 derartigen Systemen wird die vom Kurbelgehäuse ins gigkeit des Kurbelgehäusedrucks vom jeweiligen
Saugrohr strömende Entlüftungsgasmenge über ei- Saugrohrdruck und vom Blow-by-Gasmassenstrom.
20 nen festen Drosselquerschnitt oder alternativ hierzu
durch ein im Querschnitt variables federbelastetes
Eine derartige Kennlinie birgt die Gefahr, dass bei
niedrigen Absolutdrücken im Saugrohr und großen
Stromregelventil dosiert. Um bei niedrigen Blow-by- Blow-by-Gasströmen ein unzulässiger Überdruck im
7.7 • Kurbelgehäuseentlüftung
171 7

..Abb. 7.79  Kennlinienvergleich zweier Kurbelgehäu-


sedruckregelventile (schematisch). Ventil A ungünstige
Kennlinie, Ventil B vorteilhafte Kennlinie

veränderten Bauabmessungen im Vergleich eine we-


sentliche Verbesserung der Regelcharakteristik. Davon
abgesehen müssen die Bauteile von Druckregelventi-
..Abb. 7.78  Schnittdarstellung eines Kurbelgehäuse- len eine uneingeschränkte Medienbeständigkeit gegen
druckregelventils Blow-by-Gase besitzen. Die Gefahr von Funktionsstö-
rungen durch das Einfrieren des Ventils wie auch der
Kurbelgehäuse entsteht. Die dargestellte Problema- Leitungen und des Ölnebelabscheiders im Winter lässt
tik wird zudem dadurch verschärft, dass bei großen sich durch eine Positionierung in warmen Bereichen
Blow-by-Gasströmen auch wesentliche Druckverluste des Triebwerks und eine Gestaltung und Anordnung
in dem in den meisten Fällen dem Druckregelventil der Komponenten minimieren, die einen ungehinder-
vorgeschalteten Ölnebelabscheider entstehen. Dem- ten Kondensatablauf zulässt.
entsprechend sind die unter diesen Bedingungen im
Kurbelgehäuse herrschenden Drücke sogar noch um 7.7.5.2 Impaktor-Druckregelventile
das Maß der Druckverluste im Ölnebelabscheider er- Eine grundsätzliche Problematik beim Einsatz von
höht. Im Vergleich hierzu zeigt die Kurve von Ventil B konventionellen Druckregelventilen in der Kurbelge-
eine erwünschte weitgehende Unabhängigkeit der häuseentlüftung besteht darin, dass die insbesondere
Druckregelkennlinie vom Blow-by-Massenstrom und bei konventionellen Ottomotoren in weiten Kenn-
vom Druck im Saugrohr. Vorteilhafte Druckregelkenn- feldbereichen herrschenden großen Druckdifferen-
linien lassen sich durch große Membranwirkflächen zen zwischen Saugrohr und Kurbelgehäuse wegen der
oder eine zweistufige Bauart verwirklichen. Ein kos- Drosselung des Entlüftungsgasstroms im Druckregel-
tengünstiger und mit verringerten Toleranzproblemen ventil nur zu einem Bruchteil für die Feinölabschei-
behafteter alternativer Ansatz ist in . Abb. 7.78 zu er- dung genutzt werden können. Ein Beispiel dafür, wie
kennen. Bei dieser Lösung befindet sich im Abström- die im Druckregelventil gedrosselte Druckenergie in
querschnitt aus dem Membranraum ein über radiale weiten Kennfeldbereichen effektiv und ohne erhebli-
Rippen angeordneter konzentrisch angeordneter Stift, chen Zusatzaufwand zur Feinölabscheidung genutzt
der mit der Stirnfläche des Abströmquerschnitts und werden kann, ist in dem in . Abb. 7.80 dargestellten
den radialen Rippen entweder bündig ist, oder we- Ölnebelabscheidereinsatz erkennbar. Bei dem dort
nige Zehntel Millimeter vorsteht. Bei Annäherung dargestellten Druckregelventil sind in dem stirnsei-
der Membran an die Stirnfläche kommt es zunächst tig zur Membran angeordneten Abströmquerschnitt
zu einem Aufsetzen der elastischen Membran auf dem konzentrisch verlaufende schmale Rippen mit einem
Stift beziehungsweise den Rippen. Hierdurch wird bei radialen Abstand von circa 1,3 mm zueinander ange-
fast geschlossenem Ventil ein wesentlicher Teil der bei ordnet. In der Regelstellung des Ventils nähert sich die
hohen Saugrohrunterdrücken auf die Membran im Elastomermembran je nach Gasdurchsatz und Druck-
Bereich des Abströmquerschnitts wirkenden resultie- differenz am Ventil der beschriebenen Rippengeome-
renden Druckkräfte direkt am Gehäuse des Ventils ab- trie des Abströmquerschnitts an. Das radial mit hoher
gestützt. Auf diese Weise wird ein vorzeitiges Schließen Geschwindigkeit in den Spalt zwischen Membran und
des Ventils bei hohen Saugrohrunterdrücken vermie- Rippengeometrie einströmende Entlüftungsgas wird
den. Die dargestellte Lösung ermöglicht bei gleicher beim axialen Einströmen in die konzentrisch verlau-
Regelcharakteristik und gleichem Druckverlust über fenden Strömungsquerschnitte zwischen den Rippen so
dem voll geöffneten Ventil eine erhebliche Verringe- scharf umgelenkt, dass große Anteile von Feinöltröpf-
rung der Bauabmessungen oder umgekehrt bei un- chen, die in Folge ihrer Massenträgheit dem Gasstrom
172 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.80 Schnitt-
1 bild eines Feinölab-
scheidereinsatzes mit
Impaktordruckregel-
2 ventil, Feinölzyklonen,
Feinöl abscheidendem
Bypassventil und
3 Ölrückführung über
Ölsammelvolumen und
Rückschlagventil (Fa.
4 Hengst)

5
6
7
8
9
10
11
nicht folgen können, an den Seitenflächen der Rippen DRV (Vergrößerung der DRV-Membran), dem Einsatz
abgeschieden und zusammen mit dem übrigen Groböl hoch effektiver kleiner Feinölmultizyklone und dem
12 ins Kurbelgehäuse zurückgeführt werden. Bei großen Einsatz eines Feinöl abscheidenden Bypassventils, bei
Entlüftungsgasdurchsätzen oder niedrigen Druckdiffe- dem die Strömung vor der Umlenkung unabhängig
13 renzen entfernt sich die Membran des Druckregelven- vom Durchsatz, stark beschleunigt wird.
tils von der Rippengeometrie des Abströmquerschnitts,
wodurch sich die Umlenkung der Strömung und da-
14 mit die Abscheidung von Feinöl in diesem Bereich 7.7.6 Module und
vermindert. In diesen Betriebspunkten verlagert sich Ventilhaubenintegration
15 der Schwerpunkt der Feinölabscheidung zu zwei dem
Druckregelventil in Reihe geschalteten Feinölzykonen Insbesondere die fortwährenden Bestrebungen in der
und einem parallel zu den Zyklonen geschalteten Feinöl Automobilindustrie zur Reduzierung von Bauteil- und
16 abscheidenden Bypassventil. . Abb. 7.81 zeigt die Fein- Montagekosten, Restriktionen bezüglich der verfügba-
ölabscheidegrade dieser Abscheidereinheit in Abhän- ren Bauräume sowie Bestrebungen zur Verringerung
gigkeit vom Differenzdruck über dem Abscheider für der konstruktiven und logistischen Schnittstellen in
17 verschiedene Volumenströme. Insbesondere durch das der Automobilproduktion bilden seit Jahren den Hin-
Prinzip der Anpassung der Abscheidergeometrie an tergrund für Funktionsintegration und Modulbildung
18 den Gasdurchsatz im Impaktordruckregelventil lassen bei den verschiedensten Funktionsumfängen im Fahr-
sich über weite Kennfeldbereiche des Motors mit ver- zeug. Bezogen auf die Kurbelgehäuseentlüftung besteht
gleichsweise geringem Bauaufwand wartungsfrei über dementsprechend schon seit längerer Zeit ein Trend,
19 der Lebensdauer des Motors hohe beziehungsweise die Funktionsumfänge Druckregelung, Grob- und
sehr hohe Feinölabscheidegrade verwirklichen. Ein Feinölabscheidung sowie die Rückschlagventile zur
20 weiteres Optimierungspotenzial dieses Abscheider-
konzepts besteht in einer Durchmesservergrößerung
Rückführung abgeschiedenen Öls in einem Modul zu
vereinen. Daneben wird eine Integration von Druckre-
der Impaktorrippengeometrien im Abströmstutzen des gelventilen und Komponenten zur Grobölabscheidung
7.8 • Zylinderkopf
173 7
..Abb. 7.81 Feinölab-
scheidegradkurven des
Feinölabscheiderein-
satzes aus . Abb. 7.80
in Abhängigkeit von
der Druckdifferenz
über dem Abscheider
für unterschiedliche
Entlüftungsgasvolumen-
ströme

in den Ventilhauben von Otto- und Dieselmotoren 7.8 Zylinderkopf


ebenfalls bereits seit Jahren praktiziert. Neuerdings
besteht zudem die Anforderung, auch eine wirksame Der Gestaltung und Auslegung des Zylinderkopfes
Feinölabscheidung in derartigen Ventilhauben zu in- kommt während der Motorenentwicklung eine große
tegrieren. Als Beispiel hierfür ist in . Abb. 7.82 das Bedeutung zu. Der Zylinderkopf bestimmt wie kaum
Ventilhaubenmodul eines Pkw-Dieselmotors darge- eine andere Baugruppe des Motors die Eigenschaften
stellt, in dem ein Grobabscheider, ein Druckregelventil, im Hinblick auf das Betriebsverhalten wie Leistungs-
ein Zyklonabscheider und eine Ölrückführung für das ausbeute, Drehmoment- und Abgasemissionsverhal-
abgeschiedene Öl integriert sind. . Abb. 7.83 zeigt ein ten, Kraftstoffverbrauch und Akustik.
Multifunktionsmodul für einen Nutzfahrzeugmotor, in Das nachfolgende Kapitel soll einen Einblick in
dem ein Becherölfilter, ein Öl/Wasserwärmetauscher, die Entwicklung und über aktuelle Bauformen von
ein Ölabsteuerventil, Temperatur- und Drucksensoren Zylinderköpfen geben. In der Reihenfolge der behan-
sowie eine Ölnebelabscheidereinheit mit einem Druck- delten Inhalte wird auf Schwerpunkte während der
regelventil integriert sind. Zylinderkopfentwicklung und die Fertigungsverfahren

..Abb. 7.82  Schnittbild einer Ventilhaube mit integriertem Grobölabscheider, Druckregelventil, Zyklonabschei-


der und eine Ölrückführung für das abgeschiedene Öl (Quelle: Fa. Woco/Fa. Hengst)
174 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
9
..Abb. 7.83  Schnittdarstellung eines Multifunktionsmodul mit integriertem Becherölfilter, Öl-Wasserwärmetau-
10 scher, Ölabsteuerventil, Temperatur- und Drucksensorik, Ölnebelabscheider und Kurbelgehäusedruckregelventil
(Quelle: Fa. Hengst)

11 eingegangen. Auf Grund des zur Verfügung stehen- Der Zylinderkopf beinhaltet die wesentlichen Ele-
den Umfangs beschränken sich die Darstellungen auf mente zur mechanischen Steuerung des Gaswechsels
Pkw-Motoren. Auch auf Zweitaktmotoren wird nicht beziehungsweise der Verbrennung. Der Ventilsteue-
12 eingegangen. rung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. In
den letzten 20 Jahren hat sich gerade auf diesem Gebiet
13 7.8.1 Grundauslegung
die Technik und die Komponenten der Ventilsteuerung
stark weiter entwickelt. Die Zweiventilmotoren, bei de-
des Zylinderkopfes nen zwei Ventile je Brennraum verwendet werden, sind
14 schwerpunktmäßig von modernen Mehrventilmoto-
Die Zylinderkopfbauformen haben sich in den letz- ren verdrängt worden. Gerade die in den letzten Jah-
15 ten hundert Jahren der Motorengeschichte ständig
gewandelt und weiterentwickelt. Auch heutzutage
ren stark anwachsende Hubraumleistung der Motoren
verlangt nach ausgereiften Ladungswechselgeometrien.
steht man bei einer Neuentwicklung vor der Frage, Mit den Merkmalen der Mehrventiltechnik so wie zum
16 welche Bauform und welche Komponenten des Zy- Beispiel der Verwendung von zwei Nockenwellen las-
linderkopfes für die Neuentwicklung verwendet wer- sen sich größere Freiheitsgrade zur Steuerung der Mo-
den sollen. Aktuelle Technologien wie variable Ven- toren erzielen. Variable Ventilsteuerungen kommen
17 tilsteuerungen oder die Thematik der Brennverfahren fast an allen modernen Ottomotoren zum Einsatz [47].
mit Direkteinspritzung bei Otto- und Dieselmotoren
7.8.1.1 Auslegung der
18 spielen bei dieser Diskussion der Neuentwicklung
Grundgeometrie
eines Motors eine entscheidende Rolle. Nicht jedes
Unternehmen der Automobilbranche geht dabei auf Für die Auslegung der Grundgeometrie des Zylinder-
19 Grund unterschiedlicher Anforderungen und der kopfes gilt es eine Vielzahl von technischen Anforde-
damit gesetzten Zielspinnen den gleichen Weg. Wie rungen zu erfüllen. Zu Beginn der Neuentwicklung
20 schon vor circa hundert Jahren kommen deshalb an
Pkw-Motoren unterschiedliche Konstruktionen zum
eines Zylinderkopfes können die einzelnen Parameter
wie Ventilwinkel, Zylinderkopfaußenabmessungen,
Einsatz. Lage der Gaswechselkanäle oder zum Beispiel die Lage
7.8 • Zylinderkopf
175 7
..Abb. 7.84 Einfluss-
größen auf die Zylinder-
Motorbauart z.B.
kopfbauform Reihen- oder
V-Motor
Thermodynamik Ventilanzahl

Ventiltriebs-
komponenten Kosten

Fertigungs- Brennverfahren
verfahren Otto- oder Dieselmotor

Variabler
Ventiltrieb

der Zündkerze an einem Ottomotor noch beeinflusst gestaltet werden. Für die Form der Gaswechselkanäle
werden. Liegen die Hauptgeometrien hierfür fest, ist sind große Freiheiten möglich. Auch die Bauteilgeome-
der Entwickler in der Wahl der restlichen Zylinder- trien bezüglich der Gießmodelle und deren Kernauf-
kopfgeometrie eingeschränkt. bau sind auf Grund dieser Gestaltungsmöglichkeiten
In . Abb.  7.84 sind die Einflussgrößen für die einfacher in der Großserie zu beherrschen. In der Stan-
Zylinderkopfbauform dargestellt. Steht zu Beginn der dardmotorisierung vieler Automobilhersteller finden
Neuentwicklung nur die Motorbauart wie zum Bei- die Zweiventilmotoren daher bei Otto- und Dieselmo-
spiel eine Reihen- oder V-Motorisierung fest, gilt es toren immer noch eine weite Verbreitung.
einen Kompromiss aus den im Motorraum vorhande- Da auf dem Zylinderblock der Zylinderkopf und
nen Bauraum, der Motorkomplettmontage in diesen an diesem die unterschiedlichsten Motorkomponenten
Bauraum und den Einflussgrößen wie Ventiltriebs- befestigt sind, wie zum Beispiel Saugrohr, Abgasanlage
komponenten und deren Abmessungen, der Form der und Nockenwellenantrieb, Unterdruck- und Hoch-
Gaswechselkanäle oder der Anforderungen der Ferti- druckpumpe ist je nach Motorbauart – Reihen-, Boxer-
gung wie der Gießtechnologie oder der mechanischen oder V-Motor – die Konstruktion des Zylinderkopfes
Bearbeitung zu finden. Hierfür ist viel Erfahrung nötig, sehr unterschiedlich. Nur selten gelingt es, das aufwän-
um den Kompromiss zu finden, der zu Verbesserungen dige Bauteil des Zylinderkopfes für einen Vierzylin-
der motorischen Zielgrößen wie der Senkung des Ver- dermotor auch für einen V8-Motor zu verwenden. In
brauchs und der Abgasemissionen führt. der Regel handelt es sich dabei um unterschiedliche
Nicht alle Wege führen während der Entwicklung Zylinderköpfe. Aus Kostengründen wird deshalb ver-
eines neuen Zylinderkopfkonzeptes zum Ziel. Vielleicht sucht, möglichst viele Gleichteile an Komponenten an
weisen auch deshalb die ausgeführten Motoren in der verschiedenen Zylinderköpfen zu verwenden.
Serie unterschiedliche Ausführungen von Zylinder-
köpfen auf. So kommen zum Beispiel die unterschied- 7.8.1.2 Festlegung
lichsten Ventilanzahlen je Zylinder wie drei bis fünf an der Fertigungsverfahren
Mehrventil-Ottomotoren in der Großserie zum Einsatz. Schon früh sollte das verwendete Gießverfahren für
Traditionell steht der Zweiventilzylinderkopf für den Zylinderkopf festgelegt werden. Es empfiehlt sich,
die kostengünstigste Lösung. Seine Ventiltriebskom- das nach Auswahl des Gießverfahrens vorhandene
ponenten sind mit einem Auslass- sowie einem Ein- Know-how der Gießerei und des Modellbaus mit bei
lassventil auf ein Minimum beschränkt. Die Anzahl der Grundauslegung des Zylinderkopfes zu berück-
der bewegten Teile sind gering und der damit erzeugte sichtigen. Nicht mit allen Gießverfahren lassen sich die
Anteil an Verlustreibung ist ebenfalls gering. In seinen vom Entwickler gewünschten Geometrien umsetzen.
Außenabmessungen kann der Zylinderkopf kompakt Zur Steigerung der Produktqualität des doch komple-
176 Kapitel 7 • Motorkomponenten

xen Gussteils des Zylinderkopfes und einer gleichzeitig rie umgesetzt werden kann. Die Parameterstudien zur
1 anspruchsvollen Geometrie des Zylinderkopfes steht Festlegung von Gaswechselkanälen, Ventildurchmes-
das Entwicklerteam oft vor einer Herausforderung. sern, Brennraumvarianten und Steuerzeiten sowie der
2 Die für Zylinderköpfe geeigneten Gießverfahren gilt
es unter diesem Szenario stetig weiter zu entwickeln.
Ventilhubverläufe sind sehr umfangreich.

Ebenfalls ist je nach später produzierter Serien-


3 stückzahl die Wahl des Fertigungsverfahrens für die 7.8.2 Die Konstruktion
mechanische Bearbeitung des Zylinderkopfes mit in des Zylinderkopfes
der frühen Entwicklungsphase zu berücksichtigen. Da-
4 bei stehen besonders Neukonstruktionen unter dem Zylinderbohrung und Zylinderabstand geben die
hohen Druck der Kosten. Grundgeometrie des Zylinderkopfes vor. In der Regel
5 7.8.1.3 Auslegung
steht bei der Neukonstruktion auch die Ventilanzahl je
Brennraum fest. Auf Grund von Mindestwandstärken
der Gaswechselorgane aus den Anforderungen der Fertigung und aus Grün-
6 Die Form und Lage der Ein- und Auslasskanäle sowie den der Stabilität engt sich der zur Verfügung stehende
die Form des Brennraums bestimmen mit die Gesamt- Bauraum für die Unterbringung der Ventiltriebskom-
7 geometrie des Zylinderkopfes. Viele Untersuchungen
hierzu werden experimentell oder durch Berechnun-
ponenten ein. Durch die Vorgabe der Nockenwellenan-
zahl bei Beginn der Konstruktion gilt es zunächst, die
gen auf Grund von 3D-Simulationen durchgeführt. Lage und Anordnung der Ventiltriebskomponenten zu
8 Blasversuche an Kanälen, die nach Rapid-Prototyping- bestimmen und die Geometrie der Ladungswechselor-
Modellen durchgeführt werden, dienen der Bestim- gane wie Kanäle und Brennraum zu berücksichtigen.
mung der Durchflusszahlen. Durch Aufbau von Ein- Im Rahmen von Studien wird anschließend unter-
9 zylindermotoren in der Vorentwicklung kann flexibel sucht, wie die Grobabmessungen des Zylinderkopfes
auf die Kanalentwicklung reagiert werden. Je nach sich gestalten, wenn Parameter wie zum Beispiel Ven-
10 Brennverfahren, Otto- oder Dieselkonzept, werden im
Vorfeld der Geometrieauslegung die verschiedensten
tilwinkel, freie Ventilquerschnittsfläche oder Gestalt
der Gaswechselkanäle verändert werden.
Grundsatzuntersuchungen durchgeführt. Während
11 der Zylinderkopfentwicklung werden auch begleitend 7.8.2.1 Auslegung
diese Grundsatzuntersuchen fortgeführt. Für ein Die- der Grobabmessungen
selkonzept gilt es zum Beispiel bei der Abstimmung ei- Ein Weg zur Grundauslegung der Zylinderkopfgeome-
12 nes Drall-Einlasskanals eine günstige Form zu finden. trie ist die Erstellung einer groben Konstruktion für
Bei einem neuen Brennverfahren wie zum Beispiel die Ventiltriebskomponenten. Dieses erfolgt mittels
13 der Entwicklung eines Mehrventil-Dieselmotors mit CAD-Unterstützung. Hierbei können die einzelnen
Direkteinspritzung ist die Erprobung vieler Varianten geometrischen Maße der Komponenten parametrisiert
notwendig. Erst im Verlauf der Gesamtentwicklung des werden. Durch Variation der Maße wie zum Beispiel
14 Zylinderkopfes werden alle Geometriefestlegungen der Ventilwinkel, Ventilfedereinbauabmessungen, Lage der
Bauteile im Zylinderkopf getroffen. Nockenwellen oder Zündkerzenlage können geome-
15 7.8.1.4 Variable Ventilsteuerungen
trische Auswirkungen auf das Gesamtkonzept grob
beurteilt werden. In . Abb. 7.85 sind Grobabmessun-
Mit dem Einsatz variabler Ventilsteuerungen sind in gen für eine Parameterstudie zur Konstruktion eines
16 der Regel auch neue Zylinderkopfkonzepte nötig. Der Fünfventilzylinderkopfes mit Tassenstößel dargestellt
Einsatz von Nockenwellenverstellern an modernen [49]. Der Zylinderkopf weist drei Einlass- und zwei
Ottomotoren bedingt in der Regel nur Applikations- Auslassventile auf. In der Mitte des Brennraums ist
17 arbeiten am Nockenwellenantrieb und am Ölhaushalt zentral die Zündkerze dargestellt. Unterhalb der dar-
des Zylinderkopfes. Mit vollvariablen Ventilsteuerun- gestellten Nockengeometrie ist der für Tassenstößel
18 gen wie zum Beispiel mit dem System „Valvetronic“ der benötigte Bauraum angedeutet. Je nach Lage der Zy-
Fa. BMW [48] kommen komplett neue Zylinderköpfe linderkopfschrauben, die entsprechenden Freiraum
zum Einsatz. Die für die Verstellung des Ventilhubs benötigen, sind nur eingeschränkt unterschiedliche
19 benötigten Komponenten sind neuartig und an der Zy- Ventilwinkel möglich. Die Zugängigkeit zu den Zylin-
linderkopfgeometrie sind erhebliche Anpassungen zu derkopfschrauben bei komplett vormontiertem Zylin-
20 treffen. Der Entwicklungsumfang mit diesen Verfahren
ist erheblich; mehrere Baustufen von Zylinderköpfen
derkopf ist bei fast allen Motoren aus Fertigungs- und
Wartungsgründen zwingend. In der mittleren Darstel-
gilt es darzustellen, bevor das Gesamtkonzept in Se- lung ist zum Beispiel der Fall dargestellt, bei dem bei
7.8 • Zylinderkopf
177 7
..Abb. 7.85  Studie zur 129 80,3 124,5
Grundgeometrieausle-
gung eines Zylinderkop-
fes mit fünf Ventilen [49] α 4,5

α2

139,5

139,5

130
α 1,3

1 1 1
5 5 5
2 2 2
4 4 4
3 3 3

α 1,3 = 21,6° α 2 = 14,9° α 1,3 = 20,5° α 2 = 14,5° α 1,3 = 23° α 2 = 15,9°


α 4,5 = 20,2° α 4,5 = 0° α 4,5 = 19,5°

einem senkrecht hängenden Auslassventil mit einem [51] einfache PC-Programme verwendet werden. In
Ventilwinkel von 0° die Zylinderkopfschraube auf . Abb.  7.86 sind exemplarisch für die Grundausle-
Grund ihrer Zugängigkeit außerhalb der Nockenwel- gung eines Sechsventilzylinderkopfes die Parameter
lenachse liegt. Eine Zylinderkopfkonstruktion dieser dargestellt, die für die Grundauslegung relevant sind.
Art würde bei einem V-Motor auf der Auslassventil- Mindeststegbreiten zwischen den Ventilen gilt es auf
seite mehr Bauraum für die Gestaltung der Abgasseite Grund der Kühlung und Festigkeit des Zylinderkopfes
ermöglichen. Die Abgasführung der Krümmer könnte einzuhalten. Ein Ziel ist hierbei das Unterbringen von
günstiger ausfallen. Diese Studien helfen bei der Ent- möglichst großen Ventildurchmessern. Als Ergebnis
wicklung der Zylinderköpfe, die Gesamtauswirkungen dieser Untersuchungen werden geometrische Größen
an Motoren besser beurteilen zu können. Mittels pa- wie zum Beispiel die Flächenausnutzung ausgegeben.
rametrisierter Ansätze im CAD-System kann gerade Unter diesem Begriff ist der Quotient von Gesamtflä-
in dieser Phase der Entwicklung die Grundauslegung che Einlass oder Auslass zur Fläche der Zylinderboh-
der Zylinderkopfgeometrie auf ihre Auswirkungen für rung definiert. In Abhängigkeit von Zylinderbohrung
den Gesamtmotor hin untersucht werden. Konzept- oder -hub ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse,
vergleiche zwischen Tassenstößel- oder Schlepphebel- die in ihrer Interpretation zu verschiedenen Ventil-
konstruktionen lassen sich ebenfalls auf diese Weise zahlen je Brennraum führen. Diese Phase während der
sehr gut erstellen. Zylinderkopfentwicklung ist besonders spannend, da
Ein Kriterium für die Wahl der Ventilwinkel sowie mit der Festlegung der Ventilanzahl bei vorgegebener
der Lage und Größe der Ventile ist die Bestimmung der Zylinderbohrung die Gestalt des Zylinderkopfes maß-
freien Ventilquerschnittsfläche. Hiermit ist die nach geblich mit bestimmt wird.
Dong [50] in Abhängigkeit vom Ventilhub freie für den
Gaswechsel zur Verfügung stehende Fläche gemeint. 7.8.2.2 Brennraum-
Für das Atmungsverhalten des Motors wird versucht, und Kanalauslegung
diese in Abstimmung mit den restlichen nur mögli- Für die Konstruktion des Zylinderkopfes ist die Geo-
chen Geometrieverhältnissen von Ventiltriebskom- metrie des Brennraumes von großer Bedeutung. In
ponenten und Gaswechselkanälen möglichst groß zu der frühen Entwicklungsphase werden hierzu simul-
gestalten. Zwänge und Erfahrungswerte wie die Breite tan technische Berechnungen durchgeführt. Vor der
von Stegen zwischen den Kanälen gilt es einzuhalten. Konzeptfestlegung werden deshalb die zu entwickeln-
Im Rahmen von geometrischen Grundsatzuntersu- den Geometrien der Brennraumvarianten festgelegt. In
chungen zur Vorbestimmung der Ventilwinkelgeome- Abstimmung mit dem im Kolben befindlichen Teilvo-
trieverhältnisse können Varianten schnell und einfach lumen des Verbrennungsraums werden umfangreiche
miteinander verglichen werden [51]. Konzeptstu- Grundlagenuntersuchungen durchgeführt. Konzepte
dien mit verschiedenen Ventilanzahlen sind einfach wie zum Beispiel Ladungsschichtung bei Ottomotoren
und schnell durchzuführen. Damit diese Studien in mit Direkteinspritzung werden durch Zusammenspiel
der frühen Phase der Konzeption des Zylinderkop- von Kanal- und Brennraumgeometrie abgeschätzt
fes schnell erfolgen können, sollten wie in [49] und und in Form von Hardware erprobt. In . Abb. 7.87
178 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Ansicht ..Abb. 7.86  Studie zur


1 Anwav Anwev
Dzk Bestimmung der Ventil-
querschnittsgeometrie
Xzk
[51]
Dn w

vzk
Aa
2

vzk

Ae
3 Aevr

Dev
Dav
v Aavr
VLa

4
VLe

αa αe
v

Hz k

Aa

v
Ae
αx

v
5 αy Aevav

6
7
Hev
Hav
Hav,y

Hev,x

8
9
10
11
12
13
14
..Abb. 7.87 Brennraumvarianten für einen Zweiventilzylinderkopf
15
sind für die Entwicklung verschiedener Brennraum- Zündkerze ist so angeordnet, dass sie vom angesaug-
16 varianten drei Beispiele für die Entwicklung eines ten Gemisch gut umströmt wird. Bei dieser gewählten
Zweiventilkonzeptes aufgezeigt. Mit der Variation des Konstruktion sind circa 70 % des Brennraumvolumens
Ventilwinkels ergibt sich in der Regel auch die Grob- im Zylinderkopf und 30 % im Kolben untergebracht.
17 geometrie des Brennraums. Bei diesem Beispiel wurde Diese hier dargestellten Abhängigkeiten zwischen
zur besseren Vergleichbarkeit bei allen drei Varianten Brennraumgeometrie und motorischer Auswirkung
18 eine identische Schlepphebelkonstruktion gewählt. sind gerade bei den aktuellen in Entwicklung befind-
Untersucht wurde unter anderem, inwieweit die zur lichen Ottomotoren mit Direkteinspritzung und bei
Verfügung stehende Ladungsmenge am günstigsten Verwendung vollvariabler Ventilsteuerungen wieder
19 verbrennt. Der Gesamteinfluss wird im spezifischen zu finden. Der in der Entwicklung hierfür benötigte
Verbrauch, der Abmagerungsfähigkeit und besonders Aufwand ist erheblich. Die für diese Brennraumerpro-
20 an den NOx- und HC-Abgasrohemissionen deutlich.
Die im rechten Bild dargestellte Situation erwies sich
bung festzulegenden Parameterstudien verlangen von
den Thermodynamikern viel Erfahrung und Entwick-
als vorteilhaft. Die weit in den Brennraum ragende lungsdisziplin.
7.8 • Zylinderkopf
179 7

Auspuffseite

Einlassseite

..Abb. 7.88 Einlass- und Auslasskanalvarianten für einen Vierventildieselmotor [52]

Vierventilzylinderköpfe mit zentraler Zündker- von Kanälen und Brennraum derart viele thermody-
zenlage ermöglichen den grundsätzlichen Vorteil namische Wechselwirkungen auf, dass diese Auslegung
von kurzen Brennwegen im Brennraum. Auf Grund zeitlich schwer zu kalkulieren ist. In . Abb. 7.88 sind
des großen Oberflächenanteils der Ventilteller an der mögliche Kanalanordnungen für einen Dieselmotor
brennraumbildenden Fläche hat die Gusskontur nur mit Direkteinspritzung dargestellt [52]. Bei Diesel-
wenig Einfluss auf die Volumentoleranz, die sehr eng motoren wird zur Intensivierung der Gemischbildung
wie in einem Beispiel mit 0,5 cm3 gehalten werden die einströmende Luft in eine Drehbewegung versetzt.
kann. Um die thermodynamischen Verluste während Dafür bieten sich zwei prinzipielle Möglichkeiten der
der Verbrennung zu verringern, wird ein kleinst-
mögliches Verhältnis von Brennraumoberfläche zu
-
Einlasskanalgestaltung an:
spiralförmige (Drall- beziehungsweise Spiral­
Brennraumvolumen angestrebt. Ein Entwicklungs-
schwerpunkt stellt die Optimierung der Quetschflä-
chengeometrie dar. Dabei wird die Lage relativ zu
den Ventilen, Form und Größe variiert. Ein zu großer
- kanal) oder
schräggeneigte Kanalausbildung (Tangential­
kanal).

Quetschflächenanteil erweist sich auf Grund der Ver- Bei der Wahl der Kanalform orientiert man sich an
größerung des Oberflächen-Volumen-Verhältnisses der Zielsetzung, die geforderte Drallcharakteristik bei
und damit verbundener Wärmeverluste als nachteilig. möglichst gutem Durchfluss zu erreichen. Diese Aus-
Am Beispiel des hier aufgezeigten Vierzylindermo- legung gilt es durch die Serienfertigung zu halten. Im
tors erwies sich ein Quetschflächenanteil von 7 % als Drallkanal wird die Drehbewegung der einströmenden
günstig. An modernen Vierventilmotoren mit äußerer Luft durch die Formgebung erzeugt. Dies führt zu klei-
Gemischbildung geht der Trend zu flachen Kolbenbö- neren Drallstreuungen bei relativ ungünstigem Durch-
den und der Hauptunterbringung des Brennraums im fluss. Im Gegensatz dazu wird die einströmende Luft
Zylinderkopf. beim Tangentialkanal infolge der exzentrischen An-
Mit der Entwicklung neuer Brennverfahren wie ordnung durch die Zylinderwand in Rotation versetzt.
Otto- und Dieselmotoren mit Direkteinspritzung ist Charakteristisch sind dabei hohe Durchflusszahlen
die Entwicklung der Gaswechselkanäle eine Wissen- für die gute Zylinderfüllung. Die Kombination eines
schaft für sich. Die Erzielung einer bestimmten repro- Drallkanals mit einem stromabwärts gelegenen Tan-
duzierbaren Ladungsbewegung ist Gegenstand vieler gentialkanal ist daher ein sehr guter Kompromiss beim
Grundsatzuntersuchungen, die die gesamte Zylinder- Zielkonflikt zwischen Durchfluss und Drallstabilität.
kopfentwicklung begleitet. Die Kanalauslegung muss Die Ausführung „Spiralkanal von oben senkrecht
im Zusammenhang mit der Saug- und Abgasrohraus- zum Brennraum“ in . Abb. 7.89 steigert die Kanal-
legung gesehen werden. Diese Thematik wird schwer- qualität im Vergleich zu einer seitlichen Anordnung.
punktmäßig durch Versuche und Strömungssimula- Außerdem können die Glühkerzen auf der kalten, ther-
tionen bearbeitet. Der Konstrukteur achtet dabei auf misch niedrig belasteten Zylinderkopfseite angeordnet
die rechtzeitige Geometriefestlegung, da Änderungen werden. Durch die kurze Führung der Auslasskanäle
am Kanal oft große Zylinderkopfänderungen nach sich im Zylinderkopf wird das Aufheizen auf ein geringes
ziehen. Oft treten während der Geometrieauslegung Maß begrenzt [52]. Die beschriebene Kanalkonfigu-
180 Kapitel 7 • Motorkomponenten

unterschiedlich. Für die Ventilführungslänge gibt es


1 für Tassen- und Schlepphebelköpfe unterschiedliche
Erfahrungswerte. Eine Schlepphebelsteuerung benö-
2 tigt eine bessere und damit längere Ventilschaftfüh-
rung als eine Tassensteuerung, da die Tasse selbst eine
Führung hat. Die Ventillänge wiederum ergibt sich
3 aus der benötigten Einbaulänge der Ventilfeder. Diese
gegenseitigen Abhängigkeiten führen bei Neuentwick-
lungen während der Vorentwicklungsphase zum ver-
4 stärkten Einsatz der Simulationstechniken, um die für
die Erprobung nötigen Prototypen möglichst gering
5 zu halten.
Am Beispiel der Entwicklung des Ventiltriebs eines
Sechszylindermotors der Fa. BMW sind in . Abb. 7.90
6 die Entwicklungsschritte über mehrere Modelljahre im
Hinblick auf Gewichtsreduzierung des Ventiltriebs auf-
7 gezeigt.
Um ein Abheben der Ventile bei hohen Dreh-
zahlen zu verhindern, muss die Ventilfeder mit einer
8 Mindestkraft F1 ausgelegt werden und die Nockenform
dafür entsprechend ausgelegt sein. Auf Grund der be-
nötigten Federkraft und der damit verbundenen Feder-
9 geometrie ergibt sich der Mindesteinbauraum für die
Feder. Um die Federkraft F2 bei maximalem Ventilhub
..Abb. 7.89  Anordnung der Gaswechselkanäle im
10 Zylinderkopf [52]
zu begrenzen, ist das Hauptbestreben der Ventiltriebs-
auslegung, die auf das Ventil wirkenden Massen mög-
lichst klein zu halten.
11 ration ermöglicht zusätzlich ein symmetrisches Ven-
tilbild, das sich positiv auf die Anordnung des Ventil- 7.8.2.4 Kühlkonzepte
triebes auswirkt, . Abb. 7.89. Für die Zylinderkopfkühlung wird bei Wasserkühlung
12 zwischen Querstromkühlung, Längsstromkühlung und
7.8.2.3 Ventiltriebsauslegung der Kombination dieser beiden Arten unterschieden.
13 Die Diskussion, welcher Ventiltrieb für den Motor der Bei der Querstromkühlung fließt das Kühlmedium von
Günstigste ist, wird an dieser Stelle nicht geführt. Je der heißen Auslassventilseite zur Einlassventilseite; bei
nach Anforderungsprofil der Motoren bezüglich ihres der Längsstromkühlung erfolgt der Kühlmittelstrom
14 Einsatzgebietes ergeben sich unterschiedliche Aus- längs zur Zylinderkopfachse. Das Ziel der Kühlung
legungsstrategien, die verschiedene Ventiltriebskon- ist, die Temperaturverteilung innerhalb eines Zylin-
15 zepte zur Folge haben. An Pkw-Serienmotoren lässt
sich jedoch ein Trend zu rollenbetätigten Schlepp-
derkopfsegmentes auf einem niedrigen Niveau zu ver-
gleichsmäßigen wie gleichartigen Kühlungsbedingun-
oder Kipphebeln beobachten. Diese Konstruktionen gen für alle Zylindersegmente zu erzeugen.
16 haben den geringsten Reibungsbedarf des Einzelven- Ferner sollen das Brennraumdach und die Ventil-
tiltriebs. Jedoch sind diese Lösungen im Vergleich zu stege gut umströmt werden, wobei der Druckverlust
Gleitschlepphebelkonstruktionen schwerer, so dass sie der Gesamtströmung im Zylinderkopf möglichst klein
17 zum Beispiel bei Sportmotoren nicht eingesetzt wer- zu halten ist. Über die Zylinderkopfdichtung gelangt
den. Hier gilt es, die bewegten Massen sehr gering zu das Kühlmedium vom Kurbelgehäuse aus über meh-
18 halten und die Elastizitäten zu minimieren. Oft werden rere Übertritte in die Unterseite des Zylinderkopfes.
deshalb an Sportmotoren Konzepte mit mechanischer Form, Lage und Größe der Übertritte gilt es entspre-
Ventilspieleinstellung eingesetzt. chend abzustimmen. Stand der Technik sind hierzu
19 Die Auslegung des Ventiltriebs nimmt in der Zy- die in ▶ Abschn. 7.8.2.9 beschriebenen Kühlmittelströ-
linderkopfentwicklung einen hohen Stellenwert ein. mungsberechnungen. Erst durch die Simulation sind
20 Bei Neuentwicklung werden Tassenstößel- im Ver-
gleich zu Schlepphebelkonzepten bewertet. Die Ein-
Problemzonen, wie die Stege zwischen den Auslasska-
nälen oder der Bereich um die Zündkerzen, betriebs-
bausituationen für die Ventile ist dabei in der Regel sicher auszulegen.
7.8 • Zylinderkopf
181 7
..Abb. 7.90 Ent- Modelljahr 1990 Modelljahr 1993 Modelljahr 1995
wicklungsschritte zur
Gewichtsreduktion der Tasse Ø 35, 80g Ø 35, 65g Ø 33,48 g
Ventiltriebskomponen- Federteller 15 g 11,1 g 7,9 g
ten [53] Kegelstück 1,5 g 1g 1,0 g
Zylindrische Zylindrische Konische
Feder Doppelfeder Einfachfeder Einfachfeder
69 g x ½ = 34,5 g 51 g x ½ = 25,5 g 40,5 g x 1/3 = 13,5 g
Ventil Ø Schaft 7, 58g Ø Schaft 6, 46g Ø Schaft 6, 46g
Summe 189,5 g 148,6 g 116,4 g

Basis: 2,5-l-Motor auf der Einlassventilseite

7.8.2.5 Ölhaushalt 7.8.2.6 Konstruktive


Die Druckölversorgung für die Schmierung des Zy- Detailauslegungen
linderkopfes erfolgt in der Regel durch die Ölpumpe Bei den Zylinderkopfschrauben handelt es sich meist
im Zylinderblock über Übertrittsbohrungen in der um Bundschrauben. Hierbei ist der Bund auf Grund der
Zylinderkopfdichtung. Durch Querbohrungen oder zu übertragenden Flächenpressung zwischen Schrau-
spezielle Zusatzleitungen gelangt das Öl zu den Ver- benauflage und Zylinderkopf breiter als der Schrau-
brauchsstellen wie Nockenwellenlager, Hydrostößel, benkopf. Dieses kann bei einteiligen Zylinderköpfen zu
hydraulische Ventilspielausgleichselemente, Nocken- Einschränkungen auf die Anordnung der Nockenwellen
wellenversteller oder Ölspritzdüsen über den Nocken. führen. Der Werkzeugdurchmesser zum Anziehen der
Durch die Leitungsquerschnitte der Ölzuführungen Schrauben oder der Außendurchmesser der Schrauben
und speziell angeordnete Drosselstellen in der Druck- bedingen daher die Lagen der Nockenwellen, wenn
ölversorgung des Zylinderkopfes wird der Ölverbrauch diese zur Zylindermontage im Zylinderkopf verbleiben
auf das nötige Minimum abgestimmt. Um ein Leer- sollen. Teilweise werden Zylinderköpfe mehrteilig aus-
laufen der hydraulischen Ventilspielausgleichselemente geführt, wobei die Ventilsteuerelemente durch ein oder
und der Nockenwellenverstellungen zu vermeiden, zwei separate Gussteile aufgenommen werden. Das Zy-
werden in der Druckversorgung dieser Elemente linderkopfunterteil ist dann einfacher auszuführen und
Rücklaufsperrventile vorgesehen. Mehrventilzylin- gießtechnisch herzustellen. Aus Kostengründen sind die
derköpfe sind auf Grund der größeren Anzahl an Ver- Mehrzahl der Zylinderköpfe an Pkw-Motoren einteilig.
braucherstellen schwieriger abzustimmen und weisen Je nach Brennverfahren ist der benötigte Bauraum
einen höheren Ölbedarf auf. Durch die Verwendung im Zylinderkopf für Zündkerzen, Glühkerzen oder
von Nockenwellenverstellern ist oft eine stärkere Öl- Einspritzdüsen sowie für deren Werkzeugdurchmes-
pumpe nötig. Dennoch konnte in den letzten Jahren ser für die Montage vorzusehen. Wenn möglich sollten
der Gesamtölverbrauch auch bei Mehrventilmotoren Zündkerzen für gängige Gewindedurchmesser oder
in Grenzen gehalten werden. Durch eine höhere Prä- Schlüsselweiten verwendet werden. Bei Dieselmoto-
zision in der mechanischen Bearbeitung, wodurch die ren oder Ottomotoren mit Direkteinspritzung wird es
Spiele geringer sind, durch eine feinere Abstimmung mit der Anordnung der Komponenten des Zylinder-
des Ölkreislaufes und durch technische Berechnungen kopfes gerade bei Mehrventil-Zylinderköpfen eng. Die
wurde diese Zielsetzung erreicht. Ventilanzahl wird wohl aus diesen Gründen auf vier
Der Ölabfluss zur Ölwanne geschieht durch ent- Ventilen je Brennraum begrenzt sein. Der Platzbedarf
sprechend große Rücklaufbohrungen zwischen Zylin- für diese Komponenten kann bei der Grundauslegung
derkopf und -block. Je nach Einbaulage des Motors des Zylinderkopfes mit den 3D-CAD-Systemen para-
sind die Rückläufe möglichst an tiefster Stelle vorzu- metrisch modelliert werden. Damit können mögliche
sehen. Durch die Rotation der Nockenwellen wird das geometrische Lagen einfach dargestellt werden. Die
Öl teilweise derart geschleudert, dass es aufschäumt. um diese Komponenten benötigten Wandstärken am
Entsprechend sind auch im Bereich unterhalb der No- Zylinderkopfrohteil engen den Gesamtbauraum für die
ckenwellen ausreichende Querschnitte zum Ablauf in Ventilbaugruppe oder die Nockenwellen ein. Auch die
Richtung Zylinderblock vorzusehen. Besonders bei Bo- für die Kühlung benötigten Durchflussquerschnitte
xer- oder V-Motoren ist auf Grund der Einbaulage des werden damit begrenzt.
Zylinderkopfes die Konstruktion auf genügend große Moderne Mehrventil-Ottomotoren weisen im
Ablaufquerschnitte hin auszulegen. Zylinderkopf Nockenwellenversteller auf. Die in Serie
182 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Projektfreigabe 3D-CAD-Daten 3D-CAD-Modell Erstarrungs-


1 Projektorganisation Zylinderkopf Zylinderkopfrohteil simulation

Kostenanalyse Konzeptfindung konstruktive Konstruktion:


2 Vorgaben der
Konzeptauswahl Voruntersuchungen Modelle, Formen
Kerne
Fräsprogramme
Fertigung Konzeptbewertung Vorversuche Kernpakete

3
und -festlegung
Berechnungen
Lasergesinterte Herstellung CNC-
Sandkerne Gießeinrichtung Bearbeitung
Konstruktion Konstruktion
4 Baustufe I Baustufe II
Niederdruck-
Berechnungen Kopffertigung mit Sandguss
Serienwerkzeugen
5 Prototypenbau
Baustufe I Mechanik- Thermodynamik- Qualitätssicherung
Mechanische
Bearbeitung
erprobung erprobung

6 Mechanik-
erprobung
Thermodynamik-
erprobung Dauerläufe
..Abb. 7.92  Beispiel eines Ablaufs für die Erstellung
von Zylinderkopfprototypen nach Becker [54]
eventuell erste Freigabe

7 Dauerläufe
Vorserienfertigung

Serienfertigung
7.8.2.7 Konstruktion in Baustufen
8 Alle Einflüsse während der Konstruktion des Zylin-
..Abb. 7.91  Beispiel für Entwicklungsschritte von derkopfs können insbesondere bei der Entwicklung
Zylinderköpfen in zwei Baustufen neuer Brennverfahren nicht vorherbestimmt werden.
9 Die rechnergestützte Grundauslegung oder die Berech-
befindlichen Systeme befinden sich alle am Nocken- nungsverfahren der Simulationstechniken helfen hier
10 wellenantrieb und werden entweder durch Zahnrie-
men oder Kette von der Kurbelwelle angetrieben. Für
zwar schon viele Erkenntnisse im Voraus zu gewinnen,
doch die wechselseitig wirkenden Einflussfaktoren auf
die Ölversorgung der Versteller gilt es im Zylinderkopf die Zylinderkopfentwicklung sind sehr komplex, dass
11 geeignete Versorgungsleitungen vorzusehen. Bei der sich eine Entwicklung der Zylinderköpfe in mehreren
Neuentwicklung eines Zylinderkopfes gelingt dies Baustufen empfiehlt. Außerdem liefert die Thermody-
einfacher. Der Platzbedarf für die Versteller ist bei namik- und Mechanikerprobung der Motoren viele
12 den heute üblichen Systemen nach den „Vane-Type- Erkenntnisse, die ebenfalls nicht vorhersehbar sind
System“ nicht besonders hoch. Mit diesen Verstellern (. Abb. 7.91).
13 kann der Verstellwinkel der Nockenwellen stufenlos Bei der Entwicklung völlig neuer Zylinderkopfkon-
zur Kurbelwelle verdreht werden [47]. zepte kann es sinnvoll sein, schnell und kostengünstig
Die Durchmessergröße der Antriebsräder der No- Zylinderköpfe als Prototypen für die Vorentwicklung
14 ckenwellen ist verantwortlich für den Mindestnocken- zu erhalten. Für die Erstellung erster Prototypen sind
wellenabstand. Gerade bei direkt von der Kurbelwelle oft andere Herstellverfahren als für die Serienzylinder-
15 angetriebenen Nockenwellen bestimmt der damit ver-
bundene Abstand die Konstruktion des Zylinderkopfes
köpfe sinnvoll. So können für Prototypen und kleine
Stückzahlen Zylinderköpfe im Niederdruck-Sandguss-
maßgeblich. Oft werden auch bei Mehrventilmotoren verfahren hergestellt werden. In . Abb. 7.92 ist exemp-
16 die Nockenwellen über Zwischentriebe angetrieben. larisch für die Erstellung von Zylinderkopfprototypen
Bei Verwendung von Nockenwellenverstellern ist nach diesem Verfahren ein Ablaufschema dargestellt.
jedoch der Antrieb direkt an einer Stirnseite des Zy- Auch kleinere Unternehmen haben sich auf diese The-
17 linderkopfes am kostengünstigsten zu realisieren. Bei matik spezialisiert, um möglichst schnell und kosten-
dieser Nockenwellenantriebsart ist der Nockenwellen- günstig erste Prototypen liefern zu können.
18 abstand entsprechend groß oder zwischen Kurbel- und Zur Reduzierung der Gesamtentwicklungszeit
Nockenwelle wird ein Zwischentrieb verwendet. Die für den Zylinderkopf gilt es die in einer Baustufe zu
größte Verbreitung finden Nockenwellenantriebe an entwickelnden Ziele genau festzulegen. Dem Projekt-
19 der Frontseite des Motors – das heißt gegenüber der management hierfür kommt ein hoher Stellenwert zu.
Kupplungsseite. Mittenantriebe zwischen den Zylin- Simultan wird in der Regel während der Erprobung
20 dern kommen an Pkw-Motoren eher selten vor, wobei
man sie an Motoradmotoren häufiger vorfindet. An-
der ersten Baustufe mit der Entwicklung der zweiten
Baustufe begonnen. Dabei sollten die für die Serie ge-
triebe über der Kupplungsseite sind ebenfalls selten. planten Fertigungsverfahren eingesetzt werden. Ins-
7.8 • Zylinderkopf
183 7

besondere das Zylinderkopfrohteil sollte mit dem in totypen einfließen. Damit gelingt die Steuerung nach-
der Serie geplanten Gießverfahren hergestellt werden. folgender Entwicklungsschritte effektiver, wodurch
Die Entwicklung eines Zylinderkopfes in einer auch der im Versuch eingesetzte Bauteileumfang re-
einzigen Baustufe bis zur Serie ist bei Konstruktionen duziert werden kann. Das stetige Verifizieren der Be-
möglich, die auf Basis von vorhandenen Köpfen nur rechnungen durch Versuchsergebnisse ist weiterhin
geringe Modifikationen aufweisen. erforderlich. Die Rechnerunterstützung reicht von der
Bauteilgrobdimensionierung über Detailauslegungen
7.8.2.8 CAD-Einsatz bis hin zu Optimierungs- und Simulationsrechnungen.
in der Konstruktion Die Zielkriterien für neue Motoren nach verbesserten
Aus Gründen der vielfachen Verwendung von CAD- Umweltverträglichkeiten, Abgasemissionen, Kraft-
Daten werden Zylinderköpfe komplett dreidimen- stoffverbräuchen, Fahrleistungen, verbesserter Pro-
sional in den CAD-Systemen modelliert. Auf Basis duktqualität und verbessertem Fahrkomfort können
dieser Daten können sowohl die Modell- als auch die durch technische Berechnungen besser erfüllt werden.
Gießeinrichtungen abgeleitet werden. Die Geometrien Bevor die ersten Prototypen aufgebaut werden,
eignen sich ebenfalls für Simulationsrechnungen. Bei befassen sich die Berechnungen schwerpunktmäßig
der Neuauslegung eines Zylinderkopfes können Ab- mit der Festlegung der Ventil-Brennraum- und Gas-
hängigkeiten zwischen den Komponenten des Zylin- wechselkanalgeometrie. Zunehmend können auch
derkopfes parametrisiert werden. Damit lassen sich erstellte 3D-CAD-Daten der Geometrie des Kopfes
Grundlagenstudien einfach und schnell durchführen. direkt für die technischen Berechnungen genutzt wer-
Sobald das Zylinderkopfgrobkonzept mit der Festle- den. Während der Entwicklung eines Zylinderkopfes
gung der inneren Komponenten und der Hauptabmes- in Baustufen, womit wesentlich unterschiedliche Zy-
sungen steht, sollten Modellbauer und Gießer wäh- linderkopf-Hardwareentwicklungsstände verstanden
rend der Detailkonstruktion die Tätigkeiten begleiten. werden, beginnen die technischen Berechnungen
Fertigungsgesichtspunkte können früh einfließen. Je schon zu Entwicklungsbeginn. Im Entwicklungsverlauf
nach verwendetem CAD-System sind die angewen- der ersten Baustufe wird der Großteil an Berechnun-
deten Konstruktionsmethoden unterschiedlich. Sinn- gen durchgeführt. Die Zielsetzung ist hier eine Un-
voll ist zum Beispiel die Parametrisierung des Zylin- terstützung zur Konzeptfindung und -festlegung der
derkopfes auf wenige Parameter zu beschränken, um Zylinderkopfhauptgeometrien zu liefern. Während der
bei Änderungen am Modell flexibel zu bleiben. Alle Erprobung nachfolgender Baustufen dienen technische
am Projekt beteiligten Konstrukteure sollten mit der Berechnungen eher der Konzeptpräzisierung und der
gleichen Software und deren identischen Grundein- Detailfestlegung. Zum Serieneinsatz hinnehmen die
stellungen arbeiten. Auf Grund der Komplexität der Aktivitäten der Berechnungen ab.
CAD-Methodik sollte im Entwicklerteam jemand für An dieser Stelle wird nur kurz auf einige Umfänge
die Einhaltung der Methodik verantwortlich sein. Da eingegangen, die bei der Dimensionierung der Zylin-
der Zylinderkopf viele Schnittstellen zu benachbarten derköpfe eine wesentliche Rolle spielen. Technische
Bauteilen aufweist, sind die Übergabebedingungen zu Berechnungen tragen dazu bei, dass die komplexen
diesen Bauteilen festzulegen. Vorgänge bei der Entwicklung des Zylinderkopfes
Die CAD-Prozesskettendurchgängigkeit bringt verständlicher interpretiert werden können.
viele Vorteile mit sich. Daten sind reproduzierbarer, Zur Berechnung des Ladungswechsels wird das
können leichter für Zylinderkopfbaureihen verwen- Programm PROMO [56] verwendet, mit dem instati-
det werden und schließen Ungenauigkeiten zwischen onäre Gasströmungen in den Ansaug- und Abgassys-
Konstruktion und Fertigung weitestgehend aus. Zylin- temen von Saug- und Turbomotoren berechnet wer-
derkopfkonstrukteure, die das Gesamtkonzept eines den. Die Ladungswechselorgane eines Motorsystems
neuen Bauteils erstellen, benötigen viel Erfahrung. mit seinem Saug- und Abgassystem werden zu einem
Heutzutage werden die Konstruktionen zu 100 % in Ersatzmodell aufgebaut. Das Strömungsgeschehen,
CAD hergestellt. wie zum Beispiel Druckschwingungen oder Massen-
ströme, kann an bestimmten Stellen des Motors ana-
7.8.2.9 Rechnergestützte Auslegung lysiert werden. Das Programm gibt Aufschluss über
Zur Dimensionierung der Zylinderkopfgeometrie wer- die zu erwartenden motorischen Kennwerte wie zum
den heutzutage eine Vielzahl von Berechnungsmetho- Beispiel Liefergrad, maximales Drehmoment oder
den eingesetzt [55]. Durch einen frühen Berechnungs- Leistung einer bestimmten Motorkonfiguration. Der
einsatz – schon von der Konzeptphase an – können Berechnungskern ist in einer grafisch interaktiven
Berechnungserkenntnisse in erste Zylinderkopf-Pro- Bedienoberfläche eingebettet, über die die Datensatz-
184 Kapitel 7 • Motorkomponenten

aufbereitung und die Ergebnisauswertung geschieht.


1 Im Rahmen der Geometrieauslegung der Kanäle am
Zylinderkopf ist das Programm PROMO in der frü-
2 hen Phase der Konzeptauslegung gerade für die erste
Dimensionierung der Ladungswechselorgane sehr gut
geeignet, besonders zur Auslegung der Steuerzeiten.
3 Hierdurch können zum Beispiel bei der Entwicklung
von Zylinderkopfkonzepten mit variablen Ventilsteu-
erungen kostentreibende Versuche minimiert werden.
4 Für die Motorenentwicklung liefert das Programm

5 --
ferner Erkenntnisse zur:
Dimensionierung von Saugrohren,
Konzeption von Schalt- und Resonanzsaugroh-

6
- ren,
Bewertung von Nockenkonturen und Steuerzei-

7 - ten,
Potenzialabschätzung verschiedener Konzepte

8 -- für variable Ventilsteuerungen,


Bewertung unterschiedlicher Kanalformen,
Auspuffkrümmergestaltung hinsichtlich Länge
und Durchmesser der Rohre.
..Abb. 7.93 Strömungssimulation am Einlassventil
[55]

Konstruktion des Zylinderkopfes. Geometrien wie


9 Ergänzend hierzu werden zur Auslegung der Ein- und zum Beispiel Tassenstößeldurchmesser, Ventillänge
Auslasskanäle sowie des Brennraums in Zylinderkopf oder -schaftdurchmesser, Ventilfederabmessungen,
10 und Kolben dreidimensionale Strömungssimulationen
durchgeführt. Die Simulation der Ladungsbewegung
Geometrie von Schlepp- oder Schwinghebeln werden
durch diese Berechnungen bestimmt. Durch die Abbil-
erfolgt auf Basis der CAD-Beschreibung von Kanal dung des gesamten Ventiltriebs in mechanische Ersatz-
11 und Brennraumoberflächen. Mit der Berechnung modelle können auch die dynamischen Eigenschaften
sollen Erkenntnisse zum Strömungsverhalten der La- recht genau ermittelt werden. Die Erkenntnisse fließen
dung in Ansaug- oder Abgaskanälen sowie der in den direkt in die Geometrie der Nockenwellen oder der
12 Zylinder einströmenden Ladung gewonnen werden. Ventiltriebskomponenten ein [57].
Durch Lösung der Gleichungen können die komplexen Einen wesentlichen Beitrag zur Auslegung des
13 Strömungsvorgänge für stationäre und zeitlich verän- Kühlwasserraums des Zylinderkopfes leistet die drei-
derliche Zustände simuliert werden. Bei transienten dimensionale Strömungssimulation des gesamten
Berechnungen (das heißt für zeitlich veränderliche Zu- Kühlkreislaufs [55]. Diese Methode ist in einem grö-
14 stände) wird das zu erstellende Berechnungsnetz in je- ßeren Berechnungsrahmen integriert, der der Opti-
dem Zeitschritt entsprechend der aktuellen Ventil- und mierung der gesamten Motorkühlung einschließlich
15 Kolbenposition modifiziert. Die Ergebnisse der Simu-
lation wie Druck, Geschwindigkeiten, Turbulenz- und
Wasserpumpen- und Kühlerauslegung dient. Die vom
Wasser durchströmte Geometrie von Zylinderblock
Mischungsgrößen müssen im Hinblick auf optimale und -kopf wird modelliert und anschließend zu ei-
16 Verbrennung bewertet werden. Als ein Berechnungs- nem Berechnungsgitter aufgebaut. . Abb. 7.94 zeigt
ergebnis ist für eine mittlere Ventilhubstellung eines den Ausschnitt des Wassermantels als ein Beispiel der
Einlassventils in . Abb.  7.93 die Geschwindigkeits- Kühlmittelströmungssimulation an einem Fünfventil-
17 verteilung der in den Zylinder einströmenden Ladung Zylinderkopf mit Querstromkühlung. Der Zylinder-
dargestellt (hier 90 Grad nach Ladungswechsel-OT). kopf erhält das Kühlwasser über Durchtrittsbohrungen
18 Die dreidimensionale Strömungssimulation ist beson- in der Zylinderkopfdichtung, durch deren abgestimmte
ders bei Entwicklung neuer Brennverfahren hilfreich. Durchmesser eine annähernde Gleichverteilung der
Drall- oder Tumbleeffekte können besser analysiert unterschiedlichen Zylinder mit Kühlwasser sicher-
19 und entsprechend weiter entwickelt werden. gestellt wird. Etwa zwei Drittel der Kühlmittelmenge
Einen großen Stellenwert bei der Zylinderkopfent- gelangt auf der Auslassventilseite in den Zylinderkopf.
20 wicklung nimmt die Auslegung der Ventilerhebungs-
kurven und die Simulation der Ventiltriebsdynamik
Der Kühlmittelstrom führt über den Brennraumbo-
den und den Auslasskanälen zum Zündkerzenschacht.
ein. Die Erkenntnisse hierzu beeinflussen direkt die Hinter dem Kerzenschacht erfolgt die Abströmung
7.8 • Zylinderkopf
185 7

Zur Dimensionierung von Zylinderköpfen und


deren Komponenten stellen Festigkeitsberechnungen
einen Schwerpunkt technischer Berechnungen in der
Motorenentwicklung zur Festlegung der Zylinder-
kopfgeometrie dar. Um Zylinderköpfe möglichst leicht
und ausreichend steif zu gestalten, werden Finite-Ele-
mente-Berechnungen des kompletten Zylinderkopfes
durchgeführt [55, 58]. Die Strukturfestigkeit der No-
ckenwellen und deren Lager können zum Beispiel in
Hinblick auf Gestalt und Lage der Nockenwellenlager
untersucht werden. Wandstärken können durch die
Festigkeitsanalyse minimiert werden. Versteifungs-
rippen werden zur Steigerung der Strukturfestigkeit
vorgesehen. Damit lassen sich kraftflussgünstige Kons-
truktionen im Detail vorherbestimmen. Ein Ausschnitt
aus dem Finite-Elemente-Modell eines kompletten
..Abb. 7.94  Wassermantelausschnitt für die Kühlmit- Zylinderkopfes ist in . Abb. 7.95 dargestellt [58]. Die
telströmungssimulation [55] Belastungsgrößen für die Berechnung sind die Fe-
der- und Massenkräfte des Ventiltriebs, Riemen- und
entlang eines längs durch den Zylinderkopf führenden Kettenkräfte am Nockenwellenende und die durch die
zentralen Wassersammelkanals. Als Beispiel des Ergeb- Zylinderkopfverschraubung auftretenden Kräfte. In
nisses einer Simulationsrechnung sei in . Abb. 7.94 . Abb. 7.95 sind die Vergleichsspannungen nach von
die Darstellung des konvektiven Wärmeübergangs- Mises am verformten Zylinderkopf bei Temperaturbe-
koeffizienten im thermisch hochbelasteten Bereich lastung im Nennlastpunkt dargestellt.
des Auslasskanals angeführt. Die dunklen Flächen Auf Grund hoher Anforderungen an Zuverläs-
entsprechen einem hohen Wärmeübergangskoeffi- sigkeit und Laufruhe des Ventiltriebs kommt der No-
zienten, ein Ergebnis, das durch optimierte Position ckenkonturauslegung ein hoher Stellenwert zu. Neben
und Wahl der Durchmesser der Übertrittsbohrungen der rein kinematischen Auslegung von Nockenkontu-
in der Zylinderkopfdichtung erzielt wurde. Durch die ren kommen verschiedene Programme zum Einsatz,
Optimierung der Zylinderkopfkühlungsauslegung mit um ein gutes dynamisches Verhalten des Ventiltriebs
Unterstützung von Simulationsrechnungen kann das zu gewährleisten. Zur Durchführung der Simulati-
Temperaturniveau aller Zylinder innerhalb kleiner onsrechnungen wird die Ventiltriebsstruktur in ein
Streuungen konstant gehalten werden. Diese Methode Mehrkörper-Schwingungssystem mit einstellbaren
liefert in der Zylinderkopfentwicklung einen Beitrag, Koppelbedingungen für Reibung, Steifigkeit, Dämp-
der auf konventionellem Wege nur mit sehr hohem fung und Bewegungsfreiheitsgrad überführt. Über
versuchstechnischem Aufwand darzustellen ist. Berechnungen zur Auslegung des Einzelventiltriebs

..Abb. 7.95 Festigkeits-
analyse am Zylinderkopf
[58]
186 Kapitel 7 • Motorkomponenten

wird die dynamische Simulation am gesamten Ventil- Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Geometrie
1 trieb durchgeführt, um die Wechselwirkungen einzel- der Zylinderköpfe werden durch die zu verwenden-
ner Komponenten untereinander besser beurteilen zu den Bauteile im Zylinderkopf stark eingeschränkt.
2 können. Die Anregung des Ventiltriebs erfolgt über die
Nockenkontur. Die Ermittlung der Steifigkeiten erfolgt
Insbesondere bei neu entwickelten Zylinderköpfen
für Dieselmotoren mit Direkteinspritzung haben die
auf Grund von Messungen an den Bauteilen oder aus Komplexität der Form und Höhe der im Betrieb auf-
3 Finite-Elemente-Berechnungen. Die Dämpfungswerte tretenden Spannungen erheblich zugenommen. Um
sind in erster Linie Erfahrungswerte, die durch Ab- diese gestiegenen Anforderungen zu erfüllen, müssen
gleich von Rechnung und Messung bestimmt werden. die verfügbaren Werkstoffe optimiert und weiter ent-
4 Die Ventilfeder als Hauptschwingungselement wird in wickelt werden. Je nach Anforderungsprofil der Mo-
viele Teilschwingungssysteme zerlegt. Ein Ziel der Dy- toren und verwendetem Gießverfahren werden unter-
5 namikberechnung ist der Drehzahlfestigkeitsnachweis schiedliche Werkstoffe für Zylinderköpfe eingesetzt.
der Ventilfeder für möglichst geringe Ventilfederkräfte, Für Großmotoren und Nutzfahrzeuge kommen neben
um die Gesamtreibung des Ventiltriebs möglichst ge- Aluminium auch noch Gusseisenwerkstoffe zum Ein-
6 ring zu halten. Mit Hilfe der Simulationsrechnungen satz. Im Bereich der Pkw-Motoren wird bis auf wenige
lässt sich schon in einem frühen Entwicklungsstadium Ausnahmen Aluminium eingesetzt. Für Zylinderköpfe
7 das Zusammenspiel einzelner Bauteile abschätzen.
Durch gezielte Veränderung von Bauteileigenschaften
kommen sowohl Primärlegierungen – im Hüttenwerk
gewonnenes Aluminium – als auch Umschmelzlegie-
lässt sich die Gesamtstruktur des Zylinderkopfes und rungen – aus recyceltem Aluminium durch Schmelzen
8 dessen Komponenten so beeinflussen, dass das Eigen- und Reinigungsbehandlung hergestellte Legierung in
formverhalten der Bauteile beherrschbar innerhalb Blockform oder flüssigem Zustand angeliefert – zum
vom Anregungsspektrums des Ventiltriebs liegt. Die Einsatz. Auch für die hochbeanspruchten Dieselmoto-
9 geeignete Abstimmung der Anregung selbst, die in ers- ren mit Direkteinspritzung werden Aluminium-Guss-
ter Linie von der Gestalt der Nockenkontur bestimmt legierungen verwendet; alle Gießverfahren sind jedoch
10 wird, ermöglicht ebenfalls eine deutliche Reduzierung
der dynamischen Effekte am Ventiltrieb.
für diese Zylinderköpfe nicht verwendbar.
Bei Zünddrücken über 150 bar werden Legierun-

11
Zur Abstimmung des Ölhaushaltes im Zylinder-
kopf können Ölkreislaufsberechnungen durchgeführt
werden [55]. Über die Berechnungen von Teilsystemen -
gen benötigt, die bezüglich
hoher Zugfestigkeit und hoher Kriechbeständig-
keit zwischen Raumtemperatur bis zu erhöhten
12 wie zum Beispiel den Ölhaushalt des Zylinderkopfes
wird über die Simulationsrechnung des gesamten
-- Temperaturen von etwa 250 °C,
hoher Wärmeleitfähigkeit,

13
Motorölversorgungssystems die Minimierung des
Ölverbrauchs angestrebt. Damit wird die Ölpumpen-
- niedriger Porosität,
hoher Duktilität und Elastizität bei hoher Ther-

14
leistungsaufnahme möglichst gering gehalten. Hierzu
werden alle ölführenden Komponenten des Motors
in einem hydraulischen Ersatzsystem modelliert. Die
Ölverbrauchsstellen im Zylinderkopf wie Tassenstö-
- moschockbeständigkeit,
guter Gießeigenschaften bei geringer Warmriss-
anfälligkeit
hohen Ansprüchen genügen müssen.
15 ßel, Nockenwellenlager, Nockenwellenversteller oder
Ölspritzdüsen gilt es durch die Simulation zu opti-
Der zentrale Bereich des Zylinderkopfes in Brenn-
raumnähe sowie insbesondere alle Stege, die sich im
mieren. Anhand von experimentellen Grundsatzun- Bereich der Auslasskanäle befinden, werden neben
16 tersuchungen werden die Berechnungsmodelle feiner der mechanischen Belastung zusätzlich sehr stark in
abgestimmt. Durch diese Vorausberechnungen lassen einer Spanne von circa 180 bis 220 °C temperaturbe-
sich die Querschnitte für die Ölführungen sowie ge- ansprucht [59]. Sobald die Konzeption eines neuen Zy-
17 wünschte Drosselstellen gut vorherbestimmen, wo- linderkopfes sich präzisiert, sollte das Gießverfahren
durch die kostentreibenden Versuchsdurchführungen festgelegt werden. Eine frühe Beteiligung des Modell-
18 am Vollmotor reduziert werden. baus und der Gießerei vermeiden viele Fehler in der
Konstruktionsphase. Die Gießerei hat den Auftrag, die
Konstruktion des Zylinderkopfes so zu beeinflussen,
19 7.8.3 Gießverfahren dass das Rohteil optimal gießbar ist. Größtenteils wird
durch Simulation das Befüllungs- und Erstarrungsver-
20 Zylinderköpfe für Verbrennungsmotoren stellen hohe
Anforderungen an die mechanischen Eigenschaften
halten für den Gießprozess durchgeführt. Diese 3D-
Berechnungen liefern schon während der Konzepti-
der Werkstoffe im Temperaturbereich über 150 °C. onsphase dem Gießer wichtige Erkenntnisse über zu
7.8 • Zylinderkopf
187 7

erwartende Problemstellen. Die Geometrie des Zylin-


derkopfes kann, auf diese Stellen hin angepasst werden,
Formhohlraum
bevor der erste Prototyp erstellt ist. Damit werden im
Entwicklungsprozess erhebliche Kosten eingespart. Sandraum
Die wesentlichen Gießverfahren für Zylinder-
blöcke können auch bei Zylinderköpfen eingesetzt Düse
werden. Im Folgenden wird auf die gebräuchlichsten
Gießverfahren kurz eingegangen.
Gasdruck
7.8.3.1 Sandguss
Steigrohr
Zur Formausbildung des späteren Zylinderkopfes in
Warmhalteofen
der Sandform werden Modelle und Kernkästen aus
Hartholz, Metall oder Kunststoff verwendet. Die Guss-
formen werden in der Regel aus Quarzsand – Natur­
sand oder synthetischem Sand – in Verbindung mit zu-
gegebenen Bindern (Kunstharz, CO2) hergestellt. Die
Sandkerne werden in Kernschießmaschinen herge- ..Abb. 7.96 Niederdrucksandgussverfahren
stellt, wobei der Sand mit Druck eingebracht wird und
das Sand/Harzgemisch durch Temperatureinbringung
zum Kern sich verdichtet. Für die Prototypenphase Sportmotoren, lassen sich schnell realisieren; die Um-
empfiehlt sich, Sandkerne im Lasersinter-Verfahren setzung von Änderungen während der Entwicklung
herzustellen. Schon bei der Herstellung von mittleren ist auf Grund der Verwendung von Kunststoffformen
Stückzahlen in der Serie erfolgt der Zusammenbau relativ einfach und kostengünstig.
von einzelnen Kernen zu einem Kernpaket und von Für die Fertigung von Prototypen und Kleinserien
Kernpaket und Gussaußenform maschinell und vollau- eignet sich das Niederdrucksandguss-Verfahren. Hier-
tomatisch. Modell-, Kern- und Formteilungen in ver- bei wird die Schmelze von unten durch ein Steigrohr in
schiedenen Ebenen und das Einlegen von Kernen in die Sandform unter Druckbeaufschlagung des Schmelz-
die Gießform lassen die Darstellung von komplizierten bades von circa 0,1 bis 0,5 bar gepresst, . Abb. 7.96.
Gussteilen mit Hinterschnitten zu. Beim Gießvorgang Während des Gießens wird der Druck gehalten.
werden die Hohlräume zwischen Außenform und Ker- Da die Erstarrung unter Druck nahezu gerichtet
nen mit Schmelze gefüllt. Nach dem Gießvorgang und erfolgt, sind die Zylinderköpfe in ihrer Gefügestruktur
der Erstarrung der Metallschmelze wird das Gussstück sehr hochwertig.
aus der Sandform herausgenommen. Dabei wird die Das Cosworth-Niederdrucksandguss-Verfahren
Sandform zerstört (daher „verlorene Form“). Nach wird auf Grund hoher Maßgenauigkeit und Festigkeit,
dem Guss wird das Rohteil gesäubert und der Anguss dichter Gefügequalität und Porenfreiheit auch bei Zy-
und die Steiger abgetrennt. In der Großserie erfolgen linderköpfen eingesetzt. Verfahrensgemäß wird die
diese Schritte vollautomatisiert. Bei Sandgussteilen aus Aluminiumlegierung in Form von geprüften Block-
Al-Si-Legierungen ist eine doppelte Wärmebehand- metallen im widerstandsbeheizten Elektroofen unter
lung möglich. Die erste Wärmebehandlung besteht aus Schutzgasatmosphäre eingeschmolzen, . Abb.  7.97.
einer gesteuerten Abkühlverweildauer des Gussstückes Die Schmelze wird in einem großbemessenen Warm-
in der Sandform. Die zweite Wärmebehandlung ist die halteofen unter Schutzgas gespeichert. Das Gießen
Warmauslagerung, eine zeit- und temperaturgesteuerte erfolgt mit einer elektromagnetischen Pumpe, die
Lagerung des Gussteils in einem Ofen. Diese Wärme- das flüssige Aluminium zur Sandform hochfördert,
behandlungen dienen der Festigkeitssteigerung des wobei es von unten in den Formhohlraum einströmt.
Gussteils sowie des Abbaus von Eigenspannungen, die Die Druckbeaufschlagung auf das flüssige Metall wird
durch den Abkühlprozess entstehen. Die Geometrie wie beim Niederdruckguss-Verfahren während der
der Bauteile kann auf Grund der verlorenen Formen Erstarrung aufrechterhalten. Durch programmierbare
Hinterschnitte aufweisen, da nur ein einmaliger Ab- Steuerung der Pumpenleistung kann eine der jewei-
guss je Gießform erfolgt. ligen Form angepasste Formfüllungsweise eingestellt
Ein Vorteil beim Sandgussverfahren ist, dass bei werden. Das Abgießen kann weitgehend automatisiert
kleinen Stückzahlen die Fertigungseinrichtungen werden, wobei die fertigen Formen nacheinander in
schnell und kostengünstig erstellt werden können. die Gießstation über der elektromagnetischen Pumpe
Zylinderköpfe für Sondermotoren, wie zum Beispiel einfahren.
188 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1 Versand Wärme-
behandlung Putzen

Formzusammenbau

2 Form-
Gießstation Gussstücke „Gießstation“

und

3
Kern- Kühlstrecke
ferti-
gung
Ausleer-

4
station
elektromagne-
Aluminium- tische Pumpe
Blockmetall
5 Schmelz- und Warmhalteofen
Trockenzer-
kleinerung
6 Fließbett-
des Sandes

Sandrückgewinnung

7 ..Abb. 7.97  Gießverfahren der Fa. Cosworth

8 Das Core-Package-Verfahren oder auch Kernpa- Beim Schwerkraft-Kokillenguss erfolgt die Be-
ket-Verfahren wird seit circa 20 Jahren für den Abguss füllung der Form allein durch die Schwerkraft der
von Zylinderköpfen verwendet. Bei diesem Sandguss- Schmelze unter atmosphärischem Druck. Der Gieß-
9 verfahren wird ein geschlossenes Sandkernpaket aus vorgang erfolgt überwiegend auf teil- oder vollauto-
mehreren Einzelsandkernen zusammengesetzt. Der matisierten Gießanlagen. Bei diesen Gießverfahren
10 Zusammenhalt erfolgt in der Regel durch Kleben, aber
auch durch Verschrauben bei der Kernmontage. Kern-
können die Kokillen im Vergleich zum Sandguss viel-
fach verwendet werden. Lediglich neue Sandkerne
pakete werden bei kompliziert gestalteten Kernen, die werden bei jedem Gießvorgang benötigt. Man spricht
11 nicht in einem Stück hergestellt sind, angewandt. In deshalb auch von verlorenen Kernen. Auf Grund der
seinem Ursprung ist das Kernpaket-Verfahren auf der Verwendung von Sandkernen hat der Kokillen- wie
Basis des Niederdruckgießprinzips mittels elektroma- der Sandguss den Vorteil großer konstruktiver Ge-
12 gnetischer Pumpe wegen seiner geringen Produktivität staltungsfreiheit. Hinterschnitte im Gussteil sind im
auf Kleinserien von Zylinderköpfen beschränkt. Neu- Gegensatz zu Druckguss möglich. Durch die Verwen-
13 este Ansätze zeigen auch die Perspektive, durch Anpas- dung von Stahl als Kokillen erfolgt, im Gegensatz zur
sung der Fertigungseinrichtungen diese Verfahren für Sandgussform, eine schnelle und gerichtete Erstarrung
die Großserie vorzusehen. Die Gussteile unterschreiten der Metallschmelze. Durch Auftragen eines Trennmit-
14 nach dem Gießen bis zur vollständigen Entsandung tels, der sogenannten Schlichte, wird die Kokille ge-
nicht eine Temperatur von rund 500 °C. Damit werden gen die Leichtmetallschmelze geschützt. Im Vergleich
15 sie weitestgehend spannungsfrei gegossen, wodurch
die Bauteile eine hohe Maßgenauigkeit aufweisen.
zum Sandguss weisen beim Kokillenguss die Gussteile
einen feineren Gefügeaufbau bei höherer Festigkeit
Da jedes Bauteil in einer neuen kalten Form gegossen und Maßgenauigkeit sowie einer besseren Oberflä-
16 wird, treten Maßabweichungen wie beim Kokillenguss, chengüte auf. Bei Kokillen ist wie bei Sandgussteilen
bei dem die Dauerformen verschleißen, praktisch nicht eine doppelte Wärmebehandlung möglich. Neben dem
auf. Vorteil einer gesteuerten Abkühlung des Gussstückes
17 als erste Wärmebehandlung in der Kokille wird häufig
7.8.3.2 Kokillenguss eine weitere Wärmebehandlung (Warmauslagerung)
18 Circa 90 % der Zylinderköpfe in Europa werden mit vorgenommen. Im Vergleich zu Sandguss dürfen an
Kokillenguss hergestellt. Kokillen sind metallische den Dauerformen keine Hinterschnitte existieren, da
Dauerformen aus Grauguss oder Warmarbeitsstählen sie mehrfach verwendet werden.
19 zur Herstellung der Gussteile aus Leichtmetalllegie- Die meisten Zylinderköpfe zum Beispiel im VW-
rungen. In die Gießform werden wie beim Sandguss Konzern werden mit diesem Verfahren hergestellt.
20 die Sandkerne in die Form eingelegt. Der Kokillenguss
lässt sich unterteilen in Schwerkraft- und Niederdruck-
Die Zylinderköpfe werden brennraumseitig durch
eine je Zylinder eingelegte Stahlkokille gekühlt. Der
guss. Anguss erfolgt an der Oberseite des Zylinderkopfes,
7.8 • Zylinderkopf
189 7

von dem aus die absinkende Schmelze die Form füllt. 7.8.3.3 Lost-Foam-Verfahren
Der Brennraumbereich erstarrt durch die gekühlten (Vollform-Verfahren)
Brennraumkokillen schneller, was zu einer Festigkeits- Das Vollform- oder auch Lost-Foam-Verfahren wird
steigerung im Brennraumbereich führt. Der Gießpro- in den USA in Großserie eingesetzt. Bei der Fa. BMW
zess erfolgt auf einer Karussellgießanlage mit mehre- in Landshut wurde dieses Verfahren erstmals an ei-
ren Stationen, wodurch die Fertigungskosten in der nem Sechszylinder-Reihen-Ottomotor angewandt.
Großserie sehr gering sind. Als Standardlegierung wird Das Lost-Foam-Verfahren kann auch als Sonder-
G-AlSi7MgCu0,5 vergossen. Kleinserien werden bei form des Sandguss-Verfahrens bezeichnet werden. In
Lieferanten gegossen. Hier kommen ähnliche Verfah- . Abb. 7.98 sind die wesentlichen Schritte zur Her-
ren zum Einsatz, wobei teilweise die Zylinderköpfe von stellung eines Zylinderkopfes schematisch dargestellt.
unten durch spezielle Fließleisten angegossen werden. Zunächst wird das Poly-Styrol-Granulat erwärmt,
Die Ergebnisse bezüglich der Qualität des Endproduk- auf das 30-fache Volumen aufgeschäumt, getrocknet
tes sind vergleichbar. und gelagert. Im ersten Schritt des Gießprozesses wer-
Im Niederdruckgussverfahren werden ebenfalls den die Konturen, aus denen der Zylinderkopf sich
eine große Anzahl an Zylinderköpfen, wie zum Bei- in verschiedenen Schichten zusammensetzt, aus dem
spiel bei der Fa. HONSEL in Meschede, hergestellt. Poly-Styrol-Material geschäumt. Zur Formstabilität
Die Gießerei der Fa. BMW setzt unter anderem dieses werden die Schäumwerkzeuge mit Wasser gekühlt.
Verfahren für ihre Diesel- und den Großteil der Ot- Mit Greifern erfolgt die Entnahme des Schäumlings,
tomotoren ein. Ähnlich wie oben beschrieben wird der ausgehärtet auf ein Transportband gelegt wird. Die
die induktiv erhitzte Schmelze unter einem Überdruck Summe der aufgeschäumten Konturen entspricht dabei
von circa  0,1 bis 0,3 bar durch ein Steigrohr in die bis auf das Schwundmaß der exakten Geometrie des
Form gepresst. Der untenliegende Brennraum wird Zylinderkopfes. Die einzelnen Konturen werden nun
von unten gespeist. Die Brennraumplatte wird auch an der zweiten Station durch Aufbringen von Heiß-
hier mit Luft oder Wasser gekühlt. Die Wasser- und kleber zusammengeklebt. Das Positivmodell eines Zy-
Ölräume sowie die für den Kettenantrieb der Nocken- linderkopfes besteht aus fünf verklebten Poly-Styrol-
wellen benötigte Geometrie der Zylinderköpfe werden Scheiben. Zwei Zylinderkopfmodelle werden mit dem
mit Sandkernen hergestellt. Der Rest der Zylinder- Anguss und den Steigern zu einer Gießtraube zusam-
kopfgeometrie wird durch Kokillen geformt. Durch mengeklebt. An der dritten Station wird die Modell-
das Niederdruckgussverfahren werden die Ober- traube in einer wasserlöslichen keramischen Schlichte
flächen der Zylinderköpfe sehr gut verdichtet. Für getaucht. Dabei rotiert das Bauteil zur besseren Homo-
hochbelastete Dieselzylinderköpfe eignet sich dieses genisierung des Schlichteauftrags. In der vierten Sta-
Verfahren besonders gut. tion wird die Traube in einer entfeuchteten erwärmten
Ein von der Fa. VAW Mandl&Berger entwickeltes Luftströmung getrocknet. Durch den Wasserentzug soll
Verfahren ist das Rotacast-Verfahren. Während des eine dichte gasdurchlässige Schlichteschicht erzeugt
Gießprozesses wird die gesamte Form geschwenkt. werden. Im nachfolgenden Schritt wird die Traube in
Mit diesem Verfahren soll ein turbulenzfreies Befül- den Gießbehälter eingebracht und mit losem ungebun-
len der Form erzielt werden. Die Form wird von un- denem Quarzsand eingesandet. Durch Vibration wird
ten angegossen und während des Befüllens innerhalb der Sand in der sechsten Station verdichtet. Anschlie-
von 15 s um 180° geschwenkt. Die Schmelze gelangt ßend erfolgt der Einguss. Das flüssige Aluminium wird
durch mehrere variable Öffnungen in die Form. Me- portioniert und durch einen Gießlöffel automatisiert in
tallurgische Untersuchungen haben gezeigt, dass mit die Form gegossen. Während der Formfüllung weicht
diesem Verfahren und der Legierung G-AlSi7Mg0,5 das Poly-Styrol zurück und vergast. In der achten Sta-
mit 0,19 % Fe gerade im Bereich des Brennraums eine tion wird die Form entnommen, beziehungsweise die
sehr gute und reproduzierbare Gefügestruktur erzielt Gießeinrichtung vom Sand entleert. In einem Wasser-
wird. Die mechanischen Eigenschaften bezüglich der bad wird die Schlichte entfernt, und im letzten Schritt
Streckgrenze Rm liegen bei der Legierung „LM Rota- werden die Zylinderköpfe von der Traube getrennt.
cast T6“ im Brennraumbereich mit 272 MPa höher als Der eigentliche Gießprozess setzt auch bei diesem
bei der Legierung G-AlSi7MgCu0,5 (Schwerkraftguss) Verfahren viel Know-how voraus. Die Gestaltungs-
mit 260 MPa. Diese Werte sind von dem verwende- vielfalt bei der Konstruktion des Zylinderkopfes ist
ten Gießprozess und der anschließenden Wärmebe- sehr groß. Bohrungen im Zylinderkopf können bis zu
handlung abhängig. So wurden zum Beispiel nach einer Mindestwandstärke von 4 mm direkt mitgegos-
dem Rotacast-Verfahren Zylinderköpfe der Fa. Isuzu sen werden. Änderungen im Verlauf der Serie können
hergestellt. am Werkzeug relativ einfach und damit kostengünstig
190 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.98 Lost-Foam-
1 Verfahren

2
3
Schlichte Sand
4
Modell Kleben Beschichten Trocknen Einbetten
5 Schäumen

6
7
8 Sand Sand Sand Wasser

9 Verdichten Gießen Entleeren Entfernung Abtrennen


durch durch der
10 Vibrieren Absaugen Schlichte

11 eingebracht werden, da die Werkzeuge aus Alumi- 7.8.3.4 Druckgussverfahren


nium bestehen. Bei einer Taktzeit von vier Köpfen in Beim Druckgussverfahren werden Dauerformen aus
drei Minuten kann diese Anlage eine Kapazität von vergüteten Warmarbeitsstählen verwendet. Vor jedem
12 circa  330.000 Zylinderköpfen pro Jahr produzieren, Gießvorgang, der beim Druckguss auch als „Schuss“
. Abb. 7.99. Auf Grund der hohen Festigkeitsanfor- bezeichnet wird, müssen die Formteile mit einem
13 derungen an Dieselmotoren mit Direkteinspritzung, Trennmittel behandelt werden. Im Gegensatz zu Sand-
wird das Verfahren für diese Anwendung zurzeit noch und Kokillenguss können keine Kerne in die Gießform
nicht in der Serie eingesetzt. eingelegt werden, da die Leichtmetallschmelze unter
14 In . Abb. 7.99 ist für den erstmals in Europa pro- hohem Druck und hoher Geschwindigkeit in die Gieß-
duzierten Zylinderkopf nach dem Lost-Foam-Verfah- form eingebracht wird. Die Höhe des Druckes hängt
15 ren der Fa. BMW die Poly-Styrol-Gießtraube abgebil-
det. Bei dem Werkstoff handelt es sich um G-AlSi6Cu4
ab von der Größe des Gussteils und reicht in der Regel
von 400 bis zu rund 1000 bar. Wie beim Niederdruck-
(Aluminiumlegierung 226). Für die US-Varianten guss wird der Druck während der Erstarrung aufrecht-
16 wurde ein thermisch abgekoppelter Sekundärluftkanal erhalten. Die Kühlung der Gießformhälften wird bei
auf der Auslassseite integriert. größeren Gussteilen angewendet und dient sowohl der

17
-- Mit diesem Verfahren ist es möglich:
Ölkanäle in nahezu beliebiger Form zu gießen,
Wasserräume mit aufwändig geformten Strö-
gerichteten Erstarrung als auch der schnellen Abküh-
lung des Gussteiles. Nach der Erstarrung des Gussteiles
wird die aus festen und beweglichen Formteilen sowie
18
-- mungsrippen zu erhalten,
gekrümmte Ein- und Auslasskanäle zu gießen,
deutlich genauere Toleranzen im Brennraumbe-
gegebenenfalls beweglichen Schiebern bestehende
Gießform geöffnet, und das Gussteil wird mittels Aus-
werferstifte ausgeworfen. Dieses Verfahren kann nur

-
19 reich zu erreichen, an luftgekühlten Zylinderköpfen, wie bei Kleinmoto-
Einsatz von nur einem Schäumwerkzeug für die ren, zum Einsatz kommen.
20
- gesamte Produktionsdauer,
den notwendigen Bearbeitungsaufwand am
Zylinderkopf deutlich zu reduzieren.
Im Vergleich zu Sand- und Kokillenguss ermög-
licht der Druckguss die genaueste Wiedergabe und
Maßhaltigkeit der Geometrie des Zylinderkopfes.
7.8 • Zylinderkopf
191 7

Pkw-Motoren mit Wasserkühlung ist dieses Verfahren


ungeeignet.

7.8.4 Modell- und Formenbau

Für die Erstellung der Gießmodelle, Kerne, Kokillen


sowie sämtlicher Gießwerkzeuge werden weitestge-
hend im Modellbau auf Basis von 3D-CAD-Daten
die gesamten Teile durch CAD/CAM-Prozessketten
abgebildet. Damit sind Geometriedaten reproduzier-
barer und im Rahmen von Änderungen kann fle-
xibler reagiert werden. Schon bei der Erstellung der
Zylinderkopfkonstruktion können vom modellierten
CAD-Rohteil über das mechanisch bearbeitete Bauteil
alle für den Modellbau benötigten CAD-Teilmodelle
abgeleitet werden. Dabei gilt es über ein ausgeklügeltes
Datenmanagementsystem die Transparenz zu erhalten,
dass bei durchgeführten Änderungen alle am Projekt
beteiligten informiert werden und Änderungen am
CAD-Bauteil des Zylinderkopfes in alle im Modell-
und Werkzeugbau nötigen Datensätze einfließen. Im
Modellbau werden traditionell Details wie Formteilun-
gen, Formschrägen, Gussschwund, Fertigungsaufmaße
und unter Umständen zu erwartende Gussverzüge
festgelegt und im CAD-Modell berücksichtigt. Ein
reger und frühzeitiger Erfahrungsaustausch mit den
Zylinderkopfkonstrukteuren zahlt sich aus. Je nach
Serien- oder Prototypenauslegung und nach Wahl des
Gießverfahrens sind die Modellbautätigkeiten unter-
schiedlich.
Für das Niederdrucksandgussverfahren der Fa.
Becker [54], das sich sehr gut für Kleinserien oder
Prototypen eignet, sind in . Abb. 7.100 ein Kernform-
werkzeug (oben) und das Paket eines Wassermantel-
..Abb. 7.99  Lost-Foam-Zylinderkopfgießmodell der kerns (unten) dargestellt. Die Gussrohteilkontur zu-
Fa. BMW züglich des Schwindmaßes (Schwindung des Metalls
beim Erstarren) dient als Ausgangsbasis für die Kons-
Dünnwandige Gussstücke mit engen Maßtoleranzen, truktion der Modelleinrichtung. Dabei werden jeweils
hoher Formgenauigkeit und hoher Oberflächengüte Bereiche des Gussteils, die in einer Entformungsrich-
werden erzeugt. Ein maßgenaues Gießen von Augen, tung liegen, in einem sogenannten Kernformwerk-
Bohrungen, zum Teil Passungen und Oberflächen ist zeug als positiv dargestellt. Diese Bereiche sind beim
ohne nachträgliche mechanische Bearbeitung möglich. Zylinderkopf zum Beispiel der Brennraumkalottenbe-
Das Druckgussverfahren hat im Vergleich zu Sand-, reich, die Stirnseiten, die Ein- und Auslasskanalseite,
Kokillen- und Niederdruckguss die höchste Produkti- die Ein- und Auslasskanäle, der Nockenwellenlager-
vität, da alle Gieß- und Formbewegungsabläufe weit- bereich sowie die inneren Konturen für Wasser und
gehend vollautomatisch stattfinden. Nachteilig sind Öl. Alle Kernformwerkzeuge besitzen Dichtflächen
die eingeschränkte konstruktive Gestaltungsfreiheit und sogenannte Kernmarken, die ein genaues Zen-
für das Gussteil, da keine Hinterschnitte möglich sind. trieren und Abdichten der Kerne untereinander er-
Möglicherweise eingeschlossene Luft- beziehungsweise möglichen. Die Kernformwerkzeuge werden inner-
Gasporen lassen eine doppelte Wärmebehandlung wie halb weniger Tage auf Basis des 3D-Datenmodells
bei Sand-, Kokillen- und Niederdruckguss nicht zu. auf CNC-Maschinen in einen speziellen Kunststoff
Für die Großserienfertigung von Zylinderköpfen für gefräst. In diese Kernformwerkzeuge wird dann in
192 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
..Abb. 7.101  Modelleinrichtung eines Achtzylinder-
6 kopfes der Fa. BMW

7 ..Abb. 7.100  Kernformwerkzeug und Paket eines


Wassermantelkerns der Fa. Becker [54] 7.8.5 Mechanische Bearbeitung
und Qualitätssicherung
8 der Gießerei ein mit Kunstharzbinder vermischter
Sand eingefüllt, der nach kurzer Zeit selbstständig 7.8.5.1 Großserienfertigung
aushärtet. Der aus dem wiederverwendbaren Kern- Die mechanische Bearbeitung von Zylinderköpfen
9 formwerkzeug entnommene Sandkern besitzt nun die erfolgt in der Großserie auf Transferstraßen oder auf
Negativkontur des späteren Gussteils. Eine Besonder- verketteten Bearbeitungszentren, mit denen bezüglich
10 heit sind die sogenannten Sandlasersinterkerne, die
direkt aus den 3D-CAD-Daten schichtweise erzeugt
Änderungen flexibler reagiert werden kann. Eine Ten-
denz, die mechanische Bearbeitung durch Verkettung
werden können. Hierfür sind keine Kernformwerk- von Bearbeitungszentren zu bewerkstelligen, ist festzu-
11 zeuge notwendig. Kerne für filigrane Innenkonturen stellen. Dabei durchläuft das Rohteil einzelne hinter-
wie Wassermantel oder Ölraum bieten sich für dieses einander aufgereihte Bearbeitungsstationen. Für jede
Verfahren an, da ein Kernformwerkzeug für diese Station gilt es, die vorgesehenen Taktzeiten einzuhal-
12 Kerne teuer und zeitaufwändig in der Herstellung ist. ten. Um die hohen Gesamtinvestitionen zu begren-
Letztlich werden alle diese Kerne (konventionell oder zen, werden möglichst viele Bearbeitungsvorgänge in
13 sandlasergesintert) zu dem sogenannten Kernpaket einer Station integriert. Bei der Neuentwicklung eines
zusammengesetzt und im Niederdruckgussverfahren Zylinderkopfes sollten im Rahmen des Simultaneous
abgegossen. Ein Kernpaket kann nur für einen Abguss Engineering Fertigungsplaner im Projekt integriert
14 verwendet werden. sein, um die Belange der Fertigung in Hinblick auf
Für einen nach dem Niederdruckgussverfahren eine wirtschaftliche Realisierung schon zu einem frü-
15 herzustellenden Zylinderkopf für einen Achtzylinder-
motor der Fa. BMW ist in . Abb. 7.101 ein Ausschnitt
hen Zeitpunkt mit zu berücksichtigen. Änderungen
am Zylinderkopf, die nachträglich eingebracht werden,
des gesamten Kernaufbaus dargestellt. Alle Kerne sind bei der Fertigung auf Transferstraßen aufwändig
16 bestehen aus Sand. Die Kernkästen hierzu werden in und kostspielig, da der gesamte Fertigungsprozess un-
der Serie aus Stahl gefertigt. Die Freiräume zwischen terbrochen werden muss. Auf Grund der Großserien-
den Kernen werden mit Aluminium ausgegossen. Im fertigung werden oft Kompromisse an Zylinderköpfen
17 Entwicklungsstadium werden die Sandkerne für die nötig, die die Gestaltungsfreiheiten der Entwickler
Beurteilung der Gesamtgeometrie als Rapid-Prototy- einschränken.
18 ping-Modelle hergestellt. Im unteren Teil des Bildes
7.8.5.2 Prototypenfertigung
sieht man die sehr dunkel dargestellte Brennraum­
platte. Rechts darüber befindet sich der Kernaufbau Für Kleinserien und Prototypen erfolgt die mechani-
19 des Kettenkastens. Vorn in der Abbildung ist das sche Bearbeitung in der Regel auf Bearbeitungszentren.
Auslasskanalkernpaket, das in den Wassermantelkern Diese Einzelstationen sind flexibel zu programmieren.
20 hineinragt, dargestellt. Darüber befindet sich der Öl-
raumkern.
Oft handelt es sich um standardisierte Werkzeugma-
schinen. Auf Änderungen am Zylinderkopf kann ent-
sprechend schnell eingegangen werden. Die Bearbei-
7.8 • Zylinderkopf
193 7

..Abb. 7.102  Computertomographieschnitt eines


Zylinderkopfes [54]

tungskosten sind im Vergleich zur Großserie höher.


Zur besseren Reproduzierbarkeit der Verbrennungs-
vorgänge werden teilweise die Brennräume mecha-
nisch bearbeitet. Auch Bereiche vom Übergang der
Gaswechselkanäle zum Brennraum sowie ganze Ka-
nalformen können bearbeitet werden.

7.8.5.3 Qualitätssicherung
der Zylinderköpfe
Der Ausfall des Zylinderkopfes in der Serie hat oft
einen kompletten Motorschaden zur Folge. Sowohl
für die Gussteile als auch für die mechanische Bear-
..Abb. 7.103 Digitalisieren eines Einlasskanals [60]
beitung gilt es, einen hohen für den Kunden gefor-
derten Qualitätsstandard zu erreichen. Der komplette
Zylinderkopf wird deshalb zu 100 % auf Dichtigkeit Brennverfahren mit Direkteinspritzung können diese
geprüft. Stichproben durch Bauteilvermessungen sind Techniken besonders genutzt werden, da bei geringen
Standardmaßnahmen der Qualitätssicherung. Die Maßabweichungen schon erhebliche motorische Aus-
in der Fertigung auftretende Ausschussrate gilt es zu wirkungen erfolgen.
minimieren. Mit der Computertomographie, die aus
medizinischen Anwendungen bekannt ist, können
Zylinderköpfe geröntgt und die Wandstärken schicht- 7.8.6 Ausgeführte Bauformen
weise auf Form- und Maßhaltigkeit überprüft werden. von Zylinderköpfen
Besonders bei dünnen Wandstärken im Bereich von
circa 2,5 mm, wie sie im Rennsport aus Gewichtsgrün- 7.8.6.1 Zylinderköpfe an
den erforderlich sind, sind diese Untersuchungen üb- Ottomotoren
lich, . Abb. 7.102. An dieser Stelle wird nur auf Viertaktmotoren ein-
. Abb. 7.103 zeigt die Vermessung eines Zylinder- gegangen. Die dargestellten Zylinderköpfe geben
kopfes mit einem Koordinatenmessgerät. Hiermit ist einen Ausschnitt aus der Vielfalt der auf dem Markt
auch das Vermessen der Kanalinnengeometrie mög- vorhandenen Ventiltriebskonzepte, die die Geome-
lich. Die Kanaloberfläche kann durch punktweises trie der Köpfe maßgeblich beeinflussen. Das erste
Abtasten in Form einer Punktewolke erfasst werden. Ausführungsbeispiel, . Abb. 7.104, zeigt einen Zwei-
Abweichungen zur Istgeometrie, die durch CAD- ventil-Zylinderkopf mit Rollenschlepphebel der Fa.
Datensätze beschrieben sind, können ermittelt wer- BMW. Dieses kompakte Zylinderkopfkonzept wird an
den. Über die in CAD-Systeme übertragenen Punkte Vier- und Zwölfzylindermotoren eingesetzt. Der hier
können durch Methoden des Reverse Engineering abgebildete Kopf des V12-Motors ist als Wendekopf
(Flächenrückführung) Flächen auf Basis der Punkte- ausgeführt und für beide Zylinderreihen identisch. Zur
wolke aufgebaut werden, die auch für dreidimensio- Minimierung der Reibleistung wurden Rollenschlepp-
nale Strömungssimulationen genutzt werden. Bei den hebel aus Feinguss eingesetzt. Durch diese Maßnahme
194 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.104 Zweiven-
1 tilzylinderkopf des V12-
Motors der Fa. BMW mit
Rollenschlepphebel
2
3
4
5
6
7 verringerte sich die Reibleistung des Ventiltriebs ge-
genüber dem vorher verwendeten Zylinderkopf mit
Gleitschlepphebeln um bis zu 70 %. Aus Gewichts-
8 gründen wurde eine hohle gebaute Nockenwelle nach
den Verfahren der Fa. Süko entwickelt.
Tassenstößel mit hydraulischem Spielausgleich
9 werden an ausgeführten Serienmotoren sehr häufig
verwendet. In . Abb.  7.105 wird das Beispiel eines
10 Vierventil-Zylinderkopfes eines V8-Motors der Fa.
BMW dargestellt. Für die Ölversorgung der Stößel sind
im einteiligen Zylinderkopf Längsbohrungen vorgese-
11 hen, die im Bereich der Stößelbohrungen von außen
angebohrt werden. Bei V-Motoren mit hydraulisch
betätigten Tassenstößeln ist der Ölbedarf im Zylinder-
12 kopf und die Gefahr der Ölaufschäumung durch die
Nockenwellendrehung groß, so dass für den Ölabfluss
13 durch den Zylinderblock zur Ölwanne hin genügend
Querschnitt vorzusehen ist.
Bei diesem Zylinderkopf wurden je Zylinder-
14 bank sechs Rücklaufschächte vorgesehen. Die Tel- ..Abb. 7.105  Vierventilzylinderkopf der Fa. BMW mit
lerdurchmesser der Einlassventile betragen für den Tassenstößeln
15 3-l-Motor 32 mm und für den 4-l-Motor 35 mm,
die der Auslassventile 28,5 und 30,5 mm. Die Ven- als Wendeköpfe ausgeführt. Beide Zylinderkopfvari-
tilschaftdurchmesser betragen lediglich 6 mm. Die anten werden auf einer Linie gefertigt und erreichen
16 Winkel zwischen Kanal und Ventil betragen auf komplett vormontiert die Endmontage.
der Einlassseite 39°45′, auf der Auslassseite 55°45′. In . Abb. 7.106 wird ein Vierventilzylinderkopf-
Ein- und Auslassventile bilden einen Winkel von konzept mit Tassenstößeln in einer mehrteiligen Aus-
17 39°30′ und ermöglichen dadurch einen sehr kom- führung dargestellt. Sowohl auf der Einlass- als auch
pakten, linsenförmigen Brennraum. Die Zündkerze auf der Auslassseite sind für die Nockenwellen und
18 ist zentral zwischen den Ventilen angeordnet. Die Tassenstößel getrennte Lagerleisten vorgesehen. Damit
Zylinderkopfhaube ist elastisch befestigt und damit kann in der Serie der Zylinderkopf in Aluminiumkokil-
weitestgehend akustisch entkoppelt. Die Brennräume lenguss hergestellt werden, weil im oberen Bereich des
19 im Zylinderkopf werden zur Einhaltung einer engen Zylinderkopfes keine Hinterschneidungen auftreten.
Volumentoleranz komplett mechanisch bearbeitet. Ein Beispiel für einen Vierventilzylinderkopf mit
20 Der Längsstromzylinderkopf ist in der Aluminium-
legierung 226 gegossen. Aus Gewichtsgründen wer-
Rollenschlepphebeln ist in . Abb. 7.107 dargestellt. Bei
diesem Zylinderkopf der Fa. BMW handelt es sich um
den bei diesem Achtzylindermotor die Köpfe nicht eine Weiterentwicklung des Kopfes, der in . Abb. 7.106
7.8 • Zylinderkopf
195 7

..Abb. 7.106  Mehrteiliger Vierventilzylinderkopf der


Fa. BMW

..Abb. 7.107  Vierventilzylinderkopf der Fa. BMW mit


abgebildet ist. Ziel der Überarbeitung des Ventiltriebs
Rollenschlepphebel
war die Verminderung der Reibleistung des Zylinder-
kopfes, der vorher mit Tassenstößeln ausgestattet war.
Der hydraulische Spielausgleich erfolgt hier durch ste-
hende Ausgleichselemente. Durch die Unterbringung
des Spielausgleichs im unbewegten Teil des Ventiltriebs
werden aufgrund der geringeren oszillierenden Massen
geringere Federkräfte ermöglicht, obwohl der Ventil-
hub und die Ventilöffnungsdauer beibehalten werden.
Zu Konstruktionsbeginn war die Randbedingung der
Fertigung vorgegeben, die bestehende Fertigungslinie
beizubehalten. Damit wurden die Ventilwinkel, die
Ventillagen und die Nockenwellenlagen übernommen.
Der Änderungsumfang beschränkt sich dadurch auf
den Entfall der Lagerleisten mit den Tassenstößelboh-
rungen, auf die Aufnahmebohrungen der Ausgleichs-
elemente, die kleeblattförmig um die Zündkerzendome
angeordnet wurden, und auf die Ölversorgung. Durch
das Eingießen der Nockenwellenlager konnte zusätz-
lich der Zylinderkopf versteift werden. Ein- und Aus-
lasskanäle sowie der Brennraum wurden unverändert
vom Vorgänger-Zylinderkopf übernommen.
Dreiventil-Zylinderkopfkonzepte kommen an den
V-Motoren der Fa. DaimlerChrysler zum Einsatz,
. Abb.  7.108. Diese Zylinderköpfe verwenden eine
obenliegende Nockenwelle und setzen für die Ventilbe-
tätigung Rollenkipphebel ein. Je Brennraum werden für
eine schnellere Flammenausbreitung zwei Zündkerzen
verwendet. An den Acht- und Zwölfzylindermotoren
..Abb. 7.108  Dreiventilzylinderkopf der Fa. Daimler
setzt DaimlerChrysler zur Verbrauchsreduzierung mit
Chrysler [61]
dieser Kipphebelsteuerung eine Zylinderabschaltung
ein. Dabei werden beim Achtzylinder vier und beim
Zwölfzylinder sechs Zylinder über die Deaktivierung hohe Drehzahlkonzepte geeignet. Das Gesamtkonzept
der Ventile stillgelegt. Die Unterbringung einer No- ist jedoch gegenüber einer Vierventillösung mit zwei
ckenwellenverstellung ist mit dieser Einnockenwel- Nockenwellen kostengünstiger.
lenlösung schwierig. Auf Grund der relativ schweren 1994 hat die Fa. Audi mit der Einführung des A4 erst-
Kipphebel ist diese Zylinderkopfkonzeption nicht für mals einen Fünfventil-Zylinderkopf an Pkw-Motoren in
196 Kapitel 7 • Motorkomponenten

gehalten werden, da die Schrauben sehr eng an den No-


1 ckenwellen vorbeiführen. Der Zylinderkopf ist einteilig
ausgeführt und wird im Schwerkraftkokillenguss herge-
2 stellt. Ähnliche Fünfventilkonstruktionen hatte vor Audi
die Fa. Yamaha an Ein-, Zwei- und Vierzylindermotoren
an Motorrädern in Serie gebracht.
3
7.8.6.2 Zylinderköpfe
an Dieselmotoren
4 Als erstes Beispiel einer konstruktiven Ausführung
wird auf den Zylinderkopf eines Zweiventilmotors mit
5 Wirbelkammer verwiesen. Diese Dieselmotorenkon-
zepte bestimmten seit der Einführung der Dieselmoto-
ren in Personenkraftwagen die Konzeption der Zylin-
6 derköpfe. Im Querschnitt durch den Zylinderkopf ist in
..Abb. 7.109  Fünfventilzylinderkopf der Fa. Audi [49] . Abb. 7.110 die Vorkammer mit dem Einspritzventil

7 der Großserie realisiert. Dieser Zylinderkopf wurde auf


sowie der Glühkerze zu erkennen. Die hohlgegossene
Nockenwelle betätigt über Tassenstößel mit hydrau-
Vierzylinder-, Sechszylinder- und Achtzylindermotoren lischem Spielausgleich die Einlass- und Auslassven-
8 des gesamten VW-Konzerns übertragen, . Abb. 7.109. tile, die einen Durchmesser von 36 beziehungsweise
Bis auf den Achtzylindermotor, der Rollenschlepphe- 31 mm aufweisen. Im Pkw-Bereich war diese Bauart
bel einsetzt, verwenden die Motoren Tassenstößel mit bei der Fa. BMW seit 1983 in Serie.
9 hydraulischem Spielausgleich. Das mittlere der drei Mit der Einführung der Dieselmotoren mit Direkt-
Einlassventile ist aus geometrischen Gründen (Ventil- einspritzung durch die Fa. Audi in Jahr 1989 hat sich
10 schaftachse schneidet die Achse der Nockenwelle) ge-
genüber den beiden äußeren geneigt. Der Ventilwinkel
der Dieselanteil an Pkw-Motoren hauptsächlich in Eu-
ropa deutlich erhöht. Um noch höhere Leistungsdich-
der äußeren Einlassventile beträgt 21,6°, der des inneren ten auch bei Dieselmotoren zu erhalten, wurde mehr
11 Ventils 14,9° und der Auslassventilwinkel beträgt 20,2°. und mehr die Vierventiltechnik eingeführt. Auf Grund
Für die Zylinderkopfverschraubung wird zur besseren der stark angestiegenen Zünddrücke werden an heu-
Krafteinleitung eine eingeschraubte Hülse im Zylinder- tige Dieselmotoren-Zylinderköpfe bezüglich Festigkeit
12 kopf verwendet, wodurch die Zylinderkopfschraube im und Dauerhaltbarkeit höchste Anforderungen gestellt.
Bundbereich schmal bleibt. Dieser Effekt hilft bei den Zur Minimierung der Reibungsverluste im Zylinder-
13 engen Geomtrieverhältnissen im Zylinderkopf. Ferner kopf können Rollenschlepphebel eingesetzt werden,
kann dadurch der Nockenwellenabstand mit 129 mm . Abb. 7.111.

14
15
16
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18
19
20
..Abb. 7.110  Quer- und Längsschnitt mit Einbausituation eines Diesel-Zweiventil-Zylinderkopfes der Fa. BMW
7.8 • Zylinderkopf
197 7

..Abb. 7.112  Pumpe-Düse-Zylinderkopf der Fa. VW


[62]

..Abb. 7.111  Vierventilzylinderkopf mit Rollen- Seitlich über der Nockenwelle befindet sich eine La-
schlepphebel für einen Sechszylindermotor gerachse für die Kipphebelbetätigung der Pumpe-
Düse-Elemente. Als Steuertrieb kommt ein Zahnrie-
Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine Aus- men zum Einsatz, der aus einem hochfesten Material
führung an einem Sechszylindermotor der Fa. BMW, bestehen muss, da die Momente an der Nockenwelle
die diese Zylinderkopftechnik auch am Vier- und Acht- durch den Pumpe-Düse-Antrieb sehr hoch sind. Die
zylindermotoren einsetzt. Der Zylinderkopf ist mit Kraftstoffversorgung der Pumpe-Düse-Elemente er-
Drallkanälen versehen, wobei die Luft von oben durch folgt innerhalb des Zylinderkopfes über je ein Vor- und
den Zylinderkopf geführt wird. Der Zylinderkopf wird Rücklaufrail.
aus einer Hüttenlegierung abgegossen. Für den Acht- Den erforderlichen Vorlaufdruck liefert eine Flü-
zylinderkopf ist am vorderen Ende der Kettenkasten gelzellenpumpe, die über die Nockenwelle angetrie-
angegossen. Dadurch erfährt das Bauteil einen deutli- ben wird. Mit Pumpe-Düse-Elementen können schon
chen Festigkeitsgewinn. Am hinteren Ende ist ein Ab- heute Einspritzdrücke von über 2000 bar ermöglicht
gasrückführkanal integriert. Der Antrieb der Nocken- werden. Damit lässt sich der Zielkonflikt zwischen
wellen erfolgt über geradverzahnte Stirnräder, wobei niedrigen Schadstoffemissionen und gleichzeitig hoher
jeweils die Einlassnockenwellen über Ketten angetrie- spezifischer Leistung lösen, weil auch mit kleinen Dü-
ben werden. Die verwendete Common-Rail-Einspritz- senlöchern und hohen Teillasteinspritzdrücken noch
technik bedingt zwei an der Seite des Zylinderkopfes eine kurze Einspritzdauer bei Nennleistung ermöglicht
befestigte Rails für die Kraftstoffversorgung der Ein- wird. Durch den Entfall der Verteilereinspritzpumpe
spritzventile, die mittig im Zylinderkopf angeordnet einschließlich Konsole, Antrieb und Einspritzleitungen
sind. Die Kühlmittelströmung im Zylinderkopf erfolgt wird eine Vereinheitlichung der Nebenaggregatean-
von der Auslass- zur Einlassseite. Zur Sicherstellung ordnung mit dem Ottomotor ermöglicht.
der Querstromkühlung sind die Zylindereinheiten
im Kühlwasserraum durch Schottwände voneinander 7.8.6.3 Sonderbauformen
getrennt und haben einen gemeinsam eingegossenen von Zylinderköpfen
Wassersammler auf der Einlassseite. Mit der VR-Motorbaureihe der Fa. VW werden Fünf-
Ein weiteres Verfahren der Dieseldirekteinsprit- und Sechszylindermotoren hergestellt, die sich mit
zung ist die Pumpe-Düse-Technik der Fa. VW. Je einem V-Winkel von 15° sehr kompakt als eine Art
Zylinder wird eine von der Nockenwelle betätigte Kombination von Reihen- und V-Motor darstellen.
Einspritzpumpe verwendet, die die Gesamtkonzep- Die einteiligen Zylinderköpfe fallen recht breit aus
tion des Zylinderkopfes maßgeblich mitbestimmt, [63]. Auf Grund der Wahl des Ansaug- beziehungs-
. Abb.  7.112. Dieser Zweiventilzylinderkopf besitzt weise Abgastraktes auf jeweils einer Seite des Zylin-
Tassenstößel mit hydraulischem Ventilspielausgleich. derkopfes werden unterschiedliche Ein- und Aus-
198 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
..Abb. 7.114  Luftgekühlter Zylinderkopf der Fa.
Porsche [65]
8
Luftgekühlte Pkw-Zylinderköpfe sind sehr selten.
9 Der Zweiventilzylinderkopf für einen Sechszylinder-
..Abb. 7.113  Querschnitte des VR-Vierventilzylinder-
kopfs der Fa. VW Boxermotor der Fa. Porsche in . Abb.  7.114 ist in
10 aktuellen Baureihen durch wassergekühlte Vierventil-
Zylinderköpfe abgelöst worden. Entsprechend der
lasskanallängen bei dieser Konzeption erforderlich. Wärmeabfuhr über den Zylinderkopf sind großflächige
11 Konzepte mit symmetrischen Gaswechselkanälen Kühlrippen zu der vorhandenen Gebläsekühlung er-
sind auch möglich, benötigen jedoch mindestens drei forderlich. Bei diesem Beispiel ist im Zylinderkopf ein
statt der hier verwendeten zwei Nockenwellen [64]. Keramik-Portliner eingegossen, mit dem als isolie-
12 In . Abb.  7.113 sind zwei Querschnitte durch den rende Wirkung die in den Zylinderkopf übertragene
Serien-Vierventil-Zylinderkopf mit der Darstellung Wärme begrenzt werden soll. Ferner kann das Niveau
13 der unterschiedlichen Gaswechselkanäle aufgeführt. der Abgastemperatur damit hochgehalten werden, um
Der Zylinderkopf ist mit einer Nockenwellenverstel- das Aufheizen des Katalysators nach dem Kaltstart zu
lung versehen und benutzt zum Ventilantrieb Fein- beschleunigen.
14 guss-Rollenschlepphebel. Die gewählte Bauart mit Für Sportmotoren mit sehr hohen spezifischen
zwei Nockenwellen ermöglicht durch die Anpassung Literleistungen werden hohe Drehzahlen und damit
15 der Ventillängen eine zentrale Lage der Zündkerzen.
Der Längenunterschied der Ventile beträgt 33,9 mm.
sehr leichte Ventiltriebskomponenten benötigt. Die be-
wegten Massen sind nach Möglichkeit sehr gering zu
Die Ventildurchmesser betragen 31 mm für die Ein- halten. Auf schwere hydraulische Ventilspielausgleichs­
16 lassventile und 27 mm für die Auslassventile; der elemente sollte dann verzichtet werden. Ein Beispiel für
Schaftdurchmesser beträgt 6 mm. Die Brennräume eine derartige Konstruktion hat die Fa. BMW an einem
beider Zylinderreihen sind nahezu spiegelbildlich Sechszylindermotor mit Feingussschlepphebeln und
17 ausgeformt. Der Winkel zwischen Ein- und Auslass- mechanischem Ventilspielausgleich realisiert. Diese
ventilen beträgt 42,5°. Das Querstromkonzept des VR- Gleitschlepphebel sind sehr leicht und sind auf einer
18 Zylinderkopfes bedingt unterschiedliche Neigungen Steckachse im Zylinderkopf gelagert. Bei der Wahl
der Ventile zur Zylinderachse: 34,5° bei den langen des Übersetzungsverhältnisses für den Schlepphebel
Kanälen und 8,0° bei den kurzen Kanälen. Zudem sind wurde der Steifigkeit gegenüber dem benötigten Bau-
19 die Neigungen zu den Kanalachsen unterschiedlich. raum der Vorzug gegeben. Das Übersetzungsverhältnis
Zur Erzielung gleichmäßigen Brennverhaltens bei- des Hebeltriebs ist 1:1, um keine Biegebeanspruchung
20 der Zylinderreihen sind daher die kurzen und langen
Einlasskanäle hinsichtlich des Durchströmungs- und
zu induzieren, . Abb. 7.115.
Der Vierventil-Zylinderkopf hierzu ist einteilig
Tumbleverhaltens anzupassen. ausgeführt und wird in einer Stahlkokille gegossen.
7.8 • Zylinderkopf
199 7

..Abb. 7.116  Zylinderkopf eines Ottomotors der Fa.


Mitsubishi mit Direkteinspritzung [66]

..Abb. 7.115  Vierventilzylinderkopf mit Gleitschlepp- 7.8.7 Perspektiven in der


hebel der Fa. BMW
Zylinderkopftechnologie

Für den Zylinderkopf wird ein Querstromkühlkon- Im Zylinderkopf erfolgt die Steuerung des Gaswechsels
zept verwendet. In den Zylinderkopf integriert ist und damit teilweise die Steuerung der Verbrennung.
eine Luftverteilungsleitung für die Zusatzlufteinbla- Die Weiterentwicklung der Zylinderkopftechnologie
sung. Von dieser Leitung mit 12 mm Durchmesser wird in Richtung Leichtbau, hochfestere Werkstoffe
führen Bohrungen mit 4 mm Querschnitt direkt in und wirtschaftlicher Fertigungsverfahren bei gleich-
die Auslasskanäle neben jedes Auslassventil. Ottomo- zeitiger Verbesserung motorischer Zielgrößen gehen.
toren mit Direkteinspritzung werden derzeit weltweit Mehrventilzylinderköpfe haben sich auf breiter Front,
mit viel Kapazität zur Serie entwickelt. Im Zylinder- sowie auch an Dieselmotoren, durchgesetzt. Mit ihnen
kopf muss, ähnlich wie bei den Dieselmotoren mit sind durch einen verbesserten Gaswechsel höhere spe-
Direkteinspritzung, neben der Zündkerze Raum für zifische Zylinderleistungen realisierbar. Dieses führt
die Einspritzdüse geschaffen werden. Schon bei einen durch den Einsatz fortschrittlicher Zylinderkopfkon-
Vierventilkonzept wird es hierfür eng. Die Lage und zepte zu Downsizing-Konzepten mit leistungsstarken,
Form von Gaswechselkanälen ist auf Grund der mit verbrauchs- und emissionsgünstigen Verbrennungs-
dem Brennverfahren verbundenen Ladungsschich- motoren, die den Kunden je nach Leistungsbedarf
tung extrem aufwändig zu entwickeln und abzustim- oder Fahrspaß zur Verfügung stehen. In der letzten
men. Zeit sind vermehrt direkteinspritzende Ottomotoren
. Abb. 7.116 stellt ein Beispiel eines Vierventil- mit Direkteinspritzung in Serie realisiert worden, bei
Zylinderkopfes im Schnitt dar, der für einen Motor mit denen sowohl Lambda-1- als auch Magerkonzepte ein-
Direkteinspritzung der Fa. Mitsubishi in Serie ist. Die gesetzt werden. Die damit neu eingeführten Brennver-
Luftführung durch den Einlasskanal erfolgt über das fahren bedingen auch eine Brennraumanpassung im
Saugrohr von der Oberseite des Zylinderkopfes, um in Kolben, der in der Regel Mulden erhält, wodurch die
Abstimmung mit den Brennraumtaschen im Kolben Gemischaufbereitung begünstigt wird. Bei der strahl-
eine gezielte Tumble-Einlassströmung zu erhalten. Die geführten Direkteinspritzung rückt die Einspritzdüse
Betätigung der Ventile erfolgt über Rollenschlepphe- in die Zylinderkopfmitte. Ottomotoren werden zur Er-
bel. Seitlich am Zylinderkopf ist die Einspritzdüse po- zielung höherer Leistungen und zur Verfolgung einer
sitioniert. Die Zündkerze ist zentral in der Mitte des verbrauchseffizienteren Downsizing-Strategie haupt-
Zylinderkopfes untergebracht. sächlich als Turbomotoren eingesetzt, zum Teil schon
200 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
..Abb. 7.117  Einsatz von voll variablen Ventilsteuerungen in Serie

7 mit zwei Aufladesystemen. Die Zielrichtung hierbei ist welle ein Stößel zum Druckaufbau in einem Zylinder
eindeutig auf eine Senkung der CO2-Emissionen ge- verwendet, wobei durch ein schnell schaltendes Hyd-
8 richtet. Für die Anbringung der Einspritzdüsen bei der raulikventil der Druckaufbau gesteuert werden kann.
Direkteinspritzung wird entweder eine seitliche Lage Mit dem Druckraum ist über einen weiteren Stößel das
wie am Einlasskanal in . Abb. 7.116 am Mitsubishi- Einlassventil verbunden, so dass der Ventilhub über
9 Motor gewählt oder die zentrale Lage im Zylinderkopf, das Druckniveau durch Steuerung über das Hydrau-
wobei dann für die Zündkerze eine geneigte Lage zu likventil variabel gestaltet werden kann.
10 wählen ist. Sowohl für Magermotor-Konzepte als auch
für den λ = 1 Betrieb werden hierzu von den Automo-
Die Zylinderkopfgeometrie ist mit der Einfüh-
rung dieser Systeme komplett neu gestaltet worden.
bilherstellern beide Positionen gewählt [67]. Mit der Die zusätzlichen Bauteile im Zylinderkopf bedingen
11 Steigerung der spezifischen Leistung der Motoren neue Ventiltriebskonzepte, bei denen zur Verstellung
stellen sich für die Zylinderkopfwerkstoffe und deren der Ventilerhebung ein Verstellgetriebe zusätzlich im
Dauerfestigkeitsverhalten erhöhte Anforderungen. Die Zylinderkopf unter zu bringen ist. Neben dem Einsatz
12 sonstigen Auswirkungen der Direkteinspritzung auf von variablen Ventilsteuerungen mit einer stufenwei-
die Zylinderkopfkonzeption beziehen sich im Wesent- sen Hub- und Öffnungsdauervariation zeigt sich, dass
13 lichen darauf, für die Einspritzdüse eine geeignete Lage durch den Einsatz der voll variablen Steuerungen nicht
zu finden. Konzeptionen mit einer zentralen Lage der nur an Fahrzeugen der Premiumklasse sich hier ein
Einspritzdüse im Zylinderkopf haben bezüglich Geo- Trend abzeichnet, der wohl zukünftig die Zylinder-
14 metrie, Thermik und Festigkeit größere Auswirkungen kopfentwicklung stärker prägt. Die aktuelle Ausfüh-
auf Zylinderköpfe. rung der Valvetronic (dritte Generation) unterstreicht
15 Ferner hat die Zylinderkopftechnologie mit dem
Einsatz vollvariabler Steuerzeiten an Ottomotoren eine
diesen Trend, wobei dieser auch in Kombination mit
Turbo-Ottomotoren und der homogenen Direktein-
neue Dimension bekommen. Durch die drosselfreie spritzung sich weiter fortsetzt. BMW hat mittlerweile
16 Laststeuerung werden die Ladungswechselarbeit und die Valvetronic in allen Zylinderzahlen im Einsatz,
nahezu proportional hierzu der spezifische Kraftstoff- je nach Motor zum Teil bereits in der 3. Generation
verbrauch deutlich gesenkt. An Serien-Ottomotoren (. Abb. 7.118). Detailoptimierungen, wie zum Beispiel
17 sind mechanische und hydraulische voll variable Ven- eine hohle nadelgelagerte Exzenterwelle, die Integra-
tilsteuerungen mit Nockenwellen zu finden [48, 68]. tion des Positionsgebers der Exzenterwelle im Stell-
18 Nachdem die Fa. BMW das System Valvetronic in motor oder die Integration der Steuerung innerhalb
verschiedenen Baustufen an Vier-, Sechs-, Acht- und der regulären Motorsteuerung sind der heutige Stand
Zwölfzylindermotoren eingesetzt hat [69], sind bei den der Technik. Die Bauteile sind teils vom Vier- bis zum
19 Firmen Toyota, Nissan, Mitsubishi und Hyundai eben- Achtzylindermotor sachnummerngleich verwendet.
falls mechanische voll variable Ventilsteuerungen in Die damit verbundenen Synergieeffekte bringen er-
20 Serie umgesetzt, . Abb. 7.117. An Ottomotoren der
Fa. Fiat kommt das hydraulische voll variable System
hebliche Herstellkostenvorteile.
Inwieweit die drosselfreie Laststeuerung in Rich-
Uni-Air zum Einsatz. Hierbei wird über eine Nocken- tung noch höherer Freiheitsgrade für die Ventil-
7.9 • Kurbelwellen
201 7
..Abb. 7.118 Zylinder-
kopf des V8-BMW Mo-
tors mit Direkteinsprit- Hochdruckeinspritzpumpe
zung und Valvetronic,
zentrale
Detailoptimierungen Einspritzdüsenlage
hohle gebaute
Nockenwellen

Valvetronic
auf Einlass-
ventilseite
Doppel
Stellmotor
Vanos
mit integriertem
Positionsgeber
der Exzenterwelle

steuerung und damit für die Motorsteuerung sich 7.9 Kurbelwellen


zukünftig darstellt, bleibt spannend zu beobachten.
Untersuchungen mit zusätzlich voll variablen Ventil- 7.9.1 Funktion im Fahrzeug
steuerungen auf der Auslassventilseite weisen weiteres
Potenzial zur Senkung der CO2-Emissionen auf [70]. Trotz der Notwendigkeit, die durchschnittlichen CO2-
In den nächsten Jahren ist wohl mit diesen Maßnah- Emissionen zu reduzieren und der damit verbundenen
men zu rechnen, wenn die CO2-Gesetzgebung sich Anstrengungen alternative Antriebe zu entwickeln, do-
weiter verschärft. miniert im Kraftfahrzeug nach wie vor der Verbren-
Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt für neue nungsmotor, vorzugsweise als Hubkolbenmotor. Das
Zylinderkopfkonzepte ist die Senkung der Ventiltriebs- wird auch die nächsten Jahre so bleiben. Um die Emis-
reibung und die Senkung des Schmierstoffbedarfs für sionsziele zu erreichen, werden durch das sogenannte
die Ventiltriebsbauteile. Untersuchungen an wälzge- Downsizing und den Einsatz von Hybridantrieben
lagerten Nockenwellen haben dazu geführt, dass so verstärkt aufgeladene Motoren mit einer niedrigeren
zum Beispiel das vordere Lager der Nockenwelle am Zylinderanzahl verwendet.
EA 211 Zylinderkopf der Volkswagengruppe schon als
Wälzlager ausgeführt ist. Weitere Vorteile lassen sich 7.9.1.1 Kurbelwellen
erzielen, wenn die Nockenwellenlagerdurchmesser an im Hubkolbenmotor
Pkw-Motoren in Bereiche um 20 mm Durchmesser Über die Kröpfung der Kurbelwelle werden die os-
reduziert werden können, da mittlerweile kaum noch zillierenden Bewegungen der Kolben über die Pleu-
festigkeitsmindernde Nockenwellen aus Grauguss im elstangen in eine Drehbewegung mit einem Nutz-
Einsatz sind, für die traditionell die größeren Lager- drehmoment an der Kurbelwelle umgewandelt. Die
durchmesser ausgelegt wurden. Wie schon vor circa Funktionselemente einer Kurbelwelle sind schema-
hundert Jahren bleibt die Vielzahl an Zylinderkopf- tisch in . Abb.  7.119 dargestellt. Durch die Belas-
konzepten an Serienmotoren groß [71]. Diesel- und tung, mit sich zeitlich und örtlich ändernden Kräften,
Ottomotoren gleichen sich trendmäßig durch die Ver- mit Dreh- und Biegemomenten sowie die daraus re-
wendung von zwei obenliegenden Nockenwellen und sultierenden Schwingungsanregungen unterliegt die
Rollenschlepphebeln mit hydraulischem Ventilspiel- Kurbelwelle hohen und sehr komplexen Beanspru-
ausgleich stärker an. Doch mit dem Einsatz der Ven- chungen.
tiltriebsvariabilitäten muss durch den Zusatzaufwand
entsprechend Platz vorgesehen werden, so dass sich 7.9.1.2 Anforderungen
die Zylinderköpfe je nach Variabilität weiterhin in den Die Lebensdauer einer Kurbelwelle wird beeinflusst
Konzepten unterscheiden. Für die Motorenentwickler durch:
bedeutet dieses eine große Herausforderung, sich den a) Biegewechselfestigkeit (Schwachstellen im Über-
weiterentwickelnden Anforderungen zu stellen. gang Lagersitz zur Wange),
202 Kapitel 7 • Motorkomponenten

niedrigerer Zylinderzahl, die bereits bei niedrigen


1 Drehzahlen hohe Momente abgeben. In diesen Mo-
toren wird die Kurbelwelle in allen oben erwähnten
2 Belangen ungleich höher beansprucht als in konven-
tionellen Saugmotoren. Neben dem Drehmoment ist
die Motorausführung ein entscheidendes Kriterium
3 für die Belastung der Kurbelwelle. Bei gleicher Mo-
torleistung sind zum Beispiel: V6-Kurbelwellen in der
Regel deutlich höher belastet als R6-Kurbelwellen [72].
4
7.9.2 Herstellung und Eigenschaften
5
2012 wurden in Westeuropa 14,7 Mio. Personenkraft-
6 wagen und leichte Nutzfahrzeuge produziert. Die welt-
weite Produktion betrug 70,5 Mio. Fahrzeuge. Ein ent-
7 sprechender Bedarf an Kurbelwellen wurde benötigt.

7.9.2.1 Verfahren und Werkstoffe


8 Kurbelwellen werden gegossen oder geschmiedet.
Die Anteile der einzelnen Herstellverfahren für das
Jahr 2015 sind in . Abb. 7.120 zu erkennen. In den
9 letzten Jahren hat der Anteil an geschmiedeten Wellen
in Europa durch die steigenden Bedarfe an Dieselmo-
10 toren und durch den Entwicklungstrend zu höheren
Drehmomenten zugenommen.
Die Notwendigkeit zur Reduktion des CO2-Aus-
11 stoßes und damit des Kraftstoffverbrauches wird mehr
und mehr auch beim Benzinmotor zu aufgeladenen
Motoren führen, die zur Zeit ebenfalls bevorzugt mit
12 geschmiedeten Wellen ausgerüstet werden.

13 Gießen
Zur Herstellung von gegossenen Kurbelwellen gibt es
verschiedene Verfahren, die aus . Abb. 7.121 zu ent-
14 nehmen sind.
Aus der Bewertung der verschiedenen Verfahren
..Abb. 7.119  Funktionselemente einer Kurbelwelle,
15 schematische Darstellung. 1 Flansch, 2 Pleuellager, ergeben sich, bedingt durch bessere Maßhaltigkeit,
Vorteile für das Grünsand-Verfahren [74]. Die Wei-
3 Gegengewicht, 4 Hauptlager/Passlager, 5 Ölkanäle,
6 Hohlradien, 7 Anlaufbunde terentwicklung der Gießverfahren [75] erfolgt in Rich-
16 tung Near-Net-Shape-Geometrie, hochfeste und här-
tere Gusswerkstoffe und die Herstellung von Ölkanälen
b) Torsionswechselfestigkeit (Schwachstellen häufig im Gusszustand.
17 die Ölbohrungen),
c) Torsionsschwingungsverhalten (Steifigkeit, Geräu- Schmieden
18 sche), In Deutschland haben sich auf geschmiedete Kurbel-
d) Verschleißfestigkeit, zum Beispiel der Kurbelwel- wellen für Straßenfahrzeuge zwei Unternehmen kon-
lenhauptlager, zentriert [76]. 1993 betrug in Westeuropa der Anteil
19 e) Verschleiß von Wellendichtringen (undicht, Aus- an geschmiedeten Wellen 28 %. Aus technologischen
tritt von Motorenöl). Gründen nimmt der Trend zu geschmiedeten Wellen zu.
20 Um die Motoreffizienz zu erhöhen, geht der Trend zu
Kurbelwellen für Pkw-Motoren erreichen ihre Be-
triebsfestigkeit durch die Grundfestigkeit des Werk-
aufgeladenen Motoren mit hohem Drehmoment und stoffs und durch Nachbehandlung im endnahen Zu-
7.9 • Kurbelwellen
203 7

..Abb. 7.120  Kurbelwellen nach Herstellverfahren in Straßenfahrzeugen (in Mio. Stück, Stand 2015) [73]

Verfahren Lage in der Form Formprozess


Grünsand liegend Automatische Anlage mit Formkasten
Maskenform stehend Croningsandschalen in Boxen mit Stahlkies hinterfüllt
Lost-Foam stehend Styropor-Modell in Boxen mit losem Sand hinterfüllt

..Abb. 7.121  Übersicht über Gießverfahren zur Herstellung von Kurbelwellen

stand (Wärmebehandlung, Oberflächenverfestigung). geringeren Zerspanungszugaben gearbeitet, die


Bei Schmiedewerkstoffen steht neben dem höheren E- Formteilungsgrate sind kleiner und müssen nicht
Modul vor allem auch eine höhere Grundfestigkeit zur mehr verputzt und die Schrägen im Wangenbe-
Verfügung. Für eine flexible Fertigung ist der spätere reich können enger spezifiziert werden. Auf die
Ausbau einer Motorengeneration unproblematischer, Bearbeitung von Wangenpartien kann vielfach
wenn die höhere Betriebsfestigkeit über die Grundfes-
tigkeit und nicht über die Veränderung der Nachbe-
handlung erreicht wird. - sogar verzichtet werden.
Gusswerkstoffe haben gegenüber Stahl einen
niedrigeren E-Modul. Gegossene Kurbelwel-
lenweisen bei gleichem Bauraum dadurch eine

-
Unterschiede gegossener Kurbelwellen niedrigere Steifigkeit auf.

-
gegenüber geschmiedeten Durch den niedrigeren E-Modul und niedrigere
Gegossene Kurbelwellen sind erheblich kosten- Dichte von Eisenguss sind Eigenfrequenzunter-

- günstiger als geschmiedete.


Gusswerkstoffe sprechen sehr gut auf Oberflä-
chenbehandlungsverfahren zur Steigerung der
Schwingfestigkeit an. So kann beispielsweise -
schiede zwischen gegossenen und geschmiedeten
Kurbelwellen von ca. 6 % zu erwarten.
Gegossene Kurbelwellen weisen, bedingt durch
die Oberflächenstruktur des Eisengusses (freige-
die Biegewechselfestigkeit durch Festwalzen der legte Sphärolithen), ein verändertes Verschleiß-
Radien im Übergangsbereich Zapfen/Wangen verhalten gegenüber Stahl auf [77]. Neue Unter-

- erheblich gesteigert werden.


Gegossene Kurbelwellen sind hohl ausführbar,
hierdurch ist eine Gewichtsreduktion von 10 bis
suchungen haben gezeigt, dass die Entfernung
von Sphärolithendeckeln zu einem besseren
Verschleißverhalten (niedrigerer Reibungskoeffi-

- 20 % möglich.
Gegossene Kurbelwellen bieten bei gleicher Aus-
führung gegenüber Stahl einen Gewichtsvorteil
von circa 8 %, bedingt durch die geringere Dichte
zient) gegenüber Stahl im Mischreibungsbereich
führt [78]. Grund dafür ist die Entstehung von
Mikroöltaschen.

- des Gusseisens mit Kugelgraphit.


Generell ist die mechanische Bearbeitung der
gegossenen Kurbelwellen einfacher. Es kann mit
204 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
Stahl Zugfestigkeit Dehngrenze Bruch- Zerspan- Potenzial der Nachbehandlung
dehnung barkeit nitriert Gewalzt/ Induktiv
Rm [N/mm2] Rp0.2 [N/mm2] A [%] Rolliert gehärtet
2 C38+N2 ++ 780 – 900 >450 >12 Gut Gut Gut Sehr gut
C38mod ++ 820 – 1000 >550 >12 Gut Gut Gut Sehr gut
3 = 38MnVS6 ++

46MnVS6 ++ 900 – 1050 >580 >10


4 16MnCr5 780 – 1080 >590 >10
37Cr4 880 – 1030 >620 >11 anspruchsvoll Gut Gering Sehr gut

5 37Cr4 V 850 – 950 >650 >14 anspruchsvoll Gut Gering Sehr gut
42CrMo4 V 980 – 1100 >850 >12 anspruchsvoll Gut Gering Sehr gut

6 ++
BY-Stähle (BY = aus Schmiedehitze gezielt
Grundfestigkeit keine weitere Wärmebehandlung erforderlich)
abgekühlt: Zur Erreichung der

7 ..Abb. 7.122  Eigenschaften von Stahl-Schmiedewerkstoffen für Kurbelwellen [72]

8 Guss Zug-
festigkeit
Dehn-
grenze
Bruch-
dehnung
Härte
HB 30
Zerspan- Potenzial der Nachbehandlung [14]
barkeit nitriert Gewalzt/ Induktiv
Rm [N/mm2] Rp0.2 [N/mm2] A [%]
9
Rolliert gehärtet
GJS-600-3 600 370 3 200 – 250 Sehr gut Gut Sehr gut Gering
GJS-700-2 700 420 2 230 – 280 Sehr gut Gut Sehr gut Gut
10 GJS-800-2 800 500 2 250 – 300 Gut Gut Sehr gut Gut

11 ..Abb. 7.123  Eigenschaften von Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS); minimale Werte nach DIN EN 1563 für Wan-
dicken ≤ 30 mm

12 7.9.2.2 Werkstoffliche Eigenschaften 7.9.3 Leichtbau und Verfahren


von Kurbelwellen zur Steigerung der Festigkeit
13 Die Eigenschaften von Kurbelwellenwerkstoffen zeigen
die . Abb. 7.122 und 7.123. Grundsätzlich besteht der Trend, dass bei gleicher Leis-
Die Entwicklung von Schmiedestählen für Kur- tung die Baugrößen der Motoren kleiner werden. Bei
14 belwellen geht in Richtung AFP-Stähle (das heißt aus- der Kurbelwelle versucht man durch Reduktion und
scheidungshärtende ferritisch-perlitische Stähle) [79, Geometrie-Optimierung der Gegengewichte, Reduk-
15 80]. Diese Stähle müssen nicht vergütet werden, damit
sie ihre Grundfestigkeit erreichen. Sie werden auch BY-
tion von Pleuel- und Grundlagerdurchmesser und
hohlgebohrte Pleuelzapfen das Leichtbaupotenzial zu
Stähle genannt. nutzen [82].
16 Der ferritisch-perlitische Gusswerkstoff GJS-700-2 Dadurch werden einerseits die Anforderungen an
wird üblicherweise bei Kurbelwellen eingesetzt. Hin- die Kurbelwelle höher, andererseits lassen die Platzver-
sichtlich der Härtestreubänder haben die Motorenher- hältnisse immer weniger Spielraum für ein werkstoff-
17 steller zum Teil werkseigene Spezifikationen. und herstellungsgerechtes Design.
Neue Entwicklungen gehen ebenfalls in Richtung
7.9.3.1 Hohlgegossene Kurbelwellen
18 Erhöhung der Grundfestigkeit und der Optimierung
der Nachbehandlung, ohne die übrigen Eigenschaften Generell sind gegossene Kurbelwellen, bei vergleich-
negativ zu beeinflussen [81]. barem Design, bedingt durch die niedrigere Dichte
19 rund 8 % leichter als geschmiedete. Hohl gegossene
Kurbelwellen bieten die Möglichkeit, das Gewicht
20 zusätzlich um weitere 10 bis 20 % zu reduzieren
(. Abb. 7.124).
7.9 • Kurbelwellen
205 7

..Abb. 7.124  Gegossene Kurbelwelle eines Vier-Zylinder-Motors aus GJS-600-3. a) vollgegossene, 12 kg schwe-
re Ausführung, b) hohle, 10,6 kg schwere Ausführung

Werkstoff- Zugfestigkeit 0.2 %-Dehngrenze Bruchdehnung A [%] Härte HB 30 (Richtwerte)


Kurzzeichen Rm [N/mm²] Rp0.2 [N/mm2]
EN-GJS-800-10 ≥800 ≥500 ≥10 250 bis 310
EN-GJS-900-8 ≥900 ≥600 ≥8 280 bis 340
EN-GJS-1050-6 ≥1050 ≥700 ≥6 320 bis 380
EN-GJS-1200-3 ≥1200 ≥850 ≥3 340 bis 420
EN-GJS-1400-1 ≥1400 ≥1100 ≥1 380 bis 480

..Abb. 7.125  Mechanische Eigenschaften von ausferritischem Sphäroguss (ADI) nach DIN EN 1564 für massge-
bende Wand­dicken von t ≤ 30 mm

7.9.3.2 ADI Austempered Ductil Iron keit, wird sowohl bei Guss als auch bei Stahl erst durch
(ausferritisches Gusseisen) Nachbehandlungsverfahren erreicht (. Abb. 7.126).
Für die Erhöhung der Grundfestigkeit von Gusseisen- Vor allem die kritischen Radien der Pleuel- und
werkstoffen bietet sich die Umwandlung in ein ausfer- Hauptlager müssen durch ein Verfahren zur Steigerung
ritisches Gefüge an. Dieser Werkstoff wird durch ein der Festigkeit für den betrieblichen Einsatz ertüchtigt
zusätzliches Wärmebehandlungsverfahren hergestellt werden.
und besitzt Eigenschaften (. Abb.  7.125), wie hohe
Festigkeit, gute Dehnung, hohe Härte aber schlechtere Festwalzen von Radien
Bearbeitbarkeit. Das Rollen der Radien ist das bei Guss und Stahlkur-
Neben den erheblich höheren Kosten ändert auch belwellen übliche Verfahren [83–86] zur Steigerung
eine Fertigung im „Endnahen Zustand“ [75] nichts am der Biegewechselfestigkeit von Kurbelwellen. Dabei
Grundproblem eines Gusswerkstoffes mit Kugelgra- werden im Übergang Lagerzapfen/Wangen Druck-
phit: Der Elastizitätsmodul kann durch die Wärmebe- Eigenspannungen aufgebracht, die in diesem hoch
handlung zur Erzielung hoher Festigkeiten nicht über beanspruchten Bereich die Dauerfestigkeit erheblich
die Werte des normalen GJS erhöht werden. erhöhen.

7.9.3.3 Erhöhung der Induktives Härten der Radien mit/ohne Zapfen


Bauteilfestigkeit durch Dieses Verfahren wird zum Teil bei Kurbelwellen für
Nachbehandlung Dieselmotoren angewandt, um die Schwing- und Ver-
Die statischen Eigenschaften sagen wenig über die schleißfestigkeit des Lagerzapfens zu erhöhen. Es ist
Lebensdauer einer Kurbelwelle aus. Die Bauteilfestig- auch eine Kombination induktives Härten – Radien-
keit, geprägt durch eine ausreichende Schwingfestig- rollen möglich [83].
206 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Schwingfestigkeit von Kurbelwellen


1 Wechselfestigkeit 0
mit festgewalzten
Radien
2 Schwellfestigkeit
0 mit induktionsgehärteten
Zapfen und Radien
200
mit verfestigungs-
3 gehärtet ohne ohne
jonitriert gestrahlten Radien gehärtet mit
± a (N/mm2, Biege-Nennspannung)

Oberflächen- Oberflächen-
Er tragbare Schwingbeanspruchung

festgewalzten
behandlung behandlung Radien
150
4
100
5
6 50

7 0
Ck-45 GJS-700-2 GJS-400-18 GJS-700-2 GJS-700-2 GJS-700-2 Ck-45

8 ..Abb. 7.126  Einfluss der Nachbehandlung auf die Schwingfestigkeit von Kurbelwellen

9 Nitrieren worden [87]. So ist es mittlerweile möglich, die Eigen-


Auch über dieses Verfahren können Druckeigenspan- spannungsverteilung in gehärteten Kurbelwellen-La-
10 nungen im Zapfen und Radienbereich aufgebracht
werden, die die Dauerwechsel- und Verschleißfestig-
gerbereichen numerisch zu simulieren.

keit erhöhen.
11 Nitrierverfahren werden heute allerdings kaum 7.9.4 Berechnung von Kurbelwellen
mehr angewandt, da sie nicht in den Fertigungsablauf
integrierbar sind und die Entsorgung der Salze schwie- Für die Auslegung von Kurbelwellen ist das Know-how
12 rig ist. über die Werkstoffkenndaten und die Möglichkeit der
Beeinflussung durch Nachbehandlung von entschei-
13 Kugelkalibrieren dender Bedeutung. Zusätzlich hilft die kontinuier-
Mit diesem Verfahren lässt sich die Torsionswechsel- liche Weiterentwicklung vom FEM- und Mehrkör-
festigkeit durch Verfestigen der Ölbohrungen in den persimulationsprogrammen eine gewichtsoptimierte
14 Lagerzapfen erhöhen. Zu beachten gilt es, dass die Auslegung von Kurbelwellen zu erreichen. Mit einem
Nachbehandlungsverfahren für jeden Werkstoff opti- integrierten Simulationsprozess sind sowohl Dyna-
15 miert werden müssen. Bei einer Werkstoffumstellung
muss dies berücksichtigt werden.
mik- und Akustikanalysen als auch Lebensdauerbe-
wertungen möglich.
Der Ablauf des integrierten Simulationsprozesses
16 7.9.3.4 Kombination [88]:
Werkstoffentwicklung/ Die Kurbelwelle wird als linear elastische Struk-
optimiertes Festwalzen tur berücksichtigt. Die auftretenden nichtlinearen
17 In den letzten Jahren wurden viele Anstrengungen Bewegungen und nichtlinearen Kopplungen zwi-
unternommen, die Lebensdauer von Sphärogussteilen schen den Bauteilen werden innerhalb der Mehrkör-
18 durch lokale Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung persimulation (MKS) behandelt (. Abb. 7.128). Die
zu erhöhen [81]. So wurde aufgezeigt, dass durch dynamischen Eigenschaften des Schmierfilms in den
Einsatz verbesserter Sphäroguss Werkstoffe und op- Hauptlagern des Kurbeltriebs werden mithilfe des ela-
19 timierte Festwalzparameter der Radien mit Sphäro- stohydrodynamischen Ölfilmmodels (EHD) abgebildet
guss-Kurbelwellen die Schwingfestigkeitswerte von und in die MKS eingebunden.
20 Stahlschmiedewellen erreicht beziehungsweise sogar
übertroffen werden können (. Abb. 7.127). Auch in
Mit der MKS wird ein instationärer Motorhoch-
lauf simuliert. Dabei wird der gesamte Drehzahlbe-
der Simulationstechnik sind weitere Fortschritte erzielt reich durchfahren, so dass alle auftretenden System-
7.10 • Ventiltriebskomponenten
207 7
..Abb. 7.127 Einfluss
des Rollierens auf die
Biegewechselfestigkeit
einer Kurbelwelle für
einen Vierzylinderdie-
selmotor mit 1,9-l-Hub-
raum (Vergleich Sibodur
700-10 mit Schmie-
destahl) [81]

7.10 Ventiltriebskomponenten

7.10.1 Standard-Ventiltrieb

In den vergangenen Jahren hat sich bei Pkw-Motoren


ein Trend zu obenliegenden Nockenwellen (over-
head camshaft  =  OHC und double overhead cams-
haft  =  DOHC) entwickelt, wobei Motoren mit un-
tenliegenden Nockenwellen (overhead valve = OHV)
gerade bei großvolumigen V-Motoren nach wie vor
Anwendung finden. Der Grund für die Entwicklung
von Motoren mit obenliegenden Nockenwellen liegt
in dem Bestreben, für Motoren hoher Leistung noch
drehzahlfestere Ventiltriebe bereitzustellen. DOHC-
..Abb. 7.128  MKS Modell mit flexibler Kurbelwelle
Konzepte geben dem Konstrukteur die Möglichkeit,
und EHD Lagermodell
mittels Nockenwellenverstellern die Steuerzeiten von
Einlass- und/oder Auslassnockenwellen unabhängig
resonanzen durchfahren werden können. Mittels voneinander zu steuern. OHV- und OHC-Konzepte
Campbell-Diagrammen von relevanten Messgrößen zeichnen sich durch kompakte Bauformen und kos-
(. Abb. 7.129) erhält man detaillierte Informationen tengünstige Herstellung aus.
über mögliche auftretende Effekte (Biege- und/oder Im Bereich der Dieselmotoren für Nutzkraftfahr-
Torsionsschwingungen, Schwungradtaumeln, etc.) zeuge zeichnet sich ein Trend zu 4-Ventil-Konzepten
An die dynamische Simulation folgt die Lebens- ab. Kipphebel beziehungsweise Doppel-Kipphebel mit
dauervorhersage. Als Spannungsdatensätze dienen mechanischer Einstellung des Ventilspiels, die von un-
die Spannungsverteilungen der einzelnen Modefor- tenliegenden Nockenwellen über Stößelstangen – wie
men (modale Spannungen) aus Finite Elemente Ana- bei den 2-Ventil-Anordnungen – angetrieben werden,
lyse (FEA). Das Ergebnis ist die Drehzahlabhängigkeit übernehmen die Betätigung der Ventile.
gegen Dauerbruch (. Abb. 7.130). Für die kleineren Nutzfahrzeugmotoren, die ohne
Besonders bei hochdrehenden Motoren, wo immer den Motorbremsbetrieb auskommen, werden neben
wieder dynamische Effekte entscheidenden Einfluss OHV- auch OHC-Konzepte eingesetzt – zunehmend
auf die Bauteilsicherheiten haben, erhält man durch mit hydraulischem Ventilspielausgleich.
den integrierten Simulationsprozess ein effizientes Ent-
wicklungstool um frühzeitig Schwachstellen zu erken- 7.10.1.1 Ventiltriebe mit direktem
nen. Es ist möglich, bereits in einem frühen Stadium Antrieb
der Entwicklung Varianten- und Werkstoffvergleiche In diese Kategorie fallen Ventiltriebe mit hydraulischen
durchzuführen oder eine Abstimmung von Anbautei- (. Abb. 7.131) oder mechanischen Tassenstößeln so-
len vorzunehmen (zum Beispiel: Torsionsdämpfer). wie sogenannte „Brücken“-Lösungen, wobei säulenge-
208 Kapitel 7 • Motorkomponenten

780.0 1.0 ..Abb. 7.129 Camp-


1 702,4 0.9
bell-Diagramm eines
Motorhochlaufs

2 624.8 0.8

547.2 0.7

Normalisierte Amplitude
3 469.6 0.6
Frequenz [Hz]

391.9 0.5
4
314.3 0.4

5 236.7 0.3

159.1 0.2
6 81.5 0.1

7 3.9
1020.7 1306.6 1592.4 1878.3 2164.1 2450.0 2735.9 3021.7 3307.6 3593.4 3879.3
0.0

Drehzahl [U/min]
8
9
Maximale Sicherheit gegen Dauerbruch

10
11
12
instationär
stationär

13
1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000
Drehzahl der Kurbelwelle [U/min]
14 ..Abb. 7.131  Hydraulischer Tassenstößel
..Abb. 7.130  Beispiel einer Verteilung der minimalen
Dauerbruchsicherung über Drehzahl
15 Tassen mit gestufter Bodenstärke (. Abb. 7.132) oder
führte Elemente die Bewegung von mehreren Ventilen solche mit untenliegenden Einstellscheiben verwendet.
16 durch direkte Betätigung einer Nockenwelle überneh- Hinsichtlich Servicearbeiten (Ventilspieleinstel-
men. Eine Unterbauart der letztgenannten Lösung lung) sind Tassen mit obenliegender Einstellscheibe
stellt die Brücke dar, die auf zwei hydraulische Tassen- (. Abb.  7.133) vorzuziehen, da bei dieser Bauform
17 stößel aufgelegt wird (Opel-DI-Diesel-Motoren). eine Demontage der Nockenwelle nicht unbedingt er-
Der direkte Antrieb bietet stets sehr gute Stei- forderlich ist. Diese sind allerdings deutlich schwerer
18 figkeitswerte bei relativ niedrigen bewegten Massen. und benötigen einen größeren Einbauraum als erst
Dies ist die Voraussetzung für ein unproblematisches genannte Tassen (bei gleicher Ventilerhebung). Die
Ventiltriebsverhalten auch bei sehr hohen Drehzahlen Grundkörper der Tassenstößel bestehen aus umform-
19 (Kontaktkraftverlust, vorzeitiges Ventilaufsetzen). So- barem Stahl. Es sind nur zwei Anwendungsfälle mit
mit lassen sich gerade mit Tassenstößeln effiziente und Aluminium bekannt (TOYOTA Lexus V8, Jaguar V6
20 hochdrehende Motoren verwirklichen.
Um geringe bewegte Massen zu erreichen, werden
und V8). Die Scheiben sind zumeist aus durchhärt-
barem Stahl hergestellt. Mit Grundkörpern aus tiefge-
unter den mechanischen Tassenstößeln vorzugsweise zogenem Stahlblech und kleinen Hydraulikelementen
7.10 • Ventiltriebskomponenten
209 7

..Abb. 7.132  Mechanischer Tassenstößel mit gestuf- ..Abb. 7.133  Mechanischer Tassenstößel mit obenlie-
ter Bodenstärke gender Einstellscheibe

(AD: 11 mm) erreichen hydraulische Tassenstößel sehr auf dem als Kugel ausgebildeten oberen Ende des
niedrige Massen, die bei gleichem Nockenkontakt-
durchmesser das Gewicht von mechanischen Tassen
- Hydraulikelements,
Kipphebel, die drehbar auf einer Achse gelagert
mit „topshin“ deutlich unterschreiten.
Der Gleitkontakt zum Nocken erfordert eine
sorgfältige Bearbeitung der Nockenwelle – am vor-
teilhaftesten erweist sich ein Stein-Finishen nach dem
- sind,
OHV-Konzepte, bestehend aus Nockenfolger
(Flach- oder Rollenstößel), Stößelstange und
Kipphebel.
Nockenschleifen. Darüber hinaus muss auch der No-
ckenwellenwerkstoff auf den Belastungsfall abgestimmt Im Bereich der Schlepphebelventiltriebe gibt es einen
sein, um Verschleiß zu vermeiden. Als besonders vor- klaren Trend zu Schlepphebeln, die aus Blech umge-
teilhaft erweisen sich Schalenhartgussnockenwellen so- formt werden und im Kontakt zur Nockenwelle eine
wie Nockenwellen aus an der Oberfläche umgeschmol- wälzgelagerte Rolle aufweisen. Schlepphebel, die im
zenem Grauguss. Um ein gleichmäßiges Einlaufen der Feingussverfahren aus Stahlguss hergestellt werden, lie-
Nockenkontaktfläche zu erzielen, soll der Tassenstö- fern dem Konstrukteur größeren gestalterischen Frei-
ßel beziehungsweise die Scheibe rotieren. Dies wird raum (Steifigkeit, Massenträgheitsmoment). Die Kos-
erreicht durch einen Versatz des Nockens zur Scheibe tenvorteile des aus Blech hergestellten Schlepphebels
(in Richtung der Nockenwellenachse) beziehungsweise sind jedoch so groß, dass Feinguss-Schlepphebel nur
durch einen Versatz plus Schrägschliff des Nockens bei in Ausnahmefällen eingesetzt werden (. Abb. 7.134).
Kontakt des Nockens mit dem Stößel selbst. Tassen- Der Einsatz einer wälzgelagerten Rolle führt im Ver-
stößelventiltriebe und hier gerade die mechanischen gleich zu Gleitflächenschlepphebeln beziehungsweise
liefern bei DOHC-Anwendungen den Vorteil geringer Tassenstößel-Ventiltrieben zu einer Reduzierung der
Bauhöhe des Zylinderkopfs. Tassenstößel finden sich in Reibleistung gerade in dem für die Verbrauchsreduzie-
vielen unterschiedlichen Anwendungsfällen – 2- be- rung relevanten unteren Drehzahlbereich. Allerdings
ziehungsweise 4-Ventil-Benzin- und Dieselmotoren. wird die Reduzierung an Reibleistung mit einer deut-
Ein Tassenstößel mit einem speziellen Hydraulik- lichen Verminderung an Dämpfung bezüglich Torsi-
element, das entwickelt wurde, um Kontaktkraftüber- onsschwingungen der Nockenwelle erkauft mit Folgen
höhungen während der Grundkreisphase zu eliminie- für den Ketten- beziehungsweise Riementrieb. Massen-
ren, findet in allen Pumpe-Düse-Diesel-Motoren des trägheitsmoment und Steifigkeit hängen sehr stark von
Volkswagen-Konzerns Anwendung. der Bauform des Hebels ab. Kurze Hebel ermöglichen
kleine Massenträgheitsmomente mit geringeren auf die
7.10.1.2 Ventiltriebe mit indirektem Ventilseite reduzierte Massen als Tassenstößel. In der
Antrieb Gesamtheit betrachtet sind Rollenschlepphebel hin-

-
Zu dieser Gruppe von Ventiltrieben zählen:
Schlepphebelventiltriebe mit stationärem Ven-
tilspielausgleichselement; der Schlepphebel ruht
sichtlich Steifigkeit Tassenstößeln unterlegen.
Das Nockenprofil des Rollen-Schlepphebel-Ven-
tiltriebs unterscheidet sich deutlich von dem des Tas-
210 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7 ..Abb. 7.134 Rollenschlepphebel mit hydraulischem
Abstützelement

8 senstößelventiltriebs (großer Spitzenradius, kleinerer


Nockenhub – abhängig vom Übersetzungsverhältnis,
konkave Flanken). Um die Konkavitäten des Nockens
9 so eng zu halten, dass sie großserientechnisch schleif-
bar bleiben, werden Ventiltriebsgeometrien bevorzugt,
10 in denen die Rolle etwa mittig zwischen Ventil und dem
Hydraulikelement positioniert wird. Die Nockenwelle ..Abb. 7.135  Ventiltrieb eines DI-Diesel-Motors mit
Rollenschlepphebeln [89], Wiener Motorensymposium
liegt dabei oberhalb der Rolle. Diese Anordnung führt
11 dazu, dass die Gefahr des „Aufpumpens“ (siehe hyd-
(2001)
raulischer Ventilspielausgleich) beherrschbar bleibt.
Diese Konfiguration der gegenüber dem Ventil
12 versetzten Lage des Nockens macht den Schlepphebel
für 4V-DI-Diesel-Motoren interessant, da bei diesen
13 Motoren die Ventile parallel oder nur in einem engen
Winkel zueinander stehen (. Abb.  7.135). Erst die
Verwendung von Schlepphebeln ergibt ausreichend
14 Abstand zwischen den Nockenwellen. Mit Schlepphe-
beln lassen sich auch „verdrehte“ Ventilanordnungen
15 bedienen (zum Beispiel DCC OM 668).
Anders als Schlepphebel werden Kipphebel an Ach-
sen geführt. Man unterscheidet Kipphebel, bei denen
16 die Lagerung in der Mitte des Hebels (. Abb. 7.136)
erfolgt, und solche, die am Ende gelagert sind, die auch
als Schwinghebel bezeichnet werden.
17 Bei ersteren ist die Nockenwelle an einem Ende
..Abb. 7.136  Typischer Kipphebelventiltrieb
unterhalb des Hebels angeordnet. Die Übertragung
18 der Nockenbewegung übernimmt eine Gleitfläche oder
eine Nockenrolle. Um einen niedrigeren Reibungs- Um den Kontaktpunkt zwischen Einstellelement
verlust zu erzielen, werden für moderne Kipphebel und Ventil bei der Schwenkbewegung des Hebels stets
19 meistens nadelgelagerte Nockenrollen verwendet. Das auf dem Ventilschaftende zu halten, muss die Kontakt-
Motorventil wird auf der gegenüberliegenden Seite des fläche des Hebels gekrümmt sein. Da sowohl Hydrau-
20 Hebels über ein hydraulisches Ventilspielausgleichs­
element oder eine Einstellschraube zur mechanischen
likelement wie mechanische Einstellschraube nicht
richtungsgebunden im Hebel montiert sind, ergibt sich
Einstellung des Ventilspiels betätigt (. Abb. 7.137). eine ballige Kontaktfläche am Ventilbetätigungsele-
7.10 • Ventiltriebskomponenten
211 7

Kontaktradius min. Kontaktradius 15–30 mm


105 mm Flächenpressung bei
Flächenpressung bei 1000 N Belastung beträgt
..Abb. 7.137  Ansicht und Schnitt eines Aluminium- 1000 N Belastung beträgt 2254–1420 N/mm2
kipphebels 616 N/mm2

ment. Diese geometrische Gestalt führt zu vergleichs- ..Abb. 7.138 Hydraulikelemente für Kipphebel mit
weise hohen Flächenpressungen am Ventilschaftende. Außendurchmesser 11 mm
Bei zu hohen Flächenpressungen werden Hydraulik-
elemente eingesetzt, die im Kontakt zum Ventil einen
Schwenkfuß aufweisen. Den Kontakt selbst übernimmt können. Mit Hilfe von Hydraulikelementen wird das
eine annähernd ebene Fläche, während der Schwenk- Ventilspiel individuell ausgeglichen.
fuß eine Bewegung um eine am Hydraulikelement an- Sogar Dreifach-Betätigungen sind möglich
gebrachte Kugel ausführt (. Abb. 7.138). (. Abb. 7.139). Audi verwendet für die 3-Einlassven-
Als Material für die Hebel wird Aluminium, vor- tiltriebe bei den V8-Motoren einen Dreifach-Schwing-
zugsweise im Druckgussverfahren hergestellt oder hebel. Der Kraftfluss erfolgt von zwei Nocken über
Stahlguss verwendet. zwei Rollen im Hebel auf drei Hydraulikelemente.
Die Ölversorgung der Hydraulikelemente erfolgt Neben den bisher genannten Lösungen, bei denen
von der Kipphebelachse aus. Von hier führen Boh- der Kipphebel direkt die Ventile betätigt, finden sich
rungen im Kipphebel zu den Hydraulikelementen. auch Ventiltriebe mit Kipphebeln, die über säulen-
Abstützscheiben mit engem Führungsspiel, die grund- geführte oder frei bewegliche Brücken zwei Ventile
sätzlich in Aluminiumhebeln verwendet werden, er- gleichzeitig bedienen. Bei 4-Ventil-Dieselmotoren
lauben das Entweichen der Luft, die zum Beispiel beim auch mit gedrehter Ventilanordnung ergibt sich so die
Starten des Motors bis zum Hydraulikelement gelan- Möglichkeit, alle Ventile mit nur einer Nockenwelle
gen kann. Bei Stahlkipphebeln werden zur Entlüftung zu betätigen und dabei Raum für die Einspritzdüsen
entweder solche Scheiben oder sehr kleine Bohrungen beizubehalten.
verwendet. Auf Grund der Geometrie der Kipphebel, insbe-
Ausgehend von Ölversorgungsbohrungen in der sondere dem großen Abstand zwischen Nockenkon-
Kipphebelachse können Bohrungen im Kipphebel zur takt und Ventilkontakt, der vergleichsweise großen
Anspritzung der Nockenrolle beziehungsweise der No- Anzahl von Kontaktstellen und der zusätzlich zu be-
ckengleitfläche verwendet werden. rücksichtigenden Achse sind die Steifigkeitswerte nied-
Dermaßen ausgebildete Hebel finden in Diesel- rig. Der viel direktere Kraftfluss beim Schwinghebel
und Ottomotoren Anwendung. Mit Kipphebeln ist es sorgt für viel bessere Steifigkeitswerte.
möglich, 2-, 3- oder 4-Ventil-Anordnungen zu reali-
sieren mit nur einer Nockenwelle. Bei Ventiltrieben 7.10.1.3 Hydraulischer
mit zwei Einlass- oder Auslassventilen können Dop- Ventilspielausgleich
pel- oder Zwillingskipphebel eingesetzt werden, die Seit sehr langer Zeit ist es das Bestreben der Motorkon-
mit einem Nocken zwei Ventile gleichzeitig betätigen strukteure, die Einstell- beziehungsweise Servicearbei-
212 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Menge Öl und wird in den Vorratsraum im Kolben


1 geführt. In der anschließenden Grundkreisphase (Ven-
til geschlossen) drückt die innenliegende Feder das
2 Hydraulikelement solange auseinander, bis das Ven-
tilspiel wieder vollständig ausgeglichen ist. Der dabei
entstehende Differenzdruck lässt das Rückschlagventil
3 öffnen und die für den Ausgleichsvorgang notwendige
Menge Öl nachströmen. Somit sind Längenänderun-
gen des Hydraulikelementes in beiden Richtungen
4 möglich.

5 - Die Vorzüge des hydraulischen Ausgleichs sind:


einfache Zylinderkopfmontage (keine Mess- be-
ziehungsweise Einstellarbeiten, da das Hydraulik-

6
7
-- element alle Toleranzsituationen ausgleicht),
servicefrei,
Steuerzeitenkonstanz in allen Betriebspunkten
zu jeder Zeit (keine Änderung der Steuerzeiten
infolge thermischer Effekte oder Verschleiß der

8
Aufnahme für
- Ventiltriebskomponenten),
geringes Geräuschniveau (durch niedrige Öff-
nungs- und Schließrampen an der Nockenwelle
und niedrige Öffnungs- und Schließgeschwindig-
9 Hydraulikelement Nockenrollen
keiten).
..Abb. 7.139 Dreifach-Schwinghebel aus dem Audi
10 V8-Motor Um dies zu erreichen, wurden bestimmte Anforderun-
gen an den Ölkreislauf gestellt (Öldruck, Verschäu-
ten am Motor so gering wie möglich zu halten. Deshalb mung) und eine Bearbeitung des Nockengrundkreises
11 ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Motoren mit mit kleinen Formtoleranzen gefordert. Bei unzurei-
hydraulischem – automatischem – Ventilspielausgleich chender Ölversorgung können die Elemente kompres-
lange vor dem Zweiten Weltkrieg produziert wurden. sibel werden (Luft in Hochdruckraum). Dies führt zu
12 Allerdings waren dies großvolumige Motoren, die nur Ventilhubverlusten mit der Folge von Geräuschen oder
mäßige Drehzahlen erreichten. Höhere Drehzahlen Änderungen des dynamischen Verhaltens bei hohen
13 wurden in den 1970er-Jahren in den Mercedes-Benz Drehzahlen. Kontaktkraftverluste werden vom Hyd-
V8-Motoren mit hydraulischen Einschraubelemen- raulikelement als Spiel erkannt und können zu einer
ten (Schlepphebel-System) bewältigt. Ein weiterer ungewollten Verlängerung des Elements führen mit
14 Meilenstein war in den 1970er Jahren die Einführung der Folge von offenstehenden Ventilen.
von hydraulischen Tassenstößeln im V8-Motor des
7.10.1.4 Mechanische
15 Porsche 928. Heute wird der hydraulische Ventilspiel-
ausgleich in allen Fahrzeugklassen eingesetzt – selbst Ventilspieleinstellung

16
in hochdrehenden Motoren wie zum Beispiel Ferrari
oder Porsche.
--
Die Einstellung des Ventilspiels erfolgt über:
Schrauben,

17
Ein Hydraulikelement besteht aus einem Gehäuse,
das in seinem Inneren einen Kolben mit integriertem
Rückschlagventil aufnimmt. Beide Teile sind zueinan-
der verschiebbar und bilden an der Berührfläche einen
- Einstellplättchen mit gestuften Stärken oder
Tassenstößel mit gestufter Bodenstärke (nur für
Tassenstößelventiltriebe).

18 nur wenige Mikrometer großen Leckspalt. Beide Teile Diesen Möglichkeiten ist eine endliche Einstellgenau-
werden durch eine innenliegende Feder auseinander- igkeit gemein, die bei der Auslegung der Rampen beim
gedrückt. Öffnen und Schließen der Ventile berücksichtigt wer-
19 Während des Ventilhubs belasten Motorventilfeder den muss. Das Messen und Einstellen des Ventilspiels
und Massenkräfte das Hydraulikelement. Es entsteht ist bei der Montage des Zylinderkopfs notwendig. Der
20 ein hoher Druck in dem vom Gehäuse und vom Kol-
ben (Rückschlagventil geschlossen) gebildeten Raum.
Vergrößerung des Ventilspiels durch Verschleiß der
Ventiltriebskomponenten kann durch Einstellen des
Durch den sehr engen Leckspalt entweicht eine kleine Spiels (Service) begegnet werden; Änderung des Spiels
7.10 • Ventiltriebskomponenten
213 7
..Abb. 7.141  Schaltbarer Rollen-
stößel

..Abb. 7.140  Schaltbarer Tassenstößel

mit dem Temperaturgang des Motors lassen sich nicht Zylinderabschaltung


ausgleichen. Die genannten Effekte führen zu einer Bei der Zylinderabschaltung werden ausgewählte
möglichen großen Streuung des Spiels und erzwingen Zylinder durch Hubabschaltung an den Ein- und
hohe Rampen mit großen Öffnungs- und Schließge- Auslassventilen stillgelegt, es findet eine komplette
schwindigkeiten. Die große Streuung bedeutet große Entkopplung vom Nockenhub statt. Auf Grund von
Veränderungen der Steuerzeiten und hat damit nega- äquidistanten Zündfolgen lassen sich damit gängige
tive Auswirkungen auf die Abgasqualität; die hohen V8- und V12-Triebwerke auf V4- beziehungsweise R6-
Schließgeschwindigkeiten verursachen Ventiltriebs- Motoren „umschalten“. Hat man die Zylinderabschal-
geräusche. tung anfänglich ausschließlich bei großvolumigen,
Die Vorteile der mechanischen Ventilspieleinstel- vielzylindrigen Motoren eingesetzt, so werden jetzt
lung (gegenüber vergleichbaren Ventiltriebskompo- vermehrt auch kleinvolumige Vier-Zylinder-Aggregate

--
nenten mit hydraulischem Spielausgleich) sind:
höhere Steifigkeit,
geringere Reibungsverluste (durch Entfall
Grundkreisreibung und geänderte Motorenven-
mit dieser Technik ausgerüstet.
Zweck der Zylinderabschaltung ist es, die Ladungs-
wechselverluste (Pump- beziehungsweise Drossel­
verluste) zu minimieren und eine Betriebspunktver-

- tilfedercharakteristik),
geringere Bauteilkosten.

7.10.1.5 Variable Ventiltriebe


lagerung hin zu höheren Mitteldrücken und damit
höheren thermodynamischen Wirkungsgraden durch-
zuführen.
Serienanwendungen wie der Chrysler HEMI-V8-
Aufbauend auf den bereits (▶ Abschn. 7.10.1.1 – ▶ Ab- Motor zeigen, dass sich durch den Einsatz einer Zy-
schn. 7.10.1.4) erläuterten Systemen kann der Notwen- linderabschaltung ein Kraftstoffeinsparpotenzial in
digkeit der Motorenkonstrukteure und dem Wunsch der üblichen Fahrzyklen von circa 10 % erreichen lässt.
Thermodynamiker entsprochen werden, verschiedene Der zuvor genannte positive Effekt der Reibleis-
Ventilhubkurven auf ein Motorventil zu übertragen. tungsverringerung im Ventiltrieb ist bei Zylinderab-
Dies wird durch eine Umschaltung in den Über- schaltung für den abgeschalteten Betrieb natürlich
tragungsweg des Ventiltriebes integriert. noch ausgeprägter.
Hubumschaltungs- und Hubabschaltungssys-
teme mit schaltbaren Nockenfolgern wie Tassenstößel
-- Gängige Lösungen zur Zylinderabschaltung:
schaltbares Abstützelement,
(. Abb. 7.140), Rollenstößel (. Abb. 7.141) oder Kipp-
hebel, Schlepphebel (. Abb. 7.146) oder dem Schiebe-
-- schaltbarer Rollenstößel,
schaltbarer Schlepphebel,
nockensystem (. Abb. 7.143) sind in verschiedenen
Anwendungen in Serie. Dabei gilt, dass für jeden wei-
teren Alternativ-Ventilhub auch ein entsprechender
Nocken als hubgebendes Element vorhanden sein
- Schalttasse,
Schiebenockensystem.

Im Abschnitt „Teilvariable Ventiltriebe“ wird noch


muss – es sei denn, der Alternativ-Hub ist der Nullhub. detaillierter auf die genannten Systeme eingegangen.
214 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Hubumschaltung
1 Die Hubumschaltung ermöglicht die betriebspunkt-
abhängige Nutzung von mindestens zwei verschiede-
2 nen Ventilerhebungen. Hierbei kommt ein speziell auf
den Teillastbereich abgestimmter kleinerer Ventilhub
zum Einsatz, welcher den Drehmomentverlauf verbes-
3 sert und den Verbrauch und die Emissionen reduziert.
Der große Ventilhub kann dann auf weitere Leistungs-
steigerung optimiert werden.
4 Der kleine Ventilhub mit geringerem Maximal-
hub und kürzerer Eventlänge ermöglicht durch den
5 deutlich früheren „Einlass-Schließt“-Zeitpunkt und
der Entdrosselung im Ansaugtrakt eine Verringerung
der Ladungswechselarbeit (Miller-Zyklus). Ähnliche
6 Resultate sind mit dem Atkinson-Zyklus, das heißt
extrem spätem Einlassschluss möglich. Eine opti- ..Abb. 7.142  VarioCamPlus-System Porsche [90],
7 male Füllung des Verbrennungsraumes bewirkt im
Teillastbereich eine Drehmomentsteigerung. Weitere
Wiener Motorensymposium (2000), Porsche AG, Dr.
Neußer (Quelle: ▶ www.porsche.com)
Verbrauchsvorteile lassen sich durch eine Erhöhung
8 der Restgasverträglichkeit, zum Beispiel durch asym-
metrische Ventilerhebungen (unterschiedliche kleine Technische Ausführungen
Ventilerhebungen für beide Einlassventile zur Draller- Mittlerweile sind unterschiedliche technische Lösun-
9 zeugung) und durch die Maskierung der Einlassventile gen für Hubum- und -abschaltung am Markt vertre-
zur gezielten Ladungsbewegung erreichen. ten. Ein grundsätzlicher Ansatz ist, das den Nocken
10 Weitere Anwendungsgebiete erschließen sich im
Hinblick auf neue Brennverfahren, wie HCCI, welche
abgreifende Element vom Motorventil zu entkop-
peln. Die entstehende „verlorene“ Bewegung wird
eine gezielte Restgassteuerung benötigen. „Lost-motion“-Hub oder Leerhub genannt. Die nega-
11 In Kombination mit einer Nockenwellenverstel- tiven Massenkräfte müssen hierbei von einer „Lost-
lung kann in vielen Betriebspunkten des Motors eine motion“-Feder aufgenommen werden, da die Ventil-
thermodynamische Optimierung erreicht werden, was feder nicht mehr auf den entkoppelten Nockenfolger
12 sich in einer deutlichen Absenkung des Kraftstoffver- wirkt.
brauchs niederschlägt. Im Falle einer Hubumschaltung bestimmt nun der
13 Die Markteinführung dieser Technologie zum Nocken für die Teillast die Bewegung des Ventilhubes.
Beispiel mit der Schalttasse erfolgte bei Porsche Für die verschiedenen Ventiltriebstypen, wie zum
1999 mit dem sogenannten VarioCamPlus-System Beispiel Tassen- oder Schlepphebeltriebe, gibt es ent-
14 (. Abb. 7.142). sprechend angepasste technische Lösungen, mit be-
Bei verschiedenen Serienanwendungen sind Ver- schriebenem Wirkprinzip.
15 brauchseinsparungen im NEFZ von bis zu 6 % darge-
stellt worden.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, wie im Audi-
Valvelift-System, durch axiales Verschieben des No-
Positive Effekte bezüglich der Reibleistung sind ckens beziehungsweise Nockenpaketes auf der Welle
16 nachweislich ebenfalls vorhanden, da im Teilhubbe- mittels elektromechanischem Aktuator den abzugrei-
trieb bei kleineren Ventilhüben geringere Ventilfeder- fenden Hub zu steuern (. Abb. 7.143).
kräfte auftreten.

--
17 Gängige Lösungen zur Hubumschaltung: Teilvariable Ventiltriebe (Schaltbare
schaltbarer Schlepphebel, Komponenten)
18
19
- Schalttasse,
Schiebenockensystem.

Im folgenden Abschnitt „Teilvariable Ventiltriebe“ wird


Die Schalttasse besteht aus zwei koaxial angeordne-
ten Tassen, dem Innen- und dem Außengehäuse. Die
Verdrehsicherung stellt die korrekte Ausrichtung der
balligen Nockenkontaktflächen der Schalttasse zu
die Funktionsweise der genannten Komponenten nä- den Nocken sicher. Der Vorteil einer gekrümmten
20 her erläutert. Nockenabgriffsfläche besteht in der Unterbringung
eines größeren Hubes im Vergleich zu einem flachen
Tassenboden. Im entriegelten Zustand verhindert die
7.10 • Ventiltriebskomponenten
215 7

..Abb. 7.143  Audi-Valvelift-System [91]


(Quelle: ▶ www.audi.de)

„Lost-motion“-Feder, als Druckfeder ausgeführt, das


Abheben des Außengehäuses vom Nocken.
Durch den Verriegelungsmechanismus können In-
nen- und Außengehäuse miteinander gekoppelt oder
entkoppelt werden (. Abb. 7.144). Je nach geforder-
ter Schaltstrategie kann die Verriegelung als drucklos
verriegelt oder drucklos entriegelt ausgeführt werden.
Das hydraulische Ventilspielausgleichselement (HVA)
befindet sich im Innengehäuse. ..Abb. 7.144  Schaltstellungen Koppelmechanismus
Schaltbare Rollenstößel (. Abb. 7.141), welche in [90], Wiener Motorensymposium (2000)
OHV-Motoren zum Einsatz kommen und schaltbare
Abstützelemente (. Abb.  7.145) weisen prinzipiell ..Abb. 7.145  Schaltbares Ab-
denselben beschriebenen Aufbau auf, jedoch ist mit stützelement
diesen Komponenten nur eine Hubabschaltung bezie-
hungsweise Zylinderabschaltung möglich. Dafür be-
nötigen diese Schaltelemente auch keinen zusätzlichen
Nocken.
Der schaltbare Schlepphebel besteht aus zwei
miteinander koppelbaren Hebeln, die mit Gleit- oder
Rollenabgriff ausgeführt sein können. Die „Lost-
motion“-Feder ist in den meisten Fällen eine Dreh-
schenkelfeder. . Abb. 7.146 zeigt eine Variante, die je
nach Nockenwellenausführung zur Ventilhubumschal-
tung beziehungsweise -abschaltung verwendet werden
kann. Die Übertragung des kleinen Hubes erfolgt hier
mittels Gleitabgriff. Eine Variante für Rollenabgriff für
den kleinen Hub ist in (. Abb. 7.147) dargestellt.
Bei MAZDA kommt der schaltbare Schlepphebel Einlassphase geöffnet werden zum Zwecke der inter-
(. Abb. 7.146) in einer speziellen Applikation bei den nen Abgasrückführung (Abgasrücksaugen).
SKYACTIVE Dieselmotoren zum Einsatz. Hierbei Die Betätigung der Verriegelung der oben ge-
wird der schaltbare Schlepphebel auf der Auslassseite nannten Schaltkomponenten erfolgt meistens über
eingesetzt. Durch Umschalten auf den Sekundärhebel den bereits in der Umgebung des Schaltelementes
kann das Auslassventil ein zweites Mal während der zur Verfügung stehenden Motoröldruckes über die
216 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
..Abb. 7.147  Schaltbarer Schlepphebel zur
5 Ventilhub­umschaltung

..Abb. 7.146  Schaltbarer Schlepphebel zur


6 Ventilhub­umschaltung oder -abschaltung (Mazda
SKYACTIVE Diesel)
Für die Gestaltung des Schaltölkreislaufes im
Motor (. Abb. 7.148) ist besondere Sorgfalt auf die
7 bestehende HVA-Versorgung oder über eine sepa-
rate Galerie. Dabei erfolgt die Steuerung über ein
Lage und Geometrie der Galerien zu legen, um ein
möglichst hydraulisch steifes System darzustellen,
3/2-Wege-Schaltventil, welches den Druckaufbau in Luftansammlungen zu unterbinden und Drosselstel-
8 den Ölgalerien für das Betätigen der Schaltelemente len zu vermeiden. Ein optimales Ansprechverhalten
beziehungsweise den zügigen Druckabbau für das wird durch eine ständige Spülung der Schaltgalerie bei
Zurückschalten steuert. reduziertem Öldruck sichergestellt. Hiermit werden
9 Das Schaltventil selbst wird elektrisch über die eventuell angesammelte Luftblasen schnell ausgespült
ECU nach einem hinterlegten Kennfeld angesteuert. und gleichzeitig sorgt das geringe Druckniveau für eine
10 Alternativ gibt es technische Lösungen für eine
direkte elektro-magnetische Ansteuerung der Ver-
Vorspannung des Hydraulikkreislaufes.
Das Schiebenockensystem der Schaeffler AG
riegelungsmechanismen, welche bauraumtechnisch (. Abb. 7.149) beruht auf der axialen Verschiebung
11 bisher noch größere Herausforderungen an die Unter- eines Nockenstücks auf einer Grundwelle. Herzstück
bringung im Zylinderkopf stellen. Mit einem gut abge- des Schiebenockensystems ist die Steuernut, in die der
stimmten hydraulischen System lassen sich Schaltzei- Aktorpin eingreift und das Nockenstück für einen Zy-
12 ten von 10 bis 20 ms erzielen, welche eine Umschaltung linder axial auf der Grundwelle verschiebt.
innerhalb einer Nockenwellenumdrehung im üblichen Die Hubvariabilität wird direkt an der Nockenwelle
13 geforderten Drehzahlbereich ermöglichen. elektroaktorisch erzeugt. Das Schiebenockensystem

14
15
16
17
18
19
20
..Abb. 7.148  Ölkreislauf für die Ansteuerung der Schaltelemente
7.10 • Ventiltriebskomponenten
217 7
Vollvariable Ventiltriebe
Vollvariable Ventiltriebe ermöglichen sowohl hohe
Verbrauchsvorteile, als auch das Beibehalten des stö-
chiometrischen Betriebes mit allen seinen Vorteilen
und sind zudem weltweit unabhängig von Kraft-
stoffsorten einsetzbar (Schwefelgehalt).
Derzeit in Serie befindliche Systeme lassen sich
in zwei Gruppen einteilen: zum einen die elektro-
mechanisch und zum anderen die elektro-hydraulisch
aktuierten Systeme.
Zu den elektro-mechanischen Systemen zählen die
VALVETRONIC (BMW), die VALVEMATIC (Toyota),
das MIVEC (Mitsubishi) und das VVEL (Nissan). Das
einzige in Serie befindliche System mit elektro-hydrau-
lischem Funktionsprinzip ist das UNIAIR-System der
SCHAEFFLER AG.
Beispielhaft für die elektro-mechanischen Ventil-
triebssysteme wird die Funktion hier im Folgenden an-
hand des VALVETRONIC Systems erklärt. Mit diesem
System ist eine Motorfunktion ohne Drosselklappe
..Abb. 7.149 Schaeffler-Schiebenockensystem gegeben. Die Füllung der Zylinder wird bei Teillast
über den Ventilhub der Einlassventile und über die
besteht aus einer Grundwelle, je einem Nockenstück Öffnungsdauer eingestellt. Die Einlass- und Auslass-
pro Zylinder, den dazugehörigen Schlepphebeln und nockenwellen werden über eine variable Nockenver-
Abstützelementen und je einem 2-Pin-Aktor pro No- stellung angetrieben.
ckenstück. Das Nockenstück ist mittels einer Axialver- Zur stufenlosen Verstellung des Einlass-Ventilhu-
zahnung formschlüssig aber axial verschiebbar mit der bes wird zwischen der Nockenwelle und dem Schlepp-
Grundwelle verbunden. hebel ein Zwischenhebel eingefügt, der sich auf der
Das Nockenstück beinhaltet für beide Ventile Exzenterwelle abstützt. Die Kontur der Kontaktfläche
jeweils zwei Nocken und eine Steuernut. Bei dieser des Zwischenhebels zum Rollenschlepphebel definiert
aktuellen Ausgestaltung wird das Nockenstück über die Ventilerhebungskurve. Durch Verdrehen der Ex-
eine Y-Nutkontur und einem elektrisch ansteuerbaren zenterwelle lässt sich der Drehpunkt des Zwischenhe-
2-Pin-Aktor in beiden Axialrichtungen auf der Grund- bels und damit das Übersetzungsverhältnis zwischen
welle verschoben. Mit dieser Lösung können zwei un- Nockenhub und Ventilhub stufenlos verändern. Hier-
terschiedliche Ventilerhebungen dargestellt werden durch kann ein Ventilhub zwischen etwa 0,25 mm im
und somit die Strategie Hubumschaltung oder Ven- Leerlauf und 9,8 mm bei Volllast realisiert werden [92].
tilabschaltung beziehungsweise Zylinderabschaltung Größere Freiheitsgrade sind mit elektrohydrauli-
umgesetzt werden. schen Ventiltrieben wie dem von der Schaeffler AG
Das Schaeffler-Schiebenockensystem zeichnet sich entwickelten UNIAIR-System (. Abb. 7.150) möglich.
durch eine Reihe von Vorteilen aus. Zu nennen sind Hierbei überträgt ein Tassenstößel oder ein Hebel

--
hier unter anderem:
die freie Gestaltung der Ventilhubkurven,
mit Rollenabgriff die Nockenkontur auf eine Pum-
peneinheit. Das Öl wird dabei in eine Druckkammer

- öldruckunabhängiges Schalten,
zylinderindividuelles Umschalten.

Nicht zuletzt diese Eigenschaften machen es zu einem


(Hochdruckraum) ausgeschoben, die am anderen
Ende durch ein Schaltventil abgeschlossen werden
kann. Der in dieser Kammer aufgebaute Druck betätigt
über einen Nehmerkolben das Motorventil.
flexiblen, leistungsfähigen und zukunftssicheren Hub­ Das Schaltventil bietet nun die Möglichkeit, die
umschaltsystem. Es lässt sich einfach auf verschiedene Hochdruckkammer zu jedem beliebigen Zeitpunkt
Anforderungen anpassen. zu öffnen oder zu schließen. Hierdurch sind neben
Derzeit wird an einer Erweiterung des Systems ge- dem Vollhub, bei dem das Schaltventil während des
arbeitet, mit der zukünftig auch eine dreistufige Hub- gesamten Nockenhubes geschlossen bleibt, diverse
variabilität dargestellt werden kann. Variationen bei der Ventilhubgestaltung möglich
(. Abb. 7.151).
218 Kapitel 7 • Motorkomponenten

den im Mitteldruckraum befindlichen Druckspeicher


1 geschoben. Um ein Zurückströmen in den normalen
Ölkreislauf zu verhindern, ist der Mitteldruckraum mit
2 einem Rückschlagventil zum Versorgungsölkreislauf
abgetrennt. Beim Wiederbefüllen der Hochdruckkam-
mer gibt der Druckspeicher die in seiner Feder gespei-
3 cherte Energie wieder an die Nockenwelle zurück.
Wird das Schaltventil erst nach Beginn des No-
ckenhubs geschlossen, schiebt die Pumpe zunächst Öl
4 aus der Hochdruckkammer in den Druckspeicher aus.
Nach dem Schließen des Schaltventils beginnt der Hub
5 des Motorventils, die Vollhubkurve wird demzufolge
nach unten verschoben (spätes Ventil-Öffnen). Auch
hier findet das Ventilschließen, wie in allen Modi, nicht
6 nockengesteuert statt, sondern wird das Aufsetzten
durch die hydraulische Bremse bestimmt.
7 ..Abb. 7.150  Prinzipdarstellung UNIAIR System [93]
Bleibt das Schaltventil während des gesamten No-
ckenhubs geöffnet, findet kein Motorventilhub statt.
Somit lässt sich mit Hilfe des UNIAIR-Systems für
8 jedes Motorventil individuell der Ventilhub steuern,
Wird das Schaltventil während des Motorventil- begrenzt von der durch die Nockengeometrie be-
hubes geöffnet, fällt der Druck in der Hochdruckkam- stimmten Vollhubkurve. Die hierfür benötigte Steu-
9 mer ab und das Motorventil wird durch die Motor- erungselektronik kommuniziert mit der Motorsteu-
ventilfeder geschlossen (frühes Ventil-Schließen). Der erung und betätigt abhängig von den momentanen
10 Schließvorgang ist somit nicht nockengesteuert, son-
dern entspricht einem ballistischen Flug. Um die Ven-
Anforderungen an Ventilhub und Sensordaten, wie
zum Beispiel die Öltemperatur, die Schaltventile.
tilaufsetzgeschwindigkeit zu verringern, verzögert eine Diese vollvariable Ventilsteuerung ist sowohl auf
11 hydraulische Bremse das Motorventil circa  1,5 mm Otto- als auch Dieselmotoren einsetzbar und wird
vor dem Aufsetzen. Das bei vorzeitigem Schließen über den vorhandenen Motorölkreislauf versorgt. Sie
des Motorventils aus der hydraulischen Bremse über ermöglicht beim Ottomotor eine drosselfreie Laststeu-
12 die Hochdruckkammer zurückgedrückte Öl wird in erung, eine Verbesserung der Gemischbildung sowie

13
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20
..Abb. 7.151  Ventilhub-Modi UNIAIR-System
7.10 • Ventiltriebskomponenten
219 7
..Abb. 7.152 Hydrauli-
sche/mechanische Brücke

die Erzeugung von Ladungsbewegung. Beim Diesel- Glas-Motor, hier allerdings ohne jegliche Zusatz-
motor sind neben der Erzeugung von Luftbewegung komponenten wie Spann- oder Umlenkrollen. Bei
im Brennraum (Verwirbelung) auch eine Regulierung späteren Konstruktionen erfolgte die Vorspannung
der internen Abgasrückführung sowie die Ermögli- des Zahnriemens entweder über ein exzentrisch
chung einer homogenen Verbrennung (Steuerung der gelagertes Aggregat im Zahnriementrieb (zum Bei-
Luftmasse im Zylinder) als Vorteile zu nennen. Hier- spiel Wasserpumpe), oder über sogenannte starre
durch entstehen Potenziale zur Verbrauchssenkung, Spannrollen (Exzenterspannrollen oder Ähnliches).
Leistungs- und Drehmomentsteigerung sowie zur Eine optimale Einstellung der Riemenspannkraft ist
Verbesserung des Emissionsverhaltens. mit solchen Systemen nicht möglich, da weder tem-
Die aktuelle Serienanwendung von FIAT Pow- peratur- oder alterungsbedingte Schwankungen der
ertrain (MultiAir) besticht durch eine intelligente Riemenkraft ausgeglichen, noch dynamische Effekte
Architektur, so dass mit einer Nockenwelle die beiden (Riemenschwingungen, Einflüsse aus dem Ventiltrieb
Auslassventile und der Pumpenantrieb angesteuert etc.) kompensiert werden können. Der Ausgleich
werden. Der Pumpenantrieb wirkt gleichzeitig auf solcher Schwankungen und Effekte ist bei modernen
beide Einlassventile, über eine sogenannte hydrauli- Zahnriementrieben zwingend erforderlich, da nur so
sche Brücke (. Abb. 7.152, mittlere Darstellung). die von der Automobilindustrie inzwischen geforder-
Durch seine hohe Variabilität, die schnelle Reak- ten Systemlebensdauern (entsprechend Motorlebens-
tionsfähigkeit (innerhalb einer Nockenwellenumdre- dauer) erreicht werden können sowie den gestiege-
hung) und die Möglichkeit, zylinderindividuell zu nen Geräuschanforderungen der Automobilindustrie
schalten ist das UNIAIR-System optimal für den tran- Rechnung getragen werden kann.
sienten Betrieb ausgelegt. Künftige UNIAIR-Genera- Welchen Einfluss die Verwendung einer starren
tionen werden einen erheblich erweiterten Funktions- Spannrolle auf die statische Riemenvorspannkraft hat,
umfang aufweisen und die Variabilitätsmöglichkeiten ist vergleichend in . Abb. 7.153 dargestellt.
im Ventiltrieb nochmals erhöhen. Damit unterstützen Bei Verwendung eines automatischen Riemen-
sie die Entwicklung künftiger Verbrennungsverfahren spannsystems kann zum einen die Streuung der Vor-
bis hin zur Kompressionszündung beim Ottomotor spannkraft bei der Erstmontage deutlich reduziert
(CAI). werden, zum anderen wird die Vorspannkraft über
der Betriebstemperatur des Motors nahezu konstant
gehalten. Automatische Riemenspannsysteme werden
7.10.2 Riemenspannsysteme, seit Beginn der 1990er-Jahre bei Zahnriementrieben
Spann- und Umlenkrollen in Verbrennungsmotoren eingesetzt und haben die
starren Systeme aus den oben geschilderten Gründen
7.10.2.1 Einführung weitestgehend vom Markt verdrängt (. Abb. 7.154).
Zahnriementriebe zum Antrieb von Nocken- oder
Ausgleichswellen werden seit 40 Jahren erfolgreich
bei Verbrennungsmotoren in Serie eingesetzt. Die
erste Anwendung erfolgte an einem Vier-Zylinder-
220 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.153 Ände-
1 rung der statischen
Riemenvorspannkraft
über der Motoröltempe-
2 ratur, Vergleich zwischen
starrer Spannrolle und
automatischem Spann-
3 system

4
5
6
7
..Abb. 7.154 Meilen-
8 steine der Zahnriemen-
entwicklung

9
10
11
12
13
14
15
-verschleiß, Berücksichtigung der Kurbel- und
16
-
7.10.2.2 Automatische Nockenwellendynamik),
Riemenspannsysteme optimales Geräuschniveau gewährleisten bei
für Zahnriementriebe gleichzeitiger Reduzierung von Riemenschwin-

-
17 Die Hauptanforderungen an automatische Spannsys- gungen,
teme ergeben sich somit aus den oben angegebenen Zahnüberspringen verhindern.
18
-
Bedingungen wie im Folgenden aufgelistet:
Einstellung der spezifizierten Riemenkraft bei
Erstmontage und Service (Ausgleich der Rie-
Zur Auslegung des Arbeitsbereiches eines solchen
Spannsystems müssen die in . Abb. 7.155 gezeigten

-
19 men-, Durchmesser- und Positionstoleranzen), Parameter berücksichtigt werden.
Einhalten einer möglichst konstanten Riemen- Von den verschiedenen Bauformen von Zahnrie-
20 kraft unter allen Betriebsbedingungen über
die geforderte Systemlebensdauer (Ausgleich
menspannsystemen kommen heute fast ausschließlich
rotativ arbeitende Spanneinheiten mit einem mechani-
von Wärmedehnung, Riemenlängung und schen Dämpfsystem zum Einsatz.
7.10 • Ventiltriebskomponenten
221 7

..Abb. 7.155  Mechanische Zahnriemenspanneinheit


– beispielhaftes Arbeitskennfeld mit Einflussparame-
tern

Der prinzipielle Aufbau eines solchen mechani-


schen Spannsystems nach dem sogenannten Doppel­ ..Abb. 7.156  Mechanische Zahnriemenspanneinheit
exzenterprinzip ist in . Abb. 7.156 dargestellt. mit Doppelexzenter – Aufbau
Hierbei übernimmt der Einstellexzenter den
Ausgleich der Toleranzen aller im Riementrieb vor-
handenen Bauteile und wird nach der Ersteinstellung
fixiert. Der beweglich auf dem Einstellexzenter gela-
gerte Arbeitsexzenter gleicht die thermisch bedingten
Längenänderungen aller im Riementrieb vorhandenen
Komponenten aus und kompensiert Riemenlängung
und -verschleiß sowie dynamische Effekte aus dem
Kurbel- und Nockenwellentrieb.
Eine zweite existierende Bauform wird als Einfach-
exzenterspanneinheit bezeichnet. Bei diesem Prinzip ..Abb. 7.157  Umlenkrollen mit ein- und zweirilli-
entfällt der Einstellexzenter. Toleranzen aus dem Rie- gem Kugellager sowie Laufscheibenausführungen in
mentrieb werden zusätzlich zu den oben genannten Kunststoff und Stahl
Aufgaben durch den Arbeitsexzenter ausgeglichen.
Dies hat den Vorteil einer einfachen Montage, da der der Umschlingungswinkel an benachbarten Scheiben
Einstellvorgang der Spanneinheit entfällt, geht aber mit eingesetzt werden, müssen die gleichen Anforderun-
einer geringen Streuung der Vorspannkraft nach der gen bezüglich Lebensdauer und Geräuschvermeidung
Montage der Spanneinheit einher. Die Schenkelfeder erfüllen. Bewährt haben sich für diesen Einsatzfall
wird entsprechend der optimalen Riemenvorspann- einrillige Kugellager mit speziellen Modifikationen
kraft ausgelegt, die Dämpfung durch das Gleitlager zwecks Eignung für diese Automobilanwendungen;
erzeugt und über entsprechende Auslegung der Geo- oft kommen zur verbesserten Riemenführung auch
metrieverhältnisse den Erfordernissen des Riementrie- zweirillige Schrägkugellager, ebenfalls mit den bereits
bes angepasst. angesprochenen Modifikationen, zum Einsatz. Diese
Lager sind in der Regel mit Hochtemperatur-Wälzla-
7.10.2.3 Spann- und Umlenkrollen gerfetten und entsprechend geeigneten Dichtringaus-
für Zahnriementriebe führungen ausgerüstet; Standard-Kataloglager sind für
Aus den vorgenannten Gründen werden starre Spann- diesen Einsatzfall weniger gut geeignet. Entsprechend
rollen bei modernen Verbrennungsmotoren in Zahn- den Geometrieanforderungen werden diese Lager
riementrieben (zum Beispiel Nockenwellenantrieb; mit Laufscheiben versehen. Beispielhafte Ausfüh-
Ausgleichswellenantrieb) kaum noch verwendet. rungen mit Kunststoff- und Stahllaufscheiben sind in
Rollen sind aber Bestandteil der heute handelsübli- . Abb. 7.157 dargestellt; zu Führungszwecken können
chen automatischen Spannsysteme. Umlenkrollen, diese Laufscheiben noch mit ein- oder beidseitigen
die zum Beispiel zur Beruhigung kritischer Riemen- Borden versehen werden.
abschnitte, zur Vermeidung von Kollisionsproblemen
mit der Umgebungskonstruktion oder zur Erhöhung
222 Kapitel 7 • Motorkomponenten

7.10.2.4 Zahnriementriebe in öliger


1 Umgebung
Zahnriemen in öliger Umgebung sind heutzutage eine
2 Alternative zu Kettensteuertrieben. Durch die Ent-
wicklung von neuartigen Riemenmaterialien können
Riemen heute bei gutem Triebdesign und auslegungs-
3 gerechter Produktbreite für Antriebe mit Motorlebens-
dauer eingesetzt werden. Riemen haben gegenüber den
Ketten den Vorteil einer besseren Motorakustik und
4 einer geringeren Längung über die Laufzeit. Riemen-
triebe mit wälzgelagerten Umlenkrollen haben einen
5 sehr guten Wirkungsgrad.
Um die nötige Dämpfung der Spanneinheit auch
unter öligen Verhältnissen sicher zu stellen, wurden
6 mechanisch wirkende Dämpfsysteme in die Spann­
einheit integriert. Das dadurch erreichte Dämpfkraft-
7 niveau ist mit trocken laufenden Spanneinheiten ver-
gleichbar.
..Abb. 7.158  Zweiteiliger Kettentrieb
Im Hinblick auf den Einsatz von Nockenwellen-
8 verstellern muss festgehalten werden, dass komplett Ausgleichswellentrieben oder anderen deutlich etab-
abgedichtete Verstellsysteme für trockene Riemensys- liert. Permanente Weiterentwicklung der einzelnen
teme deutlich kostenintensiver aufgebaut sind als die Komponenten und technische Detailverbesserungen
9 in Ölumgebung eingesetzten nass laufenden Nocken- helfen den ständig steigenden Kundenforderungen
wellenverstellsysteme. Rechnung zu tragen, obwohl die Kette als Zugmittel
10 7.10.2.5 Ausblick
auch im Verbrennungsmotor prinzipiell schon eine
sehr lange Geschichte aufweist – erste Anwendungen
Moderne Zahnriemenantriebe von Verbrennungs- gab es bereits vor über 100 Jahren.

---
11 motoren sind ohne automatische Spannsysteme nicht Kettentriebe zeichnen sich aus durch:
mehr denkbar, da nur so die geforderte Systemle- geringen Bauraum,
bensdauer erreicht werden kann. Aus Kosten- und Wartungsfreiheit (kein Wechselintervall),

--
12 Bauraumgründen werden hydraulisch gedämpfte hohe Belastbarkeit,
Systeme immer mehr durch mechanisch gedämpfte zuverlässige Übertragung großer Drehmomente,
13 ersetzt. Entwicklungsschwerpunkte sind momentan weitgehende Anpassbarkeit ihrer Geometrie an
mechanische Spannsysteme für hochbelastete Zahn- vorgegebene Bauräume.
riementriebe bei Dieselmotoren, Systeme mit verbes-
14 serten Montageeigenschaften sowie gesteuerte oder Neben der Kette als dem wichtigsten Element im Ket-
geregelte mechanische Spannsysteme zur optimierten tentrieb kommt dem Kettenspannelement eine große
15 Vorspannkraftanpassung an die Motorbetriebsbedin-
gungen.
Bedeutung zu. Da im Gegensatz zum Riementrieb
freie Trumlängen im Kettentrieb nur in sehr gerin-
Ebenso sind gegenüber Kettentrieben Reibungsop- gem Maße einsetzbar sind, muss die Kette über weite
16 timierungen erkennbar. Insbesondere in Ölumgebun- Bereiche geführt werden. Dazu werden in der Regel
gen (Belt In Oil) sind hier noch erhebliche Einsparpo- Spann- und Gleitschienen, in Ausnahmefällen auch
tenziale zu erwarten. Kettenräder verwendet. Auf alle diese Bauteile soll im
17 Folgenden etwas genauer eingegangen werden. Die
dabei verwendeten, keiner Normierung unterliegen-
7.10.3 Kettenspann- und
18 Führungssysteme
den Begriffe, sind in . Abb. 7.158 am Beispiel eines
Kettentriebes beschrieben.

19 7.10.3.1 Einführung 7.10.3.2 Kette


Neben den bereits in ▶ Abschn. 7.10.2 beschriebenen Bei der Auslegung eines Kettentriebsystems ist die
20 Zahnriemensteuertrieben haben sich Kettentriebsys-
teme in den letzten Jahren im Steuertrieb und verschie-
Kette eines der wichtigsten Bauteile. Abhängig von den
zu übertragenden Momenten und der Motordrehzahl
denen Nebenaggregatantrieben wie Ölpumpentrieben, ist die Teilung und die Kettenbauart (Einfach- oder
7.10 • Ventiltriebskomponenten
223 7

(insbesondere bei hohen Drehzahlen und/oder

- durch Verschleiß gelängter Kette),


Anpassung der Kettenlinie bei Achsabstandsän-

- derung durch Wärmeausdehnung,


Ausgleich des über die Motorlebensdauer auftre-
tenden Kettenverschleißes.

Kettenspanner werden in der Regel als Hydraulikkom-


ponenten ausgeführt. Die bekannteste Bauform eines
..Abb. 7.159  Zahnketten mit 9,525 mm Teilung hydraulischen Kettenspanners ist der geschwindig-
unterschiedlicher Bauformen keitsproportionale Leckspaltdämpfer mit gerichteter
Dämpfung. Derartige Elemente sind über eine Versor-
gungsbohrung mit dem Motorölkreislauf verbunden.
Mehrfachkette, Rollen-, Hülsen- oder Zahnkette) Bei einer Entlastung des Lostrums im Kettentrieb
auszuwählen. Ketten in Verbrennungsmotoren sind fährt der durch die Rückstellfeder vorgespannte Kol-
immer mit geraden Gliederzahlen auszulegen. Für die ben des Spanners aus dem Gehäuse aus und drückt
Baugröße des Systems ist die Teilung von entschei- die Spannschiene an die Kette. Dabei öffnet sich das
dender Bedeutung, sie beeinflusst obendrein das Ge- Rückschlagventil und Öl wird in den Hochdruckraum
räuschverhalten (Polygoneffekt). Neben der Berück- des Spanners gesaugt. Die Ausfahrbewegung des Kol-
sichtigung der Grenzzähnezahl (zum Beispiel 18 bei bens erfolgt somit ungedämpft. Bei einer Lastumkehr
Kfz-Motor-Kurbelwellen) ist auch eine stetige Ketten- im Lostrum schließt das Rückschlagventil, der Kol-
linie (geometrischer Verlauf der Kette im Motor) auch ben wird belastet und Öl wird durch einen schmalen
bei Grenzwertbetrachtung der Toleranzen und der Ket- Ringspalt (Leckspalt) zwischen Kolben und Gehäuse
tenlängung wichtig. Für die dynamische Auslegung des des Spanners aus dem Hochdruckraum ausgepresst.
Kettentriebsystems über Simulationsprogramm sind Dadurch kommt es zu einer Dämpfung der Ketten-
Kettendaten wie Steifigkeit, Massebelegung und Ver- schwingung.
zahnung von entscheidender Bedeutung. Selbst ähnli- Hydraulische Spannelemente zeichnen sich aus
che Bauformen können hier erhebliche Unterschiede
aufweisen (. Abb. 7.159).
-
durch:
Verschleißarmut der Bauteile (vielfach aus gehär-
Die Auswahl der Kette hat aber auch Auswirkun-
gen auf die Gestaltung der anschließenden Systeme
- tetem Stahl),
genau einstellbare Dämpfung durch Auslegung
wie zum Beispiel Nockenwellenversteller. Hier ist das
Kettenrad der Nockenwelle fester Bestandteil des Ver-
- des Leckspaltes,
gerichtete Dämpfung bei Anwendung eines
stellers und beeinflusst damit auch die Größe dieses
Elements. Die Auslegung beider Elemente ist somit
aufeinander sowohl geometrisch als auch später dyna-
misch abzustimmen.
-- Rückschlagventils,
geringen Bauraumbedarf,
kostengünstige Herstellbarkeit durch Mehrfach-
verwendung von Bauteilen.

7.10.3.3 Kettenspannelement Neben den beschriebenen einfachen Elementen gibt


Die Hauptaufgabe des Kettenspannelements, kurz es auch Spanner mit Zusatzfunktionen in Form von
Kettenspanner, ist die Kontrolle der hochdynami- Überdruckventilen. Aufgabe dieser Ventile ist es, bei
schen Schwingungen des Kettentriebes, die durch die bestimmten Kettenlasten oder Schwingungsfrequen-
ungleichförmig drehende Kurbelwelle und die wech- zen eine gezielte Entlastung des Kettentriebes zu er-
selnden Antriebsmomente der Nockenwelle entstehen. möglichen. Damit lassen sich alle anderen Bauteile un-
Das Spannelement muss zu jeder Zeit und unter allen ter Umständen schwächer dimensionieren und somit
Betriebsbedingungen ein einwandfreies Führen der Bauraum und Kosten sparen.
Kette über die Spannschiene gewährleisten. Die Auslegung der korrekten Spannerabstimmung
Daneben muss es weiteren Anforderungen genü- erfolgt in der Regel mit Hilfe von Simulationsprogram-

-
gen:
Ausgleich der Toleranzen im Kettentrieb durch
men, die messtechnisch im dynamischen Motorver-
such verifiziert werden. Sie ist ein immer wichtiger

- Anpassung der Kettenlinie,


Vorspannen des Kettentriebes, um ein Aufsteigen
der Kette auf den Kettenrädern zu verhindern
werdender Abschnitt bei der Auslegung moderner
Kettentriebe und muss selbstverständlich auch die
Rückwirkung auf andere Systeme wie Nockenwellen-
224 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.160 Sche-
1 madarstellung eines
hydraulischen Spannele-
ments im eingebauten
2 Zustand

3
4
5
6
7
8
9
steller oder Ventiltriebe berücksichtigen (siehe auch müssen die Einflussparameter wie Belastung, Bau-
10 Anmerkung bei ▶ Abschn. 7.10.3.2 Kette). Damit wird raum, Anwendungstemperatur und Kosten berück-

11
die Aufgabe interdisziplinär und verlangt über die
Kenntnis des Kettentriebs hinausgehendes Systemver-
ständnis.
Befinden sich in einem Kettentrieb ausschließlich
--
sichtigt werden. Zur Auswahl stehen (. Abb. 7.160):
Einkomponentenschienen aus Kunststoff,
Zweikomponentenschienen mit einem Gleitbelag
aus unverstärktem Kunststoff und Tragkörpern
Aggregate mit geringen Wechselmomenten, so kom- aus Aluminium, Blech oder Kunststoff (in der
12 men meist mechanische Kettenspanner zum Einsatz. Regel faserverstärkt).
Auf eine gezielte Dämpfung wird bei diesen Spannern
13 in der Regel verzichtet. Sie bestehen häufig nur aus Neben den beschriebenen Spannschienen gibt es auch
einer Feder – oft als Schenkelfeder ausgeführt – und Spannschuhe, die fest mit dem Kolben des Spannele-
einer Spannschiene. Reicht eine geringe Federkraft für ments verbunden sind und eine translatorische Bewe-
14 die Kontrolle des Kettentriebs aus, so können kosten- gung ausführen. Sie werden in sehr kurzen Kettentrie-
günstige Kunststoffelemente zum Einsatz kommen. ben (zum Beispiel Nockenwellentrieben) eingesetzt
15 7.10.3.4 Spann- und Führungsschienen
(. Abb. 7.161).

Zur Führung der Kette in den freien Kettentrums 7.10.3.5 Kettenräder


16 werden Spann- und Führungsschienen eingesetzt. Die Übertragung der rotatorischen Bewegung der
Dadurch wird auch ein Schwingen der Kette in der Motorwellen auf die translatorische der Kette erfolgt
Triebebene – sogenannte Transversalschwingung – über Kettenräder. Verschleiß und geräuscharmer
17 verhindert. Betrieb wird durch Passgenauigkeit der Welle-Nabe
Führungsschienen sind ortsfest durch Schraub- oder Verbindung und einem zur Kette optimal passenden
18 Steckverbindungen mit dem Motor verbunden. Spann- Zahnprofil ermöglicht. Während die Zahnformen bei
schienen hingegen können als Drehpunktschienen aus- Rollen- und Hülsenketten weitgehend an Normen an-
geführt werden und heißen dann auch Spannhebel. Der gelehnt sind, findet sich bei Zahnketten eine Vielzahl
19 Kettenspanner bildet mit seinem Kolben das zweite Wi- von Profilen, die oft nur in Details variieren und auf
derlager der Schiene, das erste stellt den Drehpunkt dar. die jeweils verwendete Kette abgestimmt und oft pa-
20 Bei der Auslegung der Schienen, die in der Regel
mit Hilfe von Finiten-Element-Berechnungen erfolgt
tentrechtlich geschützt sind.
Unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit, der
und so funktions- und kostenmäßig optimiert wird, zu realisierenden Anschlussgeometrie und vor allem
7.11 • Ventile
225 7

..Abb. 7.162 Kettenräder

Aktuelle Entwicklungen mit dem Ziel, eine vollva-


riable, elektromagnetische, elektrohydraulische oder
..Abb. 7.161  Kettenspanner für Nockenwellenan-
elektromechanische Ventilsteuerung darzustellen,
trieb basieren daher nach wie vor auf dem klassischen Tel-
lerventil.
der auftretenden Belastung gibt es mehrere Möglich-
keiten bei der Auswahl. Grundsätzlich wird unter-

-
schieden nach der: 7.11.1 Funktion und
Herstellung: Feinstanzen, spanabhebend, Begriffserklärungen
Schmieden oder Fließpressen, Pulvermetallurgie

- (Sintern),
Bauform: ein- oder mehrreihig, Rollen-, Hülsen-
Einlass- und Auslassventile sind Präzisionsmotoren-
teile zur Sperrung von Strömungsquerschnitten und

- oder Zahnkettenrad,
Teilung: 6,35 mm (1/4″), 7 mm, 8 mm, 9,525 mm
(3/8″) oder Sonderteilungen (. Abb. 7.162).
zur Steuerung des Gaswechsels in Verbrennungskraft-
maschinen. Sie dichten den Arbeitsraum des Zylinders
nach außen ab. Das Beispiel eines eingebauten Ventils
zeigt . Abb. 7.163.
Die thermisch geringer beanspruchten Einlassven-
7.11 Ventile tile werden durch Umspülung von Frischgasen und
hauptsächlich durch Wärmeleitung am Sitz gekühlt.
Eine entscheidende Bedeutung für die Zuverlässigkeit Auslassventile unterliegen dagegen hohen thermi-
eines Hubkolbenmotors kommt der Gaswechselsteu- schen Belastungen sowie Oxidation und chemischer
erung zu. Dabei hat sich hinsichtlich Funktion und Korrosion. Beide Ventilausführungen werden daher
Betriebssicherheit das Tellerventil als besonders geeig- ihren Anforderungen entsprechend aus unterschied-
net herausgestellt. Hinsichtlich der Thermodynamik
hingegen ist das Tellerventil nicht in allen Belangen
optimal. So ist der durch die Gaskanäle führende Ven-
tilschaft ein den Querschnitt verringerndes Hindernis
und auch die Geometrie der Hohlkehle und des Sitzes
sind unter Umständen nur ein Kompromiss zwischen
mechanischer beziehungsweise tribologischer Not-
wendigkeit und strömungstechnischem Ideal.
Der Versuch, die dynamischen und strömungs-
technischen Probleme der Tellerventilsteuerung zu
umgehen, hat in der Vergangenheit zur Konstruktion
diverser Schiebersteuerungen geführt, die sich im
Serieneinsatz allerdings bis heute nicht durchsetzen
konnten. Das Tellerventil mit all seiner Problematik
hat einen entscheidenden Vorteil: Es dichtet unter In-
nendruck selbstständig ab. Dies wird bei Brennkraft-
maschinen mit gleicher Zuverlässigkeit von keinem
anderen Verfahren erreicht [94]. ..Abb. 7.163  Ventil im eingebauten Zustand
226 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
..Abb. 7.165 Bimetallventil

9 des fertigen Tellerdurchmessers und einer Länge ent-


sprechend dem Volumen des zu fertigenden Rohlings.
10 Dieser wird erwärmt und in zwei Schmiedestufen zum
Rohling umgeformt.
Beim Stauchverfahren wird ein geschliffener Stan-
11 genabschnitt, dessen Durchmesser etwas größer als
der Ventilschaftdurchmesser ist, an einem Ende erhitzt
und durch Nachschieben der Stange zu einer „Birne“
12 ausgebildet, die dann in einem Gesenk zum Ventilkopf
umgeformt wird.
13 Unterteilt werden Gaswechselventile im Wesentli-
chen in drei Hauptgruppen: Monometallventile, Bime-
tallventile und Hohlventile.
14 ..Abb. 7.164  Bezeichnungen an einem typischen
Bimetall-Auslassventil 7.11.2.1 Monometallventile
15 lichen Werkstoffen hergestellt. Während der Lebens-
Monometallventile werden aus einem Stück nach den
oben genannten Verfahren hergestellt. Der hauptsäch-
dauer eines Motors kann davon ausgegangen werden, lich genutzte Werkstoff ist X45CrSi93 (1.4718).
16 dass die Ventile bei zum Teil sehr hohen Temperatu-
ren ca. 300 Mio. Lastwechseln unterworfen sind. Die 7.11.2.2 Bimetallventile
wichtigsten Bezeichnungen an einem Ventil sind in Bimetallventile ermöglichen eine Kombination der je-
17 . Abb. 7.164 dargestellt. weils für Schaft und Kopf optimalen Werkstoffe.
Hierbei wird ein nach dem in ▶ Abschn.  7.11.2
18 7.11.2 Fertigungsmethoden
genannten Verfahren hergestelltes, warmverformtes
Kopfstück durch Reibschweißen mit einem Schaftstück
und Ventilarten verbunden, . Abb. 7.165.
19 Der bevorzugte Werkstoff für das Kopfstück ist
Gaswechselventile werden üblicherweise nach dem X50CrMnNiNb219 (1.4882), für das Schaftstück
20 Warmfließpressverfahren hergestellt.
Basis beim Warmfließpressverfahren ist ein Stan-
X45CrSi93 (1.4718). Neben den gebräuchlichen
CrMn-Stählen kommen je nach Einsatzfall auch hoch-
genabschnitt mit einem Durchmesser von circa  2/3 warmfeste Nickellegierungen zum Einsatz.
7.11 • Ventile
227 7

Die Schweißnaht wird derart positioniert, dass sie ..Abb. 7.166 Hohlventil


sich bei geschlossenem Ventil einen halben Hub tief
in der Führung befindet, beziehungsweise circa 6 mm
oberhalb der Abstreifkante (vergleiche ▶ Ab-
schn.  7.11.3.3). Dabei ist zu beachten, dass aus ferti-
gungstechnischen Gründen die Länge des zylindrischen
Teils am Kopfstück vor dem Schweißen mindestens das
Anderthalbfache des Schaftdurchmessers beträgt.
Reicht der Verschleißwiderstand des austeniti-
schen Kopfstücks bei Bimetallventilen allein nicht aus,
erhält es eine geeignete Bewehrung der Sitzfläche mit-
tels Auftragsschweißung oder Nitrierung (vergleiche
▶ Abschn. 7.11.3.2).
7.11.2.3 Hohlventile
Der Einsatz erfolgt überwiegend auslassseitig, unter
besonderen Umständen auch einlassseitig, primär zur
Absenkung der Temperaturen vorwiegend im Hohl-
kehlen- und Tellerbereich und gelegentlich zur Ge-
wichtsreduzierung.
Setzt man Hohlventile zur Temperaturabsenkung
ein, wird der Hohlraum zu etwa 60 % des Volumens
mit metallischem Natrium gefüllt. Das Natrium befin- ..Abb. 7.167 Hohl-
det sich dabei frei beweglich im Hohlraum des Ven- raumventil
tilschafts.
Das flüssige Natrium (Schmelzpunkt 97,5 °C)
wird, je nach Motordrehzahl, linear in Bewegung ver-
setzt, legt sich im Freiraum an die Wandung an und
transportiert dabei einen nicht unbeträchtlichen Teil
der am Ventilkopf und an der Hohlkehle anfallenden
Wärme in den Ventilschaft und damit über die Ventil-
führung in den Kühlkreislauf. Die erreichbare Tem-
peraturabsenkung bei optimalem Wärmeabfluss und
engst möglichen Laufspielen beträgt bis zu 170 °C.

-
Hohlventilvarianten
Ausführung „Rohr auf Voll“ (. Abb. 7.166): An
dem vom Schaftende her gebohrten Kopfstück
(Rohr) wird mittels Reibschweißen ein härtbares

- Schaftendenstück (Voll) angesetzt.


„Zugeschmiedete“ Ausführung: Diese Variante
ist in der Herstellung wesentlich aufwändiger als
die zuvor genannte Ausführung. Der Grundkör-
per wird ebenfalls vom Schaftende her gebohrt.
Das Verschließen der Bohrung erfolgt jedoch
durch induktives Erwärmen mit anschließen- der Ventiltellermitte dar. Die Ventile werden im
dem „Zuschmieden“. Das Schaftendenstück wird Gegensatz zu den zuvor genannten Ausführun-
durch Reibschweißen angesetzt. Zugeschmiedete gen von der Tellerseite her gebohrt und bearbei-
Hohlventile finden überwiegend in Hochleis- tet. Die Öffnung wird durch Einschweißen eines

- tungsmotoren Anwendung.
Hohlraumventil (. Abb. 7.167): Dieses Ventil
stellt eine weitere Maßnahme bezüglich Ge-
wichtsreduzierung und Wärmeableitung aus
Deckels verschlossen.

Hohlventile sind ab einem Schaftdurchmesser von


5 mm herstellbar. Der Bohrungsdurchmesser beträgt
228 Kapitel 7 • Motorkomponenten

dabei circa  60 % des Schaftdurchmessers. Um die


1 Ventilschaftabdichtungen nicht zu hohen Temperatu-
ren auszusetzen, muss die Bohrung des Ventils etwa
2 10 mm vor dem Laufbereich der Dichtlippe enden. Ein
aufgrund der höheren Temperaturen verändertes Spiel
zwischen Ventilschaft und der Ventilführung gegen-
3 über Vollventilen ist ebenfalls zu beachten.
Hohlventile können Monometallventile sein, üb-
licher sind aber Bimetallventile aus folgenden Werk-
4 stoffen: Kopfstück, X50CrMnNiNb219 (1.4882),
NCF  3015 und NiCr20TiAl (2.4952); Schaftstück
5 X45CrSi93 (1.4718).

6 7.11.3 Ausführungsformen

7.11.3.1 Ventilkopf
7 Basis für die konstruktive Auslegung eines Ventils ist
der theoretische Ventilsitzdurchmesser.
8 Die Gesamttellerhöhe ist abhängig vom jeweiligen
..Abb. 7.168  Differenzwinkel und Ventilsitzbreite
Verbrennungsdruck und der mittleren Bauteiltempe-
ratur am Ventil. Zweckmäßigerweise sollte sie zum
9 Beispiel über eine FE-Analyse bestimmt werden. Die Eine optimale Ausführung der Gestaltung der
Praxis zeigt, dass Werte von 7 bis 10 % des Ventilkopf- Hohlkehle erfolgt entsprechend der vorliegenden me-
10 durchmessers erforderlich sind.
Die Tellerrandhöhe bestimmt die Steifigkeit des
chanischen Belastungen sowie unter strömungsmecha-
nischen Gesichtspunkten.
Ventilkopfs und richtet sich nach dem Ventilsitzwin-
11 kel: bei 45° circa 50 % der Gesamttellerhöhe, bei 30° 7.11.3.2 Ventilsitz
circa 50 bis 60 % der Gesamttellerhöhe. Der Sitz eines Auslassventils ist thermisch und bezüg-
Im Allgemeinen beträgt der Sitzwinkel 45°. Zur lich Korrosion chemisch stark beansprucht und wird
12 Reduzierung des Sitzverschleißes werden auch Sitz- daher in der Regel mit Sonderlegierungen gepanzert.
winkel von 30 und 20° gewählt. In Gasmotoren sind In Einzelfällen wird dies auch für Einlassventile durch-
13 aufgrund der fehlenden Schmierwirkung des Brenn- geführt, obwohl hier üblicherweise eine, aufgrund der
stoffs kleine Sitzwinkel unerlässlich, um den Sitzver- verwendeten Werkstoffe mögliche, induktive mar-
schleiß in zulässigen Grenzen zu halten. Aus ferti- tensitische Härtung angewendet wird. Mit einer Auf-
14 gungstechnischen Gründen ist zwischen Sitz- und tragsschweißung (auch Panzerung genannt) kann der
Hohlkehlenwinkel eine Differenz von mindestens 5° Verschleiß und die Korrosionsbeständigkeit erhöht und
15 erforderlich, . Abb. 7.164.
Durch einen Differenzwinkel zwischen Ventilsitz
damit die Lebensdauer günstig beeinflusst werden. Als
Ventilpanzerungsverfahren kommt heute in erster Linie
und Sitzring wird erreicht, dass die dem Verbren- das elektrische PTA-Verfahren (Plasma-Transferred-
16 nungsraum zugewandte Seite durch eine anfängliche Arc) zur Anwendung, bei dem der als Pulver vorlie-
Linienberührung besser abgedichtet wird. Es ist darauf gende Panzerwerkstoff in einem Plasmalichtbogen auf-
zu achten, dass die Ventilsitzbreite größer ist als die geschmolzen und auf das Werkstück aufgetragen wird.
17 Sitzringtragbreite im Zylinderkopf, . Abb. 7.168. Anwendung finden diese Panzerverfahren bei
Die Überdeckung zwischen Ventilsitz und Sitz- Hohl-, Bi- und gelegentlich auch bei Monometallven-
18 ring im Zylinderkopf sollte unter Gesichtspunkten der tilen.
Dichtigkeit bei Sitzverschleiß in einem Verhältnis von Um eine Härteabnahme an einem induktiv gehär-
1/6 freiem Ventilsitz, 2/3 Überdeckung und 1/6 freiem teten monometallischen Ventilsitz zu begrenzen, ist
19 Ventilsitz ausgeführt werden, . Abb. 7.168. darauf zu achten, dass die maximale Ventiltemperatur
Kalotten auf der Ventiltellerfläche dienen der Ge- am Sitz eine genügende Sicherheit zur Anlasstempera-
20 wichtsreduzierung, der Brennraumbeeinflussung und
als Unterscheidungsmerkmal zwischen Einlass- und
tur des verwendeten Werkstoffs besitzt (zum Beispiel
maximale Dauerbetriebstemperatur von X45CrSi93
Auslassventil beziehungsweise ähnlichen Ventilen. (1.4718) circa 500 °C).
7.11 • Ventile
229 7

Härtung an. Sollte sich diese Maßnahme als nicht aus-


reichend erweisen, beziehungsweise der Schaft aus ei-
nem nicht härtbaren Material bestehen, kann alternativ
auch ein Plättchen aus einem harten beziehungsweise
härtbaren Werkstoff auf das Schaftende aufgeschweißt
werden.

7.11.3.4 Ventilführung
Die Ventilführung dient der Zentrierung des Ventils
auf dem Ventilsitz sowie dem Wärmetransport vom
Ventilkopf über den Ventilschaft an den Zylinderkopf.
..Abb. 7.169  Einstichtypen in Ventilschäften Das bedingt ein optimales Spiel zwischen Führungs-
bohrung und Ventilschaft. Bei zu kleinem Spiel neigt
das Ventil zum Stecken, ein zu großes Spiel behindert
7.11.3.3 Ventilschaft die Wärmeabfuhr. Anzustreben ist das minimal mögli-
Der Ventilschaft dient zur Führung des Ventils in der che Ventilführungsspiel. Dieses beträgt je nach Schaft-
Ventilführung und wird begrenzt durch den ersten durchmesser bei Auslassventilen 0,03 bis 0,08 mm, bei
Einstich zur Aufnahme der Ventilkegelstücke sowie Einlassventilen 0,01 bis 0,07 mm. Weiter ist drauf zu
die Abstreifkante beziehungsweise den Übergang zur achten, dass das Ende der Ventilführung nicht frei in
Hohlkehle. den Abgaskanal hineinragt, da sonst die Gefahr eines
Um den Aufbau von Ölkohle in der Führung gas- Aufweitens der Ventilführung und des Eintritts von
kanalseitig zu begrenzen, wird bei Bedarf durch Zu- Verbrennungsrückständen gegeben ist. Als Faustfor-
rücknahme des Schaftdurchmessers eine Abstreifkante mel gilt, dass die Ventilführung mindestens 40 % der
angebracht, . Abb. 7.164. Die Abstreifkante liegt bei Ventillänge betragen sollte.
geschlossenem Ventil circa einen halben Hub inner- Für die einwandfreie Funktion des Ventils ist es
halb der Ventilführung. erforderlich, dass der Mittenversatz zwischen Ventil-
Falls während des Schließvorgangs Biegung im führung und Sitzring in bestimmten Grenzen gehalten
Ventil durch Zylinderkopfverzug oder Koaxialitäts- wird (0,02 bis 0,03 mm bei neuem Motor). Übermäßi-
fehler auftritt, sollte sich die Schweißnaht in der Ven- ger Mittenversatz bewirkt vor allem eine starke Verbie-
tilführung abstützen können. Deshalb wird bei Bime- gung des Ventiltellers gegen den Schaft. Diese übermä-
tallventilen die Reibschweißnaht mindestens um einen ßige Belastung kann zum vorzeitigen Ausfall führen;
halben Hub innerhalb der Ventilführung positioniert. weitere Folgen können auch Undichtheit, schlechter
Je nach den tribologischen Gegebenheiten kann Wärmeübergang und hoher Ölverbrauch sein.
die Schaftoberfläche der Ventile durch Verchromen
oder Nitrieren gegen Verschleiß geschützt werden.
Das ist in aller Regel notwendig bei Ventilführungen 7.11.4 Ventilwerkstoffe
aus Sintereisen. Ventile ohne Schaftbewehrung sind
möglich bei der Verwendung von Ventilführungen aus Die Anforderungen an ein Ventil umfassen hinrei-
Bronzelegierungen. chende Zeitstandfestigkeit bei erhöhten Temperaturen,
In der Regel wird der Ventilschaft zylindrisch aus- Verschleißfestigkeit, Beständigkeit gegen Hochtempe-
geführt. Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen raturkorrosion und -oxidation sowie Resistenz gegen
Dehnungen auf Grund des Wärmegefälles zwischen Korrosion.
Ventilkopf und Schaftende kann der Ventilschaft je
nach Länge und Durchmesser um 10 bis 15 µm ko-
nisch ausgeführt werden.
Die Schaftenden der in den Kegelstücken frei dreh-
- Standardventilwerkstoffe sind:
Ferritisch-martensitische Ventilstähle: X45CrSi93
(1.4718) findet seine Verwendung als Stan-
dardlösung für monometallische Einlassventile
baren Ventile mit Mehrrilleneinstich (. Abb. 7.169), und kommt bei Bimetallventilen ausschließlich
werden üblicherweise im Bereich der Kegelstückanlage als Werkstoff für die Schäfte zur Anwendung.
induktiv gehärtet, um Verschleiß zu vermeiden. X85CrMoV182 (1.4748) ist höher legiert und
Je nach Art der auf die Schaftendenfläche wir- wird dort als Einlassventilwerkstoff eingesetzt, wo
kenden Ventilbetätigung kann es erforderlich sein, das Beanspruchungsniveau in thermischer wie
die Schaftendenfläche zusätzlich vor Verschleiß zu korrosiver Hinsicht eine Verwendung des Cr-Si-
schützen. In erster Linie bietet sich dabei die induktive Materials nicht zulässt.
230 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1 - Austenitische Ventilstähle: Hier haben sich die


austenitischen Cr-Mn-Stähle als preiswerte Lö-
sung bewährt. Große Verbreitung hat der Werk-
2 stoff X50CrMnNiNb (1.4882), der als klassischer
Auslassventilwerkstoff, auch für Hohlventile,

3
4
- anzusehen ist.
Hochnickelhaltige Ventilwerkstoffe: Genügen die
Cr-Mn-Stähle den thermischen Anforderungen
nicht mehr, dann ist der Übergang auf niedrig-
nickelhaltige Legierungen wie NCF 3015 oder
sogar hochnickelhaltige Werkstoffe, wie etwa
5 NiCr20TiAl (2.4952), geboten. Sie werden immer
dort erforderlich, wo höchste Betriebssicher-
heit, also Abreiß- und Korrosionsbeständigkeit, ..Abb. 7.170  Abblasventil mit Klappenmechanismus
6 gefragt sind.

7.11.4.1 Wärmebehandlung 7.11.5 Sonder-Ventilausführungen


7 Durch eine gezielte Wärmebehandlung lassen sich die
technischen Eigenschaften der Ventilstähle steigern. In 7.11.5.1 Ventile mit werkstofflich
8 vielen Fällen erübrigt sich dadurch der Übergang auf bedingt geringer Masse
höherwertige Legierungen. Die maximal erreichbare Drehzahl eines Viertakt-
Martensitische Ventilstähle werden generell ver- Verbrennungsmotors wird unter anderem durch die
9 gütet. Bei austenitischen Stählen lassen sich die Härte Masse der Gaswechselventile bestimmt. Es besteht
und die Festigkeit durch eine sogenannte Ausschei- daher, insbesondere seitens der Renn- und Sportmo-
10 dungshärtung anheben. torenentwicklung, das Interesse Ventile aus „leichten“
Werkstoffen einzusetzen. Als Alternativen kommen in
7.11.4.2 Oberflächenveredelung Betracht: Titan, Titanaluminide, Keramik und selbst
11
12
-
Folgende Maßnahmen kommen zum Einsatz:
Hartverchromen des Ventilschafts: Herstellver-
fahren, Werkstoffauswahl und Betriebsbedin-
gungen machen bei Standard-Ventilen unter
Aluminium-Speziallegierungen. Die Mehrkosten für
leichte Ventilmaterialien sind allerdings sehr hoch, was
deren Verbreitung in den alltäglichen Bereich bisher
verhindert hat.
Umständen eine Verchromung des Ventilschafts
13 im Laufbereich erforderlich. Bei Standard- 7.11.5.2 Abgassteuerventile
Bimetallventilen überdeckt eine Chromschicht zz Ladedruckregelventil für ATL (Abblasventil)
der Stärke zwischen 3 bis 7 µm beide Ventilwerk- Das Abblasventil begrenzt den Ladedruck des Abgas-
14 stoffe. Bei hohen Belastungen oder erhöhtem turboladers und unterliegt dabei im Ottomotor Tem-
Verschleiß können im Lkw- oder Großmotoren- peraturen von bis zu 1050 °C; die maximale thermische
15 bereich stärkere Chromschichten, bis 25 µm, zur Belastung im Dieselmotor liegt bei circa 850 °C. Hier-

16 - Anwendung kommen.
Polierschleifen: Bei einer verchromten Ober-
fläche muss der Schaft in jedem Fall polierge-
schliffen werden, um anhaftende Chromknospen
aus resultiert die Wahl der geeigneten Werkstoffe. Für
Dieselmotoren genügt im Allgemeinen der Werkstoff
X50CrMnNiNb (1.4882), bei Ottomotoren hingegen
kommt ein hochtemperaturfestes Material, wie NiCr-
zu entfernen und Unebenheiten zu egalisieren. 20TiAl (2.4952), zur Anwendung.
17 Die Rauheit liegt nach der Polieroperation bei Die heute übliche Ausführung als Klappenventil
maximal Ra 0,2 (unverchromt maximal Ra 0,4), zeigt . Abb. 7.170.
18 was sich sehr günstig auf den Ventilführungs-
verschleiß auswirkt und deshalb auch minimale

-
zz Abgasrückführungsventil (AGR)
Führungsspiele erlaubt. AGR-Ventile unterliegen Temperaturen bis circa 800 °C.
19 Nitrieren der Ventile: Angewendet werden Aus den zur Verfügung stehenden Ventilwerkstoffen hat
Bad- und Gasnitrieren. Die circa 10 bis 30 µm sich hier X50CrMnNiNb (1.4882) als ausreichend für
20 starken Nitrierschichten sind in der Randschicht
sehr hart (circa 1000 HV 0,025) und besonders
diesen Anwendungsfall herausgestellt, da die Ventile
lediglich thermisch, zu einem geringen Maß korrosiv
verschleißunempfindlich. und nur sehr gering mechanisch beansprucht werden.
7.11 • Ventile
231 7
7.11.6 Ventilkegelstücke

7.11.6.1 Aufgabe und Funktion


Ventilkegelstücke haben die Aufgabe, den Ventilfeder-
teller mit dem Ventil so zu verbinden, dass die Ven-
tilfeder das Ventil stets in seiner geforderten Stellung
hält.
Für Ventilschaftdurchmesser bis 12,7 mm sind
kaltgeprägte Ventilkegelstücke Stand der Technik. Es
kommen die Werkstoffqualitäten C10 beziehungsweise
SAE1010 zur Anwendung.
Die Ventilkegelstücke werden ihrer Funktion ent-

-
sprechend unterteilt in:
klemmende Verbindung, wodurch Kraftschluss
zwischen Ventil, Kegelstück und Federteller

- erreicht wird und


nicht klemmende Verbindung, die eine freie
Drehung des Ventils ermöglicht.

zz Klemmende Verbindungen
Klemmende Kegelstücke übertragen die Kraft durch
Reibschluss zwischen Kegelstück und Ventil. Hierzu ..Abb. 7.171  Einbauprinzip für Kegelstücke mit
muss zwischen den Kegelstückhälften ein Spalt bleiben. klemmender Verbindung
Es werden Kegelstücke mit einem Kegelwinkel von
14°15′ sowie von 10° verwendet. Kegelstücke mit klei-
nerem Kegelwinkel bewirken eine wesentlich intensi-
vere Klemmung. Sie sind besonders für Motoren mit
höchsten Drehzahlen geeignet. Für stark beanspruchte
Klemmverbindungen empfehlen sich einsatzgehärtete
(480 bis 610 HV1) oder nitrierte (> 400 HV1) Kegel-
stücke.
Ein Beispiel für den Einbauzustand eines klem-
menden Kegelstücks zeigt . Abb. 7.171.

zz Nicht klemmende Verbindungen


Es werden Kegelstücke mit einem Kegelwinkel von
14°15′ eingesetzt. Bedingt dadurch, dass sich die Ke-
gelstückhälften im eingebauten Zustand an den Plan-
flächen gegeneinander abstützen, erlauben sie ein Spiel
zwischen den Kegelstücken und dem Ventilschaft. Da-
durch wird eine Drehung des Ventils im Federteller
ermöglicht. Unterstützend für die Drehung wirken
dabei die Anregung des Ventils durch Resonanzen,
ein exzentrischer Angriff des Kipphebels auf das Ven-
tilschaftende und der Drehimpuls aus der Torsion der
Ventilfeder. ..Abb. 7.172  Einbauprinzip für Kegelstücke mit nicht
klemmender Verbindung
Bei nicht klemmenden Verbindungen werden die
Kräfte in axialer Richtung über die 3 beziehungsweise
4 Kegelstückwülste übertragen. Aus diesem Grund ist 7.11.6.2 Fertigungsmethoden
eine Einsatzhärtung der Kegelstücke unerlässlich. Ein Ventilkegelstücke werden aus profiliertem Bandstahl
Beispiel für den Einbauzustand eines nicht klemmen- kalt geprägt. Mehrrillen-Ventilkegelstücke sind grund-
den Kegelstücks zeigt . Abb. 7.172. sätzlich einsatzgehärtet und an ihren Trennflächen
geschliffen. Andere Ausführungen können wahlweise
232 Kapitel 7 • Motorkomponenten

ungehärtet, einsatzgehärtet oder nitriert werden. Fer-


1 tigungsbedingt kann der Außenmantel im Bereich
der mittleren Höhe je nach Ausführung bis 0,06 mm
2 konkav ausgebildet sein. Ein konvexer Außenmantel
ist nicht zulässig.
Bei frei drehenden Mehrrillenkegelstücken wird
3 ein einwandfreies Spiel zum Ventilschaft durch ein um
0,06 mm größeren Innendurchmesser der zusammen-
gesetzten Kegelstücke im Verhältnis zum Außendurch-
4 messer des Ventilschafts erreicht.
Die Konuslänge des Ventilfedertellers muss so groß
5 sein, dass die Kegelstücke im fest eingebauten Zustand
an keiner Seite überstehen, . Abb. 7.171 und 7.172.
Der Kegelmantel darf keinesfalls konvex ausgebildet
6 sein und sollte als Bezugsfläche für die Form- und La-
getoleranzen des Ventilfedertellers dienen.
7
7.11.7 Ventildrehvorrichtung
8 ..Abb. 7.173  Ventildrehung beim Öffnungshub
7.11.7.1 Aufgabe
Für eine einwandfreie Funktion des Ventils ist die ste-
9 tige Ventildrehung von entscheidender Bedeutung. einander verbunden. Die relative Drehung zwischen
Damit wird eine ungleiche Temperaturverteilung am Tellerfeder/Deckel und Grundkörper wird bei der
10 Ventilkopf sowie Undichtigkeiten durch Verzug ver-
mieden. Darüber hinaus werden Ablagerungen auf
Ausführung „Drehung beim Ventilöffnungshub“ über
Deckel, Ventilfeder, Federteller und Kegelstücke auf
dem Ventilsitz sowie einseitiger Verschleiß verringert. das Ventil übertragen. Bei schließendem Ventil tritt
11 Zwangsdrehvorrichtungen werden immer dann einge- eine Entlastung der Tellerfeder und damit der Kugeln
setzt, wenn die natürliche Drehung der Ventile nicht ein, die dann ohne zu rollen durch die Tangentialfe-
mehr ausreicht, zum Beispiel in Großmotoren. dern wieder in ihre Ausgangslage zurückgeschoben
12 werden.
7.11.7.2 Bauarten und Funktion Beim Öffnen eines Ventils mit Drehvorrichtung
13 Ventildrehvorrichtungen funktionieren nach zwei wird dieses zum einen durch die Funktion der Dreh-
Prinzipien: vorrichtung und zum anderen durch die Torsion der
zusammengedrückten Ventilfeder verdreht. Während
14 zz Drehung erfolgt beim Ventilöffnungshub sich beim Schließen des Ventils die entlastete Ventil-
Das System besteht aus einem Grundkörper, der mit feder bis auf einen kleinen Restwinkel wieder in ihre
15 mehreren in Umfangsrichtung orientierten Taschen
versehen ist. In jeder Tasche wird durch eine tangen-
Ausgangslage zurückbewegt, bleibt die Verdrehung der
Drehvorrichtung bestehen. Der effektive Drehwinkel
tial wirkende Schraubenfeder eine Stahlkugel an das pro Hub ist, gleichsinnige Drehung vorausgesetzt, so-
16 obere Ende der schrägen Laufbahn gedrückt. Auf dem mit die Summe aus beiden Werten.
Innenrand des Grundkörpers stützt sich eine Tellerfe-
der ab, über die zur Einleitung der Ventilfederkräfte ein zz Drehung erfolgt beim Ventilschließhub
17 Deckel greift, . Abb. 7.173. Dieses Prinzip wird möglichst als obenliegende Aus-
Öffnet das Ventil, so wird die Tellerfeder durch die führung eingesetzt, weil seine Funktion dort weniger
18 ansteigende Ventilfederkraft abgeflacht. Dabei zwingt durch Verschmutzung beeinträchtigt ist, . Abb. 7.174.
sie die in den Taschen des Grundkörpers befindlichen Die Funktion der Ventildrehvorrichtung ist eine
Kugeln zum Abrollen auf ihren schrägen Laufbahnen Umkehrung der Arbeitsweise des bei Ventilöffnungs-
19 und rollt selbst auf den Kugeln ab. Durch die Abstüt- hub drehenden Ventils.
zung auf den Kugeln wird der Druck der Tellerfeder Beide Typen können grundsätzlich sowohl als un-
20 auf den inneren Rand des Grundkörpers verringert,
so dass hier ein Gleiten stattfindet. Deckel und Teller-
tenliegende, wie auch als obenliegende Ausführung
verwendet werden. In schnelllaufenden Motoren wird
feder hingegen sind durch Kraftschluss drehfest mit- vorzugsweise die untenliegende Ausführung einge-
7.12 • Ventilfedern
233 7

sowie von der Nockenkontur und der maximalen


Nockenwellendrehzahl bestimmt. Eine Verrin-
gerung der Federmasse ist durch eine Erhöhung
der Schwingfestigkeit und eine Optimierung der

- Gestalt der Ventilfeder zu beeinflussen.


Reduzierung der Bauhöhen: Auch die Reduzie-
rung der Bauhöhen kann sich positiv auf den
Kraftstoffverbrauch auswirken. Zum einen ergibt
sich hierdurch ein größerer konstruktiver Spiel-
raum zur Gestaltung der Motorhaube und zur
Verringerung der Strömungswiderstände. Zum
anderen eröffnet die Reduzierung der Bauhö-
hen ein weiteres Potenzial zur Verringerung des
..Abb. 7.174 Ventildrehung beim Schließhub Motorgewichts. Die Gestalt der Ventilfeder sowie
die Erhöhung ihrer Schwingfestigkeit kann die
baut, damit sich die Massenkräfte des Ventiltriebs nicht
vergrößern.
Bei der obenliegenden Ausführung ersetzt die
Drehvorrichtung den Federteller. Sie wird in langsam-
- Bauhöhe positiv beeinflussen.
Gewährleistung minimaler Ausfallquoten: Die
gestiegenen Anforderungen an die Ventilfe-
dern führen zwangsläufig zu einer Erhöhung
laufenden Motoren oder dann angewendet, wenn aus der Betriebsfestigkeit. Diese erstrecken sich
Platzgründen die untenliegende Ausführung nicht un- im Laufe des Lebenszyklus eines Motors bei
tergebracht werden kann. Wesentlich ist eine stetige, von circa 200.000 km auf bis zu 300 Mio. Lastwechsel.
der Drehzahl des Motors abhängige Drehung des Ventils. Gleichwohl wird nur eine minimale Fehleraus-
fallquote akzeptiert. Diese Ausfallquote für die
einzelne Ventilfeder wird durch den Einsatz der
7.12 Ventilfedern Mehrventiltechnik im Motor noch weiter ver-
schärft. Unterstellt man beispielsweise eine Aus-
Die Ventilfeder hat die Aufgabe, das Ventil kontrolliert fallwahrscheinlichkeit von nur 1 ppm bezogen
zu schließen, das heißt, den Kraftschluss der Ventil- auf die Ventilfeder bei einem 24-Ventil-Motor,
triebskomponenten während der Ventilbewegung auf- bedeutet dies, dass maximal jeder 40.000. Motor
recht zu halten. Im Zustand „Ventil geschlossen“ muss auf Grund eines Ventilfederschadens ausfällt. Die
die Ventilkraft F1 so groß sein, dass das Schwingen Gewährleistung minimaler Ausfallquoten stellt
des Ventils direkt nach dem Schließen, auch „Nach- höchste Ansprüche an die Auslegung, das Vor-
hüpfen“ genannt, verhindert wird. Im Zustand „Ventil
geöffnet“ muss das sogenannte „Überfliegen“, das heißt
das Abheben des Ventils vom Nocken bei maximaler
Verzögerung verhindert werden. Kinematisch ergibt
- material und die Produktion der Ventilfedern.
Wirtschaftlichkeit der Produktverbesserung: Die
genannten Forderungen müssen wirtschaftlich
gerechtfertigt sein, das heißt der mit der Maß-
sich die hierfür erforderliche Federkraft F2 aus dem nahme verbundene Nutzen muss größer sein,
Produkt der Ventilmasse und der maximalen Ventil- als möglicherweise zusätzlich anfallende Kosten.
verzögerung amax [95]. Diese Herausforderung wird vom Ventilfederpro-
Bei der Auslegung der Ventilfedern sind neben den duzenten vor dem Hintergrund eines scharfen
zu erreichenden Federkräften weitere, teilweise kon- Wettbewerbs wahrgenommen.

-
kurrierende Ziele zu erfüllen:
Reduzierung der Federkräfte: Der Kraftstoffver-
brauch des Motors kann neben anderen Maß-
nahmen durch die innere Reibung des Motors
Ermittlung der Lastspannung  Grundsätzlich entspricht
die Belastung einer Schraubendruckfeder der eines auf
Torsion beanspruchten Stabes. Im Längs- und Quer-
beeinflusst werden. Die im Ventiltrieb anfallen- schnitt wirken beim Angreifen eines Torsionsmomen-
den Reibverluste verlaufen proportional zu den tes Mt zwei Schubspannungen τ, wie in . Abb. 7.175 zu
erforderlichen Federkräften. Die maximal erfor- sehen ist. Nach dem Mohrschen Spannungskreis können
derlichen Federkräfte werden durch das Mas- diesen Schubspannungen zwei gleich große Hauptnor-
senträgheitsmoment der im Kraftfluss liegenden, malspannungen σ1 und σ2 unter 45° zugeordnet werden.
bewegten Ventiltriebsteile ab dem Nocken bis Während beim Torsionsstab eine reine Schubbean-
zum Ventil und damit auch durch die Federmasse spruchung vorliegt, führen bei einer Schraubendruck-
234 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Kräfte auf die Kräfte und Momente auf Spannungen im ..Abb. 7.175 Kräfte,


1 Ventilfeder eine Federwindung Drahtquerschnitt Momente und Spannun-
F gen bei Ventilfedern
FQ y
2 ϕ

Mb x
3 FN
Mf Dm

4 y
τ(ϕ)

5 τ (x )

6 F
d
x

7
8 feder auf Grund der geometrischen Verhältnisse sowie Die analytisch ermittelten Schubspannungen berück-
gegebenenfalls der Abweichung der Kraftwirkungsli- sichtigen nicht die bereits erwähnten zusätzlichen
nie von der Federachse das Biegemoment Mb, die Lastspannungen, die sich aus dem Biegemoment und
9 Querkraft Q sowie die Normalkraft N zu zusätzlichen den Quer- und Normalkräften ergeben. Zudem erge-
Lastspannungen. Zum anderen ergibt sich auf Grund ben sich aus den Federeigenschwingungen bei hohen
10 der Krümmung des Drahtes ein in Umfangsrichtung
ungleichmäßiger Spannungszustand. Maximale Last-
Drehzahlen dynamische Überhöhungen, welche die
statisch ermittelten Lastspannungen um bis zu 50 %
spannungen treten demnach bei Federn aus Runddraht übersteigen können. Diese dynamischen Effekte kön-
11 an der Federinnenseite auf. nen entweder durch Programme für die Mehrkörper-
Die zur Berechnung von Schraubendruckfedern simulation oder messtechnisch mit Dehnungsmess-
gültigen Formeln sind in der DIN 2089 enthalten. Es streifen ermittelt werden. Die experimentelle Methode
12 gelten folgende Zusammenhänge für die Federrate R, wird meist an speziell vorbereiteten Motorattrappen
die Kraft F und die Torsionsspannung τ durchgeführt [97]. Als Messschrieb ergibt sich die
13 G d4
Lastspannung über der Motordrehzahl und dem Kur-
R=  3 ; (7.10) belwellenwinkel.
8 Dm n  Abhängig von der Belastung und den Baurauman-
14 (7.11) forderungen ergeben sich die in . Abb. 7.176 gezeig-
F = s  R; ten Bauformen. Die Standardbauform ist die symme-
15 8 Dm
trische, zylindrische Feder. Bei dieser Feder sind die
Windungsabstände symmetrisch zu beiden Federen-
=   F: (7.12)
 d3  den und der Windungsdurchmesser konstant. Die Pro-
16 gression der Federkennlinie wird durch das teilweise
Zur Korrektur der Spannungswerte infolge der Draht- Berühren von Windungen über dem Einfederungsweg
krümmung wird unter anderem die von Bergsträsser erreicht. Je nach eingestellter Progression ändern sich
17 entwickelte Näherungsformel die Federrate und die Eigenfrequenz der Feder über
dem Einfederungsweg. Die dynamische Anregung der
18 k=
w + 0;5
(7.13)
Feder wird dadurch breitbandiger und die dynamische
w − 0;75  Überhöhung geringer.
Um die bewegte Federmasse möglichst gering zu
19 verwendet. Die an der Federinnenseite auftretenden halten, kann die Feder asymmetrisch gewickelt wer-
Lastspannungen ergeben sich damit zu [96] den. Das heißt, dass die zur Progression erforderlichen
20 8 Dm
engen Windungsabstände zum Zylinderkopf gerichtet
sind. Nachteil der asymmetrisch gewickelten Feder
 =k   F: (7.14)
 d3  ist, dass für die gerichtete Montage der Feder im Zy-
7.12 • Ventilfedern
235 7
..Abb. 7.176 Baufor- Bauformen
men und Drahtprofile zylindrisch, zylindrisch, konisch bienenkorb-
von Ventilfedern symmetrisch asymmetrisch förmig

Drahtprofile
rund eiförmig

linderkopf zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden Achsverhältnis der beiden Hauptachsen an. So bezeich-
müssen, um Falschverbau auszuschließen. net ein 3,8 MA 25 einen eiförmigen Draht („multi-arc“),
Die konische Ventilfeder hat den Vorteil, dass zum dessen Achsverhältnis 1:1,25 beträgt und dessen polares
einen die bewegten Massen geringer sind als bei einer Flächenträgheitsmoment dem eines Runddrahts mit ei-
zylindrischen Feder und zum zweiten die Blockhöhe nem Durchmesser von 3,8 mm entspricht.
geringfügig kleiner ist. Zudem kann mit einer koni- Die geforderten niedrigen Ausfallquoten stellen
schen Ventilfeder ein kleinerer Federteller am Ventil höchste Ansprüche an das Ventilfedervormaterial.
verwendet werden, was wiederum einen positiven Eine Hauptursache für Federversagen stellen nicht-
Einfluss auf die bewegten Massen hat. Nachteilig ist, metallische Einschlüsse im Ventilfederdraht oder me-
dass eine konische Feder oft weniger Progression hat chanische Beschädigungen an seiner Oberfläche dar.
als eine zylindrische Feder. Die früher häufig verwendeten CrV-Stähle können den
Die sogenannte „Bienenkorbfeder“ besteht aus Ansprüchen der erforderlichen Zugfestigkeit hoch be-
einem ortsfesten zylindrischen Teil und einem koni- anspruchter Ventilfedern nicht mehr gerecht werden.
schen Teil, an den der Federteller angreift. Diese Bau- Sie sind in Europa weitestgehend durch CrSi-legierte
form kombiniert die Vorteile der zylindrischen und Stähle ersetzt worden. CrSi-Stähle weisen im Vergleich
der konischen Feder. Dabei kann die bewegte Masse zu CrV-Stählen weniger hochschmelzende, nichtme-
über den kleineren Federteller gegenüber einer zylin- tallische Einschlüsse und eine höhere Zugfestigkeit auf.
drischen Feder deutlich reduziert werden. Über den Zunehmend werden auch hochfeste Drähte (HT, High
zylindrischen Teil kann die erforderliche Progression Tensile) eingesetzt, die CrSiV oder CrSiNiV legiert
eingestellt werden. werden. Der Walzdraht wird vor dem Kaltziehen ge-
Als Drahtquerschnitte werden hauptsächlich runde schält, um einen von Oberflächenfehlern freien Draht
und „eiförmige“ Drähte verwendet. Durch den „eiför- zu erhalten. Die erforderliche Festigkeit wird durch
migen“ Draht hat man zum einen den Gewinn einer einen Vergüteprozess, meist Ölschlussvergütung, aber
reduzierten Einbauhöhe und zum anderen den Vorteil, auch Induktive Vergütung erreicht. Im Anschluss an
dass die Spannungsverteilung im Drahtquerschnitt die Vergütung wird der Draht mittels Wirbelstromsen-
gleichmäßiger ist als beim Runddraht, der, wie eingangs soren auf Oberflächenfehler geprüft. Eventuelle Fehl-
beschrieben, an der Federinnenseite am höchsten bean- stellen werden markiert und bei der Federherstellung
sprucht ist. Eine optimale Werkstoffausnutzung ergibt ausgeschleust.
sich nach den von [98] vorgeschlagenen Drahtquer- Nach dem Winden der Feder wird diese zur Reduzie-
schnitten. Dieser Drahtquerschnitt gibt zum einen den rung der Windeeigenspannung spannungsarm geglüht.
äquivalenten Durchmesser eines Runddrahtes und das Anschließend werden die Federenden plangeschliffen,
236 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Produktform Faktoren der Schwingfestigkeit


1 Fertigungsschritt
Reinheits- Ober- Mechanische Gefüge Eigen-
2 grad fläche Kennwerte spannung
Flüssiger Stahl Erschmelzen und
Raffinieren
• •
3 Bramme/Block Vergießen •
Knüppel Warmwalzen • •
4 Walzdraht Warmwalzen • • •
Schälen •
5 Patentieren • •
Ventilfederdraht Kaltziehen • •
6 Ölschlussvergüten • •
Ventilfeder Winden • •
7 Spannungsarmglühen • • •
Planschleifen der
Federenden
8 Kugelstrahlen • (• ) •
Warmvorsetzen •
9
..Abb. 7.177  Faktoren auf die Schwingfestigkeit von Ventilfedern [95]

10 um eine parallele Federaufnahme zu gewährleisten. Je


nach Anwendung wird die Feder angefast. Durch den
11 Kugelstrahlprozess wird die Oberfläche verdichtet und
Nocke

Druckeigenspannung in die oberflächennahen Bereiche Tasse


eingebracht. Diese Druckeigenspannungen werden im
12 Betrieb durch die auftretenden Zugspannungen überla- Ventilschaftabdichtung
gert und verhindern eine Rissausbreitung.
13 Zur weiteren Steigerung der Schwingfestigkeiten Ventilführung
werden hochbeanspruchte Federn zusätzlich stückver-
Ventilschaft
gütet. Hierdurch steigt die ertragbare Spannung gegen-
14 über konventionellen Federn deutlich um circa 10 % Ventil
(. Abb. 7.177).
15 Zudem werden Ventilfedern in einigen Anwen-
dungen nitriert und anschließend erneut kugelge-
Ventilsitzring

strahlt. Wegen der damit verbundenen Kosten hat sich


16 dieses Verfahren bislang in Europa und Amerika nicht ..Abb. 7.178  Tassenstößelventiltrieb mit obenliegen-
der Nockenwelle
durchsetzen können.

17
7.13 Ventilsitzringe ten eine einwandfreie Abdichtung des Verbrennungs-
18 7.13.1 Einleitung
raumes zu gewährleisten, damit die erforderlichen
Verdichtungs- beziehungsweise Verbrennungsdrücke
im Zylinder erreicht werden. Ein erhöhter Verschleiß
19 Ventilsitzringe (im Folgenden VSR) und Ventilführun- führt zu Veränderungen der Verbrennungsbedingun-
gen (im Folgenden VF) sind wichtige Bauteile inner- gen und damit zu schlechteren Leistungs- und Emis-
20 halb des Ventiltriebes und essenziell für den einwand-
freien Verbrennungsablauf im Zylinder. Zusammen
sionsdaten des Motors.
. Abb. 7.178 zeigt einen Tassenstößelventiltrieb
mit dem Ventil haben die oben genannten Komponen- mit oben liegender Nockenwelle. VSR und VF sind
7.13 • Ventilsitzringe
237 7

Markt Produzierte Fahrzeuge Anteil an Ge-


samtbelastung
2011 2012
Europa 21.118.311 19.814.472 Federvorspannkraft 1–3 %

Nafta 13.477.706 15.794.590 Aufprallkraft (maximale Be- 2 – 17 %


schleunigung 1500 – 7900 m/s2)
Mercosur 4.316.103 4.228.763
Verbrennungsdruckkraft 80 – 97 %
Asien 40.576.318 43.675.946
Übrige 556.637 586.396 ..Abb. 7.180  Lastverteilung am Ventilsitz [100]

Gesamt 80.045.075 84.100.167


im Tribosystem Ventil/Ventilsitzring. Die so hervor-
..Abb. 7.179  Weltweite Produktion von gerufenen Verschleißfaktoren lassen sich wie folgt
Kraftfahrzeug­motoren zusammenfassen:
a) Mechanische Belastung des Sitzbereiches. Sie
setzt sich zusammen aus der Federvorspann-
typische Vertreter von Bauteilen, die in hohen Stück- kraft (F), der Aufprallkraft des Ventils (FB) und der
zahlen produziert werden. Verbrennungsdruckkraft (FP). . Abb. 7.180 gibt
. Abb. 7.179 gibt eine Übersicht der produzierten als Beispiel einen Überblick über die prozentuale
Kraftfahrzeuge der Jahre 2011 und 2012 [99]. Hieraus Lastverteilung eines Ventilsitzes bei einem Motor
ergibt sich ein Bedarf von über 1200 Mio. Komponen- mit oben liegender Nockenwelle.
ten. Weltweit produzieren 13 Hersteller Ventilsitzringe, Diese Belastung teilt sich entsprechend dem
die sich in die Werkstoffgruppen der Gusswerkstoffe verwendeten Sitzwinkel in eine senkrecht und
und der pulvermetallurgischen (PM) Materialien, die eine parallel zur Sitzfläche vorherrschende Kraft.
90 % Marktanteil besitzen, unterteilen lassen. Letztere ist primär für das Verschleiß- und Ver-
formungsverhalten des Sitzes verantwortlich. Die
Höhe der Kräfte und deren Lastaufteilung ist ab-
7.13.2 Anforderungen hängig vom Motortyp und dessen Betriebszustand
an Ventilsitzringe (zum Beispiel elektromagnetischer Ventiltrieb,
Motorbremsbetrieb).
Über 99 % aller Aluminiumzylinderköpfe besitzen b) Dynamische Sitzbelastungen durch Relativbewe-
Ventilsitzringe, da das Aluminium und seine Legierun- gungen des Ventils zum Sitzring. Hierbei handelt
gen keine für Ventilsitze ausreichenden Werkstoffei- es sich einerseits um eine Rotationsbewegung des
genschaften besitzen. Der Ventilsitzring bildet zusam- Ventils. Diese ist abhängig von der Motordrehzahl
men mit dem Ventil ein tribologisches System, welches und kann bei konventionell betätigten Ventilen
auch nach mehreren Millionen Lastzyklen die Funktio- bis zu 10 l/min beziehungsweise beim Einsatz von
nalität des Abdichtens sicherstellen muss. So werden in sogenannten Rotocaps bis zu 45 l/min betragen.
modernen Motoren Verschleißraten gefordert, die den Diese Bewegung ist erwünscht, da sie einerseits
wartungsfreien Betrieb eines mechanischen Ventiltrie- eine gleichmäßige Ventiltemperatur gewährleistet,
bes ohne Spielausgleich bis zu einer Laufleistung von andererseits reinigend am Sitz wirkt. Eine weitere
300.000 km erfüllen (< 1 µm/1000 km). Dem gegen- dynamische Sitzbelastung ist die Ventiltellerbie-
über stehen äußerst anspruchsvolle Laufbedingungen. gung, die automatisch bei einer brennraumseitigen
Im Folgenden werden die Haupteinflussfaktoren auf Druckbeaufschlagung am Ventilkopf auftritt. Un-
den Ventilsitzringverschleiß behandelt. terstützt wird dieser Effekt durch einen um 0,5 bis
1° vergrößerten Ventilsitzwinkel im Vergleich zum
7.13.2.1 Ventilsitzbeanspruchungen Sitzring, genannt Differenzwinkel (. Abb. 7.181).
Je nach verwendetem Motorentyp treten unterschied- Hierdurch wird eine geringere Sitzbreite und damit
liche Beanspruchungen im Ventilsitzkontaktbereich eine höhere Flächenpressung mit besserer Dicht-
auf. Die Art der Kraftstoffzufuhr, die Verdichtungs- wirkung bei geringen Verbrennungsdrücken er-
und Verbrennungsdrücke und die damit verbunde- zielt. Bei Erhöhung des Druckes vergrößert sich
nen spezifischen Leistungen sowie die herrschenden durch die Ventiltellerbiegung der Flächentraganteil
Temperaturen im Kontaktbereich beeinflussen maß- und bewirkt so eine reduzierte Flächenpressung
geblich das Verschleiß- und Deformationsverhalten auf den Sitz.
238 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.181 Differenz­ hung des Karbidanteils wird bei diesem Werkstoff

-
1 winkel am Ventil die Verschleißfestigkeit gesteigert.
Martensitischer Stahlguss [101]: Hierbei handelt
2 es sich um Werkstoffe auf Basis von Werkzeug-
stählen beziehungsweise rostfreien Martensit-
stählen. Sie werden im Allgemeinen als gehärtete
3 Qualitäten für Einlass- und Auslassventilsitzringe
c) Schmierung des Sitzkontaktes. Die Verschleiß- bei Nutzkraftfahrzeugen mittlerer und hoher Be-
raten des Tribosystems Ventil/VSR werden maß- anspruchung für Temperaturen bis circa 600 °C
4 geblich durch schmierende Zwischenschichten eingesetzt. Bei Zugabe von Chrom ergeben sich

5
beeinflusst. Je nach Zusammensetzung des Ver-
brennungsgasgemisches unterscheiden sich die Ef-
fekte im Ein- und Auslass. . Abb. 7.182 vergleicht
den Einfluss der Kraftstoffarten auf das Verschleiß-
- gute Korrosionsbeständigkeiten.
Nichteisengusslegierungen [101]: Bei dieser
Werkstoffgruppe handelt es sich um hochlegierte
Nickel- oder Kobaltbasislegierungen. Sie finden
6 verhalten zwischen Ventil und Sitzring. insbesondere bei hochbelasteten Motoren als
Grundsätzlich werden diese Effekte durch weitere Auslasswerkstoffe Anwendung. Charakteristisch
7 Phänomene überlagert. Insbesondere ist hier die
mögliche Anfettung des Ansauggemisches durch
für diese Werkstoffgruppe sind die hohen Anteile
an Karbiden und intermetallischen Phasen. Es
Einleitung der Kurbelgehäusedämpfe in den An- werden sehr gute Hochtemperatureigenschaften
8 saugtrakt zu nennen. Des Weiteren gelangen Ölbe- bis 875 °C erreicht. Nachteilig sind die hohen
standteile über die Ventilschaftabdichtung entlang Werkstoffkosten, die niedrige Wärmeleitfähigkeit
des Ventilschaftes in den Sitzkontaktbereich. und die schwierige Bearbeitbarkeit. In höchstbe-
9 d) Der Verschleißpartner – das Ventil. Bei der Aus- lasteten Motoren (Motorsport/Formel1) kommen
legung des Ventiltriebes ist darauf zu achten, dass Cu-Basis-Legierungen mit Zusätzen von Beryl-
10 die Härte der Kontaktfläche des Ventiles höher ist
als die des Ventilsitzringes. Hierdurch soll eine
lium auf Grund der hohen Wärmeleitfähigkeit
zum Einsatz.
Verschleißaufteilung von 1/3 am Ventil zu 2/3 am
11 Ventilsitzring erzielt werden. Dieses Verschleißver- zz PM-Werkstoffe
hältnis ist notwendig, da es im umgekehrten Fall Nach dem Verpressen einer Pulvermischung in einer
zur allmählichen Schwächung des Ventiltellers endkonturnahen Form bei Drücken bis zu 900 MPa
12 mit der Folge eines Ventildurchziehens und der werden die Presslinge, sogenannte Grünlinge, bei ho-
Zerstörung des Motors kommen könnte. Typische hen Temperaturen (1000 bis 1200 °C bei Eisenbasis-
13 Härtewerte sind in . Abb. 7.183 zusammengefasst. legierungen) gesintert und thermisch nachbehandelt.
Die mechanischen Bearbeitungen Drehen und Schlei-
7.13.2.2 Werkstoffe und Eigenschaften fen bilden den Abschluss des Produktionsprozesses.
14 Werkstoffe Je nach Art des verwendeten Werkstoffes können
zz Gusslegierungen zusätzliche Fertigungsschritte erforderlich sein. Ziel
15 Um diese Werkstofflegierungen herzustellen, werden
die Produktionsmethoden Form- oder Sandguss so-
moderner PM-Entwicklungen ist es, die Anzahl der
Fertigungsschritte niedrig zu halten, um deutliche Kos-
wie Schleuderguss herangezogen. So hergestellte Werk- teneinsparungen zu erzielen [102].
16
17
-
stoffe sind:
Gusseisen [101]: Das Einsatzgebiet von niedrig
legiertem Grauguss liegt bei gering belasteten
Motoren sowohl im Ein- als auch im Auslass.
- PM-Werkstoffe werden differenziert nach
niedrig legierten Stählen: Niedriglegierte Stähle
werden vorwiegend für Einlassventilsitzringe bei
Ottomotoren benutzt. Diese Werkstoffe basieren
Die hohen Anteile freien Graphits im Werkstoff auf dem System Fe-Cu-C. Das Gefüge ist im
18 sorgen für gute Notlaufeigenschaften. Über Allgemeinen ferritisch/perlitisch mit Anteilen an
thermische Behandlungen können die Werkstoff­ Zementit. Geringe Anteile von Nickel oder Mo-
eigenschaften verbessert werden, zum Beispiel lybdän dienen zur Verbesserung der Verschleiß-
19 Erhöhung der Duktilität, was beim Einsatz von festigkeit. Zur Optimierung der Zerspanbarkeit
Titanventilen erforderlich ist. Zur Anpassung dienen häufig Festschmierstoffe (zum Beispiel
20 an den Wärmeausdehnungskoeffizienten von
Aluminiumzylinderköpfen findet austenitisches
MnS, Pb, MoS2, CaF2 oder Graphit). Insgesamt
liegt der Anteil an Legierungselementen unter
Gusseisen seine Anwendung. Durch eine Erhö- 5 %.
7.13 • Ventilsitzringe
239 7

Einlass Auslass
Ottokraftstoff ++ Flüssigkeitsschmierung bei Saug- + Festkörperschmierung durch
Verschleißrate und Turbomotor Ablagerungen aus den
bei Otto-DI, keine Schmierung, Verbrennungsgasen
1 – 5 µm/1000 km
da lediglich Ansaugluft über den
– Einlass gelangt
Dieselkraftstoff – Keine Schmierung durch ++ Festkörperschmierung durch
Verschleißrate Kraftstoff, da lediglich Ansaugluft Ablagerungen aus den
über den Einlass gelangt Verbrennungsgasen
1 – 5 µm/1000 km

Alkohol O Flüssigkeitsschmierung bei Saug- O geringe Festkörperschmierung,


Verschleißrate und Turbomotor, jedoch mit erhöhter Wasseranteil, Effekt variiert
korrosiven Anteilen. Effekt je nach Alkoholgehalt (ab E50
1 – 10 µm/1000 km variiert je nach Alkoholgehalt -- kritisch)
(ab E50 kritisch) problematisch thermisch hoch
belastete Turbomotore
CNG – Keine Schmierung , da lediglich -- geringe Festkörperschmierung, da
Verschleißrate ein Gasgemisch über den Einlass geringe Verbrennungsrückstände
gelangt problematisch thermisch hoch
1 – 50 µm/1000 km belastete Turbomotore
LPG -- Keine Schmierung, da lediglich -- geringe Festkörperschmierung, da
Verschleißrate ein Gasgemisch über den Einlass geringe Verbrennungsrückstände
gelangt
1 – 70 µm/1000 km
Wasserstoff -- Keine Schmierung, da lediglich -- Keine Schmierung, da keine
Verschleißrate ein Gasgemisch über den Einlass Verbrennungsrückstände, erhöhter
gelangt korrosiver Anteil durch Wasserdampf
3 – 70 µm/1000 km
Wertung: ++ sehr gut; + gut; o mittel; – schlecht; -- sehr schlecht

..Abb. 7.182  Einfluss der Kraftstoffart auf das Verschleißverhalten Ventil/Ventilsitzring

..Abb. 7.183 Härtevergleich Ventil Ventilsitzring


Ventil/Ventilsitzring
Einlass 270 – 370 HBW2,5/187,5 220 – 320 HBW2,5/187,5
gehärtet > 48 HRC
Auslass (gepanzert) 30 – 50 HRC 30 – 46 HRC

- mittelhochlegierten Stählen: Diese Werkstoffe


sind im Allgemeinen in Auslassventilsitzrin-
gen von Ottomotoren sowie bei Dieselmotoren
sen (intermetallische Phasen hoher Härte und
Temperaturbeständigkeit (zum Beispiel Co-Mo-
Cr-Si-Laves-Phasen, Co-Cr-W-C-Phasen [103])).
sowohl im Einlass- als auch Auslassbereich zu Schnellstähle beziehen ihre hohe Verschleißfes-
finden. Diese Werkstoffgruppe stellt die am tigkeit aus einer martensitischen Matrix mit einer
weitesten verbreitete dar und besitzt eine breite feinen Verteilung von Sonderkarbiden des Typs
Variantenvielfalt, aus der die drei gängigsten M6C oder MC, welche sich über Legierungsele-
Gruppierungen erwähnt werden sollen. mente wie Cr, W, V, Mo oder Si bilden können.
Bei den Martensitstählen besteht das Gefüge Aufbauend auf den Schnellstahlstandardzusam-
im Wesentlichen aus einem martensitischen mensetzungen (zum Beispiel M2, M4, M35)
Anlassgefüge mit fein verteilten Karbiden, führen legierungstechnische Modifikationen, wie
Festschmierstoffen und gegebenenfalls Hardpha- das Verdünnen mit Eisenpulvern, die Zugabe
240 Kapitel 7 • Motorkomponenten

von Festschmierstoffen oder weiteren Hardpha- Warmhärtevergleich von Kobalt, Nickel und
1 sen, zum Ventilsitzringwerkstoff. Bainitische Eisenbasislegierungen
Stähle besitzen im Gegensatz zu den anderen 90

2 beiden Werkstoffgruppen kein Anlassgefüge,


sondern ein thermisch stabileres bainitisches 80

Här te HRA
Co-Basis
Grundgefüge. Zugaben von Festschmierstoffen,
3
70
Karbidbildnern und Hardphasen ergeben in Ni-Basis
Fe-Basis
Kombination mit dem Gefüge gute Warmver- 60
schleißeigenschaften. Typische Legierungsele-
4 mente sind Co, Ni und Mo. 50
0 200 400 600 800
Die mittelhochlegierten Stahlgruppen können Temperatur in °C
5 auch als kupferinfiltrierte Qualitäten bezogen
werden. Hierzu wird während des Sinterprozes- ..Abb. 7.184  Warmhärtevergleich [107]
ses das offene Porenvolumen des Sinterkörpers
6 mit flüssigem Kupfer gefüllt. Der Vorteil dieser Warmhärte als Indikator für die Verschleißfes-
Legierung liegt neben einer besseren Wärmeleit- tigkeit eines Materials bei erhöhter Temperatur.
7
- fähigkeit auch in einer besseren Bearbeitbarkeit.
hochlegierten Stählen: Diese Gruppe umfasst
Starke Härteabfälle bei steigenden Temperaturen
zeigen mögliche Grenzeinsatztemperaturen an

8
martensitische beziehungsweise austenitische
Werkstoffe. Der Anwendungsbereich liegt bei
Motoren mit hoher Anforderung bezüglich
Hochtemperaturoxidations/-korrosionsfestigkeit.
- (. Abb. 7.184).
Thermische Gefügestabilität: Die thermische
Gefügestabilität indiziert Veränderungen im
Werkstoff auf Grund von Temperatureinflüssen.
9 Typische Legierungselemente sind Ni, Cr und . Abb. 7.185 fasst verschiedene Effekte zusam-
Co. Auf Grund des hohen Legierungsanteils men. Insbesondere bei Werkstoffen mit Anlass-
10 sind diese Werkstoffe im Vergleich zu den
anderen Werkstoffgruppen sehr kostenintensiv.
gefüge muss von diffusionsbedingten Verände-
rungen unter thermischer Belastung ausgegangen

11
12
Aus diesem Grund wird häufig die sogenannte
Doppellagentechnologie angewandt, bei welcher
der Ventilsitzring aus zwei unterschiedlichen
Werkstofflagen, sitzseitig eine hochlegierte und
- werden.
Wärmeausdehnungskoeffizient: Der Wärme-
ausdehnungskoeffizient von Ventilsitzringen
und Zylinderkopfwerkstoffen ist für die Montage
kanalseitig eine niedriglegierte Werkstoffqualität, von VSR in Zylinderköpfen über eine Pressver-

13 - besteht [104].
Nichteisenlegierungen: Ni-Co-Basislegierungen
sind im Gegensatz zu den Gusslegierungen im
pulvermetallurgischen Bereich sehr selten anzu-
bindung von erheblicher Bedeutung. Vorteilhaft
ist es, wenn die Werkstoffe beider Fügepartner
ähnlich hohe Wärmeausdehnungskoeffizienten
besitzen. Ist dies nicht gegeben, so kommt es
14 treffen. Insbesondere für Rennsportapplikationen zum Beispiel bei der Kombination von Fe-Basis-
sind Kupferwerkstoffe von besonderem Interesse. Ventilsitzringen/Aluminiumzylinderkopf bei Er-
15 Moderne Werkstoffentwicklungen haben die
Zielsetzung, das toxische Beryllium als Legie-
wärmung zu einer Abnahme der Presskraft. Dies
kann zum Herausfallen des Sitzringes aus der
rungselement zu substituieren. Durch Anteile Zylinderkopfbohrung und damit zur Zerstörung
16 keramischer Partikel (zum Beispiel Al2O3) wur- des Motors führen. . Abb. 7.186 zeigt typische

17
den bereits Verschleißfestigkeiten nachgewiesen,
die denen der Standardapplikationen entsprechen
[105]. - Wärmeausdehnungskoeffizienten.
Wärmeleitfähigkeit: Zur Reduzierung der
Ventiltemperatur ist es erforderlich, einen guten
Wärmefluss vom Ventilteller über den Ventilsitz-
18 Eigenschaften ring in den Zylinderkopf zu erhalten. Dies wird
Um den anwendungstechnischen Anforderungen zu neben der Schaffung von guten Wärmeübergän-
genügen, müssen Ventilsitzringe gewisse Materialei- gen über Werkstoffe erreicht, die hohe Wärmeleit-
19 genschaften besitzen. Diese Schlüsseleigenschaften fähigkeiten aufweisen. . Abb. 7.187 veranschau-

20 -
werden im Folgenden dargestellt.
Warmhärte: Die Härte eines Werkstoffes kor-
respondiert im Allgemeinen mit dessen Ver-
schleißfestigkeit. Aus diesem Grund dient die
licht die theoretischen Wärmeflüsse am Ventil.
Theoretische Berechnungen [106] haben ergeben,
dass eine Erhöhung der Leitfähigkeit von 20 auf
40 W/mK die Betriebstemperatur des Sitzringes
7.13 • Ventilsitzringe
241 7
..Abb. 7.185 Ef-
Temperatur Vorgang Wirkung
fekte auf Grund
thermischer Bean- – 190 °C ... 21 °C Umwandlung Restaustenit Zunahme der Härte
spruchung in Martensit Dimensionelle
Veränderungen

250 °C ... 900 °C Abbau Eigenspannungen Härteveränderungen


Diffusionsvorgänge Eigenschaftsveränderungen
Ausscheidungsvorgänge Gefügeveränderungen

..Abb. 7.186 Wär-
Wärmeausdehnung
meausdehnungs-
[10–6 K]
koeffizienten
Zylinderkopf Gusseisen 9 – 11
Aluminium 23 – 27

Ventilsitzring Fe-Basis (martensitisch) 9 – 13


Fe-Basis (austenitisch) 17 – 19
Ni-Basis 12 – 16

Co-Basis 12 – 14

um 50 °C und die des Ventils um 30 °C reduziert. setzung des Werkstoffes erreicht werden oder
Messungen in verschiedenen Motoren bestätigen durch eine gezielte Passivierung der Bauteilober-
die Reduzierung der Ventilkopftemperatur [105].
Um diese Eigenschaftswerte zu erreichen, werden
insbesondere mittelhochlegierte Auslasswerk-
stoffe mit Kupfer infiltriert. . Abb. 7.188 fasst
- flächen zum Beispiel Voroxidation.
Verschleißfestigkeit: Grundsätzlich wirken
folgende Verschleißmechanismen:
Adhäsion: Lokale Mikroverschweißungen mit
einige repräsentative Kennwerte zusammen. anschließendem Aufbrechen der Kontaktstel-
Bei der Auslegung des Zylinderkopfs ist zu len. Es kommt zum Materialtransfer von einem
berücksichtigen, dass die größere Wärmeein- Reibpartner zum anderen sowie zur Grübchen-
bringung in das Aluminium des Zylinderkopfes bildung.
bei hochwärmeleitfähigen Ventilsitzringen zu Abrasion: Materialabtrag auf Basis von Schleif-
einem Festigkeitsverlust des Aluminiums führt. und Schneidmechanismen im Mikrobereich. Ein
Rissbildungen im Stegbereich sind Folgen dieser Materialtransfer findet nur im begrenzten Maße

- Art von thermischer Überbelastung.


Dichte: Um die Werkstoffbeanspruchung
möglichst niedrig zu halten, sind Werkstoffe mit
hoher Dichte auf Grund ihres höheren spezi-
statt.
Oxidation: Bildung von spröden, nicht fest anhaf-
tenden Oxidschichten, die bei Belastung von der
Oberfläche platzen, beziehungsweise eingebettet
fischen Traganteils bei gegebener Belastung werden. In diesem Fall wird von Tribooxidation
vorteilhaft. Zusätzlich wird so vermieden, dass gesprochen.
es durch Kerbwirkung der Poren zu Ermüdungs- Korrosion: Bildung von Reaktionsphasen, zum
erscheinungen mit Materialausbrüchen kommt. Beispiel führt bei hochnickelhaltigen Werkstoffen
Im Gegensatz zu gegossenen Ventilsitzringen das niedrigschmelzende Nickel-Schwefel-Eutekti-
muss bei pulvermetallurgischen Erzeugnissen kum zur Materialschwächung und Auslösung von

-
grundsätzlich mit einem gewissen Porenanteil
gerechnet werden.
Oxidations-/Korrosionsbeständigkeit: Aufgrund
der extremen Betriebsbedingungen müssen Ven-
- Materialbereichen.
Mechanische Bearbeitbarkeit: Eine gute mecha-
nische Bearbeitbarkeit ist ein wichtiges Kriterium
zur Beurteilung von Ventilsitzringwerkstoffen, da
tilsitzringe gegen die heißen Abgase korrosions- die Endsitzbearbeitung auf Grund der Toleranz-
beziehungsweise oxidationsbeständig sein. Dies lagen im Zylinder und am Sitzring im montier-
kann entweder durch die chemische Zusammen- ten Zustand vorgenommen werden muss. Der
242 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Gleitkontakt ..Abb. 7.187  Wärmefluss am Ventil [105]


1 •
Q6

Q6 Schaft

2 Führung

3 •
Q5

4
Ventilsitz

Q4

Q5 •

5
Q4

• Q3
Q2

6 •
Q1

Q1

Q2

Q3

7 Wärmeleitfähigkeit
Nebenwinkel
Sitzwinkel
[W/mK]
8 Fe-Basis 17 – 35
Höhe
Fe-Basis (Cu-infiltriert) 40 – 49
9 Ni-Basis 16 – 18
Montage-
Co-Basis 14 – 15 Innendurchmesser (ID)
10 Cu-Basis 100 – 200
facette
Außerdurchmesser (OD)

..Abb. 7.189  Typische Ventilsitzringkontur


11 ..Abb. 7.188 Wärmeleitfähigkeiten

Aufbau des Gefüges, eine möglichst hohe Dichte hung der Sitzbreite. Durch das Verkleinern des
12 sowie die Zugabe von Festschmierstoffen können Sitzwinkels beziehungsweise der Verbreiterung
die Werkzeugstandzeiten positiv beeinflussen. des Sitzes reduzieren sich die parallel zur Sitz-
13 7.13.2.3 Geometrie und Toleranzen
fläche wirkenden Belastungen, wie . Abb. 7.191
darstellt. Untersuchungen haben gezeigt, dass
Ventilsitzringe besitzen im Allgemeinen eine einfache die Verminderung der Flächenlängsbelastung
14 ringförmige Kontur. Hiervon abweichende Sonderfor- zu einer Verringerung der Verschleißrate führt.
men mit konturierten Außenmantelflächen werden bei Übliche Kennwerte für Sitzwinkel und Sitzbreiten
15
16
Bauteilen verwendet, welche während der Zylinder-
kopfherstellung eingegossen werden. Diese Konturen
sollen ein Herausfallen der Sitzringe durch Form-
schluss verhindern [108]. . Abb. 7.189 veranschaulicht
- sind . Abb. 7.192 zu entnehmen.
Montagefacette: Die Facette positioniert den
Ventilsitzring und verringert die Einpresskräfte
vor und während der Zylinderkopfmontage.
eine typische Ventilsitzringkontur. . Abb. 7.190 fasst Gedrehte Facetten besitzen im Allgemeinen

17
18
-
gängige Toleranzkennwerte zusammen.
Ventilsitz: Der Ventilsitz des Ringes ist der ei-
gentliche Funktionsbereich des Bauteils. Er wird
in der Regel erst nach der Zylinderkopfmontage
eine einfache Schräge mit einem Winkel von 10
bis 45°. Bei Sitzringen, deren Facette während
des pulvermetallurgischen Produktionspro-
zesses angepresst wird, sind häufig Radien in
endgültig über Drehoperationen hergestellt, um der Größe von 0,4 bis 1,4 mm mit einer man-
eine genaue Ausrichtung der Ventilachse zur telseitigen Schräge von 10 bis 15° vorzufinden.
19 Ventilsitzringachse zu erhalten (Mittenversatz Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden,
maximal 0,02 bis 0,03 mm bei neuen Motoren). dass kleinere Winkel der Schrägen zu geringe-
20 Eine konstruktive Möglichkeit, den Verschleiß
am Sitz zu reduzieren, besteht in der Verringe-
ren Montagekräften führen. Des Weiteren ist
darauf zu achten, dass im Montagebereich keine
rung des Sitzwinkels beziehungsweise der Erhö- Gradbildung durch Bearbeitungsvorgänge beim
7.13 • Ventilsitzringe
243 7
..Abb. 7.190 Toleranz-
Außendurchmesser Da < 45 mm ± 0.013 mm
bereiche bei Ventilsitz-
Da > 45 mm ± 0,010 mm
ringkonstruktionen
Rechtwinkligkeit 0,03 bezogen auf
Facettenseite
Oberfläche Ra = 1,25
Innendurchmesser Zylindermaß ± 0,1
Auslaufmaß von Schrägen ± 0,15
Oberfläche Ra = 3,2
Koaxialität 0,2
Sitz Winkel ± 1°
Oberfläche Ra = 3,2
Höhe Maß ± 0,05
Parallelität 0,04
Oberfläche Stirnflächen Ra = 1,6
Montagefacette Toleranz Radius ± 0,15 – ± 0,3
Toleranz Winkelschräge ± 2°

140
Sitzbreite [mm] Sitzwinkel
Flächenbelastung in %

45°
120
100 Einlass Auslass
30°
80 Ottomotor 1,2 – 1,6 1,4 – 1,8 45°
60 Dieselmotor
20°
40
20
Pkw 1,6 – 2,2 1,6 – 2,2 45°
0 Nkw 2,0 – 3,0 2,0 – 3,0 20° – 45°
0 0,5 1 1,5 2 2,5 Gasmotor 1,8 – 2,5 1,8 – 2,5 20° – 45°
Sitzbreite in mm
..Abb. 7.192 Sitzbreiten und Sitzwinkel
..Abb. 7.191  Vergleich der Flächenbelastung in
Abhängigkeit von Sitzwinkel und Sitzbreite
Bearbeiteter
Nebenwinkel
Drehen vorliegt. Verhindert wird dies durch

-
Sitzwinkel
Gleitschleifen der Bauteile.
Innendurchmesser: Innendurchmesser von
Ventilsitzringen sind im Allgemeinen unbearbei-
tet. Zur Optimierung von Strömungsvorgängen
werden in bestimmten Motorenfamilien Ein-
lassventilsitzringe mit speziellen Innenkonturen
verwendet, wie zum Beispiel Venturiformen.
Zur Verbesserung der Einlaufbedingungen und
zum Erreichen konstanter Sitzbreiten nach der
Fertigbearbeitung des Sitzringes im Zylinder-
kopf werden häufig Nebenwinkel im Bereich des ..Abb. 7.193 Nebenwinkel
Ventilsitzes vorgesehen. Der übliche Wert solcher

- Winkel liegt bei 30° (. Abb. 7.193).


Wandstärke: Aufgrund der immer kompakte-
Wandstärken liegen über 1,8 mm. Das Verhältnis
von Höhe/Wandstärke sollte sich entsprechend
ren Bauweise bei modernen Motoren ergeben
sich Forderungen nach immer dünnwandigeren
Ventilsitzringen. Dem gegenüber stehen die
mechanischen Beanspruchungen im Sitzring
- . Abb. 7.194 verhalten.
Außendurchmesser: Für einen ausreichenden
Presssitz im Zylinderkopf werden Überde-
ckungen von 0,05 bis 0,13 mm zur Zylinder-
sowie Aspekte der Produktionssicherheit. kopfbohrung verwendet [107]. Ein weiterer
Übliche im Großserienmaßstab hergestellte Orientierungswert zur Auslegung von Alumi-
244 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1 Ringhöhe H Höhe/Wandstärke
5 – 6 mm ≤ 2,5

2 6 – 9 mm ≤ 3,0

> 9 mm ≤ 4,0
3
..Abb. 7.194  H/W-Verhältnis

4 niumzylinderkopfmontagen berechnet sich zu:


Überdeckung = 0,3 − 0,4 % × Bohrungsdurch-
5 messer Zylinderkopf. Grundsätzlich sollte die
..Abb. 7.195  Temperaturverteilung innerhalb eines
Überdeckung dem jeweiligen Anwendungsfall
angepasst werden. Für das Ableiten der Wärme in Auslassventilsitzringes
6 den Zylinderkopf ist es notwendig, dass insbe-
sondere die dem Brennraum zugewandte Seite materials mit Materialaufschub während der Montage
7 gut an der Bohrungsfläche des Zylinderkopfes
anliegt, da hier der höchste Wärmetransfer
kommen kann. Um dies zu vermeiden, wird für die
Montagefacette ein Winkel von < 10° empfohlen. Das
stattfindet. . Abb. 7.195 zeigt die Temperaturver- Einziehen der Ventilsitzringe in Kombination mit einer
8 teilung innerhalb eines Auslassventilsitzringes. Tiefkühlung in flüssigem Stickstoff bietet den Vorteil
Bei der pulvermetallurgischen Herstellung von einer geringen Fügeüberdeckung mit der Folge gerin-
Ventilsitzringen ist darauf zu achten, dass das ger Einpresskräfte. Nachteilig wirkt sich die erhöhte
9 Verhältnis Außendurchmesser/Wandstärke im Sprödigkeit des Sitzringwerkstoffes im tiefgekühlten
Bereich von 10 bis 13 liegt. Ursache hierfür ist die Zustand aus. Des Weiteren ist eine genaue Prozessfüh-
10 Sicherstellung einer ausreichenden Grünstabili-
tät der noch nicht gesinterten Pulverpresslinge.
rung absolut notwendig, da zeitliche Verzögerungen
während der Montage sofort zu veränderten thermi-
Gusstechnisch ist eine solche Limitierung nicht schen Fügebedingungen mit der Folge erhöhter Ein-
11 bekannt. Die Oberflächenrauigkeit der Außen- presskräfte und mit dem Risiko eines nicht exakten
mantelfläche beeinflusst die Montagekräfte beim Presssitzes führen.
Fügen der VSR in den Zylinderkopf.
12
7.13.2.4 Zylinderkopfgeometrie 7.14 Ventilführungen
13 und -montage
Die Geometrie des Zylinderkopfes beeinflusst erheb- Ventilführungen sind ebenso wie Ventile und Ventil-
lich die Funktionalität der Ventilsitzringe. Insbeson- sitzringe wichtige Komponenten des Ventiltriebes. Der
14 dere werden durch entsprechende Konstruktionen und jährliche Bedarf ist mit über 1200 Mio. Teile identisch
Montagen die Temperaturen im Sitzring maßgeblich zu dem der Ventilsitzringe (siehe . Abb. 7.179).
15 beeinflusst. Wichtig ist eine saubere Anlage der Sitz-
ringmantelfläche an der Zylinderkopfbohrungsfläche.
Werkstofflich teilt sich der Markt in PM (Pulver-
metall), umgeformte Messing- und Gusseisenqualitä-
Daher sind die Rundheiten der Durchmesser und ten auf.
16 Rechtwinkligkeiten der Mantelflächen zu den Aufla-
geflächen von Bohrung und Sitzring ebenso wichtige
Kenngrößen, wie die Neigung des Zylinderkopfes zum 7.14.1 Anforderungen
17 Verzug. Bei der Verwendung von VSR-Werkstoffen an Ventilführungen
mit erhöhter Wärmeleitfähigkeit ist zu berücksichti-
18 gen, dass hierdurch eine erhöhte thermische Belastung Ventilführungen haben die Aufgabe, das oszillierende
des Stegbereiches im Zylinderkopf erfolgt. Dies kann Ventil so zu führen, dass dieses stets einwandfrei im
insbesondere bei höher belasteten Motoren zur Riss- Dichtungssitz des Ventilsitzringes positioniert wird.
19 bildung in diesem Bereich führen. Dieses tribologische System wird aus dem Ventil-
Bei der Installation von Sitzringen in den Zylin- schaft und der Ventilführung gebildet. Die Schmie-
20 derkopf bei Raumtemperatur besteht die Gefahr, dass
es auf Grund der Überdeckung vom Sitzring zur Boh-
rung erfolgt durch Motorenöl, welches gezielt über
einen Ölleckagestrom durch den Spalt Ventilschaft/-
rung zu plastischen Verformungen des Zylinderkopf- führung zugeführt wird. Bei bestimmten Werkstoffen
7.14 • Ventilführungen
245 7

kommt ein Eigenschmierungsanteil über bestimmte


Fn
Legierungszusätze beziehungsweise Gefügebestand-
teile hinzu. Auf Grund der immer restriktiveren Ab-
gasemissionsgesetzgebung steigt die Anforderung, die Fq
Ff
Ölleckageraten zukünftig zu minimieren. Hier sind
Werkstoffkombinationen gefragt, die einen Trocken-
Fn
lauf gewährleisten.
Fvf1 Fvf3
Ein erhöhter abrasiver oder adhäsiver Verschleiß Fq Ff
insbesondere an den Ventilführungsenden führt zu
schlechteren Leistungs- und Emissionsdaten des Mo-
Fvf1 Fvf3
tors. Letzterer kann zum sogenannten Fressen führen.
Wie auch bei Ventilsitzringen gibt es diverse Einfluss-
größen, die bei der Verwendung und Auslegung von Fvf2 Fvf4
Ventilführungen zu berücksichtigen sind. Fvf2 Fvf4
Fgas

7.14.1.1 Ventilführungs­
beanspruchungen
Fgas
Die Belastungen innerhalb der Ventilführung sind Re-
aktionen auf Kräfte, die durch den Ventilschaft in das
Tribosystem Ventilführung/Ventil eingeleitet werden ..Abb. 7.196  Kräfte am Ventil und an der Ventilfüh-
und ein Kippen des Ventils bewirken. Sie bestehen aus

--
rung
[109]:
der Reibkraft an der Ventilstirnfläche (Fq),

-
zz a) Ventiltrieb
der Querkraft der Ventilfeder (Ff ), Je nach Bauart des Ventiltriebes sind die an den Enden
der außermittigen Normalkraft auf der Ventil- der Ventilführung auftretenden Kräfte unterschiedlich.

- stirnfläche (Fn),
den Gaskräften am Ventilteller (Fgas).

Die so verursachten Momente werden durch Gegen-


So besitzen Kipphebeltriebe bis zu fünfmal höhere Sei-
tenkräfte als Tassenstößelantriebe. . Abb. 7.197 zeigt
den typischen Querkraftverlauf eines Kipphebelven-
tiltriebes.
kräfte an beiden Enden der Ventilführung aufgefan-
gen. . Abb. 7.196 veranschaulicht dieses Kräftegleich- zz b) Ventilspiel
gewicht. Dynamische Vorgänge der Ventilbetätigung verursa-
chen zusätzliche Kräfte (. Abb. 7.198). Die Erhöhung
X N
X =4 des Ventilspiels um 0,1 mm bewirkt eine Steigerung
F = 0 = Fq + Fn + Ff + Fgas + Fvfn (7.15) der Querkraft um 22 % [109].
n=1 
zz c) Ventilschaftabdichtung
Bei Trockenlauf verursachen die Belastungen an den Zum Aufbau eines hydrodynamischen Schmierfilms im
Ventilführungsenden einen Festkörperkontakt zum Kontaktbereich Ventilschaft/Ventilführung ist neben
Ventilschaft. Bei der Anwesenheit von Öl innerhalb der der Ventilgleitgeschwindigkeit auch eine ausreichende
Ventilführung kommt es auf Grund der oszillierenden Ölmenge notwendig. Dies wird mit Ventilschaftab-
Bewegung des Ventils zur Ausbildung eines hydro- dichtungen erreicht, welche definiert bestimmte Öl-
dynamischen Schmierfilms und einem Druckaufbau mengen durch den Schaftabdichtungsbereich passieren
an den Enden der Ventilführung. Dieser Schmierfilm lassen. Übliche Kennwerte liegen in der Größenord-
trennt die Reibungspartner bis zum Punkt der Bewe- nung von 0,007 bis 0,1 ccm/10 h. Bei Verwendung von
gungsumkehr. Danach kommt es kurzfristig zu einem Abgasturboladern beziehungsweise Motorbremsen bei
Festkörperkontakt, der sich anschließend von Haft- Nutzfahrzeugen können sich die Druckverhältnisse an
reibung wieder in Gleitreibung umkehrt. Prinzipiell der Kanalseite der Ventilführung ändern und dadurch
durchläuft der Kontakt Ventilschaft/-führung konti- die Ölleckage beeinflussen. Untersuchungsergebnisse
nuierlich die in der sogenannten Stribeck-Kurve be- zeigen, dass ein kanalseitiger Überdruck von 0,8 bar
schriebenen Reibverhältnisse in Abhängigkeit von der zu einem Verdrängen des Öls aus der Ventilführung
Gleitgeschwindigkeit. Folgende Punkte beeinflussen und damit zu einer Mangelschmierung mit erhöhtem
die Beanspruchungen innerhalb der Ventilführung: Verschleiß beziehungsweise Fressen führt [109]. Spe-
246 Kapitel 7 • Motorkomponenten

200 ..Abb. 7.197 Querkräf-
1 150
Drehzahl 2000 1/min te an einer Ventilführung
bei unterschiedlichen
Drehzahlen [109] (Motor
2
100
befeuert, Ventilspiel
50 0,1 mm, Ventilführungs-
Querkraft [N]

spiel 45 µm, Öltempe-


3 0
80 100 120 140 160 180 200 220 260 280 ratur 50 °C, Ventiltrieb
–50 Kurbelwinkel [°] Kipphebel)

4 –100

–150 Drehzahl 1000 1/min

5 –200

6 200 ..Abb. 7.198 Querkräf-
te an einer Ventilführung
bei unterschiedlichen
7 150
Spiel 0,2 mm Ventilspielen [109] (Mo-
tor befeuert, Drehzahl
100 1000 l/min, Ventil-
8 führungsspiel 45 µm,
Kraft [N]

Öltemperatur 60 °C,
50 Ventiltrieb Kipphebel)
9
0

10
80 100 120 140 160 200 220 240 260
Kurbelwinkel [°]
–50

11 –100
Spiel 0,1 mm

12 Schaftdurchmesser Einlass Auslass den Aufbau des hydrodynamischen Schmierfilms.


[mm] [µm] [µm] Nach unten begrenzt wird diese Durchmesserdifferenz
13 6–7 10 – 40 25 – 55 durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten von
Führung und Ventilschaft. . Abb. 7.199 fasst einige
8–9 20 – 50 35 – 65 Richtwerte für Ventilführungsspiele zusammen.
14 10 – 12 40 – 70 55 – 85
zz e) Ventil
..Abb. 7.199  Anhaltswert Ventilführungsspiel [110]
15 Das Ventil beeinflusst als Laufpartner zur Ventilfüh-
rung maßgeblich das Verschleißverhalten über zwei
zielle Konstruktionsformen von Schaftabdichtungen Faktoren.
16 (zum Beispiel Gaslippendichtungen) eliminieren die- (1) Die über den Ventilschaft zugeführte Wärme: The-
ses Problem. oretische Berechnungen gehen davon aus, dass
circa 10 bis 25 % der gesamten am Ventil auftre-
17 zz d) Ventilführungsspiel tenden Wärme durch die Ventilführung abgeleitet
Die Ventilführung ist verantwortlich für die exakte Po- wird. Dieser Effekt hängt zum einen von der Wär-
18 sitionierung des Ventiles im Sitz des Ventilsitzringes. meleitfähigkeit des Schaftwerkstoffes ab (12 bis
Damit diese Aufgabe erfüllt werden kann, sind die Ven- 21 W/mK), zum anderen ist die konstruktive Aus-
tilführungsbohrung und der Außendurchmesser des führung des Ventiles von entscheidender Bedeu-
19 Ventilschaftes aufeinander abzustimmen. Grundsätz- tung. So dienen natriumgekühlte Hohlventile dazu,
lich ist das minimal mögliche VF-Spiel anzustreben. die Temperatur im kritischen Kehlbereich des Ven-
20 Dadurch wird neben einem besseren Wärmeübergang
auch die Gefahr des Ventilkippens verringert. Zusätz-
tils abzusenken (um 80 bis 150 °C). Die Kühlung
wird dadurch erreicht, dass ein Wärmetransport
lich unterstützt diese geometrische Bauteilabstimmung über das im Ventil befindliche flüssige Natrium
7.14 • Ventilführungen
247 7

vom Kopf in den Bereich des Schaftes erfolgt. Die


so hervorgerufene höhere thermische Belastung
der Führung stellt besondere Anforderungen an
- Eisenbasiswerkstoffe. Das Gefüge dieser Stahl-
qualitäten mit geringen Legierungsanteilen an
Cu, P, Sn, ist im Allgemeinen ferritisch/perlitisch.
den Werkstoff und die Systemabstimmung. Kupfer als Legierungselement übernimmt ver-
(2) Der Werkstoff des Schaftes: Hier sind folgende schiedene Aufgaben. Zum einen verbessert es die

-
Werkstoffgruppen zu unterscheiden: Maßhaltigkeit während des Sinterns; des Weiteren
Eisenbasislegierungen: Die Schäfte von Ven- werden die Wärmeleitfähigkeit und die mecha-
tilen bestehen im Wesentlichen aus martensiti- nischen Eigenschaften wie Härte und Festigkeit
schen oder austenitischen Werkstoffqualitäten. positiv beeinflusst. Bei zusätzlicher Anwesenheit
Die Oberflächenrauigkeit liegt bei Ra < 0,4. von Zinn kommt es zu Reaktionen mit dem
Durch Verchromen oder Nitrieren kann eine Kupfer unter Bildung einer niedrig schmelzenden
zusätzliche Veredelung erfolgen. Typische Bronzephase. Dies führt bereits bei relativ nied-
Schichtdickenwerte für Verchromen betragen rigen Sintertemperaturen zu flüssigen Phasen,
3 bis 15 µm und für Nitrieren 10 bis 30 µm mit der Folge höherer Dichten beim gesinterten
[110]. Eine Nachbehandlung der veredelten Bauteil. Phosphor bildet zusammen mit Eisen
Oberflächen in Form von Polieren ist unerläss- und Kohlenstoff die von den Gusswerkstoffen her
lich, da Rückstände aus dem Produktionspro- bekannte Fe-P-C-Hardphase. Festschmierstoffe,
zess (Chromknospen beziehungsweise Nitrid- wie zum Beispiel MnS, MoS2, Graphit, CaF2 oder
nadeln) vollständig entfernt werden müssen, BN, verbessern die Notlaufeigenschaften.
um erhöhten Verschleiß bei den Ventilfüh- PM-Ventilführungen besitzen einen relativ hohen
rungen zu vermeiden. Die zu erreichenden Anteil an Poren, was sich in einer Dichte von 6,2

-
Oberflächenrauigkeiten liegen bei Ra < 0,2. bis 7,1 g/cm3 wiederspiegelt. Diese werden häufig
Nickelbasislegierungen: Diese Werkstoff- mit Öl gefüllt, um beim Anlauf von Motoren eine
gruppe wird insbesondere dort eingesetzt, wo Grundschmierung zwischen Ventilschaft und
Auslassventile sehr hohen thermischen und -führung zu erhalten. Das Füllen der Poren mit
mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Öl kann zum einen über ein Tauchen des Bauteils
Allgemein ist diese Werkstoffgruppe unter in ein erwärmtes Ölbad erfolgen. Auf Grund von
dem Begriff Nimonic-Legierungen bekannt. Kapillarkräften und Oberflächenspannungen tritt
Bezogen auf das Tribosystem Ventilschaft/- Öl in die offenen Poren des Sinterkörpers ein.
führung gibt es gegenüber den Eisenbasisle- Dieses Verfahren ist sehr empfindlich gegenüber

-
gierungen keine Besonderheiten. äußeren Einflüssen wie Zustand des Öles, Sauber-
Leichtmetalllegierungen: Um bewegte Mas- keit der Bauteile, Temperaturen, Viskositäten etc.
sen im Ventiltrieb zu reduzieren, bearbeiten Ein anderes, weitaus reproduzierbareres Verfah-
aktuelle Forschungsvorhaben den Einsatz von ren ist das Ölimprägnieren. Hier werden die Ven-

-
Titan- und Aluminiumlegierungen für Ventile. tilführungen zunächst in einer Kammer einem
Nichtmetallische Werkstoffe: Keramische Unterdruck ausgesetzt, um die Luft aus den Poren
Werkstoffe zeigen in den derzeit verwende- zu evakuieren. Anschließend tritt erwärmtes Öl in
ten Qualitäten gute Verschleißeigenschaf- die Kammer und gelangt durch den Umgebungs-
ten. Besondere Maßnahmen beim Einsatz druck in die Poren. So wird sichergestellt, dass
konventioneller Ventilführungswerkstoffe sind
nicht erforderlich. Ursächlich hierfür sind die
sehr guten Oberflächengüten der keramischen
Ventile.
- nahezu alle offenen Poren mit Öl gefüllt werden.
Nichteisenwerkstoffe. Hier beschränkt sich die
Anwendung auf Cu-Basis-Werkstoffe. Neben
Sonderwerkstoffen wie dispersionsverfestigtes
Kupfer [108] werden auch unterschiedliche PM-
Messingqualitäten erprobt. Eine Markteinfüh-
7.14.2 Werkstoffe rung konnte bislang aber nicht erreicht werden,
und Eigenschaften da im Vergleich mit derzeitigen Applikationen
weder Kosten- noch Funktionalitätsvorteile nach-
7.14.2.1 Werkstoffe gewiesen wurden.
zz PM-Werkstoffe
Diese von den Marktanteilen her steigende Werk- zz Buntmetalle
stoffgruppe bietet Anwendungsmöglichkeiten für alle Für den Einsatz bei Ventilführungen in Kraftfahrzeug-
Kraft- und Nutzfahrzeugbereiche. motoren sind häufig Knetlegierungen auf Kupferbasis
248 Kapitel 7 • Motorkomponenten

(Cu-Zn-Verbindungen) vorgesehen. Diese Werkstoffe fig als Hartphase in Gusslegierungen vorzufinden ist.
1 werden als gezogenes Rohr- beziehungsweise Stangen- Cr als Legierungselement ist eher von untergeordneter
material bezogen und zu Ventilführungen spanend Bedeutung und findet bei Sonderwerkstoffen mit guten
2 weiterverarbeitet. Das Gefüge besteht aus 2  Haupt- Heißkorrosionseigenschaften seine Verwendung. Die

3 -
phasenanteilen,
der kubisch flächenzentrierten α-Phase: Diese
zeichnet sich durch eine hohe Kaltverform-
barkeit aus und ist deshalb charakteristisch für
Herstellung erfolgt über das Sandgussverfahren. Ge-
mäß Herstellerangaben sind diese Werkstoffe bei allen
Kraftstoffarten einsetzbar. Die maximale Betriebstem-
peratur beträgt 600 °C.
alle Messing-Knetlegierungen. Die Kennwerte
4 für die Härte und Zugfestigkeit sind relativ 7.14.2.2 Werkstoffeigenschaften
niedrig. Diese Phase ist dominant bei Zn-Legie- Um die anwendungstechnischen Anforderungen zu
5 rungsgehalten < 37,5 %. In der Anwendung als ermöglichen, müssen Ventilführungen gewisse Schlüs-
VF-Werkstoff sollte der α-Gehalt < 20 % liegen, seleigenschaften besitzen, die im Folgenden diskutiert

6
7
-
da ansonsten das Risiko zum Fressen deutlich
ansteigt.
der kubisch raumzentrierten β-Phase: Die An-
wesenheit dieser Phase lässt sowohl die Härte als
-
werden.
Verschleißfestigkeit: Die Hauptbelastung bei
Ventilführungen ist an deren Enden, wobei die
Kanalseite im Allgemeinen stärkere Verschleiß-
auch die Zugfestigkeit steigen. Die Zähigkeit wird erscheinungen aufzeigt als die Nockenseite
reduziert. Eine Zunahme dieses Phasenanteils . Abb. 7.200. Ursächlich hängt dies mit der
8 wird durch Erhöhung des Zn-Gehaltes von 38 bis höheren Temperaturbelastung dieses Bereiches
circa 46 % erreicht. zusammen. Die wirkenden Verschleißmechanis-
men sind Abrasion und Adhäsion. Letztere führt
9 Die Heterogenität von Cu-Zn-Legierungen bietet die in Grenzfällen zum Fressen zwischen Ventilfüh-
Möglichkeit, eine Anpassung der Eigenschaften an den rung und Schaft und damit zu einem Versagen
10 jeweiligen Anwendungsfall vorzunehmen und begüns-
tigt die Zerspanbarkeit des Werkstoffes. Zugaben von
des Motors. Eine hohe Neigung zu adhäsivem
Verschleiß weisen austenitische Schaftwerkstoffe
Aluminium erhöhen die Härte, ohne das Warmform- auf. Bei der Verwendung von verchromten oder
11 vermögen negativ zu beeinflussen. Gleichzeitig werden nitrierten Ventiloberflächen tritt Verschleiß
die Gleiteigenschaften verbessert [111]. Die Werkstoff- vorwiegend in der Ventilführung auf. Im Auslass
basis für Ventilführungen besteht im Wesentlichen aus stellt der erhöhte kanalseitige Verschleiß ein Pro-
12 der Legierung CuZn40Al2. Unterschiedliche Zugaben blem dar. Durch die Spaltverbreiterung zwischen
von weiteren Legierungselementen zum Beispiel Mn, Ventil und Führung gelangen Abgasbestandteile
13 Si dienen der Verbesserung der Verschleißfestigkeit. in den Gleitbereich und lagern sich dort ab.
Neben der überragenden Zerspanbarkeit, im Ver- In Extremfällen kommt es zum Klemmen des
gleich zu den anderen Ventilführungswerkstoffen, ist Ventilschaftes in der Führung und damit zu

-
14 die hohe thermische Leitfähigkeit eine weitere positive einem Versagen des Motors.
Eigenschaft dieses Materials. Dichte: Porenfreie Werkstoffe, wie zum Beispiel
15 zz Gusseisen/Stahlguss
die umgeformten Buntmetalle beziehungsweise
Gusswerkstoffe besitzen auf Grund ihres hohen
Ventilführungen aus Gusslegierungen auf Eisenbasis spezifischen Traganteils den Vorteil, bei gege-
16 sind insbesondere im Nutzfahrzeugsektor stark ver- bener Belastung die Werkstoffbeanspruchung
breitet. Das Gefüge besteht aus einer ferritisch/per- niedrig zu halten. Dies reduziert die Verschleiß-
litischen Grundstruktur mit freien Graphitanteilen neigung.
17 (Größe circa 4 bis 7 µm). Diese wirken als eingebauter Zusätzlich werden Ermüdungserscheinungen mit
Festschmierstoff. Der Ferritanteil liegt dabei im All- Rissbildung und -fortschritt vermieden, die auf
18 gemeinen unter 5 %. Bei Anwesenheit von Phosphor Grund von Kerbwirkung durch Poren entstehen
können sich Phosphidverbindungen sowohl als ein- können. Bei pulvermetallurgischen Erzeugnissen
zelne fein verteilte Gefügebestandteile wie auch als ist grundsätzlich von einem gewissen Porenanteil
19 ausgeprägte Netzwerke bilden. Bei höheren Anforde- auszugehen. Bei der Herstellung von PM-Ventil-
rungen an das Bauteil kann durch gezielte Zugabe von führungen stellt sich auf Grund des beidseitigen
20 Legierungselementen (Si, P, Cu, Mo oder Mn) die Ver-
schleißfestigkeit erhöht werden. Hier ist insbesondere
Verdichtens des Pulvers ein Dichtegradient ein,
wobei sich der Ort höchster Porosität in der
die ternäre Verbindung Fe-P-C zu nennen, welche häu- Mitte der Ventilführung befindet (. Abb. 7.201).
7.14 • Ventilführungen
249 7

Dichte [g/cm3]
Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) > 8,0
PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 6,2 – 7,0
Gusswerkstoffe (Fe-Basis) >7,1
Nockenseite
..Abb. 7.202 Dichtekennwerte
Kanalseite

Wärmeleitfähigkeit
600
PM: 30 W/mK
Guß 43 W/mK
500 Messing: 85 W/mK

..Abb. 7.200  Verschleißbereiche Ventilführung

Temperatur [°C]
400
7,2
7
Dichte g/cm2

6,8 300
6,6
6,4
200
6,2
6
100

A B C D E
..Abb. 7.201  Dichteverteilung innerhalb einer PM-
Ventilführung
..Abb. 7.203  Temperaturverteilung in Ventilführun-
gen bei unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten [112]
Diese Art der Dichte-/Porenverteilung ist eine
positive Eigenschaft dieser Ventilführungska-
tegorie, da die höchste Dichte im Bereich der Funktionsfähigkeit der Ventilschaftabdichtung
höchsten Beanspruchung vorliegt. Der mittlere gefährdet ist. . Abb. 7.203 zeigt den Tempera-
Bereich bei PM-Führungen kann auf Grund des turverlauf bei Auslassventilführungen. Deutlich
hohen Porenanteils ein größeres Volumen an Öl sichtbar ist der Unterschied in der thermischen
aufnehmen und somit als Ölspeicher fungie- Belastung vom kanal- zum nockenseitigen Ende
ren. Dichtekennwerte der unterschiedlichen der Ventilführung, das heißt die physikalischen
Werkstoffgruppen für Ventilführungen sind Vorgänge der Wärmeableitung zum Zylinderkopf

- . Abb. 7.202 zu entnehmen.
Wärmeleitfähigkeit: Die Wärmeleitfähigkeit
besitzt für Auslassventilführungen eine entschei-
dende Bedeutung. Zum einen muss über die
erfolgen in der unteren kanalseitigen Hälfte der
Ventilführung (Position A bis D). Oberhalb die-
ses Bereiches sind die unterschiedlichen Wärme-
leitfähigkeiten von untergeordneter Bedeutung.
Ventilführung ein Anteil der Wärme des Ventils . Abb. 7.204 fasst einige typische Wärmeleitfä-
in den Zylinderkopf abgeleitet werden. Messun-
gen im Funktionsprüfstand zeigen, dass je nach
Wärmeleitfähigkeit des Führungswerkstoffes die
Ventilkopftemperatur um bis zu 8 % gesenkt wer-
- higkeiten zusammen.
Wärmeausdehnung: Ventilführungen werden,
wie die Sitzringe, über eine Pressverbindung im
Zylinderkopf montiert. Auf Grund des nied-
den kann. Zum anderen werden die Auslassven- rigeren Temperaturniveaus und der größeren
tilführungen heißen Abgasströmen ausgesetzt. Passungsflächen ist die Gefahr des Lösens
Eine gute Wärmeleitfähigkeit senkt somit die dieser Verbindung auf Grund unterschiedlicher
thermische Belastung des Bauteiles. Die Tempe- Wärmeausdehnungen gering. Wird das tribolo-
ratur an der Nockenseite der Ventilführung sollte gische System Ventilschaft/-führung betrachtet,
nicht mehr als 150 °C betragen, da ansonsten die so zeigt sich, dass es Materialkombinationen gibt,
250 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1 Wärmeleit-
fähigkeit [W/mK]
- Ölgehalt: Der Ölgehalt ist ein Charakteristikum,
das nur bei pulvermetallurgisch erzeugten Ventil-
führungen vorzufinden ist. Er gibt die Menge an
Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) 46 – 100
2 Öl (in Gewichtsprozent) an, die sich in den Poren
des Bauteils befindet. Die Kennwerte liegen in der

-
PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 21 – 48
Größenordnung von 0,5 bis 1,2 Gewichtsprozent.
3 Gusswerkstoffe (Fe-Basis) 38 – 45 Mechanische Bearbeitung: Die Fertigbearbei-
tung der Ventilführungen erfolgt im Zylinderkopf
..Abb. 7.204 Wärmeleitfähigkeiten gleichzeitig mit dem Schneiden des Sitzes in den
4 Sitzring. Dadurch wird sichergestellt, dass der
welche ein voreingestelltes Ventilführungsspiel Mittenversatz zwischen Ventilführung und Sitz
5 auf Grund äußerer Temperatureinflüsse einengen ring in bestimmten Grenzen gehalten wird. Werte
beziehungsweise in Grenzfällen aufbrauchen und für einen neuen Motor liegen in der Größenord-
damit ein Klemmen des Ventils verursachen. nung von 0,02 bis 0,03 mm [110].
6 Dies ist immer dann der Fall, wenn: Bei Ventilführungen wird der Innendurchmesser
über eine Reibbearbeitung eingestellt. Hierzu
Ventilschaft  Ventilführung ;
7 (7.16) werden Reibahlen mit 1 bis 6 Schneiden aus TiN-
beschichteten Hartmetallqualitäten verwendet.
λ = Wärmeausdehnungskoeffizient. Bearbeitungswerkzeuge aus kubischem Bornitrid
8 Ist diese Relation invers, so kommt es bei Er- oder polykristallinen Diamanten werden nur in
wärmung zu einem kanalseitigen Aufweiten und Ausnahmefällen benutzt. Die Standzeit hängt
damit zu einer Ventilführungsspielvergrößerung. von diversen Einflussgrößen ab. Positiv wirken
9 Damit besteht die Möglichkeit, dass sich Verun- sich enge Toleranzen im Mittenversatz zwischen
reinigungen aus den Abgasen in die Ventilfüh- Führung und Sitzring aus. Eine gratfreie Bohrung
10 rung hineinziehen und im Gleitbereich ablagern.
Ein Klemmen des Ventils ist die Folge. Gelangen
sowie ein homogenes Gefüge führen zusätzlich zu
längeren Werkzeugstandzeiten. Hardphasen oder
harte Partikel in den Spalt zwischen Schaft und martensitische Gefügebestandteile wirken sich auf
11 Führung, fördert dies den abrasiven Verschleiß. Grund der hohen Härte negativ aus. Ebenso sollten
. Abb. 7.205 stellt einige Kennwerte für den kleine Innendurchmesser bei langen Ventilfüh-
12
13
- Wärmeausdehnungskoeffizienten zusammen.
Härte: Die Anforderung an die Härte der Ven-
tilführungen ist relativ niedrig. Dies lässt sich
unter anderem darauf zurückführen, dass die
rungen auf Grund der hohen Torsionsmomente
im Bearbeitungswerkzeug (Reibahle) vermieden
werden. Übliche Kennwerte für Innendurchmesser
in Abhängigkeit von der Länge zeigt . Abb. 7.207.
Beanspruchungen in diesem Teil des Ventiltrie-
bes nicht übermäßig hoch sind. Des Weiteren
14 sorgen die polierten und teilweise beschich- 7.14.3 Geometrie Ventilführung
teten Oberflächen der Ventilschäfte für einen
15 geringen abrasiven Angriff. . Abb. 7.206 zeigt
übliche Härtebereiche von Ventilführungswerk-
Bei Ventilführungen handelt es sich typischerweise
um Zylindergeometrien, deren Enden je nach Aus-
stoffen. führungsart unterschiedlich ausgebildet sind. Ka-
16
..Abb. 7.205 Wärme-
Wärmeausdehnung
17 [10–6 K]
ausdehnungskoeffizi-
enten
Ventilführungen Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) 18 – 22
18 PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 9 – 13

19 Gusswerkstoffe (Fe-Basis) 9 – 11
Ventile Fe-Basis (martensitisch) 9 – 13

20 Fe-Basis (austenitisch) 17 – 19
Ni-Basis 12 – 16
7.14 • Ventilführungen
251 7
..Abb. 7.206 Härtebe­
Härte Brinell 2,5 Härteverlust
reiche von Ventilfüh-
in % bis 250 °C
rungswerkstoffen
Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) 150 – 170 circa 20 %
PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 120 – 200 0%
Gusswerkstoffe (Fe-Basis) 190 – 250 0%

100 Ausgangswandstärke nicht unter 2,6 mm liegen,


90 da sie durch Drehoperationen noch weiter redu-
80 ziert wird. Je kürzer die Ventilführung ist, desto
größer sollte die Wandstärke werden, da durch
Länge in mm

70
den verkleinerten Hebelarm die Reaktionskräfte
60
zum Führen des Ventilschaftes steigen. Dies führt
50
zu einer höheren Beanspruchung der Ventilfüh-
40 rungsenden. . Abb. 7.210 stellt Standardwerte für
Wandstärken in Abhängigkeit von der Länge von

-
30
20 zylinderförmigen Ventilführungen dar.
2 4 6 8 10 12 14
Innendurchmesser in mm
Innendurchmesser: Der Innendurchmesser von
nicht montierten Ventilführungen ist im Allge-
..Abb. 7.207  VF-Kennwerte Innendurchmesser/Län-
ge [113]

nalseitig sind im Allgemeinen einfache Facetten als


- meinen unbearbeitet.
Länge: Grundsätzlich ist die Verwendung der
maximal möglichen Einbaulänge bei Ventil-
führungen von Vorteil, um den Kippwinkel des
Einpresshilfen angebracht. Nockenseitig ist die Vari- Ventiles möglichst niedrig zu halten. Die Länge
antenvielfalt höher und abhängig vom jeweils verwen- der Ventilführung sollte mindestens 40 % der
deten Typ der Ventilschaftabdichtung. Darüber hinaus Ventillänge betragen [110].
existieren Ausführungsformen mit einem Bund an
der Außenmantelfläche, welcher den Anschlag beim
Einpressen der Ventilführung bildet (Beispiele siehe 7.14.4 Zylinderkopfmontage
. Abb. 7.208). . Abb. 7.209 fasst Standardtoleranz-

-
werte für Ventilführungen zusammen.
Außendurchmesser: Das Außendurchmes-
sermaß der Ventilführung ist sorgfältig auf die
Bohrung des Zylinderkopfes abzustimmen,
Die Montage von Ventilführungen erfolgt über das
Einpressen des Bauteiles in die Zylinderkopfbohrung,
im Allgemeinen bei Raumtemperatur, das heißt sowohl
Führung als auch Zylinderkopf besitzen Umgebungs-
da es verantwortlich ist für den einwandfreien temperatur.
Presssitz im Zylinderkopf. Überdeckungen zur Auf folgende konstruktive Gesichtspunkte sollte
Zylinderkopfbohrung von 0,02 bis 0,05 mm für
Gusseisen- und von 0,04 bis 0,08 für Aluminium-
zylinderköpfe werden standardmäßig verwendet
[113]. Bei der Herstellung von PM-Ventilführun-
-
geachtet werden:
Die Ventilführungsmantelflächenlänge sollte der
Bohrungslänge des Zylinderkopfes entsprechen,
damit die höher belasteten Ventilführungsend-
gen sollte folgendes Verhältnis gelten: bereiche durch das Zylinderkopfmaterial gestützt

Länge/Außendurchmesser
 4 (PM-Ventilführung)I (7.17)
- werden.
Das kanalseitige Ende sollte nicht in den Ansaug-
beziehungsweise Auslasskanal hineinragen.
Hierdurch werden zum einen die Gasströmungen
 negativ beeinflusst; zum anderen wird das Ende

-
6 (Gussventilführung):
der Ventilführung einer sehr hohen thermischen
Wandstärke: Die minimale Wandstärke für PM- Belastung ausgesetzt. Dies führt unter Umstän-
Ventilführungen beträgt 1,8 mm (wird beeinflusst den zu erhöhtem Verschleiß beziehungsweise bei
durch das Fließverhalten des verwendeten Pulvers unzureichender Abstimmung zum Ventilschaft-
und durch presstechnische Restriktionen). Bei material zu Funktionsstörungen im Ventiltrieb
angedrehten Schaftabdichtungssitzen sollte die bis hin zum Motorversagen.
252 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Innendurchmesser Di
1
Außendurchmesser
Schaftsitz DaS
2
3 Länge L

4
5
6 Außendurchmesser Da

..Abb. 7.208 Ventilführungskonturen
7
Außendurchmesser Da ± 0,01 mm

8 Zylinderform 0,01
Oberfläche Ra = 1,6

9 Innendurchmesser Di
Oberfläche (vor Zylinderkopfbearbeitung)
± 0,1 mm
Ra = unbearbeitet
Oberfläche (nach Zylinderkopfbearbeitung) Ra = 2,0
10 Koaxialität zur Mantelfläche 0,15
Zylinderform 0,1
11 Höhe Maß ± 0,25 mm
Oberfläche Stirnflächen Ra = 6,3
12 Montagefacette Toleranz Radius ± 0,15 mm bis ± 0,3 mm
Toleranz Winkelschräge ± 1°
13
..Abb. 7.209  Toleranzbereiche bei Ventilführungskonstruktionen

14 100
90
7.15 Schmierölpumpen
15 80
7.15.1 Schmiersystem
L ä n g e i n mm

70
und Anforderungen
16 60
50
an die Ölpumpen
40
Um zwischen den relativ zueinander bewegten Trieb-
17 30 werksbauteilen von Verbrennungsmotoren Kräfte und
20
1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5
Momente verlust- und verschleißarm übertragen zu
18 Wandstärke in mm können, müssen die Gleitflächen mit Schmieröl (Mo-
toröl) benetzt sein. Die durch Ölbenetzung erzeugten
..Abb. 7.210  Wandstärke von zylindrischen PM- Schmierfilme, mit einer Dicke von zum Teil nur einigen
19 Ventilführungen in Abhängigkeit von der Länge [113] Hundertstelmillimetern oder weniger, lassen sich als
ein Maschinenelement ansehen, das in den Lagerstel-
20 len zwischen den Bauteilen wirkende Kräfte überträgt.
Zu den wichtigsten Lagerungen und Gleitpaarungen
im Verbrennungsmotor zählen neben den Kurbelwel-
7.15 • Schmierölpumpen
253 7

lengrund- und Pleuelzapfenlagen, die Zylinder- und


Kolben-/Kolbenringlaufpaarung, die Kolbenbolzen-
lagerung, die Nockenwellen- und Ventilstößel- bzw.
Kipp- oder Schlepphebellager sowie die verschiedenen
Lagerungen und Gleitpaarungen des Nockenwellenan-
triebs und der verschiedenen Nebentriebe. Die Funk-
tion des Schmiersystems von Verbrennungsmotoren
besteht darin, die zahlreichen Gleitpaarungen im Motor
unter allen Betriebsbedingungen sicher mit Motoröl zu
versorgen. Ein Teil der oben genannten Schmierstellen
wird von der Motorschmierölpumpe über Druckölver-
sorgungkanäle direkt, ein anderer indirekt über Spritzöl
mit Schmiermittel versorgt. Zudem wird das von der
Schmierölpumpe [114] geförderte Motorschmieröl
auch vielfach als hydraulisches Arbeitsmedium z. B.
zur Betätigung hydraulischer Nockenwellenversteller
verwendet. Mit Blick auf in der Vergangenheit ver-
folgte Ansätze, auf eine Ölschmierung der Triebwerke
zu verzichten („ölfreier Motor“) sei angemerkt, dass
das Schmieröl und das daran gekoppelte Schmiersys-
tem abgesehen von den angeführten, elementaren, die
Tribologie betreffenden Aufgaben auch weitere wich-
tige Funktionen erfüllen. Hierzu zählen die Feinabdich-
tung von auf- und ineinander gleitenden Teilen, Stoß-,
Schwingungs- und Geräuschreduzierung, Korrosions-
schutz, die Abfuhr von Reibungs- und Verbrennungs-
wärme sowie den Abtransport von Partikeln aller Art
(z. B. Schmutz und Abrieb) aus dem Triebwerk.
Bei konventionellen Schmiersystemen von
Viertaktmotoren (Druckumlaufschmiersysteme)
(. Abb. 7.211) wird das Öl an der tiefsten Stelle der
Ölwanne von der Schmierölpumpe über einen Saug-
korb angesaugt (Sumpfschmierung). Von dort wird es ..Abb. 7.211  Schmierölkreislauf eines Verbren-
über einen Ölfilter und vielfach über einen zwischen- nungsmotors (schematische Darstellung). 1 Saugkorb,
geschalteten Ölkühler zu den Lagerstellen, sowie zu 2 Ölpumpe, 3 Ölfilter mit Bypassventil, 4 Hauptölgale-
weiteren Verbrauchern wie Kolbenspritzdüsen und hy- rie, 5 Ölversorgung der Hauptlager, 6 Kolbenkühlung
über Ölspritzdüsen, 7 Steigleitung zum Zylinderkopf,
draulischen Nockenwellenverstellern gefördert, von wo
8 Rückschlagventil, 9 Ölversorgung der Ventiltriebs,
es drucklos unter der Wirkung der Schwerkraft zurück
10 Rücklaufkanal, 11 Nockenwellenversteller, 12 Öl-
in die Ölwanne fließt. Bei Motoren mit begrenzten Ein- kühler
bauräumen und/oder stark wechselnder Wirkrichtung
von Trägheitskräften, wie Geländefahrzeug-, Sportwa- der Tendenz weitere Funktionsumfänge vereint. Hierzu
gen- und Flugmotoren werden häufig Trockensumpf- zählen Drehschiebervakuumpumpen, Massenkraftaus-
schmierungen verwirklicht. Dabei pumpen eine oder gleichswellen, Kühlmittelpumpen und der Pumpenno-
mehrere Absaugpumpen das von den Lagerstellen cken zur Betätigung der Kraftstoffhochdruckpumpe.
abströmende Öl in einen separaten Sammelbehälter Die so verwirklichten Kombimodule bzw. Duo- oder
(Catchtank), von wo es nach Entschäumung und Küh- Tandempumpen, die in der Mehrzahl platzsparend in
lung über eine Druckpumpe und einen Filter wieder zu der Ölwanne angeordnet werden, bieten den Fahrzeug-
den Lagerstellen gefördert wird. Bei modernen Tro- herstellern Kostenvorteile und erleichtern zudem die
ckensumpfschmiersystemen sind die Absaugpumpen Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zum Fußgän-
und die Druckpumpe üblicherweise in ein gemeinsa- gerschutz bei Pkw.
mes Ölpumpenmodul integriert. Motorschmierölpumpen müssen über der Lebens-
Sowohl bei Sumpf- als auch Trockensumpf- dauer des Motors in sämtlichen Betriebsbereichen die
schmiersystemen sind in der Ölpumpe mit zunehmen- verschiedenen Schmierstellen des Triebwerks und
254 Kapitel 7 • Motorkomponenten

weitere Ölverbraucher des Motors zuverlässig mit verschärfte Kraftstoffverbrauchsvorschriften auf den
1 Schmieröl versorgen. Die Anforderungen hinsichtlich wichtigen Märkten. In Europa wurde beispielsweise
Fördercharakteristik, Druckniveau und Wirkungs- im Jahr 2009 die Verordnung (EG) Nr. 443/2009 [115]
2 graden bedingen, dass bei Pkw- und Nkw-Motoren
praktisch ausnahmslos, mechanisch direkt oder in-
verabschiedet, die das Ziel festsetzt, bis zum Jahr 2020
die mittlere CO2-Emission von Pkw und leichten Nutz-
direkt mit starrer Übersetzung von der Kurbelwelle fahrzeugen (Flottenverbräuche) – bezogen auf den
3 des Motors angetriebene Verdrängerpumpen einge- Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) (80/1268/
setzt werden. Der von Verdrängerpumpen geförderte EWG) – auf 95 g/km zu reduzieren. Eine Überschrei-
Volumenstrom ist annähernd proportional zur An- tung dieser Zielwerte hat Strafzahlungen der Fahrzeug-
4 triebsdrehzahl. Maßgebend für die Dimensionierung hersteller an die EU zur Folge. Wichtige Randbedin-
einer Schmierölpumpe ist der Ölbedarf des Motors gungen hierbei bilden auch aktuelle gesetzgeberische
5 im Heißleerlauf, d. h. bei niedrigster Betriebsdrehzahl Bestrebungen, die Abgasschadstoffemissionen und
und niedrigster Viskosität des Schmieröls. Bei aktuel- Kraftstoffverbräuche von Pkw stärker an den realen
len Entwicklungen werden von den Motorenherstel- Fahrprofilen zu orientieren (Real-Driving Emissions
6 lern zunehmend Ölviskositätsklassen von 0W20 oder – RDE). Vor diesem Hintergrund sind auch die we-
darunter vorgeschrieben, woraus erheblich verschärfte sentlichen Potenziale zur Reduzierung der Kraftstoff-
7 Anforderungen an die Auslegung der Lager und Lauf-
spiele der Pumpenbauteile über den gesamten Betrieb-
verbräuche durch die Optimierung und den bedarfs-
gerechten Betrieb der verschiedenen Nebenaggregate
stemperaturbereich der Pumpe resultieren. [116] – wie der Motorschmierölpumpe – konsequent
8 Grundsätzlich ist, sowohl bei Otto- als auch bei umzusetzen. Die aus den gesetzlichen Randbedingun-
Dieselmotoren in der Tendenz eine lineare Abhängig- gen resultierenden Vorgaben der Fahrzeughersteller
keit des Ölbedarfs von der Nennleistung des Motors an die Zulieferer erklären die Tatsache, dass auf dem
9 erkennbar. Für eine erste Auslegung kann im Sinne ei- Sektor der Motorschmierölpumpen für Pkw bei Neu-
nes Richtwertes sowohl bei Otto- als auch bei Diesel- projekten insbesondere auf dem europäischen Markt
10 motoren von einem auf eine Motordrehzahl von 1000/
min normierten erforderlichen Fördervolumenstrom
heute praktisch ausnahmslos im Förderstrom regelbare
Ölpumpen (Regelölpumpen) zum Einsatz kommen.
der Schmierölpumpe in Höhe von 0,08 bis 0,1 l/min Motorschmierölpumpen müssen üblicherweise in
11 pro Kilowatt Nennleistung des Motors ausgegangen einem Öltemperaturbereich von −40 bis +150 °C die
werden. In der Praxis lassen sich im Einzelfall aller- Schmierstellen und sonstigen Verbraucher zuverlässig
dings erhebliche Abweichungen von dieser Spanne mit Schmieröl versorgen. Um eine hohe innere Dicht-
12 beobachten. Insbesondere beim Einsatz von Zylinder- heit der Förderelemente auch beim Einsatz niedrig-
kurbelgehäusen aus Leichtmetall (Aluminium- bzw. viskoser Motoröle zu erreichen, sind enge Dichtspalte
13 Magnesiumlegierungen) bewirken die gegenüber erforderlich. Die unterschiedlichen Wärmeausdeh-
Grauguss wesentlich höheren thermischen Ausdeh- nungskoeffizienten von Pumpengehäuse – bisher über-
nungskoeffizienten bei heißem Motor i. Allg. eine er- wiegend aus Aluminiumlegierungen – und Laufzeug
14 hebliche Erhöhung der Ölleckageströme, z. B. an den – i. d. R. aus Stahl gefertigt – müssen bei der Auslegung
Kurbelwellengrundlagern. Weitere Gründe für größer berücksichtigt werden. Bei sehr hohen Anforderungen
15 dimensionierte Ölpumpen können zusätzliche Ölver-
braucher (variable Ventiltriebe, Kolbenkühlung …),
an die innere Dichtheit einer Schmierölpumpe, bei-
spielweise beim Einsatz von Motorschmierölen nied-
die Verwendung von Motorölen mit sehr niedriger riger Viskositätsklassen (0W20) – (0W10), kommen
16 Viskosität (Leichtlauföle), oder aus Motorfamilien- daher für wichtige Funktionskomponenten der Pumpe
konzepten resultierende Zwänge sein. Davon abgese- mit steigender Tendenz Bauteile mit ähnlichen oder
hen müssen bei der Auslegung und Dimensionierung identischen Wärmeausdehnungskoeffizienten zum
17 der Ölpumpe auch die Zunahme des Ölverbrauchs im Einsatz.
Triebwerk über der Lebensdauer aufgrund des unver- Abhängig von den Betriebszuständen, Lastkollek-
18 meidlichen Verschleißes an Lagern und Dichtspalten tiven und dem Konzept der Kurbelgehäuseentlüftung
und schließlich auch die in der Tendenz sinkenden von Otto- und Dieselmotoren variiert der Eintrag
volumetrischen Wirkungsgrade der Schmierölpumpe von Wasser und Kraftstoffkomponenten sowie Ruß
19 als Folge normaler Verschleißerscheinungen berück- in das Motoröl. Zusammen mit häufig undefinierten
sichtigt werden. Öladditivierungen und weltweit unterschiedlichen
20 Der weltweit zunehmende Straßenverkehr und
sein Anteil an den als klimaschädlich eingestuften
Kraftstoffqualitäten stellt er wesentliche Anforderun-
gen an die Medienbeständigkeit und Materialaus-
CO2-Emissionen bilden den Hintergrund für stetig wahl der Pumpenbauteile. Dies gilt insbesondere für
7.15 • Schmierölpumpen
255 7

..Abb. 7.212  Schnittdarstellung einer Schmieröl-


pumpe (Außenzahnradpumpe) für einen schnelllau-
fenden Viertaktmotor aus den 1920er-Jahren [118] ..Abb. 7.213  Außenzahnradpumpe (schematische
Darstellung). 1 Saugbereich, 2 Druckbereich, 3 antrei-
bendes Rad, 4 angetriebenes Rad
Steuerkolben sowie für Komponenten mit statischer
und dynamischer Dichtfunktion. Die strengen Anfor- konstruktiv in die beengten Bauräume moderner Ver-
derungen an die Maßgenauigkeit und Formstabilität brennungsmotoren einbinden.
von Funktionsbauteilen in Schmierölpumpen setzt Bereits in der Frühphase der Verbrennungsmoto-
dem, bei weniger funktionskritischen Motorkompo- renentwicklung wurden überwiegend mechanisch an-
nenten beobachtbaren Trend zum vermehrten Einsatz getriebene Verdrängerpumpen für die Schmierölver-
von Kunststoffwerkstoffen, enge Grenzen. Trotzdem sorgung der Triebwerke eingesetzt. Neben den heute
erweist sich der Einsatz hochwertiger Kunststoffe im noch gebräuchlichen Außenzahnradpumpen kamen in
Einzelfall auch bei Motorschmierölpumpen – bei- Abhängigkeit von den geforderten Förderdrücken und
spielsweise unter tribologischen Gesichtspunkten – als Ansaugbedingungen auch Kapselpumpen und Kolben-
vorteilhaft. Wie für alle Nebenaggregate eines Fahr- pumpen zum Einsatz ([117, 118]). . Abb. 7.212 zeigt
zeugs wird in den Lastenheften der Automobilherstel- die Schnittdarstellung einer Schmierölpumpe (Au-
ler auch für die Motorschmierölpumpe gefordert, dass ßenzahnradpumpe) für einen schnelllaufenden Vier-
diese unter sämtlichen Betriebsbedingungen weder taktmotor aus den 1920er-Jahren. Neben den bereits
außerhalb des Fahrzeugs, noch im Fahrgastraum aus genannten Außenzahnradpumpen finden in aktuellen
dem Grundgeräuschpegel des Motors heraushörbar Fahrzeugmotoren auch Innenzahnradpumpen (Zahn-
sein darf. Dies erfordert eine sorgfältige Auslegung ringpumpen) und mit – in der Tendenz steigenden An-
der Pumpe und des zugehörigen Antriebs und unter teilen – im Förderstrom regelbare Flügelzellenpumpen
ungünstigen Bedingungen auch Zusatzmaßnahmen Verwendung. Die in ihrem Funktionsprinzip den Flü-
zur Optimierung der Akustik. gelzellenpumpen ähnlichen Pendelschieberpumpen
haben demgegenüber nur eine begrenzte Verbreitung
erlangt.
7.15.2 Bauarten von
Schmierölpumpen 7.15.2.1 Außenzahnradpumpen
Der prinzipielle Aufbau einer Außenzahnradpumpe
Als Schmierölpumpen für Fahrzeugmotoren kommen (AZP) besteht aus zwei – u. U. auch mehreren – im
praktisch ausnahmslos Verdrängerpumpen unter- Wälzeingriff stehenden Stirnrädern, die mit einem
schiedlicher Bauart zum Einsatz. Die Gründe hierfür engen Laufspiel am Außendurchmesser zu den in-
liegen insbesondere in den relativ hohen Gesamtwir- neren Gehäusewandungen in einem mit Saug- und
kungsgraden, bei Förderdrücken im regulären Betrieb Druckstutzen versehenen Gehäuse gelagert sind
von bis zu 6 bar, in einer begrenzten Abhängigkeit der (. Abb.  7.213). Dieses Prinzip wurde im Jahr  1597
Fördervolumenströme vom Gegendruck (Systemkenn- von Mathematiker und Astronom Johannes Kepler
linie) und in vergleichsweise niedrigen Herstellkosten. erfunden [119]. Beim Antrieb eines der im Eingriff
Zudem lassen sich die heute üblichen Bauarten relativ stehenden Zahnräder wird das Fördermedium über die
gut im Förderstrom dem jeweiligen Bedarf anpassen von den Zahnflanken der beiden Stirnräder und den
und in der Summe betrachtet, verhältnismäßig gut Gehäusewandungen umschlossenen Volumina von der
256 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
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6
..Abb. 7.214  Verstellbare Außenzahnradpumpe ..Abb. 7.215  Verstellbare Außenzahnradpumpe RAP
7 RAP in Vollförderstellung (schematische Darstellung).
1 Zuströmung, 2 Abströmung, 3 antreibendes Rad,
in Teilförderstellung
4 angetriebenes Rad, 5 Verstellkolben, 6 Druckfeder
8 drehzahlen sind hohe Strömungsgeschwindigkeiten
Saug- zur Druckseite der Pumpe gefördert. Im Bereich im Radsatz, die abgesehen von der Kavitationsproble-
des Wälzeingriffs, d. h. dort, wo sich die beiden Zahn- matik auch Schäden an den Zahnflanken durch hohe
9 räder berühren, ergibt sich durch das Kämmen der Gleitgeschwindigkeiten an den aufeinander abwälzen-
Zähne eine Abdichtung, so dass das im Außenbereich den Zahnflanken verursachen können. Dies muss bei
10 geförderte Medium von der Druckseite nicht bzw. nur
im geringerem Umfang wieder zurück zur Saugseite
der Materialauswahl und der Oberflächenbehandlung
der Stirnräder berücksichtigt werden. Daneben ver-
gefördert wird. Die durch die Förderarbeit bedingte schärft sich bei hohen Drehzahlen – insbesondere bei
11 Drehmomentübertragung zwischen dem antreiben- axial lang bauenden Pumpen – auch der Effekt hoher
den und dem angetriebenen Stirnrad hat ein Anliegen Quetschdrücke in den Zahnfußbereichen der käm-
der Zahnflanken zur Folge, wodurch die Abdichtung menden Stirnräder. Auftretenden Problemen kann
12 unterstützt wird. Die nicht im Wälzeingriff stehenden hier durch eine zweckmäßige Gestaltung der stirnsei-
Zähne bilden zusammen mit dem umgebenden Ge- tigen Gehäusegeometrien im Bereich des Wälzeingriffs
13 häuse einen Dichtbereich. Zu jedem Zeitpunkt formen (Entlastungsnuten) entgegengewirkt werden. Mit zu-
mehrere Zahnköpfe zusammen mit der Gehäusewan- nehmender axialer Erstreckung der Stirnräder stoßen
dung in Reihe geschaltete Dichtspalte. Weil zudem die derartige Maßnahmen allerdings an Grenzen, weil es
14 Schleppströmung im fördernden Verzahnungsbereich sich bei der Problematik der Quetschdrücke um ein
dem Leckagestrom entgegengerichtet ist, lassen sich komplexes dreidimensionales Strömungsphänomen
15 verhältnismäßig hohe volumetrische Wirkungsgrade
erzielen. Aus diesem Grund sind Außenzahnradpum-
im Zahngrund der rotierenden Stirnräder handelt.
Die Stirnräder von Außenzahnradpumpen werden aus
pen bei entsprechender Gestaltung auch ohne Spalt- Kostengründen mit einer Geradverzahnung versehen
16 kompensation im Grundsatz für Drücke bis 40 bar und in der Regel aus Sinterstahl gefertigt. Sowohl das
geeignet. Insbesondere wegen der radialen Befüllung angetriebene als auch das antreibende Stirnrad wer-
des saugseitigen Verzahnungsbereichs sind nicht nur den zur Lagerung üblicherweise auf einen gehärteten
17 axial kurz bauende Außenzahnradpumpen für hohe Stahlstift bzw. auf die gehärtete Antriebswelle gepresst,
Drehzahlen und große Förderströme tauglich. Bezo- die bei Pkw-Schmierölpumpen vielfach ohne separate
18 gen auf die Nenndrehzahlen aktueller Pkw-Motoren Gleitlagerbuchsen direkt in dem aus einer Aluminium-
von maximal 8000/min lässt sich ein kavitationsfreier Silizium-Druckgusslegierung hergestellten Pumpen-
Betrieb ggf. auch durch Zusatzmaßnahmen problemlos gehäuse gelagert sind. Trotz möglicher Alternativen
19 realisieren. Allerdings erweisen sich sehr hohe Dreh- wie Zykloidenverzahnungen haben sich bisher bei
zahlen von Schmierölpumpen wegen der quadrati- Außenzahnradpumpen Evolventenverzahnungen
20 schen Abhängigkeit der Reibleistung von der Drehzahl
unter energetischen Gesichtspunkten grundsätzlich als
durchgesetzt. Diese Verzahnungen besitzen i. Allg.
gegenüber Verzahnungen zur Leistungsübertragung
nachteilig. Ein weiterer Aspekt sehr hoher Betriebs- vergleichsweise große Zahnmodule. Es sei angemerkt,
7.15 • Schmierölpumpen
257 7

dass unter den Gesichtspunkten einer gleichmäßige-


ren Volumenänderung beim Ansaugvorgang und ei-
nes kontinuierlicheren Zahneingriffs der Einsatz von
schrägverzahnten Stirnrädern mit Schrägungswinkeln
unter 10° (Begrenzung der Axialkräfte) vorteilhaft
wäre. Wegen des hohen Kostendrucks in der Auto-
mobilindustrie haben derartige Lösungen allerdings
bisher keinen Eingang in die Großserie gefunden.
Um bei einer vorgegebenen Drehzahl den För-
dervolumenstrom der Außenzahnradpumpe zu ver-
ringern, wird i. Allg. das vom antreibenden Zahnrad
angetriebene Stirnrad im Betrieb axial zum antreiben-
den Rad verschoben. Bei derartigen geregelten Au-
ßenzahnradpumpen (RAP) kann so erreicht werden, ..Abb. 7.216  Innenzahnradpumpe (schematische
dass nur ein Teil der Zahnradbreite an der Förderung Darstellung). 1 Saugbereich, 2 Druckbereich, 3 Saug-
des Öls beteiligt wird (. Abb. 7.214 und 7.215). Die niere, 4 Druckniere, 5 Innenrotor, 6 Außenrotor
Verschiebung des angetriebenen, zwischen zwei Kol-
benelementen drehbar gelagerten Zahnrads erfolgt
hydraulisch. Eine zweckmäßige Formgebung dieser Innen- und Außenrotor und auf der gegenüberliegen-
Kolbenelemente stellt sicher, dass in sämtlichen För- den Seite eine Berührung der Zahnköpfe mit linienför-
derpositionen ein direkter Kurzschluss zwischen der migen, axial verlaufenden Dichtstrecken. Der Antrieb
Druck- und der Saugseite der Pumpe verhindert wird. erfolgt in der überwiegenden Zahl der Anwendungen
Diese axial verschiebbare Einheit, bestehend aus Stirn- über den Innenrotor. Die sich berührenden Zahnköpfe
rad, Achse und den Kolbenelementen wird als Regel- von Innen- und Außenrotor bilden zusammen mit
einheit oder Verstelleinheit bezeichnet. Eine an der dem Pumpengehäuse, welches den Radsatz mit engen
Stirnseite der Verstelleinheit angeordnete Druckfeder Laufspielen umschließt, Zahnkammern (Förderzel-
drückt diese in Richtung „Vollförderung“. Eine Verrin- len), die sich bei Drehung der Zahnräder zyklisch ver-
gerung der Förderleistung erfolgt durch die Wirkung größern und verkleinern. Im Saugbereich der Pumpe
des Öldrucks, der an dem der Feder gegenüberliegen- bewirken die sich in Umfangsrichtung erweiternden
den Steuerkolben anliegt. Durch Modulation dieses Förderzellen eine Druckabsenkung und damit ein An-
Drucks kann der Fördervolumenstrom der Pumpe bei saugen und umgekehrt im Druckbereich ein Ausschie-
einer jeweiligen Drehzahl in weiten Bereichen variiert ben des Öls aus den Zahnkammern. An den Stirnseiten
werden. der beiden Rotoren, in radialer Richtung betrachtet,
senkrecht zur Exzentrizität der Drehachsen sind sich
7.15.2.2 Innenzahnradpumpen in Umfangsrichtung erstreckende Ausnehmungen an-
Wie die zuvor beschriebene Außenzahnradpumpe geordnet, über die das Öl saugseitig in die Verzahnung
(AZP) lässt sich auch die Innenzahnradpumpe (IZP) und druckseitig aus der Verzahnung gefördert wird.
der Familie der Doppelläufer zuordnen. Der wesent- Die nierenförmigen Ausnehmung, die mit dem Saug-
liche Unterschied zur AZP besteht darin, dass bei der stutzen der Pumpe verbunden sind, werden als Saug-
IZP ein innenverzahntes Zahnrad (Außenrotor) und nieren, die entsprechenden druckseitigen Ausnehmun-
ein von diesem exzentrisch umschlossenes, mit einer gen als Drucknieren bezeichnet. In Umfangsrichtung
Außenverzahnung versehenes Stirnrad eine gleichsin- zwischen den Nieren angeordnete Trennstege trennen
nige Drehbewegung mit einander ausführen. Wegen die Saugseite von der Druckseite und verhindern, eine
des verhältnismäßig niedrigen Druckniveaus von Rückströmung vom Druck- zum Saugbereich. Abwei-
Motorschmierölpumpen werden diese praktisch aus- chend von den Verhältnissen bei der AZP ist bei der
nahmslos als sichellose Pumpen (Zahnringpumpen) IZP eine radiale Befüllung und Entleerung der durch
ausgelegt. Bei diesen Pumpen ist die Zähnezahl des die Zähne gebildeten Förderräume nicht möglich, da
Außenrotors in der Regel um eins höher als die des der Außenrotor den Innenrotor vollständig umgibt.
Innenrotors. Die Drehachsen von Innen- und Außen- Die hierdurch erforderliche axiale Zuströmung des Öls
rotor sind stets um eine halbe Zahnhöhe beabstandet. in die Verzahnung bedingt, dass zur Vermeidung von
. Abb. 7.216 illustriert die Funktionsweise der Innen- Kavitationsschäden an den Zahnrädern, die axialen
zahnradpumpe. Durch den Achsversatz ergibt sich ein Baulängen der Radsätze und/oder die maximalen Be-
in Umfangsrichtung dichtender Zahneingriff zwischen triebsdrehzahlen der Pumpe begrenzt werden müssen.
258 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
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..Abb. 7.217  a Gerotor-Verzahnung, b Duocentric®-Verzahnung, c DuocentricIC®-Verzahnung
6
Bei axial kurz bauenden, direkt von der Kurbelwelle Regelölpumpen (IRP) die Verstellung des Förder-
7 angetriebenen IZP (Kurbelwellenpumpen) finden
sich typische Zähnezahlen von 8/9 bis 13/14. In der
volumenstroms über ein Schwenken des Radsatzes
gegenüber dem Gehäuse. Auf diese Weise wird die
Ölwanne angeordnete IZP (Sumpfpumpen) werden in Exzentrizität zwischen Innen- und Außenrotor rela-
8 der Regel zur Reduzierung der Reibleistung mit axial tiv zum Pumpengehäuse verdreht, so dass die Um-
erheblich länger bauenden Radsätzen und vergleichs- fangsposition der Saug- und Drucknieren sowie der
weise kleinen Durchmessern versehen. Übliche Zäh- Trennstege zwischen den Druckbereichen relativ zur
9 nezahlen liegen hier zwischen 4/5 und 7/8. Exzentrizität von Innen- und Außenrotor geändert
Bei Zahnringpumpen kommen häufig aus Kreis- wird. Um dies praktisch zu verwirklichen, wird der
10 bögen am Außenrotor konstruierte Verzahnungen
zum Einsatz. Dieser als generated rotor (kurz: Gero-
Außenrotor des Radsatzes in einem Exzenterring (Re-
gelring) gelagert, der mit seiner Verzahnung in eine
tor) bezeichnete Verzahnungstyp (. Abb. 7.217a) ba- entsprechend gestaltete Verzahnung des Pumpenge-
11 siert auf Arbeiten von Myron F. Hill in den 1920er und häuses eingreift. Bei der Verstellung des Förderstroms
1930er-Jahren (US Pat. 1682565 und US Pat. 2091317). der Pumpe wird der Regelring mit einem Kraftan-
Ein weiterer Verzahnungstyp, der in den vergangenen griffspunkt, der vom Zahneingriffspunkt zwischen
12 Jahren insbesondere in Europa eine wesentliche Ver- Exzenterring und Gehäuse beabstandet ist, relativ
breitung gefunden hat, wird aus nicht zusammenhän- zum Gehäuse gedreht. Üblicherweise wird durch eine
13 genden Kreisbögen gebildet. Dieser als Duocentric® am Kraftangriffspunkt angeordnete Druckfeder der
bezeichnete Verzahnungstyp (. Abb.  7.217b) bietet Regelring in Richtung „Vollförderung“ gedrückt. Eine
größere konstruktive Freiräume bei der Gestaltung von Reduzierung der Fördermenge erfolgt in der Regel
14 Trieb- und Abdichtflanke und ermöglicht so gegenüber durch den auf den Regelring wirkenden Öldruck, der
Gerotor-Verzahnungen höhere Zähne. Hierdurch wird der Federkraft entgegenwirkt. Durch das Abwälzen
15 eine um bis zu 8 % bessere Ausnutzung vorhandener
Bauräume erreicht. Neben den genannten Verzah-
der Exzenterringverzahnung auf der Verzahnung des
Gehäuses wird bereits mit einer kleinen Verdrehung
nungstypen erweist sich für Motorschmierölpumpen des Exzenterrings ein großer Schwenkwinkel der Ex-
16 ein neuerer aus Hypo- und Epizykloiden konstruierter zentrizität zwischen Innen- und Außenrotor und auf
Verzahnungstyp als vorteilhaft, der als DuocentricIC® diese Weise eine große Änderung des Förderstroms
bezeichnet wird (. Abb. 7.217c). Bei diesem Verzah- bewirkt. Kurze Schwenk- bzw. Verstellwege des Re-
17 nungstyp lassen sich durch eine zweckmäßige Gestal- gelrings sind eine wesentliche Voraussetzung für hohe
tung der beiden Zykloiden und eine entsprechende Verstellgeschwindigkeiten. Dies ist insbesondere beim
18 Profilverschiebung eine hohe Laufruhe und ein vor- Kaltstart des Verbrennungsmotors gefordert, um eine
teilhaftes Pulsationsverhalten erreichen. Schädigung von Ölleitungen, Ölfilter und/oder Öl-
Anders als bei den Außenzahnradpumpen wird kühler zu verhindern.
19 bei volumenstromgeregelten Zahnringpumpen eine
Verstellung des Förderstroms nicht durch eine axiale 7.15.2.3 Flügelzellenpumpen

20 Verschiebung der Zahnräder zueinander verwirklicht.


Wie in . Abb. 7.218 und 7.219 dargestellt und in Pat.
Das Prinzip der Flügelzellenpumpe (FZP) wird auf
den Ingenieur Augustino Ramelli in der Zeit um 1590
EP  0846861 offenbart, erfolgt bei innenverzahnten zurückgeführt [120]. Flügelzellenpumpen, die in der
7.15 • Schmierölpumpen
259 7

..Abb. 7.220  Flügelzellenpumpe FZP in Vollförder-


stellung (schematische Darstellung). 1 Saugbereich,
..Abb. 7.218  Verstellbare Innenzahnradpumpe IRP in 2 Druckbereich, 3 Saugniere, 4 Druckniere, 5 Rotor,
Vollförderstellung (schematische Darstellung). 1 Saug- 6 Flügel, 7 Stellscheibe, 8 Regelring
bereich, 2 Druckbereich, 3 Saugniere, 4 Druckniere,
5 Innenrotor, 6 Außenrotor, 7 Regelring

..Abb. 7.221  Flügelzellenpumpe FZP in Teilförder-


stellung (schematische Darstellung)

zusammen mit der zylindrischen Außenfläche des Ro-


..Abb. 7.219  Verstellbare Innenzahnradpumpe IRP in
tors und der zylindrischen Innenfläche des Stellrings –
Teil­förderstellung (schematische Darstellung)
begrenzt durch die Gehäuseseitenflächen – Förderzel-
len. Ähnlich wie bei einer Zahnringpumpe bewirkt die
Literatur auch als Treibschieber- oder Kapselpumpen Drehung des Rotors eine zyklische Vergrößerung und
bezeichnet werden, haben in den vergangenen Jahren Verkleinerung dieser umlaufenden Zellen. Die Förder-
als im Förderstrom regelbare Motorschmierölpum- zellen fördern mit großer Gleichförmigkeit das Mo-
pen eine wesentliche Verbreitung gefunden. Bei die- toröl von der Saugseite zur Druckseite der Pumpe. Die
sen Pumpen (. Abb. 7.220 und 7.221) dreht sich ein Zu- und Abströmung des Öls zu bzw. aus den Förder-
mit radial gerichteten Schlitzen versehener Rotor in kammern erfolgt im Allgemeinen in axialer Richtung
einem Laufring mit exzentrischer Lage und zylindri- über entsprechend gestaltete Kanalgeometrien des
scher Innenbohrung. In den Schlitzen des Rotors sind Pumpengehäuses. Bei FZP großer axialer Länge wird
radial bewegliche Verdrängerflügel (Treibschieber) der Regelring jedoch vielfach an den Stirnseiten mit
angeordnet, die über Fliehkraft, Druckunterstützung Ausnehmungen versehen, die eine kavitationsfreie Zu-
und/oder an den Stirnseiten des Rotors angeordnete strömung und eine druckverlustarme Abströmung des
Stellscheiben gegen die zylindrische Innenfläche des Öls aus den Förderkammern sicherstellen. FZP werden
Stellrings gedrückt werden. Jeweils zwei Flügel bilden als Motorschmierölpumpen praktisch ausnahmslos als
260 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Drehung des Innenrotors im Ansaugbereich zu einer


1 stetigen Vergrößerung und im Ausschiebebereich zu
einer entsprechenden Verkleinerung der durch Au-
2 ßen-, Innenrotor, Schieber und Gehäusewandungen
gebildeten Förderzellen. Abweichend von den Ver-
hältnissen bei der FZP gleiten die Schieber nicht mit
3 ihren Stirnflächen auf dem Innendurchmesser des
Regelrings, sondern treiben abwechselnd, je nach au-
genblicklicher Lage zur Exzentrizität, den Außenrotor
4 an. Zwischen Schiebern und Innenrotor ist dabei einer
abwälzenden Bewegung eine translatorische Relativbe-
5 wegung mit Linienberührung im Rotorschlitz über-
lagert. Zur Beeinflussung des Förderstroms wird der
Außenrotor mit seinem Außendurchmesser in einem
6 ..Abb. 7.222  Pendelschieberpumpe PSP in Voll- Regelring gelagert, mit dem, wie bei der FZP, durch
förderstellung (schematische Darstellung). 1 Saug- eine translatorische Verschiebe- oder eine Schwenkbe-
7 bereich, 2 Druckbereich, 3 Saugniere, 4 Druckniere,
5 Rotor, 6 Pendel, 7 Außenrotor, 8 Regelring
wegung die Exzentrizität des Außenrotors relativ zum
Innenrotor variiert wird. Insbesondere wegen relativ
niedriger Gleitgeschwindigkeiten zwischen Schiebern
8 im Volumenstrom regelbare Pumpen verwirklicht. Ro- und Außenrotor gilt die PSP bez. der Verschleißnei-
tor- und Regelring von Flügelzellenpumpen werden in gung als eher unkritisch. Die verhältnismäßig großen
der Regel aus sinterharten Sinterstählen hergestellt. Bei Reibdurchmesser am Außenrotor mindern allerdings
9 sehr hohen Anforderungen an Lebensdauer und Ver- das Niveau der Gesamtwirkungsgrade. Hierbei muss
schleißfestigkeit der Pumpe werden die Stellringe einer auch berücksichtigt werden, dass abweichend von den
10 Oberflächenbehandlung, beispielsweise Plasmanitrie-
rung, unterzogen. Die Flügel der FZP werden vielfach
Verhältnissen bei der FZP wegen der zylindrischen
Außengeometrie des Außenrotors nur eine rein axiale
aus Chromstahl hergestellt. Zuströmung des Öls in die Förderzellen möglich ist.
11 Als Vorteile von Flügelzellenpumpen sind eine Daher müssen zur Gewährleistung eines kavitations-
kompakte Bauart und ein vergleichsweise geringer freien Betriebs bei hohen Drehzahlen die axialen Bau-
Bauaufwand zur Verwirklichung einer Volumenstrom- längen zu Lasten großer Rotordurchmesser begrenzt
12 regelung zu werten. Zur Reduzierung des Förderstroms werden. Aus diesem Grund und wegen der vergleichs-
wird ausgehend von der Vollförderung durch Schwen- weise aufwendigen und damit teuren Bauart hat sich
13 ken des in einem Drehpunkt im Gehäuse gelagerten dieses Pumpenprinzip auf dem Markt nicht durchset-
Stellrings, oder alternativ hierzu durch eine translato- zen können.
rische Verschiebung, die Exzentrizität zwischen Rotor
14 und Stellring reduziert. Hierdurch wird ein Teil des in 7.15.2.5 Bewertung verschiedener
den Förderkammern geförderten Öls nicht mehr in Pumpenkonzepte
15 den Druckraum ausgeschoben, sondern weiter d. h.
zurück in den Saugraum gefördert. Ähnlich wie bei der
Für die Beurteilung der Eignung eines Pumpenkon-
zepts bezogen auf den spezifischen Einsatz als Mo-
zuvor beschriebenen IRP wird auch hier der Regelring torschmierölpumpe sind eine Reihe verschiedener
16 mittels Öldruck gegen die Kraft der in Richtung Voll- Kriterien maßgebend. Hierzu zählen insbesondere
förderung wirkenden Regelfeder verstellt. der Bauaufwand und die damit verbundenen Her-
stellkosten, der Bauraumbedarf, die Drehzahlgrenze,
17 7.15.2.4 Pendelschieberpumpen die Robustheit, die Volumenstromregelbarkeit und die
Nach einem den Flügelzellenpumpen ähnlichen Wirkungsgrade. In . Abb. 7.223 ist eine diesbezügli-
18 Prinzip arbeitet die Pendelschieberpumpe (PSP) che Bewertung der verschiedenen Pumpenkonzepte
(. Abb. 7.222). Bei diesem von Albert Sylvain Trous- dargestellt.
saint Vrolix im Jahr  1943 zum Patent (FR  980766)
19 angemeldeten Konzept sind eine Zahl von pendelför- Bauaufwand/Herstellkosten
migen Schiebern im Außenrotor schwenkbar gelagert, Die jeweilige Bauart einer Motorschmierölpumpe be-
20 die jeweils mit ihrem anderen Ende in radial gerichtete
Schlitze des exzentrisch zum Außenrotor gelagerten
einflusst unmittelbar die Höhe der Herstellkosten. Al-
lein wegen der erheblich größeren Zahl der Einzelteile
Innenrotors ragen. Wie bei der FZP kommt es bei liegen die Kosten für im Volumenstrom regelbaren
7.15 • Schmierölpumpen
261 7

..Abb. 7.223  Bewertung verschiedener Ölpumpenkonzepte. ++ sehr gut, + gut, 0 befriedigend, − schlecht,


/ nicht zutreffend

Schmierölpumpen (Regelölpumpen) über den Kosten gende Verbreitung gefunden. Unter Kostengesichts-
vergleichbarer Konstantölpumpen. Je nach Aufwand punkten bietet die FZP leichte Vorteile gegenüber der
für das gewählte Regelungskonzept liegen die Mehr- RAP. Die Nachteile der RAP liegen auch hier in einer
kosten, im Sinne eines Richtwerts, bei dem 1,5- bis etwas aufwendigeren Gehäusebauart und -bearbeitung
2-fachen. Allerdings lässt sich über einfache Abschät- und der gegenüber dem FZP-Laufzeug teureren Re-
zungen belegen, dass bereits bei einer Verringerung geleinheit sowie der zweiten Welle mit Lagerung. Die
des Kraftstoffverbrauchs um 1 % durch den Übergang geregelte Innenzahnradpumpe (IRP) und die Pendel-
von einer Konstantölpumpe auf eine Regelölpumpe schieberpumpe (PSP) weisen verglichen mit der FZP
sich – abgesehen von reduzierten CO2-Emissionen des Kostennachteile auf. Bei der IRP liegen die Gründe in
Antriebs – die hierdurch bedingten Mehrkosten schon der aufwendigen Gehäusebearbeitung und dem ver-
nach kurzer Betriebsdauer eines Fahrzeugs amorti- hältnismäßig teuren Regelring. Aus diesem Grund
sieren. Über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs und wegen Nachteilen bei der regelungstechnischen
betrachtet, liegt die Summe der eingesparten Kraft- Abstimmbarkeit ist der Marktanteil der IRP begrenzt
stoffkosten um ein Vielfaches über der Kostendifferenz geblieben. Bei der PSP ergeben sich im Vergleich zur
zwischen Regel- und Konstantölpumpe. FZP wesentliche Kostennachteile vor allem durch die
Bezogen auf Konstantölpumpen liegt der Bauauf- vergleichsweise teuren Pendel und den zusätzlich zum
wand der Außenzahnradpumpen (AZP) in der Ten- Regelring erforderlichen Außenrotor.
denz über denen vergleichbarer Innenzahnradpumpen
(IZP). Dies ist insbesondere durch die zwei Wellen und Bauraumbedarf
die aufwendigere Gehäusebearbeitung bei der AZP be- In den kompakten Bauräumen moderner Verbren-
dingt. Bei den Regelölpumpen haben je nach Einsatz- nungsmotoren stellt die konstruktive Einbindung,
fall und Einbauraum Flügelzellenpumpen (FZP) und insbesondere von Regelölpumpen und Ölpumpen-
regelbare Außenzahnradpumpen (RAP) eine überwie- modulen mit zusätzlichen Funktionsumfängen wie
262 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Vakuumpumpen, Kühlmittelpumpen oder Massen- Gestaltung. Hierzu zählen beispielsweise bei Flügel-
1 kraftausgleichseinheiten vielfach eine wesentliche zellenpumpen die Begrenzung der Flügelauskragung,
Herausforderung dar. Im Sinne einer Grundtendenz die zweckmäßige Festlegung der Flügellaufspiele, sowie
2 erweisen sich für Regelölpumpen bei axialen Bau-
raumbeschränkungen insbesondere Zahnring- und
die beanspruchungsgerechte Auslegung der Regelring-
drehpunktlagerung im Pumpengehäuse. Bei geregelten
Flügelzellenpumpen als vorteilhaft. Diese Aussage gilt Außenzahnradpumpen liegen erfahrungsgemäß we-
3 speziell für Kurbelwellenpumpen mit vielfach axial sentliche Entwicklungsschwerpunkte in der Auslegung
extrem begrenzten Bauräumen. Bei sehr flachen, axial der Lagerung der Zahnräder und der Vermeidung von
langgezogenen Bauräumen lassen sich demgegenüber Schwingreibverschleiß zwischen der Verstelleinheit
4 i. Allg. Außenzahnradpumpen besser konstruktiv ein- und dem Pumpengehäuse. Bei sehr hohen Betriebs-
binden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es gelingt drehzahlen und/oder sehr hohen Laufzeitforderungen
5 den Antrieb und die Zahnräder geschickt anzuordnen. sowie Betrieb mit rußbeladenem Motoröl müssen ggf.
Die geregelte Flügelzellenpumpe ist zwar als axial kurz höherwertige Materialien oder Beschichtungsverfah-
bauende Kurbelwellenpumpe konstruktiv möglich und ren wie beispielsweise das Plasmanitrieren von Ober-
6 wird auch teilweise in Serie produziert. Sie stellt aber flächen zum Einsatz kommen.
im Hinblick auf die durch die Bauraumverhältnisse
Wirkungsgrade
7 bedingten großen Durchmesser des Laufzeugs un-
ter energetischen Gesichtspunkten keine vorteilhafte Der für die Leistungsaufnahme und damit den Kraft-
Lösung dar. Geregelte Innenzahnradpumpen und stoffverbrauch eines Fahrzeugs maßgebende Gesamt-
8 Pendelschieberpumpen weisen bez. des radialen Bau- wirkungsgrad einer Schmierölpumpe ist der Quotient
raumbedarfs signifikante Nachteile gegenüber den Flü- aus der hydraulischen Förderleistung und der mecha-
gelzellenpumpen auf. Der Grund hierfür liegt in dem nischen Antriebsleistung.
9 radial zwischen Innenrotor und Regelring zusätzlich
angeordneten Außenrotor und der prinzipbedingten
Phydr.
10 rein axialen Zuströmung des Öls in die Förderzellen. VP  p VPth  p  vol  mech.
ges = = =
Dies erfordert zur Gewährleistung eines kavitations- Pmech. MD  ! MDth  2  n
freien Betriebs der Pumpe bei hohen Drehzahlen, ein (7.18)
11 bez. der Reibleistung nachteiliges, vergleichsweise ho- 
hes Durchmesser-Längenverhältnis des Laufzeugs. ges Gesamtwirkungsgrad
vol volumetrischer Wirkungsgrad
12 Drehzahlgrenzen mech. mechanischer Wirkungsgrad
Wie bereits angeführt, wird die funktionsbezo- Phydr. hydraulische Förderleistung
13 gene Drehzahlgrenze vor allem durch eine zu starke Pmech. mechanische Antriebsleistung
Druckabsenkung bei der Einströmung des Öls in die VP Fördervolumenstrom
Verzahnung/Förderkammern und die dadurch beding- p Förderdruckdifferenz
14 ten Kavitationserscheinungen markiert. Da bei Außen- MD Antriebsmoment
zahnradpumpen das Öl im Prinzip über die gesamte ! Winkelgeschwindigkeit

15 axiale Länge der Verzahnung angesaugt werden kann,


werden bei Motoren mit hohen Nenndrehzahlen und
n Drehzahl
[ ]th Index theoretisch
hohen Öldurchsätzen Außenzahnradpumpen gegen-
16 über Zahnring- und Flügelzellenpumpen bevorzugt. Aus . Gl. 7.18 lässt sich nachvollziehen, dass der Ge-
samtwirkungsgrad sowohl vom volumetrischen als
Robustheit auch vom mechanischen Wirkungsgrad der Pumpe
17 Bezüglich der Empfindlichkeit gegenüber Schmutz beeinflusst wird. Der volumetrische Wirkungsgrad
und der Neigung zu Verschleiß bieten i. Allg. einfa- berücksichtigt die Summe der Leckagen vom Druck-
18 che Pumpenkonzepte Vorteile, bei denen nur eine zum Saugbereich der Pumpe und ist bei den für die
begrenzte Zahl von Bauteilen Relativbewegungen Auslegung der Pumpe relevanten niedrigen Drehzah-
zueinander ausführen. Unter diesem Gesichtspunkt len (Heißleerlauf), – bezogen auf den Förderstrom der
19 erweisen sich Konstantölpumpen gegenüber Regel- Pumpe – von besonderer Bedeutung. Abgesehen von
ölpumpen als signifikant robuster. Insbesondere bei den durch die Leckagen bedingten Verlusten muss die
20 Regelölpumpen bedarf es neben einer anforderungs-
gerechten Materialauswahl bzw. der Wahl der Mate-
Pumpe zur Kompensation dieser auch entsprechend
größer ausgelegt werden. Dies bedeutet, dass ein nied-
rialpaarungen auch einer sorgfältigen konstruktiven riger volumetrischer Wirkungsgrad einer Schmieröl-
7.15 • Schmierölpumpen
263 7

pumpe sich in zweifacher Hinsicht negativ auf die er- torschmierölpumpen eingesetzten Verdrängerpumpen
forderliche Antriebsleistung auswirkt. Nachteilig sind besteht ein annähernd linearer Zusammenhang zwi-
insbesondere Spaltströme an linienförmigen Dichtstre- schen der Antriebsdrehzahl und dem Fördervolumen-
cken mit großen, an den Spalten anliegenden Druck- strom. Eine Schmierölpumpe muss dementsprechend
differenzen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die so ausgelegt werden, dass diese unter ungünstigsten Be-
Leckagen durch Spaltströme in der dritten Potenz mit dingungen d. h. im Heißleerlauf (niedrigste Antriebs-
der Spaltweite ansteigen. Unter diesem Gesichtspunkt drehzahl, niedrigste Ölviskosität, größte Lagerspiele)
besitzen Zahnringpumpen gegenüber Außenzahnrad- das Triebwerk mit ausreichend Öl versorgt. Das kon-
pumpen konzeptionelle Nachteile. Bei Regelölpumpen stante Übersetzungsverhältnis zwischen Kurbelwelle
bewirken die, gegenüber Konstantpumpen zusätzlich und Ölpumpe bedingt, dass bei höheren Motordreh-
zueinander zu dichtenden Baukomponenten, eine Er- zahlen die von der Pumpe an das Triebwerk gelieferte
höhung der Leckagepfade und damit eine Verringe- Ölmenge begrenzt werden muss. Anderenfalls würden
rung der volumetrischen Wirkungsgrade. Hierdurch der Druck im Schmiersystem, aber auch die Antriebs-
können sich bei praktisch ausgeführten Regelölpum- leistung der Pumpe unzulässig hohe Werte annehmen.
pen wie z. B. Kurbelwellenölpumpen unter ungüns- Hierzu bestehen für die jeweiligen Pumpenbauarten
tigen Randbedingungen signifikante Abweichungen unterschiedliche Regelungskonzepte. Ein vergleichs-
von den erwarteten Energieeinsparungspotenzialen weise einfaches bei Konstantpumpen verwendetes Kon-
gegenüber gut ausgelegten Konstantpumpen ergeben. zept der Druckregelung besteht darin, die bei hohen
Für den mechanischen Wirkungsgrad einer Motordrehzahlen zu viel geförderte Ölmenge durch ein
Pumpe sind vor allem die Reibungsvorgänge in der im Druckbereich der Pumpe angeordnetes Überdruck-
Verzahnung und den relativ zum Gehäuse bewegten ventil im Sinne einer Einstufenregelung zur Saugseite
Bauteilen maßgebend. In Bezug auf die Reibung in den der Pumpe hin abzudrosseln. Energetisch vorteilhaf-
Verzahnungen haben sich Radsätze mit Evolventenver- ter ist das bei Regelölpumpen umgesetzte Konzept der
zahnung bewährt. Die durch Scherströmung bedingten Volumenstromregelung. Hier wird beim Überschrei-
fluidischen Reibungsverluste die im Ergebnis vielfach ten eines vorgegebenen Drucks im Druckbereich des
im mechanischen Wirkungsgrad berücksichtigt wer- Schmiersystems die Fördermenge der Ölpumpe redu-
den, steigen mit den Relativgeschwindigkeiten zwi- ziert. Im Grundsatz ist es sowohl bei Konstantpumpen
schen den Reibpartnern und damit mit der Baugröße als auch bei Regelölpumpen möglich, den Druck auf
und der Drehzahl der Pumpe an. Aus diesem Grund eine oder mehrere Stufen zu regeln oder im Motoren-
fallen niedrige mechanische Wirkungsgrade insbeson- kennfeld stufenlos variable Drücke zu verwirklichen.
dere bei hohen Drehzahlen der Pumpe ins Gewicht. Abhängig davon, an welcher Stelle des Schmier-
Dementsprechend erweisen sich Pumpenkonzepte systems der Öldruck für die Regelung erfasst wird,
mit großen Reibdurchmessern (Pendelschieberpum- wird zwischen einer direkten oder einer indirekten
pen oder Zahnringpumpen und Flügelzellenpumpen Regelung differenziert. Daneben wird zwischen ei-
als Kurbelwellenpumpen) bez. der mechanischen ner roh- und reinölseitigen Verstellung der Pumpe
Wirkungsgrade als nachteilig. Durch den Einsatz unterschieden. Das Grundprinzip der im Folgenden
niedrigviskoser Öle lassen sich die Reibungsverluste erläuterten Regelkonzepte ist im Grundsatz gleich,
zwar verringern, allerdings sinken gleichzeitig wegen unabhängig davon, ob es sich um eine Druckrege-
der größeren Leckagen in der Pumpe die volumetri- lung einer Konstantölpumpe oder eine auf einem
schen Wirkungsgrade. Zudem steigen die Ölbedarfe Referenzdruck – beispielsweise dem Druck in der
der Triebwerke, so dass die Schmierölpumpe entspre- Ölgalerie – basierenden Volumenstromregelung
chend größer dimensioniert werden muss. einer Regelölpumpe handelt. . Abb.  7.224 zeigt in
typischer Darstellung die Fördercharakteristik (Vo-
lumenstrom, Druck) einer volumenstromgeregelten
7.15.3 Regelung Pkw-Flügelzellenpumpe (FZP) mit der zugehörigen
von Motorschmierölpumpen Antriebsleistung der Pumpe für zwei verschiedene
Druckstufen (Schluckkurven). In . Abb. 7.225 ist er-
7.15.3.1 Regelungskonzepte gänzend hierzu der Verlauf der volumetrischen und
Motorschmierölpumpen werden derzeit praktisch mechanischen Wirkungsgrade, des Fördervolumen-
ausnahmslos direkt (Kurbelwellenpumpe) oder indi- stroms sowie der mechanischen Antriebsleistung ei-
rekt (Sumpfpumpe) über Zahnräder, Kette oder Zahn- ner volumenstromgeregelten Pkw-Flügelzellenpumpe
riemen mit starrem Übersetzungsverhältnis von der (FZP) in Vollförderung in Abhängigkeit von der An-
Kurbelwelle des Motors angetrieben. Bei den als Mo- triebsdrehzahl dargestellt (Kennlinien).
264 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7 ..Abb. 7.224  Verlauf von Fördervolumenstrom, Druck und mechanischer Antriebsleistung in Abhängigkeit von
der Pumpendrehzahl für zwei Druckstufen einer geregelte Pkw-FZP (schematisch)
8
9
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13
14
..Abb. 7.225  Verlauf von volumetrischem und mechanischem Wirkungsgrad, Fördervolumenstrom und me-
15 chanischer Antriebsleistung in Abhängigkeit von der Pumpendrehzahl einer Pkw-FZP in Vollförderung (schema-
tisch)

16 7.15.3.2 Direkte Regelung dieser Druckverluste steigt mit zunehmender Ölvis-


Bei der direkten Regelung (. Abb. 7.226) wirkt der im kosität. Sie ist bei turbulenter Strömung quadratisch
Druckbereich der Pumpe herrschende Druck unmit- von der Strömungsgeschwindigkeit in den Kanälen
17 telbar auf das in der Pumpe angeordnete Verstellorgan. abhängig. Dieser bei der Festlegung des Druckniveaus
Ab einer Drehzahl bei der die Druckregelung einsetzt, im Schmiersystem zu berücksichtigende Sachverhalt
18 wird der Druck im Druckbereich der Pumpe unabhän- bedingt, dass bei einem Regelkonzept, welches direkt
gig von der Öltemperatur und einem weiteren Anstieg den Druck hinter der Pumpe nutzt, bei niedrigen Öl-
der Drehzahl durch Absteuern eines Teilförderstroms viskositäten und gering beladenem Ölfilter ein energe-
19 der Pumpe annähernd konstant gehalten. Wegen der tisch nachteiliger, unnötig hoher Druck an der Pumpe
verschiedenen Drosselstellen (Rohrleitungswider- unvermeidlich ist. Das abgesteuerte, von der Pumpe zu
20 stände, Umlenkungen Verzweigungen, Ölfilter, Öl-
kühler) reduziert sich der Druck auf dem Weg zur
viel geförderte Öl wird bevorzugt direkt in den Saug-
bereich der Pumpe zurückgeführt. Hierdurch lässt sich
Hauptgalerie und weiter zum Zylinderkopf. Die Höhe bei einer zweckmäßigen Kanalgestaltung die Kavita-
7.15 • Schmierölpumpen
265 7
..Abb. 7.226 Hydrau-
lisches Schaltbild einer
direkten Druckregelung

tionsgrenze der Pumpe zu höheren Drehzahlen ver- Fläche mit dem Öldruck im Druckbereich der Öl-
schieben. Ein noch gewichtigerer Grund für die direkte pumpe beaufschlagt. Treten beim Kaltstart des Motors
Rückführung des abgesteuerten Öls in den Saugbereich bei tiefen Außentemperaturen sehr hohe Öldrücke im
besteht allerdings darin, dass so einer unerwünschten Druckstutzen der Pumpe auf, so reicht dieser auf die
Ölverschäumung entgegengewirkt wird. Teilfläche des Vorsteuerkolbens wirkende Druck aus,
den Vorsteuerkolben gegen die Kraft der Vorsteuer-
7.15.3.3 Indirekte Regelung kolbenfeder in die Abregelstellung zu bringen, so dass
Bei der indirekten Regelung befindet sich das Regel- das Regelorgan der Pumpe den Förderstrom begrenzt.
organ zum Einstellen des von der Pumpe gelieferten
Förderstroms ebenfalls in der Pumpe. Der für die Ver- 7.15.3.4 Roh- und reinölseitige
stellung des Regelorgans maßgebende Druck ist jedoch Verstellung
ein vom Triebwerk zurückgeführter Druck – üblicher- Im Hinblick auf den Bauaufwand erweist es sich als
weise der Druck in der Hauptölgalerie (. Abb. 7.227). naheliegend, dass die Begrenzung des Drucks bzw.
Auf diese Weise lassen sich die Einflüsse von Motor- der Fördermenge über ein in der Pumpe angeordnetes
drehzahl, Öltemperatur (Viskosität) und Ölfilterbela- Verstellorgan, direkt über das von der Pumpe geför-
dungsgrad weitgehend eliminieren. Nachteilig ist je- derte ungefilterte Öl erfolgt (rohölseitige Verstellung).
doch eine größere Trägheit in der Regelung, die beim Diese Aussage gilt im Grundsatz unabhängig davon,
Kaltstart bei sehr tiefen Temperaturen zu unerwünsch- ob der Regeldruck der Pumpendruck selbst (direkte
ten Druckspitzen im Ölkreislauf, speziell im Bereich Regelung), oder Galeriedruck (indirekte Regelung) ist.
zwischen Ölpumpe und Ölgalerie führen kann. Aus Eine Alternative zur rohölseitigen Verstellung stellt die
diesem Grunde werden insbesondere Pumpen mit in- Betätigung des Regelorgans mit gefiltertem Öl dar, wel-
direkter Regelung mit einem Kaltstartventil (Panikven- ches dem Ölkreislauf hinter dem Motorschmierölfil-
til) versehen. Dieses Überdruckventil stellt sicher, dass ter entnommen wird (reinölseitige Verstellung). Hier-
der Pumpendruck unter allen Bedingungen auf einen durch kann im Prinzip das Risiko verringert werden,
Wert von maximal 10–13 bar begrenzt wird. dass die Funktion des Regelorgans durch Schmutzpar-
Um den Bauaufwand für die Anordnung eines tikel gestört wird. Die Beaufschlagung des Stellglieds
zusätzlichen Kaltstartventils zu umgehen, werden bei zur Regelung des Pumpendrucks mit ungefiltertem Öl
Regelölpumpen, bei denen die Betätigung des Regelor- birgt demgegenüber im Grundsatz die Gefahr, dass mit
gans nicht direkt über das elektromagnetische Ventil, dem Öl geförderte Schmutzpartikel ein Klemmen des
sondern indirekt, über ein in der Pumpe integriertes Stellglieds bzw. der Regelaktuatorik verursachen kön-
hydraulisches Vorsteuerventil erfolgt, teilweise ge- nen. Diesbezüglich lassen sich zwei Fälle unterschei-
mischt direkte/indirekte Regelungen verwirklicht. den: Im Fall, dass das Stellglied in der abgeregelten
Hierzu wird die der Kraft der Druckfeder des Vorsteu- Stellung hängen bleibt, ist die Pumpe nicht mehr in
erkolbens gegenüberliegende druckbeaufschlagte Flä- der Lage, insbesondere bei niedrigen Antriebsdreh-
che des Kolbens durch Übergang auf einen Stufenkol- zahlen, den erforderlichen Druck aufzubauen. Dies
ben in zwei Flächen aufgeteilt. Die eine dieser Flächen kann Ölmangel im Triebwerk zur Folge haben. Bleibt
wird mit dem Öldruck der Hauptölgalerie, die andere das Stellglied demgegenüber in der geschlossenen Stel-
266 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.227 Hydrauli-
1 sches Schaltbild einer in-
direkten Druckregelung

2
3
4
5
6
7 ..Abb. 7.228 Darstel-
lung einer von F. E. Herd-
man am 14. April 1902
8 zum Patent angemelde-
ten außenverzahnten
Regelölpumpe [Patent
9 US 711662]

10
11
12
13
14
lung (Ventil) oder in der Vollförderung (Regelaktuato- 7.15.3.5 Regelölpumpen
15 rik der Regelölpumpe) hängen, kann dies zu Schäden
durch Überdruck an Ölfilter, Ölkühler, Dichtungen
Wie bereits erläutert, bedingt die bei Verdrängerpum-
pen vorliegende, weitgehend lineare Abhängigkeit des
und/oder zu einem Aufpumpen der hydraulischen Fördervolumenstroms von der Antriebsdrehzahl der
16 Ausgleichselemente des Ventiltriebs führen. Wegen Pumpe und damit von der Motordrehzahl, dass bei
der verhältnismäßig hohen Federkräfte, gegen die die hohen Motordrehzahlen die Förderströme der Pumpe
Stellglieder der Pumpe arbeiten, sind Störungen durch den Ölbedarf des Motors überschreiten. Als Alter-
17 Schmutzpartikel an den Stellgliedern äußerst selten. native zu der energetisch nachteiligen Abdrosselung
Das Druckniveau hinter der Pumpe ist in aller Regel und Rückführung der überschüssigen Ölmenge in den
18 erheblich höher als hinter dem Filter. Dies bedeutet Saugbereich der Pumpe lassen sich durch den Einsatz
bei einer rohölseitigen Regelung signifikante Vorteile von Volumenstrom-Regelölpumpen (kurz: Regelöl-
hinsichtlich der Verstellenergien und der Verstelldyna- pumpen) wesentliche Energieeinsparungen erzielen.
19 mik der Stellglieder. Aus diesem Grund wird die roh- Erste technische Lösungen zur Verwirklichung von Re-
ölseitige Regelung meist einer reinölseitigen Regelung gelölpumpen gehen auf den Beginn des zwanzigsten
20 vorgezogen. Jahrhunderts zurück. . Abb. 7.228 zeigt die Darstel-
lung einer geregelten Außenzahnradpumpe aus dem
Jahr 1902. Bemerkenswertes Detail hierbei ist, die hyd-
7.15 • Schmierölpumpen
267 7
..Abb. 7.229 Hydrau-
lisches Schaltbild einer
elektrischen Stufen-
druckregelung

..Abb. 7.230 Hydrau-
lisches Schaltbild einer
stufenlosen elektrischen
Druckregelung

raulische Einspannung der Verstelleinheit und die Tat- und wegen der wesentlich höheren Lebensdaueranfor-
sache, dass für deren Betätigung bereits ein Ventilkon- derungen haben sich Regelölpumpen in Nfz-Motoren
zept im Sinne eines Dreiwegeventils offenbart wurde. bisher nicht durchgesetzt.
Grundsätzlich lassen sich alle im ▶ Abschn. 7.15.2 Beim Einsatz von Regelölpumpen ergibt sich der
(. Abb. 7.223) dargestellten Pumpen als Regelölpum- Energieeinspareffekt durch die Begrenzung der hyd-
pen ausführen. Wesentliche Verbreitung haben neben raulischen Förderleistung ab einer Drehzahl, bei der
Außenzahnradpumpen jedoch insbesondere Flügelzel- ein weiterer Anstieg des Fördervolumenstroms und
lenpumpen gefunden. des daran über die Motorschlucklinie gekoppelten
Abhängig von den Drehzahlkollektiven im prak- Drucks, durch Beeinflussung der Fördergeometrien
tischen Motorbetrieb oder in den verschiedenen der Pumpe begrenzt wird. Neben einer elektrischen
Fahrzyklen kann bei Pkw die Antriebsleistung ei- Zweistufendruckregelung (. Abb.  7.229) findet bei
ner Motorschmierölpumpe bis zu 4 % der gesamten aktuellen Motoren eine stufenlose elektrische Druck-
Schleppleistung des Motors betragen. Durch den Ein- regelung (Kennfeldregelung) (. Abb.  7.230) zuneh-
satz einer optimierten Regelölpumpe lässt sich bei Pkw mende Verbreitung.
im NEFZ eine Leistungseinsparung von bis zu 2 % er- Bei der Zweistufendruckregelung wirkt der Abre-
reichen. Bei Nfz-Ölpumpen ist wegen der geringeren geldruck (i. Allg. Galeriedruck) in der Regel auf zwei
Drehzahlspreizung zwischen Leerlauf- und Nenndreh- getrennte Wirkflächen der Verstelleinrichtung inner-
zahlen der Motoren das Kraftstoffverbrauchsreduzie- halb der Pumpe, oder alternativ hierzu, auf zwei Wirk-
rungspotenzial erheblich niedriger. Aus diesem Grund flächen eines hydraulischen Vorsteuerventils (Stufen-
268 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.231 Funkti-
1 onsschema einer stufen-
losen Druckregelung mit
einem in der Ölpumpe
2 integrierten elektroma-
gnetischen Proportio-
nalventil (schematische
3 Darstellung). 1 Ölfilter,
2 Ölkühler, 3 Spulen-
körper, 4 Spulenkern,
4 5 Hubanker, 6 Druckstift,
7 Steuerschieber, 8 Ven-
5 tilkörper

6
7
8
9 kolbenventil). Zumeist wird eine dieser Wirkflächen in der Hauptgalerie über einen Sensor erfasst, und
permanent mit dem Druck der Hauptgalerie beauf- das entsprechende Signal an das Steuergerät geleitet
10 schlagt. Der Druck auf die zweite Wirkfläche wird je
nach Bedarf mit Hilfe eines Magnetventils aufgeschal-
wird. Um auch bei diesem Konzept im Fehlerfall eine
Grundfunktion sicherzustellen (Fail-Save-Funktion),
tet. Werden beide Wirkflächen mit dem Regeldruck ist es zweckmäßig, den Steuerschieber des Proportio-
11 beaufschlagt, wirken die Kräfte beider Flächen gegen nalventils als Stufenkolben auszubilden und das Ventil
die Federkraft des Verstellelements in der Pumpe, so so zu gestalten, dass im Falle eines Defekts (fehlende
dass ein niedrigerer Druck eingeregelt wird. Bei einer Magnetkraft) zum Schutz des Triebwerks automatisch
12 Druckentlastung der zweiten Wirkfläche stellt sich ein hohes Druckniveau angesteuert wird.
demgegenüber der Druck der hohen Druckstufe in
13 der Ölgalerie ein. Das Regelungskonzept wird dabei 7.15.3.6 Verbrauchsreduzierungs­
potenziale durch
zweckmäßiger Weise so gestaltet, dass im Sinne einer
Fail-Save-Funktion bei Defekten am Magnetventil oder Regelölpumpen
14 der elektrischen Ansteuerung zum Schutz des Motors Durch die Zweistufendruckregelung und in noch hö-
automatisch die hohe Druckstufe geschaltet wird. herem Maße durch die stufenlose Regelung des Öl-
15 Bei der stufenlosen Druckregelung (Kennfeldre-
gelung) wirkt ein von einem Mehrwegeproportional-
drucks (Kennfeldregelung) von Regelölpumpen lassen
sich wie in (. Abb. 7.233) dargestellt, die Antriebsleis-
ventil modulierter Druck auf das Verstellorgan in der tungen von Schmierölpumpen wesentlich reduzieren.
16 Pumpe (. Abb. 7.231 und 7.232). Hierdurch ist es im Im Vergleich zu Konstantpumpen erreichen die Kraft-
Prinzip möglich, im gesamten Motorenkennfeld (Last stoffverbrauchseinsparungen im NEFZ bei Regelung
und Drehzahl) abhängig vom Erwärmungszustand des auf eine Druckstufe 1 % bei der Zweistufenregelung
17 Motors (Temperatur/Ölviskosität) den optimalen Öl- 1,5 % und bei der Kennfelddruckregelung 2 %. Wegen
druck in der Hauptgalerie einzuregeln. Durch dieses der i. Allg. höheren Drehzahlkollektive des Motors im
18 Regelkonzept lässt sich gegenüber der Zweistufenrege- realen Fahrbetrieb liegen die tatsächlichen Einsparun-
lung der Leistungsbedarf der Pumpe im Motorbetrieb gen in der Tendenz über den angegebenen Werten im
weiter verringern. Die Regelung des Galeriedrucks NEFZ. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen
19 erfolgt über einen im Motorsteuergerät (ECU) inte- Bestrebungen, die CO2-Emissionen von Pkw und
grierten Regler. Dieser regelt, basierend auf einem im leichten Nutzkraftfahrzeugen stärker an den realen
20 Steuergerät abgelegten Solldruckkennfeld (Md, n), in
Abhängigkeit von der Öltemperatur, den gewünschten
Fahrbedingungen zu orientieren (Real-Driving Emis-
sions) (RDE) [121], ist in der Zukunft trotz höherer
Öldruck ein. Hierzu ist es erforderlich, dass der Druck Kosten und einem gesteigerten Applikationsaufwand,
7.15 • Schmierölpumpen
269 7
..Abb. 7.232 Schnitt-
darstellung eines elekt-
romagnetisch betätigten
3-3-Wege-Proportional-
ventils in unterschiedli-
chen Schaltstellungen

mit einem weiter zunehmenden Interesse der Automo- axialer sondern radialer Richtung in den Ventilkörper.
bilhersteller am Einsatz von insbesondere kennfeldge- Sowohl der Ventilkörper als auch der Steuerschieber
regelten Ölpumpen zu rechnen. werden vielfach aus Aluminiumwerkstoffen gefertigt.
Um günstige tribologische Eigenschaften zwischen
7.15.3.7 Magnetventile Schieber und Ventilkörper zu erreichen und zudem
Durch die Verwendung von elektromagnetischen den Verschleiß über der Lebensdauer zu minimieren,
Ventilen ist es möglich, das Förderdruckniveau einer werden die Steuerschieber vielfach beschichtet bzw. ei-
Ölpumpe über das Motorsteuergerät zu beeinflussen. ner Oberflächenbehandlung unterzogen.
Bei einer Zweistufendruckregelung reicht es aus, einen Die zur Betätigung des Ventils verwendeten Elek-
Druck über ein elektromagnetisches Schaltventil direkt tromagneten sind Hubmagneten, bei denen ein vom
auf das Verstellorgan der Pumpe oder auf ein hydrau- Spulenkörper umschlossener Kern bei Bestromung
lisch davor angeordnetes Vorsteuerventil zu schalten. der Spule eine von der Stromstärke abhängige, der
Bei einer stufenlosen Druckregelung (kennfeldgeregelte Kraft der Ventilfeder entgegengerichtete Magnetkraft
Pumpe) werden elektromagnetische Proportionalven- auf den Hubanker ausübt. Durch die zweckmäßige
tile eingesetzt, mit denen der Druck am Verstellorgan Gestaltung und Anordnung von Kern, Anker, Ma-
der Pumpe moduliert werden kann. Für Schmieröl- gnetspule und Rückschluss lassen sich kompakte
pumpen eingesetzte elektromagnetische Schalt- oder Magnetabmessungen und ein bei Proportionalmag-
Proportionalventile sind in der Regel Schieberventile neten angestrebter, weitgehend linearer Verlauf der
(. Abb. 7.231 und 7.232), die mit hoher Präzision ge- Magnetkraft über dem Hub verwirklichen [122]. Um
fertigt werden müssen. Bei dieser Bauart wird ein im geometrische Überbestimmtheiten und damit uner-
hydraulischen Teil angeordneter, mit enger Passung wünschte Querkräfte zwischen dem Magnetanker und
im Ventilkörper beweglicher zylindrischer Steuer- dem Steuerschieber zu verhindern, werden diese nicht
schieber von einem Elektromagneten gegen die Kraft starr mit einander verbunden. Stattdessen wird die
einer Druckfeder bewegt. Je nach axialer Stellung sperrt Kraft des Ankers radialkraftfrei, beispielsweise über
und/oder gibt der Schieber Kanäle frei. Abhängig von einen Druckstift, auf den Steuerschieber übertragen.
der Zahl der geschalteten Anschlüsse und der Zahl der Wegen des üblichen zentralsymmetrischen Aufbaus
Schaltstellungen werden 4-3- oder 3-2-Wegeventile des Hubmagneten wirken auf den Anker und damit
eingesetzt. Um einen unerwünschten druckabhängigen auf die Ankerlagerung theoretisch keine Querkräfte.
Achsschub am Steuerschieber zu vermeiden, münden Das erforderliche Laufspiel des Ankers, unvermeidli-
die unter Druck stehenden Kanäle in der Regel nicht in che Bauteiltoleranzen, aber auch die durch die Ansteu-
270 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.233 Potenzi-
1 ale zur Reduzierung der
Antriebsleistung beim
Einsatz von Regelöl-
2 pumpen

3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
..Abb. 7.234  Im Steckerbereich mit O-Ringen zur
Ölwanne gedichtetes elektromagnetisch betätigtes
13 Proportionalventil
erfrequenz (PWM- bzw. Ditherfrequenz) bedingten ..Abb. 7.235  Elektromagnetisch betätigtes Ventil mit
14 Mikrobewegungen des Ankers und Schwingbeschleu-
Kabelschwanz und O-Ring-gedichteter Kabeldurch-
führmuffe
nigungen vom Motorentriebwerk, machen die Anker-
15 lagerung trotzdem zu einer tribologisch anspruchsvol-
len Gleitpaarung, deren Auslegung, Funktions- und
ölfreien Bereich zu führen (. Abb. 7.234). Bei solchen
Lösungen erweist sich vor allem die Beherrschung
Dauererprobung große Sorgfalt erfordert. der Lagetoleranzen der betreffenden Bauteile als an-
16 Unter dem Gesichtspunkt guter dynamischer Ei- spruchsvoll. Eine Alternative hierzu ist ein flexibler
genschaften der Druckregelung ist es zweckmäßig, das Kabelschwanz mit einer O-Ring-gedichteten Gehäu-
Magnetventil nahe der Ölpumpe oder sogar direkt im sedurchführmuffe (. Abb.  7.235). Abgesehen von
17 Gehäuse der Pumpe zu integrieren. Hierdurch ist es in nicht unwesentlichen Kosten, muss bei derartigen Lö-
vielen Fällen möglich, auf den Einsatz eines Vorsteuer- sungen den Kapillarwirkungseffekten an elektrischen
18 ventils zu verzichten. Eine Anordnung an der Pumpe Kabeln eine wesentliche Beachtung geschenkt werden.
bedeutet jedoch, dass die elektrische Zuleitung zum Allein die genannten Aspekte: Ankerlagerungskonzept
Ventil in den Ölbereich, d. h. durch die Wandung des und elektrische Stromzuführung zum Ventil machen
19 Zylinderkurbelgehäuses oder der Ölwanne geführt deutlich, dass im Rahmen der Serienentwicklung eine
werden muss. Eine konstruktive Lösung hierfür be- systematische, statistisch breit angelegte Dauererpro-
20 steht darin, den Stecker des Ventils mit Dichtringen
zu versehen und diesen über eine Bohrung in der
bung im Gesamtsystem Fahrzeug unter Einbeziehung
von Grenzmustern und eine anschließende sorgfältige
Ölwanne oder dem Motorgehäuse nach außen in den Analyse der Bauteile unverzichtbar ist.
7.15 • Schmierölpumpen
271 7
7.15.3.8 Regelung der Förderleistung Auch wenn der Aufbau von Öldruck im Schmier-
durch variable Drehzahl system vor dem Motorstart allgemein unter tribolo-
Grundsätzlich ist es möglich, die Förderleistung gischen und Verschleißgesichtspunkten als vorteilhaft
von Motorschmierölpumpen im Betrieb des Ver- eingestuft wird, ist entsprechend den Erfahrungen
brennungsmotors über einen Antrieb mit variabler mit auf dem Markt befindlichen Hybridfahrzeugen
Übersetzung an den jeweiligen Bedarf anzupassen. keine wirkliche Notwendigkeit hierfür erkennbar.
Hierzu wäre ein Antrieb über stufenlos verstellbare Unter der Voraussetzung, dass bei Hybridfahrzeugen
Getriebe (CVT-Getriebe) erforderlich, welche in un- der Druck im Schmiersystem beim Stillstand der Mo-
terschiedlichen Bauarten in verschiedenen Bereichen tors, z. B. zur Betätigung von hydraulischen Aktua-
der Technik eingesetzt werden. Im Hinblick auf den toren, aufrecht gehalten werden muss und dies über
erforderlichen Bauraum, die Zuverlässigkeits- und Druckspeicherkonzepte nicht verwirklicht werden
Lebensdaueranforderungen sowie die Kosten für der- kann bzw. sich als nicht sinnvoll erweist, ist der Ein-
artige Lösungen und die guten Gesamtwirkungsgrade satz elektrischen Schmieröl(hilfs)pumpen notwendig.
von Regelölpumpen stellen solche Konzepte keine vor- Derartige Pumpen könnten dabei ähnliche konzepti-
teilhafte Lösung dar. onelle Merkmale wie die inzwischen vielfach für Au-
Der generelle Trend zur Hybridisierung und Elek- tomatik- und Doppelkupplungsgetriebe eingesetzten
trifizierung von Fahrzeugen oder einzelnen Funkti- elektrischen Getriebezusatzölpumpen aufweisen. Wie
onskomponenten wirft die Frage auf, ob bzw. unter diese könnten Motorschmierölzusatzpumpen u. U. in
welchen Voraussetzungen der Einsatz von elektrischen bestimmten Betriebszuständen des Motors parallel zu
Schmierölpumpen sinnvoll ist. Elektrische Schmieröl- der dann etwas kleiner ausgelegten Hauptpumpe be-
pumpen lassen sich über die elektrische Ansteuerung trieben werden. Weitere Gründe für den Einsatz elek-
in der Drehzahl und damit in der Förderleistung re- trischer Schmierölhilfs- bzw. -zusatzpumpen könnten
geln. Bei derzeit in Pkw-Motoren eingesetzten, me- die Einbindung des Schmierölkreislaufs in das Ther-
chanisch angetriebenen Schmierölpumpen bedingt momanagement (Standheizung, Batterietemperie-
die geforderte hydraulische Förderleistung mechani- rung usw.) des Fahrzeugs sein. Aus derzeitiger Sicht
sche Antriebsleistungen von mehreren hundert Watt, ist mittelfristig ein wesentlicher Bedarf für elektrische
die in der Summe mit vergleichsweise vorteilhaften Motorschmierölpumpen kaum absehbar, zumal der
Wirkungsgradketten dargestellt werden können. Bei Gesamtsystemumfang einer elektrisch angetriebenen
einem Konzept einer elektrisch angetriebenen Haupt- Motorschmierölpumpe im Vergleich zu geregelten,
schmierölpumpe erhöht sich diese für die Auslegung mechanisch angetriebenen Motorschmierölpumpen
relevante Antriebsleistung um die Einflüsse der Ge- mit erheblichen Kosten verbunden ist. Hierbei spielt
neratorwirkungsgrade, der Wirkungsgrade bez. des aber auch die Frage eine Rolle ob, bzw. wann und in
Ladens und Entladens der Fahrzeugbatterie und der welchem Umfang es zu einem flächendeckenden Um-
Wirkungsgrade des Elektromotors einschließlich stieg auf höhere Bordnetzspannungen kommt.
der erforderlichen Leistungselektronik zum Antrieb
der Pumpe. Angesichts sehr hoher Anforderungen
an die Zuverlässigkeit bei Laufzeitanforderungen 7.15.4 Pumpenkonzepte
von mindestens 3000 h (Pkw) und Öltemperaturen und Anbauorte
von bis zu 150 °C wäre der Einsatz von bürstenlosen
Gleichstrommotoren mit sensorloser Kommutierung Motorschmierölpumpen werden in Abhängigkeit
anzuraten. Insbesondere aus Bauraumgesichtspunk- von dem Schmierölsystemkonzept (Sumpf- oder
ten, aber auch wegen hoher Umgebungstemperaturen Trockensumpfschmierung), den spezifischen Ein-
und der Notwendigkeit zur Führung der elektrischen baubedingungen im Triebwerk und in Abhängigkeit
Stromzuführung in den ölführenden Bereich, ist die des vom Motorenhersteller angestrebten Grades der
Anordnung einer elektrischen Hauptölpumpe in der Funktionsintegration in unterschiedlichen Konzepten
Ölwanne im Sinne einer technisch und zudem wirt- und Bauformen verwirklicht. . Abb. 7.236 illustriert
schaftlich sinnvollen Großserienlösung derzeit nur die unterschiedlichen Anbaupositionen von Motor-
schwer vorstellbar. Die Anordnung außerhalb des schmierölpumpen, die in Serienanwendungen ver-
Triebwerks lässt Vorteile insbesondere hinsichtlich wirklicht werden. In der überwiegenden Zahl der Mo-
der Kühlung des Elektromotors erwarten. Allerdings toren wird die Ölpumpe im Ölsumpf (Sumpfpumpe)
erschwert der Trend zu weltweit eingesetzten Aggrega- oder am vorderen Kurbelwellenende (Kurbelwellen-
teplattformen die Wahl eines einheitlichen Anbauorts pumpe) angeordnet. Daneben werden Ölpumpen
der Pumpe am Motor oder der Karosserie. teilweise auch wesentlich über dem Ölspiegel im Zy-
272 Kapitel 7 • Motorkomponenten

weitere Funktionsumfänge wie Absaugstufen, Vaku-


1 umpumpen oder Massenkraftausgleichseinheiten in
einem Pumpenmodul zu vereinen. . Abb. 7.237 zeigt
2 beispielhaft den Aufbau einer als Flügelzellenpumpe
ausgebildeten kennfeldgeregelten Sumpfpumpe für
einen Pkw-Ottomotor mit 1,6 l Hubraum [123]. Der
3 grundsätzliche Aufbau von Sumpfpumpen ist i. Allg.
mit dem der Kurbelwellenpumpen vergleichbar. Al-
lerdings sind die axialen Längen der Förderelemente
4 bei gleichzeitiger Verringerung der Durchmesser we-
sentlich vergrößert. Vielfach werden die Zahnräder
5 oder die Rotoren direkt auf die Antriebswelle gepresst,
wobei die Wellen üblicherweise ohne separate Lager-
buchsen direkt im Pumpengehäuse bzw. dem Gehäu-
6 sedeckel gelagert werden. Bei sehr hohen Anforde-
rungen an die volumetrischen Wirkungsgrade (innere
7 Dichtheit), beispielsweise bei Verwendung sehr nied-
rigviskoser Motoröle, werden nicht nur das Laufzeug
(Rotoren, Regelring) sondern auch die das Laufzeug
8 radial umfassenden Gehäusebereiche aus Sinterstahl
gefertigt (Rahmenbauart/Sandwich-Aufbau). Auf
diese Weise wird erreicht, dass sich bei Temperatur-
9 erhöhungen Laufzeug, Regelring und der betreffende
Gehäusebereich in gleichem Maße ausdehnen und so
10 die volumetrischen Wirkungsgrade der Pumpe bei
heißem Motor auf einem vergleichsweise hohen Ni-
veau gehalten werden können. Der Antrieb der Pumpe
11 erfolgt entweder über Kette, Zahnriemen oder Stirnrä-
der. Wegen der Anordnung in der Ölwanne kann das
Saugrohr mit integriertem Saugsieb vergleichsweise
12 kurz ausgeführt, oder ggf. sogar direkt im Gehäuse der
Pumpe integriert werden. Der Anbauort im Ölbereich
13 bedingt, dass bei Sumpfpumpen keine besonderen
..Abb. 7.236  Illustration der verschiedenen Ein- Anforderungen an die äußere Dichtheit der Pumpen
baupositionen von Motorschmierölpumpen im bzw. gestellt werden. Die Ölübergabe von der Pumpe an
14 am Motor. 1 Sumpfpumpe, 2 Kurbelwellenpumpe, das Triebwerk erfolgt vielfach über gegossene Kanäle
3 Einbau-/Schachtpumpe, 4 Anbaupumpe im Pumpengehäuse und entsprechende Bohrungen im
15 linderblock, zumeist in einem hierfür vorgesehenen
Triebwerk, die durch die Montage der Pumpe zur De-
ckung gebracht werden. Zur Einhaltung der Flucht im
Einbauschacht (Einbau-/Schachtpumpe) montiert. In Räder-Ketten- oder Riementrieb zwischen Pumpe und
16 Einzelfällen wird die Ölpumpe auch außen am Motor Triebwerk werden auch Sumpfpumpen über Zentrier-
angebaut (Anbaupumpe). stifte oder-hülsen zum Motorblock positioniert. Um
eine unerwünschte Verschäumung des Motoröls durch
17 7.15.4.1 Sumpfpumpen den Antrieb zu vermeiden, wird dieser teilweise durch
Sumpfpumpen kommen mit vergleichsweise hohen Abdeckungen aus Kunststoff oder Planschkappen vom
18 Anteilen und mit steigender Tendenz bei Moto- Ölbereich abgeschirmt.
ren insbesondere europäischer Automobilhersteller
zum Einsatz. Hintergründe hierfür sind vor allem 7.15.4.2 Kurbelwellenpumpen
19 die im Vergleich zu Kurbelwellenpumpen höheren Kurbelwellenpumpen werden heute überwiegend von
Gesamtwirkungsgrade wegen der Möglichkeit zur nordamerikanischen und asiatischen Automobilher-
20 Verringerung der Reibdurchmesser, der Option zur
Verwirklichung sehr kurz bauender Triebwerke und
stellern eingesetzt. In Europa konzentriert sich deren
Einsatz auf kleine Pkw-Motoren. Pumpen dieser Bau-
der Möglichkeit kosteneffizient und platzsparend art werden in dem dem Schwungrad gegenüberlie-
7.15 • Schmierölpumpen
273 7
..Abb. 7.237 Illustra-
tion des Aufbaus einer
über Zahnriemen ange-
triebenen Fügelzellen-
pumpe zum Einbau im
Ölsumpf (Sumpfpumpe)

genden Gehäusedeckel für das Zylinderkurbelgehäuse ser zu höheren radialen Auslenkungen des Kurbelwel-
integriert. . Abb. 7.238 zeigt beispielhaft eine als In- lenstumpfs. Um bei Zahnringpumpen Schäden durch
nenzahnradpumpe ausgeführte Kurbelwellenpumpe Zwangskräfte am Radsatz zu vermeiden, muss daher
für einen Dreizylinderottomotor mit 1,0 l Hubraum bei der Festlegung der Radialspiele zwischen den be-
[124]. Wegen erheblicher axialer Bauraumrestrikti- treffenden Pumpenbauteilen ein sinnvoller Kompro-
onen müssen bei der Konstruktion von Innenzahn- miss gefunden werden. Kurbelwellenpumpen werden
radpumpen i. Allg. wesentliche Kompromisse in üblicherweise über Zentrierhülsen oder Zentrierstifte
Kauf genommen werden. Zudem bedingen die axial zum Zylinderblock positioniert und mittels Flächen-
gedrungene Bauart und die verhältnismäßig großen dichtung zum Block gedichtet. Diese statische Dich-
Kurbelwellenlagerzapfendurchmesser bei Zahnring- tung des Pumpengehäuses zum Motorblock und zur
pumpen und in noch stärkerem Maße bei Flügelzel- Ölwanne erfolgt durch Metallsickendichtungen und/
lenpumpen vergleichsweise große, die mechanischen oder flüssige Dichtmittel.
Wirkungsgrade mindernde Reibdurchmesser. Die
Gehäuse von Kurbelwellenpumpen sind zumeist aus 7.15.4.3 Einbau- und Schachtpumpen
einer Al-Si-Druckgusslegierung gefertigt und müssen Liegt bei der Konzipierung eines neuen Motors die
nach außen vollständig öldicht sein. Üblicherweise Forderung nach einer geringen Gesamtbauhöhe des
wird in das Pumpengehäuse auch das Druckregelven- Triebwerks vor, oder ist Einbauraum für die Anord-
til integriert. Ein in das Pumpengehäuse eingepresster nung der Ölpumpe in der Ölwanne begrenzt, werden
Radialwellendichtring dichtet den Kurbelwellenstumpf Ölpumpen teilweise deutlich oberhalb des Ölspiegels
zur Umgebung. Der Radsatz bei Zahnringpumpen, so- im Zylinderkurbelgehäuse angeordnet. Bei derartigen
wie Rotor und Stellring bei Flügelzellenpumpen (FZP) Konzepten wird die Pumpe vielfach mehr oder weniger
werden in aller Regel aus Sinterstahl gefertigt. Flügel vollständig in einer schachtförmigen Aufnahmegeome-
und Stellscheiben der FZP bestehen demgegenüber aus trie des Zylinderkurbelgehäuses montiert. Der Antrieb
Stahl. Der zum Motorinnenraum weisende Deckel des erfolgt in der Regel über die Steuerkette. Da die Pumpe
Pumpengehäuses wird überwiegend aus Stahl (Stanz- beim Motorstart auch nach längeren Stillstandszeiten
blech) gefertigt. des Motors spontan Öl ansaugen muss, sind hierzu im
Die Mitnahme zum Antrieb des Innenrotors durch Vergleich zur Sumpfpumpe Zusatzmaßnahmen erfor-
die Kurbelwelle wird entweder als Sechskant, Zwei­ derlich. Hierzu zählt die Anordnung eines Siphons in
flach, Polygon oder als Innenverzahnung ausgeführt. der Saugleitung und bei großen Saughöhen auch die
Insbesondere bei reibleistungsoptimierten Motoren Dichtung der Pumpenwelle mittels Radialwellendicht­
führen reduzierte Pleuel- und Grundlagerdurchmes- ring, um eine vollständige Entleerung der Saugleitung
274 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.238 Illustrati-
1 on des Aufbaus einer In-
nenzahnradpumpe zum
Anbau an der Stirnseite
2 des Motors (Kurbelwel-
lenpumpe)

3
4
5
6
7
8
und der Pumpe im Stillstand des Motors zu verhin- Elastomer beschichtete Metallsickendichtungen zum
9 dern. Wie bei Sumpfpumpen werden auch bei Schacht- Einsatz.
pumpen teilweise zusätzliche Funktionsumfänge wie
7.15.4.5 Kombimodule
10 die Vakuumpumpe (Bremsservopumpe), oder der
Pumpennocken für die Kraftstoffhochdruckpumpe Unter Bauraum- und Kostengesichtspunkten erweist
inklusive der zugehörigen Lagerung integriert. Wegen es sich in vielen Fällen als vorteilhaft, in der Motor-
11 der Montage der Pumpe im Zylinderkurbelgehäuse schmierölpumpe weitere Funktionsumfänge, wie bei-
gelten Schachtpumpen bez. der Akustik als vergleichs- spielsweise Drehschiebervakuumpumpen, rotierende
weise unkritisch. Massenkraft- und/oder Massenmomentausgleichsmas-
12 sen, Hochdruckpumpennocken, Kühlmittelpumpen
7.15.4.4 Anbaupumpen oder die Absaugpumpen für Trockensumpfschmier-
13 und Anbaumodule systeme zu integrieren. Auf diese Weise entstehen
Insbesondere bei Hochleistungssportmotoren mit Tro- mehr oder weniger komplexe Kombimodule bzw.
ckensumpfschmiersystemen besteht teilweise die Pro- Tandempumpen an die bez. Entwicklungs- und Ferti-
14 blematik, dass für die Anordnung der Ölpumpe in der gungskompetenz und -kapazität der Hersteller wesent-
Ölwanne oder im Zylinderblock kein ausreichender liche Anforderungen gestellt werden.
15 Bauraum zur Verfügung steht. In diesen Fällen muss
die Ölpumpe als Ölpumpenmodul zusammen mit
In . Abb. 7.239 ist ein Öl-Vakuumpumpenmodul
für Drei- und Vierzylinder Pkw-Dieselmotoren [125]
weiteren Funktionsumfängen, wie den verschiedenen illustriert. Die als vollvariable Flügelzellenpumpe aus-
16 Absaugpumpen (Absaugstufen), von außen am Motor geführte Ölpumpe und die einflügelige Drehschieber-
montiert werden. Um den hierfür erforderlichen An- vakuumpumpe besitzen eine gemeinsame Pumpen-
trieb von der Kurbelwelle – zumeist über Stirnräder – welle und sind zusammen in einem einteiligen, mit
17 mehrfach zu nutzen, können in das Ölpumpenmodul stirnseitigen Deckeln versehenen Gehäuse aus Al-Si-
auch weitere Funktionen wie die Kühlmittelpumpe in- Druckguss integriert. Das Pumpenmodul ist in der
18 klusive dem Kühlmittelthermostat integriert werden. Ölwanne des Motors angeordnet und wird über eine
Auf diese Weise entstehen komplexe Kombimodule Hülsenkette von der Kurbelwelle angetrieben. Die Ro-
mit hohem Integrationsgrad. Wegen der zahlreichen torwelle deren Formgebung vor allem von den Funkti-
19 Einzelfunktionen derartiger Module sind die Gehäuse onsanforderungen des Vakuumpumpenrotors bez. der
in der Regel aus einer größeren Zahl von einzelnen dynamischen Dichtung zum Pumpengehäuse und der
20 Gussgehäuseteilen aufgebaut, die zueinander sicher
gedichtet werden müssen. Als Dichtungen kommen
Führung und Dichtung des Flügels bestimmt ist, ist aus
Stahl gefertigt und bildet zugleich auch die Lagerung
insbesondere Elastomerformdichtungen oder auch und den Antrieb des Ölpumpenrotors. Zur Anpassung
7.15 • Schmierölpumpen
275 7
..Abb. 7.239 Illustrati-
on des Aufbaus eines im
Ölsumpf angeordneten
Kombimoduls beste-
hend aus eine geregel-
ten Flügelzellenpumpe
und einer Drehschieber-
vakuumpumpe

der Fördermenge an den jeweiligen Bedarf wirkt der Absaugpumpen und zwei Turbo(lader)absaugstufen
vom Proportionalventil über die Ansteuerung vom versehen. Hierbei handelt es sich um Außenzahnrad-
Motorsteuergerät modulierte Öldruck, in Abhängig- pumpen, die hintereinander jeweils auf gemeinsamen
keit vom Sollwert, auf die entsprechende Fläche des Wellen gelagert bzw. angetrieben werden.
Stellrings der Flügelzellenpumpe.
. Abb.  7.240 zeigt den Aufbau eines Trocken- 7.15.4.6 Schmierölpumpen
sumpfpumpenmoduls für einen Ottomotor mit 3,4 l für Zweitaktmotoren
bzw. 3,8 l Hubraum [126]. Das Pumpenmodul ist im Da bei Zweitaktmotoren ein vollständiger Arbeitszy-
Trockensumpf, des für den Einsatz in Sportwagen kon- klus innerhalb einer Motorumdrehung durchlaufen
zipierten Motors, seitlich neben der Kurbelwelle an- wird, ist es möglich, den Ladungswechsel direkt durch
geordnet und wird von dieser über Kette angetrieben. den Kolben, d. h. durch in der Zylinderwandung an-
Die Druckpumpe ist als außenverzahnte Regelölpumpe geordnete Einlass- und ggf. Auslassschlitze zu steuern.
ausgeführt. Über ein in der Pumpe integriertes, vom Diese Durchbrechungen in den Zylinderwandungen
Motorsteuergerät angesteuertes Proportionalventil, erschweren eine definierte verlustarme Schmierung
dessen Anschlussstecker über O-Ringe gedichtet, aus der Zylinderlaufbahn. Während bei Viertaktmotoren
dem Motorgehäuse ins Freie ragt, wird die Pumpe in das Druckgefälle für den Ladungswechsel durch den
jedem Kennfeldpunkt auf einen dem gewünschten Ausschiebe- und Ansaugvorgang des Triebwerks selbst
Druck entsprechenden Volumenstrom eingeregelt. Zur erzeugt wird, muss bei Zweitaktmotoren das erforder-
Rückführung des von den Lagerstellen und sonstigen liche Spüldruckgefälle für den Ladungswechsel durch
Ölverbrauchern zurückströmenden Öls ist das Pum- ein separates Spülgebläse (Verdichter) aufgebracht wer-
penmodul neben der Druckpumpe mit vier einzelnen den. Die einfachste Form dieses Verdichters bilden das

..Abb. 7.240 Illus-
tration des Aufbaus
einer als Trockensumpf-
pumpe ausgeführten
regelbaren Außen-
zahnradpumpe mit vier
Absaugstufen und zwei
Turbo(lader)absaug-
stufen
276 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.241 Illustration
1 einer last- und drehzahl-
abhängig fördernden
Frischölschmierpumpe
2 für Zweitaktmotoren mit
Getrenntschmierung.
1 Pumpengehäuse,
3 2 Schneckenrad (Antrieb),
3 Hubkolben mit Stirnrad
und Bohrung zum Druck-
4 raum, 4 Druckkolben
mit Druckfeder, 5 Leck-
5 öl- und Ausgleichskanal,
6 Axialnockenkontur an
Hubkolben, 7 Huban-
6 schlagswelle, 8 Ölzulauf,
9 Druckölaustritt

7 Arbeitsvolumen des Kurbelgehäuses und die Unterseite Axialnockengeometrie und auf der gegenüberliegenden
des Kolbens (Kurbelkammerspülpumpe), die vor allem Stirnseite mit einer Sacklochbohrung (Druckraum) ver-
8 bei kleinen, kompakten Zweitaktottomotoren mit ho- sehene Hubkolben, wird stark untersetzt mit festem Un-
her Nenndrehzahl eingesetzt wird. Die Führung des Ar- tersetzungsverhältnis (proportionaler Zusammenhang
beitsgases durch das Kurbelgehäuse bedingt, dass eine zwischen Fördermenge und Kurbelwellendrehzahl)
9 konventionelle Ölsumpfschmierung in Verbindung mit mittels Schneckentrieb von der Kurbelwelle angetrie-
Drucköl-versorgten Gleitlagern bei Zweitaktmotoren ben. Eine Druckfeder drückt den Hubkolben mit seiner
10 mit Kurbelkammerspülpumpe wegen kaum vermeidba-
rer hoher Schmierölverluste praktisch nicht verwirklicht
stirnseitigen Axialnockengeometrie gegen eine entspre-
chend gestaltete, drehbare Hubanschlagswelle, so dass
werden kann. Bei diesen Motoren kommen daher wälz- der Drehung des Hubkolbens eine Hubbewegung über-
11 gelagerte Kurbelwellen zum Einsatz, die einen erheblich lagert wird. Durch die Verdrehung der Hubanschlags-
geringeren Schmierölbedarf aufweisen. Die Triebwerke welle in Abhängigkeit von der Last des Motors wird der
kleiner Zweitaktottomotoren werden dabei durch eine Hub des Hubkolbens beeinflusst. Die im Sinne eines
12 Mischungsschmierung mit Schmieröl versorgt, bei der Rohrdrehschieber gestaltete Mantelfläche des Hubkol-
das Schmieröl dem Kraftstoff – heute in der Regel im bens bewirkt im Zusammenspiel mit dem gehäusefesten
13 Verhältnis 1:50 oder 1:100 – zugemischt wird. Das Öl Druckkolben, sowie dem im Pumpengehäuse angeord-
gelangt zusammen mit dem angesaugten Kraftstoff- neten Druck- und dem Saugkanal eine dem Hub des
Luftgemisch in den Zylinder, wo es teilweise verbrennt, Hubkolbens proportionale Förderung des Schmieröls.
14 teilweise aber auch anoxidiert oder unverbrannt in den Die von Zweitaktfrischölschmierpumpen geför-
Auspuff gelangt. Auf dem Weg des Kraftstoff-Luftge- derten Schmierölmengen liegen bei modernen Zwei-
15 mischs in den Zylinder schmieren ausgeschiedene Ölan-
teile die Lager und die Zylinder-Kolbenlaufpaarung. Bei
taktmotoren in der Größenordnung von 1–2 % der
verbrauchten Kraftstoffmengen und damit wesentlich
Zweitaktmotoren mit Kurbelkammerspülpumpe und über den Schmierölverbräuchen moderner Viertakt-
16 innerer Gemischbildung (Di-Otto- und Dieselmoto- motoren.
ren) wie auch bei modernen Zweitaktottomotoren und
kleinen Wankelmotoren mit äußerer Gemischbildung
17 kommt i. Allg. eine Frischölschmierung (Frischölauto- 7.15.5 Entwicklung
matik) zum Einsatz, bei der das Schmieröl fein dosiert
7.15.5.1 Auslegung
18 über eine Dosierpumpe in Abhängigkeit von der Dreh-
zahl und ggf. auch von der Last in den Ansaugkanal, Basierend auf den vom Kunden im Lastenheft fixier-
die Kurbelkammer oder ein Teilstrom an die Zylinder- ten Vorgaben insbesondere bez. des Ölbedarfs, des
19 wandung gefördert wird. Frischölschmierpumpen für Öldruckniveaus, der Ölsorte (Viskosität), der Leer-
Zweitaktmotoren werden in der Regel als Kolbenpum- lauf- und maximalen Betriebsdrehzahlen des Motors
20 pen ausgeführt. In . Abb. 7.241 ist ein Ausführungs-
beispiel einer Frischölschmierpumpe illustriert. Der
bei Berücksichtigung der Bauraumsituation und des
Kostenrahmens wird in der Regel zunächst ein, im
im Pumpengehäuse angeordnete, stirnseitig mit einer Ausnahmefall auch mehrere geeignete Alternativkon-
7.15 • Schmierölpumpen
277 7

zepte ausgewählt. Aus den vorgegebenen, gemessenen Bei Vorliegen der Abmessungen des Radsatzes ist
und/oder gerechneten Kenngrößen wird unter Ein- es möglich, die Geometrien der Saug- und Drucknie-
beziehung der zu erwartenden volumetrischen Wir- ren und die Saug- und Druckkanalquerschnitte festzu-
kungsgrade der erforderliche Förderstrom der Pumpe legen. Hierbei muss der Fokus auf die Einhaltung der
berechnet. Als Bezugspunkt für die Auslegung der Grenzen für die maximalen Sauggeschwindigkeiten am
Pumpe dienen in der Regel die geforderten Förder- Radsatz/Rotor und die Überprüfung der maximalen
daten (VP , p) im Heißleerlauf inklusive erforderlicher Umfangsgeschwindigkeiten am Radsatz/Rotor bei der
Reserven. Zur Festlegung der Abmessungen des Rad- höchsten geforderten Betriebsdrehzahl liegen.
satzes wird unter Berücksichtigung der Pumpendreh-
zahl und Vorgabe der konstruktiv möglichen axialen 7.15.5.2 Konstruktion
Baulänge und der Kopf- und Fußkreisdurchmesser die Die konstruktive Gestaltung von Schmierölpumpen
Förderfläche des Radsatzes errechnet. Exemplarisch erfolgt heute an Bildschirmarbeitsplätzen mittels
für die Innenzahnradpumpe (Zahnringpumpe) errech- 3D-CAD-Systemen (CAD; Computer Aided Design).
net sich die theoretische Fördermenge der Pumpe pro Ausgehend von dem vom Kunden vorgegebenen Bau-
Umdrehung nach folgender Beziehung. raumdatenmodell, den Lastenheftforderungen und
den erarbeiteten Auslegungsdaten wird zunächst ein
VPeff Gesamtentwurf der Pumpe erstellt, dessen Merkmale
vth = (7.19)
vol  n und Lösungsansätze mit dem Kunden abgestimmt wer-
den. Die Erstellung eines CAD-Modells bietet bereits
vth = theoretische Fördermenge der Pumpe/Umdr. in der Entwurfsphase die Möglichkeit, bez. der Bau-
VPeff = 
effektiver Volumenstrom entsprechend Refe- teilfestigkeit potenziell kritische Geometrien mittels
renzpunkt aus Motorschlucklinie Strukturberechnung/FEM (Finite Elemente Methode)
vol
= volumetrischer Wirkungsgrad oder problematische Kanalgeometrien mittels numeri-
n = Drehzahl der Pumpe scher Strömungssimulation (CFD) zu überprüfen und
zu optimieren.
Aus der theoretischen Fördermenge lässt sich nun mit Daneben können ebenfalls bereits in der Entwurfs­
der (axialen) Breite der Räder die Förderfläche ermit- phase Datenmodelle von Gehäusegussteilen bei ange-
teln. fragten Gusslieferanten bez. Herstellbarkeit (Moldflow-
vth Analyse) und Kostenreduzierungspotenzialen bewertet
(7.20)
A=
b  und optimiert werden. 3D-CAD-Systeme sind zudem
eine wichtige Voraussetzung für die schnelle und ef-
A = Förderfläche des Radsatzes fektive Herstellung von Rapid Prototype Musterteilen.
b = Breite der Räder Abgesehen von der originären Auslegung der Pumpe
werden die Konstruktionsarbeiten von einer Vielzahl
Anschließend können aus der Förderfläche mittels der an Berechnungen und Auslegungen bekannter Maschi-
folgenden Beziehungen die Abmessungen der Verzah- nenelemente wie Pressverbände, formschlüssige Ver-
nung bestimmt werden: bindungen, Verschraubungen, Gleitlager, Verzahnun-
gen, Federn, Ventile, Dichtungen usw. begleitet. Diese
 2 Auslegungen erfolgen üblicherweise nach Standardnor-

2
A= da1 − df1 (7.21)
4  men, Richtlinien, oder Vorgaben der Hersteller. Dane-
ben sind in der Regel eine Vielzahl an Toleranzberech-
= Kopfkreis des Innenrotors nungen unter Berücksichtigung von Wärmedehnungen
2
da1
df12 = Fußkreis des Innenrotors und/oder Lastverformungen erforderlich. Hierbei
finden zunehmend auch statistische Toleranzmanage-
d0 = m  z(7.22) mentwerkzeuge Anwendung, die ein wesentliches
Know-how zu den Fertigungs- und Montageprozessen
d0 = Teilkreis erfordern und deren Ergebnisse z. B. in ein sinnvolles
m = Modul Vermaßungskonzept der Zeichnung einfließen müssen.
z = Zähnezahl (Innen- und Außenrotor)
7.15.5.3 Systemsimulation
Die Berechnung der Geometrien der Förderrotoren Die Systemsimulation bietet die Möglichkeit, bereits in
der übrigen Pumpentypen errechnen sich sinngemäß einer frühen Phase eines Entwicklungsprojekts Funk-
in analoger Weise [119, 127–129]. tionseigenschaften einer Pumpe wie z. B. die Druckre-
278 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8 ..Abb. 7.242  Systemmodulation: Teilbereich eines Strömungsnetzwerks

gelung (Regelstabilität) numerisch zu simulieren und bietet CFD die Möglichkeit, Strömungsgeschwin-
9 zu optimieren. Entsprechende Simulationsprogramme digkeitsverläufe, Druckverluste, Leckageströme oder
basieren auf eindimensionalen Simulationsmodellen, auch Kavitationszonen rechnerisch zu ermitteln und
10 in denen eine Vielzahl von den für Strömungs- und
Regelsysteme relevanten Komponenten wie Leitungen,
zu visualisieren (. Abb. 7.243). Die in der Software
verwendeten Modellgleichungen sind in der Regel die
Ventile, fluidische Verbraucher aber auch zahlreiche Navier-Stokes- und die Euler-Gleichungen sowie bei
11 mechanische Komponenten integriert bzw. hinter- inkompressiblen Medien die Laplace-Gleichung. Als
legt sind. Die Einzelkomponenten eines zu untersu- Lösungsmethode kommt vielfach die Finite-Volumen-
chenden und zu optimierenden Strömungsnetzwerks Methode (FVM) zum Einsatz. Numerische Strömungs-
12 stellen praktisch die Wissensbasis für die Simulation simulationen können mit verhältnismäßig niedrigem
dar. Dabei ist es möglich, die Eigenschaften von für Parametrierungsaufwand, basierend auf den vorhan-
13 ein System relevanten Einzelkomponenten durch flan- denen oder entsprechend angepassten 3D-CAD-Mo-
kierende, praktische Versuche zu konkretisieren. Eine dellen der Pumpe erfolgen. Typische Anwendungen
wesentliche Stärke der Systemsimulation ist deren pa- für CFD sind z. B. die Gestaltung druckverlustarmer
14 rametrischer Aufbau. Hierdurch können mit geringem aber trotzdem fertigungsgerechter Kanalgeometrien
Anpassungsaufwand Einflussgrößen auf ein System oder die Lokalisierung und konstruktive Entschärfung
15 wie z. B. Kanalgeometrien, Steuerquerschnitte und
Federkennlinien analysiert, bewertet und optimiert
von Kavitationszonen mittels transienter Strömungs-
simulation.
werden (. Abb. 7.242). Bereits in einer frühen Phase
16 eines Projekts, in der eine Pumpe erst als CAD-Modell 7.15.5.5 Strukturberechnung
vorliegt, ist es so möglich, Aussagen zu deren Regel- Die in Fahrzeugmotoren verbauten Ölpumpen un-
verhalten, Druckverläufen und Antriebsleistungen zu terliegen im Betrieb wesentlichen mechanischen aber
17 erhalten und auf diese Weise frühzeitig und kosteneffi- auch thermischen Belastungen. Neben den durch die
zient wichtige Entwicklungschritte umzusetzen. unmittelbare Funktion der Pumpe bedingten Kräften
18 7.15.5.4 Numerische
und Druckbelastungen muss die Pumpe auch den
Belastungen der vom Triebwerk übertragenen Kräfte,
Strömungssimulation Schwingbeschleunigungen und Verformungen durch
19 Das Entwicklungswerkzeug „Numerische Strömungs- Wärmedehnungen über der Lebensdauer des Motors
simulation“ (engl.: Computational Fluid Dynamics, standhalten. Gleichzeitig bedingen der Kostendruck
20 (CFD)) ist ein Verfahren um strömungsmechanische
Probleme numerisch zu lösen. In der Entwicklung
und die Forderungen bezüglich Leichtbau, dass bei
Pkw-Pumpen praktisch ausnahmslos Al-Si-Druck-
von Ölpumpen mit komplexen Strömungsgeometrien gusslegierungen als Gehäusewerkstoffe zum Einsatz
7.15 • Schmierölpumpen
279 7
..Abb. 7.243 Mit-
tels CFD errechneter
Druckverlauf im Radsatz
einer außenverzahnten
Ölpumpe

..Abb. 7.244 Visu-
alisierung des Span-
nungsverlaufs in einem
Pumpengehäuse mittels
Strukturberechnung

kommen, obwohl diese bez. der mechanischen Eigen- satzbereich ab. Hierzu zählt u. A. die Optimierung von
schaften Nachteile z. B. gegenüber Kokillengusswerk- Gussgehäusen, Wellen, Achsen, Lagerungen, Federn,
stoffen aufweisen. Insbesondere bei Leiterrahmenkon- Schrauben, Verzahnungen und Ausgleichsgewichten
zepten sind Teile der Pumpe oder die Pumpe selbst (. Abb. 7.244). Einfache Strukturberechnungsmodule
ein Teil der Gesamtstruktur des Triebwerks. Noch sind heute bereits Bestandteil verbreiteter CAD-Pro-
erheblich höhere mechanische Belastungen für La- grammpakete.
ger, Wellen und die Gehäusestruktur liegen dann vor,
wenn die Massenkraftausgleichswelle(n) und die Öl- 7.15.5.6 Funktionserprobung
pumpe zu einem Kombimodul vereint sind. Moderne Wie dargelegt, hat sich das Spektrum der entwickle-
Strukturberechnungsprogramme erlauben es, bereits rischen Werkzeuge und Methoden in der Auslegung
in der Konstruktionsphase einer Pumpe bzw. eines und Konstruktion von Ölpumpen in den vergangenen
Pumpenmoduls gefährdete Bereiche oder Bauteile Jahrzehnten durch die Einführung von CAD, CFD,
bez. der Struktur im Detail zu optimieren. Durch deren Systemmodulation und Strukturberechnung gravie-
Einsatz lassen sich vielfach zeit- und kostenintensive rend erweitert. Trotzdem ist hierdurch die Bedeutung
Entwicklungsschleifen vermeiden. Das Werkzeug der der Funktions- und Dauererprobung keineswegs ge-
Strukturoptimierung deckt einen sehr bereiten Ein- sunken. Hierfür gibt es eine ganze Reihe von Gründen.
280 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.245 Funkti-
1 onsprüfstand zur Ver-
messung von Ölpumpen

2
3
4
5
6
7
8
Neben steigenden Anforderungen bez. Lebensdauer, begrenztem Einsatz von Versuchspersonal eine hohe
Wirkungsgraden und Leichtbau ist u. A. auch im Rah- Auslastung der Prüfstände und kurze Entwicklungs-
9 men des Trends zur Regelölpumpen und zur Funkti- zeiten zu erreichen, besteht ein Trend, nicht nur Dau-
onsintegration der Komplexitätsgrad der Pumpe bzw. erlaufprüfstände sondern auch Funktionsprüfstände
10 der Pumpenmodule wesentlich gestiegen. Wegen des
hohen Kostendrucks sind die Hersteller von Ölpum-
automatisiert zu betreiben. Mit Automatikprüfständen
lassen sich z. B. ohne Präsenz eines Versuchsmitarbei-
pen dazu gezwungen, basierend auf einer sorgfältigen ters umfangreiche Messumfänge wie z. B. die kom-
11 Auslegung und Konstruktion mit möglichst geringem plette Kennlinienvermessung einer Pumpe bei unter-
Materialaufwand und Produktionskosten, eine sehr zu- schiedlichen Öltemperaturen durchführen.
verlässige Funktion der Pumpe sicherzustellen. Hierbei Typische Messumfänge an Ölpumpenprüfständen
12 nehmen die Funktions- und Dauererprobung im Ver- sind die Ermittlung der Förderkennlinien bei unter-
such eine Schlüsselfunktion ein. schiedlichen Öltemperaturen, die Beurteilung und
13 Je nach zeitlichem Status im Projekt werden Proto- Optimierung der Druckregelung, sowie der Vergleich
typen oder Versuchsmuster aus mehr oder weniger se- und die schrittweise Optimierung unterschiedlicher
riennahen Einzelteilen im Versuch montiert und hin- Mustervarianten. Wesentliche Versuchsumfänge bil-
14 sichtlich der Funktion vermessen. Für die Vermessung den auch die Vermessung von Musterpumpen vor der
kommen spezielle Ölpumpenprüfstände zum Einsatz, Auslieferung zum Kunden und die Rückvermessung
15 mit denen die Pumpen mit den von den Kunden vor-
gegebenen Ölsorten unter definierten Bedingungen
von Pumpen nach erfolgter Erprobung und Dauer-
läufen. Vor dem Hintergrund des Trends zur Funkti-
betrieben werden können (. Abb. 7.245). Kernkom- onsintegration werden an den Ölpumpenprüfständen
16 ponenten eines Ölpumpenprüfstands sind ein dreh- selbstverständlich auch die übrigen, in der Pumpe inte-
zahlregelbarer elektrischer Antrieb mit Drehmoment- grierten Funktionen wie z. B. die Evakuierleistung der
messwelle und ein Temperierkreislauf für das Öl. Die Vakuumpumpen unter definierten Randbedingungen
17 zu prüfende, mit einer geeigneten Wellenkupplung ermittelt. Für die Beurteilung und Optimierung der
versehene Pumpe wird zusammen mit einem pumpen- Pumpenfunktionen bei Minustemperaturen von bis
18 spezifischen Prüfadapter, der zugehörigen Verrohrung zu −40 °C dienen entsprechende Prüfstandsaufbauten,
sowie der Druck-, Temperatur- und Volumenstrom- die in der Kältekammer betrieben werden. Typische
sensorik über eine standardisierte Montageschnitt- Versuchsumfänge in der Kältekammer betreffen bei
19 stelle an den Lagerbock des Prüfstands montiert. Die Öl-Vakuumpumpen die Ermittlung und Optimierung
Bedienung des Prüfstands und die Anzeige bzw. Dar- der Drehmomente beim Anlauf der Pumpe, aber auch
20 stellung, der mittels spezifisch angepasster Messwert­
erfassungssysteme aufgezeichneten Messdaten erfolgt
die Öldruckregelung unter der Randbedingung sehr
hoher Ölviskositäten. Für die akustische Beurteilung
über das Bedien-/Anzeigepanel des Prüfstands. Um bei und Optimierung der Pumpe wird diese unter Frei-
7.15 • Schmierölpumpen
281 7

feldbedingungen in der Akustikkammer betrieben und


dabei akustisch vermessen. Neben den aufgeführten
Prüfstandsmessungen umfasst das Aufgabengebiet
- durch die Pumpe angeregte Resonanzschwingun-
gen der Ölwanne oder anderer Motorbauteile.

der Versuchsmitarbeiter aber eine große Zahl weiterer Generell wirkt sich dabei eine geringere Ölviskosität
Umfänge wie die Untersuchung von Grenzmustern, wegen der geringeren Dämpfung in der Flüssigkeit
die Ermittlung von Montagekräften, die Demontage, negativ auf die Akustik einer Ölpumpe aus. Kommt
maßliche Vermessung und Beurteilung von Pumpen es im Rahmen der Entwicklung einer Pumpe zu akus-
nach erfolgten internen Dauerläufen, aber auch vom tischen Auffälligkeiten, so gilt es in der Regel durch
Kunden zur Rückbefundung gelieferten Pumpen aus akustische Messungen die Ursache hierfür, aber auch
Motor- und Fahrzeugdauerläufen sowie die Dokumen- mögliche Schallübertragungspfade zu identifizieren
tation der Ergebnisse. und umgesetzte Verbesserungen messtechnisch zu
bewerten. Hierzu wird die Pumpe im Schallmessraum
7.15.5.7 Akustik mit schallhartem Boden und refektionsarmen Wänden
Abgesehen von der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben (Freifeldbedingungen) betrieben und mittels Mikro-
ist eine niedrige Lärmemission eines Fahrzeugs ein fon oder Kunstkopf der Schalldruckpegel aufgezeich-
wichtiges Qualitätsmerkmal. Vor diesem Hintergrund net (. Abb. 7.246). Die anschließende Frequenz- oder
fordern die Automobilhersteller, dass die Schmieröl- auch die Ordnungsanalyse liefert dabei wichtige Hin-
pumpe unter keinen Umständen aus dem Grundge- weise zur Deutung des akustischen Phänomens und
räuschpegel des Motors heraushörbar sein darf. Im zur Bewertung der Wirksamkeit von Gegenmaßnah-
Fall, dass eine Ölpumpe die Ursache für eine akus- men (. Abb. 7.247).
tische Beanstandung am Fahrzeug ist, lässt sich der
Verursacher i. Allg. verhältnismäßig leicht über eine 7.15.5.8 Dauererprobung
akustische Messung unter dem Motor identifizieren. In den vergangenen Jahrzehnten sind die Anforde-
Die Ermittlung der eigentlichen Ursache für die meist rungen an die Lebensdauer und Zuverlässigkeit sämt-
von der Drehzahl abhängige Geräuschemission, die licher Fahrzeugkomponenten wesentlich gestiegen.
Übertragungspfade des Schalls und die Umsetzung Von den Automobilherstellern werden heute für die
von Abstellmaßnahmen gestaltet sich demgegenüber Motoren und damit für die Motorschmierölpumpe
oftmals wesentlich aufwendiger. Grundsätzlich kann Lebensdauer-Laufzeiten von 3000–5000 h für Pkw
bei akustischen Problemen an Ölpumpen zwischen und 12.000–15.000 h für Lkw gefordert. Die Zielset-
mechanischen und strömungsmechanischen Ursachen zung bei der Dauererprobung von Ölpumpen bzw.
unterschieden werden. In den unteren Drehzahlberei- Ölpumpenmodulen besteht darin, im Rahmen der
chen dominieren in der Regel die mechanischen Ein- Freigabeerprobung den Nachweis zu erbringen, dass
flussgrößen während bei hohen Drehzahlen vielfach die Konstruktion der Pumpe die gestellten Anforde-
der Wechseldruck (Pulsation) in der Flüssigkeit oder rungen uneingeschränkt erfüllt. Die Freigabeerpro-
Kavitationserscheinungen die akustischen Eigenschaf- bung einer Ölpumpe oder eines Ölpumpenmoduls
ten einer Ölpumpe dominieren. erfolgt ausnahmslos im Rahmen einer Arbeitsteilung
Folgende Ursachen sind bei Ölpumpen typisch für mit dem Motorenhersteller und liegt damit in der

-
die Schallanregung:
mechanische Eigenschaften der Verzahnung und
Verzahnungsfehler des Pumpenradsatzes oder
Verantwortung beider Parteien. Die Funktions- und
Dauererprobung der eigentlichen Pumpe wird dabei
vom Ölpumpenhersteller, insbesondere durch eine

- des Pumpenantriebs,
Drehresonanzschwingungen im Antriebstrang
Anzahl von Dauerläufen an Dauerlauf-Komponen-
tenprüfständen durchgeführt (. Abb. 7.248). Parallel

- der Pumpe,
Schwingungsphänomene an Druckregeleinrich-
hierzu werden die entsprechenden Baustufenmuster
beim Kunden in größerer Zahl in Motoren eingebaut

- tungen,
periodische Änderungen der Strömungsge-
schwindigkeit wegen Schwankungen im Förder-
und zusammen mit den übrigen Bauteilen des Motors
in Motorprüfstands- und Fahrzeugdauerläufen betrie-
ben. Anschließend erfolgt eine Rückvermessung und

- strom,
abrupte Druckausgleichsvorgänge beim Zusam-
menschalten von Räumen (Förderkammern)
Befundung der Pumpen. Da es im Rahmen üblicher
Projektzeitpläne nicht im Ansatz möglich ist, Pumpen
über den gesamten Zeitraum der geforderten Lebens-

- unterschiedlichen Druckniveaus,
Kavitationserscheinungen,
dauer zu erproben, wird für die Dauererprobung in
Absprache zwischen Pumpen- und Automobilherstel-
ler eine Zeitrafferstrategie umgesetzt. Dies bedeutet,
282 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.246 Typi-
1 scher Messaufbau
zur Ermittlung und
Analyse von Körper- und
2 Flüssigkeitsschall sowie
Luftschallabstrahlung
einer Ölpumpe mittels
3 Kunstkopf im Schall-
messraum

4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20 ..Abb. 7.247  Zeitsignale und Frequenzanalyse (Campbell-Diagramme), einer Ölpumpe zur Ursachenanalyse
von NVH-Problemen und Verifikation von eingeleiteten Akustikmaßnahmen
7.16 • Nockenwelle
283 7

über den geöffneten Auslassquerschnitt in das Ab-


gassystem. Das Öffnen und Schließen der Gaskanäle
geschieht beim herkömmlichen Viertaktmotor, zum
Teil auch beim Zweitaktmotor, durch nockenbetätigte
Ventile.
Beim Wankel- und Zweitaktmotor übernimmt
normalerweise der Kolben die Steuerung von Ein- und
Auslassquerschnitt. Mögliche weitere Ausführungs-
formen wie zum Beispiel rotierende oder oszillierende
Schieber werden nicht beziehungsweise nicht mehr in
Serie angewendet.

7.16.1 Aufgaben der Nockenwelle

Die Hauptaufgabe der Nockenwelle ist das Öffnen und


Schließen der Ein- und Auslassventile zu festgelegten,
mit der Position des Kolbens und mit der Kurbelwelle
synchronisierten Steuerzeiten für den Ladungswechsel.
Bei einer herkömmlichen Ventilsteuerung wird
beim Öffnen der Ventile eine Kraft vom Nocken über
den Nockenfolger und ggf. weitere Betätigungsele-
mente zum Ventil übertragen und dieses entgegen der
Ventilfederkraft geöffnet. Beim Schließvorgang wird
..Abb. 7.248  Dauererprobungsprüfstand für Ölpum- das Ventil durch die Kraft der vorgespannten Ventil-
pen feder geschlossen und im Bereich des Grundkreises
(keine Erhebung am Nocken) entgegen der kanalsei-
dass die Pumpe im Rahmen dieser Erprobung unter tigen Gaskraft (Ladedruck beziehungsweise Abgasge-
schärferen Prüfbedingungen geprüft wird, als dies im gendruck) auf das Ventil geschlossen gehalten. Bei der
Mittel im realen Fahrbetrieb der Fall ist. Zu diesen, ge- Auslegung ist zu beachten, dass alle Randbedingungen
meinsam mit dem Kunden festgelegten, verschärften dynamisch betrachtet werden müssen.
Prüfbedingungen zählen z. B. hohe Drehzahl-, Druck-, Zwangssteuerungen zur Erhöhung der möglichen
Volumenstrom- und Temperaturkollektive. Zudem ist Motordrehzahl (sowohl Öffnungs- als auch Schließbe-
es üblich, die Komponentenerprobung unter Verwen- wegung wird durch einen Nocken bewirkt) werden auf
dung von vom Kunden zur Verfügung gestelltem Altöl Grund der reduzierten Ventiltriebsmassen bei Mehr-
durchzuführen. Bei gebrauchtem Motoröl führen ein ventilmotoren und verbesserten Ventilfedern in der
hoher Rußanteil, wesentliche Kraftstoffbeimengungen Serie selten angewendet.
und die in ihrer Wirkung erschöpften Öladditive, im Beim Viertaktmotor rotiert die von der Kurbel-
Vergleich zu einem Betrieb mit unverbrauchtem Öl, zu welle angetriebene Nockenwelle mit halber Kurbelwel-
einem wesentlichen Anstieg des tribologischen Ver- lendrehzahl. Die Bestimmung der Ventilsteuerzeiten
schleißes. Hierdurch ist es möglich, bei der Befundung für jedes einzelne Ventil erfolgt durch die Geometrie
einer über mehrere hundert Stunden am Dauerlauf- und die Phasenlage von einzelnen Nocken, normaler-
prüfstand betriebenen Pumpe Rückschlüsse auf das zu weise getrennt für Ein- und Auslass und für die Zylin-
erwartende Verschleißverhalten im Langzeitbetrieb zu der, die an einer oder mehreren Nockenwellen ange-
ziehen. ordnet sind. Bei Mehrventilmotoren können mittels
Ventilbrücke oder Gabelhebel mehrere Ventile über
einen Nocken betätigt werden. In besonderen Bau-
7.16 Nockenwelle formen werden Ventile verschiedener Zylinder oder
Ein- und Auslassventile vom selben Nocken betätigt.
Der Verbrennungsmotor gehört zu den periodisch ar- Zusätzlich zu den Bewegungen der Ein- und
beitenden Maschinen. Frische Ladung strömt durch Auslassventile für den Ladungswechsel kann die No-
einen geöffneten Einlassquerschnitt in den Zylinder, ckenwelle auch zur Erzeugung der Zusatzbewegung
wird komprimiert, verbrennt, expandiert und gelangt von Ventilen bei Motorbremssystemen (mittlere bis
284 Kapitel 7 • Motorkomponenten

schwere Nfz) verwendet werden. Dabei werden vor- Die verschiedenen Ventiltriebsvarianten für Pkw-
1 handene oder zusätzliche Nockenerhebungen derart und Nfz-Anwendungen und deren Anwendungsbe-
verwendet, dass die Schleppverluste des Motors im reiche sind im . Abb. 7.249 dargestellt. Auf die ange-
2 Schubbetrieb vergrößert werden; zum Beispiel wird
das Auslassventil im Bereich des Kompressionstaktes
führten Werkstoffe für Nocken und Nockenfolger wird
später eingegangen.
kurzzeitig oder dauerhaft geöffnet. Bei der Übertragung der Hubbewegung vom No-
3 Eine weitere Aufgabe der Nockenwelle ist neben cken auf den Nockenfolger (Hebel, Stößel oder Tasse)
der Leistungsabgabe an Hilfs- und Nebenaggregate kann zwischen Gleitkontakt und Rollkontakt unter-
(wie Vakuum-, Hydraulik-, Kraftstoff- oder Einspritz- schieden werden. Der Entwicklungstrend geht weiter
4 pumpen) die Betätigung von Einzeleinspritzpumpen in Richtung Rollkontakt zur Verminderung der An-
im Motorblock (Pumpe-Leitung-Düse = PLD) oder triebsverluste und Erhöhung der ertragbaren Belas-
5 Pumpe-Düsen im Zylinderkopf (=  PD). Dies gilt tung einerseits und bei einfachen Stößeltrieben zur
hauptsächlich für Nfz-Anwendungen. Dabei sind Kostenreduktion in Richtung Gleitkontakt (einteiliger
neben den Nocken für die Betätigung der Ladungs- Nockenfolger ohne hydraulischen Spielausgleich) an-
6 wechselventile zusätzliche Nocken zur Erzeugung der dererseits.
Hubbewegung in der Einspritzpumpe angeordnet, die Neben verminderten Reibungsverlusten (= erhöh-
7 auf Grund der auftretenden Belastung meist deutlich
stabiler ausgeführt werden müssen.
ter Motorwirkungsgrad) kann durch die verbesserten
tribologischen Eigenschaften auch der Verschleiß
Durch die Lage der Ventilsteuerzeiten werden reduziert werden. Im Rollkontakt ist die ertragbare
8 Drehmoment, Leistung, Kraftstoffverbrauch und Abgas­ Flächenpressung zwischen Nocken und Nockenfolger
emissionen entscheidend beeinflusst. Die vom Kunden deutlich höher als im Gleitkontakt, wobei durch den
gewünschte hohe spezifische Leistung, ein ausgegliche- Übergang von Gleit- auf Rollkontakt die auftretende
9 ner Drehmomentverlauf sowie niedriger Kraftstoffver- Hertzsche Pressung steigt (Krümmungsradien).
brauch und niedrige Schadstoffemissionen im gesamten Bei der Auslegung eines Rollkontaktes müssen
10 Drehzahlbereich sind mit konventionellen Ventiltrieben
nur bedingt zu erfüllen (siehe auch Nockenwellenver-
Werkstoffe mit der erforderlichen Wälzermüdungsfes-
tigkeit gewählt werden; als Standard wird gehärteter
stellsysteme und variable Ventilsteuerung). Stahl (zum Beispiel Wälzlagerstahl) verwendet.
11 Bei allen Anwendungen sind Ventilhub, -geschwin- Als Varianten bei der Nockenwellenlagerung wer-
digkeit und -beschleunigung immer ein Kompromiss den „offene Lagerung“ und „Tunnellagerung“ unter-
zwischen möglichst schnellem Öffnen und Schließen schieden. Die Nockenwellenlager befinden sich bei
12 der einzelnen Ventile einerseits und den dabei auftre- der offenen Lagerung direkt am Nockenwellenschaft;
tenden Kräften und Flächenpressungen andererseits. die Lager für die Abstützung der Nockenwelle müssen
13 Die Reibung beziehungsweise Reibungsverluste der geteilt sein. Bei der Tunnellagerung sind an der No-
Nockenwelle und des gesamten Ventiltriebsystems sind ckenwelle Lagerringe mit einem Durchmesser größer
ebenfalls ein wichtiges Kriterium bei der Auslegung. als die maximale Nockenerhebung angeordnet. Die
14 Nockenwelle kann dabei in geschlossene, einteilige
Lager im Zylinderkopf oder Motorblock eingeschoben
7.16.2 Ventiltriebkonfigurationen
15 werden, . Abb. 7.250.

Bei untenliegender Nockenwelle (overhead


16 valves = OHV) ist diese im Motorblock angeordnet 7.16.3 Aufbau einer Nockenwelle
und überträgt die Hubbewegung über Stößel oder
Schlepphebel, Stoßstange und Kipphebel auf das Ven- Den grundsätzlichen Aufbau einer Nockenwelle zeigt
17 til. Der Aufbau derartiger Ventiltriebe ist meist ein- . Abb. 7.251.
facher, die Steifigkeit jedoch deutlich geringer als bei Hauptbestandteil ist der zylinderförmige Nocken-
18 Systemen mit obenliegender Nockenwelle (overhead wellenschaft (hohl oder voll), auf dem die einzelnen
camshaft  =  OHC beziehungsweise double overhead Nocken für die Ventilbetätigung angeordnet sind. Zu-
camshaft  =  DOHC). Die Nockenwelle oder -wellen sätzlich können auch, wie bereits erwähnt, Nocken für
19 sind dabei im Zylinderkopf angeordnet und werden die Einspritzung vorhanden sein. Die Abstützung der
über Zahnräder, Kette oder Zahnriemen (vereinzelt Betätigungskräfte erfolgt über Nockenwellenlager, von
20 auch Zahnkette) von der Kurbelwelle angetrieben. Die
Betätigung der Ventile erfolgt dabei über Kipp- bezie-
denen meist eines als Axiallager zur Führung der No-
ckenwelle in Längsrichtung ausgebildet ist. Über ein fest
hungsweise Schlepphebel oder Tassenstößel. oder lösbar mit dem Antriebsflansch der Nockenwelle
7.16 • Nockenwelle
285 7
OHV OHC OHC OHC
Stoßstange Kipphebel Schlepphebel Tassenstößel

Trend
Wenig verbreitet, für einfache V- Wenig verbreitet,
Standard Weit verbreitet
Motoren und Nfz-Anwendungen gleichbleibend

Varianten Gleitkontakt Gleitkontakt Gleitkontakt Gleitkontakt


Rollkontakt Rollkontakt Rollkontakt
mit/ohne HVA mit/ohne HVA mit/ohne HVA mit/ohne HVA

Nockenfolger Stahl (Rollkontakt) Stahl (Rollkontakt) Stahl (Rollkontakt) (Rollkontakt)


(Nockenkontakt) Gusseisen (Gleitkontakt) Stahl,Gusseisen (Gleitkontakt) Gusseisen (Gleitkontakt) Stahl (Gleitkontakt)
(GJL,SHG) (GJL,GJS) (GJL,GJS)

Nockenwerkstoff
Rollkontakt Stahl Stahl Stahl, P/M
Gleitkontakt Gusseisen Gusseisen Gusseisen Gusseisen
SHG (GJL,GJS) SHG (GJL,GJS) SHG (GJL,GJS) SHG (GJL,GJS)

..Abb. 7.249 Ventiltriebkonfigurationen für Pkw-, Motorrad- und Nfz-Motoren

verbundenes Antriebsrad oder einen Nockenwellenver-


steller erfolgt der Antrieb von der Kurbelwelle. Der No-
ckenwellenversteller kann auch fest mit dem Nocken-
wellenrohr verbunden sein, um den Antriebsflansch zu
eliminieren. Alternativ dazu kann bei DOHC-Motoren
die zweite Nockenwelle von der ersten angetrieben
werden. In diesem Fall ist an den Nockenwellen je ein
Koppelrad (meist Ketten- oder Zahnrad) angebracht.
Für den Antrieb von Hilfs- oder Nebenaggregaten
wird am freien Ende der Nockenwelle ein zusätzliches
Abtriebselement oder ein Mitnehmer oder, zum Bei-
spiel an einer Stelle am Nockenwellenschaft, ein Ex-
zenter oder Hubprofil angebracht. Zur Bestimmung
der Phasenlage einer Nockenwelle, insbesondere bei
Verwendung von Nockenwellenverstellern, kann auch
ein Impulsgeberring (ein oder mehrere Impulse pro
Umdrehung) an der Nockenwelle angeordnet sein.
Der Nocken besteht aus einem Bereich mit kon-
stantem Radius (Grundkreis) und dem Hubbereich
(An- und Ablauframpe, Nockenflanke und Nocken-
spitze). Die Differenz zwischen Grundkreis und No-
ckenspitze ist der Nockenhub, der proportional dem
..Abb. 7.250  Varianten der Nockenwellenlagerung gewünschten kinematischen Ventilhub gewählt ist.
Bei Systemen mit mechanischer Spieleinstellung
haben Grundkreisfehler (Abweichungen des Grund-
286 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.251 Aufbau
1 einer Nockenwelle mit
Teilschnitt (rot)

2
3
4
5
6
7
8
9 kreises vom Konstantradius) keinen Einfluss auf das 7.16.4.1 Gussnockenwelle
Betriebsverhalten. Ein System mit hydraulischem Für Gleitkontakt und niedrig belasteten Rollkontakt
10 Spielausgleich hingegen reagiert auf jede Änderung
des Grundkreises. Bei einem Fehler entgegen der Be-
bietet eine Nockenwelle aus Gusseisen mit Kugel-
graphit (GJS) oder Lamellengraphit (GJL) den idea-
wegungsrichtung gleicht das hydraulische Ventilspiel- len tribologischen Partner für viele Anwendungen.
11 ausgleichselement (HVA) diesen Fehler als Ventilspiel Durch Legierungen und gezieltes Härten der Nocken
aus; in diesem Fall vergrößert sich der Ventilhub. Liegt können dabei ertragbare Pressungen bis deutlich über
ein Grundkreisfehler in Erhebungsrichtung vor, wird 1000 MPa erreicht werden.
12 das Ventil durch den damit verbundenen Kraftanstieg Beim Schalenhartguss (SHG) wird im Bereich der
bereits im Grundkreisbereich geöffnet. Nocken durch schnelles Abkühlen beim Gießvorgang
13 Durch dieses sogenannte Aufpumpen kann es in eine verschleißfeste Karbidstruktur (Ledeburit) mit
ausgeprägten Fällen zum vollständigen Verlust der hoher Härte und guter tribologischer Verträglichkeit
Kompression im Brennraum, zum Durchbrennen von erzeugt. Im Kernbereich und an den Lagerstellen der
14 Ventilen beziehungsweise Ventilsitzringen und damit Nockenwelle ist eine Graugussstruktur mit guter Be-
zum Motorausfall kommen. arbeitbarkeit vorhanden, . Abb. 7.253. Eine Sonder-
15 bauform der Gussnockenwelle stellt die sogenannte
TriLobe-Nockenwelle der Ventilsteuerung VarioCam
7.16.4 Technologien und Werkstoffe Plus dar. . Abb. 7.254 zeigt den Aufbau der Nocken
16 mit großen Nockenhub (äußere Nocken) und kleinem
Nockenwellen aus Gusseisen sind sehr weit verbreitet Nockenhub (innerer Nocken). In Kombination mit ei-
und können über Gefüge und Härte unterschieden ner Schalttasse wird eine Ventilhubumschaltung und
17 werden. . Abb. 7.252 zeigt einen Überblick über die somit ein variabler Ventiltrieb dargestellt.
verwendeten Technologien und Werkstoffe.
7.16.4.2 Gebaute Nockenwelle
18 Zunehmend Verbreitung finden gebaute Nocken-
wellen. Diese bestehen aus gefügten Einzelteilen (Rohr, Als Basis für eine gebaute Nockenwelle dient ein
Nocken, Antriebsflansch etc.). Die Werkstoffe können Rohr, mit dem einzelne Nocken durch thermischen
19 daher den jeweiligen Anforderungen angepasst wer- Schrumpfsitz, kraft- und reibschlüssiges Verpressen,
den. Für höchste Beanspruchungen werden aus Stahl Innenhochdruckumformung oder ein vergleichbares
20 geschmiedete Nockenwellen beziehungsweise aus dem
Vollen bearbeitete Nockenwellen (Stangenmaterial)
Fügeverfahren verbunden sind. Grundsätzlich kann
dabei zwischen Nockenwellen unterschieden werden,
verwendet. bei denen das Rohr und alle Fügeteile bereits beim Fü-
7.16 • Nockenwelle
287 7
..Abb. 7.252 Technolo-
gien und Werkstoffe bei Technologie Nockenwerkstoffe In Serie für:
Nockenwellen Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)
Pkw
Induktiv gehärtet
Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL)
Pkw
Umschmelzgehärtet (WIG)
Gussnockenwelle
Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)
Pkw / Lkw
Schalenhartguss
Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL)
Pkw / Lkw
Schalenhartguss

Stahl Pkw / Lkw

Sinterwerkstoffe Pkw
Gebaute Nockenwelle
Sinterwerkstoffe (Präzisionsnocken) Pkw

Guss in Entwicklung

Geschmiedete Nockenwelle Stahl Pkw / Lkw

Stangenmaterial bearbeitet Stahl Lkw

..Abb. 7.253 Schalen- Nockenwelle: Querschnitt


hartgussnockenwellen
im Schnitt

Nockenwelle: „grau“ erstarrter Bereich

180° Einstrahlung 360°


Struktur mit „gerichteten“ Karbiden Lamellengraphit

Kugelgraphit

Nockenwelle: Längsschnitt

ungeätzt geätzt

gevorgang als Fertigteile vorliegen und keine weitere unabhängig voneinander und für den jeweilige Einsatz
Bearbeitung benötigen, und Verfahren, bei denen die hinsichtlich Kosten, Eigenschaften und Fertigungs-
Nockenwelle nach dem Fügevorgang ganz oder teil- technologie optimal gewählt werden.
weise als Rohteil vorliegt und wie herkömmliche (nicht Als Werkstoff für die Nocken wird Stahl oder Sin-
gebaute) Nockenwellen geschliffen werden müssen. termaterial (P/M-Stahl) verwendet, Gussnocken befin-
Der Vorteil solcher gebauter Nockenwellen ist den sich in der Entwicklung.
neben der Gewichtsersparnis auch die Designfreiheit Stahlnocken werden meist als Rohteil geschmiedet,
für die einzelnen Nockenwellenbauteile als auch die anschließend wird die Innenbohrung bearbeitet und
Freiheit in der Materialauswahl. So kann der Werkstoff der Nocken auf das Rohr gefügt. Zum Erreichen der
für Nocken, Rohr, Lager, An- und Abtriebselemente notwendigen Materialeigenschaften kann der Nocken
288 Kapitel 7 • Motorkomponenten

bearbeitet sind, erfolgt das Fügen analog zu Stahl oder


1 Sinternocken.

7.16.4.3 Stahlnockenwelle
2 Für fast alle Anwendungen mit Rollkontakt in Nfz-,
Stationär- und einigen Pkw-Motoren werden ge-
3 schmiedete Stahlnockenwellen oder Stahlnockenwel-
len, die aus Vollmaterial bearbeitet sind, verwendet
(. Abb. 7.256). Vor allem wenn Nockenwellen über
4 zusätzliche Nocken zur Betätigung von Einspritzpum-
pen (PD/PLD) hohe Kräfte aufnehmen oder lange Le-
5 ..Abb. 7.254  TriLobe – Nockenwelle für Hubumschal-
bensdauerzeiten sicherstellen müssen (Stationär- oder
Marineanwendungen), kommen Stahlnockenwellen
tung
zum Einsatz. Bei hohen Anforderungen an die Torsi-
6 vor oder nach dem Fügen gehärtet und angelassen ons- beziehungsweise Zugfestigkeit müssen auch bei
werden. Gleitkontakt Stahlwellen eingesetzt werden. Durch
7 Beim Sintermaterial für Rollkontakt kann durch
die Möglichkeit, die Nockengeometrie exakter als die
die hohe ertragbare Pressung sowie die mechanischen
Materialeigenschaften können diese Nockenwellen für
geforderten Fertigungstoleranzen zu sintern, nach dem höchste Beanspruchungen verwendet werden, sofern
8 Bearbeiten der Innenbohrung und dem Fügen auf ein die tribologischen Partner abgestimmt sind.
Rohr mit Fertiggeometrie eine Nockenwelle erzeugt
werden, die nicht mehr nachbearbeitet werden muss. 7.16.4.4 Sonderformen
9 . Abb.  7.255 zeigt einige Beispiele für Nocken- von Nockenwellen
werkstoffe für gebaute Nockenwellen. Um den vielschichtigen Anforderungen moderner
10 Für die Anwendung von Sintermaterial für Gleit-
abgriff wird ein hochlegierter, flüssigphasengesinterter
Verbrennungsmotoren an die Ventilsteuerung gerecht
zu werden, kann die gebaute Nockenwelle einen ent-
P/M-Stahl entwickelt. In Entwicklung befinden sich scheidenden Beitrag leisten. Zu den bekannten Vortei-
11 gebaute Nockenwellen mit Schalenhartgussnocken. len gegenüber Gussnockenwellen (Gewichtsersparnis,
Damit können die Vorteile des Gussmaterials im Materialwahl) kommt die Integration von Zusatzfunk-
Gleitkontakt zum Nockenfolger mit den Vorteilen der tionen sowie die Optimierung der Nockenwelle hin-
12 gebauten Nockenwellen, wie zum Beispiel geringes Ge- sichtlich der Einsatzbedingungen hinzu.
wicht, kombiniert werden. Die Schalenhartgussnocken Zur Reduktion der Ventiltriebsreibung und des
13 können im Einzelguss oder als Stangenmaterial her- Verschleiß bei Mangelschmierung oder stetig steigen-
gestellt werden. Nachdem die Nocken in der Bohrung den Belastungen können Nockenwellen mit beschich-

14
..Abb. 7.255 Nocken-
werkstoffe für gebaute
15 Nockenwellen

16
17
18
19
20
7.16 • Nockenwelle
289 7

..Abb. 7.257  Wälzgelagerte Nockenwelle

in der Nockenwelle kann die Steuerzeit und/oder die


Ventilhubfunktion entsprechend des jeweiligen Motor-
..Abb. 7.256 Segmentnockenwelle für Stationärmo- betriebspunktes im Kennfeld gewählt werden.
tor: je Zylinder ein austauschbares Nocken-/Lagerele-
Die Integration der Funktion von zwei Nockenwel-
ment
len im Bauraum von einer Nockenwelle ist durch die
teten Funktionsflächen eingesetzt werden. Hierzu MAHLE CamInCam® (siehe . Abb. 7.259) umgesetzt.
kommen insbesondere Beschichtungen in Frage, wie Diese Nockenwelle besteht aus einer äußeren
diese bereits für Nockenfolger zum Einsatz kommen. Nockenwelle, auf welcher einerseits Nocken wie bei
Ausführungen solcher Nockenwellen sind derzeit in einer herkömmlichen Nockenwelle fest mit dem No-
der Entwicklung. ckenwellenrohr über einen thermischen Schrumpfsitz
Die wälzgelagerte Nockenwelle (Low Friction verbunden sind. Die anderen Nocken sind drehbar auf
Camshaft (LFC); siehe . Abb. 7.257) ermöglicht bei dem Nockenwellenrohr aufgebracht und sind mittels
minimalen Änderungen eine Reduktion der Verluste einer Stiftverbindung mit der zweiten, innenliegen-
im Verbrennungsmotor durch Einsatz von Wälzla- den Welle verbunden. Mit Hilfe eines einfachen, eines
gern anstelle der üblichen Gleitlagern. Durch die auf doppeltwirkenden oder zwei Nockenwellenverstellern
die Nockenwelle verbauten, geschlossenen Wälzlager lassen sich die beiden Wellen und somit benachbarte
kann die Lagerreibung halbiert und eine Druckölver- Nockenpaare unabhängig voneinander in deren Win-
sorgung der Lagerstellen, wie sie für Gleitlagerstellen kelposition verstellen (zum Beispiel die Einlass- und
erforderlich ist, entfallen. Die Schmierung der Wälz- Auslasssteuerzeit der zugehörigen Ventilerhebungen).
lager erfolgt durch Ölnebel im Zylinderkopf. Eine Im Vergleich zu Motoren mit zwei Nockenwellen
direkte Integration der LFC in den vereinfachten (DOHC) lassen sich bei Motoren mit bauartbedingt
Zylinderkopf(-haube) ist möglich. einer Nockenwelle (SOHC, OHV) weiteres Gewicht
Bei der Nockenwelle mit integrierter Ölnebelab- und Bauraum einsparen. Der freie Bauraum kann zur
scheidung wird das Blow-by-Gas durch die Nocken- Verbesserung von Aerodynamik und passiven Fußgän-
welle geleitet, in der ein Drallerzeuger mitrotiert, gerschutz genutzt werden.
. Abb. 7.258. Durch die Zentrifugalkraft werden die Mit einer CamInCam® kann bei Motoren mit bau-
schweren Ölanteile im Blow-by-Gas nach außen ge- artbedingt zwei Nockenwellen durch eine relative Ein-
tragen und bilden innen am Nockenwellenrohr einen lass- und/oder Auslassverstellung die Öffnungsdauer
Wandfilm. Dieser wird am – zur Nockenwellenantrieb- der Ventile hinsichtlich optimaler Gaswechselarbeit
seite abgewandten – Nockenwellenende vom gereinig- auf den vorliegenden Betriebszyklus (Miller/Atkinson-
ten Blow-by-Gas getrennt. Dieses aktive Abscheide- Cycle) stufenlos optimiert werden.
system zeichnet sich im Vergleich zu konventionellen, Durch die Verwendung eines Zwischenhebels in
separat verbauten Abscheidesystemen durch erhöhte Verbindung mit einer modifizierten CamInCam® kann
Ölabscheideraten, die Einfriersicherheit und eine deut- ein mechanisch vollvariabler Ventiltrieb zur drossel-
lich vereinfachte Zylinderkopfhaube mit verringerter freien Laststeuerung dargestellt werden (Variable Lift
Bauhöhe aus. and Duration (VLD); siehe . Abb.  7.260). Hierbei
Die Verwendung variabler Nockenwellen wirkt werden auf das Nockenwellenrohr besonders geformte
sich positiv auf Verbrauch, Emissionen und Drehmo- Nocken aufgebracht, die jeweils nur das Öffnen oder
mentcharakteristik aus, weil nicht der Kompromiss Schließen der Ventile bewirken. Der generelle Aufbau
zwischen hohem Drehmoment im unteren und mitt- der Nockenwelle in diesem vollvariablen Ventiltrieb-
leren Drehzahlbereich und der geforderten Motor- system gleicht dem der CamInCam®.
nennleistung erfolgen muss. Durch die teil- oder voll- Die Integration einer Hubumschaltung in die No-
variable Ventilsteuerung mittels Funktionsintegration ckenwelle ist in dem teilvariablen Ventiltriebsystem
290 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Gereinigtes Blow-by
Blow ..Abb. 7.258 Nocken-
1 welle mit integriertem
Ölnebelabscheider
Tauchrohr-

2
Separator

Drallerzeuger

3 Einlass Blow-by
Bl ow-By

Dichtring

4 Erzeugen eines Ölrücklauf


Ölfilms

5
Spritzschutz

6
AVS (Audi Valvelift System) (siehe . Abb. 7.261) um-
7 gesetzt. Die Nockenwelle besteht aus einer Grundwelle
mit aufgewalzter Evolentenverzahnung und federbelas-
teten Verriegelungen für die – auf der Welle in axialer
8 Richtung verschiebbaren – Nockensegmente, welche
ebenfalls innen eine Längsverzahnung aufweisen. Die
Verzahnung der Welle und der Nockensegmente grei-
9 fen ineinander ein und übertragen das über die Steu-
erkette von der Kurbelwelle eingeleitete Drehmoment
10 über die unterschiedlichen Nockenkonturen der No-
ckensegmente auf den Nockenfolger.
Eine weitere Sonderform von Nockenwellen ist
11 eine aus Kunststoff gespritzte Nockenwelle (siehe
. Abb.  7.262), wie sie in tragbaren Motorgeräten
..Abb. 7.259  MAHLE CamInCam® (zum Beispiel Fadenmäher, Laubgebläse, portable
12 Hochdruckreiniger) zum Einsatz kommt. Insbeson-
..Abb. 7.260 Vollvari- dere die im Vergleich zu Pkw-, Nfz- oder Motor-
13 abler Ventiltrieb VLD radmotoren deutlich geringeren mechanischen und
thermischen Belastungen sowie moderaten Anforde-
rungen an die Lebensdauer bei gleichzeitig geringem
14 Gewicht ermöglichen den Einsatz von Kunststoffen,
wie diese sonst bei Kettenspannsystemen verwendet
15 werden.

7.16.4.5 Werkstoffeigenschaften
16 und empfohlene Paarungen
. Abb.  7.263 zeigt für verschiedene Gusswerkstoffe
exemplarisch die Streubereiche für Torsions- und
17 Zugfestigkeit. Verschiedene mögliche Paarungen für
Roll- und Gleitkontakt und die dabei ertragbaren
18 Hertzschen Pressungen sind in . Abb. 7.264 und in der
Zusammenfassung der Serientrends in . Abb. 7.249
aufgezeigt. Ausgehend von den einfachsten Grauguss-
19 nockenwellen mit Gussstößel als Nockenfolger für den
Gleitabgriff kann mit den dargestellten Werkstoffpaa-
20 rungen der gesamte Bereich bis zum höchstbelasteten
Rollabgriff mit Nocken und Rollen aus Wälzlagerstahl
(100Cr6) abgedeckt werden.
7.16 • Nockenwelle
291 7

..Abb. 7.261  Explosionsdarstellung einer Audi Valve-


lift System-Nockenwelle [130]

..Abb. 7.262  Kunststoffnockenwelle für tragbare


7.16.5 Massereduktion Motorgeräte

Ähnlich wie beim Gesamtfahrzeug oder dem gesamten Eine Möglichkeit ist Hohlbohren oder zylindri-
Ventiltrieb unterliegt auch das Einzelbauteil Nocken- sches Hohlgießen von Nockenwellen mit bis zu 20 %
welle der Notwendigkeit der Massereduktion. Einerseits Gewichtseinsparung. Beim Hohlgießen mit gestufter
soll die statische Masse des Motors minimiert werden, Innenkontur (profilhohl) kann die Masse noch weiter
andererseits hat die bewegte Masse (rotatorisch) einen reduziert werden.
hohen Einfluss auf die Dynamik des Gesamtsystems. . Abb. 7.265 zeigt einige Beispiele für Massenre-
Gleichzeitig muss immer ein Kompromiss zwi- duktion im Vergleich zu Nockenwellen aus Vollmate-
schen technischer Machbarkeit (Mindestwandstärke rial sowie Beispiele für zylindrisch- und profilhohle
etc.), Kosten (Material, Bearbeitungsschritte etc.) und Nockenwellen.
Funktion (Nockenbreite, Grundkreisdurchmesser, Tor- Die gebaute Nockenwelle bietet zurzeit das größte
sionssteifigkeit etc.) gefunden werden. Potenzial zur Massereduktion. Die Wandstärke des

..Abb. 7.263  Festigkeitswerte verschiedener Gusswerkstoffe


292 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
..Abb. 7.264  Werkstoffpaarungen und Hertzsche Pressungen
9
10
11
12
13
14
15
16
..Abb. 7.265  Massereduktion bei Nockenwellen

17
Stahlrohrs kann weiter reduziert werden als die Wand- 7.16.6 Einflussfaktoren
18 stärke beim Gießvorgang. Durch Integration der No- für Nockenwellenbelastung
ckenwellenlager in den Nockenwellenschaft (Rohr-
durchmesser  =  Lagerdurchmesser) kann zusätzlich Die Ventiltriebskinematik bestimmt hauptsächlich die
19 Masse eingespart werden. Ein wichtiges Auslegekri- Belastung für die Nockenwelle. Dabei sind besonders
terium bei derartigen Wellen ist die Fügeverbindung die geometrischen Randbedingungen entscheidend
20 zwischen Nocken und Rohr mit ihrem Einfluss auf das
übertragbare Moment.
wie zum Beispiel Übersetzungsverhältnis oder No-
ckenprofil (zum Beispiel hohe Beschleunigungen). Zu-
sätzlich wird die Nockenwelle durch die bewegten Ven-
7.16 • Nockenwelle
293 7

Motorbremsbetrieb (Lkw- Motoren)


(z.B. „Jake“ - Brake)

Ventilfederkräfte
(Abgasgegendruck)

Massenkräfte
(bewegte Bauteile):
Ventil
Federteller+Befestigungskeile
Ventilbrücke
Kipphebel
Stoßstange
Nockenfolger Kontaktkraft zwischen
Nocken - Nockenfolger
(Drehmoment am Nocken)
Zylinderdruck bei Torsions - und Biegebelastung
„ Auslass öffnet“ der Nockenwelle
„Scharfe“ Nockenprofile
(hohe Beschleunigungen)
Nockenwellenantrieb;
Antriebsmoment für
Hilfs- und Nebenaggregate

..Abb. 7.266  Einflussfaktoren für die Nockenwellenbelastung

tiltriebsmassen und die Summenkraft aus Ventilfeder 7.16.7 Auslegung von Nockenprofilen
und Abgasgegendruck belastet. Durch ein integriertes
Motorbremssystem kann die Nockenwelle weiter und Hohes Motordrehmoment im unteren und mittleren
meist in erheblichem Maße (fünf- bis zehnfache La- Drehzahlbereich und eine gleichzeitig hohe Motor-
dungswechselkräfte) belastet werden. . Abb.  7.266 nennleistung stellen widersprüchliche Anforderungen
zeigt einige Einflussfaktoren für die Belastung einer an den Ventilhubverlauf. Bei Ventiltrieben mit festen
Nockenwelle. Steuerzeiten stellt der Ventilhubverlauf einen Kom-
Die so entstehenden Kontaktkräfte zwischen No- promiss für die optimale Füllung über den gesamten
cken und Nockenwelle bewirken ein Dreh- und Biege- Motorkennfeldbereich dar.
moment an der Nockenwelle, die in Summe mit dem Dieser Zielkonflikt kann durch teil- oder vollvari-
Antriebsmoment für Hilfs- und Nebenaggregate die able Ventilsteuerungen partiell oder ganz gelöst wer-
gesamte Torsions- und Biegebelastung der Nocken- den, in dem für die jeweiligen Motorbetriebspunkte
welle ergeben. im Kennfeldbereich entsprechend unterschiedliche,
Neben den Kontaktkräften und den resultieren- angepasste Ventilhubverläufe dargestellt werden kön-
den Momenten bestimmen auch die geometrischen nen.
Oberflächen und die Elastizitätsmodule die auftre- Der aus den thermodynamischen Berechnungen
tenden Hertzschen Pressungen und Verformungen. des Motorenherstellers geforderte Ventilhubverlauf
Zu den geometrischen Oberflächen der Nocken und sowie die geometrischen Randbedingungen wie Ven-
der Nockenfolger gehören der Formverlauf in Bewe- tildurchmesser, Ventilhub und Ventilfreigang zum
gungsebene, die Kontaktfläche (Punkt-, Linien- oder Kolben im oberen Totpunkt einerseits und die funk-
Flächenkontakt), die Kontaktbreite und die Balligkeit tions- und fertigungstechnischen Forderungen wie
über die Kontaktbreite. zum Beispiel ruckfreie Übergänge im gesamten Ven-
tilhubbereich oder die thermische Beanspruchung
des Auslassventils beim Öffnen andererseits sind die
wichtigsten Parameter.
294 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.267 Ventilhub,
1 -geschwindigkeit und
-beschleunigung über
dem Nockenwinkel
2 für einen Rollenhebel-
Ventiltrieb mit HVA

3
4
5
6
7
8 Dieser geforderte beziehungsweise angestrebte realistischere Werte für die Lage und Größe der maxi-
Ventilhubverlauf wird je nach Ventiltriebsbauart und malen Pressungen, . Abb. 7.267.
Kinematik in ein dem Nockenfolger angepasstes No- Beim Einsatz einer Rolle als Nockenfolger (Rol-
9 ckenprofil umgerechnet. lenstößel, Rollenhebel, Rollenschlepphebel) ergeben
Wird in der Auslegung ein mechanischer Spielaus- sich häufig Hohlradien in den Nockenflanken, um den
10 gleich gewählt, ist vor dem Öffnen des Ventils Spiel
im Gesamtsystem zwischen Nocken und Ventil vor-
geforderten Ventilhubverlauf hinsichtlich Ventilhub-
höhe, Ventilöffnungsdauer und Ventilbeschleunigung
handen, um auftretende thermische Ausdehnungen darstellen zu können. Die errechneten Hohlradien der
11 und mechanische Setzungserscheinungen während Nocken müssen immer größer dem Abgriffradius des
des Betriebs auszugleichen. Dieses Spiel bewirkt einen Nockenfolgers sein, um einen stetigen Ventilhubverlauf
unstetigen Hubbeginn und damit immer eine Stoß- zu gewährleisten. Hier müssen bezüglich der Schleif-
12 belastung. Beim Schließvorgang ergibt sich ebenfalls bearbeitung fertigungstechnische Grenzen beachtet
ein Stoß, da das Ventil im Ventilsitz landet, bevor der werden, das heißt unter Umständen ist es notwendig,
13 Nockenhub beendet ist. Um die Aufsetzgeschwindig- Abweichungen von der geforderten Ventilhubkurve zu
keiten und Stoßbeschleunigungen der beteiligten Ven- akzeptieren. Bei Verwendung von Sinternocken, deren
tiltriebsteile zu beschränken, müssen entsprechende Außenkontur keiner Schleifbearbeitung mehr bedarf,
14 Öffnungs- und Schließrampen vorgesehen werden. kann im Prinzip jeder Hohlradius realisiert werden.
Abhängig von Verschleiß und Temperatur ergibt sich Beim Einsatz einer gebauten Nockenwelle ist, je
15 bei Systemen mit mechanischem Ventilspielausgleich
unterschiedlicher Ventilhub und auch unterschiedli-
nach System, das zu übertragende beziehungsweise
das übertragbare Moment als entscheidende Größe
che Ventilüberschneidung (Bereich in dem Auslass- zu betrachten. Bei der Auslegung ist darauf zu achten,
16 und Einlassventile gleichzeitig geöffnet sind). Bei dass die maximalen dynamisch auftretenden Momente
Ventilsteuerungen mit hydraulischem Spielausgleich auch mit der notwendigen Sicherheit übertragen wer-
(HVA) ist dieses Spiel nicht vorhanden und somit den müssen.
17 können diese Rampen kleiner ausgeführt werden,
. Abb.  7.267, Ventilhub und -überschneidung mit
7.16.8 Kinematikrechnung
18 HVA sind näherungsweise konstant.
Ein wichtiges Kriterium der Auslegung ist die
Hertzsche Pressung. Diese Kenngröße beschreibt die Bei der kinematischen (quasistatischen) Berechnung
19 Druckbelastung der Kontaktpartner. Mit der maximal werden die bewegten Massen des Einzelventiltriebs
ertragbaren Hertzschen Pressung lässt sich eine Vor­ auf eine Einzelmasse und eine Feder (Ventilfeder) re-
20 auswahl der möglichen Werkstoffe für Nocken und
Nockenfolger treffen. Die Dynamikrechnung zeigt im
duziert. Dieser Einzelmasse wird eine Sollbewegung
(entsprechend dem Ventilhubverlauf) vorgegeben
Vergleich mit der kinematischen Basisauslegung meist (aufgeprägt). Damit werden Massen- und Federkräfte
7.16 • Nockenwelle
295 7
..Abb. 7.268 Theore-
tischer Ventilhub und
Hertzsche Pressung
(kinematisch und
dynamisch) für einen
Rollenhebel-Ventiltrieb
mit HVA

berücksichtigt; zusätzliche äußere Kräfte wie beispiels- der Modellierungsaufwand höher. Das Werkzeug für
weise Gaskräfte beim Öffnen des Auslassventils kön- die Dynamikrechnung ist die Mehrkörpersimulation.
nen berücksichtigt werden. Allen Programmen ist gemeinsam, dass die zu be-
Die wichtigsten Resultate der kinematischen Be- trachtenden mechanischen Systeme in Einzelmassen
rechnung sind hydrodynamisch wirksame Geschwin- zerlegt werden, und diese über Feder- und Dämpfer-
digkeit bei Gleitabgriff beziehungsweise Rollendreh- elemente, die den Steifigkeiten der Bauteile und deren
zahl bei Rollenabgriff, Kontaktkräfte beziehungsweise Dämpfungseigenschaften entsprechen, miteinander
Hertzsche Pressungen zwischen Nocken und Nocken- gekoppelt werden. Neben der Einbindung von hy-
folger sowie Lagerbelastungen der Ventiltriebsteile, draulischen Teilsystemen (HVA) in die Simulation
Belastung und Relativbewegung des Abtriebsgliedes ist es auch möglich, Ergebnisse der FEM-Rechnung,
auf dem Ventilschaftende beziehungsweise einer Ven- zum Beispiel kraft- oder wegabhängige Steifigkeiten
tilbrücke (zum Beispiel „Ventilfingerradius“, „Elefan- von Bauteilen in die Rechnung einzubinden. Der De-
tenfuß“, …) (. Abb. 7.268). taillierungsgrad der Dynamikrechnung ist praktisch
Die hydrodynamisch wirksame Geschwindigkeit beliebig und lediglich durch das Verhältnis Nutzen zu
(Summengeschwindigkeit, Schmierzahl) ist ein Maß Aufwand beschränkt.
für die Tragfähigkeit des Schmierfilms zwischen den Mit all diesen Elementen und Randbedingungen
Kontaktpartnern, . Abb. 7.269. Beim Gleitabgriff tre- entsteht ein schwingungsfähiges Modell, das neben
ten üblicherweise während einer Nockenumdrehung der Steifigkeit insbesondere auch Eigenfrequenzen des
zwei „Nulldurchgänge“ (Vorzeichenwechsel) dieser betrachteten Systems abbildet. Als Ergebnisse werden
Kurve auf. Da in diesem kurzen Moment die Trag- die Bewegung der einzelnen Komponenten sowie die
fähigkeit des Schmierfilms zusammenbricht, können auf sie wirkenden Kräfte und Pressungen ausgegeben.
hier durch entsprechende Gestaltung Verschleißrisiken In . Abb.  7.270 ist zu erkennen, dass die Kraft
verringert werden. zwischen Nocken und Rolle durch die der Sollbewe-
Bei Rollenabgriff mit Wälzlagerung (zum Beispiel gung überlagerten Schwingungen deutlich vom kine-
Nadellager bei einem Rollenschlepphebel) kann eine matisch ermittelten Verlauf abweicht. Besonders in
Lebensdauerbetrachtung (mit Berücksichtigung un- Ventiltrieben mit hydraulischem Spielausgleich kann
terschiedlicher Lastkollektive) durchgeführt werden. ein Kontaktkraftverlust zu gravierenden Problemen
(Aufpumpen des HVA mit der Folge Verschleiß oder
Ausfall von Ventiltriebsbauteilen) führen. Eine dyna-
7.16.9 Dynamikrechnung mische Analyse des Ventiltriebs kann bereits in der
Auslegungsphase (lange bevor Teile für Messung und
Die Dynamikrechnung liefert ein wesentlich genaue- Motorbetrieb angefertigt werden) kritische Kompo-
res Abbild des realen Systemverhaltens als das relativ nenten oder Zustände detektieren und dadurch den
einfache Kinematikmodell. Dementsprechend ist auch Entwicklungsprozess deutlich verkürzen.
296 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.269 Nocken-
1 kontur, theoretischer
Ventilhub und hydro-
dynamisch wirksame
2 Geschwindigkeit über
dem Nockenwinkel für
Nocken/Flachstößel-
3 Kontakt

4
5
6
7
8 ..Abb. 7.270 Theoreti-
scher Ventilhub, kinema-
9 tische und dynamische
Kontaktkraft über dem
Nockenwinkel für einen
10 Hebel-Ventiltrieb mit
HVA

11
12
13
14
15
16 7.16.10 Nockenwellenverstellsysteme beziehungsweise höchstes Drehmoment und höchste
Leistung abgestimmt werden. Nockenwellenverstellun-
Zur Einhaltung zukünftiger Abgasvorschriften und zur gen werden seit Mitte der 1980er-Jahre in Fahrzeugen
17 Absenkung des Verbrauchs werden bei Ottomotoren eingesetzt, zunächst als einfach gesteuerte 2-Punkt-
zunehmend Elemente zur Veränderung der Ventilsteu- Verstellungen, heute aber zunehmend als kontinuier-
18 erzeiten eingesetzt. Ein solches ist der Nockenwellen- lich einstellbare Systeme, betrieben im Regelkreis.
versteller, der eine kontinuierliche Veränderung der Bei DOHC-Motoren werden Nockenwellenver-
Steuerzeiten einer Nockenwelle in einem weiten Win- steller meist auf der Einlasswelle eingesetzt; typische
19 kelbereich zulässt. Damit ist bei DOHC-Motoren eine Verstellwinkel liegen bei 40 bis 60 °KW. Es sind jedoch
Veränderung der Ventilüberschneidung möglich und auch Auslassverstellungen vorzugsweise bei aufgelade-
20 damit eine Einstellung des Restgasgehaltes im Brenn-
raum. Weiterhin können, vor allem im Leerlauf und
nen Motoren in Serie sowie die Kombination beider
Freiheitsgrade bei höchsten Anforderungen hinsicht-
in der Volllast, die Steuerzeiten auf besten Komfort lich Leistung und Abgasqualität.
7.16 • Nockenwelle
297 7

Teilweise werden bei DOHC-Motoren Nockenwel- einer Treiberendstufe in der Motorsteuerung


lenversteller eingesetzt zur Entdrosselung, das heißt sowie Geberrädern und Sensoren an Kurbelwelle
Verbrauchsabsenkung durch spätes Schließen der Ein- und Nockenwelle. Hier können die im Motor
lassventile. Bei diesem Konzept ist jedoch weder eine bereits vorhandenen Bauteile genutzt werden,
Leistungssteigerung noch eine Komfortverbesserung wobei das Geberrad der Nockenwelle zu modifi-
im Leerlauf darstellbar, da die Ventilüberschneidung zieren ist.
nicht verändert wird.
Die kontinuierliche Nockenwellenverstellung wird Das Gesamtsystem der kontinuierlichen Nockenwel-
in einem geschlossenen Regelkreis betrieben und ist lenverstellung sowie die beschriebenen Komponenten
heute durchweg hydraulisch betätigt. sind in . Abb. 7.271 dargestellt.
In der Motorsteuerung wird je nach Last und Dreh- Zwei Bauformen der hydraulischen Verstellein-
zahl aus einem Kennfeld der geforderte Sollwinkel der heit haben sich durchgesetzt. Im Folgenden wird kurz
Steuerzeiteinstellung ausgelesen. Dieser wird mit dem auf deren prinzipiellen Aufbau eingegangen. Der No-
gemessenen Istwinkel verglichen. Abweichungen von ckenwellenversteller mit Schrägverzahnung besteht aus
Soll- zu Istwinkel werden von einem Regelalgorithmus den Hauptfunktionsteilen Antriebsrad (verbunden zur
ausgewertet und führen zu einer Veränderung des KW), Verstellkolben und Abtriebsnabe (verschraubt
Stromes zum Steuerventil. Damit steuert das Ventil Öl mit der NW). Diese Bauteile sind paarweise mitein-
in die jeweils der gewünschten Verstellrichtung ent- ander über geschrägte Steckverzahnungen verbunden,
sprechende Ölkammer des Nockenwellenverstellers, sodass eine axiale Verschiebung des Verstellkolbens
während Öl aus der jeweils anderen Kammer ablaufen eine Verdrehung der Antriebsnabe zum Antriebsrad
kann. Entsprechend der Befüllung der Ölkammern bewirkt. Die Übertragung des Drehmoments über
des Verstellers ändert sich die Winkellage der Nocken- Steckverzahnungen ist sehr robust. Die in . Abb. 7.272
welle zur Kurbelwelle. Sensoren lesen die Geberräder dargestellte Ausführung ist komplett abgedichtet für
an Nockenwelle und Kurbelwelle ab; aus diesen Sig- den Einsatz in Zahnriementrieben.
nalen wird wiederum der Istwinkel ermittelt. Dieser Beim Motorstart hält die dargestellte Feder den
Regelvorgang läuft ständig mit hoher Frequenz ab und Verstellkolben in seiner Basis- oder Endlage (Grund-
führt so zu einem guten Folgeverhalten bei Sollwin- stellung). Im geregelten Betrieb sind beide Kammern
kelsprüngen und einer hohen Winkelgenauigkeit beim ölbefüllt; die gute Abdichtung der beiden Kammern
Halten des Sollwinkels. Das System wird in der Regel zueinander bewirkt eine hohe Laststeifigkeit. Motorsei-
mit Motoröldruck betrieben; für Sportmotoren sind tig benötigte Sprungantworten werden ab circa 1,5 bar
auch Systeme mit Hochdruckversorgung bekannt. Motoröldruck erreicht.
Folgende Komponenten werden zur Darstellung In . Abb. 7.273 ist der Schwenkmotor- oder Flü-

-
einer Nockenwellenverstellung benötigt:
Die hydraulische Verstelleinheit, befestigt auf
der Antriebsseite der Nockenwelle. In diesem
Bauteil wird der Verstellwinkel durch wechsel-
gelzellenversteller in einer Ausführung für Kettentriebe
dargestellt. Diese Bauform des Nockenwellenverstellers
ist kompakter und kostengünstiger als die Ausführung
mit Schrägverzahnung; sie besteht nur noch aus den
weise Befüllung zweier Ölkammern eingestellt. Bauteilen Antriebsrad und Abtriebsnabe – die Über-
Geringe Leckage und ausreichende Kolbenflä- tragung des Drehmomentes im Betrieb erfolgt durch
chen stellen eine hohe Laststeifigkeit sicher. Die die Ölfüllung der Kammern. Nur während des Mo-
Verstelleinheit ist in verschiedenen Bauformen torstarts sorgt zumeist ein Verriegelungselement für
– mit Linearkolben und Schrägverzahnung oder eine feste mechanische Verbindung von Antrieb und

- mit Rotationskolben – ausgeführt.


Das Steuerventil, eingebaut in den Zylinderkopf
oder in ein Anbauteil, sollte nahe am Ölübertritt
zur Nockenwelle liegen. Das Ventil ist elektrisch
Abtrieb. Nach Befüllung des Nockenwellenverstellers
mit Öl wird das Verriegelungselement hydraulisch ent-
sperrt. Die verriegelte Endlage ist dabei in der Regel
für eine Verstellung der Einlassnockenwelle die „späte“
angesteuert, meist mit einem pulsweitenmodu- Steuerzeit, für eine Verstellung der Auslassnockenwelle
lierten Signal und steuert den Zu- und Ablauf die „frühe“ Steuerzeit der Nockenwelle.
des Öls in die Kammern des Verstellers. Hoher Das Steuerventil besteht aus einem hydraulischen
Durchfluss bei Verstellung und präzise Regelbar- Teil und einem Elektromagneten. Der hydraulische
keit zur Fixierung des Winkels sind die wichtigs- Schieber sitzt in einer Bohrung mit Anschlüssen für

- ten Merkmale des Ventils.


Der Regelkreis zur kontinuierlichen Einstellung
besteht aus einer entsprechenden Software und
Ölversorgung, Arbeitskammern des Nockenwel-
lenverstellers, sowie Ölrücklauf. Der Schieber wird
durch eine Feder in Richtung der Grundstellung be-
298 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.271 Kontinuierliche
1 Nockenwellenverstellung

2
3
4
5
6
7
8
9
10 ..Abb. 7.272 Schwenkmotor-
oder Flügelzellenversteller

11
12
13
14
15
16
17
18
19 lastet. Bei Bestromung des Elektromagneten wird der mit wird eine steife Einspannung des Verstellkolbens
Schieber gegen die Kraft der Feder verschoben. Dabei im Nockenwellenversteller erreicht. Entsprechend
20 ändert sich der Ölzufluss beziehungsweise -abfluss
der beiden Kammern; in der sogenannten Regelpo-
der Gegebenheiten des jeweiligen Anwendungsfal-
les wird das Steuerventil direkt in den Zylinderkopf
sition sind alle Ölwege weitgehend verschlossen. Da- integriert oder über ein Zwischengehäuse angebaut.
.
7.17 • Kettentrieb
301 7
..Abb. 7.273 Nockenwellenverstel-
ler mit Schrägverzahnung

Elektrisch ist das Steuerventil mit dem Motorsteuer- kungen unterliegt, entstehen sehr komplexe dynami-
gerät verbunden. sche Beanspruchungen des Triebes [134, 135].
Im Verlauf jahrzehntelanger Erfahrung haben sich
für Steuertriebe einige Abmessungen von Rollen- und
7.17 Kettentrieb Hülsenketten als besonders geeignet herausgestellt.
Dies sind 3/8″-Hülsenketten für Dieselmotoren
Die Nockenwelle hat die Aufgabe, Öffnungs- und und 8 mm-Hülsen- und 8 mm-Rollenketten für Otto-
Schließzeiten der Ventile sicherzustellen. Dies erfolgt motoren. Sind bei der Entwicklung eines Otto-Motors
an modernen kopfgesteuerten Triebwerken mittels besondere Anforderungen bezüglich Motor-Akustik
eines Zugmitteltriebes. Zum Einsatz kommen in den gestellt, sollten 8 mm- oder 6,35 mm-Zahnketten ein-
meisten Fällen Zahnriemen, Rollen-, Zahn- oder Hül- gesetzt werden.
senketten [131, 132], abhängig von der Auslegungsphi-
losophie mit unterschiedlichen Gewichten.
Die wichtigsten Kriterien bei der Entscheidung 7.17.1 Kettenbauformen
über den Antrieb sind Kosten, Bauraum, Wartungs-
freundlichkeit, Lebensdauer und Geräuschentwicklung. Bei den Standardketten unterscheidet man zwischen
Eine vergleichende Bewertung von verschiedenen Rollen- und Hülsenketten, in den Ausführungen Ein-
Steuerketten zum Zahnriemen zeigt . Abb. 7.274. fach- und Duplexkette. . Abb. 7.276. Eine Sonderbau-
Steuertriebe in modernen Motoren treiben neben form der Kette ist die Zahnkette, . Abb. 7.277, auch als
der Nockenwelle häufig noch andere Bauteile wie die Silentchain bezeichnet.
Ölpumpe, die Wasserpumpe und die Einspritzpumpe Herkömmliche Zahnketten, die in Steuertrieben
an. Eine mögliche Ausführung eines Steuertriebes zeigt eingesetzt werden, weisen durchwegs ein Bolzengelenk
. Abb. 7.275. auf. Durch die Kombination der Vorteile einer Hülsen-
Da sowohl Nockenwelle als auch Kurbelwelle un- kette und einer Zahnkette entsteht ein neuer Kettentyp
gleichförmig umlaufen und auch der Kraftbedarf der für Steuertriebe, eine Hülsenzahnkette, . Abb. 7.278.
Einspritzpumpe sehr starken periodischen Schwan- Diese Kettenvariante empfiehlt sich überall dort, wo es
302 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.274 Vergleichende
1 Bewertung von Steuerkette und
Zahnriemen [133]

2
3
4
5
6 ..Abb. 7.275 Steuerkettentrieb
eines V6-Motors (Quelle: Fa. AUDI)
7
8
9
10
11
12
13 Ölpumpentrieb
Massenausgleichstrieb
Steuerketten
für Ottomotoren
Steuerketten
für Dieselmotoren
..Abb. 7.276 Ketten-
bauformen
3.5 4.76 5.72 5.72 5.72
min. 5.72
14 8
9.525 9.525
9.525

9.525

15 ∅5
∅ 6.35 ∅ 6.35 ∅ 6.35
∅7
11.7
∅ 6.35
16 9.8
14
10.46 15.5 10.5

max. 23.7 23.8

17 7 mm- 8 mm-
Hülsenkette Hülsenkette
3,8'' -
Rollenkette
3,8'' -
Rollenkette
3,8'' -
Hülsenkette
3,8'' -
Hülsenkette

18 auf geringen Verschleiß sowie auf gutes Akustik- und che Aufbauänderung in jeder beliebigen Breite gebaut
Dynamikverhalten ankommt [136]. werden. Gegen das Ablaufen vom Rad werden Füh-
Bei den Zahnketten sind die Laschen so ausge- rungslaschen eingebaut, die entweder in der Mitte oder
19 bildet, dass sie die Kraftübertragung zwischen Kette außen (beidseitig) angebracht werden.
und Kettenrad übernehmen können, während bei Die sich über den Hülsen drehenden Rollen einer
20 Rollen- oder Hülsenketten die Verbindung mit dem
Kettenrad in der Gelenkstelle über Bolzen, Hülse oder
Rollenkette gleiten mit wenig Reibung an den Zahn-
flanken des Kettenrades, sodass immer wieder eine
Rolle erfolgt. Zahnketten können ohne grundsätzli- andere Stelle des Umfangs zum Tragen kommt. Der
7.17 • Kettentrieb
303 7

..Abb. 7.278 Hülsenzahnkette

entsteht eine dynamische Belastung der Kette. Dabei


darf die Dauerfestigkeit der Kette nicht überschritten
werden, da die Zahl solcher Lastwechsel während der
Lebensdauer eines Motors in jedem Fall größer als
108 LW ist.
Bei den heutigen Motoren mit präzisen Steuerzei-
..Abb. 7.277 Zahnkette
ten sind geringe Längungen durch Verschleiß von 0,2
bis 0,5 % der Kettenlänge bei bis 250.000 km Laufleis-
Schmierstoff zwischen Rollen und Hülsen trägt zur Ge- tung erreichbar.
räusch- und Stoßdämpfung bei. Bei einer Hülsenkette Ein Kettensteuertrieb stellt mit Masse, Steifigkeit
berühren die Zahnflanken des Kettenrades die festste- und Dämpfung ein schwingungsfähiges System mit
henden Hülsen stets an der gleichen Stelle. Deshalb mehreren Freiheitsgraden dar. Dies kann bei entspre-
ist eine einwandfreie Schmierung bei solchen Trieben chender Anregung durch Nockenwelle, Kurbelwelle,
besonders wichtig. Einspritzpumpe etc. auf Grund von Wechselwirkungen
Hülsenketten verfügen bei gleicher Teilung und Resonanzeffekte verursachen, die zu einer Extrembe-
Bruchkraft über eine größere Gelenkfläche als die ent- lastung des Steuertriebes führen.
sprechenden Rollenketten. Eine größere Gelenkfläche Durch konstruktive Maßnahmen ist eine Steifig-
ergibt eine geringere Gelenkflächenpressung und da- keitserhöhung der Kette unter Beibehaltung der spe-
mit einen geringeren Verschleiß in den Gelenken. zifischen Masse realisierbar.
Besonders bewährt haben sich Hülsenketten bei Auch wird die Kettensteifigkeit als eine wichtige
hochbeanspruchten Nockenwellen-Antrieben in Eingangsgröße für eine dynamische Simulationsrech-
schnelllaufenden Dieselmotoren. Sobald die Übertra- nung benötigt. Mit Hilfe dieser Rechnungen ist es
gung eines gegebenen Drehmoments mit einer Ein- möglich bereits in der Entwicklungsphase das dyna-
fachkette bei einem bestimmten maximalen Ketten- mische Verhalten eines Kettensteuertriebes voraus-
raddurchmesser zu einer Zähnezahl von < 18 Zähnen zuberechnen und gegebenenfalls Parameterstudien
führen würde, empfiehlt es sich, auf eine Mehrfach- durchzuführen.
kette kleinerer oder gleicher Teilung überzugehen.

7.17.3 Kettenräder
7.17.2 Kettenkennwerte
Die Zahnform der Kette ist für Rollenketten, Hül-
Drei wesentliche Faktoren kennzeichnen die Ge- senketten und Zahnketten genormt (DIN 8196). Die

--
brauchseigenschaften von Steuerketten:
Bruchfestigkeit,
zweckmäßige Ausbildung der Zahnform ist für den si-
cheren Betrieb eines Steuertriebes ebenso von großer

- Dauerfestigkeit, . Abb. 7.279,
Verschleißfestigkeit.

Als Ursache für einen Bruch kommt ein Überschreiten


Bedeutung wie zum Beispiel die Verschleißfestigkeit
der Kette.
Zur Anwendung kommen meist Kettenräder mit
maximaler Zahnlückenform, . Abb. 7.280. Diese Aus-
der statischen oder dynamischen Bruchlast in Frage. führung gestattet infolge der niedrigen Zahnkopfhöhe
Speziell bei Steuertrieben wird man keine gleich- und der größeren Zahnlückenöffnung den ungestörten
mäßige Belastung antreffen. Infolge der schwellenden Ein- und Auslauf der Kette auch bei höheren Ketten-
Drehmomente der Nockenwelle, der Einspritzpumpe geschwindigkeiten.
bei zum Beispiel Dieselmotoren, der Drehungleich- Je nach Bauraum und Anwendungsfall werden
förmigkeit der Kurbelwelle und der durch den Poly- Scheibenräder oder Kettenräder mit einseitiger oder
goneffekt verursachten, schwellenden Kettenlängskraft zweiseitiger Nabe verwendet (. Abb. 7.281). Die Ma-
304 Kapitel 7 • Motorkomponenten

10000 ..Abb. 7.279 Dauerfes-
1 tigkeitsergebnisse Hül-
Hülsenkette
sen- und Rollenketten

2
Di-Anwendungen
Lastspitze in N

3 5000 Hülsenkette Vorkammer-


Dieselmotoren

Rollenkette Hochleistungs-

4 steuertriebe für Ottomotoren

Rollenkette
Ölpumpenkette

5 0
10000 100000 1000000 10000000 100000000
6 Lastwechselzahl

7
8
9
10
11
12
..Abb. 7.280  Kettenräder Zahnlückenform (d = Teilkreisdurchmesser, d1 = maximaler Rollendurchmesser, r1max/
13 min = maximaler/minimaler Rollbettradius, r2 max/min = maximaler/minimaler Zahnflankenradius, χmax/min = maxima-
ler/minimaler Rollbettwinkel)

14 terialauswahl hängt von den Steuertriebsverhältnissen, ohne dass neben der vorgeschriebenen Motorwartung
den Betriebsbedingungen und der Leistungsübertra- besondere Pflege notwendig wäre.
15 gung ab. Eingesetzt werden Kettenräder aus Koh-
lenstoffstahl und legierten Stählen sowie gesinterten
Der Kettenspanner, . Abb. 7.282, übernimmt eine
Reihe von Aufgaben im Steuertrieb. Zum einen wird
Werkstoffen. die Steuerkette in allen Betriebsbedingungen im Leer-
16 Als Werkstoffe für feingestanzte Räder kommen trum unter einer definierten Last vorgespannt, auch
zum Beispiel C 10, für spanend hergestellte Räder zum bei im Betrieb auftretender Verschleißlängung. Durch
Beispiel 16MnCr5 oder in gesinterter Ausführung D 11 ein Dämpfungselement, entweder Reibungs- oder
17 mit der für den Werkstoff entsprechenden Wärmebe- Viskose-Dämpfung, werden Schwingungen auf ein
handlung zur Anwendung. zulässiges Maß reduziert.
18 Als Führungselemente dienen zum Teil ein-
fache Schienen aus Kunststoff oder aus Metall mit
7.17.4 Kettenführungselemente Kunststoffauflage, die je nach Kettenbahn eben oder
19 gekrümmt sind, . Abb. 7.283. Bei neueren Baufor-
Durch den Einsatz von permanent wirkenden Spann- men werden die Schienen zumeist aus Kunststoff
20 und Führungselementen, die auf den jeweiligen Motor
genau abgestimmt sind, lässt sich der Trieb so optimie-
gespritzt.
Dabei wird bei der Spannschiene auf einen Träger
ren, dass seine Lebensdauer der des Motors entspricht, aus PA 66 mit 50 % Glasfaser ein Reibbelag aus PA 46
7.18 • Riementriebe
305 7

Einsparungspotenzial zur Verringerung des Kraftstoff-


verbrauchs genutzt werden.
Entscheidend ist die optimale Gestaltung der Ket-
tenlinie. Durch den Verzicht von stark gekrümmten
Schienen lässt sich die Reibung bis zu 70 % reduzieren
[137]. Neben der Gestaltung der Kettenlinie spielen die
Feingestanztes Kettenrad eingesetzten Materialien für Spann- und Führungs-
schienen eine wichtige Rolle. Versuche zeigten, dass
bei entsprechender Materialauswahl eine Reduzierung
von bis zu 10 % möglich ist.
Von entscheidender Bedeutung für das Reibungs-
verhalten von Steuertrieben ist die Qualität der La-
schen der Steuerketten und die Anzahl der Laschen,
Gesintertes Kettenrad die sich im Kontakt zur Schiene befinden. Zur Anwen-
dung kommen die Qualitäten „Nachschneiden“ oder
„Feinstanzen“. Das größte Potenzial zeigen Ketten mit
feingestanzten Laschen.
. Abb.  7.284 zeigt die prinzipbedingten Unter-
schiede in Bezug auf das Reibverhalten zwischen den
verschiedenen Steuerketten-Ausführungen.

Gespantes doppelreihiges Kettenrad


7.18 Riementriebe
..Abb. 7.281 Kettenräder

Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die


Anforderungen und die Funktion aktueller Riemen-
aufgespritzt oder aufgeclipst. Die Gleitschienen sind triebe an Verbrennungsmotoren, Zahnriementriebe
meist als Einkomponenten-Schiene ausgeführt. zum Antrieb der Nockenwellen und Micro-V®-
Riementriebe zum Antrieb der Nebenaggregate.

7.17.5 Reibungsreduzierungs­
konzepte von 7.18.1 Zahnriementriebe zum Antrieb
Steuerkettentrieben von Nockenwellen

Bei der Auslegung von Steuerkettentrieben von Ver- Der Zahnriementrieb zum Antrieb der Nockenwellen
brennungsmotoren rückt die Reibungsreduzierung ist heute mit einem Marktanteil von 50 % in europäi-
immer mehr in den Fokus. Durch die weltweiten Vor- schen Motoren vertreten. Dies ist im Wesentlichen auf
gaben zur CO2-Reduzierung muss jedes erdenkliche Vorteile in der Einfachheit des Triebes, in der Flexibi-
lität der Riemenführung, der geringen Reibung, sowie

..Abb. 7.282 Kettenspanner

Mechanischer Einschraub-Kettenspanner Flansch-Kettenspanner


Kettenspanner
306 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.283 Führungselemente
1
2
3
4
2K-Kunststoff-Gleitschiene 1K-Kunststoff-Gleitschiene

5
..Abb. 7.284 Reibmo-
6 ment verschiedener
Kettentypen mit Ketten-
teilung 8 mm
7
8
9
10
11
12
13
auf Kostenvorteile gegenüber alternativen Antriebssys- wurde Polychloroprene (CR) verwendet. Bedingt
temen zurückzuführen. Weiterhin können Nebenag- durch die hohen Anforderungen an die Temperatur-
14 gregate wie Ölpumpen oder Wasserpumpen im Trieb und Alterungsbeständigkeit sowie die dynamische Fes-
integriert werden. tigkeit kommen heute vorwiegend HNBR-Materialien
15 7.18.1.1 Antriebselement Zahnriemen
(Hydrierter Acrylnitrilbutadien-Kautschuk) zum Ein-
satz.
Aufbau des Zahnriemens Der Zugkörper besteht aus zu Cord zusammenge-
16 Der Zahnriemen ist ein Verbund aus drei Komponen- fassten Glasfaserfilamenten – eine Konstruktion, die

--
ten (. Abb. 7.285):
Polyamidgewebe,
sich durch hohe Zugfestigkeit bei geringster Dehnung
verbunden mit hoher Biegewilligkeit auszeichnet.

-
17 Gummimischung, Dadurch eignet sie sich besonders gut für Nocken-
Zugkörper, üblicherweise endlos gewickelter wellenantriebe, die einerseits über Lebenszeit hohe
18 Glascord. Anforderungen an den stationären wie dynamischen
Synchronlauf stellen und andererseits aus Bauraum-
Das Gewebe besteht aus hochfestem Polyamid und ist gründen teils kleinste Riemenscheiben aufweisen.
19 abrieb- und verschleißfest beschichtet. Es schützt so- Bedingt durch den Fertigungsprozess liegen die
wohl die Gummizähne als auch den Cord im Bereich Zugkörper spiralförmig im Riemenverbund, und zwar
20 des Riemenstegs vor Verschleiß.
Die Gummimischung besteht aus einem wider-
paarweise jeweils S und Z (gegenläufig) gezwirnt, um
ein neutrales axiales Laufverhalten des Riemens zu
standsfähigen Polymer. In den ersten Anwendungen erzielen.
7.18 • Riementriebe
307 7
..Abb. 7.285 Aufbau
des Zahnriemens

Zahnriemenprofile miert worden (Power Function Profile), dass sie auf


Seit Einführung der Zahnriementriebe für Nockenwel- den bestehenden Trapez-Zahnscheiben eingesetzt wer-
lensteuerungen hat es eine vielseitige Evolution in der den konnten. Die zugehörigen Zahnscheiben Typ ZA
Profilgebung der Riemen gegeben. Deshalb ist heute (C beziehungsweise CF-Zahn) und Typ B (B bezie-
eine Vielzahl von Profilen im Einsatz. Im Folgenden hungsweise BF-Zahn) sind in ISO 9011 festgelegt.
werden die verschiedenen Profile mit ihren Eigen- HTD steht für „High Torque Drive“ und wurde
schaften dargestellt. von Gates entwickelt und patentiert. Mit diesem kreis-
Die ersten Nockenwellenriemen basierten auf der bogenähnlichen Profil gelang eine wesentliche Verbes-
klassischen Power Grip®-Trapezzahnform, wie sie be- serung hinsichtlich der Geräuschreduzierung und der
reits im Industriebereich bekannt war. Aufgrund der Lastübertragung und damit der Lebensdauer.
gestiegenen Anforderungen bezüglich Lastübertra- Mit der Einführung der nächsten Generation
gung, Überspringsicherheit und Geräuschentwick- HTD 2 wurden die bereits vorhandenen Vorteile von
lung wurden kreisbogenähnliche (Power Grip® HTD/ HTD-Profilen weiter verbessert. Hier sind nochmals die
High Torque Drive) Profile entwickelt. Im Vergleich Fußradien und die Flankenwinkel vergrößert worden.
zum Trapezprofil werden die Kräfte bei kreisförmigen Für beide Profiltypen werden eigenständige Zahn-
Profilen gleichmäßiger in den Zahn eingeleitet und scheibenprofile verwendet. Die genauen Profildaten
damit Spannungsspitzen vermieden (. Abb.  7.286). stehen bei Gates zur Verfügung. Es werden bei beiden
Auf heutigen Anwendungen kommen ausschließlich Profilen zwei Teilungen eingesetzt: 9,525 und 8,00 mm.
kreisbogenförmige Profile zum Einsatz. Die kleinere Teilung kommt bei weniger stark belas-
Bei der ersten Generation Zahnriemen für Nocken- teten Trieben zur Anwendung – vorwiegend Benzin-
wellenantriebe – den Trapezzahnriemen – gab es zwei motoren – und erlaubt eine kompaktere Baugröße des
verschiedene Zahnformen – den kleineren „C-Zahn“ gesamten Triebes.
für Ottomotoren und den größeren „B-Zahn“ für Die- Jedes der vorgenannten Profile kann auch bei ei-
selmotoren, jeweils mit einer Teilung von 9,525 mm nem doppelseitigen Zahnriemen eingesetzt werden
(. Abb. 7.287). Diese Unterscheidung wird bei den neu- (. Abb. 7.288). Anwendungen für doppelseitige Zahn-
entwickelten HTD-Zahnprofilen nicht mehr gemacht. riemen sind zum Beispiel Ausgleichswellentriebe.
Mit der Einführung der HTD-Profile im Markt
musste berücksichtigt werden, dass bei einigen Auto- Kenngrößen – Zahnriemen und Zahnscheiben
mobilherstellern die bestehenden Trapezzahnscheiben In . Abb.  7.289 sind die wichtigsten Kenngrößen
weiterhin verwendet wurden. des Zahnriemens dargestellt. Die Zahnhöhe plus die
Für diese Anwendungen sind die Profile in Bezug Stegstärke ergibt die Gesamtdicke des Zahnriemens.
auf Fußradius, Flankenform und Zahnhöhe so opti- Der Wirklinienabstand (PLD), der Abstand vom Steg-
308 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.286 Entwick-
1 lung der Zahnriemen-
Belas profile
tung

2 Riemenzahn

3 Power Grip ®
Trapezzahnriemen Zahnrad

4
5
Belas
tung

6
n
® enzah
Riem
7
Power Grip HTD - Zahnriemen
Zahnrad

8
PowerGrip ® Trapez Profile ..Abb. 7.287 Zahn-
profile
9 Teilung 9.525 mm C - Zahn Teilung 9.525 mm B - Zahn

10 1.90 2.30

11
PowerGrip ® Power Function Profile
12 Teilung 9.525 mm CF - Zahn Teilung 9.525 mm BF - Zahn

13 2.20 2.80

14
PowerGrip ® HTD Profil
15
Teilung 8.00 mm Teilung 9.525 mm

16
3.20 3.60

17
18
PowerGrip ® HTD 2 Profil
19 Teilung 8.00 mm Teilung 9.525 mm

20 3.10 3.50
7.18 • Riementriebe
309 7
Twin Power(R) Profile der Komponenten und daraus berechnet die dyna-
mischen Umfangskräfte, sowie die Riemendaten. Mit
diesen Daten lässt sich die Systemgeometrie wie zum
Beispiel Trumlängen und die Umschlingungswinkel,
aber auch die Lebensdauer des Riemens in Bezug auf
verschiedene Fehlermodi berechnen und optimieren.
Mit den dynamischen Kräften und Schwingungen kön-
nen ebenso die anderen Komponenten im System wie
die Auslegung der Umlenkrollen und der Spannrollen
..Abb. 7.288  Doppelseitiger Zahnriemen berechnet werden.
Im Folgenden werden einige allgemeine Ausle-
bereich zur Mitte der Zugstränge, ist abhängig von gungskriterien dargestellt, die bei Zahnriemensyste-
der Zahnriemenkonstruktion, der Gewebedicke, dem men berücksichtigt werden sollen, um ein funktionsfä-
Durchmesser der Zugstränge und verschiedenen pro- higes System mit den heute geforderten Lebensdauern
duktionstechnischen Parametern. von 240.000 km zu erhalten:
Die Breite des Zahnriemens wird entsprechend der
dynamischen Wechselbelastung ausgelegt und liegt bei Empfohlene Mindestumschlingungswinkel
Verbrennungsmotoren üblicherweise zwischen 15 und Kurbelwelle 150°
25 mm, bei einzelnen Anwendungen bis zu 30 mm. Nockenwelle/Einspritzpumpe 100°
Für die Zahnscheibe muss das Profil in Abhängig- Nebenaggregatescheibe 90°
keit vom Durchmesser bestimmt werden. Der Wirk- Spannrolle (glatt oder verzahnt) min. 30°, besser > 70°
durchmesser ergibt sich aus der Anzahl der Zähne und Umlenkrolle (glatt oder verzahnt) 30°
der Teilung, der Außendurchmesser der Zahnscheibe
ist um den PLD reduziert (. Abb. 7.290). Periodischer Zahneingriff
Ein periodischer Zahneingriff bedeutet, dass immer die
7.18.1.2 Antriebssystem Zahnriemen gleichen Riemenzähne in die gleichen Scheibenlücken
Die wichtigste Anforderung an das System Zahnrie- eingreifen. Dies ist zu vermeiden, um dadurch beding-
mentrieb ist die Synchronisation der Nockenwelle über ten ungleichmäßigen Riemenverschleiß, beziehungs-
die Motorlebensdauer. Dies ist ein wichtiges Kriterium weise Riemenbeschädigungen auszuschließen. Das Auf-
für die Einhaltung der Emissionswerte auch nach län- treten von Periodizität errechnet sich folgendermaßen:
geren Laufstrecken. Durch die Wahl der Materialien des
Zahnriemens, den Einsatz eines automatischen Spann- Zähnezahl der Zahnriemens
X.nnn = ;
systems sowie einer optimierten Systemdynamik kann Zähnezahl der Zahnscheibe
die Längung des Zahnriemens unter 0,1 % der Riemen-
länge gehalten werden. Dies ergibt bei Vierzylindermo- wobei folgende X.nnn-Werte vermieden werden soll-
toren eine Steuerzeitenabweichung von 1 bis 1,5° bezo- ten:
gen auf die Kurbelwelle. Diese Verstellung ist so gering, X.nnn = X.0, X.5 (müssen vermieden werden),
dass sie im Allgemeinen nicht vorgehalten werden muss. X.nnn = X.25, X.333, X.666, X.75 (sollten vermieden
Weiterhin gelten die im Motorenbau üblichen werden).
Anforderungen hinsichtlich Motorlebensdauer (aktu-
ell 240.000 bis 300.000 km) [138], Temperaturen von Mindestdurchmesser von Zahnscheiben und
circa 120 °C sowie möglichst geringer Bauraum und Umlenkrollen
minimales Gewicht. Störende Geräusche des Zahnrie- Teilung 9,525 mm 17 Zähne
mentriebs sind nicht akzeptabel. Teilung 8,00 mm 18 Zähne
Unverzahnte Umlenkrollen ⌀ 50 mm
Auslegungskriterien
Die Auslegung komplexer Zahnriementriebe wird Toleranzen der Zahnscheiben

--
rechnergestützt durch hauseigene Programme vorge- und Umlenkrollen
nommen. Hier soll ein Überblick über die wichtigsten Rundlauf/Planlauf: ⌀ 50 bis 100 mm 0,1 mm
Parameter der Auslegung sowie einige allgemeine Aus-
legungskriterien dargestellt werden. Wichtige Einga-
- ⌀ > 100 mm 0,001 mm pro mm ⌀
Konizität des Außendurchmessers: ≦ 0,001 mm
bedaten sind die Anordnung der Komponenten, also
die Antriebskonfiguration, die Drehmomentverläufe
- pro mm Scheibenbreite
Parallelität von Bohrung zur Verzahnung:
310 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.289 Kenn­
1 größen Zahnriemen

B
PLD/2

D
2 P = Teilung
P D = Zahnhöhe
W = Stegstärke
3 B
PLD/2
=
=
Breite
Wirklinienabstand

4
-- ≦ 0,001 mm pro mm Scheibenbreite geometrische Auslegung der axialen Führungsschei-

5 - Oberflächenrauhigkeit: Ra ≦ 1,6 µm
Teilungsfehler < 100 mm ⌀ ±0,03 mm Lücke/Lü-
ben ist in . Abb. 7.291 dargestellt.

- cke/0,10 mm über 90° Riemenspannsysteme


100 bis 180 mm ⌀ ±0,03 mm Lücke/Lü- Feste Spannrollen  In der Vergangenheit sind aus-
6 cke/0,13 mm über 90° schließlich feste Spannrollen eingesetzt worden. Es
wurden überwiegend exzentrisch gelagerte Umlenk­
Axiale Führung
7 Ein Zahnriemen muss zumindest an einer Scheibe
rollen verwendet (. Abb.  7.292). Die Vorspannung
wurde maschinell an der Linie eingestellt und mit
durch Bordscheiben geführt werden, um ein Ablaufen geeigneten Messmitteln kontrolliert (Trumfrequenz-
8 vom Trieb zu vermeiden. In der Regel wird der Riemen messung). Feste Spannrollen haben den Nachteil, zum
an der Kurbelwellenscheibe geführt. Hierbei dient oft einen den temperaturbedingten Spannungsaufbau,
der Kurbelwellendämpfer als vordere Bordscheibe. Die bedingt durch die höhere Ausdehnung des Motors im
9 hintere Scheibe ist an der KW-Zahnscheibe befestigt Vergleich zum Zahnriemen bei Motorerwärmung, und
beziehungsweise integriert. Bei komplexen Mehrventil- zum anderen den Spannungsabfall der Riemen über
10 trieben, können je nach Anzahl der Scheiben und Um-
lenkrollen weitere Bordscheiben notwendig werden. In
die Laufzeit durch Riemenlängung und Riemenver-
schleiß, nicht kompensieren zu können.
diesen Fällen empfiehlt es sich, die Bordscheiben an
11 Zahnscheiben anzuordnen und nicht an Umlenkrol- Automatische Spannrollen  Bedingt durch die Nach-
len. Generell ist bei Zahnscheiben mit Bordscheiben teile der festen Spannrollen und die stark angestie-
auf eine genaue Fluchtung zu den anderen Scheiben genen dynamischen Kräfte im Nockenwellenantrieb
12 zu achten, um den Riemen nicht von seiner Laufspur bei gleichzeitig gestiegenen Lebensdauerforderungen
abzulenken. Zahnscheiben und Rollen mit nur einer werden in zunehmendem Maße automatische Spann-
13 Bordscheibe oder ohne Bordscheiben werden breiter rollen eingesetzt. Mit dieser Technologie kann sowohl
als der Riemen ausgeführt, um ein sicheres Laufen des der Spannungsanstieg über Temperatur und die Rie-
Riemens auf der Scheibe beziehungsweise der Rolle zu menlängung kompensiert werden, als auch die not-
14 gewährleisten. Die Breite der Zahnscheiben sowie die wendige hohe Spannung konstant aufgebracht werden,
die für einen zuverlässigen Betrieb bei hoher Motor-
15 PD = Teilung x Zähnezahl
dynamik erforderlich ist. Am weitesten verbreitet ist
der mechanische, reibgedämpfte Kompaktspanner. Bei
PLD/2

OD = PD – PLD sehr hohen dynamischen Kräften im System Zahn-


16 riementrieb werden in einigen Anwendungen auch
hydraulische Spannrollen eingesetzt, die aufgrund
Außendurchmesser OD
Wirkdurchmesser PD

ihrer asymmetrischen Dämpfung selbst bei geringen


17 Vorspannkräften sehr gute Dämpfungseigenschaften
aufweisen.
18 7.18.1.3 Zahnriementriebdynamik
Die Optimierung der Systemdynamik ist ein wesent-
19 licher Schritt auf dem Weg zu Zahnriementrieben mit
Motorlebensdauer, weil damit die Randbedingungen
PLD/2 = Wirklinienabstand
20 (Halber Abstand des Außendurchmessers zur Wirklinie )
in Bezug auf Kräfte und Belastungen möglichst mini-
miert und gleichzeitig kontrolliert werden. Dabei muss
..Abb. 7.290  Kenngrößen Zahnscheibe sichergestellt werden, dass alle Komponenten im Trieb
7.18 • Riementriebe
311 7
..Abb. 7.291 Schei- 8–25°°
benbreite und Riemen-
führung
b f′′ b f′ bf

> 2,4
∅ Scheibe + 0,38

∅ Scheibe
>1.0
b = nominale Riemenbreite
bf ′′ = b + (1.5 x positive Toleranz der Riemenbreite)
bf ′ = b + 1.75 mm
bf = b + 3.50 mm

..Abb. 7.292 Riemen- Exzenter -Spannrolle Mechanischer Kompaktspanner Hydraulikspanner


spannsysteme

unter diesen Bedingungen das Lebensdauerziel errei- entsprechende Patentschriften stammen bereits aus
chen. den 1990er-Jahren.
Die dynamische Belastung des Triebes, Dreh- Die durch die Ventilbetätigung bedingten Wech-
schwingungen, dynamische Kräfte und Trumschwin- selmomente der Nockenwellen stellen insbesondere
gungen müssen im Zusammenspiel optimiert werden. im mittleren und höheren Drehzahlbereich neben
Dazu sind die Parameter wie die Charakteristik des Hochdruck-Einspritzpumpen für Dieselmotoren die
Spanners, Vorspannung und Dämpfung, die Riemen- Hauptanregungsquelle für dynamische Effekte dar
kennwerte, Riemensteifigkeit und Riemendämpfung, und wirken sich damit primär auf Lebensdauer und
das Riemenprofil sowie die Trägheitsmomente der Funktion eines solchen Systems aus. Das Ovalrad wirkt
Nockenwellenräder so zu optimieren, dass die dy- diesen dynamischen Einflüssen entgegen, das heißt sie
namische Belastung des Systems minimiert wird. In werden durch eine lastsynchrone Änderung partieller
. Abb. 7.293 sind zwei wichtige Kenngrößen für die Riemenlängen weitgehend kompensiert.
Dynamik des Zahnriementriebs dargestellt, die Wech- Durch die anwendungsbezogene optimierte Aus-
sellast an der Kurbelwelle und die Drehschwingungen wahl von Ovalität und Phasenlage eines solchen Rades
der Nockenwelle. in einem zahnriemengetriebenen Steuertrieb, zum Bei-
Die Resonanz des Systems, hier bei 4000 Umdre- spiel auf der Kurbelwelle, lassen sich die Auswirkungen
hungen pro Minute, wird durch eine optimale Sys- auf den Trieb minimieren. Der Effekt eines mit Ovalrä-
temauslegung auf ein Minimum reduziert und muss dern ausgestatteten Triebes hängt weitgehend von der
über die Lebensdauer des Triebs kontrolliert werden. Veränderung der Dynamik über alle Betriebszustände
Gleichzeitig werden ebenfalls die Belastungen der an- ab; für den Idealfall (konstante äußere Dynamik) lässt
deren Systemkomponenten wie Umlenkrollen und sich die Schwingung der Komponenten gänzlich un-
Spannrollen minimiert. terbinden während die Dynamik der Riemenkräfte auf
einem Niveau gehalten werden kann, das der äußeren
7.18.1.4 Ovalradtechnologie Dynamik der Komponenten entspricht.
Riementriebe für Verbrennungsmotoren mit ungleich- Die Praxis zeigt, dass Riemenkräfte um bis zu 45 %,
förmiger Übersetzung sind heute Stand der Technik, Schwingungsamplituden der Nockenwellen um bis zu
312 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Wechsellast Kurbelwelle ..Abb. 7.293 System­


1 2000 resonanz

1000
2
[N]

3 -1000

4 -2000
1000 2000 3000 4000 5000 6000
Drehzahl [1/min]
5
Drehschwingungen NW
6 1,5

1
[°]

7
0,5

8 0
1000 2000 3000 4000 5000 6000
Drehzahl [1/min]
9
10
11
12
13
14
..Abb. 7.295  Reduzierung der Schwingungsampli-
15 ..Abb. 7.294  Reduzierung der Riemenkräfte im
tuden der Nockenwelle im Vergleich zu einem runden
Kurbelwellenrad
Vergleich zu einem runden Kurbelwellenrad
16
17
zu 50 % reduziert werden können. Beispielhaft ist dies
in den beiden . Abb. 7.294 und 7.295 dargestellt.
Durch die Verwendung solcher Systeme ergeben
-- Verringerung der Reibverluste,
Verringerung der Geräuschentwicklung durch
Reduzierung des Kraftniveaus.
sich unter anderem folgende Vorteile beziehungsweise
18
-
konstruktive Möglichkeiten:
Verringerung der Riemenbreite, Verwendung
einer kostengünstigeren Riemenkonstruktion
Kombinationen unrunder Räder, zum Beispiel auf
Kurbel- und Nockenwelle oder auf Kurbelwelle und
Einspritzpumpe, versprechen weiteres Optimierungs-

-
19 und/oder Erhöhung der Systemlebensdauer, potenzial hinsichtlich der oben angegebenen Vorteile.
gleichbleibende Motor-Performance bei geringe-
7.18.1.5 Anwendungsbeispiele
20 ren Abgasemissionen und geringerem Kraftstoff-
verbrauch durch erhöhte Konstanz der Steuerzei- In . Abb. 7.296 sind typische Anwendungsbeispiele
teneinhaltung über Lebensdauer, von zwei Motoren dargestellt. Bei beiden Trieben
7.18 • Riementriebe
313 7
..Abb. 7.296 An­ Nockenwellen Nockenwelle
wendungsbeispiele
Einspritzpumpe
CM2 CM1
CM1

IP

+
+ IDR Spannrolle
Spannrolle
Umlenkrolle
W_P
W_P Wasserpumpe
Wasserpumpe

CRK CRK
Kurbelwelle Kurbelwelle

Reihen-Ottomotor Reihen-Dieselmotor

Micro-V ® Riemen Deckgewebe


ist die Wasserpumpe im Trieb integriert. Bei den
oder Gummierung
Dieselmotoren werden in vielen Anwendungen die
Einspritzpumpen (Verteilereinspritzpumpe oder Zugstränge
Common-Rail-Pumpe) im Primärriementrieb mit
integriert. Gummimischung

..Abb. 7.297  Aufbau des Micro-V®-Riemens


7.18.2 Keilrippenriementriebe
zum Antrieb Die Zugstränge übertragen die Antriebsleistung von
von Nebenaggregaten der Kurbelwelle auf die Nebenaggregate und nehmen
die dynamischen Kräfte auf, bei geringer Längung und
Der Nebenaggregatetrieb wurde in der Vergangenheit hoher Biegewechselfestigkeit.
als Keilriementrieb ausgeführt. Durch die gestiegene Die Zugstränge bestehen aus Nylon, Polyester oder
Komplexität, bedingt durch erhöhte Komfortansprü- Aramid, mit den sehr unterschiedlichen E-Modulen
che der Kunden, ist heute neben der Lichtmaschine der Zugstränge kann die dynamische Abstimmung
und der Wasserpumpe auch die Integration von Lenk- des Systems optimiert werden. Das Gummi bildet die
hilfepumpe und Klimakompressor in den Trieb Stand Keilrippen und überträgt die Antriebskräfte von der
der Technik. Durch weitere Aggregate wie Lüfter, Riemenscheibe in die Zugstränge. Als Material kommt
mechanische Lader oder Pumpen zur Sekundärluft- Chloropren oder EPDM zum Einsatz, zur Versteifung
einblasung erhöht sich die Komplexität der Triebe wird das Gummimaterial fasergefüllt.
weiter. Heute werden die Nebenaggregatetriebe als Der Riemenrücken kann sowohl als Rückengewebe
Serpentinentriebe mit Mehrrippenkeilriemen (Micro- als auch als Gummierung ausgeführt werden. Im Fer-
V®-Riemen) ausgeführt. Die wesentlichen Vorteile des tigungsprozess liegen die Zugkörper spiralförmig im
Micro-V®-Riemens gegenüber Keilriementrieben ist Riemenverbund, und zwar paarweise jeweils S und Z
die höhere Leistungsübertragung sowie ein geringerer gezwirnt um ein weitgehend neutrales Ablaufverhalten
Bauraum bei komplexen Antrieben. des Riemens zu erzielen.
Der Micro-V®-Riemen wird im Vulkanisations-
7.18.2.1 Antriebselement Micro-V® - prozess hergestellt. Die Keilrippen werden dabei ent-
Riemen weder geformt oder nach dem Vulkanisationsprozess
Aufbau des Micro-V® -Riemens eingeschliffen. Bei den doppelseitigen Riemen erfolgt
Der Micro-V®-Riemen ist ein Verbund aus drei Kom- der Schleifprozess von beiden Seiten.

--
ponenten (. Abb. 7.297):
faserverstärkte Gummimischung, Micro-V® -Riemenprofil

- Zugstränge,
Rückengewebe oder die Gummierung.
Für die Anwendung im Automobilbereich wird übli-
cherweise das PK-Profil verwendet (ISO-Norm). Der
314 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Doppelseitiger Micro-V® Riemen Breite (Anzahl Rippen x 3.56 mm)


1 Höhe
4.3–5.3 mm,

2
abhängig
von der
Konstruktion

3 Bezugsumfang
300 mm

4 ..Abb. 7.298  Doppelseitiger Micro-V®-Riemen


Messkraft

5 Längenmessung
100 N pro Rippe

Rillenabstand beträgt 3,56 mm. Die Bezeichnung des


Riemens, zum Beispiel 6 PK 1270 bedeutet 6 Rippen, ..Abb. 7.299  Kenngrößen Micro-V®-Riemen
6 PK-Profil, 1270 mm Bezugslänge. Für den Antrieb von
leistungsstarken Komponenten wie Lichtmaschine,
7 Lenkhilfepumpe oder Klimakompressor mit dem Rie-
menrücken kann der Riemen auch als doppelseitiger
Die Riemenscheiben werden entweder in Stahl
oder in Kunststoff ausgeführt.
Micro-V®-Riemen, mit Rippen auf beiden Seiten, aus-
8 geführt werden (. Abb. 7.298). 7.18.2.2 Antriebssystem
Nebenaggregatetrieb
Kenngrößen Micro-V® -Riemen und Scheiben Die wichtigsten Anforderungen an das System Neben-
9 In . Abb. 7.299 sind die wichtigsten Kenngrößen des aggregatetrieb ist der schlupffreie Antrieb aller Neben­
Micro-V®-Riemens dargestellt. Die Riemenbreite be- aggregate in allen Belastungszuständen über Motor-
10 rechnet sich aus der Anzahl der Rippen multipliziert mit
3,56 mm (PK-Profil). Die Riemenhöhe beträgt je nach
lebensdauer. Bei modernen Motoren mit Volltrieben
werden damit über den Micro-V®-Riemen, in 5- oder
Konstruktion 4,3 bis 5,3 mm. Die Bezugsriemenlänge 6-rippiger Ausführung, maximale Drehmomente von
11 wird auf einem 2-Scheiben-Prüfstand mit einer defi- bis zu 30 Nm und maximale Leistungen von 15 bis
nierten Vorspannung ermittelt (ISO 2790). Dabei be- 20 KW bei Volllast aller Aggregate übertragen. Die
trägt der Bezugsumfang der Riemenscheiben 300 mm. Umgebungstemperaturen sind mit durchschnittlich
12 Die Profilnorm der Riemenscheiben ist in 80 bis 100 °C etwas niedriger als im Zahnriementrieb.
. Abb.  7.300 dargestellt. Als Durchmesser der Rie- Insbesondere Geräusche, wie beispielsweise das be-
13 menscheiben wird zum einen der Außendurchmes- kannte Keilriemenquietschen bei feuchtkaltem Wet-
ser der Scheiben verwendet, wichtiger für die Aus- ter, verursacht durch Schlupf zwischen Riemen und
legung und die Längenbestimmung des Riemens ist Scheibe, müssen durch eine optimale Systemausle-
14 jedoch der Scheibendurchmesser über den Prüfku- gung hinsichtlich Geometrie und Dynamik vermie-
geln (⌀ 2,5 mm). Bei dieser Messmethode wird auch den werden. Weiterhin gilt es, Riemengeräusche durch
15 das Profil der Scheibe und damit der Rillenwinkel
berücksichtigt. Je nach Durchmesser der Scheibe
Scheibenfluchtungsfehler bereits in der Auslegung zu
vermeiden. Auch für die Nebenaggregatetriebe gilt
wird der Rillenwinkel an das in der Umschlingung 240.000 km bei aktuellen Entwicklungen als Lebens-
16 laufende und deformierte Riemenprofil angepasst. dauerforderung.
Übliche Rillenwinkel sind im Bereich von 40 bis 44°.
Aus dem Scheibendurchmesser über den Prüfkugeln Auslegungskriterien
17 kann dann entsprechend der Riemenkonstruktion der Die Auslegung der Nebenaggregatetriebe wird rechner-
Wirkdurchmesser errechnet werden. Der Wirkdurch- gestützt durch hauseigene Programme vorgenommen.
18 messer verläuft durch die Mitte der Zugstränge im Hier soll ein Überblick über die wichtigsten Pa-
Micro-V®-Riemen. rameter der Auslegung sowie einige allgemeine Aus-
Kennwerte gängiger Riemenkonstruktionen sind legungskriterien dargestellt werden. Wichtige Einga-
19 in der DIN 7876 beziehungsweise ISO 9981 festgelegt, bedaten sind die Anordnung der Komponenten, also
für eine detaillierte Auslegung sollte allerdings auf die die Antriebskonfiguration, die Drehmomentverläufe
20 Kennwerte der Riemen, beziehungsweise Scheibenher-
steller zurückgegriffen werden.
und die Trägheitsmomente der Komponenten, sowie
die Riemendaten. Mit diesen Daten lässt sich die Sys-
temgeometrie, wie zum Beispiel Trumlängen und die
7.18 • Riementriebe
315 7
..Abb. 7.300 Kenn- α
dB
dB
größen Micro-V®- Wirkdurchmesser
Riemenscheibe Außen-
durchmesser
A

Do DoB

Do Profil-Außendurchmesser
DoB Durchmesser über Kugel
dB Kugeldurchmesser (2,5 mm)
α Rillenwinkel A Abstand Außendurchmesser zu Wirkdurchmesser

Umschlingungswinkel, die Systemeigenfrequenzen,


die Schlupfgrenzwerte aber auch die Lebensdauer des
Riemens berechnen und optimieren.
Im Folgenden werden einige allgemeine Aus-
legungskriterien dargestellt, die bei Micro-V®-
Riemensystemen berücksichtigt werden sollen, um
ein funktionsfähiges System mit der heute geforderten
Lebensdauer von 240.000 km zu erhalten.

Empfohlene Mindestumschlingungswinkel
Kurbelwelle 150° Langarmspanner Z-Typ Spanner

Lichtmaschine 120°
..Abb. 7.301  Automatische Riemenspannsysteme
Lenkhilfepumpe, Klimakompressor 90°
Spannrolle 60°
Riemenspannsysteme
Fluchtungsfehler/Einlaufwinkel Die Riemenspannung bei Nebenaggregatetrieben wird
Um unzulässigen Verschleiß des Riemens und Ge- heute üblicherweise über automatische Spannrollen
räusche zu vermeiden, sollte der Einlaufwinkel des aufgebracht. Die Spannrollen stellen eine konstante
Riemens in die gerillten Scheiben 1° nicht überschrei- Spannung über die Lebenszeit sicher und gleichen Rie-
ten. mendehnung beziehungsweise Riemenverschleiß über
die Laufzeit aus. Die Konstruktion der Spannrollen
Systemeigenfrequenz wird wesentlich durch den zur Verfügung stehenden
Die Systemeigenfrequenz sollte nicht im Leerlaufbe- Bauraum bestimmt (. Abb. 7.301).
reich des Motors liegen (2. Motorordnung). Bei Langarmspannern liegt das Feder-Dämpfersys-
tem in einer Ebene mit dem Riementrieb, bei Z-Typ
Mindestdurchmesser von Scheiben Spannern taucht das Spannergehäuse in den Bereich
und Umlenkrollen hinter dem Riementrieb ein. Die Vorspannung wird
In der Praxis befindet sich die kleinste Riemenscheibe durch eine Schenkelfeder erzeugt, gleichzeitig ist der
häufig an der Lichtmaschine, um dort die erforder- Spanner reibgedämpft. Die Vorspannungen bei 6 PK
lichen hohen Drehzahlen zu ermöglichen. Typische Riemen liegen abhängig von der Systemdynamik übli-
Lichtmaschinenscheiben liegen bei einem Durchmes- cherweise im Bereich von 250 bis 400 N.
ser von 50 bis 56 mm. Die Riemenermüdung nimmt
bei Verwendung sehr kleiner Scheiben exponentiell zu, 7.18.2.3 Anwendungsbeispiele
dies ist bei der Riemenauslegung zu berücksichtigen. In . Abb. 7.302 ist ein typischer Micro-V®-Riementrieb
Für Umlenkrollen wird empfohlen, Durchmesser nicht dargestellt. Bei vielen Trieben ist bereits die Lenkhil-
kleiner als 70 mm zu verwenden. fepumpe und der Klimakompressor standardmäßig
integriert. Insbesondere bei sehr komplexen Trieben
sind zusätzliche Umlenkrollen notwendig, um die not-
wendige Umschlingung an allen Aggregaten und damit
einen schlupffreien Betrieb sicherzustellen.
316 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Lenkhilfepumpe menspannsysteme (. Abb. 7.303) entwickelt werden.


1 Da der Start des Verbrennungsmotors nun über den
im Riementrieb integrierten Starter-Generator erfolgt,
2 Lichtmaschine Umlenkrolle
werden besonders an die Eigenschaften des Riemens
neue Anforderungen gestellt. Dank optimierter Adhä-
Wasserpumpe sion der Riemenbestandteile, der Entwicklung einer
3 Gummimischung mit höherer Lasttragfähigkeit und
verbesserten Zugsträngen ist der neue High-Load-
Micro-V®-Riemen in der Lage, Momente von 70 Nm
4 und mehr unter allen Betriebsbedingungen und bis zu
Spannrolle einer Lebensdauer von einer Million Startvorgängen
5
Klimakompressor
zu übertragen. Diese Leistungsfähigkeit stellt einen
Kurbelwelle Durchbruch in der Riementechnologie dar und er-
möglicht die kostengünstige Integration eines Starter-
6 ..Abb. 7.302  Beispiel Nebenaggregatetrieb
Generator-Systems ohne gravierende Änderungen im
Nebenaggregatetrieb oder am Motor. RSG-Systeme
7.18.2.4 Riemengetriebener Starter-
7 Generator (RSG/Start-Stopp-
benötigen den gleichen Bauraum wie konventionelle
Riementriebe heutiger Motoren, während zum Beispiel
System) der auf der Kurbelwelle montierte Starter-Generator
8 Sowohl Emissionen als auch Kraftstoffverbrauch und (KSG) Platz zwischen Motor und Getriebe benötigt.
Verschleiß können mit einem automatischen Start- Riemengetriebene Starter-Generator-Systeme haben
Stopp-System reduziert werden. Unabhängige Studien außerdem ein niedrigeres Gewicht und sind deutlich
9 bestätigen eine Kraftstoffreduzierung zwischen 4 bis kostengünstiger.
25 % mit diesen Systemen, je nach Fahrzyklus. Für die Riemenspannsysteme in den Start-Stopp-
10 Der Starter-Generator dreht den Motor auf hohe
Kurbelwellen-Startdrehzahl. Dies gewährleistet einen
Systemen ist der Funktionsumfang insofern erweitert,
als dass hier nun auch während des Motorstarts eine
sehr schnellen, geräuscharmen und Kraftstoff sparen- entsprechende Riemenkraft vorgehalten wird. Nach
11 den Start. Das riemengetriebene Start-Stopp-System dem Motorstart wechseln Last- und Leertrum.
bietet zusätzlich die Möglichkeit, gespeicherte Elekt- In Serienproduktion sind Konzepte für Spann-
rizität für die Beschleunigung zu nutzen und Brems- systeme mit hydraulisch gedämpften Spannern,
12 energie in elektrische Energie umzuwandeln und wie- Doppelspanner-Spannsystemen, oder ein asymmet-
derum der Batterie zuzuführen. Der konventionelle risch gedämpfter Spanner, der dann im Zugtrum des
13 Starter kann bei solchen Systemen normalerweise Riementriebs (generatorisch) platziert wird. Die Ent-
entfallen, dies bringt Vorteile hinsichtlich Kosten und scheidung für das Spannsystem hängt hauptsächlich
Gewicht. Modifizierte Starter werden heute auch für von den einzelnen funktionellen Ansprüchen (zum
14 Start-Stopp-Systeme angeboten, allerdings bieten diese Beispiel Stopp-Start, Drehmomentunterstützung) und
weder Geräusch- noch Gewichtsvorteile. Bauraumbedingungen ab.
15 Für RSG-Anwendungen mussten ein spezieller
Hochleistungskeilrippenriemen und spezielle Rie-
Die Kundenakzeptanz für das RSG-System ist auf-
grund der geräuscharmen Starteigenschaften und des

16 ..Abb. 7.303 Riemen-
spannerkonzepte für
Starter-Generatortriebe
17
18
19
20
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
317 7
..Abb. 7.304 Hydrody- b
namischer Druckaufbau P
durch Drehung

DB
MZ MB

n
h0

dZ
MZ(MB bei n = ∞)
Pmax

Pmax
e0 =½ Spiel
e
MZ

MZ bei n = 0
Gümbel'scher Kreis

reduzierten Kraftstoffverbrauchs sehr hoch. Der Ziel- 7.19.1 Grundlagen


markt für RSG-Systeme sind alle Otto- und Dieselmo-
toren die im Bereich Pkw und Kleintransporter zum 7.19.1.1 Radiallager
Einsatz kommen. 12-V- und 42-V-Bordnetze machen Konstante Belastung
für das Riementriebsystem dabei keinen Unterschied. In einem Radialgleitlager wird das Schmiermittel
durch Adhäsion in den Schmierspalt zwischen den re-
lativ bewegten Oberflächen gezogen und baut dadurch
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren einen Druck auf, der der äußeren Kraft das Gleichge-
wicht hält und die Partner, Zapfen und Lager, durch
Wellen in mehrzylindrigen Hubkolbenmotoren – einen Ölfilm trennt, . Abb. 7.304.
Kurbeltrieb, Ventiltrieb und Massenausgleichswellen Die dimensionslose Sommerfeldzahl beschreibt
– sind in der Regel in Gleitlagern gelagert. Die Gründe den Zusammenhang für ein zylindrisches Radial­
dafür sind die hohe Stoßbelastbarkeit und Dämpfung, lager.
die leichte Teilbarkeit zur Montage über Kurbel- oder
Nockenwelle, der geringe Platzbedarf, Unempfindlich- p 2
SoD = = f .b=d; "/ (7.23)
keit gegenüber Verschmutzung und – last, but not least ! 
– die niedrigen Kosten im Vergleich zu Wälzlagern.
Prinzipieller Nachteil von Gleitlagern gegenüber Wälz- In dieser Formel bedeuten:
lagern ist die höhere Reibung und der daraus resultie- p [N/m2] spezifische Lagerbelastung F / (b · d),
rende höhere Ölbedarf. ω [sec−1] Winkelgeschwindigkeit,
Wälzlager werden in Motoren teilweise dort einge- ψ [–] relatives Lagerspiel, s / d,
setzt, wo die Vorteile des Gleitlagers nicht zum Tragen η [Ν/m2 ⋅ sec] dynamische Viskosität,
kommen: Im Kurbeltrieb von kleinen Einzylindermo- ε [–] relative Exzentrizität des Zapfenmittel-
toren, in der Lagerung des Rädertriebs und zuneh- punkts im Lagerspiel.
mend im Ventiltrieb (Rollenstößel).
Jeder Last und Drehzahl entspricht eine bestimmte
exzentrische Gleichgewichtslage des Zapfens im La-
ger.

" = 0 ! SoD = 0I " = 1 ! SoD = 1


318 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
9
..Abb. 7.305  Hydrodynamischer Druckaufbau durch Drehung und Verdrängung

10
Dynamische Belastung Misch-
reibung
11
Flüssigkeitsreibung
Kennzeichnendes Merkmal von Motorenlagern ist ihre
in Größe und Richtung periodisch wechselnde Belas- Ruhreibung
Reibungszahl µ

tung, zum Beispiel aus den Gas- und Massenkräften


12 am Kurbeltrieb oder die Schwelllast aus der Ventilbe- Ausklinkpunkt (Übergangsdrehzahl)
tätigung an der Nockenwelle.
13 Die Veränderung der Kraft bewirkt ein Ungleich-
gewicht, das zu Verlagerung des Wellenmittelpunkts
in radialer und Umfangsrichtung führt. Bei steigender
14 Last vergrößert sich die Exzentrizität; der Widerstand 0 nü Drehzahl n
gegen die Verdrängung des Schmiermittels dämpft die
15 Radialbewegung. Daraus resultiert die hohe Stoßbe-
lastbarkeit des Gleitlagers.
..Abb. 7.306 Stribeck-Kurve

Die resultierende zusätzliche Tragkraft wird durch sem Fall nur von der Scherkraft des Öls bestimmt und
16 die Sommerfeldzahl bei Verdrängung definiert: sehr niedrig, in der Größenordnung von μ = 0,002
bis 0,005. Im tatsächlichen Betrieb kommt es aber zu
p 2 Kontakt der Gleitflächen, da das Lager nicht für jeden
17 SoV =
  .@"=@t /
= f .b=d; "/:

(7.24)
Betriebszustand einen ausreichenden hydrodynami-
schen Schmierfilm aufbauen kann. Dieser Zustand der
18 Die Gesamttragkraft des Lagers ergibt sich aus der „Mischreibung“ ist mit wesentlich höherer Reibung
vektoriellen Addition beider Effekte, . Abb. 7.305. verbunden – als Größenordnung bis zum Zehnfachen.
Die bekannte Stribeck-Kurve beschreibt die Zusam-
19 Reibung menhänge (. Abb. 7.306).
Würde eine dauernde vollständige Trennung der Wenn die entstehende Reibenergie nicht abgeführt
20 Gleitflächen durch den Ölfilm erfolgen, wäre kein
eigenes Lagermaterial notwendig; das Lager würde
werden kann, wird das System thermisch instabil. Die
Wahrscheinlichkeit, dass in einem Gleitlager ein ther-
rein hydrodynamisch laufen. Die Reibung ist in die- misch instabiler Zustand erreicht wird, das heißt die
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
319 7
..Abb. 7.307  Kräfte am lateral force of piston cylinder
Triebwerk eines Motors +pgas pressure +pmasse

Stroke
rod force

cylinder pressure
inertia force of piston
rotating inertia force of conrod
radial inertia force of conrod

reaction of the
TDC
conrod pin force
force onto conrod pins
Force onto
neighbouring
bearing pins tangential force
onto crankshaft

conrod force including


translational inertia
rotating inertia BDC force of conrod
force of crank
throw

Anfälligkeit der Lagerung gegenüber Störungen, ist drodynamischer Druckaufbau statt. Wichtig ist, dass
von der Energiedichte in der Lagerung (Last, Gleit- eine Benetzung der Oberflächen mit Schmieröl sicher-
geschwindigkeit) sowie von der Kühlung durch das gestellt ist.
Schmiermittel abhängig. Auch Axiallager versagen in der Regel durch Über-
Entsprechend der dynamischen Belastung be- hitzung; Brüche aus Überlastung durch Stöße oder
schreibt der Wellenmittelpunkt im Lager eine periodi- Schwingungen werden überwiegend durch schlechte
sche „Verlagerungsbahn“, siehe . Abb. 7.309, mit zeit- Rückenanlage ausgelöst.
lich-unterschiedlicher Größe und Lage des kleinsten
Schmierspalts. Dies hat zur Folge, dass das Lager einer-
seits lokal einen wesentlich höheren Grad an direktem 7.19.2 Berechnung
Materialkontakt ertragen kann, dass aber andererseits und Dimensionierung
jeder Bereich einer Schwelllast unterliegt. Damit kann von Motorlagern
das Lager kleiner dimensioniert werden, aber das Ma-
terial wird auch auf Dauerfestigkeit belastet. Die Dimensionierung einer Lagerung erfolgt bei der
Konstruktion eines Motors in mehreren Schritten. Die
7.19.1.2 Axiallager Festlegung der Hauptdimensionen, Durchmesser und
Axiallager dienen der Führung der Wellen und neh- Breite, wird wesentlich von den konstruktiven Gegeben-
men den Axialschub von Schrägverzahnungen und heiten des Motors und den Anschlussteilen bestimmt.
eventuell Schräglagen auf. Kurzzeitig können höhere Nach der Berechnung der Lagerbelastung kann
Lasten auftreten, zum Beispiel von der Kupplung oder in der Konzeptphase die spezifische Lagerbelastung
Stöße durch Beschleunigungen. (F / b · d) als grober Anhaltswert dienen. Wegen des
Axiallager sind entweder als Anlaufringe oder großen Einflusses von Lastcharakteristik, Breiten-/
kombiniert mit einem Radiallager als sogenanntes Durchmesser-Verhältnis, Lagerspiel, Ölviskosität und
„Bundlager“ ausgeführt. Diese Lager sind einfache, konstruktiven Gegebenheiten muss jedoch möglichst
mit Lagermetall versehene Planflächen und arbeiten früh eine genauere Berechnung zur Lagerdimensionie-
im Mischreibungsgebiet, das heißt es findet kein hy- rung stattfinden.
320 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Z 7.19.2.2 Zapfenverlagerungsbahn
1 Die in jedem Arbeitsspiel einmal durchlaufene Zap-
0 fenverlagerungsbahn, . Abb. 7.309, kann mit relativ
2 einfachen Mitteln berechnet werden. Die Ergebnisse
werden sehr stark von der Art des Modells (Methode
von Holland-Lang oder Mobility Method nach Boo-
3 90
180 ker), von den Randbedingungen für das Druckprofil
und von den Annahmen für die Ölviskosität beein-
630
flusst. Daher ist der Vergleich der Ergebnisse unter-
4 450 540 270
schiedlicher Programme nur dann möglich, wenn
0,75 0,50 0,25 0,25 0,50 0,75
diese Annahmen übereinstimmen. Auch die zulässigen
5 Grenzwerte, die aus Zuordnung von Erfahrungen aus
praktischem Betrieb und aus Versuchsergebnissen zu
360 den berechneten Daten ermittelt werden, gelten nur für
6 vergleichbare Berechnungsmodelle.
Über das Arbeitsspiel wird die Bahn in Schritten
7 von einigen Grad Kurbelwinkel bis zur Konvergenz ite-
riert. Die Berechnung erfolgt für jeden Lastfall geson-
dert. In der Regel werden die Werte für Nennlast und
8 maximalen Moment bei niedriger Drehzahl ermittelt.

--
..Abb. 7.308  Polardiagramm der Kräfte für das Pleu-
ellager eines Dieselmotors Die wichtigsten Ergebnisse der Berechnung sind:
kleinster Schmierspalt,
9 Im Zusammenhang mit den zulässigen Grenzwer- höchster Schmierfilmdruck.
ten ist die Auswahl der geeigneten Lagerbauart für den
10 Einsatzfall neben den Lagerdimensionen das Haupter-
gebnis der Berechnung.
Als weitere Resultate werden Öldurchsatz, hydrody-
namische Reibung und daraus resultierende Öler-
wärmung berechnet. Die Verweildauer des kleinsten
11 7.19.2.1 Belastung Schmierspalts in einem bestimmten Bereich gibt einen
Die Belastung von Motorlagern ist zyklisch veränder- Hinweis auf die Konzentration der Reibenergie und
lich. Als repräsentatives Beispiel sind in . Abb. 7.307 damit auch des zu erwartenden Verschleißes.
12 die am Kurbeltrieb wirksamen Kräfte dargestellt. Die Die Berechnung der Verlagerungsbahn eignet
Kräfte setzen sich aus dem Zylinderdruck, den oszil- sich besonders für Parameterstudien in einem frühen
13 lierenden und den rotierenden Massenkräften zusam- Stadium der Motorkonstruktion, zum Beispiel zur Be-
men. stimmung der optimalen Auslegung des Massenaus-
. Abb. 7.308 zeigt beispielhaft den Verlauf der La- gleichs im Hinblick auf die Kurbelwellenlager, und/
14 gerkraft des Pleuellagers eines Dieselmotors bei ma- oder des Einflusses von Konstruktionsparametern wie
ximalem Drehmoment in Größe und Richtung über Breite-Durchmesser-Verhältnis oder Lagerspiel. Die
15 ein Arbeitsspiel, dargestellt in Polarkoordinaten. Bei
höheren Drehzahlen und niedrigeren Lasten nimmt
Berechnung von Belastung und Verlagerungsbahn ist
häufig integriert.
die Spitzenlast aus der Zündung ab und die Massen-
16 kraftellipse zu. 7.19.2.3 Numerische Lösungen
Bei der Auslegung des Kurbeltriebs werden die La- zur Lagerberechnung
gerlasten in der Regel gemeinsam mit den Steifigkeiten Durch die numerische Lösung der Reynold’schen Dif-
17 und Schwingungslagen der Kurbelwelle unter Berück- ferentialgleichung können die Einflüsse der lokalen
sichtigung der elastischen Verformungen berechnet. Geometriemerkmale mit unterschiedlichen äußeren
18 Damit ergibt sich vor allem bei Hauptlagern (statisch Einflüssen auf das Lager kombiniert werden.
unbestimmte Lagerung!) eine genauere Ermittlung
der Lastverteilung auf die einzelnen Lagerstellen. Mit Steife Lagerumgebung
19 den derart ermittelten zyklischen Belastungen können Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass alle
nun die auftretenden hydrodynamischen Drücke und Lagermerkmale in ihrer Wechselwirkung mit den
20 Schmierspaltweiten berechnet werden. Die gängigste
Methode ist die Berechnung der Zapfenverlagerungs-
Ölbohrungen in der Kurbelwelle abgebildet werden
können. Das Gehäuse wird in dieser Berechnung als
bahn. starr angenommen, was eine wesentliche Reduktion
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
321 7
..Abb. 7.309 Verla- Verlagerungsbahn
gerungsbahn eines Schalenfest Zapfenfest
Pleuellagers (relativ von Z S
Lager und Zapfen aus 120 0 180
240 0
540 60 600
betrachtet)
480
660

60
300

0,75 0,50 0,25 0,25 0,50 0,75 0,75 0,50 0,25 0,25 0,50 0,75

300
660
120
480 420
420
360 360
600
180 540
240

der Rechenzeit darstellt. Diese Methode eignet sich Triebwerkssimulation


speziell für die Konzeptphase in der Motorenentwick- Durch die Verknüpfung der unterschiedlichsten Si-
lung, wenn das Lagerumfeld noch nicht gänzlich be- mulationsmethoden, der Strukturmechanik und der
kannt ist. Eingabe und Ergebnisauswertung sind im Hydrodynamik kann eine Triebwerkssimulation, die
. Abb. 7.310 dargestellt. den gesamten Kurbeltrieb inklusive des Motorgehäuses
umfasst, aufgebaut werden. Der Vorteil dieser Methode
Elastohydrodynamische Simulation besteht darin, dass sich damit nahezu alle Wechsel-
Eine genauere und in den letzten Jahren sehr rasch wei- wirkungen des Motors und des Triebwerkes auf ihre
ter entwickelte Methode zur Berechnung von Moto- Auswirkung auf die einzelnen Lager unter optimalen
renlagern ist die elastohydrodynamische Berechnung. Betriebsbedingungen untersuchen lassen.
Hier werden die im Lager entstehenden Schmierfilm-
parameter lokal, unter Berücksichtigung von elasti- 7.19.2.4 Hauptdimensionen:
schen Verformungen und der entsprechenden Zapfen- Durchmesser, Breite
geometrie berechnet. Inzwischen wurden auch Ansätze Lagerdurchmesser und -breite sind in engen Grenzen
zur Berücksichtigung des Temperatureinflusses und durch die Motorkonstruktion und die dynamischen
der Mischreibung entwickelt und entsprechend ange- Werte der Wellen vorgegeben. Innerhalb dieser Gren-
wendet. . Abb. 7.311 zeigt einen derartigen Ansatz mit zen lässt sich die spezifische Lagerbelastung beein-
Mischreibungsberücksichtigung als Modell und deren flussen, was für die Bauartenwahl entscheidend sein
Ergebnisse. Zusätzlich wurde der Mischreibanteil – re- kann.
präsentiert durch den Kontaktdruck über den Zyklus Das übliche Breite-Durchmesser-Verhältnis be-
– in die Darstellung aufgenommen. trägt 0,25 bis 0,35. Bei gleicher spezifischer Belastung
Diese Methode erfordert wesentlich detailliertere F / (B ⋅ D) ergibt ein relativ kleinerer Durchmesser
Daten und einen bedeutend höheren Berechnungsauf- bei größerer Breite einen größeren Schmierspalt, ei-
wand als die Berechnung der Verlagerungsbahn oder nen niedrigeren Spitzendruck und auch eine kleinere
die Berechnung mit starrer Geometrie. Daher wird Reibleistung. Da durch die niedrigere Umfangsge-
sie sinnvoller Weise im fortgeschrittenen Stadium der schwindigkeit die Empfindlichkeit gegenüber Fest-
Konstruktion und zur Untersuchung von lokalen Ein- körperkontakt und Störungen sinkt, ist diese Situation
flüssen wie Geometrieoptierungen oder als Basis bei anzustreben. Die für die Kurbelwellensteifigkeit not-
Fretting-Untersuchungen am Lagerrücken eingesetzt. wendigen Mindest-Zapfendurchmesser setzen dieser
Eine Lebensdauerabschätzung mit Hilfe von Scha- Optimierung jedoch eine Grenze.
densakkumulationsmodellen kann angeschlossen
werden, wenn die Lastkollektive und die erforderli- 7.19.2.5 Ölführungsgeometrie
chen Werkstoffdaten bekannt sind. In der Regel wird Auf das System zur Verteilung des Schmier- und Kühl-
die Lebensdauer und Betriebssicherheit heute durch öls des Motors wird in ▶ Kap. 9 näher eingegangen.
Feldversuche und begleitende Bauteiluntersuchungen Hier werden nur die unmittelbar das Lager betreffen-
verifiziert. den Merkmale beschrieben.
322 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.310 Modell
1 und Ergebnisse einer
starren hydrodynami-
schen Berechnung
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
323 7

..Abb. 7.311  Ergebnisse einer elastohydrodynamischen Berechnung

Wesentlich beeinflusst wird der Aufbau des hy- Nuten im Lagergehäuse sind häufig für die Ölver-
drodynamischen Schmierfilms durch die für die teilung erforderlich, wobei wichtig ist, dass die Lager-
Schmierölversorgung notwendigen Nuten und Boh- schalen in belasteten Zonen nicht hohl liegen, weil sie
rungen, zum Beispiel in den Hauptlagern. Für eine sich ansonsten unter dem Schmierfilmdruck durch-
kontinuierliche Versorgung der Pleuellager wäre eine biegen und Brüche des Lagermetalls auftreten können.
Ringnut in den Hauptlagern ideal, würde bei ansonsten
gleichen Bedingungen aber den kleinsten Schmierspalt 7.19.2.6 Feindimensionen
auf circa 30 % reduzieren. Durch die bessere Ölversor- Die eigentliche Lagerkonstruktion konzentriert sich
gung der Lagerstelle wird dies teilweise kompensiert, neben der Wahl der Bauart auf die Feindimensionie-
sodass die Tragfähigkeit auf circa die Hälfte sinkt.
Es ist daher eine ausreichende Ölversorgung durch
--
rung:
Festsitz, Überstand,
Bohrungen und Teilnuten in den Gebieten des Lagers
mit niedriger Belastung beziehungsweise großen
- Lagerspiel,
Verlauf der Lagerdicke über den Umfang, Frei-
Schmierspaltweiten anzustreben. Die oben beschrie-
bene Verlagerungsbahn gibt Aufschluss über die güns-
tigste Lage von Nuten (Lager) und Bohrungen (Welle).
Für Pkw-Motoren hat sich als Standard eine Halb-
- stellung am Stoß der Lagerschalen,
Oberflächenbeschaffenheit, Form- und Lagetole-
ranzen der Anschlussteile.

nut in der Oberschale des Hauptlagers und eine Boh- Festsitz, Überstand
rung in der Kurbelwelle, deren Austritt am Pleuelzap- Die Lagerkraft muss auf das Gehäuse übertragen wer-
fen circa 45 Grad vor dem Scheitel in Drehrichtung den. Dazu ist ein Festsitz des Lagers im Gehäuse not-
liegt, durchgesetzt. wendig, der die durch Schwelllast entstehenden Rela-
Zur Vermeidung von Unstetigkeiten in der Ölströ- tivbewegungen zuverlässig unterdrückt. Dieser Festsitz
mung, die zu Versorgungsengpässen und Kavitation wird zum Beispiel beim Radiallager durch eine Über-
führen können, müssen häufig schroffe Unstetigkeiten deckung der Durchmesser beziehungsweise durch den
der Ölführungsgeometrie beseitigt werden. Dies ge- sogenannten „Überstand“ Sn der Halbschalen erzeugt,
schieht durch Verrundung von Bohrungen und konti- . Abb. 7.312.
nuierlichen Auslauf von Nuten. Die üblicherweise zur richtigen Positionierung des
Bei der Konstruktion der Schmierölversorgung Lagers angebrachten Nasen oder Stifte sind für die Fi-
ist nicht nur auf ausreichende Zufuhr, sondern auch xierung des Lagers nicht geeignet.
auf ausreichende Abflussquerschnitte zu achten. Dies Die Grenzen sind einerseits ein ausreichend hoher
gilt besonders für die Führungslagerstelle, wo radial radialer Anpressdruck (siehe . Abb. 7.312), anderer-
durchgehende Nuten in der Lauffläche sowohl für Be- seits eine für die Lagerschale ohne große plastische
netzung der Axiallagerfläche als auch für eine wenig Verformung ertragbare Tangentialspannung. Bei den
gedrosselte Ausströmung aus dem Radiallager sorgen. heute üblichen geringen Lagerdicken sind alle gängi-
324 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.312 Über­
1 deckung und Einbau-
spannung

2
3
4
5
6
7
8 gen Lagermetalle überfordert; eine Stahlstützschale sere akustische Bedingungen. Dagegen wird mit grö-
muss für den Festsitz sorgen. Ein Motorenlager besteht ßerem Lagerspiel der Schmieröldurchsatz überpropor-
also in der Regel aus einem Verbundmaterial von Stahl tional (mehr als quadratisch) größer; das Lager wird
9 und eigentlichem Lagermetall, je nach Zusammenset- gegen Verformungen und Störungen toleranter. Man
zung und Einsatzbereich mit oder ohne zusätzliche Be- wird also das Mindestspiel so klein wie für die Be-
10 schichtung. Nur in Einzelfällen, zum Beispiel in großen
Kolbenbolzenbüchsen, kann Vollmaterial verwendet
triebssicherheit möglich wählen. Das Größtspiel ergibt
sich aus den Fertigungstoleranzen der Lagerwanddicke
werden. (6 bis 12 µm) und der angrenzenden Bauteile und kann
11 Die in der Lagerfertigung erforderlichen niedrig besonders bei kleinen Motoren, D < 60 mm, unzuläs-
legierten Stahlsorten haben eine Stauchgrenze von sig hoch werden. Eine Klassierung der Lagerdicke ist
maximal 360 N/mm2; daraus ergibt sich auch eine häufig eine günstigere Methode zur Einschränkung der
12 Untergrenze der Lagerdicke, die bei circa  2,5 % des Spieltoleranz als genauere Fertigung.
Durchmessers liegt. Wie beim Presssitz ist auch die Beherrschung des
13 Von besonderer Bedeutung ist der Temperaturgang Lagerspiels bei Gehäusen aus Leichtmetall schwierig.
bei Leichtmetallgehäusen. Wegen der unterschiedli- Hier ergibt sich über den Temperaturbereich eine un-
chen Wärmeausdehnung von Stahl und Aluminium zulässige Veränderung von zum Beispiel 15 µm bei
14 ergibt sich bei Erwärmung eine Abnahme, die bis zum −30 °C auf bis zu 120 µm bei 130 °C für einen Durch-
Verlust der Vorspannung gehen kann, während bei messer von 50 mm. Zur Einschränkung des Größt-
15 niedriger Außentemperatur die Festigkeit der Lager-
schale beziehungsweise der Bohrung überschritten
spiels ist eine genauere Klassierung erforderlich, bei
der Bohrung, Welle und Lager einander zugeordnet
wird. werden.
16 Hier wird oft die unmittelbare Lagerumgebung
durch eingegossene Sinterstahl- oder Stahlgussteile Wanddickenverlauf, Freistellung am Lagerstoß
versteift. Zur Auslegung der Lagerstelle bei Verbund- Ideal für die Lagerfunktion ist eine ungestört kreiszy-
17 konstruktionen reichen die globalen Modelle für eine lindrische Bohrung. Die Spannungen aus dem Lager­
Presssitz-Berechnung nicht mehr aus; es müssen die einbau und die Massenkräfte erzeugen jedoch eine
18 lokalen Spannungen und Verformungen mittels FE- meist unrunde Bohrung, die durch eine kontinuierli-
Methode ermittelt werden. che Veränderung der Lagerschalendicke vom Scheitel
zum Stoß kompensiert wird. Bei halbschalig geteilten
19 Lagerspiel Lagern sorgt eine unmittelbar neben dem Stoß lie-
Das Lagerspiel ist die wichtigste frei wählbare Größe gende, einige Millimeter lange Freistellung von circa 5
20 bei der Lagerkonstruktion. Kleines Lagerspiel ergibt
nominell höhere hydrodynamische Tragfähigkeit und
bis 15 µm Tiefe für den Ausgleich unterschiedlicher
Dicken der Halbschalen. Einige Kenngrößen zeigt
durch die höhere Dämpfung gegen Verdrängung bes- . Abb. 7.313.
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
325 7

Lagerstelle Betriebsbedingungen Konstruktionsgrößen


Bewegungsart Belastungsart U Pmax Ψmin B/D pr min
[m/sec] N/mm2] [%] –– [N/mm2]
Kurbeltrieb:
Kolbenbolzen- schwenkend Schwelllast aus Zy- 2–3 70 – 130 0,8 < 1,0 9
büchse linderdruck oszillie-
renden Massen
Pleuellager ungleichförmig Schwelllast aus 10 – 20 60–120 0,5 0,28 – 0,35 10
rotierend, ~ n Kolbenbolzenkraft
und rotierenden
Massen
Kurbelwellen- rotierend, n Schwelllast aus 12 – 22 50–90 0,8 0,25 – 0,32 8
lager benachbarten
Pleuellagern
Axiallager gleitend Führungskraft, 15 – 24 < 2 Dauer –– ––– ––
Kupplungskraft, < 5 kurz
Stoßlast < 12 Stoß
Ventiltrieb:
Kipphebellager schwenkend, > 0 stoßförmig 60 – 90 0,7 0,5 – 0,8 9
Nockenwellen- rotierend, n/2 schwellend 20 – 50 8
lager
Massenaus- rotierend, 2n umlaufend 20 – 40 1,2 0,3 – 0,4 > 10
gleich
Rädertrieb, rotierend gleichförmig konstruktiv bedingt
Kettenräder,
Nebenaggregate

..Abb. 7.313  Kenngrößen und typische Anhaltswerte für wichtigste Lagerstellen

Wesentlich für eine störungsfreie Funktion des Mischreibanteiles während des Zyklus und Einschrän-
Lagers ist auch die richtige Gestaltung der Bohrung kungen von Materialien wie Blei durch die Umwelt-
und der Zapfen in Bezug auf Fluchtung, Rundheit, gesetzgebung zunehmend schwieriger und erfordert
Balligkeit, Welligkeit und Rauigkeit. Hier wird auf die neue Ansätze. Bei den bekannten Standardwerkstoffen,
einschlägigen Konstruktionsrichtlinien und Normen die aus einer härteren Matrix mit guter Wärmeleitfä-
verwiesen. higkeit (zum Beispiel CuSn und AlCu) mit Einlagerun-
Die Wahl der Lagerbauart in Abhängigkeit von Be- gen aus weichen, unmischbaren Phasen (hauptsächlich
lastung und anderen Randbedingungen erfolgt anhand Pb und Sn) bestehen, setzt man auf ein gutes Notlauf-
von zulässigen Grenzwerten. Die Belastungsgrenzen verhalten durch Schmierung aus den niedrig schmel-
und die Gebrauchseigenschaften der üblichen Lager- zenden Bestandteilen. Bei den neuen, eher homogenen
bauarten sind in ▶ Abschn. 7.19.4 näher beschrieben. Werkstoffen tritt durch spezielle, triobologisch aktive
Wichtig ist bereits im Entwurfstadium des Motors die Legierungselemente der Schaden erst bei größeren Stö-
simultane Entwicklung mit dem Lagerhersteller. rungen ein. Dünne Einlaufschichten unterstützen den
Lagereinlauf durch rasches Anpassen im Einlauf und
verhindern Fressen bei Motorenanlauf.
7.19.3 Lagerwerkstoffe Jeder gute Lagerwerkstoff ist ein Kompromiss zwi-
schen den widersprüchlichen Anforderungen nach
Das Lager hat neben seiner eigentlichen Funktion, Festigkeit und tribologischen Eigenschaften. Die beste
Last bei Relativbewegung zu übertragen, zusätzlich Zusammensetzung richtet sich nach der Gewichtung
die wichtige Aufgabe, Störungen des Systems auf sich für den vorliegenden Einsatzfall.
zu konzentrieren und die angrenzenden Bauteile wie Trotz der Vielzahl unterschiedlicher und zum Teil
die Kurbelwelle, möglichst lange zu schützen. Dies sehr ähnlicher Werkstoffe verschiedener Lagerherstel-
wird durch die steigenden Belastungen, Erhöhung des ler lassen sich die für den Einsatz in Verbrennungsmo-
326 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Lagermetalle sung, als Dreistofflager und Rillenlager stehen sie in


1 Weißmetalle, gegossen (DIN-ISO 4381, SAE 12 – 17) direktem Wettbewerb mit Bleibronzen.
PbSb14Sn9Cu Nicht geeignet sind Al-Legierungen nach heutigem
2
SnSb8Cu4, SnSb12Cu5 Standard für hochbelastete Buchsen mit Schwenkbe-
Al - Legierungen, walzplattiert (SAE 770 – 788) wegung, zum Beispiel im kleinen Pleuelauge, und
AlSn40Cu, AlSn25CuMn, AlSn20Cu, AlSn6Cu Kipphebel und als Untergrund für Sputterlager.
3 AlSn12Si4, AlSn10NiMn
AlZn4.5SiPb
Am häufigsten eingesetzt werden AlSn-Legierun-
gen. Ab einem Sn-Gehalt von circa 15 % haben diese
Bleibronzen, gegossen, gesintert Legierungen gute Gleiteigenschaften; ihre exzellente
4 (DIN 1716; DIN-ISO 5382, 4383; SAE 790 – 798)
Korrosionsbeständigkeit erlaubt vor allem auch den
CuPb30
Einsatz in Gasmotoren und großen Viertaktern, die
5 CuPb25Sn4, CuPb20Sn2
CuPb15Sn7, CuPb10Sn10
mit Schweröl betrieben werden. Im angelsächsischen
Raum und in Japan werden auch AlSiSn-Werkstoffe
Bleifreie Kupferwerkstoffe, gegossen
und auch AlPb-Legierungen eingesetzt.
6 CuSn 5 zu 1, CuZn20, CuAl8, …
Für hohe Belastungen, zum Beispiel in Pleuella-
Laufschichten
gern, wird AlZn4,5SiPb verwendet. Dieser Werkstoff
Weißmetall, galvanisch (SAE 19, …)
7 PbSn8, PbSn10Cu2, PbSn16Cu3, Pbln9
hat keine eingelagerte Weichphase mehr und eignet
sich daher nur mit Laufschicht als Untergrund für
SuSb12Cu, SuSb7, SuCu4
Dreistoff- oder Rillenlager.
8 Synthetische Laufschichten
PAI/MoS2/C, PAI/WS2/BNhex, PAI/PTFE/TiO2
Die Herstellung von Al-Lagerlegierungen erfolgt
durch kontinuierliche oder halbkontinuierliche Guss-
Al - Legierung, gesputtert
verfahren, wobei die Verfahrensfenster durch das Ent-
9 AlSn20Cu
stehen von Seigerungen der weichen Phase und durch
..Abb. 7.314  Wichtigste Lagermetalle für Verbund- das Auftreten von Rissen in der harten Phase begrenzt
10 lager sind. Je fester die Matrix und je höher der Sn-Gehalt,
umso enger das Verfahrensfenster.
toren wichtigsten in drei Gruppen von Lagermetallen Die heute am weitesten verbreitete Methode ist der
11 und drei Gruppen von Laufschichten zusammenfassen horizontale Strangguss (HSG), der für AlSn-Werkstoffe
(. Abb. 7.314). unkritisch ist, allerdings keine höherfesten Gefüge pro-
Die genaue Definition, Toleranzen der Werkstoff- duzieren kann. Ein etwas homogeneres Gefüge ist mit
12 zusammensetzung und mechanische Eigenschaften dem vertikalen Strangguss zu erzielen, allerdings ist
sind in [139] und den oben angegebenen Normen das Verfahren wegen der schwieriger zu beherrschen-
13 angeführt. den Kühlbedingungen anfälliger.
Neuere Entwicklungen, wie die sogenannte „Belt
7.19.3.1 Lagermetalle Casting“ Technologie erlauben eine größere Bandbreite
14 Weißmetalle im Verfahren und daher auch die Kombination: hoher
Stahl-Weißmetall-Lager findet man im Pkw-Motoren- Anteil matrixverstärkender Elemente/hoher Weich-
15 bau nur noch selten in niedrig belasteten Lagerstellen
(Nockenwellenlager, Rädertrieb). Die Legierungen
phasengehalt. Da hier die Kokille – im Gegensatz zu
den beiden anderen Verfahren – aus einem mitlaufen-
SnSb8Cu oder PbSn8 haben hervorragende Laufei- den Band besteht, können die Erstarrungsbedingungen
16 genschaften, aber zu geringe Dauerfestigkeit für die besser auf die jeweilige Werkstoffzusammensetzung
bei modernen Motoren im Triebwerk auftretenden abgestimmt werden. Durch die Verwendung dieser
Schwelllasten. Gießmethode wurden Lagermetalle, wie das oben an-
17 Die Herstellung des Verbundmaterials mit Stahl gesprochene AlSn25CuMn erst ermöglicht.
erfolgt im Standguss oder Schleuderguss für Dick- Nach dem Gießen werden die Streifen in mehre-
18 wand-Lager beziehungsweise als Bandguss für Dünn- ren Schritten abgewalzt und wärmebehandelt; AlSn-
wandlager kleinerer Abmessungen. Legierungen werden danach noch mit einer dünnen
Bindeschicht aus Al verbunden und – abhängig von
19 Leichtmetalle (.  Abb. 7.315) der Dicke der fertigen Lager – zu Coils aufgewickelt
Legierungen auf Aluminium-Basis haben sich in wei- oder in Streifen zwischengelagert.
20 ten Bereichen als Hauptlager und Nockenwellenlager
bewährt. Als Zweistofflager ohne Laufschicht sind sie
Die Verbindung mit Stahl erfolgt durch Walz-
plattieren – im Prinzip ein Reibschweißvorgang
bei mäßigen Belastungen eine sehr kostengünstige Lö- (. Abb. 7.316). Die Oberflächen der beiden Bänder
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
327 7

AIZn5SiPb AlSn6Cu AlSn20Cu AlSn25CuMn


Härte HB 55–65 Härte HB 36–45 Härte HB 34–38 Härte HB 43–55

..Abb. 7.315  Gefügevergleich von Al-Lagerlegierungen

..Abb. 7.316 Herstel- Ab-Haspel Bürstmaschine


Bandschweiß- Richtwalze Per-Bad
lung des Stahl-Alumini- maschine
um-Verbundmaterials
(aus [139])

Al-Band Plattier-
Induktion- Walzwerk
Ab-Haspel Ofen
Bandschweiß-
Schere
maschine
Bandschleif-
maschine
Richtwalze Auf-Haspel

Per-Bad

St-Band

werden gereinigt und aktiviert; danach erfolgt eine Sn-Gehalt, desto fester; je höher der Pb-Gehalt, desto
Erwärmung und das Zusammenwalzen bei Abwalz- lauffähiger wird der Werkstoff. Es bilden sich die bei-
graden von 20 bis 35 %. Das fertige Band wird wieder
aufgerollt. Bei kleineren Losgrößen ist das Plattieren in
Streifen von mehreren Metern Länge wirtschaftlicher; -
den Gruppen
CuPb(18-23)Sn(1-3) für höhere Gleitgeschwin-
digkeiten, das heißt für den Einsatz in Pleuel-
das Verfahren ist im Prinzip das Gleiche.
Die neueren AlSn-Legierungen werden auch mit
legierten Zwischenschichten, zum Beispiel AlZn, plat-
tiert, damit ihre höhere Festigkeit auch im Verbund
- und Hauptlagern und
CuPb(10-15)Sn(7-10) für Schwenkbewegung, das
heißt für den Einsatz in Kipphebel- und Kolben-
bolzenbüchsen
genutzt werden kann.
heraus. Im Bereich der bleifreien Kupferwerkstoffe
Kupfer-Legierungen sind eher homogene Werkstoffe wie Messing oder
Die Werkstoffe für Lageranwendung auf Cu-Basis sind
sehr vielfältig. Für Verbundwerkstoffe werden fast aus-
-
Bronzen im Einsatz:
CuSn basierende Bronzen mit guter Verformbar-
schließlich Legierungen vom Typ CuPbSn eingesetzt.
Andere Legierungen wie CuAl oder CuZn werden nur
in Sonderfällen als Massivwerkstoff eingesetzt.
Bleibronzen bestehen aus einer festen CuSn-Mat-
- keit und
CuZn basierende Messinglegierungen mit guter
Korrosionsbeständigkeit.

rix, in die Blei eingelagert ist. Zinn wird im Bereich von Für rotierende Anwendungen sind Bleibronzen nur
1 bis 10 %, Blei von 10 bis 30 % zulegiert. Je höher der mit zusätzlicher galvanischer oder gesputterter Lauf-
328 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Ab-Haspel Bürstmaschine Auf-Haspel ..Abb. 7.317 Herstel-


1 Bandschweißmaschine Vorfräßmaschine
lung des Bleibronze-
Verbundmaterials im
Profiliermaschine Rollenschere
Bandguss (aus [139])
2 Glühstrecke Fertigmaschine
Schmelzofen Walzenzug
Gießkasten
3 Kühlstrecke
Schere

4
5 + +

6
..Abb. 7.318 Gefüge
7 der Legierung CuP-
b20Sn2 aus verschiede-
nen Herstellverfahren
8
9
10 CuPb20Sn
Bandguss
CuPb20Sn
Schleuderguss
CuPb20Sn
gesintert

11 schicht geeignet. Kolbenbolzen- und Kipphebelbüch- gentliche Sinterprozess (Sintern – Walzen) erfolgt in
sen werden abhängig von ihrer Größe mit und ohne zwei Stufen, um ein Gefüge mit wenigen und kleinen
Laufschicht eingesetzt. Poren zu erhalten.
12 Ein wesentlicher Nachteil von Bleibronzen ist die Die Gefüge unterscheiden sich deutlich
Empfindlichkeit des Bleis gegen korrosiven Angriff (. Abb.  7.318), auch die Festigkeit von gegossenen
13 durch Schwefel- und Chlorverbindungen. Daher wer- Bronzen ist ohne besondere Maßnahmen höher als
den bei Schwerölbetrieb und in Gasmotoren Al-Legie- die von gesinterten.
rungen bevorzugt.
14 Die Herstellung des Bronze-Stahl-Verbundmateri- 7.19.3.2 Laufschichten
als erfolgt durch Gießen oder Sintern. Auf alle höherfesten Lagermetalle müssen sogenannte
15 Als Gussverfahren eignet sich der Bandguss bis
circa 6 mm Dicke des Verbundmaterials beziehungs-
Laufschichten aufgebracht werden, um ausreichend
gutes Laufverhalten und Störunempfindlichkeit her-
weise der Schleuderguss für dickere Lager. zustellen. Es gibt im Wesentlichen drei grundsätzlich
16 Beim für Pkw-Lager am weitesten verbreiteten
Bandguss wird das vorbehandelte Blechband an den
Kanten aufgebogen und die Schmelze in den Trog --
verschiedene Arten der Beschichtung:
elektrochemisch abgeschiedene Weißmetalle,
gespritzte/gedruckte Kunststoffschichten auf

-
17 eingegossen. Nach dem Abkühlen wird die Oberflä- Polymerbasis,
che gefräst und die Seitenkanten werden beschnitten. durch PVD-Verfahren (Sputtern) aufgebrachte
18 Eine leichte Reckung des Bandes während der letzten AlSn-Legierungen.
beiden Schritte sorgt für eine stabile Stahlfestigkeit.
Ein optional nachgeschalteter Walzvorgang erhöht für Oberflächen-Modifikationen wie zum Beispiel Zink-
19 hochbelastete Lager (Sputterlager) die Festigkeit so- phosphatieren finden sich zwar in Nischenanwendun-
wohl des Stahls als auch der Bronze. Zur Zwischenla- gen, setzen sich aber auf breiter Basis nicht durch.
20 gerung wird das Band wieder aufgerollt (. Abb. 7.317).
Beim Sintern wird wiederum das Blechband vor-
Zur guten Bindung am Untergrund und/oder zur
Unterbindung von Diffusionserscheinungen ist eine
behandelt, danach Bronzepulver aufgestreut. Der ei- Zwischenschicht erforderlich, in der Regel aus Ni-
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
329 7
..Abb. 7.319 Quer-
schliff SYNTHEC

ckel oder NiSn. Nickel ist kein Gleitwerkstoff; daher


- Die Dauerfestigkeit nimmt mit zunehmender
soll die Dicke dieser Schicht deutlich geringer sein als
die Oberflächenrauigkeit. Üblich sind 1 bis 3 µm, an-
- Dicke schnell ab.
Bei Verschleiß darf sich die Schmierspaltgeomet-
sonsten kommt es zu größeren zusammenhängenden
Ni-Feldern an der Lauffläche und einem aggressiven
Verhalten des Lagers bei Störungen, wenn die Lauf-
schicht verschlissen ist.
- rie nicht unzulässig verändern.
Durch Konzentration elektrischer Spannungen
kommt es an Kanten und Rändern zu Verdickun-
gen.

Galvanische Laufschichten Auch aus wirtschaftlichen Gründen ist möglichst eine


Diese Laufschichten sind legierungstechnisch gesehen Maßbeschichtung anzustreben.
ähnlich den gegossenen Weißmetallen, haben aber In der Regel werden Laufschichten von 15 bis
eine geringere Härte und auch ein feineres Gefüge, 35 µm Dicke maßgalvanisch, in Abhängigkeit von der
weil sie bei Temperaturen unterhalb des Schmelz- Lagerdimension aufgebracht; wo dickere Schichten
punkts, quasi im eingefrorenen Zustand, abgeschieden notwendig sind, zum Beispiel in Großlagern, müssen
werden (siehe . Abb. 7.323, Dreistofflager). Sie sind diese nachbearbeitet werden.
sehr unempfindlich gegen Mischreibung, verschleißen
aber wegen ihrer niedrigen Härte von 14 bis 22 HV Synthetische Laufschichten
auch schnell. Diese sind Weiterentwicklungen von Trockenschmier-
Weit verbreitet ist das System PbSn(8–18)Cu(0–8), stoffen auf Basis neuer Polymergruppen mit der not-
wobei der Sn-Anteil die Korrosionsempfindlichkeit re- wendigen Alterungsstabilität. Die Laufschicht wird
duziert und Cu die Dauerfestigkeit erhöht. Sn-Gehalte spritz- oder drucktechnisch aufgebracht und erhält
über 16 % führen zu schneller Diffusion und daher ihre Festigkeit durch den Polymerisationsvorgang in
Langzeitinstabilität, Cu-Gehalte über 6 % zur Ver- einer gesteuerten Temperaturbehandlung. Als tribo-
sprödung, sodass die festigkeitssteigernde Wirkung logisch aktive Füllstoffe werden hauptsächlich Graphit
zunichte gemacht wird. und MoS2 verwendet.
Als weiterer Standard haben sich Sn basierende Die Schichten wirken durch die Reduktion von
Laufschichten mit Sb oder Cu Anteilen etabliert. Sie Reibung durch gezielten Verschleiß im Falle von
stellen auch einen Ansatz für bleifreie Dreistofflager Festkörperkontakt, reduzieren so den Energieeintrag
dar. Eine gewisse Bedeutung haben in diesem Zusam- wesentlich und verhindern auf diese Weise Lagerver-
menhang auch Bi-Laufschichten erlangt. sagen. Ein Schliff durch eine derartige Schicht als Lauf-
Hergestellt werden diese Schichten in galvani- schicht ist in . Abb. 7.319 dargestellt. Weiter werden
schen Bädern unter Strom in einem vielstufigen Pro- diese Schichten auch als Einlaufschichten in einer Di-
zess von Vorbehandlung, Aufbringen und Aktivieren cke von 6 bis 10 µm verwendet.
der Zwischenschicht, Abscheiden der Laufschicht und
nachfolgender Wärmebehandlung zur Stabilisierung Gesputterte Laufschicht
des Gefüges und zur Herstellung einer ausreichenden Eine Entwicklung, die erst im letzten Jahrzehnt in
Diffusionsbindung. größerem Umfang in Serie gegangen ist, stellt die An-
Die Dicke von Laufschichten ist aus mehreren wendung des Sputterverfahrens zur Abscheidung von
Gründen begrenzt: AlSn-Schichten auf Gleitlager dar.
330 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1 Lagerschale Lagerschale

AlSn20
2 Al
Al
Strangguss
plattiert

3
Al

4 Plasma
e
Plasma

Al+

5 Al e–
gesputterte
AlSn20
Legierung

6
7 Al Al Sn Al Al Al Sn Al Target ..Abb. 7.321  Gefügevergleich von AlSn20-Schichten,
Target walzplattiert und gesputtert
8 Al Sn Al

Gitter-Atom Primärstoß
7.19.4 Lagerbauarten – Aufbau,
9 ..Abb. 7.320  Sputterverfahren, schematisch Belastbarkeit, Anwendung

10 Sputtern (Kathodenzerstäuben) ist ein Beschich-


tungsverfahren, bei dem im Hochvakuum ein Ar-
Aus Kostengründen wird angestrebt, mit einem mög-
lichst einfachen Aufbau des Lagers die Anforderun-
beitsgas (Argon) ionisiert wird. Ein elektrisches Feld gen für den jeweiligen Einsatzfall zu erfüllen. Die
11 beschleunigt die Ionen zur Kathode, dem „Target“, widerstrebenden Forderungen nach Festigkeit, gutem
aus dem durch den Aufprallimpuls Atome heraus- Festsitz und guten Laufeigenschaften führen aber letzt-
geschlagen werden. Diese Atome kondensieren an endlich zu einem arbeitsteiligen Prinzip und mehr-
12 der Lagerlauffläche und bilden die Gleitschicht, schichtigem Aufbau der Lager.
. Abb. 7.320. Die Gebrauchseigenschaften der Lager, vor allem
13 Durch atomare Abscheidung bildet sich ein festes ihre dynamische Belastbarkeit, sind neben den verwen-
Gefüge mit extrem feiner Weichphasenverteilung, was deten Werkstoffen auch durch ihren Schichtaufbau, die
trotz der hohen Härte von circa 90 HB gute Laufeigen- Schichtdicken und andere konstruktive Maßnahmen
14 schaften erzeugt (. Abb. 7.321). zu beeinflussen. So gibt es über die klassische Mehr-
Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist die Stei- schichtigkeit hinaus neuere Bauformen, die durch ge-
15 gerung der Bindefestigkeit durch Vorreinigung des
Substrats durch „Sputter-Ätzen“ im Vakuum, wodurch
zielten Schichtaufbau oder Laufflächengestaltung die
Gebrauchseigenschaften des Lagers optimieren.
eine hochaktive Oberfläche erzeugt wird. Die grundlegenden Vor- und Nachteile wurden be-
16 Heute wird fast ausschließlich AlSn20Cu als Sput- reits bei den Werkstoffen erwähnt. Die . Abb. 7.322
terschicht für hochbelastete Lager verwendet, doch ist gibt einen Überblick über die am häufigsten verwen-
das Verfahren grundsätzlich sehr flexibel und erlaubt deten Bauarten für das jeweilige Einsatzgebiet.
17 die Abscheidung einer viel größeren Legierungsbreite
als die herkömmlichen elektrochemischen Verfahren. 7.19.4.1 Massivlager
18 Der einzige wesentliche Nachteil sind die hohen Kos- Massivmaterial wird vorwiegend in Großmotoren ver-
ten der Beschichtung. wendet, in Form von harten Bronzen für dickwandige
Buchsen und AlSn6 für Anlaufringe (Axiallager). Vor-
19 teil ist die einfache Herstellung, bei Anlaufringen noch
die Möglichkeit, bei entsprechender Konstruktion eine
20 beidseitige Verwendbarkeit zu erreichen.
Bei Pkw-Motoren werden häufig die langsamlau-
fenden Nockenwellen direkt im Leichtmetall-Zylin-
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
331 7

Stütz- Lager-Metall Laufschicht Maximal Hauptanwendung


schale pquer
Massivlager keine CuPb15Sn7 keine 60 Kolbenbolzenbüchsen
AlSn6 Anlaufringe, Nockenwellenlager
Zweistofflager Stahl CuPb10Sn10 keine 120 Kolbenbolzenbüchsen,
CuPb15Sn7 Kipphebelbüchsen
AlSn6 45 Anlaufringe, Nockenwellenlager
AlSn20 40 Hauptlager, Pleuellager
SnSb12Cu 20 Nockenwellenlager
Dreistofflager Stahl CuPb10Sn10 PbSnCu 90 große Kolbenbolzenbüchsen
CuPb20Sn2 PbSn16Cu 55 Pleuellager, Hauptlager
PbSn10 Cu
PbSn10
SuSb7 Keramik 65
SYNTHEC 70
CuZn5Zn SnCu4 65
SYNTHEC 70
AlZn4,5 PbSn16Cu2 50 Pleuellager
TM
Rillenlager Stahl CuPb20Sn2 SnSb7 50 Hauptlager großer Motoren
AlZn4,5 PbSn16Cu2 55 Hauptlager, Pleuellager
Sputterlager Stahl CuPb20Sn2 AlSn20 > 100 Pleuellager
CuPb10Sn10
CuSn5Zn > 120
CuSn5Zn AlSn20 + > 130
SYNTHEC

..Abb. 7.322  Wichtigste Lagerbauarten und Einsatzgebiet

derkopf gelagert. Obwohl diese Legierungen keine La- Erscheinungsbild der Lager ändert sich kaum;
germetalle sind, ist ihre Funktion wegen der geringen daher ist auch eine Diagnose des Zustands durch
Energiedichte in der Lagerung ausreichend sicher. optische Beurteilung schwierig. Im Erprobungs-
stadium eines Motors ist daher eine ausreichende
7.19.4.2 Zweistofflager statistische Absicherung der Lebensdauer erfor-
Hier gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Ein- derlich (. Abb. 7.323).

-
satzgebiete:
Für Kolbenbolzen- und Kipphebellagerung
eignen sich gerollte Buchsen aus harten Bleib-
ronzen. Sie ertragen die hohen Belastungen bis
Die immer weiter steigenden Belastungen in der Neu-
und Weiterentwicklung von Motoren hatten die Ent-
wicklung von Zweistofflagern mit höherfesten AlSn-
120 N/mm2, die reduzierte Lauffähigkeit spielt Legierungen zur Folge. Für diese gilt grundsätzlich das
durch die geringe Umfangsgeschwindigkeit keine oben Gesagte, doch sind diese Lager wegen der klei-
Rolle. Bei ungenügendem Ölangebot neigen diese neren Schmierspalte und der höheren Energiedichte
Buchsen zu Bleiaustritt aus dem Werkstoff und verreibgefährdeter. Die Erhöhung der Festigkeit durch

- Ölverkokung („Brandspuren“).
Lager auf AlSn-Basis sind wegen ihres ausge-
zeichneten Performance-Kosten-Verhältnisses
die bevorzugte Lösung für moderat belastete
Reduktion des Zinn-Gehalts ist daher kein zielführen-
der Ansatz. Auch die Bindeschicht aus Reinaluminium
kann zur Schwachstelle werden.

Einsatzfälle mit Rotationsbewegung, vorwiegend 7.19.4.3 Dreistofflager


also Haupt- und Pleuellager von Ottomotoren Dreistofflager mit galvanisch aufgebrachter Lauf-
und Großdiesel. Ihr Verschleiß ist niedrig; der schicht, vor allem auf Bleibronze-Basis sind die vor-
Anpassungsfähigkeit sind Grenzen gesetzt. Der herrschende Bauart für Kurbelwellenlager. Sie stellen
niedrige Verschleiß birgt auch ein Risiko: Das eine ausgereifte Technologie dar, sind weltweit verfüg-
332 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Sputterlager ..Abb. 7.323 Material-
1 Stahlstützschale aufbau (Beispiele)
Wahlweise mit Bleibronze- oder
hochfester Aluminiumlegierung
2 als Zwischenschicht oder ohne
Zwischenschicht
Laufschicht: AlSn20 Sputter
Sputterschicht: SYNTHETIC
3 Einlaufschicht

4 CuSn5Zn Bronze AlSn20


Rillenlager
5 Stahlstützschale
Je nach Einsatzfall kommen
verschiedene Aluminium- oder
Bleibronze-Legierungen als
6 Zwischenschicht und verschiedene
galvanische Laufschichten zur
Anwendung

7
8 CuPb20Sn
Dreistofflager
AlZn4,5

Stahlstützschale
9 Je nach Einsatzfall kommen
verschiedene Aluminium- oder
Bleibronze-Legierungen als
Zwischenschicht und verschiedene
10 galvanische Laufschichten zur
Anwendung,
SYNTHETIC Laufschicht

11 als Alternative

CuPb20Sn CuSn5Zn-Synthec
12 Zweistofflager
Stahlstützschale
Je nach Einsatzfall kommen
13 verschiedene Aluminium- oder
Bleibronze-Legierungen
zur Anwendung

14
15
CuPb20Sn AlSn20Cu

16
bar und haben ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Sie Der Verschleiß der 15 bis 30 µm dicken Laufschicht
zeichnen sich durch gute Anpassungsfähigkeit sowie beeinträchtigt die Lagerfunktion an und für sich nur
17 Schmutz- und Fehlertoleranz aus, solange die weiche unwesentlich; die Freilegung des Untergrunds führt
Laufschicht erhalten ist. Für größere Motoren werden aber zu einer drastischen Erhöhung der Empfindlich-
18 auch Dreistofflager auf Leichtmetallbasis eingesetzt. keit gegenüber Störungen. Das klassische Dreistofflager
Für die hohen Belastungen vor allem in Pleuellagern mit PbSnCu-Laufschicht wird daher zunehmend durch
moderner Motoren mit Direkteinspritzung (sowohl höherfeste Al-Zweistofflager im unteren Lastbereich,
19 Otto als auch Diesel) sind Dreistofflager nur beschränkt durch Dreistofflager mit Sn basierender Drittschicht im
geeignet. Ihre Schwachstelle ist der bei zunehmender angestammten Lastbereich und durch die eigentlichen
20 Belastung immer raschere Verschleiß der Laufschicht.
Auch die Korrosionsfestigkeit, die bei längeren Ölwech-
Hochleistungsbauarten – Rillenlager für Großmotoren
und SYNTHEC beziehungsweise Sputterlager für Pkw-
selintervallen immer wichtiger wird, ist nicht hoch. und Nfz-Motoren – ersetzt (. Abb. 7.323).
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
333 7
..Abb. 7.324 Miba- Struktur der Lauffläche
RillenlagerTM
200 µm
Laufschicht
ca. 75 %

Al-Legierung
ca. 25 %
Nickeldamm
max. 5 %

Ansicht der Laufrichtung Schnitt senkrecht zur


Laufrichtung

7.19.4.4 Miba-Rillenlager bei Schmutzanfall, speziell bei den bleifreien Versio-


Das von Miba vor fast 20 Jahren entwickelte Rillen- nen. Auf Grund der aufwändigen Vakuumbeschich-
lager, . Abb. 7.324, verzögert den Abtrag der Lauf- tung zum Beispiel ist ein Sputterlager circa 5- bis 8-mal
schicht durch eine spezielle Geometrie der Oberfläche. so teuer wie ein Dreistofflager. Daher wird in den
Die Laufschicht ist in feinste Rillen in Laufrichtung Pleuel- und Hauptlagern eine Sputter-Schale auf der
eingelagert; dazwischen befinden sich Stege des här- hoch belasteten Seite mit einer Dreistoff- oder Rillenla-
teren Lagermetalls. Das Werkstoffverhältnis an der gerschale auf der weniger belasteten Seite kombiniert.
Lauffläche ist circa 75 % Laufschicht, 25 % Lagermetall. Diese Kombination hat zusätzlich den Vorteil, dass
Mit dieser Geometrie wird erreicht, dass die tribologi- kleine Schmutzpartikel in der weichen Laufschicht
schen Eigenschaften nach wie vor von der Laufschicht eingebettet werden können.
bestimmt werden, diese aber durch die härteren Stege Speziell für größere schnelllaufende Motoren wur-
vor Verschleiß geschützt ist. Damit bleiben die guten den, um eine verbesserte Schmutzverträglichkeit und
Laufeigenschaften wesentlich länger erhalten als bei Anpassungsvermögen bei Geometrieabweichungen zu
Dreistofflagern. erreichen, inzwischen auch weichere Sputterschichten
Das Rillenlager findet heute sein Hauptanwen- auf Zinnbasis entwickelt.
dungsgebiet in Dieselmotoren hoher spezifischer Leis- Richtwerte für Einsatzgrenzen und Kosten von La-
tung für den Antrieb von Lokomotiven und Schiffen; gerbauarten zeigt das . Abb. 7.325.
im Segment der Pkw- und Nfz-Motoren wurde es we-
gen der immer weiter steigenden Belastungen in den
letzten Jahren mehr und mehr durch das Sputterlager 7.19.5 Lagerversagen
ersetzt.
7.19.5.1 Hergang eines Schadens
7.19.4.5 Sputterlager Ein Lagerschaden, . Abb. 7.326 im eigentlichen Sinn
Die am höchsten belastbaren Lager, die heute in gro- ist immer eine Störung der Geometrie des Gleitrau-
ßen Stückzahlen produziert werden, sind Dreistoffla- mes in einem Ausmaß, das keine stabile Operation der
ger auf Basis von Bleibronze oder bleifreier Bronze mit Lagerstelle mehr zulässt. Die Folge ist hohe Reibung,
Sputter-Laufschicht. Wegen der hohen Belastbarkeit damit örtliche Überhitzung und Zerstörung des Lagers
bis über 100 N/mm2 bei gleichzeitig guten Laufeigen- und der angrenzenden Bauteile bis zum Totalschaden
schaften finden sie in Motoren hoher Leistungsdichte des Motors.
für Pkw, Nutzfahrzeuge (hauptsächlich in bleifreien In Verbrennungsmotoren, wo im Gegensatz zu
Versionen) und Antriebe schneller Schiffe Anwendung. Maschinenbaulagern die Lastgröße und Richtung zy-
Vor allem für Pleuellager von Pkw-Dieselmotoren mit klisch wechselt, ist der Schadensverlauf vom Ort, Zeit-
Direkteinspritzung kommen heute derartige Lager in punkt und Lastniveau abhängig und daher statistisch
unterschiedlicher Materialkombination zum Einsatz. zu sehen. Dieselbe Ursache kann in einem Lager zu
Für Lager in Nutzfahrzeugen mit extremer Belastung einem Totalschaden führen, während im Nachbarla-
und Sputterlager mit größeren Lagerdurchmessern ger kaum eine Schädigung zu bemerken ist. Auch kön-
werden sie teilweise mit SYNTHEC-Einlaufschicht nen Störungen kurzzeitig überbrückt und ausgeheilt
versehen. Die wesentlichen Nachteile der Sputterlager werden, wenn die Ursache behoben ist (zum Beispiel
sind ihr Preis sowie die etwas höhere Empfindlichkeit durch Ölmangel, große Schmutzpartikel, Geometrie-
334 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18 ..Abb. 7.325  Richtwerte für Lagerbauarten

19
20
7.19 • Lager in Verbrennungsmotoren
335 7

Verformungen oder Montagefehler kleineren Aus-


maßes können durch örtlichen Abtrag der weichen
Schicht gemildert werden. Dieser Vorgang führt aber
zu einem erhöhten Mischreibgrad, entsprechend der
örtlichen Temperaturerhöhung, und im Extremfall zur
Instabilität und Zerstörung.

Dauerbruch Der Lagerwerkstoff muss ausreichend


Dauerfestigkeit aufweisen, damit für die geforderte
Lebensdauer die Schwelllast sicher übertragen werden
kann. Ist dies nicht der Fall, entstehen feine Risse und
in weiterer Folge ein Abplatzen von Partikeln. Das
Gefahrenpotenzial von Dauerbrüchen ist von der Di-
..Abb. 7.326  Totalschaden eines Bleibronze-Lagers cke der betroffenen Schicht abhängig: Ausbrüche der
Laufschichten führen selten direkt zu Lagerversagen.
abweichungen etc.) (zum Beispiel Übertemperatur, Brüche des circa zehnmal so dicken Lagermetalls stö-
Ölmangel etc.) oder ein Geometriefehler durch Ver- ren die Gleitraumgeometrie nachhaltig.
schleiß oder Anpassung gemildert wird.
Wegen der hohen Folgeschäden eines Lagerversa- Kavitation  Kavitation ist eine Folge von Dampfblasen
gen werden aber auch schon Erscheinungen, die für im Schmieröl, die entstehen, wenn der Schmieröldruck
sich betrachtet noch keinen Ausfall verursachen, als örtlich den Dampfdruck unterschreitet. Wenn diese
Lagerschäden eingestuft. Derartige Erscheinungen Blasen wieder in ein Gebiet höheren Drucks kom-
sind als Frühwarnzeichen für einen sich anbahnen- men, implodieren sie. Der dabei entstehende Druck-
den Lagerschaden zu verstehen und daher für die Zu- stoß reißt aus der Lageroberfläche Teilchen heraus, in
standsdiagnose des Systems sehr wichtig. schweren Fällen durch das Lagermetall durch bis in
den Stahl der Stützschale.
7.19.5.2 Arten von Lagerschäden Kavitation ist sehr häufig ein konstruktives Pro-
Die Norm DIN-ISO 7146 und Fachpublikationen der blem (Nutausbildung, Lagerspiel etc.). Ihr Auftreten
Gleitlagerhersteller beschreiben die häufigsten La- kann zusätzlich zu Änderungen der Ölführungsgeo-
gerschäden, daher hier nur eine kurze Übersicht. Die metrie auch durch Maßnahmen verringert werden, die
Darstellung folgt der Gliederung der DIN-ISO 7146. den Öldruck im System heben.

Schäden an der Lauffläche Korrosion  Von den in der Lagertechnik gebräuchli-


Fremdkörper, Schmutz Fremdkörper, die mit dem chen Materialien ist das Blei der galvanischen Lauf-
Schmieröl in die Lagerung eingeschwemmt werden, schicht und der Bleibronze durch Reaktion mit Schwe-
stellen trotz großer Bemühungen um Sauberkeit in fel und Chlor am meisten betroffen. In den Fällen, wo
Montage und Betrieb immer noch die häufigste Aus- Korrosion im Betrieb zu erwarten ist, zum Beispiel bei
fallursache von Lagern dar, besonders bei Hauptlagern. mit Schweröl oder Deponiegas betriebenen Großmo-
Das Problem bei diesen Vorgängen ist neben der ver- toren, ist eine Erhöhung des Sn-Gehalts in den CuPb-
bleibenden Störung, die die Lebensdauer reduziert, Werkstoffen oder die Verwendung von AlSn statt
auch der Verriefungs- oder Einbettvorgang selbst! CuPb­Sn erforderlich.
Dabei wird örtlich extrem hohe Reibung erzeugt.
Schäden am Lagerrücken
Flächiger Verschleiß  Bei hoher Last, falschem Öl (zu Mangelnder Festsitz  Die zweite wichtige Funktions-
dünn) oder Wahl einer ungeeigneten Lagerbauart kann fläche des Radiallagers ist der Außendurchmesser. Zur
in der Zone des kleinsten Schmierspalts vorzeitiger Übertragung der Kraft ist ausreichende Haftreibung
Verschleiß entstehen. In der Regel ist Verschleiß bei erforderlich. Der Festsitz des Lagers in der Gehäuse-
Normalbetrieb kein Problem; Dreistofflager werden bohrung wird durch eine ausreichende Überdeckung
aber störanfälliger, wenn die tolerante Laufschicht der Durchmesser hergestellt, bei Halbschalen durch
nicht mehr vorhanden ist. eine Überlänge, den sogenannten „Überstand“. Durch
die elastischen Verformungen unter den Betriebskräf-
Kantenträger, lokale Überlastung, Überhitzung Geo- ten ergibt sich an der Schnittstelle zwischen Lager und
metriemängel, örtliche Anlaufstellen durch elastische Gehäuse eine Schubbeanspruchung, die bei ungenü-
336 Kapitel 7 • Motorkomponenten

gendem Festsitz zu Relativbewegungen zwischen Lager ger ersetzen. Dies geschieht durch Entwicklung
1 und Gehäuse führt. neuer Leichtmetall-Legierungen in Verbindung
Die Folge sind Materialverschiebungen, Reibrost, mit fortschrittlicher Gusstechnologie. Neuere
2 Materialübertrag (Pittings) und in schweren Fällen
Wanderung der Schalen.
Entwicklungen sind zum Beispiel AlSn10NiMn,
AlSn12Si4 oder AlSn25CuCoZr - erstere wegen
Durch höheren Überstand können diese Rela- der immer noch deutlichen Reduktion des
3 tivbewegungen unterdrückt werden. Die Grenze ist Sn-Gehalts eher für den Einsatz in kleineren

4
allerdings durch die Tangentialspannungen in der
Stahlschale gegeben, die die Kriechgrenze nicht über-
schreiten dürfen. Drehzahlerhöhungen bestehender
Motoren machen daher häufig konstruktive Ände-
- Motoren (Pkw) bei moderaten Belastungen.
Erhöhung der Verschleiß- und Dauerfestigkeit
der galvanischen Laufschichten durch neue
Werkstoffkombinationen im Zinnsystem, teil-
5 rungen notwendig. weise auch mit Partikelverstärkung, und komplett

Montagefehler Neben den Betriebsbeanspruchun-


- neue Systeme wie Wismut.
Neue synthetische Laufschichten auf Polymerba-

-
6 gen und geometrischen Mängeln sind häufig Fehler sis mit Festschmierstoffeneinlagerungen.
bei der Montage der Lager die Ursache für schwere Neue PVD Schichtkombinationen zur Erhöhung
7 Lagerschäden. Daher sollen Lager so konstruiert sein,
dass Falschlagen, Verwechslungen und Ähnliches mit
der Temperaturfestigkeit.

Sicherheit vermieden werden. Mehrere derartige Neuentwicklungen sind knapp vor


8 der Serieneinführung. Sie werden die herkömmlichen
Lager in Bereichen mit Umweltrelevanz wie die Pkw-
7.19.6 Ausblick Industrie verdrängen und für andere Anwendungen
9 unter Berücksichtigung der tribologischen Notwen-
Die rasante Entwicklung der Motorentechnik, die ge- digkeiten Alternativen für höhere Lebensdauer und
10 rade durch die Einführung der Motoren mit Direkt-
einspritzung eine Beschleunigung erfährt, wird durch
höhere Belastungen darstellen.

Entwicklungen der Komponenten begleitet und teil-


11 weise erst ermöglicht. 7.20 Ansaugsysteme
Wesentliche Treiber für Neuentwicklungen auf
12
-
dem Lagersektor sind:
Belastbarkeit (höhere Zünddrücke, Mitteldrücke,
Luftansaugsysteme moderner Verbrennungsmoto-
ren erfüllen neben Luftführung, Filtration, Akustik

13 - Laufzeiten),
Kosten (hochbelastbare Mehrschichtlager sind
und Luftverteilung auf die einzelnen Zylinder heute
noch eine Fülle unterschiedlicher Funktionen. Mit

14 - teuer),
Umweltfragen (Blei, Reinigung, Herstellpro-
zesse).
zunehmender Komplexität der Motoren werden die
Anforderungen an Ansaugsysteme weiter steigen, wo-
bei die Haupttrends Downsizing, Plattformstrategie,
Verschärfung der Abgasgesetzgebung sowie eine Er-
15 Auch wenn heute alle Anforderungen von technischer
Seite abgedeckt werden, stellt die Kombinationen von
weiterung der Funktionsintegration die Entwicklung
der Systeme maßgeblich beeinflussen.
Belastbarkeit, Laufeigenschaften und Herstellkosten, in
16 Zusammenhang mit dem Ersatz von umweltbedenkli- Systemkompetenz  Die Luftführung wird von der An-
chen Stoffen wie Blei eine besondere Herausforderung saugöffnung bis zum Zylinderkopf als System betrach-
für die Entwicklung dar. tet, welches vom Zulieferer ausgelegt und entwickelt,
17 Aus wirtschaftlichen Gründen wird die Verwen- hergestellt und einbaufertig geliefert wird. Dies setzt
dung von Lagern ohne Laufschicht auch bei höheren beim Zulieferer ein entsprechendes Systemverständnis
18 Belastungen angestrebt, sodass die meisten Werkstoff­ voraus, das sich über die gesamte Luftführung erstreckt
entwicklungen der letzten Jahre auf eine Erhöhung und ein ganzheitliches Verständnis unterschiedlichster
der Festigkeit bei möglichst wenig Einschränkungen Funktionen des Motors inklusive des Ladungswechsels
19 in Bezug auf die Lauffähigkeit gerichtet sind. Die Ent- und der Abgasanlage voraussetzt.
wicklungen gehen derzeit auf Grund des Technologie-
20
-
wechsels in unterschiedlichste Richtungen:
Verbesserung der Belastbarkeit von Zweistoffla-
gern, sodass sie in Teilbereichen die Dreistoffla-
Grundlagen  Das Ansaugsystem besteht aus den roh-
und reinseitigen Luftleitungskomponenten, dem ei-
gentlichen Luftfilter als Hauptkomponente sowie dem
7.20 • Ansaugsysteme
337 7

..Abb. 7.327  Luftführungssystem eines Verbrennungsmotors (schematisch)

Saugrohr, wobei dem Motor möglichst partikelarme lich führt die kalte Seite der Ladeluftleitung zum Saug-
und kalte Luft für den Verbrennungsprozess zugeführt rohr am Motor.
werden soll. Akustische Maßnahmen dämpfen die vom Im Folgenden werden die entsprechenden Kom-
Motor emittierten Geräusche nach den gesetzlichen ponenten und Funktionen insbesondere Filtration,
Vorgaben, das Saugrohr verteilt die Ansaugluft mög- Strömungstechnik und Akustik, näher beschrieben.
lichst homogen auf die einzelnen Zylinder und kann
so eine gleichmäßige und wirkungsvolle Verbrennung Rohluftleitung Die Rohluftführung, also der Be-
gewährleisten. . Abb.  7.327 zeigt schematisch die reich des Ansaugsystems zwischen Ansaugöffnung im
Luftführung eines Vierzylindermotors mit den wich- Front­end des Fahrzeuges und Luftfilter, erfüllt neben
tigsten Funktionen und Anbauteilen. Der Aufbau des der Strömungsführung die Funktion der Partikel- und
Luftführungssystems hängt grundsätzlich von der Art Wasserabscheidung sowie gegebenenfalls der Warm-
des Verbrennungsprozesses (Otto oder Diesel) und luftzumischung. Eine geeignete Rohluftführung ist in
vom Aufladeprinzip ab. der Lage, Grobpartikel (Tropfen, Schnee, Verunrei-
nigungen) über Umlenkungen mit geringem Druck-
verlust an den Wänden abzuscheiden. Diese Vorab-
7.20.1 Komponenten scheidung entlastet die eigentliche Abscheidefunktion
des Ansaugsystems (Partikelaufnahme) des Luftfilters. Die Position sowie
der Verlauf der Leitung beeinflussen also maßgeblich
Rohluftleitung und Luftfilter sind bei allen Varianten den Partikeleintrag, die Partikelabscheidung und den
ähnlich, stromabwärts des Luftfilters unterscheiden Druckverlust und werden heute mit Hilfe der Strö-
sich die Systemen hingegen deutlich (. Abb. 7.328). mungssimulation (CFD – Computational Fluid Dy-
Aufgeladene Motoren haben eine längere Luftführung namics) rechnerisch vorherbestimmt.
als Saugmotoren. Bei Motoren mit Abgasturbolader Die Warmluftzumischung beeinflusst das Betriebs-
(ATL) wird die Ansaugluft vom Frontmodul über den verhalten des Motors, insbesondere in der Kaltstart-
Luftfilter zum Verdichter des ATL beim Abgaskrüm- phase. Auch die Trocknung des Filterelements und
mer geführt. Die komprimierte Luft wird dann wieder das Abtauen von Schnee können durch die Warmluft-
zum Frontmodul mit Ladeluftkühler geleitet. Schließ- zumischung begünstigt werden. Die Zumischung der
338 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.328  a Luft­
1 führung bei Saugmoto-
ren, b  Luftführung bei
aufgeladenen Motoren
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12 Warmluft erfolgt mittels einer zweiten Ansaugung, konnte bei dem in . Abb. 7.329 dargestellten System
deren Ansaugstelle in einem warmen Bereich des Mo- eine Druckverlustreduzierung von 30 % und durch die
13 torraums platziert ist. Die Regelung erfolgt über Klap- Homogenisierung der Anströmung des Luftfilterele-
pen, welche zum Beispiel mittels Dehnstoffelementen mentes eine deutliche Steigerung der Filtrationsperfor-
temperaturgesteuert geschaltet werden. mance erzielt werden. Ebenso profitiert die Signalgüte
14 des Luftmassenmessers von dieser Strömungsoptimie-
Luftfilter  Als Luftfilter bezeichnet man im Allgemei- rung.
15 nen das Gehäuse zur Aufnahme des Luftfilterelements.
Neben der akustischen Wirkung hat der Luftfilter die
In der kalten Jahreszeit kann Schnee angesogen
werden, welcher rohluftseitig am Filterelement abge-
Funktion der Luftführung zur optimalen Anströmung schieden wird. Dies führt zu einem Druckverlustan-
16 des Filterelements. Unter „optimal“ versteht man da- stieg zwischen Roh- und Reinseite des Luftfilters, auf
bei eine möglichst gleichmäßige An- und Abströmung. Dauer letztendlich zu einem Verblocken des Elementes
Dabei sollte die Geschwindigkeit senkrecht zum Fil- und zum Stillstand des Motors. Eine Gegenmaßnahme
17 terelement über die gesamte Filterfläche möglichst ist der Einsatz von Anti-Schnee-Systemen (ASS), wel-
gleichmäßig verteilt sein, so dass eine druckverlust- che ebenso wie die Warmluftansaugung eine Zweitan-
18 arme Durchströmung bei maximaler Staubkapazität saugung darstellen. Aus einem schneefreien Raum des
und Abscheideleistung des Filtermediums gewähr- Motorraums wird die Luft angesogen. Die Steuerung
leistet werden kann. Zur Auslegung der Strömung in basiert auf einer Drucksteuerung, wobei ein rohluftsei-
19 Luftfiltern, . Abb. 7.329 wird bereits zu einem sehr tig positioniertes Ventil öffnet.
frühen Zeitpunkt die dreidimensionale Strömungssi-
20 mulation (CFD) eingesetzt. Damit ist es möglich, mit
einem minimalen versuchstechnischen Aufwand sehr
Luftfiltration  Das im Luftfilter integrierte Luftfilterele-
ment hat die Aufgabe, die in der Ansaugluft enthalte-
früh das optimale Design zu bestimmen. Beispielweise nen Partikel bestmöglich abzuscheiden, um Sensoren
7.20 • Ansaugsysteme
339 7
..Abb. 7.329 An-
strömung von Filter-
elementen. Links un-
gleichmäßig mit hohem
Druckverlust und
reduzierter Filtrations-
performance, rechts op-
timal und homogen mit
Strömungsleitrippen
nach CFD-Simulation

(zum Beispiel Luftmassenmesser) und den Motor vor aber durchaus üblicher Natur. Dies kann den Einsatz
Verschleiß zu schützen. Luftfilterelemente gibt es als von zusätzlichen Komponenten wie zum Beispiel Luft-
Flachfilter oder in zylindrischen Ausführungen. Um führungsgitter, Lamellen oder Luftleitrippen erforder-
den Bauraum maximal mit Filterfläche ausnützen zu lich machen. Die Anströmung des MAF wird mittels
können, wird das Filtermedium in gefalteter Form CFD-Simulation betrachtet, um eine gleichmäßige
verbaut. Typische Filtermedien bestehen aus Zellu- Strömung, Instabilitäten in der Strömung und tole-
losefasern, die durch eine geeignete Imprägnierung ranzbedingte Abweichungen von Systemen zueinander
für die Anwendung unter den gegebenen Randbedin- zu minimieren und so ein optimales Produktdesign
gungen geschützt werden. Zunehmend kommen auch zu generieren. Im Hinblick auf verschärfte Emissions-
synthetische Materialien zum Einsatz. Die Auswahl grenzwerte ist die zuverlässige Funktion des MAF in
des geeigneten Filtermediums und Elementdesigns allen Betriebszuständen und über die Lebensdauer
erfolgt individuell für die jeweilige Anwendung unter des Fahrzeugs vorgeschrieben. Schleichende Degra-
Berücksichtigung der gestellten Anforderungen und dation des Signals zum Beispiel durch Ablagerungen
Randbedingungen. von Öltropfen aus der Kurbelgehäuseentlüftung oder
Weiterführende Informationen können dem aus der Abgasrückführung (AGR) auf dem Sensor
▶ Kap.  23 „Filtration von Betriebsstoffen“ entnom- können ebenfalls mit Hilfe der CFD-Simulation der
men werden. Strömungsführung drastisch verringert werden. Wei-
terhin ist die Signalqualität unter Beladung des Filter-
Reinluftleitung  In dem Reinluftstutzen des Luftfilter- elementes ein wichtiges Kriterium zur Einschätzung
gehäuses oder auch in der Reinluftleitung sind häufig und Qualifizierung der Signalgüte des MAF.
Druck-, oder Temperatursensoren, aber auch Sensoren Auf der Reinluftseite stromabwärts werden die
zur Luftmassenmessung integriert. Der Anströmung vom Verbrennungsmotor erzeugten Gaspulsationen
des Luftmassenmessers (MAF) kommt aufgrund der intensiver. Falls nicht grundsätzlich Thermodynamik
steigenden Anforderungen an die Signalqualität, re- und Akustik ganzheitlich betrachtet werden, muss dies
sultierend aus der Verschärfung der Abgasgesetzge- spätestens im Bereich der Reinluftleitung erfolgen, weil
bung, eine immer größer werdende Bedeutung zu. sich beide Disziplinen in ihrer Wirkung auf die Luft-
Signalabweichungen dQ/Q im Bereich ±2,5 % können führung beeinflussen. Im Bereich der Reinluftleitung
bauraumbedingt eine Herausforderung darstellen, sind findet man akustische Bauteile (Nebenschluss-Reso-
340 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Unterdruckwelle ..Abb. 7.330 Prinzip
1 Saugrohr
der Schwingrohrauf­
Reflexion
ladung

2 Einlassventil
Überdruckwelle

3
4 optimale Rohrlänge [m] ≈ 10 ·
a [ms–1 ]
n [min–1 ]
OT OT
5 UT

6 natoren, λ/4 Rohre), die auch den Ladungswechsel einzelnen Zylinder zu verteilen. Je nach Motortyp ist
beeinflussen. Dazu werden heute Simulationswerk- die Ausführung des Saugrohres sehr unterschiedlich,
7 zeuge benutzt, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt in
der Auslegungsphase Luftaufwand und Mündungsge-
da neben der gleichmäßigen Luftverteilung der Ein-
fluss des Saugrohres auf die Motorperformance eine
räusch errechnen. Der Modellierungsaufwand kann wichtige Rolle spielt. Sowohl Leistung und Drehmo-
8 dabei erheblich reduziert werden, weil ein Berech- ment also auch CO2-Reduzierung im Teillastbereich
nungsmodell beide Ergebnisse liefert. sind Zielgrößen auf die ein Saugrohr ausgelegt wer-
den kann. Sauganlagen unterscheiden sich zwischen
9 Entwicklungsziele heute und in der Zukunft  Down- passiven (starren) Systemen und aktiven (schaltbaren)
sizing der Motoren bedingt einen höheren Anteil Systemen, bei denen mittels Schaltelementen die Saug-
10 aufgeladener Motoren was zu spezifisch höhere Luft-
massenströmen führt. Die Plattformstrategien der
anlage verändert werden kann.
Prinzipiell kann bei heutigen Sauganlagen in drei

---
Automobilhersteller führen zu kleineren und komple- Anwendungskategorien unterschieden werden:
11 xeren Bauräumen. Beides erschwert die Erfüllung der für normalansaugende Ottomotoren,
gegenläufigen Ziele von Akustik und Druckverlust. für aufgeladene Ottomotoren,
Steigende Temperaturen im Motorraum und Lade- für aufgeladene Dieselmotoren.
12 drücke erfordern den Einsatz von höherwertigen Ma-
terialien und ein intelligentes Produktdesign. Erhöhte Zusatzfunktionen bei Saugrohren sind die Einleitung
13 Anforderungen bezüglich der Abgasgesetzgebung haben und Gleichverteilung von Gasen und die Nutzung der
gesteigerte Spezifikationen hinsichtlich der Sensorik Bauteile als Träger für Anbauteile.
insbesondere die Güte der MAF Signalstabilität zur Die Einleitung von Kurbelgehäuse- und Tankent-
14 Folge. Neue Luftfiltermedien beziehungsweise varia- lüftungsgasen kommt hauptsächlich bei Ottoanwen-
ble Filterelementdesigns unterstützen dabei. Mittels dungen zum Tragen, eine Herausforderung ist die Ver-
15 neuer Produktionstechnologien werden zudem Bau-
teilgewichte reduziert, so zum Beispiel im Spritzguss-
meidung von Vereisungen an den Einleitstellen. Bei
kritischen Anwendungen kann mit Heizrohren entge-
verfahren hergestellte Luftfilter auf Basis geschäumter gengewirkt werden. Bei Dieselanwendungen steht die
16 Kunststoffe. Das akustische Verhalten des Ansaugsys- Abgasrückführung im Vordergrund. Die Herausforde-
tems ist gerade bei Wandstärkenreduzierungen zur Ge- rung besteht zum einen in der Erreichung einer aus-
wichtseinsparung zu beachten. Die erforderliche Bau- reichenden Gleichverteilung und dem Bauteilschutz
17 teilsteifigkeit und die damit verbundene Reduzierung für das Saugrohr, da in manchen Betriebspunkten die
der Körperschallabstrahlung kann durch angepasstes Einleitung von ungekühltem Abgas notwendig ist und
18 Design kompensiert werden. So unterstützen hierbei dies zu keiner thermischen Schädigung des Kunst-
Bombierung von Flächen sowie die Verrippungen und/ stoffsaugrohrs führen darf.
oder Sicken.
19 Saugrohre für normalansaugende Ottomoto-
Saugrohr  Das Saugrohr (SR) ist die luftseitig letzte ren Um den Liefergrad bei normalansaugenden
20 Komponente im Ansaugsystem. Es wird direkt am
Zylinderkopf angeflanscht und hat grundsätzlich die
Ottomotoren zu steigern, werden gasdynamische
Aufladeeffekte genutzt, die Schwingrohr- und die
Aufgabe die Ansaugluft möglichst gleichmäßig auf die Resonanzaufladung.
7.20 • Ansaugsysteme
341 7
300 die beiden Resonanzsammler angeschlossen. Diese
wiederum werden über zwei Resonanzrohre mit dem
280 Hauptsammler verbunden. Durch die abwechselnden
Ansaugimpulse wird bei der Auslegungsdrehzahl eine
Drehmoment [Nm]

260 Resonanz erzeugt, die zu einer Liefergradsteigerung


führt. Durch das Öffnen einer, zwischen den beiden
240 Resonanzsammlern angeordneten, Resonanzklappe
kann im höheren Drehzahlbereich ein gemeinsamer
220
Leistungssammler geschaffen werden und die kurzen
Drehmomentrohr
Leistungsrohr Rohre arbeiten nach dem Prinzip der Schwingrohrauf-
ladung. Bei dieser Anordnung führen die Resonanz-
200
1000 2000 3000 4000 5000 6000
aufladung zu einer Drehmomentsteigerung im unteren
Drehzahl [1/min] und die Schwingrohraufladung zu einer Leistungsstei-
gerung im oberen Drehzahlbereich.
..Abb. 7.331  Drehmomentverlauf eines Sechszylin-
dermotors mit Schaltsaugrohr (Längenschaltung) Saugrohre für aufgeladene Ottomotoren  Bei aufgela-
denen Ottomotoren wird der Liefergrad hauptsächlich
Bei der „Schwingrohraufladung“ (. Abb. 7.330) durch den vom Lader erzeugten Ladedruck beeinflusst.
wird jeder Zylinder über das sogenannte Schwingrohr Gasdynamische Aufladeeffekte spielen in Bezug auf
mit einem gemeinsamen Sammler verbunden. Durch Leistung und Drehmoment eine sehr untergeordnete
den Saugimpuls des Zylinders wird eine Unterdruck- Rolle. Daher werden hier vorzugsweise passive Sys-
welle im Schwingrohr ausgelöst. Diese Unterdruck- teme mit kurzen, mit dem Sammler verbundenen,
welle bewegt sich mit Schallgeschwindigkeit entgegen Rohren eingesetzt.
der Strömungsrichtung zum Sammler. Am Sammler Bei aktiven Systemen dieses Typs kommen soge-
erfolgt durch den Querschnittssprung eine Reflexion nannte Ladungsbewegungsklappen zum Einsatz. Diese
der Unterdruckwelle. Die zum Brennraum zurücklau- sind nahe am Zylinderkopf angeordnet und verbessern
fende Überdruckwelle kann zur Verbesserung des Lie- den Verbrennungsprozess im Teillastbetrieb. Aufgabe
fergrades genutzt werden, wenn sie kurz vor Schließen ist eine Verwirbelung der Ansaugluft für eine bessere
des Einlassventils im Brennraum ankommt. Um diesen Vermischung mit dem eingespritzten Kraftstoff und
Effekt über ein breiteres Drehzahlband nutzen zu kön- damit eine optimale Verbrennung zu erzeugen. Die
nen werden zweistufige und in seltenen Fällen auch optimale Verbrennung ist notwendig um den immer
dreistufige Schaltsaugrohre verwendet (. Abb. 7.331). schärferen gesetzlichen Emissionsgrenzwerten gerecht
Die Resonanzaufladung (. Abb.  7.332) kommt zu werden.
hauptsächlich bei Drei-, Sechs- und Zwölfzylinder-
motoren zum Einsatz. Die Funktionsweise beruht auf Saugrohre für aufgeladene Dieselmotoren  Wie schon
einem Helmholtz-Resonator. Es werden Gruppen von beim Saugrohr für aufgeladene Ottomotoren beschrie-
Zylindern gebildet, deren Ansaugimpulse sich nicht ben, ist für die Bereitstellung des notwendigen Liefer-
überschneiden. Im Fall eines Sechszylindermotors grades der Lader zuständig. Daher sind bei aufgela-
werden jeweils drei Zylinder über kurze Rohre an denen Dieselmotoren praktisch keine Schwingrohre

..Abb. 7.332 Prin-
zip einer Resonanz-
schaltsauganlage für
einen Sechszylinder-
motor
342 Kapitel 7 • Motorkomponenten

mehr zu finden. Das Saugrohr wird als Ladeluftver- auf das Signal des Luftmassenmessers berücksichtigt.
1 teiler benutzt und über extrem kurze Einströmtulpen Für die Saugrohre ist eine optimale Steifigkeit und Fes-
wird die Luft direkt in die Zylinder geleitet. tigkeit gegen Innendruckbelastungen bei hohen Tem-
2 Bei aktiven Systemen kommen sogenannte Drall-
klappen zum Einsatz. Voraussetzung für dieses System
peraturen ein sehr wichtiges Entwicklungsziel. Hierbei
werden die Besonderheiten der eingesetzten thermo-
sind zwei Einlasskanäle im Zylinderkopf, wobei einer plastischen Kunststoffe bereits bei der Auslegung
3 als Drall- und der zweite als Füllkanal ausgeführt ist. berücksichtigt. Im Gegensatz zu metallischen Werk-
Die Drallklappe wird im Füllkanal angeordnet und stoffen haben bei Kunststoffen Umwelteinflüsse wie
verschließt diesen im Teillastbetrieb. Der Zylinder Temperatur, Feuchte und Beanspruchungsdauer einen
4 wird in diesem Kennfeldbereich über den Drallkanal wesentlich größeren Einfluss auf die mechanischen Ei-
befüllt. Die Drallströmung im Zylinder erzeugt eine genschaften. Bei faserverstärkten Polyamiden kommt
5 bessere Vermischung des Kraftstoffes mit der Luft und es durch die unterschiedliche Faserorientierung zu
damit eine optimale Verbrennung. Diese ist auch hier richtungsabhängigen mechanischen Eigenschaften,
notwendig, um die Emissionen so gering wie möglich die durch eine Kopplung zwischen Spritzgieß-Simula-
6 zu halten. tion und Strukturmechanik-Simulation berücksichtigt
werden können. Verwendete Schweißverfahren führen
7 Entwicklungsziele heute und in der Zukunft Durch
die Verschärfung der Gesetze hinsichtlich des er-
zu reduzierten Festigkeiten im Bereich der Fügezone,
die bei der Auslegung gegen statische und dynamische
laubten CO2-Ausstoßes und die damit verbundenen Belastungen berücksichtigt werden müssen. Zum Prüf­
8 Strafen steht der Fokus der Motorenentwicklung auf umfang im Rahmen der Bauteilprüfung gehören Ver-
der CO2-Einsparung. Dieser Trend hat auch einen suche an Einzelkomponenten sowie am Gesamtsystem.
starken Einfluss auf die Saugrohre. Eine Möglichkeit Abgerundet wird dies durch Funktionsversuche mit
9 ist die Umstellung von der direkten auf die indirekte Überlagerung der im Fahrzeug vorliegenden Umge-
Ladeluftkühlung. Im Ottomotorenbereich hat die bungsbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit und
10 Ladeluftkühlerintegration im Saugrohr ihren Einzug
gehalten, im Dieselmotorenbereich hingegen arbeitet
Medienbeaufschlagung. Die Bauteillebensdauer wird
mit umfangreichen Schwingungs- und Pulsations-
man hauptsächlich mit Ladeluftkühlern im Ladeluft- versuchen geprüft, die die reale Beanspruchung im
11 rohr vor Drosselklappe. Fahrzeug simulieren. Abgerundet wird die Bauteilva-
lidierung durch Simulationen zum Spritzgussprozess,
Validierung Für die ganzheitliche Produktvalidie- um die Bauteilqualität und den Herstellprozess zu op-
12 rung stehen heute eine Vielzahl von leistungsfähigen timieren.
Werkzeugen aus den Bereichen Simulation, Akustik
13 und Bauteilversuch zur Verfügung. Ziel ist es, mög-
7.20.2 Akustik
lichst früh im Entwicklungsprozess einen hohen Pro-
duktreifegrad zu erreichen. Dazu werden bereits in
14 der frühen Konzeptphase, im Rahmen der virtuellen Unter Schall versteht man mechanische Schwingungen
Produktvalidierung, Simulationen durchgeführt, um und Wellen in einem elastischen Medium. Im voran-
15 die Funktionen und Eigenschaften der Ansaugsysteme
zu optimieren. Neben der eigentlichen Bauteilfunktion
gegangenen Abschnitt des Kapitels wurde beschrieben,
dass sich durch die Bewegung des Kolbens nach dem
sind die optimale Herstellbarkeit und ein geringer Ma- Öffnen des Einlassventils eine Unterdruckwelle ent-
16 terialeinsatz ebenfalls wichtige Kriterien, die bereits zu gegen der Strömungsrichtung bewegt. Diese Druck-
Beginn der Entwicklung berücksichtigt werden. Ne- schwankungen werden als Schall über die Mündung
ben dem akustischen Verhalten werden auch die strö- des Ansaugsystems abgestrahlt (Mündungsgeräusch).
17 mungstechnischen Eigenschaften wie Druckverlust, Daneben regt die Pulsation im Innern der Bauteile die
Gleichverteilung und Anströmung der Messsensorik Wände zu Schwingungen an (Körperschall), die dann
18 analysiert und gezielt verbessert. Sobald erste Mus- wiederum Luftschall abstrahlen. Von der Umwelt wird
terbauteile vorliegen, werden bei Luftfiltersystemen dieser Schall nicht immer als angenehm empfunden,
unter anderem die Filtrationseigenschaften überprüft. weshalb es Geräuschgrenzwerte gibt, die von jedem
19 Aufgrund der strengen Abgasgesetzgebung wird das Fahrzeug eingehalten werden müssen (siehe auch
Strömungsverhalten im Luftfilter auch unter Berück- ▶ Kap. 27).
20 sichtigung einer Staubbeladung sehr genau untersucht.
Dabei werden auch Einflussfaktoren wie Faltengeomet- Geräuschentstehung  Bei einem Verbrennungsmotor
rie des Filterelements und Streuung des Filtermediums erzeugen die Kolben durch ihre Auf- und Abbewegung
7.20 • Ansaugsysteme
343 7
..Abb. 7.333 Geräusch- Abstrahlung
quellen eines Ansaug- Resonator
systems
Mündungs- Reinluftleitung
geräusch Luftfilter

Luftmengen- Drosselklappe
Rohluftleitung messer
Ansaug- Saugrohre
öffnung Zylinder
1
Körperschall-
einleitung Schall- 2
erregung
3

4 Abstrahlung

Sammler

..Abb. 7.334 Wirkung
auf das Mündungs-
Mündungsgeräusch

geräusch und den

Ladungswechsel
Wirkung auf
Wirkung auf

Ladungswechsel

Lufteinlass
Rohluftleitung Luftfilter Reinluftleitung Sammler Schwingrohre

Luftdruckschwankungen (Luftpulsationen) und als zz Primäre Maßnahmen


Folge davon Luftschall. Der Kolben wirkt somit als ae- Sie nehmen Einfluss auf die Schallquelle. Bei den
ropulsive Geräuschquelle. Hohe Strömungsgeschwin- luftschallerregten Geräuschen bedeutet dies eine Ver-
digkeiten an Kanten und Turboladern sind weitere ringerung der Wechseldrücke, bei den körperschaller-
aerodynamische Quellen, die zu dem Ansauggeräusch regten Geräuschen eine Verringerung der anregenden
beitragen. Kräfte und eine Veränderung des Körperschallverhal-
In erster Linie wird dieses Geräusch über die An- tens und der Abstrahlung (Admittanz und Abstrahl-
saugmündung emittiert und gelangt so direkt in die grad).
Umgebung. Ein zweiter Teil der Pulsationsenergie regt
innerhalb der Ansauganlage die elastische Struktur zu zz Sekundäre Maßnahmen
Körperschallschwingungen an. Diese werden dann von Sie vermindern nachträglich den entstandenen Luft-
den Außenflächen auf die umgebende Luft übertragen schall und senken die Geräuschemissionen durch
beziehungsweise über die Befestigungspunkte in die Schalldämpfer und/oder Kapselung.
Karosserie eingeleitet. Diese Zusammenhänge sind auf Die aeropulsive Schallquelle der Ansauganlage ist
dem . Abb. 7.333 schematisch dargestellt. der Motor; der Einfluss darauf kollidiert aber häufig
mit den Zielvorgaben aus der Thermodynamik. Des-
Optimierungsmaßnahmen  Das Ziel der Maßnahmen halb setzt man Sekundärmaßnahmen, wie Dämp-
zur Optimierung des Ansauggeräusches ist eine konse- ferfilter und Nebenschlussresonatoren ein, um das
quente Akustikentwicklung, wobei das Geräusch schon Ansauggeräusch zu reduzieren. Die Wirkung einer
im Entwurfsstadium reduziert werden sollte. Die Maß- akustischen Maßnahme auf das Mündungsgeräusch
nahmen zur Optimierung des Geräusches unterteilt und auf den Ladungswechsel ist auf dem . Abb. 7.334
man in: beispielhaft dargestellt.
344 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.335 Baufor-
1 men von akustischen
Dämpfern mit ihrem
Einsatzbereich
2
3
4
5
6
7
8
9
Akustische Elemente von Rohrleitungssystemen Für rung des Ansaugquerschnitts oder mit einer Verlän-
10 die Dämpfung von Ansauggeräuschen können ver-
schiedenste akustische Prinzipien angewendet werden,
gerung des Ansaugrohres erreichen. Wegen des meist
begrenzten Bauraums lässt sich das Gehäusevolumen
siehe . Abb. 7.335. Die wichtigste Dämpferbauart ist nicht beliebig steigern. Auch ein stark verkleinerter
11 im Prinzip wie ein sogenannter Reihenresonator auf- Ansaugquerschnitt hat unerwünschte Nebenwirkun-
gebaut. Darunter ist ein System nach der Form eines gen, weil dadurch der Ansaugluftstrom gedrosselt
Helmholtz-Resonators zu verstehen, bei dem an eine wird. Ein erhöhter Druckverlust bedeutet aber immer
12 Dämpferkammer ein Rohrstück angeschlossen ist. Im auch ein Verlust an Motorleistung, weshalb in der
Prinzip wirkt ein solcher Resonator wie ein Feder- Praxis der Druckverlust im Ansaugrohr dadurch in
13 Masse-System, in dem die Feder durch die kompres- Grenzen gehalten wird, dass die Ansaugöffnung ähn-
sible Luft in der Kammer, die Masse dagegen durch lich einem Venturirohr diffusorartig gestaltet wird.
die Luftstöße im Rohr realisiert wird. Abhängig von Auch die Verlängerung des Ansaugrohres stößt an
14 seinen Abmessungen, lässt sich eine Resonanzfrequenz Systemgrenzen, birgt eine solche Maßnahme doch die
f0 errechnen, bei der solch ein Resonator den einge- Gefahr von Rohrresonanzen, die der Dämpfung dann
15 leiteten Schall verstärkt. Die Frequenz berechnet sich
nach der Formel
bei bestimmten Frequenzen wieder entgegenwirken
können. Deshalb sorgt nur eine exakte Abstimmung
des Gesamtsystems für einen optimalen Kompromiss
16 c
s
Aw
aus Aufwand und Rentabilität.
f0 = ; (7.25)
2 lakust  V  Akustische Mess- und Simulationswerkzeuge  Für die
17 Auslegung eines Ansaugsystems stehen viele Werk-
wobei Aw der mittlere Querschnitt des Resonator- zeuge zur Verfügung; insbesondere die Simulations-
18 Halses, lakust die effektive akustische Länge des Halses werkzeuge haben in den letzten Jahren an Bedeutung
und V das Kammervolumen
p ist. Umgekehrt werden stark zugenommen, da mit ihnen in einem sehr frühen
Frequenzen ab f0  2 gedämpft. Diesen Zusammen- Stadium der Entwicklung schon Aussagen über das
19 hang gilt es mit dem Dämpferfilter auszunutzen. Um akustische Verhalten gemacht werden können. Neben
möglichst gute Dämpfung zu erzielen, muss f0 so tief der Finite-Elemente-Methode haben sich 1D-Berech-
20 wie möglich, das heißt weit unterhalb der im Betrieb
auftretenden Frequenzen liegen. Das kann man mit
nungsprogramme, basierend auf der Transfermat-
rix-Methode oder der Finite-Differenzen-Methode,
Vergrößerung des Luftfiltervolumens, mit Verkleine- durchgesetzt. Letztere hat den Vorteil, dass neben den
7.20 • Ansaugsysteme
345 7
..Abb. 7.336 Akustische
Tool Option
Mess- und Simulations-
werkzeuge 1D-FDM- Optimierung des gesamten
ComputerSimulation Ansaugsystems

3D-FEM/BEN- Detailbetrachtung in Bezug


Computer-Simulation auf Abstrahlung

Pulsations- Realitätsnahe Abstrahlungs-


prüfstand messung ohne Motor

Motorakustik- Realitätsnahe Untersuchung


prüfstand am Motor

Rollenprüfstand Gesamtfahrzeugmessung,
für Kfz Transfer-Path-Analyse

Kunstkopf- Psychoakust. Beurteilung


messungen Sound Design

Lautsprecher- Spektrum der Dämmung und


beschallungstest Dämpfung von Bauteilen

akustischen Größen auch thermodynamische Kenn- mehr vorhanden ist. Die federbelastete Mündungs-
werte berechnet werden können. Sobald erste Muster klappe gibt den zweiten Kanal frei sobald der Unter-
vorhanden sind, können die Berechnungsergebnisse druck stark genug ist, dadurch bleibt der Druckverlust
an einfachen Bauteilprüfständen validiert werden. Eine auch beim maximalen Volumenstrom gering.
abschließende Optimierung mit seriennahen Teilen Mit dem Einzug der Elektronik in das Ansaug-
erfolgt dann auf dem Motorakustikprüfstand bezie- system könnten sich auch noch ganz andere Systeme
hungsweise im Fahrzeug. durchsetzen, wie die Verwendung von Gegenschall
Neben der reinen Pegelminimierung spielt auch zum Löschen von Geräuschen. Wird dem vom Motor
die Geräuschqualität eine immer wichtigere Rolle bei kommenden Schall eine um 180° phasenverschobene
der Entwicklung. Hierfür werden mit Hilfe von Kunst- Welle mit gleicher Amplitude entgegengeschickt, so
kopfaufnahmen die Geräusche aufgenommen, um sie löschen sich diese beiden Wellen aus. Dieses Prinzip
dann in Hörvergleichen subjektiv von Probanden be- wird auch als Active Noise Control bezeichnet und ist
urteilen zu lassen. auf dem . Abb. 7.338 dargestellt. Erste Anwendungen
In . Abb. 7.336 sind die Werkzeuge dargestellt. in Abgasanalgen zur Soundgestaltung sind mittlerweile
in Serie vorhanden.
Zukünftige Systeme  Neben den passiven Maßnah-
men finden bei Ansaugsystemen immer mehr adap-
tive Maßnahmen Verwendung. Vornehmlich zur Stei-
gerung des Luftaufwandes werden Schaltsaugrohre
eingesetzt. Aber auch bei Luftführungssystemen kön-
nen diese Bauteile zur Optimierung des akustischen
Verhaltens eingesetzt werden. So kann zum Beispiel
durch ein einstufig schaltbares Ansaugrohr im nie-
deren Drehzahlbereich, wenn der Motor noch nicht
seinen vollen Volumenstrom benötigt, ein kleinerer
Ansaugquerschnitt verwendet werden, um so eine nie-
derfrequente Abstimmung des Helmholtz-Resonators
zu erreichen. . Abb. 7.337 zeigt beispielhaft einen sol-
chen Aufbau.
Eine vorteilhafte Ausführung sieht für die Abstim-
mung eine zweite Rohluftleitung vor, diese wird so di-
mensioniert, dass sie als alleinige Öffnung ausreicht.
Der Gewinn durch die niederfrequente Abstimmung
führt zur Einsparung von großvolumigen Resonato-
ren, für die ohnehin im begrenzten Bauraum kein Platz ..Abb. 7.337 Mündungsklappe
346 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Active Noise Control basiert auf Interferenz von Wellen ..Abb. 7.338 Active


1 180° Lautsprecher Noise Control
Motor

2
3
4 Durch Überlagerung (= Addition) der ursprünglichen Schallwelle mit einem
Gegenschall (Phasenverschiebung 180°) wird der Schall ausgelöscht.

5 7.21 Dichtsysteme weiteren Verringerung der Bauteilsteifigkeit zu rech-


nen. Um die für das Abgasverhalten schädlichen Zylin-
6 Dichtungen sind im Verbrennungsmotor in vielen derverzüge weiter abzusenken, wird eine Reduzierung
Varianten und Werkstoffen vertreten. Üblicherweise der Schraubenkräfte angestrebt. Durch diese Maßnah-
7 wird man auf diese meist unscheinbaren Konstrukti-
onselemente erst dann aufmerksam, wenn sie versa-
men ergeben sich für die Zylinderkopfdichtung erheb-
lich höhere Belastungen in Form von dynamischen
gen. In diesen Fällen ist jedoch meist die Funktion des Dichtspaltschwingungen. Die Brennraumabdichtung
8 gesamten Systems gefährdet. Der hohe Stellenwert des muss in der Lage sein, bei allen Betriebsbedingun-
Bauteils Dichtung zeigt sich schon während der Motor­ gen die erforderliche Mindestdichtkraft dauerhaft zu
entwicklung. Ohne funktionsfähige Abdichtung kann gewährleisten. Daraus resultieren sehr hohe Anfor-
9 praktisch keine sinnvolle Komponentenerprobung derungen an die Dauerhaltbarkeit des verwendeten
erfolgen. Abdichtsystems.
10 Moderne Dichtsysteme arbeiten heute sehr zu-
verlässig. Mit hohem Entwicklungsaufwand wurden 7.21.1.1 Ferrolastic-Weichstoff-
Lösungen geschaffen, die eine langlebige und sichere Zylinderkopfdichtungen
11 Funktion auch unter kritischen Randbedingungen, wie Die Zylinderkopfdichtung aus asbestfreien Ferrolastic-
zum Beispiel aggressiven Medien, hohen Drücken und Weichstoffen, . Abb. 7.339, ist das System, das nach
Temperaturen sicherstellen. der Umstellung auf asbestfreie Werkstoffe Ende der
12 In diesem Kapitel soll dem Leser ein Überblick 1980er Jahre hauptsächlich zur Anwendung kam. Der
über die unterschiedlichen Dichtungsbauarten, deren Aufbau besteht aus einem gezackten Trägerblech mit
13 Anwendung sowie die funktionellen Grundlagen ver- beidseitig aufgewalztem Weichstoff.
mittelt werden. Durch die überwiegend flächige Abdichtwirkung
ist eine hohe Schraubenkraft erforderlich. Die Nach-
14 teile dieses Systems liegen in den vergleichsweise nied-
7.21.1 Zylinderkopfdichtungssysteme rigen elastischen Rückfederungseigenschaften. Hohe
15 Der Zylinderkopfdichtung (ZKD) kommt in moder-
dynamische Dichtspaltschwingungen oder thermische
Pressungsänderungen können nicht kompensiert wer-
nen Motoren eine zunehmend wichtigere Bedeutung den und sind nur teilweise durch höhere Schrauben-
16 zu. Neben der Abdichtung des Brennraums, der Kühl-
mittelbereiche und der Öldurchgänge dient die Zylin-
derkopfdichtung als Kraftübertragungsglied zwischen
17 Zylinderkopf und Kurbelgehäuse. Daraus resultiert ein
erheblicher Einfluss auf die Kraftverteilung innerhalb
18 des gesamten Verspannungssystems und die dadurch
verursachten elastischen Bauteilverformungen.
Steigende Anforderungen bezüglich Verbrauchs-
19 und Emissionsreduzierung führen zu gewichtsop-
timierten Motorkonstruktionen und sowohl beim
20 Dieselmotor als auch beim Ottomotor zu höheren
Zünddrücken. Durch die Verwendung von Leichtme-
tall und reduzierten Guss-Wanddicken ist mit einer ..Abb. 7.339 Ferrolastic-Weichstoff-ZKD
7.21 • Dichtsysteme
347 7
..Abb. 7.340 Me- Metallische Brennraumsicke FPM-Elastomer zur Kühlwasser-
tall-Elastomer-ZKD zur Gasabdichtung und Ölabdichtung

Gas Motorblock Kühlwasser bzw. Öl

..Abb. 7.341  Brennraumschnitt durch eine Metall-


Elastomer-ZKD
kräfte auszugleichen. Insbesondere thermisch hoch-
beanspruchte Motoren mit geringen Stegbreiten und
großen Dichtspaltschwingungen haben die Grenzen
dieses Systems aufgezeigt und zur Entwicklung leis-
tungsfähigerer Systeme geführt.

7.21.1.2 Metall-Elastomer-
Zylinderkopfdichtungen
Metall-Elastomer-Zylinderkopfdichtungen, . Abb. 7.340,
kommen heute hauptsächlich bei schweren und mitt-
leren Nfz-Motoren zum Einsatz. Kennzeichnend für
das Funktionsprinzip dieser Bauart, . Abb. 7.341 ist
die Funktionstrennung zwischen Brennraum- und
Flüssigkeitsabdichtung und das hohe Potenzial der
jeweiligen Dichtsysteme. ..Abb. 7.342 Metalllagen-ZKD
Zur Abdichtung des Brennraums werden neben
rein plastischen Sickenkonzepten auch elastische Sys-
teme eingesetzt. Die Flüssigkeitsdurchtritte werden 7.21.1.3 Metalllagen-
mit Elastomerdichtlippen hoher Anpassungsfähigkeit Zylinderkopfdichtungen
und elastischer Rückfederung abgedichtet. Durch die Metaloflex®
Auswahl eines geeigneten Elastomerwerkstoffs lässt Seit 1992 werden Mehrlagen-Stahldichtungen als Zy-
sich die Alterungsbeständigkeit gegen die Medien linderkopfdichtungen, . Abb.  7.342 in Großserien
Kraftstoff, Kühlmittel und Öl sicherstellen. Je nach eingesetzt. Speziell bei modernen Dieselmotoren so-
Gesamtkonzept der Dichtung können die Elastomer- wie bei hochbeanspruchten Ottomotoren war mit den
lippen an die Dichtungsplatte stirnseitig oder auf die bis dahin verwendeten Weichstoffdichtungen nur mit
Oberfläche direkt angespritzt werden. Alternativ dazu höchstem Aufwand eine serientaugliche Lösung darzu-
kommen auch sogenannte Inserts, das heißt Metall- stellen. Der wesentliche Vorteil der Metalllagen-ZKD
träger mit anvulkanisierter Dichtlippe, zur Anwen- für den Entwickler besteht darin, dass die Dichtungs-
dung. auslegung zielsicher auf die technischen Anforderun-
Zur Vermeidung von Bauteilverzügen und zur gen des Motors angepasst wird und damit kosten- und
gezielten Pressungseinleitung in die angrenzenden vor allem zeitaufwändige Iterationsschritte vermieden
Bauteile können optional Abstützelemente im Außen- werden. Die Metalllagen-ZKD ist, entsprechend der
bereich der Dichtung vorgesehen werden. Anwendung, ein- oder mehrlagig aufgebaut.
Da die Elastomerelemente nur unbedeutende
Dichtkräfte im Verhältnis zur Schraubenkraft benö- Funktion
tigen, kann nahezu die gesamte Schraubenkraft für Die Abdichtfunktion der Metalllagen-ZKD wird im
die Brennraumabdichtung und gegebenenfalls für die Wesentlichen durch die Sicken in den Federstahllagen
Bauteilabstützung eingesetzt werden. Dadurch wird bestimmt. Die Verformungscharakteristik ermöglicht
die verfügbare Schraubenkraft sehr effizient genutzt; einerseits eine plastische Anpassung an die Bauteil-
der Bauteilverzug oder die Anzahl der Schrauben kann steifigkeiten und andererseits ein hohes Rückfede-
reduziert werden. rungsvermögen zur Kompensation von dynamischen
348 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
..Abb. 7.343  3D-Querschnitt durch eine Metalllagen-
3 ZKD

4 ..Abb. 7.345  Der Karostopper kommt bei nahezu


allen Zylinderkopfdichtungen mit Trägerblech zur
Anwendung
5
darzustellen. Besondere Motorkonstruktionen mit
6 sehr engen Abständen der Zylinder zueinander oder
..Abb. 7.344  Der Mäanderstopper erreicht nahezu auch bei speziellen Buchsenkonstruktionen benötigen
7 die identische Steifigkeit wie ein lasergeschweißter
Stopper
ein konstruktives Verschmelzen des Stoppers mit den
Abdichtsicken am Brennraum. Dabei werden speziell
gestalte Vollsicken im Krafthauptschluss auf dem um-
8 Dichtspaltschwingungen und thermischen Bauteilver- gebördelten oder aufgeschweißten Stopper positioniert.
formungen. Durch die Verwendung von Halbsicken
im Flüssigkeitsbereich und üblicherweise Vollsicken Applikationsbeispiele
9 am Brennraum werden jeweils die zur Abdichtung er- Mäanderstopper in Federstahllagen  Mit dem Mäan-
forderlichen Linienpressungen erreicht, . Abb. 7.343. derstopper wird die vom Motor geometrisch vorgege-
10 Am Umfang des Brennraums werden die Mo-
torbauteile durch den Stopper elastisch vorgespannt.
bene Fläche für den Stopper ideal ausgenutzt. Eine in
Mäanderform geprägte „Mikrosicke“ erzeugt eine Ver-
Damit wird eine Reduzierung der durch die Gaskraft dickung, die mit nahezu identischer Steifigkeit den ge-
11 verursachten Dichtspaltschwingungen erreicht und schweißten Stopper substituieren kann, . Abb. 7.344.
gleichzeitig eine unzulässige Verformung der Vollsi- Der Grund: Die durch die Mäandergeometrie beding-
cken verhindert. Die üblichen Stopperdicken liegen im ten zahlreichen Windungen erhöhen die Steifigkeit des
12 Bereich 100 bis 150 µm. Zur Realisierung der geforder- Stoppers, so dass ein Setzen im Motorbetrieb und un-
ten Einbaudicke oder unterschiedlicher Dickenabstim- gewollte Elastizität vermieden werden. Denn ein derar-
13 mungen für Dieselmotoren kann eine Zwischenlage, tiger elastischer Stopper würde zu einer Erhöhung der
die keinerlei Einfluss auf die Abdichtfunktion hat, Dichtspaltschwingungen unter Zünddruck im Motor
eingefügt werden. führen und sich damit negativ auf die Dauerhaltbarkeit
14 Bisher wurden lasergeschweißte und umgefalzte des Systems auswirken.
Stopperlagen sehr erfolgreich in Serie eingesetzt, in-
15 zwischen wird der Generationswechsel zu geprägten
Stoppern vollzogen. Neben der dauerhaften Gewähr-
Karostopper im Trägerblech  Der geprägte Stopper
im Trägerblech verfügt über eine Karogeometrie,
leistung der Stopperwirkung gelingt es mit diesem . Abb. 7.345. Die beidseitig eingeprägten pyramiden-
16 Konzept, zusätzliche Funktionen in die Dichtung zu stumpfförmigen Vertiefungen erzeugen auf der jeweils
integrieren. Durch die Integration des Stoppers in eine gegenüberliegenden Seite Aufwerfungen, die in einem
ohnehin vorhandene Dichtungslage werden wirtschaft- zweiten Arbeitsgang kalibriert, das heißt auf die be-
17 lichste Lösungen erreicht. Grundsätzlich ist zwischen absichtigte Stopperdicke geprägt werden. Damit wird
Stopperprägungen in den Federstahllagen und im Trä- eine erhebliche Kaltverfestigung im duktilen Grund-
18 gerblech sowie eine umgefalzte Funktionslage, dem material erreicht, so dass eine Stopperstruktur mit sehr
sogenannten Segmentstopper, zu unterscheiden. Die hoher mechanischer Festigkeit entsteht. Die derart her-
Herstellverfahren für Karo- und Mäanderstopper erlau- gestellten Stopper sind in der Steifigkeit vergleichbar
19 ben nahezu jegliche geometrische Profilierung, sowohl mit geschweißten Stoppern. Der beschriebene Kalib-
bezüglich der Stopperbreite, als auch der Stopperdicke. rierprozess kann sowohl mit planen als auch mit profi-
20 Über den Bereich der klassischen Stopperfläche hin-
aus eröffnet sich für den Konstrukteur die Möglichkeit,
lierten Werkzeugen erfolgen; dadurch lassen sich auch
topografische Stopper in einem sehr wirtschaftlichen
fast überall auf der Dichtung zusätzliche Abstützungen Verfahren produzieren.
7.21 • Dichtsysteme
349 7

..Abb. 7.346  Vergleich der Pressungsverteilung, ..Abb. 7.347  3D-Ansicht einer ZKD mit höhenprofi-
links ein Stopper mit konstanter Dicke und rechts der liertem Stopper
optimierte Stopper mit variabler Dicke

Variable Stopperdicke  Mit der Gestaltung des Stop-


pers kann gezielt Einfluss auf die Pressungsverteilung
und damit auf die Dichtspaltschwingung genommen
werden. Im Stopperbereich ist die Dichtungsdicke, ent-
sprechend der Motorsteifigkeit, um üblicherweise 0,10
bis 0,15 mm erhöht. Dadurch wird eine Pressungser-
höhung und elastische Vorspannung des Dichtver-
bands erzielt, . Abb. 7.346. Gerade mit den geprägten
Stoppern lässt sich nahezu jede für die Motorbauteile
erforderliche topografische Ausbildung des Stoppers
erreichen. Die Höhenprofilierung, . Abb. 7.347, kann ..Abb. 7.348  Noppenstopper in einer Funktions­
sowohl für jeden Zylinder als auch für weitere Bereiche anlage
auf der Dichtung variabel festgelegt werden.
Durch den topografischen Stopper besteht die
Möglichkeit, inhomogene Bauteilsteifigkeiten zu kom-
pensieren. Bereiche mit niedrigeren Steifigkeiten kön-
nen dadurch vorgespannt und somit die Pressungsbe-
aufschlagung vergleichmäßigt werden. Auf diese Weise
wird die zur Verfügung stehende Schraubenkraft exakt
auf die gewünschten Bereiche verteilt und dadurch op-
timal eingesetzt.
Da die ZKD ein zentrales Element des Verspan-
nungssystems zwischen Zylinderkopf und -block ist,
kann mit ihr die Pressungsverteilung und damit die
Krafteinleitung in die Motorbauteile exakt gesteuert
..Abb. 7.349  Trägerlage mit stirnseitigen Karo-
werden. Durch die Verwendung zusätzlicher Abstüt-
Abstützelementen
zelemente lassen sich Durchbiegungen und die Span-
nungsverteilung in Kopf und Block optimieren. Die
Abstützelemente sind aufgrund der speziellen Präge- Zylinderköpfen wirksam verhindert werden können.
technologie nahezu an jeder Stelle der Dichtung auch Wegen der hohen lokal eingeleiteten Schraubenkräfte
in Kombination mit konventionellen Stoppern, mög- sind üblicherweise die Zylinderkopfverzüge an den
lich. Dies ist sowohl mit Noppenstoppern, die in die Endzylindern deutlich erhöht. Abstützungen in die-
Funktionslage eingeprägt werden (. Abb. 7.348), als sen Bereichen, . Abb. 7.349, zur Optimierung der La-
auch mit Karostoppern realisierbar. gergassenverzüge werden seit langem bei zahlreichen
Durch die Auslegung der Dichtung werden die Motoren eingesetzt. Sie begrenzen die Durchbiegung
Verformungen der Motorbauteile unter Berücksich- des Zylinderkopfs auf ein Minimum, . Abb. 7.350,
tigung der Schraubenkraft gezielt beeinflusst und be- und verringern dadurch die Biegebeanspruchungen
grenzt. Auf diese Weise lassen sich auch Spannungen in der Nockenwelle. Ein weiterer positiver Effekt ist
in den Motorbauteilen reduzieren, womit beispiels- die Reduzierung von Laufgeräuschen durch erhöhtes
weise Zylinderverzüge minimiert werden oder Risse in Lagerspiel.
350 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
..Abb. 7.352  Metalllagen-ZKD mit partieller Be-
4 schichtung

5
6 ..Abb. 7.350  Zylinderkopfverformung mit und ohne
stirnseitige Abstützelemente
7
8 ..Abb. 7.353  3D-Ansicht einer ZKD mit Doppelstop-
per: Karodesign
9
Partielle Elastomerbeschichtung, . Abb. 7.352  Durch
10 die partielle Beschichtung werden nur die für die Ab-
dichtung relevanten Oberflächenbereiche der Zylinder-
..Abb. 7.351  3D-Ansicht einer ZKD im Mehrfunkti-
onslagen-Design kopfdichtung beschichtet. Dadurch besteht die Mög-
11 lichkeit, die Beschichtung auf den frei im Kühlmittel
oder Öl stehenden Dichtflächen auszusparen und somit
In Bereichen hoher thermisch bedingter Dicht- unter kritischen Randbedingungen Beschichtungsablö-
12 spaltbewegung werden zusätzliche Stopperelemente sungen auszuschließen.
eingebracht, um die Bauteile in diesen meist struktur- Weitere Vorteile dieses Verfahrens liegen darin,
13 schwächeren Bereichen vorzuspannen und die Dicht- dass durch das spezielle Auftragsverfahren sowohl die
sicken vor einer Überpressung zu schützen. Schichtdicke als auch das Beschichtungsmedium an-
wendungsbezogen ausgewählt werden können. Den
14 Mehrfunktionslagen-Design, . Abb.  7.351  Zu zum Teil unterschiedlichen Beschichtungsanforde-
große Dichtspaltschwingungen führen zu einer dy- rungen im Brennraum- und im Flüssigkeitsbereich
15 namischen Überbeanspruchung der Sicken; speziell
die Vollsicken am Brennraum sind dabei gefährdet.
kann damit gezielt Rechnung getragen werden. Für
die Kühlmittel- und Ölabdichtung sind beispielsweise
Es kommt zur Relaxation, das heißt zur Abnahme der bei großen Bauteilrauigkeiten oder Poren eine höhere
16 Sickenkraft und des Rückfederungspotenzials oder gar Schichtdicke und ein weicheres Elastomer vorteilhaft.
zu Sickenrissen. Die mit Sicken versehenen Funkti- Gleichzeitig sind zur Abdichtung des Zünddrucks im
onslagen der Metaloflex-ZKD kompensieren durch Brennraumbereich niedrigere Schichtdicken erforder-
17 ihr Rückfederungsvermögen die im Motor auftreten- lich. Diese Zielkonflikte können durch die selektive Be-
den Dichtspaltschwingungen. Durch die Verwendung schichtung gelöst werden.
18 mehrerer Funktionslagen kann die Gesamtamplitude
auf die Einzellagen aufgeteilt und damit auf ein ak- Doppelstopper-Design für Buchsenkonstruktionen 
zeptables Niveau reduziert werden. Das Gesamt- Für Buchsenkonstruktionen ist in vielen Fällen eine
19 Rückfederungsvermögen der Dichtung steigt mit der angepasste Dichtungsauslegung notwendig. Um plas-
Anzahl der verwendeten Funktionslagen. Dadurch tische Deformationen und ein Absinken der Buchsen
20 werden auch bei niedrigen Schraubenkräften und
hohen Spitzendrücken die Funktion und Dauerhalt-
zu vermeiden, müssen die erforderlichen Abdicht- und
Vorspannkräfte gezielt in den Dichtverband eingeleitet
barkeit sichergestellt. werden, . Abb. 7.353 und 7.354.
7.21 • Dichtsysteme
351 7

..Abb. 7.355  3D-Ansicht einer ZKD ohne Stopper

..Abb. 7.354  3D-Ansicht einer ZKD mit Doppelstop-


per: Falzbördel

Durch die Verwendung eines sogenannten Dop-


pelstoppers wird die Kraftbeaufschlagung der Buchse
gezielt definiert. Bei dieser Konstruktion liegt ein ers-
ter geprägter Stopper, wie bei Standardauslegungen,
auf der Buchse entlang des Brennraumumfangs und
ein zweiter Stopper hinter der Sicke auf dem Kurbel-
gehäuse.
Für ein optimales Betriebsverhalten darf die auf
die Buchse wirkende Stopperkraft keine plastische
Buchsenabsenkung verursachen. Durch die Prägung ..Abb. 7.356  ZKD mit integrierter Dichtspaltsensorik
unterschiedlicher Stopperdicken wird die Pressungs- (IDS)
verteilung auf den beiden Stoppern individuell gesteu-
ert. So kann beispielsweise der außenliegende Stopper Ohne Stopper, . Abb. 7.355, hängt die Sickenver-
eine um 20 µm größere Dicke aufweisen, wodurch der formung im Wesentlichen von der Bauteilsteifigkeit
größte Teil der Vorspannkraft nicht auf die Buchse, ab. Das heißt je nach Steifigkeit von Zylinderkopf und
sondern auf den äußeren Bereich des Zylinderrohrs Kurbelgehäuse werden die Sicken mehr oder weniger
geleitet wird. Durch diese Maßnahme wird einerseits stark verformt. Um einerseits ausreichende Dichtpres-
die erforderliche Bauteilvorspannung gewährleistet sungen und andererseits optimale Dauerhaltbarkeit
und andererseits eine Buchsenabsenkung vermieden. zu erreichen, ist eine individuelle Anpassung an die
In vielen Fällen lässt sich durch die Zweiteilung des Motor-Randbedingungen erforderlich.
Stoppers eine erhebliche Reduzierung der Zylinder-
verzüge erreichen. Integrierte Zusatzfunktionen  Durch die Integration
eines hochempfindlichen Sensorsystems direkt in die
Stopperloses Design  Bei Ottomotoren, speziell bei Zylinderkopfdichtung – integrierte Dichtspaltsenso-
Verwendung von Leichtmetallkurbelgehäusen, kann rik (IDS), . Abb. 7.356 – können Vorgänge im Motor
unter bestimmten Voraussetzungen auf den Stopper noch zuverlässiger wahrgenommen werden.
verzichtet werden. Auf diese Weise werden die durch Das Sensorsystem macht sich die enormen Drücke
die Zylinderkopfdichtung verursachten elastischen zu Nutze, die bei der Verbrennung im Zylinder ent-
Bauteilverzüge drastisch vermindert. Neben der Re- stehen. Diese Drücke bewirken eine Relativbewegung
duzierung von Zylinderverzügen können auch Verfor- zwischen Motorblock und Zylinderkopf. Der Sensor
mungen im Bereich der Ventilsitze deutlich verringert registriert die Bewegung und ist dadurch beispiels-
werden. weise in der Lage, Unregelmäßigkeiten im Motor –
Allerdings erfordert die Auslegung dieses Konzepts etwa Fehlfunktionen bei der Verbrennung – frühzeitig
eine exakte Anpassung der Sickengeometrien an die zu erkennen.
Bauteilgegebenheiten. Bei den üblicherweise verwen- Die Messung von Kühlmittel- und Bauteiltem-
deten Dichtungen mit Stoppern ist die Verformung der peraturen im Motor gewinnt zunehmend an Bedeu-
Vollsicken durch die Stopperdicke vorgegeben. Durch tung, da im Zusammenhang mit zum Beispiel kenn-
diesen Sickenschutz werden optimale Bedingungen feldgesteuerter Kühlung an den bisher verwendeten
bezüglich Dauerhaltbarkeit und Rückfederungsver- Messstellen kaum repräsentative Werte erfasst werden
mögen erreicht. können. Speziell in Betriebsbereichen mit keiner oder
352 Kapitel 7 • Motorkomponenten

nur geringer Kühlmittelströmung muss die Temperatur


1 zwangsläufig im Motor an kritischen Stellen gemessen
werden.
2 7.21.1.4 Ausblick
Die Anforderungen zukünftiger Motorkonstruktionen
3 an die Zylinderkopfdichtung sind im Wesentlichen
durch höhere Spitzendrücke, höhere thermische Be-
anspruchung, reduzierte Bauteilsteifigkeiten und neue
4 Werkstoffe gekennzeichnet.
Die Metalllagen-Zylinderkopfdichtung bietet
5 durch ihren modularen Aufbau alle Möglichkeiten
zur individuellen Anpassung an die spezifischen Mo-
torrandbedingungen. Durch die konstruktive Frei-
6 heit dieses Systems wird eine gezielte Beeinflussung
..Abb. 7.357 Weichstoffdichtungen
der Verspannung und Pressungsverteilung im Motor
7 möglich. Dadurch kann die zur Verfügung stehende
Schraubenkraft, bei gleichzeitig minimierten Bauteil-
verzügen, effizient eingesetzt werden. Die weiterentwi-
8 ckelte Metalllagen-Zylinderkopfdichtung Metaloflex®
stellt auch in Zukunft ein sicheres, langlebiges und
kostengünstiges Abdichtkonzept dar.
9 Die Metall-Elastomer-Technologie wird auch
weiterhin die beherrschende Zylinderkopfdichtungs-
10 bauart im Bereich der schweren Nutzfahrzeugmoto-
ren sein. Durch die Funktionstrennung von Brenn-
..Abb. 7.358  Weichstoffdichtungen – Compositeauf-
bau
raum- und Flüssigkeitsabdichtung ist eine optimale
11 Anpassung der Abdichtung, speziell bei Motoren mit Somit ergibt sich folgendes Anforderungsprofil an
nassen Laufbuchsen, an die besonderen Anforderun-
gen gegeben.
-
das Dichtelement:
Adaption an Bauteiloberflächen (Mikrostruktur –

-
12 Rauigkeit/Makrostruktur – Unebenheit),
Druckstandfestigkeit (Setzverhalten) unter

--
13 7.21.2 Spezialdichtungen Wärme und/oder Medieneinwirkung,
Dichtheit über die Oberfläche der Dichtung,

--
7.21.2.1 Funktionsbeschreibung Querschnittsdichtheit im Dichtungswerkstoff,
14 der Flachdichtung mechanische Stabilität (Zugfestigkeit),

15
Mit Flachdichtungen lassen sich hocheffektive, kosten-
günstige Abdichtungen sowohl für eine Vielzahl flüssi-
ger Medien als auch für Gase realisieren. Druck- und
Temperaturbelastungen sind in einem weiten Rahmen
-
elastische Rückstelleigenschaften,
Temperaturbeständigkeit.

Demzufolge ist die ideale Dichtung ein gummielasti-


16 beherrschbar. Die Anforderungen an die Flanschflächen sches Metall mit hoher Festigkeit sowie Medien- und
der abzudichtenden Bauteile sind gering; mit dem Mes- Temperaturbeständigkeit.
serkopf eben bearbeitete Oberflächen sind ausreichend.
17 Um eine sichere Abdichtung zu erreichen, muss bei 7.21.2.2 Weichstoffdichtungen
statischen Flachdichtungen eine ausreichende Flächen- Das Einsatzgebiet von Weichstoffdichtungen
18 pressung in allen Betriebszuständen gewährleistet sein. (. Abb. 7.357) ist breit gefächert. Sie sind aus einem
Einflussparameter wie Betriebsmedien, Schwankun- Compositematerial aufgebaut, das aus Fasern, Füll-
gen von Temperatur und Betriebsdruck, konstruktive stoffen und Bindemitteln besteht, . Abb. 7.358. Seit
19 Elemente (zum Beispiel Schrauben und Dichtflächen), Ende der 1980er-Jahre wurden die als IT-Materialien
die Lage der Dichtung im Verbund und auch das Lang- (Gummi-Asbest) bekannten Weichstoffdichtungen fast
20 zeitverhalten der Dichtung selbst auf den Dichtverband
müssen bei der Auslegung berücksichtigt werden.
100%ig durch asbestfreie Qualitäten ersetzt. Bei hoch-
wertigen Weichstoffdichtungen wurde die Asbestfaser
7.21 • Dichtsysteme
353 7

..Abb. 7.360  Aufbau der Metall-Weichstoff-Dichtung

Die Metalleinlage (Trägerblech) besteht meist aus


einem Stahlblech, das gezackt, perforiert oder auf einer
glatten Oberfläche aufgeklebt zum Einsatz kommt.
Durch die Metalleinlage ergeben sich eine Reihe

--
..Abb. 7.359 Metall-Weichstoff-Dichtungen von Vorteilen:
hohe Zugfestigkeit,
weitgehend durch die Aramidfaser substituiert. Diese
hat ausgezeichnete mechanische und thermische Ei-
-- mechanische Robustheit,
hohe Maßhaltigkeit der Dichtung,
genschaften. Zellulose und Mineralfasern finden in
kostengünstigen Dichtungsmaterialien mit unterge-
- verfahrenstechnische Vorteile (Coilfertigung),
Kostensenkung durch Reduzierung des Faserge-
ordneten Anforderungen Verwendung.
Die Vielzahl der vorhandenen Werkstoffqualitäten,
wie zum Beispiel EWP®-Dichtungswerkstoffe, ermög-
licht für fast jeden Anwendungsfall die Auswahl eines
- halts,
Applikation unterschiedlicher Dichtwerkstoffe
auf dem Trägerblech.

geeigneten Dichtungsmaterials. Weichstoffdichtungs- Da die erforderliche Zugfestigkeit durch das Träger-


material steht im Dickenbereich von 0,20 mm bis über blech erreicht wird, können, wie das nachfolgende
2,5 mm zur Verfügung. Über die Materialdicke lässt sich . Abb. 7.361 zeigt, andere spezifische Eigenschaften
eine Dichtung hinsichtlich der Parameter Anpassungs- der Dichtungsmaterialien gezielt optimiert werden.
fähigkeit, mechanische Stabilität und Setzverhalten ein- Die spezifischen Eigenschaften der in . Abb. 7.361
stellen. Die Leistungsfähigkeit der Weichstoffdichtung aufgeführten Werkstoffe werden hauptsächlich über
kann durch zusätzliches Auftragen von linienförmigen die Zusammensetzung der Dichtauflage festgelegt.
Elastomerschichten verbessert werden. In diesen Be- . Abb. 7.362 zeigt die wichtigsten Einstellparameter
reichen wird die vorgegebene Vorspannkraft auf der für die Auswahl der Dichtauflage.
Fläche (niedrige Dichtpressung) auf schmale Linien- Die Zusammensetzung der Dichtauflagen hängt
bereiche reduziert (hohe Dichtpressung). am stärksten von den thermischen Anforderungen ab.
Die Konfektionierung der Weichstoffdichtungen Im Temperaturbereich bis 150 °C sind sie mit Com-
erfolgt heute auf modernen CNC-gesteuerten Wasser- positewerkstoffen (▶ Abschn.  7.21.2.2) vergleichbar.
strahl-Schneidanlagen. Mit dieser Technologie werden Für Abgasdichtungen werden thermisch hochbelast-
Dichtungen werkzeuglos geschnitten. bare Graphit- und Glimmerwerkstoffe verwendet.
Die Grenze für den Einsatz von asbestfreien Wie auch im vorigen Kapitel über Weichstoffdich-
Weichstoffdichtungen liegt bei thermisch sehr hoch- tungen beschrieben, kann die Leistungsfähigkeit der
belasteten Abdichtstellen. Metall-Weichstoff-Dichtungen durch eine zusätzliche
linienförmige Elastomerbeschichtung weiter gesteigert
7.21.2.3 Metall-Weichstoff-Dichtungen werden. Insbesondere die Oberflächenabdichtung lässt
Metall-Weichstoff-Dichtungen, . Abb. 7.359, unter- sich dadurch signifikant verbessern.
scheiden sich von den im vorigen Kapitel beschriebe-
nen Weichstoffdichtungen durch die in der Material- 7.21.2.4 Spezialdichtungen
mitte liegende Metalleinlage, . Abb. 7.360. Sie werden aus Metaloseal®
hauptsächlich im Automobilbereich eingesetzt und Die Bezeichnung Metaloseal® wird von dem englischen
kommen im Kühlmittel-, Öl-, Kraftstoff- und Abgas- Begriff „Metal sealing“ (metallisches Abdichten) abge-
bereich zur Anwendung. leitet. Der prinzipielle Aufbau metallischer Dichtungen
354 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Werkstoffe Optimierte Eigenschaften Anwendungsbeispiel


1
FW 522 Druckstandfestigkeit, Querschnittsdichtheit, Medienbeständigkeit Zylinderkopfdichtung

2 FW 715 Anpassungsfähigkeit, Querschnittsdichtheit Ölwanne


FW 520 Temperaturbeständigkeit bis 450 °C Abgaskrümmer
3 FW 501 Anpassungsfähigkeit, Temperaturbeständigkeit bis 500 °C Abgasrückführung

4
FW 610 Temperaturbeständigkeit bis 800 °C Turbolader

..Abb. 7.361  Übersicht über die Metall-Weichstoff-Werkstoffe


5
6
7
8
9
..Abb. 7.362  Werkstoffparameter und deren Funktionseinfluss
10
11
12
13
14 ..Abb. 7.364  Aufbau metallischer Dichtungen

. Abb. 7.364. Die bereits in ▶ Abschn. 7.21.2.1 beschrie-


15 benen Anforderungen an das Dichtelement können nur
durch metallische Dichtungen, die beschichtet und me-
16 chanisch modifiziert sind, erfüllt werden.

Trägerwerkstoffe
17 Über die Auswahl der Trägerwerkstoffe wird ein di-
..Abb. 7.363  Ölfilterhalterdichtung mit Lamellen
rekter Einfluss auf das Abdichtverhalten ausgeübt.
18 Eine optimale Anpassungsfähigkeit der Dichtung an
. Abb. 7.363, beruht auf einem Metallträger, der meist die Flanschflächen (Makroabdichtung) lässt sich über
beidseitig elastomerbeschichtet ist. Einer der großen die entscheidenden Einstellparameter Trägermate-
19 Vorteile liegt darin, dass sich, je nach Anwendungsstelle, rialeigenschaften und Sickengeometrie erreichen.
verschiedene Metalle mit unterschiedlichen Elastomer- . Abb.  7.365 gibt einen Überblick über die unter-

20 typen kombinieren lassen. Durch die zusätzlich einge-


prägten Sicken können die Trägermaterialeigenschaf-
schiedlichen Trägerwerkstoffe.
Die üblichen Materialdicken liegen zwischen 0,20
ten optimal auf den Dichtverband abgestimmt werden, und 0,30 mm. In besonderen Fällen können dickere
7.21 • Dichtsysteme
355 7
..Abb. 7.365 Metalo­
seal®-Trägerwerkstoffe Trägermaterialien Einsatzbedingungen
Kaltband Standardausführung
Federstahl Dynamische Dichtspaltbewegungen, hohe Drücke
Edelstahl Aggressive Medien, Korrosionsschutz, erhöhter
Schutz gegen Reibverschleiß
Temperaturbeständige Abgasbereich oder bei Temperaturen zwischen
Stähle 400 °C und 1.050 °C
Aluminium Präventiv zur Vermeidung von Kontaktkorrosion
bei Magnesium-, Aluminium- oder GG-Gehäusen

..Abb. 7.366 Einsatz-
Elastomerwerkstoffe Einsatzbedingungen
bedingungen für die
verschiedenen Elasto- NBR Kühlmittel, Öl, Luft, begrenzt bei Kraftstoff
merwerkstoffe
FPM Kraftstoff
EPDM Bremsflüssigkeit, Hydrauliköl
Temperaturbestän- Abgasbereich bis Flanschtemperaturen < 1.000 °C
dige Beschichtung
Graphitbeschichtung Als Gleitbeschichtung, um hohe Relativbewegun-
gen der Bauteile ausgleichen zu können

oder auch mehrlagige Dichtungen verwendet werden. Weichstoffes zu verhindern, was zwangsläufig zu ei-
Somit lässt sich für nahezu jeden Anwendungsfall durch ner Zerstörung des Weichstoffes und damit zu einer
Auswahl geeigneter Werkstoffe und Sickengeometrien Leckage führen würde. Darüber hinaus besteht bei der
eine bestmögliche Makroabdichtung erreichen. Zusammensetzung eines Weichstoffwerkstoffes immer
ein Zielkonflikt zwischen den verschiedenen Dichtungs-
Beschichtung eigenschaften (siehe . Abb. 7.362, ▶ Abschn. 7.21.2.3).
Die Auswahl des Elastomerwerkstoffs richtet sich in Und genau hier setzen die metallischen Dichtungen an.
erster Linie nach den abzudichtenden Medien und der Durch eine eingeprägte Sicke wird die Flächenpressung
vorhandenen Betriebstemperatur. Eine der wichtigsten auf eine Linienpressung reduziert. Somit lassen sich bei
Aufgaben der Beschichtung ist das Verschließen der gleichen Schraubenkräften höhere Flächenpressungen
Oberflächenrauheit. Somit wird das abzudichtende erzielen oder es wird umgekehrt bei gleichen Flächen-
Medium am Austreten über die Oberfläche gehindert. pressungen eine geringere Schraubenkraft benötigt.
Die Auftragsdicke der Beschichtung pro Seite kann, je Durch die Verwendung eines metallischen Trägers
nach Anwendungsfall, zwischen 5 und 100 µm variie- können nun alle physikalischen Eigenschaften eines
ren. In . Abb. 7.366 werden einige Anwendungsbei- Metalls ausgenutzt werden. Zusätzlich erhält man eine
spiele für die unterschiedlichen Elastomerwerkstoffe weitere Größe, die variabel eingestellt werden kann:
genannt. die Sickenkraft.
Die Sickenkraft wird sowohl durch ein bestimmtes
Funktionsweise der metallischen Abdichtung Höhen-Breiten-Verhältnis der Sicke als auch durch die
In der Vergangenheit mussten mit den herkömmlichen Sickenform selbst – Halb- oder Vollsicke – beeinflusst
Weichstoffmaterialien zum Teil erhebliche konstruktive und individuell an jede Anwendungsstelle angepasst.
„Klimmzüge“ gemacht werden, um ein sicheres Abdich- Beim Erstanzug der Bauteile wird die Elastomerbe-
ten zu gewährleisten. So benötigen Weichstoffdichtun- schichtung über die Sickenkraft in die Oberfläche ge-
gen zum Beispiel einen exakt definierten Schraubenan- presst und verschließt dort vorhandene Kanäle. Zudem
zug, um einerseits eine ausreichende Flächenpressung wird über die Sicke die Anpassungsfähigkeit der Dich-
zu erreichen und andererseits ein Überpressen des tung an die Bauteilebenheit eingestellt. Die Sicke arbei-
356 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Anforderungen an die Dichtung Funktionselement


1
Adaptionsfähigkeit an Bauteilrauheit Anpassungsfähige Elastomerbeschichtung

2 Adaptionsfähigkeit an die Bauteilunebenheit Sicken


Querschnittsdichtheit der Dichtung Porenfreie Elastomerbeschichtung
3 Druckstandfestigkeit (Setzverhalten) Metallischer Träger, dünne Elastomerbeschichtung

4
Mechanische Stabilität Metallischer Träger
Elastische Rückstelleigenschaften Trägerwerkstoff zum Beispiel Federstahl, Sicke

5 Temperaturbeständigkeit Träger- und Beschichtungswerkstoff

..Abb. 7.367  Die verschiedenen Funktionselemente der Metaloseal®-Dichtung erfüllen jeweils spezifische


6 Anforderungen
..Abb. 7.368  Der Ein-
Kriterien Einsatzbereich
7 satzbereich metallischer
Temperatur – 40 °C bis 1.050 °C Dichtungen

8 Druck bis 350 bar


Medien Kühlmittel, Öl, Abgas, Bremsflüssigkeit, Hydraulik-
9 öl, Luft, Kraftstoff, Biodiesel, Harnstofflösung
Oberflächenparameter
10 Rauheit Rmax ≤ 25 µm
Unebenheit ≤ 0,30 mm
11
tet im klassischen Sinne wie eine Feder, die abhängig Der Trend in der Motorenentwicklung geht hin
12 von der Verformung die benötigte Dichtkraft aufbaut. zum Downsizing und Motoren mit Abgasturbolader.
In . Abb. 7.367 wird der Zusammenhang zwischen Bei Temperaturen von über 1000 °C im Abgasbe-
13 den Anforderungen des Bauteils an die Dichtung und reich, werden spezialbeschichtete metallische Dich-
den Einflussmöglichkeiten der verschiedenen Funkti- tungen benötigt, die auch bei diesen Temperaturen
onselemente beschrieben. noch ein ausreichendes, mechanisches Federver-
14 halten aufweisen. Hierbei werden zunehmend Ni-
Einsatzbedingungen ckelbasislegierungen als Dichtungswerkstoff ange-
15 Durch die Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten
zwischen metallischen Trägerwerkstoffen und den
wandt. Metallische Dichtringe (V- beziehungsweise
C-Ringe) aus Nickelbasislegierungen stellen hier eine
verschiedenen Elastomerwerkstoffen können nahezu technische Dichtlösung dar, . Abb.  7.369. Durch
16 alle Anwendungsstellen im Motor abgedeckt werden. spezielle Herstellungsverfahren können hier extrem
Selbstverständlich muss jeder Dichtverband analysiert niedrige Leckageraten auch bei hohen Temperaturen
und müssen die entsprechenden Dichtungseigenschaf- realisiert werden. Da geringste Leckageraten in der
17 ten wie Materialaufbau und Sickengeometrien definiert Regel auch eine zusätzliche Beschichtung der Ab-
werden. . Abb. 7.368 gibt einen Überblick über den dichtsysteme erfordern, muss hier insbesondere im
18 großen Einsatzbereich metallischer Dichtungen. Hochtemperaturbereich ein besonderes Augenmerk
darauf gerichtet werden.
7.21.2.5 Ausblick Zusätzliche Abgasnachbehandlungssysteme wie
19 Im Zuge steigender Abgasemissionsanforderungen SCR (Selective Catalytic Reduction) stellen an Dicht-
nach Euro 5 und Euro 6 im Pkw- und Lkw-Bereich, systeme verstärkt Ansprüche in Bezug auf Korrosion.
20 werden auch an Dichtsysteme höhere Forderungen
gestellt. Dies führt zu neuen, innovativen Produkten.
Auch beim Einsatz von Biokraftstoffen muss darauf ge-
achtet werden, dass die Dichtungen keiner Schädigung
unterliegen.
7.21 • Dichtsysteme
357 7

Um diese anspruchsvollen Forderungen zu erfül-


len, eignen sich die elastomeren Dichtsysteme hervor-
ragend. Zum einen ist die erforderliche Dichtpressung
von Elastomerdichtungen sehr niedrig und zum an-
deren ermöglicht das hohe elastische Verhalten einen
großen Toleranzausgleich. Auf Grund der Tempera-
turbeständigkeit von elastomeren Dichtungswerkstof-
fen werden diese ausschließlich zur Abdichtung von
Flüssigkeiten oder Gasen eingesetzt. Die Abdichtung
des Brennraums erfolgt bei Elastomerdichtungen über
eine metallische Konstruktion.
In Abhängigkeit vom abzudichtenden Medium
..Abb. 7.369  Metall-Dichtungen aus Nickelbasis­ und den vorhandenen Temperaturen werden entspre-
legierungen chend dem Anforderungsprofil geeignete Elastomere
ausgewählt. . Abb. 7.370 gibt einen Überblick über
Durch die Verwendung von metallischen Träger- die zur Verfügung stehenden Elastomerwerkstoffe und
werkstoffen können Dichtungen zusätzliche Funktio- ihre jeweiligen Einsatzbereiche.
nen übernehmen, wie beispielsweise die Integration
von Ölschwallblechen oder Sensoren für ein effizientes 7.21.3.1 Elastomerdichtungen
Motormanagement. Darüber hinaus bieten Vormonta- Elastomerdichtungen, . Abb.  7.371, haben keinen
gelösungen wie Halteklammern und Zentrierelemente Träger. Um eine Überbeanspruchung des Elastomer-
zusätzliche Vorteile beim Einbau des Bauteils. profils zu verhindern, werden diese Dichtungen zum
Beispiel in eine Bauteilnut eingelegt. Grundsätzlich
müssen die Bauteile so gestaltet sein, dass eine extreme
7.21.3 Elastomer-Dichtsysteme Verformung ausgeschlossen wird. Charakteristisch
für diese Ausführung der Dichtung ist das Höhen-
Mehr Leistung bei weniger Gewicht, geringerem Kraft- Breiten-Verhältnis. Der Geometriequerschnitt ist in
stoffverbrauch und sinkenden Emissionen – diese Richtung der verpressenden Kraft (Höhe) wesentlich
zentralen Vorgaben der Motorkonstrukteure stellen größer als in der Querrichtung (Breite). Dies bewirkt
immer höhere Anforderungen an die Dichtsysteme. bei einer Verpressung von 20 bis 30 % einen sehr wei-
So werden Motorkomponenten und Anbauteile aus ten Arbeitsbereich der Dichtung und ermöglicht damit
Gewichts- und Funktionsgründen zunehmend aus die Abdichtung von sich stark deformierenden Bau-
Kunststoffen gefertigt. Reduzierte Bauteilsteifigkeiten teilen aus Kunststoff. Insbesondere wird diese Bauart
(geringerer E-Modul) im Vergleich zu den bisher ver- in Kombination mit Ventilhauben, Ansaugkrümmern
wendeten Werkstoffen Aluminium und Magnesium oder Wasserflanschen aus Kunststoff eingesetzt. Für
sind die Folge. Bei der Verspannung treten dadurch die Abdichtung von Nockenwellenlagern und ande-
höhere Deformationen auf, die durch das Dichtsystem ren dreidimensionalen Durchbrüchen in Bauteilen
kompensiert werden müssen. stellt die Elastomerdichtung die einzige Möglichkeit

Elastomerwerkstoff
Kurzform Chemische Einsatzbereich Motor Thermische Anwendungsbeispiele
(ISO 1629) Bezeichnung Kraftstoff Kühlmittel Öl Anwendungsbereiche
FPM Fluor-Kautschuk + + + –20 bis +230 °C ZKD, Ansaugbereich
MVQ Silikon-Kautschuk – o o –50 bis +200 °C ZKD, Spezialanwendungen
MFQ Fluor-Silikon-Kautschuk – o + –70 bis +180 °C ZKD, Spezialanwendungen
ACM Polyacrylat-Kautschuk – – + –30 bis +150 °C Ölwanne, Zylinderkopfhaube
AEM Ethylen-Acrylat-Kautschuk – – + –35 bis +160 °C Ölwanne, Zylinderkopfhaube
EPDM Ethylen-Propylen-Dien- – + – –50 bis +130 °C Wasserpumpe
Kautschuk
ECO Epichlorhydrin-Kautschuk + – + –40 bis +120 °C Spezialanwendungen im
Kraftstoffbereich
HNBR Hydrierter Nitrilkautschuk o o + –30 bis +150 °C Spezialanwendungen
+ gut geeignet / o geeignet / – ungeeignet ZKD = Zylinderkopfdichtung

..Abb. 7.370 Elastomerwerkstoffe
358 Kapitel 7 • Motorkomponenten

System mit den in der Vergangenheit angewendeten


1 Konstruktionsmethoden nicht mehr berechnet wer-
den. Um diese Systeme funktionssicher zu gestalten,
2 ist eine Analyse des kompletten Verspannungssystems
aus Dichtung, Entkopplungselement, Schraube und
Hülse mittels FE-Berechnung unumgänglich (siehe
3 . Abb. 7.378 und 7.380, ▶ Abschn. 7.21.4.1).
Anforderungen an akustisch entkoppelte Systeme

4
--
sind:
Körperschall-Entkopplung,

5 -- sichere Bauteilverschraubung,
Abdichtung,
Vormontage der Einzelteile.

6 Das Zusammenspiel von Finite-Elemente-Berechnung,


Laborsimulation und Werkstoffentwicklung ermög-
7 ..Abb. 7.371 Ansaugkrümmerdichtung
licht maßgeschneiderte schallentkoppelte Dichtsys-
teme.

8 dar, die Abdichtung sicher zu beherrschen. In diesen 7.21.3.2 Metall-Elastomer-Dichtungen


Bereichen kann durch eine spezielle Formgebung der Da sich bei einigen Bauteilen aus geometrischen oder
Elastomerdichtung eine optimale Abdichtung gewähr- funktionellen Gründen reine Elastomerdichtungen
9 leistet werden. (benötigen eine Nut im Bauteil) oftmals nicht ein-
Mit speziell per Finite-Elemente-Methode (FEM) setzen lassen, wurde die Metall-Elastomer-Dichtung,
10 errechneten Querschnitten wird das Dichtungsprofil
an die spezifischen Eigenschaften der abzudichtenden
. Abb. 7.373, entwickelt. Bei dieser Dichtungsbauart
wird das Elastomer direkt an einen Aluminium- oder
Bauteile angepasst. Ein rechteckiger Dichtungsquer- Stahlträger anvulkanisiert. Die Elastomerhöhe wird
11 schnitt wird nur sehr selten eingesetzt, da die Verfor- auf die Trägerdicke abgestimmt, ist aber deutlich
mungseigenschaften sehr begrenzt sind. niedriger als bei reinen Elastomerdichtungen. Das
Im Bereich der Akustik ist der T-Querschnitt ein Elastomer wird auch hier, wie bei den reinen Elas-
12 bevorzugtes Dichtungsprofil. In Kombination mit be- tomerdichtungen, im Kraftnebenschluss eingesetzt.
sonders ausgelegten Entkopplungselementen für die Eine Bauteilnut ist nicht erforderlich, da der Träger
13 Verschraubung wird dieses Design bei der Ventilhau- aus Aluminium oder Stahl den Krafthauptschluss bil-
benabdichtung angewandt. Da die abzudichtenden det, . Abb. 7.374.
Bauteile mittels Elastomerelementen zusammen- Die Konstruktionsfreiheit für den Motorenent-
14 gepresst werden (siehe . Abb.  7.372), kann dieses wickler wird bei dieser Bauart durch die Integration

15 ..Abb. 7.372 Beispiel
Hülse
(kraftführendes für ein entkoppeltes
16 Element)
Zylinder-
Zylinderkopfhauben-
System
kopfhaube

17 Entkopplungs-
element

18 Elastische
Lagerung
Elastomer- der Haube

19 Dichtung (verliersichere
Vormontage)
Schraube
(mit Zentrierspitze),
20 beweglich gelagert Elastomer-
Dichtung
7.21 • Dichtsysteme
359 7
Metallträger AEM-Elastomer zur
Ölabdichtung

Schraube Bauteil Flüssigkeitsdurchgang


..Abb. 7.373  Metall-Elastomer-Dichtung für Kurbel-
gehäuse ..Abb. 7.374  Schnitt durch eine Metall-Elastomer-
Dichtung
von Zusatzfunktionen im Träger wesentlich erhöht. Für reduzierten Kraftstoffverbrauch bei steigender
Darüber hinaus zeichnet sich dieses System durch Motorleistung sind Leichtbaukonstruktionen unver-
hohe Funktionssicherheit und Wirtschaftlichkeit aus. zichtbar. Kunststoff bietet hier entscheidende Vorteile

--
In der Praxis häufig integrierte Funktionen sind:
Kalibrierung von Fluidströmen,
und ersetzt zunehmend die bisher für Motorkompo-
nenten verwendeten Werkstoffe. Das Know-how und

-- Abgasrückführung,
Montagehilfe,
die Systemkompetenz aus der Dichtungstechnologie,
insbesondere aus der Elastomerverarbeitung, bilden

- Vormontage mittels Klammern,


Kabelabdichtungen.
die Basis für die Entwicklung von innovativen Kunst-
stoff-Modulen. Diese werden besonders in folgenden

Durch den Einsatz von Zwei-Komponenten-Spritzma-


--
Bereichen eingesetzt:
Ventilhauben, . Abb. 7.375,
schinen ist es möglich, zwei verschiedene Elastomere
in einem Spritzarbeitsgang an einen Träger anzuvulka-
-- Motorraumabdeckungen,
Ölabscheider,
nisieren. Dies hat den Vorteil, dass für jedes abzudich-
tende Medium der dafür am besten geeignete Elasto-
merwerkstoff eingesetzt werden kann. Unverzichtbare
Voraussetzung für dieses Verfahren sind zuverlässige
- Kühlmittelflansche,
Ansaugkrümmer.

Je nach Anforderung an das Kunststoff-Bauteil werden


Haftvermittler-Systeme, die für beide Elastomere eine die Werkstoffe PA 6 für Designteile sowie PA 6.6 für
gute Metallanbindung gewährleisten. Teile mit Krafteinleitung beziehungsweise Kraftübertra-
Metall-Elastomer-Zylinderkopfdichtungen aus gungsfunktion verwendet. Erste Ansätze, PA 6.6 durch
Metallträgern mit anvulkanisierten Elastomerprofilen PA 6 zu ersetzen, befinden sich in der Entwicklung. Um
werden in ▶ Abschn. 7.21.1.2 beschrieben. Diese Dich- die notwendigen Festigkeits- und Verarbeitungseigen-
tungsbauart kommt im Nutzfahrzeugbereich, bis hin schaften zu erhalten, gibt man zu diesen Grundtypen
zu Großmotoren in Schiffen und Lokomotiven, zum Glasfasern und teilweise mineralische Füllstoffe hinzu.
Einsatz. Bei Modulen mit integrierter Dichtfunktion werden
elastomere Dichtsysteme eingesetzt, da diese sich opti-
7.21.3.3 Module mal auf das abzudichtende Medium und die Erforder-
Für einen optimal funktionierenden Dichtverband ist nisse der Bauteilsteifigkeit abstimmen lassen.
es wichtig, das Dichtsystem nicht isoliert zu betrachten, In Module können auf Grund der Verarbeitungs-
sondern das komplexe Zusammenspiel aller beteiligten eigenschaften von Kunststoffen zahlreiche Funktionen
Einzelsysteme zu berücksichtigen. Dichtungsherstel- sehr effizient und wirtschaftlich integriert werden.
ler entwickeln daher in zunehmendem Maße auch Große Vorteile liegen zudem – wie bereits erwähnt
Bauteilkomponenten und bieten diese zusammen mit – in der erzielbaren Gewichtsreduzierung und der
Dichtungen als vormontierte, multifunktionale Sys- Fertigungstechnologie, die es bei Kunststoffbauteilen
teme an. Diese montagefertigen Module lösen mehr erlaubt, auf Nacharbeiten wie etwa Entgraten, Ge-
und mehr die bisherigen Einzelkomponenten ab. Da- windeschneiden oder Bearbeiten von Oberflächen
bei sind alle erdenklichen Kombinationen aus Dicht- vollständig zu verzichten. Gegenüber Aluminium hat
system und Bauteil (aus Aluminium, Magnesium, Stahl thermoplastischer Kunststoff den Vorteil, dass durch
oder Kunststoff) möglich. Schweißen Komponenten integriert werden können.
360 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Das Zusammenspiel von FE-Berechnungen, Simu-


1 lation und Motortests ermöglicht es, innerhalb kürzes-
ter Zeit Kunststoff-Module, die alle Lastenheftanfor-
2 derungen zum Beispiel hinsichtlich Belastbarkeit und
Lebensdauer erfüllen, in Serie zu bringen.

3
7.21.4 Entwicklungsmethoden

4 Motorprüfläufe sind bis heute ein Hauptbestandteil


der Dichtungserprobung. Die Versuche im befeuerten
5 Prüfstandsmotor sind jedoch teuer und zeitaufwändig.
Da der Trend aber hin zu immer kürzeren Ent-
wicklungszeiten geht, treten Berechnungen des Dicht-
6 verbands und Laborprüfungen unter motornahen
Randbedingungen mehr und mehr in den Vorder-
7 grund. Wesentliche Aussagen über die Funktion des
Dichtungsdesigns sollen damit bereits vor der eigent-
lichen Motorerprobung gewonnen werden, um die An-
8 zahl kostenintensiver Motorprüfläufe auf das absolut
notwendige Minimum zu beschränken. Die Vorprü-
fungen an Dichtungen ohne reale Motorbauteile geben
9 schon weitgehend Aufschluss über die Funktionstaug-
lichkeit des Produkts.
10 Als Berechnungswerkzeug dient die Methode
der „Finiten Elemente“. Dieser Begriff beschreibt den
..Abb. 7.375 Ventilhaubenmodul mit integrierter mathematischen Algorithmus zur Übersetzung eines
11 Dichtung und Ölabscheidung physikalischen Phänomens an einem Teilstück des zu
berechnenden Bauteils für den Computer. Ein Finite-
Beispiele für die Multifunktionalität von Modulen Elemente-Modell ist die Abbildung einer Geometrie

--
12 sind: durch eine genügende Zahl von Elementen.
akustische Entkopplung des Bauteils,
13 Integration der Blow-by-Gas-Ausleitung aus dem 7.21.4.1 Finite-Elemente-Analyse

- Kurbelgehäuse,
Integration von Ölabscheidungssystemen in eine
Aufgabe des Berechners ist es, die für seine Problem-
stellung notwendigen Phänomene zu erkennen und

-
14 Ventilhaube, in das Rechenprogramm einzubinden. Sowohl in der
Integration von Ventilen zur Regelung des Kur- Konstruktions- als auch in der darauf folgenden Test-
15
- belgehäusedrucks,
Integration von Kabeldurchführungen aus dem
phase wird durch FE-Berechnungen eine Optimierung
der Bauteile vorgenommen. Durch diese Vorauswahl

16
17
- Zylinderkopf,
vormontiertes Komplettsystem.

Um die sichere Funktion des Moduls über die gesamte


lässt sich die Anzahl der erforderlichen Prototypen
reduzieren.
Viele Probleme des Konstrukteurs können heute
direkt im CAD-Programm in ein FE-Rechenmodell
Lebensdauer des Motors hinweg gewährleisten zu kön- umgewandelt und mit entsprechendem Materialver-
nen, führt man in der Entwicklungsphase umfassende halten und Randbedingungen versehen einem FE-
18 Funktions- und Geometrieüberprüfungen durch. Dar- Analyseprogramm zur Berechnung zugeführt wer-
über hinaus werden Simulationstests erarbeitet, die die den. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist eine
auftretenden Belastungszustände im Fahrzeugbetrieb lineare Berechnung mit kleinen Bauteilverformungen,
19 abbilden und eine Reduzierung der Testzeit erlauben. elastischem Materialgesetz sowie eindeutigen Einspan-
Bei der Entwicklung dieser Tests werden permanent nungen und Belastungen. Ein weites Feld von Spezi-
20 die Erfahrungen und Ergebnisse aus der Praxis berück-
sichtigt.
alanwendungen ergibt sich für die Bauteilberechnung
dann, wenn eine der Voraussetzungen für die lineare
7.21 • Dichtsysteme
361 7
..Abb. 7.376 Biegebal- Biegebalkendarstellungen
ken linear, nichtlinear Last Last Last
und mit Kontakt
Verformung Verformung Verformung

linear, kleine Verformung geometrisch nichtlinear, der nichtlinearer Kontakt mit


Lastangriffspunkt wandert anderen Körpern begrenzt
durch große Verformungen die Verformung

Betrachtungsweise verletzt wird. Die Nichtlineari- schnell eine Last aufgebracht wird sowie die Einwirk-
tät eines Berechnungsproblems (siehe . Abb. 7.376) dauer – eine wesentliche Rolle beim Deformationsver-
entsteht in der Regel durch große Verformungen ei- halten eines Körpers.
nes Bauteils unter Last, wodurch sich zum Beispiel
die Länge des Hebelarms zur Einspannung verkürzt Produktberechnungen
und damit ein kleineres Biegemoment auftritt, als Die Vorausberechnung und Optimierung von Bau-
es die Grundabmessung definiert. Gibt es zusätzlich teileigenschaften erfordert sowohl detaillierte Kennt-
Wegbegrenzungen für die Deformation des Bauteils, nisse des Materialverhaltens als auch ein gutes Ver-
so sind diese als nichtlineare Kontaktbedingungen zu ständnis für den Herstellungsweg vom Halbzeug bis
beschreiben. Das Materialverhalten der meisten tech- zum lieferfertigen Produkt. An einer Vollsicke einer
nischen Werkstoffe ist ebenfalls nur in einem kleinen Metalllagendichtung (siehe . Abb.  7.377a) werden
Bereich linear; sie gehorchen dort dem „Hookeschen mehrere Umformschritte bis zur endgültigen Mon-
Gesetz“, welches Spannung und Dehnung über den tage im Motor vorgenommen. Alle Schritte werden
Faktor „Elastizitätsmodul“ verknüpft. An die Gren- durch strukturelle Veränderungen im Metall gespei-
zen dieses Bereichs führen Optimierungsstrategien chert und legen die Sickeneigenschaften „Federcha-
zur Gewichtsreduzierung oder besseren Materialaus- rakteristik“ und „ertragbare Dichtspaltamplitude“
nutzung im Sinne eines gleichmäßigen Spannungsni- fest. Durch geeignete Werkzeugabmessungen kann
veaus. Verlässt man diesen linearen Bereich, so treten das Federelement bei konstanter Breite auf hohe
typischerweise plastische Verformungen an Metallen, Kraft bei entsprechend geringer zulässiger Dicht-
Kriechdehnungen an Kunststoffen oder Spannungs- spaltamplitude oder aber auf hohe Dichtspaltamp-
relaxationsvorgänge auf. Grundsätzlich nichtlineare litude bei niedrigerer Kraft ausgelegt werden (siehe
Zusammenhänge in der Spannungs-Dehnungs-Bezie- . Abb.  7.377b). Die notwendige Abstimmung der
hung findet man bei Gummiwerkstoffen. Dort spie- Sicke wird von der Steifigkeit der Motorbauteile und
len auch die zeitlichen Bedingungen – das heißt, wie der Zündkraft bestimmt.

..Abb. 7.377 Dicht- Sicke mit Stopper, Radialschnitt 1,5-lagig oder 3,5-lagig


spaltamplitude und a
Linienkraft einer Sicke
als Funktion der Sicken-
höhe

b
140
130
Sickenkraft/Amplitude [%]

Maximal zulässige
120 Amplitude
110 Linienkraft der Sicke
100 auf Stoppermaß
Linienkraft der Sicke
90 bei 10 µm Ausfederung
80
70
60
50
40
80 90 100 110 120 Sickenhöhe [%]
362 Kapitel 7 • Motorkomponenten

5 ..Abb. 7.378  Schnitt durch


1 4,5
Verformung, Messung
T-Profil in Nut. Berechnung
4 0,01 mm/s der Kraft-Verformungskurve
3,5
Kraft [N/mm]

2 3
Relaxiert 30 min
Messung
2,5
Verformung, FEM
2
3
mit 2 mm/s
1,5
Relaxiert 30 min
1 FEM
0,5
4 0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 Verformung [mm]

5 250 ..Abb. 7.379 Kraftver-
teilung am Brennraum­
Normalspannung [N/mm2]

Motor kalt
6 200
Motor warm
umfang mit starrem
(Volllastbetr.) Stopper
150
Motor warm
7 100
und Gaskraft

8 50

9 Steg Schraube Einlass Schraube Steg


0 45 90 135 180
Schraube Auslass Schraube Steg
225 270 315 360

Linie entlang der Bohrung [Grad]

10 Elastomerprofile werden am Motor häufig zur Ab- Lastzuständen gefahren und muss dabei stets gas- und
dichtung von Hauben, Ansaugrohren und Deckeln des flüssigkeitsdicht sein. Extreme Betriebspunkte für die
11 Motors eingesetzt. Sie zeichnen sich aus durch hohe Zylinderkopfdichtung treten bei Motorvolllast mit
Anpassungsfähigkeit an die Dichtflächen bei gleich- maximaler Kühlwassertemperatur und beim Kaltstart
zeitig niedriger Vorspannkraft. Ein T-Profil (siehe des Motors auf. Im Zuge der Hybridisierung oder aber
12 . Abb. 7.378) wird unter anderem eingesetzt, um das auch spezieller Betriebsarten, wie einer selektiven Zy-
Spritzöl des Ventiltriebs zwischen der Motorhaube und linderdeaktivierung, kommt den Übergangszuständen
13 dem Zylinderkopf nach außen abzudichten. Die verti- immer mehr Bedeutung zu. Durch die Schraubenvor-
kale Verspannung des Profils erzeugt im Nutgrund und spannkraft wird die Dichtung am Brennraum auf die
an der Doppeldichtlippe zum Zylinderkopf die Dicht- Stopperhöhe gepresst und in den übrigen Bereichen
14 pressung. Das Profil ist für schallentkoppelte Systeme lokal auf die Blechdicke. Der Stopper wirkt wie ein Keil
ausgelegt und hat seitlich zwei Blöcke, die einen direk- am Brennraum und spannt die Bauteile elastisch vor.
15 ten Kontakt der Haube zum Kopf verhindern. Die Span-
nungsrelaxation des Elastomerwerkstoffs verringert
Die Pressung auf dem Stopper am Brennraumumfang
muss größer als Null sein, um eine sichere Abdich-
die Dichtkraft des verspannten Profils mit der Zeit und tung bei allen Betriebszuständen zu gewährleisten. In
16 muss daher bei der Auslegung berücksichtigt werden. . Abb. 7.379 ist auf der Auslassseite unter Zünddruck
ein abgehobener Bereich zu erkennen, der durch An-
Berechnung des Bauteilverbands passung der Stopperhöhe korrigiert werden muss, um
17 Die Zylinderkopfdichtung stellt das Bindeglied zwi- die Brennraumsicke vor hohen Dichtspaltamplitu-
schen Kurbelgehäuse und Zylinderkopf eines Motors den zu schützen. Bei zu hohen Pressungen am Stop-
18 dar und bildet im Zusammenwirken mit den Zylin- per kann zum Beispiel bei Aluminiumbauteilen eine
derkopfschrauben den Dichtverband. Für die Analyse Werkstoffüberbeanspruchung auftreten und damit
eines Dichtverbands benötigt man neben den geome- das Bauteil beschädigt werden. Die hohe Temperatur
19 trischen Bauteilbeschreibungen als FE-Modell, den der Bauteile am Brennraum schränkt die Belastbarkeit
Materialeigenschaften und den Dichtungscharakteris- zusätzlich ein.
20 tika auch die Temperaturverteilung in den Bauteilen
und den Zünddruck im Brennraum. Ein Motor wird
Die Schallentkopplung eines Bauelements unter-
bricht die mechanischen Übertragungswege durch
während seiner Betriebszeit unter verschiedensten elastische Lagerung zwischen Elastomerelementen,
7.21 • Dichtsysteme
363 7
..Abb. 7.380 Entkopplungs- Entkopplungssystem Haube Verpressung Dichtung nominal 2,21 mm
Entkopplungselement nominal 0,99 mm
system mit Arbeitsbereich durch Relaxierte Bauteile Gesamttoleranz Verpressung 2,10 mm
Dichtungslänge 130 mm Toleranzbereich +1,45/–0,75 mm
Bauteil­toleranzen 1800
1600 Verpressung 4,65 mm/Kraft 1650 N
1400
1200

Kraft [N]
1000
Entk.-Element relaxiert
800
Dichtung relaxiert
600 Kraft max.
Verpressung 3,20 mm/Kraft 385 N Kraft nominal
400 Kraft min.
Verpressung 2,45 mm/Kraft 240 N
200
Mindestdichtpressung an Dichtung, Verpressung 1,4 mm/Kraft 194 N
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Entkopplungselement Verpressung [mm] Dichtung

. Abb. 7.380. An einer Ventilhaube wirken dabei die nen, die hydraulische Verbrennungsdrucksimulation
Dichtkräfte zwischen Zylinderkopf und Ventilhaube zur Erprobung der Zylinderkopfdichtung, Shaker und
einerseits und die Kräfte am Gegenlager, dem Ent- Temperaturkammern zur Baugruppenuntersuchung
kopplungselement, andererseits. Das Entkopplungs- sowie auf Heißgaserzeuger zur Simulation der ther-
system (siehe . Abb.  7.372, ▶ Abschn.  7.21.3.1) aus mischen Belastungen im Abgasstrang.
Haube, Dichtung und mehreren Gegenlagern wird
durch Schrauben mit Distanzhülsen vorgespannt. Ist Servohydraulische Prüfmaschinen
die Verformungscharakteristik der Dichtung und des Servohydraulische Prüfmaschinen werden für quasi-
Entkopplungselements bekannt, so kann bei gegebener statische, quasistatisch-thermische und dynamische
Vorspannung der Arbeitspunkt bestimmt werden. Da Prüfungen eingesetzt. Quasistatische Prüfungen,
alle Bauteile Fertigungstoleranzen aufweisen, wird die die auch mit elektromechanischen Prüfmaschinen
tatsächliche Vorspannung eines Systems vom Ausle- durchgeführt werden können, liefern Aussagen über
gungspunkt abweichen. Aus den Berechnungen des das Kompressions- und Rückfederungsverhalten von
Dichtprofils ist die kleinste zulässige Verformung bei Dichtungen. Mit quasistatisch-thermischen Prüfungen
sicherer Abdichtung als Wert für die Mindestdicht- wird die Standfestigkeit und das Kriechverhalten von
pressung zu ermitteln. Damit lässt sich die kleinste für Dichtungswerkstoffen unter Pressungs- und Tempera-
den Betrieb notwendige Anpresskraft der Dichtung tureinfluss untersucht.
bestimmen. Die maximale Vorspannkraft des Systems Dynamische Tests zur Vorselektion und Prüfung
wird von der Tragfähigkeit der Entkopplungselemente des Dichtungsdesigns sind insbesondere für Metall-
begrenzt; die ertragbaren Spannungen im Elastomer lagendichtungen von Bedeutung, . Abb. 7.381. Der
dürfen nicht überschritten werden. Innerhalb dieser
Grenzen ist das System betriebssicher und kann durch
Abstimmen der Vorspannung mit Toleranzlagen auf
einen Arbeitsbereich fixiert werden. Zielsetzung ist es,
mit möglichst kleinen Kräften zu arbeiten und damit
die Verformungen an den Bauteilen zu minimieren.

7.21.4.2 Simulation im Labor –


Funktions- und
Lebensdauerprüfung
Unter Laborbedingungen werden reale Beanspruchun-
gen simuliert – abhängig von der Dichtungsbauart zum
Beispiel mit Tests zur Ermittlung von Medien- und
Temperaturbeständigkeit, Dauerhaltbarkeit, Anpas-
sungsfähigkeit, Setzverhalten und Dichtwirkung.
Gängige Dauerhaltbarkeits-Prüfverfahren im La- ..Abb. 7.381  ZKD-Test an der servohydraulischen
bor stützen sich auf servohydraulische Prüfmaschi- Anlage
364 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Prüfungen von Elastomerwerkstoffen und Kunststof-


1 fen (Module). Ausnahmen bilden die Untersuchungen
des Setzverhaltens und der Druckstandfestigkeit von
2 Weichstoff-Dichtungswerkstoffen.
Elastomerdichtungen und Kunststoffe erfahren
im Betrieb eine zeitliche Alterung, die während der
3 sonst üblichen Abpresstests, Kurzzeit-Thermoschock-
tests und Wärmeeinlagerungen nicht auftritt. Um die
Funktion des Moduls über die Lebensdauer zu gewähr-
4 leisten, werden Simulationstests erarbeitet, die die im
Fahrzeugbetrieb auftretenden Belastungszustände
5 berücksichtigen und angemessene Testzeiten ermög-
lichen. Dazu müssen die Einflussgrößen Temperatur-,
Medien- und Druckbeanspruchung in ein Prüfpro-
6 gramm einbezogen werden. Dies kann durch den An-
..Abb. 7.382  Dynamische Innendrucksimulation mit schluss von externen Medienkreisläufen (Öl, Kühlmit-
Original-Motorbauteilen
7 tel) an den Prüfling und/oder durch die Einlagerung in
einer Temperaturkammer realisiert werden. Mit diesen
Brennraumbereich der Dichtung wird dabei zwischen Prüfungen, die die thermischen Betriebszustände des
8 Metallflanschen verspannt und über eine festgelegte Motors nachstellen, können innerhalb einer Testdauer
Anzahl von Zyklen (zum Beispiel 107) bei gegebener von 2000 h die Belastungen, die einer Beanspruchung
Frequenz mit konstanter Kraft- oder vorzugsweise von circa 10 Jahren Fahrzeugbetrieb entsprechen, si-
9 Wegamplitude beaufschlagt. Ziel ist es, die maximal muliert werden. Sind auch Schwingungseinflüsse zu
ertragbare Schwingungsamplitude zu ermitteln. Die beachten, dann kann ein derartiger Test zusätzlich in
10 Flanschflächen können zudem mit definierter Oberflä-
chenqualität (Rauigkeit, Porosität) hergestellt werden,
Kombination mit einem Schwingerreger durchgeführt
werden.
so dass sich mit Abpresstests auch die zur Abdichtung
11 minimal notwendige Dichtpressung bestimmen lässt. Schwingprüfanlagen
Motorkomponenten und Module sind im Betrieb me-
Hydraulische Innendrucksimulation chanischen Schwingbeanspruchungen auf Grund von
12 Aufbauend auf den Tests an der servohydraulischen Fahrbahneinflüssen und direkter Schwingungsanre-
Anlage prüft man mit der dynamischen Innendruck- gung durch den Motor ausgesetzt. Diese dynamischen
13 simulation, . Abb. 7.382, den gesamten Dichtverband Beanspruchungen können mit sogenannten „Shakern“
unter realitätsnahen Bedingungen. Die Zylinderkopf- auf das zu untersuchende Bauteil übertragen werden.
dichtung wird dabei zwischen den Original-Motor- Neben hydraulischen Systemen werden primär elektro-
14 bauteilen (Kopf, Block) verbaut. Die einzelnen Brenn- dynamische Shaker verwendet. Eine Kombination mit
räume werden dann über schnelle Servoventile einem Gleittisch ermöglicht neben der Anregung in
15 hydraulisch unter Berücksichtigung der Zündfolge
„befeuert“. Überlagert zur Innendruckbeaufschlagung
vertikaler Richtung auch eine Prüfung bei horizontaler
Schwingbeanspruchung. Mit hydraulischen Systemen
werden über einen an den Wassermantel des Motors lässt sich bei Bedarf eine mehrachsige Beanspruchung
16 angeschlossenen Medienkreislauf Temperaturzyklen realisieren. Mit Beschleunigungsaufnehmern werden
gefahren. Das Zusammenspiel zwischen Bauteilsteifig- die Bauteilschwingungen am Prüfling erfasst, so dass
keit und Dichtungsdesign lässt sich durch die Messung gezielt im kritischen Schwingungsresonanzbereich
17 der eintretenden dynamischen Dichtspaltöffnungen getestet werden kann. Ermüdungserscheinungen am
beurteilen. Schwachstellen der Bauteile können früh- Prüfling lassen sich daher mit einem deutlichen Zeit-
18 zeitig erkannt werden; Optimierungsmaßnahmen am raffereffekt untersuchen.
Dichtungsdesign sind damit vor dem Beginn der ei-
gentlichen Motorerprobung möglich. Heißgassimulation
19 Die thermische Beanspruchung der Bauteile, und
Lebensdauerversuche damit auch der Dichtstellen im Bereich der Abgas-
20 Mit diesen Prüfverfahren wird das Langzeitverhalten
von Dichtungen, Dichtungsmaterialien und Modulen
anlage, kann mit Heißgaserzeugern nachgestellt wer-
den. Diese liefern definierte Abgasmassenströme bei
untersucht. Es handelt sich dabei überwiegend um konstanter Temperatur durch die Verbrennung von
7.22  •  Verschraubungen am Motor
365 7

Heizöl, Dieselkraftstoff oder Erdgas. Zur Erzielung hen wird von einem Einfach- oder Mehrfachschrauber
hoher Bauteilverzüge (Beispiel Abgaskrümmer), wie in einer automatischen Schraubstation vorgenommen
sie auch im Motorbetrieb auftreten, wird der Prüfling – schon um das Reaktionsmoment abzufangen. Wer-
einem Thermoschockprogramm unterworfen, wobei den auf einer Fertigungsstraße viele verschiedene
er abwechselnd mit Heißgas und kalter Umgebungs- Motorvarianten gebaut, ist eine Vollautomatisie-
luft durchströmt wird. Die Dichtfunktion kann durch rung unzweckmäßig. Mit der Weiterentwicklung der
Abpresstests bei Raumtemperatur untersucht wer- elektrischen Steuersysteme und der ergonomischen
den (vor und nach dem Prüflauf). Dies ist aber keine Bauweise werden verstärkt Handschrauber mit inte-
entscheidende Einschränkung für die Beurteilung grierter Elektronik (Drehmoment- und Drehwinkel-
der Abdichtung, da der Schraubenkraftverlust durch Messwertgeber) zur Überwachung oder Steuerung des
Wärmeausdehnungen im Verspannungssystem insbe- Anziehvorganges eingesetzt [141]. Dadurch werden die
sondere bei niedrigen Temperaturen voll zum Tragen Investitions- und Wartungskosten der Montagelinie
kommt. Müssen auch dynamische Einflüsse berück- gesenkt und die Flexibilität in Richtung „joint produc-
sichtigt werden, kann der Heißgaserzeuger mit einer tion systems“ erhöht.
Schwingprüfanlage kombiniert werden. Abhängig
von der Aufgabenstellung und der Gestalt des Prüf-
lings kommen hierfür elektrodynamische Shaker oder 7.22.2 Qualitätsanforderungen
servohydraulische Anlagen in Frage.
Werden Fehlverschraubungen nicht erkannt, kommt
es zu Störungen im Produktionsablauf. Bei ausgeliefer-
7.22 Verschraubungen am Motor ten Aggregaten ist mit Funktionsstörungen zu rechnen.
Die Ursache für einen Störfall wird meist der Schraube
7.22.1 Hochfeste zugeordnet, obwohl neben der Qualität der Schraube
Schraubenverbindungen die Toleranz und Beschaffenheit der zu verschrauben-
den Teile und des Mutterngewindes sowie die Quali-
Ein moderner Grundmotor enthält zwischen 250 tät der Montage genauso Einfluss auf die Verbindung
und 320 Schraubenverbindungen, die mit 80 bis 160 haben.
verschiedenen Schraubentypen verbaut werden. Die Somit ist bei der Automatisierung die Verwendung
Anzahl der Schraubverbindungen ist in erster Linie qualitativ hochwertiger Schrauben wichtig. Deshalb
abhängig von der Bauform (zum Beispiel R4- oder werden Schrauben bei renommierten Schraubenher-
V6-Motor) und weniger vom Verbrennungsverfahren stellern neben Stichproben in der Fertigung oftmals am
(Diesel- oder Ottomotor). In Japan entwickelte Mo- Ende des Fertigungsprozesses auch einer Vollprüfung
toren haben gegenüber den europäischen pro Motor mittels Kontrollautomaten unterzogen. Damit wird der
circa 15 % mehr Schraubverbindungen bei gleichzeitig Qualitätsforderung der Schraubenabnehmer nach dem
geringerer Typenvielfalt. Die Schraubengröße/-anzahl „0-Fehlerziel“ Rechnung getragen. In der Praxis lässt
wächst mit größer werdendem Hubraum beziehungs- sich bis zur Schraubengröße M14 – bis zu dieser Ab-
weise größer werdender Zylinderanzahl. messung ist eine Automatenkontrolle technisch prob-
Die Serienfertigung wurde bei allen Automobil- lemlos durchführbar – ein Fehleranteil unter 50 ppm,
herstellern in Europa seit 1983 im Endmontagebereich bezogen auf die überprüften Hauptmerkmale, reali-
sehr stark automatisiert. Vorreiter war hier VW mit sieren. Die modernsten Automaten erreichen je nach
der „Halle 54“ im Werk Wolfsburg zur Produktion des Prüfumfang und Prüfungsart zwischen 100 Stück/min
damals gerade anlaufenden GOLF III [140]. Dazu war (mechanische Prüfung) und 300 Stück/min (optische
es erforderlich, die Schrauben zuführ- und montage- Prüfung). Bei größeren Abmessungen ist die Vollauto-
gerecht zu konstruieren. matenkontrolle und das damit verbundene Handling
Beim Motorenbau handelt es sich um eine hoch- durch Schraubengewicht und -größe oftmals unwirt-
präzise Komponentenfertigung, wobei die Ferti- schaftlich, so dass eine visuelle Kontrolle, meist kom-
gungstoleranzen der Basiswerkstücke (zum Beispiel biniert mit einem anderen Arbeitsgang (zum Beispiel
Zylinderblock und -kopf) sehr gering sind und die Einhängen der Teile in Gestelle für die Oberflächen-
Positioniergenauigkeit der Betriebsmittel beziehungs- beschichtung oder Verpacken der Teile) durchgeführt
weise Roboter unter 0,5 mm liegt. wird. Im Zusammenspiel mit einer prozesssicheren
Bei vollautomatisierten Montagestraßen werden Fertigung, bei der nur Zufallsfehler (auf die Jahrespro-
die Verbindungselemente über Zuführungen zur Ein- duktion bezogenes Auftreten von Fehlern in großen
schraubstelle befördert; das Einschrauben und Festzie- Zeitabständen und in erfassbaren Stückzahlen) und
366 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 ..Abb. 7.383  Gestaltungsvorschlag für montagefreundliche Schrauben [140]

11 keine Einzelfehlteile auftreten, werden in der Regel ferantenwechsel ist häufig ein erneutes Einfahren der
Fehleranteile unter 50 ppm erreicht, ansonsten unter Anlage erforderlich [143–145].
300 ppm.
12 Diese Prozesssicherheit wurde im letzten Jahr-
zehnt nicht zuletzt durch die konsequente Einführung 7.22.3 Schraubverbindungen
13 der Technischen Spezifikation ISO/TS  16949: QM-
Systeme: Besondere Anforderungen bei Anwendung Am Motor sind im Allgemeinen 5 kritische Schraub­

14
von ISO 9001 [142] in den Betrieben erreicht. Damit
konnte der Fehleranteil in der Fertigung von 1000 auf
--
stellen vorhanden, die im Folgenden erläutert werden:
Zylinderkopfschraube,

15
< 300 ppm ohne weitere Maßnahmen reduziert wer-
den.
-- Hauptlagerdeckelschraube,
Pleuelschraube,

16
Um spätere Vermischungen auszuschließen und
der Forderung nach Fremdteilfreiheit zu entsprechen,
ist der Prüfung die Verpackung unmittelbar nach-
geschaltet. Die Ware wird hier in spezielle Behälter
- Riemenscheibenschraube,
Schwungradschraube.

Weiterhin sind folgende Schraubverbindungen pro-


(KLT) gefüllt oder in Klarsichtbeutel abgepackt und blematisch, die zwar nicht als kritisch aus Sicht der
17 anschließend versiegelt. Eine andere, wenn auch we- Anwendungstechnik eingestuft werden, jedoch den

18
nig benutzte Variante ist es, die Schrauben erst beim
Anwender einer Prüfung zu unterziehen.
Einen Gestaltungsvorschlag für montagefreundli-
che Schrauben zeigt . Abb. 7.383.
--
Hauptanwendungsfällen am Motor zuzurechnen sind:
Nockenwellen-Lagerdeckelschraube,
Ölwannenbefestigungsschraube, Ventilhaubenbe-
festigungsschraube.
19 Werden Schrauben von unterschiedlichen Her-
stellern gemischt verbaut, gibt es erfahrungsgemäß Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Aggregatver-
20 Schwierigkeiten, wenn nicht exakte Festlegungen im
Hinblick auf Werkstoff, Streckgrenzverhältnis und
schraubungen und Anflanschungen am Grundmotor,
auf die ebenfalls eingegangen wird. Hierbei werden
Reibungskennwerte getroffen worden sind. Bei Lie- größtenteils hochfeste Stahlschrauben ab M6 der
7.22  •  Verschraubungen am Motor
367 7

Festigkeitsklasse 8.8 oder Aluminiumschrauben ein-


gesetzt, wobei es sich überwiegend um Norm- bezie-
hungsweise normähnliche Ausführungen handelt.

7.22.3.1 Zylinderkopfschraube
Die Funktion von Zylinderkopfschrauben besteht
darin, eine betriebssichere Verbindung des Gesamt-
systems Zylinderkopf, Zylinderkopfdichtung und Kur-
belgehäuse im Langzeitbetrieb unter Berücksichtigung
der maximal möglichen Zündkräfte herzustellen. Ziel
sind vor allem geringe, gleichmäßige Bauteilbean-
spruchungen und Dichtheit gegen Verbrennungsgase,
Schmiermittel und Kühlmittel.
Nachdem früher Zylinderkopfschrauben zum Aus-
gleich von Setzvorgängen bis zu zweimal nachgezogen ..Abb. 7.384  Dehnschaft- oder Gewindedehnschrau-
werden mussten, ist heute die nachzugsfreie Zylinder- ben für die Zylinderkopfverschraubung (KAMAX-
kopfverbindung Stand der Technik. Werke)
Dies wurde mit dem Einsatz von Dehnschaft- oder
Gewindedehnschrauben mit hoher Elastizität, einge- von Aluminium ist. Ein noch ungelöstes Problem ist
engten Toleranzen der Zugfestigkeit und des Reibungs- der hohe Werkzeugverschleiß auf Grund der großen
verhaltens, mit setzarmen Zylinderkopfdichtungen Festigkeit des Materials. Außerdem haben die Legie-
(zum Beispiel Ganzmetalldichtungen) und einem rungszuschläge für Stahl seit 2004 (circa 80 €/to) stark
Verschraubungsverfahren mit niedriger Streuung der angezogen und bewegen sich > 300 €/to. Durch beide
Vorspannkraft möglich. Als Verschraubungsverfahren Faktoren ist eine wirtschaftliche Fertigung noch nicht
hat sich weitgehend das drehwinkelgesteuerte Anzie- gegeben.
hen in den überelastischen Bereich durchgesetzt. Die Der immer stärker vorhandene Zwang zur Kosten-
immer stärker forcierte Leichtbauweise mit daraus re- reduzierung wurde bei der Optimierung der Zylinder-
sultierender geringerer Bauteilsteifigkeit von Block und
Zylinderkopf wird in der Regel durch eine Absenkung
der maximalen Schraubenfestigkeit ausgeglichen. Die
Einhaltung der minimal notwendigen Schraubenkraft
-
kopfschraube in zwei Bereichen umgesetzt:
Einsatz von Gewindedehnschrauben als Kom-
promiss zwischen ausreichender Elastizität und
reduzierten Fertigungskosten im Vergleich zu
kann dann nur über eine drastische Einschränkung der Dehnschaftschrauben mit einem deutlich auf-
Toleranzen der Zugfestigkeit und der Reibungszahlen
erreicht werden. Bei der Auslegung der Zylinderkopf-
verschraubung müssen gegebenenfalls thermische
Einflüsse Berücksichtigung finden. Es ist möglich,
- wändigeren Fertigungsablauf.
Ersatz des Unterlegelements auch bei Alumi-
nium-Zylinderköpfen durch seine Integration
in den Schraubenkopf in Form einer Schraube
dass sich beim Warmlauf des Motors die Zylinderkopf- mit Flanschkopf. Zur Vermeidung von „Fresser-
schrauben weniger stark erwärmen als die zu verspan- scheinungen“ bei der Schraubenmontage muss
nenden Teile von Zylinderkopf und Kurbelgehäuse. die Geometrie der Unterkopfauflage im Vorfeld
Es kann zu einem erheblichen Anstieg der Vorspann- in engen Grenzen bestimmt und anschließend
kraft führen, wenn für diese Bauelemente Werkstoffe fertigungstechnisch umgesetzt werden. Dies be-
mit höherem thermischen Ausdehnungskoeffizienten inhaltet eine Oberflächenbehandlung mit extrem
wie zum Beispiel Aluminium Verwendung finden. geringer Varianz der Reibungs-Kennwerte und
Auch unter diesem Aspekt ist der Einsatz von Dehn- exzellenter Haftung auf dem Grundmaterial, wie
schaft- oder Gewindedehnschrauben (. Abb. 7.384) es zum Beispiel das Verfahren der Dünnschicht-
von Vorteil, da auf Grund des geringeren Anstiegs der phosphatierung mit quasiamorpher Kristallaus-
Feder-Kennlinie der Zuwachs der Schraubenbelastung bildung bietet.
deutlich geringer ausfällt [146, 147].
Das Ausdehnungsverhalten von Stahl wird grund- 7.22.3.2 Hauptlagerdeckelschraube
legend nur durch das Zulegieren von Nickel bestimmt. Zur Verbindung der Hauptlagerdeckel für die Kurbel-
Deshalb sehen die neuesten Entwicklungen Zylinder- wellen-Lagerung mit dem Kurbelgehäuse dienen Haupt-
kopfschrauben aus austenitischem Werkstoff vor, des- lagerdeckelschrauben. Davon werden in der Regel zwei
sen thermischer Ausdehnungskoeffizient ähnlich dem für jeden Hauptlagerdeckel eingesetzt, die als Ganzge-
368 Kapitel 7 • Motorkomponenten

den „Ladderframe“ aus Leichtmetall eingegossen. In


1 diesem Fall wird mit der Hauptlagerschraube die kom-
plette Einheit verschraubt.
2 Als Montageverfahren haben sich das streckgrenz-
oder das drehwinkelgesteuerte Verfahren durchgesetzt.

3 7.22.3.3 Pleuelschraube
Bei den Pleuelschrauben handelt es sich um die dyna-
misch höchstbelasteten Verbindungselemente im Ver-
4 brennungsmotor. Die Pleuelschraube verbindet bei der
Montage auf die Kurbelwelle die Pleuelstange mit dem
5 Pleuellagerdeckel.
Bei der Herstellung der Pleuelstange wird zuerst
der Rohling als Sinter-, Schmiede- oder Gusspleuel
6 einteilig gefertigt, die Bohrungen und/oder Gewinde
werden eingebracht. Im nächsten Schritt wird das
7 ..Abb. 7.385  Einbausituation und Kraftfluss an der große Pleuelauge durchtrennt. Dabei entsteht der Pleu-
ellagerdeckel und die Pleuelstange. Im weiteren Ferti-
Haupt­lagerdeckelverschraubung
gungsablauf wird der Lagerdeckel auf der Pleuelstange
8 mit der Pleuelschraube verspannt, um die Sitze der
winde-Bundschrauben, gegebenenfalls in Verbindung Lagerschalen fein zu bearbeiten. Dabei muss die Pleu-
mit Unterlegscheiben, ausgeführt sind. . Abb.  7.385 elschraube ähnliche Vorspannkräfte wie im späteren
9 zeigt die Einbausituation einer solchen Verbindung Betrieb aufbringen, damit sich gleiche Verformungs-
sowie den dazugehörigen Kraftfluss. Darin bedeuten: verhältnisse bei der Lagersitzbearbeitung einstellen.
10 lk = Klemmlänge, lk0  = Plattendicke, FB = Betriebskraft.
Das wesentliche Problem bei der Auslegung die-
Abschließend werden die Pleuelschrauben gelöst, die
Lagerschalen werden eingesetzt und das fertige Pleuel
ser Schrauben ist in den meisten Fällen der knapp wird auf der Kurbelwelle montiert.
11 bemessene Bauraum, der für den Schraubenkopf zur Bei Pkw-Motoren wurde das große Pleuelauge frü-
Verfügung steht. Es ist sehr präzise auf die Einhaltung her zumeist spanend durchtrennt. Um eine Querver-
der zulässigen Flächenpressung für die Unterkopfauf- schiebung des Pleuellagerdeckels auf der Pleuelstange
12 lage und die Gegenlage zu achten. Jede Hauptlager- im Betrieb zu verhindern, mussten beide Teile zuei-
deckelverschraubung wird zweimal montiert: erstmals nander zentriert werden über Rändel, Verstiftungen,
13 bei der spanenden Bearbeitung der Lagerschalensitze Splinte oder einen Passbund an der Pleuelschraube.
auf Passmaß; dann nach der Montage der Kurbelwelle Größere Pleuelstangen, insbesondere im Nutzfahr-
und dem Aufsetzen der Lagerdeckel. Bei der zweiten zeugbereich, wurden mit Verzahnungen ausgeführt,
14 Montage kann es zum „Fressen“ im Gewinde kom- die sich an ihren Fügeflächen finden. Ab 1990 hat sich
men, wenn die Schraube im Kuppenbereich/Gewin- in der Großserienfertigung das „Cracken“ durchge-
15 deanfang Beschädigungen, zum Beispiel Schlagstellen,
aufweist. Vorbeugend wird dies in der Konstruktion
setzt. Dabei wird der Pleuellagerdeckel von der Pleu-
elstange an vorher eingebrachten Sollbruchstellen
durch eine optimale Kuppengestaltung und in der Fer- abgesprengt und es entstehen zerklüftete Bruchflä-
16 tigung durch möglichst niedrige Fallhöhen (maximal chen, die genau zu ihrem Gegenstück passen und so
300 mm) vermieden. Unter Kuppengestaltung versteht die Funktion der Zentrierung übernehmen und eine
man das Anfasen des Schraubenschaftanfangs vor Querverschiebung verhindern. Dies Verfahren ergibt
17 dem Gewindewalzen, damit das Gewinde beim Auf- im Vergleich zur konventionellen Fertigung, wo das
walzen nicht ausbricht. Am Gewindeanfang entstehen große Pleuelauge separat aufgeschnitten werden muss,
18 lediglich stumpfe Gewindezähne, deren Neigung zur um dort nach der Bearbeitung die Pleuellagerschalen
Schlagstellenbildung gering ist. einzusetzen, erhebliche Kosteneinsparungen.
Um die Steifigkeit des Kurbelgehäuses zu erhö- Das Design der Pleuelschraube richtet sich nach
19 hen, werden in Motoren immer häufiger sogenannte der Ausführung der Pleuelstange. Bei spanend durch-
„Ladderframes“ eingesetzt. Sie stellen eine Verbindung trennt hergestellten Pleuelstangen werden häufig
20 zwischen einzelnen Hauptlagerdeckeln dar. Dadurch
kann der untere Motorenbereich verwindungssteifer
Schrauben mit Passbund eingesetzt. Alternativ ha-
ben sich Pleuelschrauben etabliert, in die kalibrierte
gestaltet werden. Meist sind dabei die Lagerdeckel in Rillen eingewalzt wurden, die die Funktion des Pass-
7.22  •  Verschraubungen am Motor
369 7

wenig nachgiebig, weswegen sie – sofern sie zum Ein-


satz kommen müssen – mit einem Dehnschaftanteil
kombiniert werden. Schrauben mit Gewinde bis unter
Kopf liegen bezüglich ihrer Nachgiebigkeit nahe an
Dehnschaftschrauben.
In . Abb.  7.387 werden die Eigenschaften ver-
schiedener Schraubenschaftgeometrien miteinander
verglichen.
Je nachdem, ob eine Mutter verwendet wird oder
nicht, sind die Kopfformen mit Kraftangriffen oder
Verdrehsicherungen ausgestattet.
Übliche Abmessungen in Pkw-Motoren reichen
..Abb. 7.386  Crackpleuel, diverse Pleuelschrauben von M6,5–M10, bei Nutzfahrzeugen von M11–M16.
(RIBE, [148]) Im Betrieb müssen die Pleuel hohe dynamische
Belastungen ertragen. Beim Umlauf der Kurbelwelle
entstehen Massenkräfte der Pleuelstange, die neben
bunds übernehmen. Mit der Tiefe der eingewalz- den Kolbenkräften aufgenommen werden müssen.
ten Rille wird auch eine der Dehnschraube ähnliche Durch die quadratische Abhängigkeit der Fliehkraft
Nachgiebigkeit erzeugt. Rillenpleuelschrauben (oder von der Drehzahl begrenzen die Massenkräfte die Ma-
Vieltaillenschrauben) sind fertigungstechnisch ohne ximaldrehzahl des Motors. Mit dem Trend des Down-
spanenden Arbeitsgang herstellbar und somit kos- sizings werden Hubräume reduziert und gesteigerte
tengünstiger. Noch kostengünstiger lassen sich Ganz- Leistungen durch höhere Drehzahlen realisiert. Dafür
gewindeschrauben in Crackpleueln einsetzen, da sie sind kleine und möglichst belastbare Verbindungen am
dort keine Zentrierfunktion des Pleuellagerdeckels Pleuellagerdeckel zwingend notwendig.
übernehmen müssen. Die Pleuelschraube trägt dem mit immer höheren
Ein Beispiel aktuell verwendeter Pleuelschrauben Zugfestigkeiten Rechnung, die mittlerweile bis etwa
zeigt . Abb. 7.386. 1600 MPa reichen.
Die Nachgiebigkeit der Schraube hat einen erhebli- Zum Sicherstellen einer gleichmäßig hohen Vor-
chen Einfluss auf die Schwingfestigkeit. Die dynamisch spannkraft bei der Pleuelstangenbearbeitung und im
angreifende Schraubenzusatzkraft FSA (und damit die Betrieb haben sich überelastische Montageverfahren
Belastung der Pleuelschraube) sinkt, wenn die Nach- bewährt, die den Reibwerteinfluss auf die Montage-
giebigkeit der Schraube erhöht ist. Deswegen findet vorspannkraft minimieren. Das können drehwinkel-
man bei Pleuelschrauben eher Dehnschaftschrauben gesteuerte Verfahren sein oder streckgrenzgesteuerte
als Vollschaftschrauben. Schrauben mit Passbund sind Montageverfahren. Für die drehwinkelgesteuerte

Schraubenform

Gewicht 100 91 91 91 91 76 70
Statische Tragfähigkeit [%] 100 100 100 100 100 87 70
Nachgiebigkeit [%] 100 116 141 145 143 147 182
Dynamische Tragfähigkeit [%] 100 112 131 130 130 135 162
Kosten [%] 100 96 107 118 118 156 163

..Abb. 7.387  Vergleich der Eigenschaften verschiedener Schaftformen [149]


370 Kapitel 7 • Motorkomponenten

Montage ist die Anzugsvorschrift über eine Reihe von (zum Beispiel Screw-Designer, VDI-Schraubenberech-
1 Schraubversuchen am Originalbauteil zu ermitteln, nung, KABOLT etc.) durchführen. Die verfügbaren
bei der streckgrenzgesteuerten Montage wird die Vor- Berechnungsprogramme richten sich grundsätzlich
2 schrift lediglich über einen Anzug in das „grüne Fens-
ter“ definiert. Hier ist eine wesentlich geringere Anzahl
nach der VDI  2230 Blatt  1, die einen Leitfaden zur
Schraubenauslegung, insbesondere für Pleuelschrau-
von Einschraubversuchen notwendig. ben, darstellt.
3 Gleichmäßig hohe Vorspannkräfte wirken sich Als Berechnungsergebnis erhält man die not-
auch positiv auf die Dauerschwingfestigkeit aus: Pleu- wendige Vorspannkraft, die ein partielles Abheben
elschrauben in Motoren sind infolge ihrer Anordnung des Pleuellagerdeckels und eine Querverschiebung
4 immer exzentrisch belastet und exzentrisch verspannt. der verspannten Teile verhindert, und verifiziert die
Dabei steigt die Dauerschwingfestigkeit mit der Höhe vorher angenommene Gewindeabmessung und Fes-
5 der eingebrachten Vorspannkraft [150]. tigkeitsklasse der Schraube. Mit einer passenden An-
Eine weitere schwingfestigkeitserhöhende Maß- zugsvorschrift muss das Erreichen der Vorspannkraft
nahme ist das sogenannte „Schlusswalzen“ des Ge- im Betrieb sichergestellt werden.
6 windes nach dem Vergüten des Bolzens auf seine . Abb.  7.388 zeigt zur Verdeutlichung den Be-
Endfestigkeit. Die beim Schlusswalzen eingebrachten rechnungsablauf für eine Crack-Pleuelschraube (Foto
7 Kaltverfestigungen und Druckeigenspannungen verbes-
sern die Dauerschwingfestigkeit auch bei überelastisch
oben links). Davon ausgehend werden Geometrie- und
Werkstoffdaten analytisch verarbeitet, die Belastun-
montierten Schraubenverbindungen. Die Belastungen gen ergeben sich heute meist aus numerischen FE-
8 sind beim Walzen höchstfester Schrauben auf die Um- Berechnungen. Ergebnis einer umfassenden Schrau-
formwerkzeuge sehr hoch; dies führt zu einem erhöhten benberechnung sind Vorschläge für die tragfähige
Werkzeugverschleiß und damit zu höheren Fertigungs- Verbindungsgestaltung sowie für das Montage- und
9 kosten. Deshalb wurden Entwicklungen mit bainitisch Betriebsverhalten. Die Diagramme in der Abbildung
schlussvergüteten Schrauben angestrengt. Da sich das unten zeigen ein errechnetes Montagediagramm
10 Gefüge des Bainits nicht nadelig wie Martensit darstellt,
ist die innere Kerbempfindlichkeit geringer, die Schrau-
(links), aus dem die drehwinkelgesteuerte Montage­
spezifikation entnommen werden kann und ein Über-
ben weisen eine hohe Duktilität auf und die Zugfestig- tragungsdiagramm (rechts), das ein kontrolliertes par-
11 keit einer 15.8 Schraube liegt 22 % höher gegenüber tielles Klaffen durch die Betriebslast anzeigt.
einer konventionell vergüteten 12.9 Pleuelschraube. Nach Abschluss der Berechnung werden mit
Außerdem verbessert sich die Dauerschwingfestigkeit Pulsertests am gesamten Pleuel und Feldversuchen in
12 im Vergleich zur schlussvergüteten Schraube [151]. Prototypenmotoren die Berechnungsergebnisse abge-
Dauerhaltbarkeitswerte von schlussvergüteten sichert.
13 Schrauben liegen bei σA ≈ ± 65 MPa. Schlussgewalzte
7.22.3.4 Riemenscheibenschraube
Schrauben liegen auch im überelastisch montierten
Zustand bis zu 30 % darüber [150, 152, 153]. Die Riemenscheibe wird mit einer Zentralschraube be-
14 Bei der rechnerischen Auslegung einer Pleuelver- festigt. Auf die Kurbelwelle wird oft neben der Riemen-
schraubung richtet man sich bei der ersten Auswahl scheibe auch ein Zahnrad für den Ölpumpenantrieb
15 der Schraubenabmessung und -festigkeit nach dem
Vorgängermotor oder einem bauartähnlichen Motor.
und eventuell der Schwingungsdämpfer verschraubt.
Die Riemenscheibe wird über ihre Innenbohrung auf
Durch die Gesetzmäßigkeiten des Kurbeltriebs sind die den Kurbelzapfen aufgesetzt. Der große Bohrungs-
16 einwirkenden Massen- und Gaskräfte bekannt. Nicht durchmesser der Riemenscheibe macht es erforderlich,
bekannt sind die Betriebsbelastungen nach Größe, dass durch eine große Scheibe oder durch einen gro-
Richtung und Lage bezogen auf die Schraubenachse ßen Schraubenbunddurchmesser eine kraftschlüssige
17 in der Trennfugenebene, die in die einzelne Verbin- Verbindung zwischen Schraube und Riemenscheibe
dung eingeleitet werden, um die Verformungen und geschaffen wird. Oft ist eine Schraube M 12 mit einem
18 Beanspruchungen der Schraube zu ermitteln. In der Scheiben- beziehungsweise Bunddurchmesser bis
Fachliteratur [154, 155] finden sich verschiedene ana- 38 mm (zum Beispiel Ottomotor) oder eine Schraube
lytische Verfahren, mit denen sich die Axialkraft FA, M 18 mit einem Bunddurchmesser bis 65 mm (zum
19 der Querkraft FQ sowie der exzentrische Abstand a der Beispiel Dieselmotor mit 2,5 l Hubvolumen) ausge-
Axialkraft von der Schraubenachse in Abhängigkeit stattet.
20 zur Pleuelgestaltung bestimmen lässt.
Mit diesen Vorgabewerten lässt sich eine iterative
Die Riemenscheibe wird auf den Kurbelzapfen se-
parat aufgepresst oder über die Schrauben mit einem
Auslegung mit verschiedenen Softwareprogrammen vorher definierten Anziehdrehmoment auf die Kurbel-
7.22  •  Verschraubungen am Motor
371 7

nume-
rische
Model-
lierung

Input Input Input mechanisch-thermische


Geometrie Werkstoffe Schraubenbelastung

Liste der
Sicherheiten

Abb-Kap-Pleuelschraube...dsf
Gestaltung
der Ver-
bindung

Montage-
verhalten Betriebs-
50 verhalten
tightening torque

40
20
Ttot (Nm )

30 15
screw loading

Fsaod (kN)
Fsaos +

20 10
10 5

0
0
0 5 10 15 20
180

270

360

450

540
90
0

external axial loading


tightening angle teta (°) Faos0 + Faod0 (kN)

..Abb. 7.388  Pleuelschraube und analytisch-numerische Schraubenberechnung (Screw-Designer) [156]

welle aufgezogen. Bei Nutzfahrzeug-Motoren geht man das Drehwinkelverfahren durchgesetzt. Der Anzug
in der Regel bis zum Abmessungsbereich M 24 × 1,5 erfolgt über ein Fügemoment, bis alle Trennfugen satt
und setzt die Unterlegscheibe kurz vor der Montage aufeinander liegen. Daran schließt sich ein Weiterdre-
auf. Bei großen Nutzfahrzeug-Motoren wird die Rie- hen an, das über eine Drehwinkelmessung gesteuert
menscheibe auf den Schwingungsdämpfer aufgesetzt wird. Dabei können extrem hohe Endanzugsmomente
und über Durchgangsbohrungen direkt mit sechs erreicht werden. Bei einer Schraube M 12 × 1,5 − 10.9
beziehungsweise acht Schrauben beziehungsweise werden Momente bis zu 260 Nm erreicht, wobei das
Stehbolzen (zum Beispiel M 10) mit der Kurbelwelle theoretisch errechnete Endmoment zwischen 120 und
verschraubt. 150 Nm liegt.
Riemenscheibenschrauben wurden früher nur Die große Streuung des Endmomentes ergibt sich
mit einem Drehmoment angezogen. Heute hat sich auf Grund der großen Kopfauflage, die bei kleinster
372 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.389 Rifixx+, Einheit montiert. Die Schrauben werden dabei mit ei-


1 Schraube-Hülse-Kombination nem mehrspindeligen Schrauber durch Bohrungen in
mit zusätzlichem Körper- der Kupplungstellerfeder und der Kupplungsscheibe
schallentkopplungselement
2 (RIBE) [157]
angezogen.

7.22.3.6 Nockenwellen-Lagerdeckel­
3 schraube
Bei dieser Schraubverbindung werden meist norm­
ähnliche Bundschrauben im Abmessungsbereich
4 M 6, M 7 und M 8 für Pkw-Motoren, sowie M 10 und
M 12 für Nutzfahrzeug-Motoren eingesetzt. Da beim
5 drehmomentgesteuerten Anzug die Gefahr besteht,
dass sich die Nockenwellenlager unterschiedlich ver-
Verkantung ein „Fressen“ hervorruft. Ein streckgrenz- spannen, wird vermehrt das drehwinkelgesteuerte
6 gesteuertes Verfahren kann dann bei Riemenschei- Verfahren gewählt, um definierte Vorspannkräfte zu
benschrauben nicht durchgeführt werden, wenn ein erreichen. Die Besonderheit einiger Pkw-Hersteller
7 extrem großer Bunddurchmesser vorliegt oder meh-
rere Teile miteinander verspannt werden, so dass sich
liegt im Einsatz von Stiftschrauben, die in den Zy-
linderkopf eingeschraubt werden; anschließend wird
daraus eine hohe Trennfugenanzahl zwischen den der Lagerdeckel aufgesetzt und mit Muttern festge-
8 zu verspannenden Teilen ergibt. Diese ergeben auf schraubt.
Grund von Fertigungsungenauigkeiten und unver-
meidbarer Verschmutzung ein höheres Setzverhalten 7.22.3.7 Ölwannenbefestigungs­
9 beziehungsweise eine so nachgiebige Verbindung, schraube
dass der Streckgrenzpunkt nicht über die Schraube, Die Ölwanne wird heute üblicherweise mit unver-
10 sondern auch über die Verbindung bestimmt werden
kann.
lierbar in ihrem Flansch angeordneten Schrauben am
Endmontageband angeliefert, wo sie mit dem Motor-
block verschraubt werden. Damit eine vollständige
11 7.22.3.5 Schwungradschraube Öldichtheit erreicht wird, muss die Flächenpressung
Bauseitig ist auf der Kurbelwelle ein relativ kleiner über die gesamte Dichtfläche gleichmäßig hoch sein.
Teilkreis vorgegeben. In der Montage ist darauf zu Dies wird durch drehmomentgesteuert angezogene
12 achten, dass zwischen den Schrauben genügend Frei- Schrauben (M6–M8, Festigkeitsklasse  8.8/10.9) er-
raum für die Anziehwerkzeuge liegt. Die Schrauben reicht. Damit die von den Schrauben aufgebrachten
13 werden mit einer Mehrspindeleinheit gleichzeitig Vorspannkräfte gleichmäßig auf die Dichtung wirken
streckgrenzgesteuert angezogen. Dies auch, weil hier können, kommen hier Schrauben mit großem Bund-
geringe Klemmlängen (zum Beispiel 7 mm) vorliegen. durchmesser, siehe . Abb. 7.390, oder Distanzhülsen
14 Durch den geringen Abstand zwischen Kurbelzapfen mit großem Flanschdurchmesser, siehe . Abb. 7.389,
und Schwungrad sind die Kopfhöhen kleiner als nach zur Anwendung.
15 Norm. Um das erforderliche Drehmoment sicher auf-
zubringen, wird deshalb oft ein Außenzwölfkant- oder
Außerdem wird eine hohe Anzahl von Schrauben
benötigt, damit es bei der Krafteinleitung zu großen
ein Außensechsrund-Angriff, gegebenenfalls auch ein Überlappungen der Druckkegel im Bereich der Dich-
16 Innenvielzahn-Schlüsselangriff, vorgesehen. Wenn tung kommt. Überwerfungen bei der Montage werden
eine Ölversorgung durch Kanäle in der Kurbelwelle durch das Festlegen einer Anzugsreihenfolge von der
gegeben ist, werden die Schrauben zur Abdichtung ge- Mitte des Motors nach außen hin vermieden.
17 gen Ölleckagen mit einem mikroverkapselten Dicht- Rippen an der Unterseite des Motorblocks reduzie-
kleber oder mit einer Nylon-Rundumbeschichtung ren die Geräuschabstrahlung. Aufgrund des geringen
18 versehen. Gewichts und der großen Fläche geht von der Ölwanne
Einige Motorenhersteller ziehen Schwungrad- selbst eine hohe Geräuschemission aus. Bei nur ge-
schrauben noch drehmomentgesteuert an, die dann ringfügig erhöhten Kosten bietet sich hier die Lösung
19 manuell „nachgeknickt“ werden. einer Körperschallentkopplung über die verwendeten
Bei den in jüngster Zeit vermehrt zum Einsatz Ölwannenbefestigungsschrauben an.
20 kommenden Zweimassenschwungrädern werden die
Gesamt-Module dem Fahrzeughersteller komplett
mit Schwungradschrauben angeliefert und dort als
7.22  •  Verschraubungen am Motor
373 7

sind Maßnahmen gegen Kontaktkorrosion zu treffen,


da das elektrochemische Potenzial von Stahlschrau-
ben gegenüber Aluminium/Magnesium sehr hoch ist.
Dies führt in jüngster Zeit vermehrt zum Einsatz von
wärmebehandelten Schrauben aus Aluminium (AL9),
die – da grundsätzlich überelastisch montiert – zwar
niedrigere Vorspannkräfte wie drehmomentgesteuert
montierte Stahlschrauben 8.8 erzeugen, durch die syn-
taktisch Ausdehnung zum Mutterwerkstoff bei Tempe-
raturbelastung (Grenze: 150 °C) jedoch auch niedrigere
Schraubenzusatzkräfte erfahren. Die Dauerhaltbarkeit
einer Serienschraube aus AA-6056 (schlussgewalzt)
liegt in etwa bei σA ≈ ± 35 MPa. Das ist als Zahlenwert
zwar deutlich niedriger als bei Stahlschrauben (typi-
scherweise 65–100 Mpa), was sich jedoch aufgrund der
geringeren Schraubenzusatzkraft wiederum weitgehend
ausgleicht. Das dem Mutterwerkstoff ähnliche Ausdeh-
nungsverhalten auch unter Last bietet den weiteren Vor-
teil einer optimalen Gewindeüberdeckung im Eingriff,
..Abb. 7.390  Ölwannenschraube mit Innensechs-
rund und Bund (KAMAX-Werke) so dass die Einschraubtiefen reduziert werden können.
Aluminiumschrauben können so etwas kleiner bauen
als Stahlschrauben und sind dabei noch leichter. Bezüg-
7.22.4 Aggregateverschraubungen lich Korrosion ist in Magnesium oder Aluminium keine
und Verschrauben besondere Maßnahme zu treffen, da sich die Potenziale
in Leichtmetalle gleichen, beziehungsweise stark ähnlich sind.
Eine mehrfache (überelastische) Montagefähigkeit
Eine Vielzahl von Anflanschungen bzw. Aggregaten von Aluminiumschrauben stellt hohe Anforderungen
werden im Motor verschraubt wie z. B. Räderkastende- an die Oberfläche der Schrauben. Es können dazu die
ckel Wasserpumpe, Klimakompressor, Lenkhelfpumpe, Aluminiumschrauben mit einer Al-Phosphatschicht
Lenkgetriebe etc. Bei den Mittelklasse Fahrzeugen wer- und einem geeigneten Gleitmittel (zum Beispiel RIBE)
den hier Stahlschrauben ab M6 der Festigkeitsklasse 8.8 und einem geeigneten Gleitmittel (zum Beispiel RIBE-
verwendet. Bei den Premiumherstellern, die aufgrund Lub) versehen werden, was die benötigte Reibwertkons-
der üppigen Ausstattung stärker mit Gewichtsproble- tanz bei bis zu fünf aufeinanderfolgenden Montagen si-
men zu tun haben, geht der Trend zum Leichtbau. Dies chert. Die Festigkeit der Serienschrauben aus AA-6056
in der Automobilindustrie führt dazu, dass viele Bauteile liegt bei ca. Rm = 430 MPa, Rp0,2 = 370–380 MPa.
im Motorenbereich aus Stahl und Kunststoff durch Alu- Höherfeste Schrauben sind mangels wirtschaftlich
minium und Magnesium ersetzt werden – auch immer sinnvoller Legierungen mit ausreichender Temperatur-
stärker bei den Mittelklassewagen. Aluminium und Ma- beständigkeit bzw. Spannungsrisskorrosionsbeständig-
gnesium sind mittlerweile gängige Gehäusewerkstoffe keit in diesem Bereich nicht im Einsatz.
zum Beispiel für Getriebe anstelle von Grauguss. Zwei
große deutsche Fahrzeughersteller führen die Anbin-
dung von Getriebe zu Motor mit 10 bis 15 Stück M10/ 7.22.5 Schraubenanziehverfahren
M12 Aluminiumschrauben durch. Aluschrauben wer-
den dabei ausschließlich mittels Drehmoment-Dreh- Bei der Wahl der Anzieh- und Montageverfahren ist zu
winkel-Verfahren angezogen, um das im Vergleich zu bedenken, dass Pkw-Motoren in großen Stückzahlen
Stahlschrauben geringere Festigkeitsniveau zuverlässig gefertigt werden; Nfz-Motoren teilweise in Kleinse-
und möglichst optimal auszunutzen. Sie besitzen den rien- oder in Einzelfertigung [158].
Vorteil einer relativ hohen Steifigkeit bei dünnwandi-
ger Ausführung. In Verbindung mit Stahlschrauben 7.22.5.1 Drehmomentgesteuertes
treten unter thermischer Belastung hohe Zusatzkräfte Anziehen
auf. Durch die ständigen Temperaturänderungen Der drehmomentgesteuerte Schraubenanzug wird zu-
kommt es zu Relaxation und großen Setzverlusten und meist nur für untergeordnete Schraubfälle (Mindest-
damit zur Reduzierung der Vorspannkräfte. Ferner vorspannkraft muss nicht genau definiert aufgebracht
374 Kapitel 7 • Motorkomponenten

in der Großserie an den verbleibenden Handmonta-


1 geplätzen eingesetzt und in der Kleinserie bei allen
kritischen Verbindungselementen. Bei der manuell
2 durchgeführten Verschraubung wird mit einem dreh-
momentgesteuerten Druckluft-Schrauber oder bis zum
vorgegebenen Moment angezogen und anschließend
3 mit einem messenden Drehmomentschlüssel nach-
geknickt und üblicherweise farbmarkiert. Das zum
Beginn des Weiterdrehens erforderliche Drehmoment
4 ist das Nachknickmoment (auch Nachziehmoment ge-
nannt) (. Abb. 7.391).
5 Das „Nachknicken“ erfolgt erfahrungsgemäß etwas
über dem Einstellwert des Knickschlüssels hinaus, so
dass sich dadurch oft ein indirekt drehwinkelgesteuer-
6 ter Anziehvorgang ergibt.

7.22.5.2 Drehwinkelgesteuertes
7 Anziehen
Beim Drehwinkelanzug bis in die Streckgrenze liegt
8 die Vorspannkraft im Mittelwert 25 bis 30 % höher
als beim drehmomentgesteuerten Anziehen. Wäh-
rend beim drehmomentgesteuerten Anziehen die
9 ..Abb. 7.391  Aggregatemontage mittels Hand- Vorspannkraft um circa ± 25 % schwankt (praktisch
schrauber mit integriertem Drehmoment- und im gleichen Maße wie die Reibung), beträgt die Vor-
10 Drehwinkel-Messwertgeber (Atlas-Copco) spannkraftschwankung beim drehwinkel- und streck-
grenzgesteuerten Anziehen hingegen nur circa ± 10 %.
werden) angewendet und nur in Einzelfällen für hoch- Beim Drehwinkelanzug ist die Vorspannkraftstreuung
11 wertige Anwendungen (zum Beispiel Riemenscheiben- lediglich im Bereich bis zum Fügemoment reibungsab-
montage) in automatisierten Montagestraßen. Es wird hängig. Das Fügemoment ist dabei das Moment, wel-
auch zukünftig seinen Bestand im Service-Bereich ches aufgebracht werden muss, bis durch Anziehen der
12 behalten. Die Problematik besteht darin, dass die über Verbindung die Flächen aller Trennfugen durch elas-
das Drehmoment erzielte Vorspannkraft so gewählt tische und plastische Verformung „satt“ aufeinander
13 werden muss, dass auch im ungünstigsten Fall (zum liegen. Die Streuung ergibt sich hauptsächlich aus den
Beispiel kleinerer IST-Reibbeiwert als bei der Drehmo- unterschiedlichen Ist-Streckgrenzen der Schrauben,
mentfestlegung abgeschätzt wurde) die Streckgrenze vorausgesetzt, die geforderte Wiederholgenauigkeit
14 nicht überschritten wird, da ansonsten die Schraube beim Anfahren der eingestellten Winkel wird erreicht.
gelängt wird. Die Vorspannkraft ist die Kraft, die in Dies ist bei den heutigen Impulsgebern der Fall. Da-
15 der Schraubverbindung nach Abschluss der Montage
vorhanden ist. Bei einem sehr hohen IST-Reibbeiwert
rüber hinaus ist aus den Kurvenverläufen oberhalb
des Streckgrenzpunktes erkennbar, dass eine Winkel-
(höher als angenommen) fällt die Vorspannkraft sehr streuung nur einen untergeordneten Einfluss auf die
16 niedrig aus. Somit kann mit diesem Verfahren die Montagevorspannkraft hat (. Abb. 7.392). Zur Quali-
Schraube nicht optimal ausgenutzt werden. Die zwi- tätssicherung der Verbindung wird eine Drehmoment-
schen den Schraubenherstellern und der Automobil- Überwachung eingesetzt.
17 industrie vereinbarten zu erwartenden Reibbeiwerte Man erkennt, dass beim Drehmomentanzug die
liegen zwischen µges = 0,08 bis 0,14. Sie sind Bestand- minimale Vorspannkraft Fm zwischen 48 und 57 kN
18 teil des jeweiligen Qualitätsabkommens und werden je liegt; beim streckgrenzgesteuerten Anzug zwischen 67
Schraubenlos auf einem Reibwertprüfstand stichpro- und 85 kN und beim drehwinkelgesteuerten Anzug
benartig überwacht [159]. zwischen 77 und 94 kN. Damit weist der Drehmo-
19 Eine spezielle Form des Drehmomentanzuges ist mentanzug bei kleinstem Vorspannkraftniveau die
die Kombination mit dem sogenannten „Nachknicken“, größte Vorspannkraftstreuung auf. Das Vorspann-
20 zum Beispiel nach dem abgeschlossenen Schraubvor-
gang wird die Verbindung mit einem messenden Dreh-
kraftniveau beim drehwinkelgesteuerten Anziehver-
fahren liegt im Mittel circa 10 % über dem des Streck-
momentschlüssel nachgezogen. Dieses Verfahren wird grenzverfahrens.
7.23 • Abgaskrümmer
375 7

..Abb. 7.392  Anziehkurven einer Schraube DIN EN ISO 24014 – M 12 × 1,5 × 70 − 10.9 für den drehmoment-


(links) und drehwinkel- und steckgrenzgesteuerten Anzug (rechts), mit Darstellung der Einflüsse von Gewinde-
und Kopfreibung sowie der Schraubenfestigkeit

Der Bereich der Rp0,2.-Punkte stellt beim streck- Ein weiterer Vorteil des Drehwinkelanzuges ist die
grenzgesteuerten Anziehen das sogenannte „grüne Reproduzierbarkeit mit einfachem Anzugswerkzeug,
Fenster“ dar. In diesem Bereich muss der Abschalt- so dass er gerne für den Erstanzug in der Linie und für
punkt des Schraubers liegen, damit die Verschraubung den Servicebetrieb ausgewählt wird.
als in Ordnung erfasst wird und die gegebenenfalls vor-
gesehene Farbmarkierung erhält. 7.22.5.3 Streckgrenzgesteuertes
Bei der Dimensionierung von Schraubverbindun- Anziehverfahren
gen ist zu berücksichtigen, dass der Schraubenbolzen Dieses Verfahren hat gegenüber dem drehwinkel-
im Falle einer Überbeanspruchung durch statische gesteuerten Verfahren den Vorteil, dass immer die
Zugkräfte in seinem schwächsten Querschnitt brechen Ist-Streckgrenze der jeweils montierten Schraube
wird. Üblicherweise ist dies im freien belasteten Ge- angefahren wird. Dieses Verfahren kann nur sehr
windeteil oder im Dehnschaftbereich der Fall. eingeschränkt eingesetzt werden, wenn während
Der Einsatz des Drehwinkelanzugs (als streck- und kurze Zeit nach dem Anzug mit größeren Setz-
grenzüberschreitendes Verfahren) ist bei Schrauben beträgen zu rechnen ist. Die bleibende Dehnung
mit einer Schaftlänge über 2 × d beziehungsweise ei- der Schraube pro Anzug liegt je nach Sensibilität
nem freien belastetem Gewindeteil mit mehr als zehn der Schraubersysteme zwischen 0,1 und 0,2 % und
Gängen unkritisch. Dann sind bei der Auslegung des damit noch unterhalb der 0,2-%-Dehngrenze. Eine
Anziehdrehwinkels selbst Toleranzen von 20  Grad unzulässig verbleibende Längung der Schraube über
verkraftbar. Bei einer Schraube mit zum Beispiel der die Dehngrenze hinaus ist kaum noch möglich. Ge-
Steigung P = 1,5 mm bedeutet ein Weiterdrehen der genüber dem drehwinkelgesteuerten Verfahren liegt
Schraube über den Streckgrenzpunkt um 30  Grad das mittlere Vorspannkraftniveau 4 bis 7 % niedriger.
eine plastische Längung von circa 0,125 mm. Auf eine Die Qualitätssicherung der Verbindung erfolgt durch
Klemmlänge von 60 mm bezogen, ist dies eine blei- die Überwachung des „grünen Fensters“. Das „grüne
bende Verformung von 0,21 %. Dieser Wert ist unbe- Fenster“ legt den Abschaltpunkt des Schraubers im
denklich. Im Umkehrschluss ist bei dem Einsatz von Streckgrenzbereich der Schraube fest, der über mini-
kurzen Schrauben (< 2 × d Schaftlänge) der Drehwin- male und maximale Winkel- und Drehmomentvor-
kel so genau zu bestimmen, dass der Abschaltpunkt gaben definiert ist.
nahe im Bereich des Streckgrenzpunktes liegt, zumal
heute Schrauben mehrfach bis in die Streckgrenze an-
gezogen werden. Als Faustformel gilt, dass in diesen 7.23 Abgaskrümmer
Fällen auf die Klemmlänge bezogen eine bleibende
Dehnung von maximal 1 % zulässig ist. Hierbei ist je- Im Fahrzeugbereich wurden über lange Zeit stan-
doch zu beachten, dass durch das mehrmalige Anzie- dardmäßig Gusskrümmer eingesetzt. Lediglich für
hen die Kopfauflage und auch die tragenden Gewinde- sportliche Motorvarianten wurden wegen der Dreh-
gänge in Mitleidenschaft gezogen werden können und moment- und Leistungsoptimierung auch einwandige
deshalb zum „Fressen“ neigen. Ist dies der Fall, wird Rohrkrümmer verwendet, die angepasste Einzelrohr-
die erforderliche Vorspannkraft nicht mehr erreicht. längen, Rohrdurchmesser und Rohrzusammenfüh-
376 Kapitel 7 • Motorkomponenten

600 100 ..Abb. 7.393 Einfluss


1 Luftspalt-isoliert
Rohrkrümmer 2 mm der Krümmerkonstruk-
Gusskrümmer tion auf die Temperatur
500
Fahrgeschwindigkeit 80 vor dem Katalysator
2

Geschwindigkeit [km/h]
Abgastemperatur [°C]

400
60
3 300

4
40
200

5 100
20

6 0
0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275 300 325 350 375 400
0

Zyklus-Zeit [s]

7
rungen ermöglichten. Die motorische Verbrennung Diese Tatsache hat auch vor allem bei Ottomo-
8 erfolgte bei Volllast weit unterstöchiometrisch, so dass toren einen erheblichen Einfluss auf die Wahl des
die Abgastemperaturen relativ niedrig waren. Gussmaterials. Bisherige Gusskrümmer haben mit
Mitte der 1980er-Jahre forderte der Gesetzgeber Silizium-Molybdän(SiMo)-Legierungen ihre An-
9 auch in Europa eine Limitierung der Schadstoffemis- wendungsgrenze bei Abgastemperaturen von bis zu
sion, die es notwendig machte, die Fahrzeuge mit Ka- 900 °C. Höherwertige Graugussqualitäten mit einem
10 talysatoren auszurüsten. Auf Grund der sich immer
weiter verschärfenden Abgasgesetzgebung mussten
Nickelgehalt von 20 bis 36 % sind bis etwa 1000 °C
einsetzbar. Für noch höhere Abgastemperaturen
die Emissionen nach dem Kaltstart des Motors immer muss man auf Nickel- oder Kobalt-Basislegierungen
11 schneller und weiter reduziert werden. ausweichen, die auch im Turbinenbau zum Einsatz
Eine der Möglichkeiten zur schnellen Reduktion kommen. Da Gusskrümmer generell wegen der typi-
stellt die Verminderung der thermischen Masse des schen Wandstärke von 4 bis 6 mm (Rohrkrümmer im
12 Krümmers dar. In der Gussausführung kann die Masse Vergleich 1,0 bis 1,8 mm) in der Zeitstandfestigkeit
mit 4 bis 8 kg für einen Vierzylinderkrümmer recht betrieben werden, führen die in diesem Tempera-
13 hoch sein. Ist die thermische Masse des Krümmers ge- turbereich auftretenden Gefügeänderungen und die
ring, dann kann die Wärmeenergie des Abgasstromes nicht hinreichende Warmfestigkeit zu plastischen
den Katalysator schneller auf „Anspring“-Temperatur Verformungen [160]. Während des Abkühlens ent-
14 bringen. Als Anspringtemperatur wird diejenige Ab- stehen Mikrorisse, die auf Dauer zu einem Ausfall des
gastemperatur bezeichnet, bei der die Hälfte der Schad- Krümmers führen. Auch eingehende Untersuchungen
stoffe konvertiert wird. In den ▶ Abschn. 7.23.2–7.23.4
15 werden Möglichkeiten zur Massenreduktion vorge-
zur Entwicklung neuer Gusswerkstoffe für Krümmer
führten nicht zu einer hinreichend verbesserten Le-
stellt. . Abb. 7.393 zeigt den Einfluss der Krümmer- bensdauer [161].
16 konstruktion auf die Temperatur vor dem Katalysator Als Lösung bieten sich gebaute Krümmer aus
beim MVEG-Fahrprofil. Stahlblech oder Stahlrohr an, die auf Grund ihres De-
Ein weiterer Aspekt, der sich negativ auf die eta- signs eine höhere Zeitstandfestigkeit haben.
17 blierte Konstruktionsweise der Gusskrümmer aus- Bessere Voraussetzungen für Gussmaterial bezüg-
wirkte, war die Erhöhung der Abgastemperaturen, die lich der maximalen Abgastemperatur bieten Diesel-
18 als Ergebnis der Erhöhung der Leistungsdichte und des motoren. Auf Grund der neuen Abgasgesetzgebung
Betriebes mit stöchiometrischem Gemisch in weiten zeigen sich jedoch auch hier Tendenzen, Guss- durch
Bereichen des Motorkennfeldes entstand. Hatte man Blechmaterial zu ersetzen.
19 es in den frühen 1980er-Jahren noch mit Abgastem- Weitere Argumente zum Ersatz von Guss durch
peraturen von 850 °C bei Ottomotoren und 650 °C bei Blech sind die Bestrebungen, das Fahrzeuggesamtge-
20 Dieselmotoren zu tun, so haben sich heute die Abgas-
temperaturen bis auf über 1000 °C bei Ottomotoren
wicht zu reduzieren, und letztendlich auch das starke
Nachheizverhalten eines Gusskrümmers nach dem
und bis zu 850 °C bei Dieselmotoren erhöht. Abstellen des Motors (. Abb. 7.394).
7.23 • Abgaskrümmer
377 7
..Abb. 7.394 „Soaking“ 250
– Verhalten verschiede-
225
ner Krümmerkonstruk-

Lufttemperatur in 30 mm Abstand [°C]


tionen 200

175

150

125
Luftspalt-isoliert
100
Gusskrümmer
75
Rohrkrümmer 1 mm
50
Rohrkrümmer 2 mm
25

0
0 60 120 180 240 300 360 420 480 540 600
Zeit nach Motor aus [s]

Die Einbausituation lässt eine sehr kompakte Ge-


staltung mit Gusskrümmern zu, während Rohrkrüm-
mer auf Grund der optimierten Rohrleitungslängen
- Übergabe des Bauraums durch den Kunden
(unter Umständen mit einer Geometrie des
Grobkonzepts sowie des Zylinderkopfflansches,
und von minimal einzuhaltenden Biegeradien bei Abgasflanschgeometrie, Schrauberfreigänge,
Rohrkrümmern eher mehr Platz in Anspruch nehmen.
Beim Aufheizen und Abkühlen der verschiedenen
Krümmerkonstruktionen zeigt sich, dass Gusswerk-
stoff im Vergleich zum Rohr- und Blechwerkstoff
- umgebende Motorraumgeometrien etc.),
Übergabe von Beanspruchungsdaten (Motortyp
und Motorleistung, Schwingungsanregung durch
Motor- oder Straßenanregung, Abgastempera-
thermisch sehr träge ist. Eine gebaute luftspaltisolierte
Konstruktion bewegt sich bezüglich dieses Verhaltens
- tur),
Definition des Abgaskonzepts (EURO 5 oder
zwischen Guss und Rohr.
Die Notwendigkeit für Hitzeschutzmaßnahmen
wird in der Hauptsache von der Bauteiloberflächentem-
peratur, dem Nachheizverhalten und der Nähe umge-
- EURO 6 oder …),
Entwicklung eines Feinkonzepts und Ausar-
beitung des Designs unter Einsatz von CAE-
Werkzeugen, wie zum Beispiel Wärmeüber-
bender Bauteile bestimmt. Da die übertragene Energie tragungsrechnungen, strömungs-mechanische
im Strahlungsbereich mit der vierten Potenz der Ober- Berechnungen oder FEM-Berechnungen [162,
flächentemperatur steigt, ist es sinnvoll, Guss- und
Rohrkrümmer, die bis zu 800 °C Oberflächentempe-
- 163],
Bau von Musterteilen aus seriennahen Hilfswerk-
ratur aufweisen können, abzuschirmen. Eine sehr gute
Alternative sind luftspaltisolierte Krümmer (LSI), bei
- zeugen,
Test mit Zertifizierungsläufen im Haus des Ent-
denen die gasführenden Rohre durch einen Luftspalt
gegenüber der tragenden Struktur getrennt sind. Diese
- wicklers oder des Kunden,
Freigabe der Entwicklung zur Produktion durch
Krümmer, die dadurch naturbedingt ihr eigenes Hit-
zeschild mitbringen und eine maximale Oberflächen-
temperatur von 550 bis 600 °C aufweisen, benötigen im -- den Kunden,
Bau von Serien-Werkzeugen,
Test mit Serienteilen zur Absicherung des De-
Allgemeinen keine weiteren Abschirmeinrichtungen.

7.23.1 Ablauf einer


- signs,
Beginn der Produktion (SOP).

In der Regel beträgt die Gesamtzeit zwischen Anfrage


Krümmerentwicklung und SOP etwa zwei Jahre. Neuere Entwicklungen wer-
den auch bereits jetzt schon in einer Zeit von 14 Mo-
Im Folgenden sind die wesentlichen Schritte eine naten durchgeführt, wobei acht Monate als reine Ent-

-
Krümmerentwicklung aufgezeigt:
Kundenanfrage für ein gewünschtes Krümmer-
konzept,
wicklungszeit anfallen und die restlichen sechs Monate
für den Bau der Serienwerkzeuge und den Aufbau der
Fertigungslinien benötigt werden.
378 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
..Abb. 7.395 Gusskrümmer für Vierzylindermotor
6 (Ottomotor)
..Abb. 7.396 Leichtbau-Rohrkrümmer für Vierzylin-
7.23.2 Krümmer dermotor (Ottomotor)
7
-
als Einzelkomponente
Beliebige beziehungsweise optimierte Rohrlängen
8 7.23.2.1 Gusskrümmer (. Abb. 7.395) sind durch das Gussmaterial nur eingeschränkt
umsetzbar (eine Leistungsoptimierung ist nur
kkTypische Werkstoffe bedingt möglich)
9 Globularer Grauguss (GGG), SiMo-Grauguss: Globu-
larer Grauguss mit Silizium-Molybdän (GGG-SiMo), 7.23.2.2 Rohrkrümmer (. Abb. 7.396)
10 SiMoGrauguss mit vermikularem Graphit, austenti-
sches Gusseisen (GGV-SiMo) [160].
Wanddicken: 7–8 mm bei GGG-Krümmern 2,25–4 mm
--
kkTypische Werkstoffe
Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4828
11 bei Schalenguss

-
Ferritische Stähle wie zum Beispiel 1.4509
Wanddicken: 1,2–1,5 mm

--
---
kkVorteile
12 Kompakte Konstruktion

-
kkVorteile
Große Möglichkeiten der Formgestaltung Eine leistungsoptimierte Auslegung ist möglich
13 Gute akustische Eigenschaften durch hohe Mate- Geringes Gewicht
rialdämpfung Vorhandene Standardstähle können hohe Abgas-

14
15 --
kkNachteile
Hohes Gewicht
Beim Gussmaterial sind die maximal zulässigen
--
temperaturen ertragen
Geringes Nachheizverhalten
Sounddesign ist möglich

16 -Abgastemperaturen beschränkt
Falls durch sehr hohe Temperaturen der Einsatz
von Nickel-Legierungen notwendig wird, erhöht -
kkNachteile
Kompaktere Konstruktionen sind möglich, sollten
aber bei Vierzylindermotoren aus Leistungsge-

17 -sich der Preis, abhängig vom Ni-Gehalt, drastisch


Gusskrümmer fahren im Zeitstandfestigkeits-
bereich (schlecht für die Dauerhaltbarkeit unter
dem Aspekt der erhöhten Leistungsdichte der
sichtspunkten nicht unbedingt umgesetzt werden.
Heute werden teilweise solche Designs realisiert,
um eine vorhandene Gusskonstruktion durch
eine Rohrkonstruktion bei gleichem Bauraum zu
18
-Motoren und damit höheren Temperaturen)
Hohe Oberflächentemperaturen (Hitzeabschir-
ersetzen. Das jedoch hat neben vielen anderen
Nachteilen auch erhebliche Probleme beim Errei-

19
-mung erforderlich)
Kritischer als Rohrkrümmer bezüglich der Emis-
- chen der geforderten Dauerhaltbarkeit zur Folge
Hohe Oberflächentemperaturen (Hitzeabschir-

20
-
sionen nach dem Kaltstart durch die relativ hohe
thermische Masse des Krümmers
Starkes Nachheizverhalten durch die hohe ther-
mische Masse
- mung erforderlich)
Ein Rohrkrümmer ist bezüglich der Startemis-
sionen im Vergleich zum Gusskrümmer zwar
besser, kann aber immer noch kritisch sein, wenn
7.23 • Abgaskrümmer
379 7

..Abb. 7.397 Halbschalenkrümmer für Dreizylinder- ..Abb. 7.398  Luftspaltisolierter Krümmer für V6-


motor (Dieselmotor) Ottomotor

die thermische Masse des Krümmers auf Grund 7.23.2.4 Luftspaltisolierte Krümmer
einer zu stark gewählten Wandstärke von 1,8 bis (LSI-Krümmer) (. Abb. 7.398)
2,0 mm noch relativ hoch ist. Dem Problem kann Funktionstrennung: Innen sind leichte gasführende
mit einer Wandstärkenreduktion auf typischer- Bauteile, außen sind die tragenden Elemente mit hö-
weise 1,2 mm begegnet werden. Ausgewählte herer Materialstärke. Diese Innenbauteile sind durch
Konstruktionen haben heute schon Wandstärken Schiebesitze entkoppelt. Dadurch ist die Dauerhalt-

- von 1,0 mm [164]


Höhere Körperschallabstrahlung durch geringe
Materialdämpfung. Zusätzliche Maßnahmen sind
unter Umständen erforderlich
barkeit eines solchen Krümmers einfacher darstell-
bar.

-
kkTypische Werkstoffe für die gasführenden
Innenteile
7.23.2.3 Einfachwandige Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4828
Halbschalenkrümmer oder 1.4835
(. Abb. 7.397)

-- -
kkTypische Werkstoffe für die tragenden
kkTypische Werkstoffe Außenteile
Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4828 Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4541

-
Ferritische Stähle wie zum Beispiel 1.4509
Wanddicken: 1,5–1,8 mm
-- oder 1.4829
Ferritische Stähle wie zum Beispiel 1.4509
Wanddicken: gasführende Innenteile 1,0 mm,

--
kkVorteile
Geringes Gewicht
tragende Außenteile 1,5 mm

Vorhandene Standardstähle können hohe Abgas-

-temperaturen vertragen
Geringes Nachheizverhalten --
kkVorteile
Relativ geringes Gewicht bei kompakter Bauweise
Eine leistungsoptimierte Auslegung ist in einem

- -definierten Spielraum möglich


Vorhandene Standardstähle können hohe Abgas-

-
kkNachteile
Geht es um einen Vierzylindermotor, dann temperaturen vertragen
sind nur sehr kurze Rohrlängen realisierbar; die Keine hohen Oberflächentemperaturen (da-
Geometrie eines solchen Krümmers ist dann durch können umgebende Bauteile ohne weitere

-typischerweise sehr eingeschränkt


Formbedingt fällt beim Herstellungsprozess sehr
Schutzmaßnahmen relativ nahe an dem LSI-

--
Krümmer platziert werden)

--
viel Materialverschnitt an
Sehr lange Schweißnähte erforderlich
Hohe Oberflächentemperaturen (Hitzeabschir-
Geringes Nachheizverhalten
Geeignet für emissionsoptimierte Systeme. Die
inneren gasführenden Bauteile haben nur eine

-
mung erforderlich)
Höhere Körperschallabstrahlung durch geringe
Materialdämpfung (zusätzliche Maßnahmen sind
unter Umständen in Form von doppelwandigen
geringe Wärmekapazität, so dass ein geringer
Energieverlust bis zum Katalysator vorliegt,
während die äußeren Bauteile mit einer höheren
thermischen Masse erst nach dem Katalysator-
Schalen erforderlich)

- start die Wärmeenergie aufnehmen


Erfolgt in der Startphase des Motors eine fahrzy-
klusbedingte Leistungsreduktion, so verhindert
380 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
..Abb. 7.400  Gusskrümmer mit integriertem Guss-
6 ..Abb. 7.399  Motornaher Katalysator mit ver-
schweißtem Krümmer (Sechszylinderboxermotor)
Turbolader (Dieselmotor)

7 die umgebende tragende Struktur als „Isolation“


Gesamtsystems erforderlich wird. Im Falle eines nicht
notwendigen Austausches des Laders oder Krümmers

8
- das schnelle Auskühlen des Katalysators
Selbst ein wassergekühltes Außenmantelkonzept
entstehen hier sehr hohe Kosten.
Will man auch in diesem Bereich aus den schon

9 - ist möglich [165]


Gutes akustisches Verhalten kann mit geringem
Aufwand erreicht werden
beschriebenen Gründen auf andere Krümmertypen
wechseln, so ist eine zusätzliche Abstützung des schwe-
ren Laders am Motorblock erforderlich.
In der Entwicklung befinden sich auch Turbolader-
10
11
-
kkNachteile
Teilweise müssen innenhochdruck-umgeformte
Rohre (IHU) verwendet werden, um die gefor-
derten komplexen Geometrien auf kleinstem
gehäuse aus Blech, mit denen weiter Wärmekapazität
und Gewicht reduziert werden können.

Raum zu realisieren; das heißt hohe Kosten und 7.23.4 Integrierte Abgaskrümmer
12
13
- lange Leadtime für die Werkzeuge
Eine beliebige Rohrlänge kann nicht realisiert
werden
Der kühlmittelgekühlte, in den Zylinderkopf inte-
grierte Abgaskrümmer gilt bei 3-Zylinder Ottomoto-
ren, insbesondere im Rahmen von Downsizingkonzep-
ten, mittlerweile als etabliert. Diese Art von Krümmer
7.23.3 Krümmer als Teilmodul ist mit Kühlkanälen ausgeführt und wird über den
14 Zylinderkopf direkt ins Kühlsystem angebunden. In
7.23.3.1 Krümmer und Katalysator manchen Fällen bleibt dann nach außen nur noch eine
integriert
15 Da ein motornaher Katalysator mit dem Krümmer
einzige Rohrverbindung zum Abgasturbolader, die,
falls erforderlich, auch noch sehr kompakt ausgeführt
durch Verfahren wie Schweißen oder Flanschen ver- werden kann.
16 bunden werden kann, hat man alle Möglichkeiten, die Mit diesem Konzept lassen sich dann optimierte
unter ▶ Abschn. 7.23.2 dargestellt wurden, als Option Abgastemperaturen realisieren, die eine Verbindung
für die Krümmerseite. (. Abb. 7.399) von hoher Leistung bei einem geringeren Verbrauch
17 erlauben. Der Fokus hierbei liegt bei der Vermeidung
7.23.3.2 Krümmer und Turbolader der Kraftstoffanreicherung zum Bauteilschutz, denn
18 integriert der umgebende Wassermantel des Krümmers erlaubt
Das gezeigte Krümmer-Lader-Modul, . Abb. 7.400, eine signifikante Absenken der Abgastemperatur. Das
wird sowohl für Ottomotoren als auch für Dieselmo- trägt dann letztendlich auch zur Reduktion der CO2
19 toren eingesetzt. Im Vergleich zu der Kombination von Emissionswerte bei.
Einzelbauteilen entfallen bei diesem Modul die Massen Weiterhin besteht die Möglichkeit, durch den um-
20 der Einzelbauteilflansche und es vereinfacht sich die
Montage. Ein klarer Nachteil dieses Moduls ist, dass bei
gebenden Wassermantel des Krümmers das Kühlwas-
ser nach dem Kaltstart rasch auf Betriebstemperatur
Ausfall von nur einer Komponente der Austausch des zu bringen.
7.24 • Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren
381 7
Gussflansch mit Stützflanschkonzept Stanzflansch
Sekundärluftzuführung 2 Stanzflaschen aus 6 mm 8 mm Blech

Gussflansch mit Sekundärluft- Lamellenflansch Tiefziehflansch


zuführung im Zylinderkopf 3 mm Blech

..Abb. 7.401  Flanschkonzepte für Rohrkrümmer

7.23.5 Krümmer-Komponenten brennungsmotors sicher. Dabei soll eine hohe Ausfall-


sicherheit, geringe Antriebsleistung und kavitations-
Bauteile, wie die Anschlussstutzen der Abgasrück- freier Betrieb bei gleichzeitig kleinstem Bauraum und
führung oder die Kanäle der Sekundärluftzuführung, niedrigen Kosten gewährleistet werden.
die bis vor kurzem noch im Krümmer oder den ange- Derzeit werden in Kfz-Kühlkreisläufen mehr-
schweißten Eingangsflanschen beinhaltet waren, wer- heitlich einstufige radiale Kreiselpumpen verwendet.
den mehr und mehr im Motorblock selbst integriert. Deren Drehzahl, und damit nach den Ähnlichkeits-
Flanschkonzepte für Rohrkrümmer zeigt beziehungen für Kühlmittelpumpen der Pumpenvo-
. Abb. 7.401. lumenstrom, ist durch den direkten Antrieb von der
Dargestellt sind Flanschkonstruktionen von kom- Kurbelwelle des Motors über ein Übersetzungsverhält-
plexen und schweren Gussflanschen mit integrierter nis an die Motordrehzahl gekoppelt. Die zunehmend
Sekundärluftzuführung bis hin zu sehr einfachen gestellten Forderungen nach teilweise oder vollständig
und leichten Tiefziehflanschen aus Blech. In einigen motordrehzahlunabhängigen Kühlmittelvolumenströ-
Fällen weisen Tiefziehflansche bei gleicher Funktio- men werden mit schaltbaren, drehzahlgeregelten oder
nalität eine bis zu 50 % reduzierte Masse gegenüber elektrisch angetriebenen Kühlmittelpumpen erreicht.
einem vergleichbaren Gussflansch auf. So entsteht zum Wegen konstruktiv bedingter unterschiedlicher
Beispiel durch das „Hochstellen“ der Randbereiche Einbauverhältnisse sowie differierender Anforde-
des Tiefziehflanschs das gleiche Steifigkeitsverhalten rungsprofile an den Kühlmittelpumpen kommen un-
wie beim Gussflansch. Die Dichtheit wird durch hö- terschiedliche Bauarten und Fertigungskonzepte zur
here Flächenpressung mittels Anprägungen um die Anwendung.
Eintritts­öffnungen erreicht. Der konstruktive Aufbau einer Kfz-Kühlmittel-
Typischerweise ist die thermische Belastung des pumpe besteht nach den . Abb. 7.402 und 7.403 im
Eingangsflanschs wegen der Auflage am relativ kühlen Wesentlichen aus Lagergehäuse mit Lagereinsatz,
Zylinderkopf gering. Daher können hier kostengüns- Gleitringdichtung, Flügelrad, Nabe (Riemenscheibe),
tige, leicht vergütete Normalstähle wie zum Beispiel Leckagebehälter mit Deckel und bei Anbaupumpen
ST52-3 verwendet werden. Bei Ausgangsflanschen dem Gehäuse mit Spiralkanal.
gleicher Bauart müssen wegen der hohen Temperatu- Der Kühlmittelzulauf sollte strömungsoptimal ach-
ren höherwertige ferritische oder austenitische Stähle sensymmetrisch erfolgen, jedoch kann aus motor- oder
gewählt werden [162]. kühlkreislaufkonstruktiven Gründen der Pumpenzu-
lauf auch rückseitig über das Pumpengehäuse und die
Gleitringdichtung ausgeführt werden. . Abb.  7.404
7.24 Kühlmittelpumpen zeigt eine Anbaupumpe mit im Pumpengehäuse inte-
für Verbrennungsmotoren grierten Zulauf und Spiralkanal.
Bei Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmoto-
7.24.1 Anforderungen, Bauarten ren wird hinsichtlich ihrer Befestigung beziehungs-
und konstruktiver Aufbau weise ihres konstruktiven Aufbaus in Anbaupumpen
(. Abb. 7.402, 7.404 und 7.405) und Einsteckpumpen
Die Kühlmittelpumpe stellt den anforderungsgerech- (. Abb. 7.403), nach verschiedenen Flügelradbauar-
ten Kühlmittelumlauf im Kühlkreislauf unter allen ten, nach saugseitiger oder druckseitiger Anordnung
Betriebsbedingungen und Betriebszuständen des Ver- der Gleitringdichtung sowie nach Ausführung des An-
382 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.402 Kfz-Kühl-
1 mittelpumpe (Anbau-
pumpe) der NIDEC GPM

2
3
4
5
6
7
8
9
10 ..Abb. 7.403 Kfz-Kühl-
mittelpumpe (Einsteck-
pumpe) der NIDEC GPM
11
12
13
14
15
16
17 triebes unterschieden. Bei Einsteckpumpen liegen Teile Bereich temperaturbeständige Kunststoffe, Blech und
der Pumpenkonstruktion wie zum Beispiel Spiralkanal Aluminium und im Nkw-Bereich Grauguss zum Einsatz.
18 und Zulauf im Motorengehäuse. An das Motormodul (. Abb. 7.406) ist die Kühl-
Der Kühlmittelpumpenantrieb erfolgt mittels Keil- mittelpumpe angeflanscht. Das an der Saugseite der
riemen, Zahnriemen oder Poly-V-Riemen. Bei motor- Kühlmittelpumpe integrierte Kennfeldthermostat ge-
19 konstruktionsbedingter Lage der Kühlmittelpumpe währleistet in jedem Betriebszustand des Motors die
kann der Antrieb auch mittels Zahnrädern erfolgen. anorderungsgerechte Versorgung mit Kühlmittel.
20 Kühlmittelpumpengehäuse werden in Grauguss
oder Aluminium und zunehmend auch in Kunststoff ge-
Das Kennfeldthermostat wird über das Steuergerät
angesteuert und regelt nach einem hinterlegten Kenn-
fertigt. Für Flügelräder kommen überwiegend im Pkw- feld den Kühlmittelstrom.
7.24 • Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren
383 7

..Abb. 7.405  Kfz-Kühlmittelpumpe (Anbaupumpe)


der Firma GPM mit integrierter Mehrfachspirale und
geschlossenem Flügelrad

..Abb. 7.404  Kfz-Kühlmittelpumpe (Anbaupumpe)


der Firma GPM mit gehäuseintegriertem Zulauf und
Spiralkanal
Das Modul integriert darüber hinaus eine regel-
bare Ölpumpe. Sie ermöglicht eine bedarfsgerechte
Versorgung mit Öldruck und Ölvolumenstrom bei im
Vergleich mit ungeregelten Ölpumpen geringen An- ..Abb. 7.406  Motormodul der NIDEC GPM mit
Kühlmittelpumpe, Kennfeldthermostat und regelbarer
triebsleistungen und damit hoher Effizienz.
Ölpumpe

7.24.2 Flügelrad und Spiralkanal

Die Umwandlung der über die Antriebsscheibe an die


Pumpenwelle zugeführten mechanischen Energie in
Druck- und Geschwindigkeitsenergie findet im Flü-
gelrad statt. Dabei tritt bei radialen Flügelrädern das
Kühlmittel axial in das Flügelrad ein und wird infolge
der Fliehkraft radial zum Umlauf des Flügelrades im
Flügelradkanal geführt. Die Verzögerung der Strö-
mung erfolgt nach Flügelradaustritt im Spiralkanal.
Üblicherweise werden in Kraftfahrzeugkühlmit-
telpumpen radiale Flügelräder verwendet, bei kleinen
Flügelraddurchmessern und hohen Pumpendrehzah-
len können auch halbaxiale oder axiale Flügelräder
eingesetzt werden.
Radiale Flügelräder werden in offener
(. Abb.  7.407) oder geschlossener (. Abb.  7.408) ..Abb. 7.407  Offenes Flügelrad
Bauweise gefertigt.
Ein geschlossenes Flügelrad ist gegenüber einer
offenen Ausführung in Hinsicht auf Kennlinienver-
384 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7 ..Abb. 7.408  Geschlossenes Flügelrad

..Abb. 7.409  Spiralkanal (Einfachspirale)


8 halten und Kavitationsanfälligkeit unempfindlicher
bei fertigungsbedingten Spaltgrößenstreuungen. Die
Werkzeugkosten zur Flügelradherstellung sind jedoch
9 wegen der zusätzlichen Deckscheibe höher als bei of-
fener Ausführung.
10 Die konstruktive Auslegung des Flügelrades und
des Spiralkanals erfolgt auf Kundenwunsch nach Vor-
gabe des Auslegungspunktes mit GPM-spezifischem
11 Rechenprogramm. Dabei werden neben den Ausle-
gungsdaten auch die jeweiligen Einbau- und Einsatz-
bedingungen beachtet.
12 Die Anströmung des Flügelrades sollte in axialer
Richtung möglichst ungestört und drallfrei erfolgen.
13 Eventuelle Versperrungen und Vordrall müssen
daher in der Berechnung berücksichtigt werden.
Der Spiralkanal (. Abb. 7.409) beziehungsweise
14 das Spiralgehäuse kann als Leitkanal mit einer Leit- ..Abb. 7.410 Zwillingsspiralkanal
schaufel aufgefasst werden. Die Spirale entspricht dabei
15 dem Schrägabschnitt der Leitschaufel.
Spiralgehäuse werden meist bei einstufigen Pum-
Von den Spiralkanälen sind außerdem für diverse
Aggregate weitere Abgänge möglich, so dass ein Mehr-
pen verwendet. Sie können sich im Motorblock (bei fachspiralkanal (. Abb. 7.411) entsteht.
16 Einsteckpumpen) beziehungsweise im Pumpengehäuse
(bei Anbaupumpen) befinden. Der Querschnitt des
Spiralkanals nimmt im Drehsinn des Flügelrades zu. 7.24.3 Kühlmittelseitige Abdichtung
17 Damit eine homogene achsensymmetrische Strö-
mung gewährleistet ist, muss in jedem Parallelkreis Die kühlmittelseitige Abdichtung zum Pumpenlager
18 der Spirale der gleiche Strömungszustand, das heißt wird durch eine Gleitringdichtung (axiales Dicht-
konstanter Drall, vorherrschen. system) (. Abb.  7.412) oder durch eine Radialwel-
Bei V-förmig angeordneten Motorzylinderreihen lendichtung, zum Beispiel VR-Dichtung (radiales
19 kann der Kühlmittelzulauf zu den Zylinderbänken über Dichtsystem) (. Abb. 7.413) sichergestellt. Sie kann
einen Zwillingsspiralkanal erfolgen (. Abb.  7.410). auf der Saugseite oder der Druckseite des Flügelrades
20 Zwillingsspiralen können sowohl bei Anbaupumpen
(pumpenintern) als auch bei Einsteckpumpen (kurbel-
angeordnet werden. Bei saugseitig angeordneten Dich-
tungen wird wegen der Umspülung mit dem gesamten
gehäuseintern) realisiert werden. Pumpenvolumenstrom die Reibungswärme gut abge-
7.24 • Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren
385 7

..Abb. 7.411 Mehrfachspiralkanal

führt. Bei druckseitig angeordneten Gleitringdichtun-


gen muss ein ausreichender Spülvolumenstrom über
die Flügelradrückseite zur Wärmeabfuhr gewährleistet
werden.
Die Gleitpaarungen der Gleitringdichtung wer-
den mit dem Kühlmittel geschmiert und gekühlt.
Dadurch kann eine geringfügige Leckage von Dampf
beziehungsweise Flüssigkeit in die Atmosphäre aus-
treten. Der Austritt dieser sogenannten kosmetischen
Leckage in die Atmosphäre kann durch konstruktive
Maßnahmen innerhalb des Kühlmittelpumpengehäu-
..Abb. 7.412  Gleitringdichtung (axiales Dichtsystem)
ses verhindert werden. Die somit im Gehäuse verblei-
bende Leckage verdampft durch die entstehende Mo-
torwärme (siehe . Abb. 7.402 und 7.403).
Die VR-Dichtung (radiales Dichtsystem) stellt eine
kostengünstige Alternative zur axialen Gleitringdich-
tung dar. Das Dichtprinzip erfordert keine Leckage
über den Dichtspalt. Da die Dichtlippen gegen eine
speziell gehärtete Wellenschutzhülse laufen, tritt wäh-
rend der Lebensdauer kein messbarer Verschleiß auf.
Besondere Vorteile liegen im geringen Bauraum
sowie dem möglichen Einsatz bei hohen Drehzahlen
(10.000 U/min).

7.24.4 Kennfeld
und Ähnlichkeitsbeziehungen ..Abb. 7.413  VR-Dichtung (radiales Dichtsystem)
der Kühlmittelpumpe
derhöhe“ und damit strömungsmitteltemperatur- und
Die Abhängigkeit des Pumpendifferenzdruckes bezie- strömungsmittelzusammensetzungsunabhängig erfol-
hungsweise der Pumpenförderhöhe vom geförderten gen, das heißt das Kennfeld gilt für alle Kühlmitteltem-
Kühlmittelvolumenstrom und von der Pumpendreh- peraturen und prozentualen Frostschutzmittelanteile.
zahl wird im Kühlmittelpumpenkennfeld dargestellt. Demgegenüber würde der Kennlinienverlauf mit Ver-
. Abb. 7.414 zeigt ein typisches Kennfeld einer Pkw- wendung der Pumpenkenngröße „Differenzdruck“ nur
Kühlmittelpumpe inklusive den Linien gleichen Wir- für die bei der Kennfeldermittlung vorherrschenden
kungsgrades und der Anlagenkennlinie (Kühlkreis- Strömungsmittelzustände gelten.
laufwiderstand). Der Verlauf beziehungsweise die Steilheit der
Die Darstellung des Kühlmittelpumpenkennfeldes Pumpenkennlinien kann durch Form und Anzahl der
sollte wie in . Abb. 7.414 mittels der Kenngröße „För- Flügelradschaufeln beeinflusst werden.
386 Kapitel 7 • Motorkomponenten

44 ..Abb. 7.414 Kennfeld
1 einer Pkw-Kühlmittel-
pumpe
39
2 30

46

3 33

47
49

4 28
48
Förderhöhe [m]

48
35

5 22 49 47

46

6
45
17
49 43 n=9360 1/min
40

7 11 43
48
47
40

46 35
45

8 43
43
40
30 n=7560 1/min
6 40 25
35
35 n=5400 1/min
Wirkungsgrad
9
30
30 Drosselkurven
25 n=3600 1/min Anlagenkennlinie
n=135020
1/min
0
0 50 100 150 200 250 300 350
10 Volumenstrom [l/min]

11 Für die Förderhöhe H gilt: lumenstrombedarf, Pumpenwirkungsgrad und Kühl-


kreislaufwiderstand Pumpenantriebsleistungen bei
pges Motornenndrehzahl zwischen 500 W und 3,5 kW, bei
12 H =
g 
(7.26)
Nutzfahrzeugen auch wesentlich höhere notwendige
Antriebsleistungen der Kühlmittelpumpe. Zu beachten
13 pD − pS c 2 − cS2
ist, dass sich die Pumpenantriebsleistung bei gleicher
= + hD − hS + D : (7.27)
Motordrehzahl abhängig vom Kühlkreislaufbetriebs-
g 2g  zustand (zum Beispiel Heizung offen oder geschlossen,
14 Thermostat offen, regelnd oder geschlossen) wegen der
D bezeichnet die Messstelle an der Pumpendruckseite, damit unterschiedlichen Kühlkreislaufgesamtwider-
15 S die Messstelle an der Pumpensaugseite.
Nutzleistung, Antriebsleistung und Wirkungsgrad
stände ändern kann.
Mit Hilfe der Ähnlichkeitsbeziehungen für Kreisel-
der Kühlmittelpumpe errechnen sich aus pumpen können die Kennwerte einer messtechnisch
16 ermittelten oder vorgegebenen Kühlmittelpumpen-
PNutz = pges  VP = H    g  VP ; (7.28) kennlinie auf andere Pumpendrehzahlen umgerechnet
werden. Es gilt:
17
PAn = Md  2    n; (7.29) n1 VP1
= ; (7.31)
18 n2 VP2 

PNutz n21 p1 H1 Md1


19 = : = = = ; (7.32)
PAn  (7.30) n22 p2 H2 Md2 

20 . Abb.  7.415 stellt die Abhängigkeit der Pumpen-


antriebsleistung von der Motordrehzahl und vom
n31 PNutz1
:
= (7.33)
Pumpenvolumenstrom dar. Üblich sind je nach Vo- n32 PNutz2 
7.24 • Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren
387 7
..Abb. 7.415 Kühlmit-
telpumpenantriebsleis-
tung in Abhängigkeit
von Drehzahl und Kühl-
mittelvolumenstrom

Die Gln. 7.31, 7.32 und 7.33 zeigen, dass der Volumen-


strom linear, der Pumpendifferenzdruck beziehungs-
weise die Förderhöhe sowie das Pumpendrehmoment
quadratisch und die Pumpennutzleistung in dritter
Potenz mit höherer Pumpendrehzahl ansteigen. Die
Antriebsleistung steigt ähnlich wie die Pumpennutz-
leistung, ist jedoch zusätzlich vom Wirkungsgradver-
lauf (siehe . Abb. 7.414) abhängig.
Die Ähnlichkeitsbeziehungen nach den Gln. 7.31–
7.33 gelten uneingeschränkt für ein Pumpenkennfeld
nach . Abb. 7.414, das heißt die Pumpenkennwerte
lassen sich auf veränderte Drehzahlen umrechnen. ..Abb. 7.416  Gesamtströmungswiderstand eines
Bei Betrieb der Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf Kühlkreislaufes
gelten die Ähnlichkeitsbeziehungen jedoch nur für
konstanten Strömungswiderstand des Kühlkreislau- von der Kühlmittelpumpe im unteren Motordrehzahl-
fes. Da zumindest im unteren Motordrehzahlbereich bereich eine unterproportionale Kühlmittelmenge ge-
durch eine nicht vollständig hydraulisch rau ausgebil- fördert wird. Diese strömungstechnischen Verhältnisse
dete Strömung der Kühlkreislaufwiderstand ansteigt, müssen bei Festlegung des Pumpenauslegungspunktes
können die Ähnlichkeitsbeziehungen bei Betrieb der vom Motorenhersteller beachtet werden.
Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf zur Umrechnung Der Schnittpunkt der Pumpenkennlinien mit
der Pumpenkennwerte nur eingeschränkt, das heißt dem Kühlkreislaufwiderstand ergibt für die jeweiligen
ab Erreichen einer hydraulisch rauen Strömung, ver- Pumpendrehzahlen die Arbeitspunkte der Kühlmittel-
wendet werden. pumpe. Bei verändertem Kühlkreislaufwiderstand zum
. Abb. 7.416 zeigt schematisch den charakteristi- Beispiel durch Absperren der Heizung oder bei Ther-
schen Verlauf eines Kühlkreislaufgesamtwiderstandes mostatregelung verschieben sich die Arbeitspunkte
unter Kennzeichnung des Punktes, ab dem eine hyd- entsprechend.
raulisch raue Strömung vorliegt und die Ähnlichkeits- In . Abb. 7.417 sind schematisch die unterschied-
beziehungen angewendet werden können. lichen Kühlkreislaufwiderstände und Arbeitspunkte
Die gleiche Charakteristik des Strömungswider- AP für Leerlauf- und Nenndrehzahl bei offener und
standverlaufes wie in . Abb. 7.416 dargestellt zeigen geschlossener Heizung im Kühlmittelpumpenkennfeld
die einzelnen Kühlkreislaufkomponenten wie zum dargestellt.
Beispiel Motor, Kühler, Heizung, Thermostat, Ölwär- Die Auslegung der Kühlmittelpumpe erfolgt üb-
metauscher usw. licherweise für einen vom Motorproduzenten vorge-
Das Ansteigen des Kühlkreislaufwiderstandes gebenen Auslegungspunkt (Pumpendifferenzdruck
nach . Abb. 7.416 bei kleinen Volumenströmen bezie- beziehungsweise Förderhöhe und Volumenstrom)
hungsweise Drehzahlen ist dafür verantwortlich, dass bei Pumpennenndrehzahl oder einer anderen Pum-
388 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.417 Kühlkreislaufwider-
1 stände und Arbeitspunkte im Kühl-
mittelpumpenkennfeld

2
3
4
5
6
7 pendrehzahl zwischen Leerlauf- und Abregeldrehzahl
und für einen bestimmten Kühlkreislaufzustand, zum
werden Kavitationsuntersuchungen beim Kühlmittel-
pumpenhersteller zumindest für den Auslegungspunkt
Beispiel Thermostat offen, Heizung geschlossen. Dieser bei Auslegungsdrehzahl auf einem dafür ausgelegten
8 Auslegungspunkt sollte mit dem aus dem Betrieb der Kühlmittelpumpenprüfstand durchgeführt. Dabei wird
Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf resultierenden Ar- der Druck an der Pumpensaugseite so weit abgesenkt,
beitspunkt übereinstimmen. Mit einem abweichenden bis ein bestimmter, zum Beispiel 3-%iger, Förderhö-
9 Arbeitspunkt werden andere Kühlkreislaufvolumen- henabfall erreicht wird.
ströme und damit zu große oder zu kleine Teilvolu- Aus dem dabei ermittelten Saugdruck und den
10 menströme über die Kreislaufelemente gefördert als
im Auslegungspunkt der Kühlmittelpumpe festgelegt
bei den Prüftstandsuntersuchungen vorherrschenden
Messbedingungen (Strömungsmitteltemperatur und
wurde, was nachteilige Auswirkungen auf Wärme- -zusammensetzung) wird der sogenannte NPSH(net
11 transport und Wärmeabfuhr sowie auf die Druckbe- positiv suction head)-Wert berechnet:
lastung der Kühlkreislaufelemente haben kann.
pS 97 % − pDampf c2
12 NPSH97 % =
g
+ S :
2g 
(7.34)

7.24.5 Kavitation Da dieser NPSH-Wert wie die Förderhöhe strömungs-


13 mittelzusammensetzungs- und strömungsmitteltem-
Kavitation wird das Entstehen und Zerfallen von peraturunabhängig ist, kann aus ihm für einen zu
Dampfblasen in strömenden Flüssigkeiten genannt. betrachtenden Betriebszustand des Kühlkreislaufes,
14 Kavitationserscheinungen treten auf, wenn an einer (zum Beispiel 40 % Frostschutzmittelanteil, Kühl-
Stelle des Kühlkreislaufes der Druck des Kühlmittels mitteltemperatur an der Pumpensaugseite = 108 °C,
15 den Dampfdruck unterschreitet. Besonders kavitati-
onsgefährdet ist wegen ihres niedrigen Druckniveaus
Heizung geschlossen), der erforderliche Druck an der
Pumpensaugseite und gegebenenfalls der erforderli-
die Saugseite der Kühlmittelpumpe. Abhängig von der che Druck im Ausgleichbehälter beziehungsweise seine
16 Größe der Dampfdruckunterschreitung verringert Anschlussstelle im Kühlkreislauf zur Kavitationsver-
sich die Förderhöhe der Kühlmittelpumpe und damit meidung berechnet werden:
der Kühlkreislaufvolumenstrom. Außerdem kann es
17 wegen des schlagartigen Zerfallens der Dampfblasen cS2
pS stat erf = .NPSH    g/ + pDampf −  : (7.35)
in Bereichen höherer Drücke zum Beispiel im Spiral- 2 
18 kanal oder im Motorblock zu einem Materialabtrag
kommen. Die Druckabsenkungen treten örtlich an Zu beachten ist, dass bei Betrieb der Kühlmittelpumpe
scharfen Kanten und Umlenkungen sowie bei Eintritt im Kühlkreislauf Kavitationserscheinungen nicht nur
19 in den Schaufelkanal bei hohen Strömungsgeschwin- bei sehr hohen Kühlmitteltemperaturen, sondern auch
digkeiten (also hohen Kühlmittelvolumenströmen bei im mittleren Temperaturbereich wegen des meist ho-
20 großen Pumpendrehzahlen) auf. Wegen der schwie-
rigen Berechnung und Messung dieser punktuellen
hen Druckabfalls am Bypassthermostatteller und dem
bei diesem Motorbetriebszustand noch sehr niedrigen
Druckabsenkungen im rotierenden Schaufelkanal Druck im Ausgleichbehälter auftreten können.
7.24 • Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren
389 7

..Abb. 7.418  Kavitationskennfeld einer Kühlmittel-


pumpe

Um auch bei vom Pumpenauslegungspunkt abwei-


chenden Drehzahlen und Volumenströmen Aussagen
über das Kavitationsverhalten der Kühlmittelpumpe
zu erhalten, kann ein Kavitationskennfeld ermittelt
werden. Der Kavitationswert NPSH erhöht sich dabei
mit steigender Pumpendrehzahl und steigendem Vo-
lumenstrom (. Abb. 7.418). ..Abb. 7.419  Druckverteilung an benetzten Oberflä-
chen

7.24.6 Strömungssimulation,
Strömungsanalyse,
Festigkeitsnachweis
und Optimierung

Die Entwicklung von effizienten Kühlmittelpumpen


bedarf genauer Kenntnis der physikalischen Zusam-
menhänge der das System beschreibenden Variablen.
Dabei sind besonderes Augenmerk auf die Geschwin-
digkeits- und Druckverteilungen zu legen. Während
für den einfachen Entwurf niedrig dimensionierte The-
orien wie zum Beispiel die des Stromfadens oder der
schaufelkongruenten Strömung ausreichend sind, wer-
den für Optimierungen der Pumpen die mittlerweile
weitverbreiteten kommerziellen Berechnungspakete
eingesetzt, in denen dreidimensionale und instationäre
physikalische Vorgänge modelliert werden. Ohne an
dieser Stelle in grundlegende Theorien der Kontinu-
umsmechanik eindringen zu wollen, sind die Möglich-
keiten der Berechnungen von kavitierenden Strömun-
..Abb. 7.420  Geschwindigkeitsvektoren in einer
gen ebenso wie die Simulation der Turbulenzen mit
Schnittebene
zahlreichen Modellen hinterlegt. Dem Entwicklungs-
ingenieur obliegt dann die Aufgabe, anhand der Ergeb-
nisse, wie zum Beispiel dem Druckfeld (. Abb. 7.419) nicht gewollte Kavitationsentstehung beschränkt. Die
oder dem Geschwindigkeitsfeld (. Abb. 7.420), Ände- dabei vorliegenden Druckgebiete, die den Dampfdruck
rungsforderungen an der Geometrie der Pumpenbau- lokal unterschreiten, führen oft zur Bauteilschädigung
teile zu formulieren und umzusetzen. und letztlich zum Ausfall der Kühlmittelpumpen. In
Von zentraler Bedeutung sind die Schaufeln der den Leiteinrichtungen, die bei Kühlmittelpumpen oft
Flügelräder, mit denen die Leistungsübertragung auf aus unbeschaufelten Spiralgeometrien geformt sind
die Flüssigkeit sichergestellt werden muss. Andererseits (siehe ▶ Abschn. 7.24.2), ist speziell an der Abrisskante
ist aber durch die Beschleunigung der Flüssigkeit im (Spiralkanalzunge) auf eine saubere Anströmung zu
Umfeld der Schaufel die Übertragungsfähigkeit durch achten. Der Druckverlauf in der Spiralgeometrie ent-
390 Kapitel 7 • Motorkomponenten

..Abb. 7.421 Festig-
1 keitssimulation

2
3
4
5
6
7 scheidet maßgeblich über die Ausnutzung der Wir- Erreichen der Betriebstemperatur abgeschaltet werden.
kungsgradpotenziale der Pumpen. Die numerischen Wegen der kühlmittelseitigen Sättigung von Heizung
8 Berechnungen der Strömungen, die geschuldet der ein- und Kühler wird der Kühlmittelvolumenstrom im
gesetzten Computertechnologie entsprechend genaue oberen Motordrehzahlbereich begrenzt, wodurch sich
Ergebnisse liefert, zeigen ihren Vorteil in den Visua- nach . Abb. 7.415 eine wesentliche Pumpenantriebs-
9 lisierungsmöglichkeiten der internen Strömungsvor- leistungseinsparung realisieren lässt. Mit Abregelung
gänge, wie sie keineswegs mit vergleichbarem Aufwand des Kühlmittelvolumenstromes im oberen Motordreh-
10 experimentell ermittelt werden könnten.
Der Festigkeitsnachweis (. Abb.  7.421) erfolgt
zahlbereich kann außerdem eine wesentliche Verrin-
gerung der Bauteileingangsdrücke, zum Beispiel von
über die Ermittlung von Schwachstellen auf Basis der Heizung und Kühler, erreicht werden.
11 Krafteinleitung an der Riemenscheibe mittels Festkör- Die positiven Effekte einer Volumenstromvari-
persimulationen (FEM – Finite-Elemente-Methode). abilität im Rahmen des Thermomanagements ohne
Die berechneten kritischen Belastungen am Gehäuse wesentliche Änderungen am Motor beziehungsweise
12 müssen durch Versteifungen (Rippen und Stege) kom- am Kühlkreislauf lassen sich weitgehend durch kos-
pensiert werden. tengünstige mechanisch angetriebene Pumpen mit
13 Die Optimierung umfasst die Anpassung des Ge- Abschaltfunktion herbeiführen.
häusekonstrukts an die durch FEM-Analysen ermittel- Insbesondere in der Kaltstartphase ermöglicht die
ten Belastungen und die anschließende Wiederholung Abschaltung des Kühlmittelvolumenstroms eine deut-
14 der Analysen. lich schnellere Motorerwärmung. Hieraus resultiert ein
geringerer Kraftstoffverbrauch und reduzierte Emis-
15 7.24.7 Schaltbare, regelbare und
sionen. Die mögliche Kraftstoffeinsparung im NEFZ
(neuer europäischer Fahrzyklus) infolge der Volumen-
elektrische Kühlmittelpumpen stromabschaltung liegt nach Herstellerangaben im Be-
16 reich zwischen 0,5…3 %.
Mit Verwendung von drehzahlgeregelten Kühlmittel- Zur Abschaltung des Volumenstroms sind ver-
pumpen kann die Forderung nach motordrehzahlun- schiedene Lösungen bekannt geworden, aus denen sich

--
17 abhängigen Kühlmittelvolumenströmen erreicht wer- vorwiegend folgende Konzepte ableiten:
den. Dadurch lassen sich niedrige Volumenströme im Wegeventile in Reihenschaltung zur Pumpe,
18 Motorteillastbereich zur Erhöhung der Kühlmittel- und Kühlmittelpumpen mit schaltbarer Magnetkupp-

19
Öltemperaturen für eine Motorreibleistungsvermin-
derung sowie hohe Volumenströme ab Motorleerlauf
zur Heizungsunterstützung, bei großem Wärmeeintrag
ins Kühlsystem nach Volllastfahrt und bei hohen Mo-
- lung,
Kühlmittelpumpen mit integriertem Spaltring-
schieber (. Abb. 7.422 und 7.423).

20 tordrehmomenten im unteren Motordrehzahlbereich


realisieren. Außerdem kann die Kühlmittelpumpe
Der Spaltringschieber als Regelglied für Kreiselpum-
pen wurde bereits von Pfleiderer eingehend untersucht.
während der Motorwarmlaufphase zum schnelleren Es handelt sich um einen flügelradkonzentrischen
7.24 • Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren
391 7

..Abb. 7.423  Elektrohydraulisch regelbare mechani-


sche Kühlmittelpumpe der Firma GPM
..Abb. 7.422  Pneumatisch schaltbare mechanische

- Die Pumpenantriebsleistung kann im Off-Zu-

-
Kühlmittelpumpe der Firma GPM
stand erheblich reduziert werden (. Abb. 7.427).
Ringschieber, der durch eine geeignete Aktuatorik Insbesondere im Vergleich zu Kupplungspumpen
axial über das Flügelrad geschoben werden kann. Die lässt sich die Schieberpumpe sehr kostengünstig
Betätigung kann mittels eines externen Unterdruckak-
tuators (. Abb. 7.422) oder auch direkt mit Hydraulik-
druck (. Abb. 7.423) erfolgen.
Die elektrohydraulische Betätigung des Ringschie-
- darstellen.
Die Motorkühlung als Fail-safe-Funktion ist
durch Federrückstellung gewährleistet.

bers (. Abb. 7.423) erfolgt durch einen pumpeninter- Neben einer reinen On/Off-Schaltung können die
nen Hydraulikkreislauf. Dabei wird eine Axialkolben- in den . Abb. 7.422 und 7.423 dargestellten mecha-
pumpe über eine an der Flügelradrückseite liegende nischen Kühlmittelpumpen mit Spaltringschieber
Hubkontur angetrieben. Ein Magnetventil schließt durch genaue Positionierung des Schiebers entlang
den Hydraulikkreislauf und der Regelschieber wird der Flügelradbreite den Volumenstrom stufenlos
durch den sich aufbauenden Druck über das Flügel- über den gesamten Drehzahlbereich abregeln. Da-
rad geschoben. Bei Öffnen des Magnetventiles fällt der mit ergeben sich wesentliche Vorteile im Kühlkreis-
Hydraulikdruck ab und der Regelschieber wird durch
die Rückstellfeder in seine Ausgangsposition zurück-
gefahren. Mit der Rückstellfeder wird gleichzeitig die -
laufbetrieb:
Die Bauteileingangsdrücke von gefährdeten Bau-
teilen wie Kühler und Heizung werden begrenzt
Fail-safe-Funktion sichergestellt.
Die Kühlmittelpumpe mit Spaltringschieber weist
- (. Abb. 7.424).
Die Kavitationsneigung der Kühlmittelpumpe
im Vergleich mit anderen Regelkonzepten eine Reihe

-
von signifikanten Vorteilen auf:
Der Schieber ermöglicht im Unterschied zu
Kupplungspumpen bei laufendem Motor eine
- sinkt signifikant (. Abb. 7.425).
Weitere durch zu hohe Pumpendrücke ver-
ursachte Schäden oder Fehlfunktionen im
Kühlkreislauf werden vermieden, zum Beispiel
wirkliche Nullförderung, da auch Thermosy- das Thermostataufdrücken des Kühlerthermos-

- phonströmungen sicher unterbunden werden.


Die Schieberpumpe erfordert im Wesentlichen
nicht mehr Bauraum als eine Konstantpumpe bei
geringem Mehrgewicht.
taten bei Kurzschlussbetrieb (mit aufgedrücktem
Kühlerthermostat im Kurzschlussbetrieb wird
durch den ungewollten Kühlervolumenstrom die
Motoraufwärmphase wesentlich verlängert).
392 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
9
..Abb. 7.424  Bauteileingangsdrücke im Pkw-Kühl-
kreislauf
10 ..Abb. 7.426  Pumpenantriebsleistungen bei ungere-
gelter Pumpe und Spaltringschieberpumpe der Firma

-
GPM
11
Die Aufwärmphase des Kühlmittels und damit
des Motors kann durch Verringerung des Kühl-
12 mittelvolumenstromes im Kurzschlussbetrieb

13 - verkürzt werden.
Durch Erhöhung der Pumpenkennlinie können
im unteren Motordrehzahlbereich die Volumen-
ströme für Bauteile wie Heizung und Turbolader
14 erhöht werden. Damit werden zur Wärmeabfuhr
notwendige Kühlmittelmengen zum Beispiel für
15 ..Abb. 7.425  Erforderliche Saugdrücke zur Kavita- den Turbolader ab Leerlaufdrehzahl erreicht.
Ab mittleren Drehzahlen wird die Gesamt-
tionsvermeidung und vorhandene Saugdrücke im
menge durch Abregelung begrenzt. Außerdem

-
Pkw-Kühlkreislauf
16 kann mit Anhebung der Kühlmittelmenge im
Verringerung der notwendigen Antriebsleistung unteren Drehzahlbereich das in ▶ Abschn. 7.24.4
der Kühlmittelpumpe (. Abb. 7.426). diskutierte Problem gelöst werden, dass bei sehr
17 Es kann der tatsächlich geförderte Kühlmittel- kleinen Leerlaufdrehzahlen keine voll turbulent
volumenstrom an den Volumenstrombedarf des ausgebildete Strömung vorhanden ist und damit
18 Motors angepasst werden. Beispielsweise werden keine ausreichende Wärmeabfuhr erreicht wird
bei Konstantfahrt in der Ebene wesentlich gerin- (Kühlprobleme im Heißleerlauf).
gere Kühlmittelmengen benötigt als bei Maximal-
19 belastung des Kühlsystems. Durch Abregelung Bei Kaltstart des Motors wird zur schnellen Erwär-
des Kühlmittelvolumenstromes in diesem häufig mung des Kühlmittels und damit des Motors zuneh-
20 auftretenden Betriebszustand ergeben sich mit der
daraus resultierenden geringeren Pumpenantriebs-
mend eine Nullförderung, das heißt stehendes Kühl-
mittel, gefordert. Gleichzeitig sollen zur Verminderung
leistung nachweisbare Kraftstoffeinsparungen. der Reib- beziehungsweise Verlustleistung die Nebe-
7.24 • Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren
393 7

..Abb. 7.428  Elektrische Hauptwasserpumpe der


Firma NIDEC GPM GmbH

..Abb. 7.427  Vergleich der Pumpenantriebsleistung


bei Spaltringschieberdrosselung und Ventildrosselung

naggregate wie die Kühlmittelpumpe bereits ab Leer-


laufdrehzahl kleine Antriebsleistungen aufweisen. Die
Abschaltung des Kühlmittelvolumenstromes mit der
Spaltringschieberpumpe (. Abb. 7.422 und 7.423) er-
gibt gegenüber anderen Abschaltmöglichkeiten, zum
Beispiel mittels Ventil am Pumpenausgang, erheblich
geringere Antriebsleistungen (. Abb. 7.427).
Die Anforderungen nach stufenlos regelbaren
Kühlkreislaufvolumenströmen können mit elektri-
schen Kühlmittelpumpen erfüllt werden. . Abb. 7.428 ..Abb. 7.429  Parallelsystem aus elektrischer und
zeigt eine elektrische Hauptwasserpumpe mit Kühlmit- mechanischer, schaltbarer Kühlmittelpumpe der Firma
telverteilfunktion. GPM
Seit Einführung der elektrischen Hauptwasser-
pumpe in 2004 hat das damals eingeführte Konzept des wendung der neuesten Generation des Radialwellen-
elektrischen Nassläufers viele Nachahmer gefunden. dichtrings kann die dynamische Dichtstelle über die
Kennzeichnend für den Nassläufer ist der Entfall einer gesamte Lebensdauer sicher und reibungsarm abge-
dynamischen Wellendichtung, der Rotor des Elektro- dichtet werden.
motors rotiert im Medium. Die Trennung zwischen Der elektrische Trockenläufer ermöglicht eine
Kühlmittelraum und Atmosphäre wird durch den soge- sehr kompakte Bauform der elektrischen Hauptwas-
nannten Spalttopf ausgeführt, der im Luftspalt zwischen serpumpe und kommt dadurch vielen beengten Ein-
Rotor und Stator angeordnet ist. Der Spalttopf zieht je- bausituationen entgegen.
doch eine Vergrößerung des Luftspalts nach sich, die Elektrische Hauptwasserpumpen wurden bisher
daraus resultierende Feldschwächung muss durch eine nur in einzelnen Motorbaureihen appliziert. Einer wei-
Vergrößerung des Magnetkreises kompensiert werden. teren Verbreitung stehen die begrenzte Verfügbarkeit
Aus diesem Grund baut ein Nassläufermotor prin- von elektrischer Leistung innerhalb von 12-V-Bord-
zipiell größer und schwerer als ein Trockenläufermo- netzen entgegen, insbesondere aber auch die hohen
tor. Weitere Nachteile des Nassläuferprinzips ergeben Systemkosten für elektronische Gleichstrommotoren.
sich aus der Mediumflutung des Rotorraums; die Folge Außerdem setzt die Verwendung einer elektrischen
sind erhöhte Panschverluste, Sensitivität gegenüber Hauptwasserpumpe umfangreiche Änderungen am
Partikeln im Luftspalt und in den mediengeschmier- Kühlkreislaufaufbau voraus.
ten Gleitlagerspalten sowie eine erhöhte Anfälligkeit Die jeweiligen Vorteile der elektrischen Kühlmit-
gegenüber motorinduzierter Schwingungsanregung. telpumpe und der schaltbaren mechanischen Pumpe
Eine Option zum Nassläufer stellt der sogenannte vereint das Parallelpumpensystem in . Abb.  7.429.
Trockenläufer mit Wellendichtung dar. Durch An- Hierbei ist eine elektrische Sekundärpumpe parallel
394 Kapitel 7 • Motorkomponenten

zu der mechanischen, schaltbaren Hauptkühlmittel- PAn = Antriebsleistung [W]


1 pumpe (Primärpumpe) angeordnet. Unerwünschte pD = örtlicher Druck an der Pumpendruck-
Rückströmungen werden durch Absperrung des Elek- seite [N/m2]
2 tropumpenkreises vermieden.
Das Parallelpumpensystem ermöglicht die anfor-
pDampf = Dampfdruck des Strömungsmittels
[N/m2]
derungsgerechte Kühlmittelversorgung für Fahrzeuge PNutz = Nutzleistung [W]
3 mit Hybridantrieb, Start-Stopp-System und Verbren- ps = örtlicher Druck an der Pumpensaug-
nungsmotor. Dabei werden vielfältige Betriebsmodi seite [N/m2]
wie Kühlmittelnullförderung bei Motorkaltstart, Küh- pS 97 % = statischer Druck an der Pumpensaug-
4 lung der Elektromaschine und der Leistungselektronik seite bei 3%igem Förderhöhenabfall [N/
bei Hybridmotoren und Begrenzung des Volumen- m2]
5 stromes während des Verbrennungsmotorenbetriebes pS stat erf = erforderlicher statischer Druck an der
während der Motoraufheizphase oder bei höheren Mo- Pumpensaugseite zur Kavitationsver-
torlasten und Drehzahlen zur Begrenzung der Bauteil- meidung [N/m2]
6 druckbelastung und der Antriebsleistung mittels der RKKL = Kühlkreislaufgesamtwiderstand [m−4]
Spaltregelpumpe darstellbar. Bei geringen Motorlasten VP = Volumenstrom [m3/s]
7 und damit kleinen erforderlichen Kühlmittelmengen
erfolgt ein reiner Kühlkreislaufbetrieb mittels der elek-
∆pges = Gesamtdruckdifferenz nach Bernoulli
[N/m2]
trischen Sekundärpumpe. ρ = Strömungsmitteldichte [kg/m3]
8 Außerdem kann die elektrische Sekundärpumpe η = Wirkungsgrad [–]
als Nachlaufpumpe genutzt werden. Nach Abstellen VP = kinematische Zähigkeit [m2/s]
des Verbrennungsmotors kann es zu einem hohen
9 Wärmeeintrag in das Kühlsystem kommen (Nachhei-
zen), wodurch ein Kühlmittelauswurf über den Aus- 7.25 Steuerorgane
des Zweitaktmotors
10 gleichbehälter oder eine Schädigung des Turboladers
erfolgt. Bisher verwendete Nachlaufpumpen erreichen
oftmals nur unzureichende Kühlmittelvolumenströme, Das charakteristische Kennzeichen des Zweitaktprin-
11 da wegen ihrer Anordnung in einem Kühlkreislauf- zips ist es, dass im Gegensatz zum Viertaktmotor pro
zweig (zum Beispiel im Turboladervorlauf) Rück- Umdrehung der Kurbelwelle ein vollständiger Ar-
strömungen, partiell stehendes Kühlmittel und un- beitszyklus durchlaufen wird und dass das Entfernen
12 erwünschte Bauteilvolumenströme auftreten. Es wird der verbrannten Ladung aus dem Zylinder und das
zum Beispiel die stehende Hauptpumpe durchflossen, Einführen des Frischgases beziehungsweise der Ver-
13 was mit dem Parallelpumpensystem vermieden wird. brennungsluft in den Zylinder (Spülvorgang) in Kur-
belwinkelbereichen um den unteren Totpunkt (UT)
Kurzzeichenverzeichnis ablaufen. Hierbei besteht die Forderung, dass durch
14 cD = Strömungsgeschwindigkeit an der Pum- eine zweckmäßige Gestaltung der Ladungswechselor-
pendruckseite [m/s] gane der Spülvorgang bei minimaler Vermischung von
15 cS = Strömungsgeschwindigkeit an der Pum-
pensaugseite [m/s]
Frischgas und Abgas (hohe Spülwirkungsgrade) mit
niedrigem erforderlichem Spüldruckgefälle (niedrige
g = Erdbeschleunigung [m/s2] Ladungswechselarbeit) in einem möglichst kleinen
16 H = Förderhöhe [m] Kurbelwinkelbereich um UT (geringe Begrenzung des
hD = geodätische Höhe der Pumpendruck- Zylindernutzhubes) abläuft. Für den Ladungswechsel
seite [m] von Zweitaktmotoren stehen eine Reihe verschiede-
17 hS = geodätische Höhe der Pumpensaug- ner, in ▶ Abschn. 10.3 näher erläuterter Spülverfah-
seite [m] ren zur Auswahl (siehe hierzu auch [166] und [167]),
18 Md = Drehmoment [Nm] durch deren Einsatz sich gegenüber Viertaktmotoren
n = Drehzahl [s−1] wesentliche Unterschiede in der Gestaltung der Trieb-
NPSH = Net positiv suction head – absolute werkskomponenten ergeben. Da der Arbeitsprozess
19 Energiehöhe abzüglich der Verdamp- des Zweitaktmotors mit Kurbelwellendrehfrequenz
fungsdruckhöhe abläuft, ist im Gegensatz zum Viertaktmotor die Steu-
20 = Netto-Energiehöhe [m]
NPSH97 % = NPSH-Wert bei 3%igem Förderhöhen-
erung der Gasströme durch den Kolben möglich.
Bei der insbesondere bei Kleinmotoren und Schnell-
abfall [m] läufern eingesetzten, in . Abb. 7.430 dargestellten Um-
7.25  •  Steuerorgane des Zweitaktmotors
395 7

kante in den Ecken ausgerundet und die Übergänge


von Zylinder- und Kanalwandung mit Radien verse-
hen. Eine Drehung der Kolbenringe in den Ringnuten
des Kolbens verbunden mit der Gefahr des Einfederns
der Ringenden in die Schlitze des Zylinders wird – so-
fern notwendig – durch in den Ringnuten eingepresste
Stifte verhindert.
Die doppelte Zündfrequenz, vor allem jedoch die
Steuerung des Frischgasstromes und besonders des
Abgasstroms durch den Kolben, führt bei schlitzge-
steuerten Zweitaktmotoren, wie in [169] dargelegt, ge-
genüber vergleichbaren Viertaktmotoren zu einer gra-
vierend höheren thermischen Belastung von Zylinder
und Kolben, die als wesentliche Ursache für eine viel-
fach vorliegende begrenzte Standfestigkeit von Hoch-
leistungszweitaktmotoren anzusehen ist. Erschwerend
wirkt dabei, dass bei Führung des Frischgases durch
die Kurbelkammer (Kurbelkammerspülpumpe) eine
effektive Kühlung des Kolbens durch Spritzöl – wie
bei Viertaktmotoren höherer Leistung üblich – sich
weitgehend ausschließt. Eine Verringerung der thermi-
..Abb. 7.430  Schnittdarstellung eines modernen schen Belastung von Kolben, Kolbenringen und Bol-
Zweitaktottomotors mit Umkehrspülung, Kurbelkam- zenlagerung wird unter anderem durch die folgenden
merspülpumpe, Einlasssystemlamellenventilen und Maßnahmen erreicht: Begrenzung der Einzelzylinder-
Flachschieberauslasssteuerung volumina, sorgfältige Auslegung der Zylinderkühlung
(möglichst Flüssigkeitskühlung) insbesondere im Be-
kehrspülung steuert der Kolben sowohl das Abströmen reich der Auslassschlitze, konstruktive Minimierung
des Abgases aus dem Zylinder über den/(die) Auslass- von Zylinderverzügen, die eine Wärmeabfuhr vom
schlitz/(e) als auch das Zuströmen des Frischgases über Kolben über die Kolbenringe an den Zylinder erschwe-
die Spülschlitze und bei Verwendung der Kurbelkam- ren, Wahl von Steuerzeiten, die ein zusätzliches Aufhei-
merspülpumpe zusätzlich den Zutritt des Frischgases zen von Kolben und Frischgas durch das Rückblasen
in die Kurbelkammer. Durch die Anordnung von Aus- von Abgas in die Spülschlitze verhindern, Wahl eines
puff-, Einlass- und Spül- beziehungsweise Überstrom- Spülverfahrens welches einen großflächigen Kontakt
kanälen am Zylinder, die als Schlitze die Zylinderwand des aus dem Zylinder abströmenden Abgases mit der
durchbrechen, ergeben sich für die Triebwerke von Kolbenoberfläche vermeidet.
Zweitaktmotoren verschiedene im Folgenden genannte Bei modernen Umkehrspülzylindern für schnell-
Besonderheiten. Die Schlitze in der Zylinderwandung laufende Zweitaktmotoren wird das Frischgas über im
erschweren eine definierte Schmierung der tribologi- Allgemeinen vier bis sieben spiegelsymmetrisch zum
schen Paarung von Kolben und Zylinder, so dass zur Auslasskanal angeordnete Spül- beziehungsweise Über-
Gewährleistung einer ausreichenden Schmierung und strömkanäle unter einem flachen Winkel in Richtung
zur Vermeidung unzulässig hoher Ölverbräuche der der dem Auslassschlitz gegenüberliegende Zylinder-
Wahl der Laufpaarung in Hinblick auf einen minimalen wand gespült. Hierdurch bildet sich an der Zylinder-
Schmierölbedarf sowie einer dosierten Schmierölzufuhr wandung ein aufsteigender Frischgasstrom, der im Be-
und/oder einer ausreichenden Ölabstreifwirkung der reich des Zylinderkopfes seine Richtung umkehrt und
Kolbenringe eine wesentliche konstruktive Beachtung das Abgas aus dem Zylinder drängt. Die seitlich am Zy-
geschenkt werden muss. Um ein unzulässiges Einfe- linder angeordneten, sich in Strömungsrichtung leicht
dern der Kolbenringe in die Auslass-, Spül- und Ein- verjüngenden Überströmkanäle bedingen bei entspre-
lassschlitze zu verhindern, müssen wie in [167] und chenden Mehrzylindermotoren, gegenüber vergleich-
[168] ausführlich dargelegt, maximale Schlitzbreiten baren Viertaktmotoren, wesentlich größere Zylinderab-
(ausgedrückt als Verhältnis zwischen Schlitzbreite und stände. Die durch die Ladungswechselkanäle bedingten
Zylinderdurchmesser) eingehalten werden. Steifigkeitssprünge in der Geometrie des Zylinders, der
Außerdem werden die in ihrer Grundform zumeist indirektere Kraftfluss zwischen Zylinderkopf und Kur-
eckig ausgelegten Schlitze an Schlitzober- und Unter- belwelle und die hohe, durch die Auslassschlitze be-
396 Kapitel 7 • Motorkomponenten

1
2
3
4
5
6
7
8
9
..Abb. 7.431  Längs- und Querschnitt durch einen gleichstromgespülten Vierzylinder-Zweitaktdieselmotor
10 Firma Krupp [170]

11 dingte asymmetrische thermische Belastung von Kolben lumen, wie in . Abb. 7.431 exemplarisch dargestellt,
und Zylinder, macht eine sehr sorgfältige Gestaltung des vielfach an den Außendurchmesser der Laufbüchse
Triebwerks und der Triebwerkskühlung erforderlich. Es angrenzt (siehe hierzu auch [170]).
12 sei angemerkt, dass insbesondere bei modernen Zwei- Die Forderung, dass die Spülschlitze in der OT-
taktottomotoren zur Erhöhung der Frischgasfüllung, Position durch den Kolbenschaft abgedeckt werden
13 zur Beeinflussung der Gemischbildung und zur Vermei- müssen, bedingen insbesondere bei langhubigen Mo-
dung von negativen Einflüssen der Gasschwingungen in toren lange Kolben und vergleichsweise große Gesamt-
Ansaug- und Abgastrakt je nach vorliegendem Konzept bauhöhen des Motors. Im Vergleich zur Umkehrspü-
14 teilweise Einlassdrehschieber, Lamellenventile (Reed- lung ergeben sich bei der Gleichstromspülung mit
valves), Nebenschluss-Lamellensteuerungen, Schwing- Auslassventilen etwas geringere und symmetrischere
15 kammern und auf der Auslassseite Steuerschieber bezie-
hungsweise Steuerwalzen eingesetzt werden. Hierdurch
thermische Belastungen von Kolben und Zylinder.
Demgegenüber werden wegen der im Vergleich zu
erhöht sich der Komplexitätsgrad der Triebwerkskonst- Viertaktmotoren verdoppelten Betätigungsfrequenz
16 ruktion unter Umständen erheblich. der Auslassventile und der hohen thermischen Belas-
Bei der Gleichstromspülung mit Auslassventi- tung des Zylinderkopfes bei schnelllaufenden Motoren
len, die insbesondere bei Dieselmotoren eingesetzt an die Auslegung der Zylinderkopfkühlung und der
17 wird, tritt das Frischgas über vom Kolben gesteuerte Ventiltriebskinematik hohe Anforderungen gestellt.
Spülschlitze in den Zylinder ein, während das Abgas Bei der bei Schnellläufern vielfach gewählten Bauart
18 über zumeist mehrere im Zylinderkopf angeordnete, mit vier Auslassventilen besteht die entwicklerische
mit Kurbelwellendrehfrequenz angesteuerte Ventile Zielsetzung, eine gedrungene Kanalkontur zu ver-
abströmt. Zur Erzeugung guter Spülwirkungsgrade wirklichen (geringe zu kühlende Kanaloberfläche,
19 müssen die Einlasskanäle beziehungsweise -schlitze, geringe Abgaswärmeverluste bei Ankoppelung eines
abgesehen von einer leicht tangentialen Orientierung Abgasturboladers), bei der sich die Abgasströme der
20 zur Unterstützung der Gemischbildung, im Allgemei-
nen keine besondere Richtwirkung ausüben, so dass
einzelnen Ventile so wenig wie möglich behindern.
Daneben muss insbesondere der Bereich um die Ein-
das den Spülschlitzen vorgeschaltete Luftsammlervo- spritzdüse zur Vermeidung von Verkokungsproblemen
Literatur
397 7

..Abb. 7.432  Längs- und Querschnitt durch den gleichstromgespülten Pkw-Zweitaktdieselmotor der AVL [171]

geringer Ladungswechselarbeit zu ermöglichen, muss


ein geeignetes Ventiltriebskonzept gewählt und eine
optimale Ventiltriebskinematik mit einem minimalen
Druckverlust bei Durchströmung verwirklicht werden.
. Abb.  7.432 zeigt beispielhaft die Lösung bei
einem 1,0-Liter-Zweitaktdieselmotorenkonzept der
Firma AVL. Bei diesem Motor werden je vier Aus-
lassventile pro Zylinder mittels Rollenschlepphebeln
von zwei obenliegenden Nockenwellen betätigt. In
. Abb. 7.433 ist die Illustration einer hierzu alterna-
tiven Auslasskanalführung dargestellt.

Literatur

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404 Kapitel 7 • Motorkomponenten

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405 8

Motoren
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer, Andreas Bilek, Dr.-Ing. Tim Gegg

8.1 Motorkonzepte – 406
8.1.1 Motorbauarten – 407
8.1.2 Unterscheidungsmerkmale von Motorkonzepten
bezüglich des Grundmotors  –  410
8.1.3 Weitere Konzeptkriterien – 412
8.1.4 Konzepte der Anordnung des Aggregates im Fahrzeug  –  413

8.2 Aktuelle Motoren – 414


8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren – 433
8.3.1 Motorräder für die Straße (On road)  –  433
8.3.2 Motorräder für das Gelände (Off road)  –  449
8.3.3 Gesetzgebung – 457
8.3.4 Rennmotoren – 469
8.3.5 Sonderanwendungen – 476

8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor – 483
8.4.1 Historie – 483
8.4.2 Generelle Funktionsweise eines Kreiskolbenmotors  –  485
8.4.3 Das Viertaktprinzip – 486
8.4.4 Der Kreiskolbenmotor des Pkws Renesis  –  486
8.4.5 Der Wasserstoff-Kreiskolbenmotor – 489

8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte


Arbeitsgeräte – 490
8.5.1 Abgasgesetzgebung – 491
8.5.2 Maßnahmen zur Reduzierung der Abgasemissionen  –  492
8.5.3 Gemischbildung und Motormanagement  –  495

Literatur – 497

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_8
406 Kapitel 8 • Motoren

8.1 Motorkonzepte gegeben. Dabei hat sich das Hubkolbentriebwerk als


1 überlegen erwiesen, wobei die Betrachtung immer als
Das Motorkonzept wird von vielen Faktoren beein- Integral über alle wichtigen Eigenschaften gesehen
2 flusst, die oft nicht frei wählbar sind, so zum Beispiel
Arbeitsverfahren (Zweitakt – Viertakt), Arbeitsprozess
werden muss. Zum Beispiel bieten Motoren mit äuße-
rer Verbrennung bei dem Teilaspekt Thermodynamik
(Diesel – Otto), Kühlungsart (Wasser – Luft), Leis- sicherlich Vorteile, andere Aspekte wie zum Beispiel
3 tungsabstufung, Zahl und Anordnung der Zylinder, Bauraum sind daher negativ zu bewerten.
Triebwerkskonfiguration, Kurbelgehäusebauart, Steu- Die Arbeitsspielfrequenz bestimmt über die Takt-
erungsart, Aufladung unter anderem mehr. zahl die Leistungsdichte der Motoren; ein Zweitaktmo-
4 Wichtigstes Kriterium für einen Motor ist sein tor leistet – zumindest theoretisch – das Doppelte eines
Verwendungszweck, . Abb. 8.1. Danach richten sich Viertaktmotors, da er bei jeder Kurbelwellenumdre-
5 die Bedingungen, unter denen bestimmte Anforderun- hung einen Arbeitshub hat. Dass dies in Praxis nicht
gen erbracht werden müssen. so ist liegt an der geringeren spezifischen Arbeit (Spül-
Mit den Gesetzmäßigkeiten der Ähnlichkeitsme- verluste), die ein Zweitaktmotor verrichtet.
6 chanik kann man zeigen, dass die einzelnen Faktoren Man kann prinzipiell unterscheiden zwischen Ein-
der Leistungsgleichung und Mehrwellentriebwerken, wobei die Mehrwellen-
7  n
triebwerke hier nicht behandelt werden. Pkw-Motoren
werden ausschließlich als Einwellentriebwerke darge-
P = z   d 2  s  we   (8.1)
4 i stellt.
8 Die Entwicklungs- und Optimierungsziele in der
nicht unabhängig voneinander sind. Es sind Motorenentwicklung für Pkw-Motoren sind im We-
beispielweise nicht nur Leistung, Hubvolumen und sentlichen gekennzeichnet durch die Forderungen

--
9 Drehzahl miteinander verknüpft, sondern auch Ar- nach:
beitsverfahren, Verbrennungsverfahren, Kühlungsart Verbesserung der Fahrleistung,
10 etc. Große absolute Leistungen lassen sich nur mit gro- Minimierung des Kraftstoffverbrauchs und damit
ßen Zylinderabmessungen (Bohrung, Hub) darstellen,
hohe spezifische Leistungen (Leistung/Arbeitsraum;
- der CO2-Emission,
Erfüllen der Normen für Abgasqualität zum

--
11 Leistung/Motormasse) hingegen über Arbeitsspielfre- Beispiel EU4, EU5, ULEV,
quenz und hohe spezifische Arbeit. Verbesserung des Komforts und der Akustik,
Mit steigender Drehzahl nehmen jedoch die Pro- Kostenminimierung.
12 bleme zu. Die Wirkungen der zu beschleunigenden
Massen sind schwerer zu beherrschen, ebenso die Das setzt die Entwicklung von Baugruppen, Systemen
13 thermischen Beanspruchungen, der Ladungswechsel und Modulen voraus, mit denen die oben genannten,
und die Einbringung von Kraftstoff. Daher sind der teilweise gegenläufigen Forderungen, erfüllt werden
Drehzahl als Mittel der Leistungssteigerung zumindest können. Die aus der Zieldefinition herzuleitenden Ent-
14 bei großserientauglichen und kostengünstigen Pkw- wicklungsschritte müssen in den meisten Fällen einen
Motoren enge Grenzen gesetzt. Kompromiss darstellen.
15 Ähnliches gilt für das Hubvolumen des Motors.
Große Hubvolumina, entweder durch große Zylin-
Moderne Motoren für den Individualverkehr
zeichnen sich durch folgende übergreifende Merk-

16
17
dervolumina oder hohe Zylinderzahl, sind für Pkw-
Motoren ebenfalls begrenzt. Damit steigt die Motor-
masse und der benötigte Bauraum. Beides muss aber in
einem vernünftigen Verhältnis zu den auf das Fahrzeug
- --
male aus:
Dieselmotor:
Motoren mit Direkteinspritzung,
Mehrlocheinspritzdüsen und luftverteilenden

-
bezogenen Daten wie zum Beispiel Fahrzeugmasse, Verbrennungsverfahren,
zur Verfügung stehender Bauraum, stehen. Darüber Hochdruck-Einspritzsysteme mit Einspritz-
18
-
hinaus bedeuten große Einzelzylindervolumina große drücken um 2000 bar,
zu beschleunigende Kolbenmassen, was ebenfalls eine vorwiegend vier Ventile pro Zylinder mit

--
Begrenzung darstellt. Bohrungsdurchmesser zwischen zentral sitzender Einspritzdüse,
19 circa 70 und 110 mm, bei etwa quadratischem Hub-/ Lufteinlasssysteme, die Einlassdrall zeugen,
Bohrungsverhältnis decken heute den Bereich üblicher elektronische Dieselregelung mit erweitertem
20
-
Pkw-Motoren ab. Funktionsumfang,
Der konstruktive Aufbau von Motoren ist im Aluminium als Werkstoff für Zylinderkopf
Prinzip durch die Wirkungsweise des Triebwerks vor- und zunehmend auch für Zylinderblock,
8.1 • Motorkonzepte
407 8

..Abb. 8.1  Verwendungszweck von Motoren und Motorengröße (Quelle: Zima)

- Abgasnachbehandlungssysteme mit Katalysa-


- Einzelzündspulen und zylinderselektive

--
tor, NOx-Speicher, Reduktionsmittel etc. und Zündwinkelverstellung,

-
Partikelfilter, Zylinderselektive Einspritzung,
Abgasturboaufladung mit variabler Turbinen- Zylinderabschaltung bei großvolumigen und

-- -
geometrie und Ladeluftkühlung, vielzylindrischen Motoren,
gekühlte Abgasrückführung, Wärmemanagement zur Optimierung von

-
vorwiegend Vier-, Sechs- oder Achtzylinder- Kühlung und Warmlauf,
motoren, wobei Sechszylindermotoren in V- Schaltsaugrohre zur Verstellung der Rohrlän-

-
und Reihenbauweise, Achtzylindermotoren in gen im Ansaugtrakt,

- --
V-Ausführung gebaut werden, bevorzugt vier, sechs oder acht Zylinder,
Energie- und Wärmemanagement. wobei Sechszylindermotoren in V- und
Ottomotor: Reihenbauweise, Achtzylindermotoren in V-

-
Motoren mit Saugrohr- oder Direkteinspritzung, Ausführung bebaut werden,
wobei die Direkteinspritzung aus Verbrauchs- zunehmende „Hybridisierung“ des Antriebs-

-
und Leistungsgründen zunehmend sein wird, stranges wie zum Beispiel Starter-Generator,
Saugmotoren überwiegen, wobei Turbomo- elektrisch betriebene Nebenaggregate, Mico-

-
toren mit mechanischer Aufladung, über- und Mild-Hybride,
wiegend jedoch die Abgasturboaufladung Energie- und Wärmemanagement.

-
eingesetzt werden,
Turboaufladung, vor allem im Zusammen-
hang mit einem Downsizing-Konzept wird 8.1.1 Motorbauarten

-
zunehmen,
Aluminium als Werkstoff für Zylinderkopf Motoren für den Einsatz im Pkw sind Einwellentrieb-
sowie Aluminium und Magnesium für den werke. Einwellentriebwerke sind Triebwerke von Hub-

-
Zylinderblock, kolbenmotoren, die eine Kurbelwelle aufweisen. Man
variable Nockenwellenverstellsysteme bis hin kann folgende Hauptbauarten unterscheiden:

-
zur voll variablen Verstellung,
geregelter Dreiwegekatalysator mit Lambda- zz Boxermotor

-
sonden, Das ist ein Motor mit Anordnung der Zylinder in ei-
vorwiegend vier Ventile pro Zylinder, ner Ebene mit zwei einander gegenüberliegenden Zy-
408 Kapitel 8 • Motoren

linderreihen. Man kann sie auch als 180°-V-Motoren Kröpfung


1 bezeichnen, bei denen die gegenüberliegenden Kolben
und Pleuel auf eine gemeinsame oder aber jeweils auf r
2 eine eigene Kröpfung arbeiten. Unter Kröpfung ver-
steht man dabei die Folge von Kurbelwange – Hub-
zapfen – Kurbelwange. Die Zylinder benachbarter
3 Kurbelkröpfungen, . Abb. 8.2 liegen sich gegenüber. r = Kurbelradius
Kurbelwange
Sie können deshalb in Kurbelwellenrichtung näher an- Hubzapfen
einander angeordnet werden, weshalb Boxermotoren
4 kürzer bauen als Reihenmotoren gleicher Zylinderzahl. ..Abb. 8.2  Kurbelkröpfungen eines Boxermotors
Außerdem bauen sie sehr flach. Bekannte Boxermoto-
5 ren sind der luftgekühlte Zweizylinder-Motorradmotor
von BMW und der des legendären VW-Käfers sowie
Porsche-Motoren.
6 Grundsätzlich besteht die Kröpfung aus den Pleu-
ellagerzapfen und den Kurbelwangen, die durch die
7 Hauptlagerzapfen verbunden sind. Für Reihen- und
V-Motoren sind Kurbelwellen mit 1 bis 10 Kröpfungen
und Teilungen von 180°, 120°, 90°, 72°, 60°, 45°, 40°
8 und 36° üblich. Im Allgemeinen werden Kurbelwellen
nach jeder Kröpfung gelagert.
Die Pleuel können entweder durch den Kolben
9 oder durch die Kröpfung seitlich geführt werden. Im
letzteren Fall müssen dort an die Genauigkeit der An-
10 laufbunde und die Weiten der Pleuellagerzapfen hö-
here Anforderungen gestellt werden.

11 zz Einzylindermotoren
Der Einzylindermotor stellt die Grundeinheit aller
Motorkonzepte dar. Als Pkw-Antrieb ist er jedoch
12 bedeutungslos und wird nur für niedrige Leistungen
..Abb. 8.3  Luftgekühlter Einzylinder-Dieselmotor
mit kleinen Zylinderabmessungen gebaut. Als Otto-
(Hatz)
13 und Dieselmotor ist er meist luftgekühlt und dient zum
Antrieb von Arbeitsmaschinen und Stromerzeuger, als ander geneigter Zylinderreihen, deren Triebwerke auf
Ottomotor auch zum Antrieb leichter Krafträder und eine gemeinsame Kurbelwelle arbeiten – jeweils zwei
14 Motorräder. Zum Ausgleich von Massenwirkungen sich im V gegenüberliegende Kolben auf eine Kurbel-

15
und zur Vergleichmäßigung des Drehmoments sind
besondere Maßnahmen getroffen (zum Beispiel Mas-
-
kröpfung. V-Motoren haben Vorteile bezüglich:
hoher Leistungsdichte bei kompaktem Grund-

16
senausgleichsgetriebe). . Abb. 8.3 zeigt den Schnitt
durch einen Einzylindermotor.
- aufbau und guter Zugänglichkeit,
in V-Bauweise ist der benötigte Einbauraum im
Fahrzeug gering (geringe Triebwerkslänge); es
lassen sich selbst Sechszylindermotoren in Pkw

-
zz Einreihenmotor
Der Einreihenmotor (oder auch Reihenmotoren) ist die quer einbauen,
17 Standard-Ausführung. Er entsteht durch Aneinander- der Raum zwischen und unter den Motorreihen
reihen mehrerer Zylinder in Kurbelwellenrichtung. Die kann mit Motorzubehör (Einspritzpumpe, Ab-
18 Kurbelgehäuse von Reihenmotoren gestalten sich kons- gasturbolader, Filter etc.) raumsparend genutzt
truktiv einfach. Reihenmotoren sind wartungs- und re- werden, so dass eine sehr kompakte Antriebsein-

19
paraturfreundlich. Fahrzeugmotoren werden heute als
Reihenmotoren mit bis zu sechs Zylindern ausgeführt.
- heit entsteht,
Reihenmotoren größer als sechs Zylinder sind in
modernen Pkw nicht mehr einbaubar (V-Moto-
20 zz V-Motoren
V-Motoren entstehen bei der Zusammenfassung zweier
um einen bestimmten Winkel, den V-Winkel, zuein- - ren bis zu zwölf Zylinder),
schnelllaufende Hochleistungsmotoren werden
schon ab sechs Zylindern in V-Bauweise gebaut
8.1 • Motorkonzepte
409 8
gekröpfter Hubzapfen Motorabmessungen in Höhe und Breite, Nutzung des
Grundtriebwerkes für Otto- und Dieselmotor, die Zy-
linderzahl des Motors sowie die jeweils vorhandenen
Fertigungseinrichtungen.
Es gibt praktisch alle V-Winkel zwischen den Ex-
tremwerten  0° (Reihenmotor) und 180° (Boxermo-
tor), . Abb. 8.5. Kleine V-Winkel verlangen längere
Pleuel (kleinere Pleuelverhältnisse λ = r/l), um den
nötigen Freigang der Pleuel von den Zylindern zu
gewährleisten. Das ergibt höhere Kurbelgehäuse bei
..Abb. 8.4  Kurbelwelle mit gekröpftem Hubzapfen geringeren Kolbenseitenkräften als Folge kleinerer
Pleuelschwenkwinkel. Gleiche Zündabstände erhält

-
(Split-Pin)
man, wenn der V-Winkel zu δ = 720°/Zylinderzahl
größere Querkomponenten der Lagerkräfte in V- (Viertakter) gewählt wird. Für Fahrzeugmotoren und
Motoren erfordern eine aufwändigere Gestaltung schnelllaufende Dieselmotoren wird der 90°-V-Winkel

- des Kurbelwellenlagerdeckels im Kurbelgehäuse,


die Saugrohrleitungen gestalten sich konstruktiv
bevorzugt, weil dieser einen vollständigen Ausgleich
oszillierender Massenkräfte 1. Ordnung durch umlau-

-- aufwändiger,
man hat zwei „heiße“ Motorseiten,
der Aufwand bei Aufladung ist größer gegenüber
fende Gegengewichte ermöglicht. Bei Achtzylinder-
V-90°-Viertaktmotoren entspricht der V-Winkel dem
(gleichmäßigen) Zündabstand. Wenn Zylinderzahl

- Reihenmotoren,
V-Motoren verhalten sich bezüglich freier Mas-
senwirkungen ungünstiger als Reihenmotoren.
und V-Winkel nicht korrespondieren, erreicht man
dennoch gleiche Zündabstände durch „Aufspreizen“
der Hubzapfen um die Differenz zwischen V-Winkel
und Zündabstand (split-pin-Kurbelwelle, gekröpfter

-
und Nachteile bezüglich:
größere Querkomponenten der Lagerkräfte in V-
Motoren erfordern eine aufwändigere Gestaltung
Hubzapfen, Hubversatz). So werden heute Sechszy-
linder-Pkw- und Nkw-Motoren mit V-Winkel von
90° (zum Beispiel Audi, Deutz, DaimlerChrysler), 60°

- des Kurbelwellenlagerdeckels im Kurbelgehäuse,


die Saugrohrleitungen gestalten sich konstruktiv
(Ford) und sogar 54° (Opel) gebaut, was einen Kröp-
fungsversatz von insgesamt 30°, 60° beziehungsweise

-- aufwändiger,
man hat zwei „heiße“ Motorseiten,
der Aufwand bei Aufladung ist größer gegenüber
66° erfordert.

-
zz VR-Motoren
Reihenmotoren, Die Baulänge von Reihenmotoren lässt sich verkür-
V-Motoren verhalten sich bezüglich freier Mas- zen, wenn man die Zylinder in der Kurbelkreisebene
senwirkungen ungünstiger als Reihenmotoren. „auseinanderrückt“ und dann in Kurbelwellenrichtung
„zusammendrückt“. Man erhält einen  V-Motor mit
Trotz dieser Nachteile ist der V-Motor heute neben sehr kleinem V-Winkel, . Abb. 8.6. VW entwickelte
dem Vierzylinder-Reihenmotor eine bevorzugte Bau- für den Quereinbau eines Sechszylindermotors in ei-
art. nen Pkw einen VR6-Motor mit einem V-Winkel von
Ein weiteres wichtiges Konstruktionsmerkmal ist 15°. Der Freigang des Triebwerks wurde durch Aus-
die Pleuel – neben – Pleuel-Ausführung. Das ist vom einanderrücken der Zylinderreihen (bei gleichblei-
Triebwerk her die einfachste Lösung (gleiche Pleuel bendem V-Winkel) erreicht so dass sich die Zylinder-
und gleiche Lager). Sie erfordert aber wegen des in achsen nicht in Kurbelwellenmitte, sondern darunter
Hubzapfenrichtung exzentrischen Kraftangriffs (Pleu- schneiden (geschränkter Kurbeltrieb). Die Vorteile
elversatz) gekröpfte Zwischenwände. Bei „Splitpin“- sind: Kurze Motorlänge durch dichtere Packung der
Kurbelwellen, . Abb.  8.4 sind die breiteren Pleuel- Zylinder, kleine Motormasse, nur ein Zylinderkopf und
lagerzapfen (für V-Motoren) in Umfangsrichtung geringe freie Massenwirkungen. Nachteile ergeben sich
abgesetzt, was günstigere Zündabstände ergibt und durch unterschiedliche Längen für die Ansaug- und
damit die Laufruhe des Motors verbessert. Auspuffwege, durch ungleiche Kerzenlagen der beiden
Wichtiger konstruktiver Parameter beim  V- Zylinderreihen und durch verschiedene Feuersteghö-
Motor ist der V-Winkel. Kriterien für die Wahl sind hen infolge des Schräganschnitts der Kolben sowie
zum Beispiel: Zündabstände, Massenwirkungen, Auf- weniger günstige Verhältnisse für Ladungswechsel,
ladung, Drehschwingungsverhalten, Begrenzung der Verbrennung und Schadstoffemission.
410 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4 V = 15°
symmetrisch

5 geschränkte Zylinder
Volkswagen VR6
d = 81 mm
V = 40°
MTU 20 V 672
d = 185 mm
V = 45°
Deutz MWM 632
d = 250 mm
V = 50°
Sulzer ZA 40 S
V = 60°
MTU 20 V 1163
d = 400 mm d = 230 mm

6
7
8
V = 180°
9 Daimler-Benz OM 807
d = 138 mm
V = 72° V = 90° V = 120°

10
MTU 16 V 595 Pielstick 16 PA4 185 Deutz MWM 816
d = 190 mm d = 185 mm d = 142 mm V-Winkel verschiedener Motoren

..Abb. 8.5  V-Winkel verschiedener Motoren (Quelle: Zima)


11
RV-Winkel
zz W-Motoren
12 Bei W-Motoren arbeiten drei Zylinderreihen auf eine
gemeinsame Kurbelwelle. Wobei die einzelnen Zylin-
13 derreihen in Längsrichtung gegeneinander versetzt
sein können, was Vorteile bezüglich Baulänge ergibt.
Aktuelles Beispiel ist der VW W12-6-Liter-Motor, der
14 eine Kombination aus zwei V6-Motoren mit einem
Bankwinkel von 72°, einem  V-Winkel von 15° und
15 einer gemeinsamen Kurbelwelle darstellt, . Abb. 8.7.
Es gibt noch eine Reihe weiterer Motorbauarten
wie zum Beispiel Doppelkolbenmotor, Gegenkolben-
16 motor, Sternmotor, X-Motoren, auf die jedoch in die-
sem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden
kann.
17
8.1.2 Unterscheidungsmerkmale
18 von Motorkonzepten bezüglich
des Grundmotors
19
zz a) Lage der Kurbelwelle
20 ..Abb. 8.6 RV-Anordnung Pkw-Motoren haben in den meisten Fällen unten lie-
gende Kurbelwellen. In Sonderfällen, zum Beispiel zum
Antrieb von Stromerzeugern oder auch für besondere
8.1 • Motorkonzepte
411 8
Zylinder 2,4,6 aB Zylinder 7,9,11
aV
Zylinder 1,3,5

Zylinder 8,10,12
l

r senkrecht stehende Zylinder schräg stehende Zylinder

Drehrichtung
aS

–q +q

Bank 2
Bank 1

12
6
11
d

5
10
4
9
3 liegende Zylinder hängende Zylinder
B

8
2
A

1
7 ..Abb. 8.8  Lage Zylinder senkrecht und schräg ste-
hende, liegende, hängende

Bankwinkel aB 72°
(liegend einbaut) oder aber als V-Motor mit

-
V-Winkel aV 15°
Splitpin-Winkel a S 12° einem V-Winkel von 180° (Boxer-Motor).
Zylinderabstand A mm 65 Motor mit stehenden Zylindern (auch manch-
Bankversatz B mm 13
mal um einige Grad geneigt). Steuerung und
Schränkung q mm ±12,5
Triebwerk sind gut zugänglich. Das Motoröl
Pleuellänge l mm 168,5
Kurbelradius r mm 44,95
sammelt sich im tiefsten Bereich der Ölwanne
Bohrung d mm 84 und kann von dort angesaugt und wieder in den
effektiver Hub s mm 90,168 Kreislauf gefördert werden. Da man bei moder-
nen Pkw die Höhe des Motorraumes in Hin-
..Abb. 8.7  VW-12 Zylinder-W-Motor blick auf den Luftwiderstandsbeiwert (cw-Wert)
niedrig halten will, werden Pkw-Reihenmotoren
militärische Anwendungen, sind auch Motoren mit in vielen Fällen schräg eingebaut.
stehender Kurbelwelle gebaut worden. Moderne Pkw-
Motoren haben ausschließlich liegende Kurbelwellen. zz c) Zylinderanordnung
Die Anordnung der Zylinder, . Abb. 8.9, erfolgt in Hin-
zz b) Lage der Zylinder blick auf geringen Raumbedarf, niedrige Leistungsmasse
Bei den meisten Motoren sind die Zylinder ste- (mMotor/P) und dynamisches Verhalten (Massenkräfte),
hend, können auch leicht geneigt angeordnet sein, wobei es viele Kombinationsmöglichkeiten gibt.
. Abb. 8.8. Wirken die Zylinder konzentrisch auf eine Kur-
Die Neigung ist meist bedingt durch die Einbausi- belkröpfung, erhält man Sternmotoren. Zylinderrei-
tuation und Bauraumverhältnisse des Fahrzeuges. Die hen im Polygon mit mehreren Kurbelwellen ergeben
Kolben arbeiten auf die liegende Kurbelwelle. Mehrwellenmotoren. Durch Zusammenfassen von
Dreht man das Kurbelgehäuse um die Kurbelwelle, mehreren Reihenmotoren kommt man zu V-, W- und

-
dann erhält man:
Motor mit hängenden Zylindern, der nur im
X-Motoren mit einer Kurbelwelle sowie zu Doppel-
und H-Motoren mit zwei Kurbelwellen, durch Zusam-

- Flugzeugbau eingesetzt wurde.


Motor mit liegenden Zylindern (Unterflurmoto-
menfassung von zwei oder mehr „Sternen“ zu Doppel-
und Mehrsternmotoren wie auch Sternreihenmotoren.
ren). Der Einsatz mit liegenden Zylindern erfolgt
aus Packagegründen, wenn geringe Einbauhöhen
gefordert werden. Der Motor ist um 90° gedreht -
Gesichtspunkte für die Anordnung der Zylinder sind:
Die Einbauverhältnisse und das Package begren-
zen die Motorabmessungen. Bei Quereinbau des
412 Kapitel 8 • Motoren

1
2
Reihenmotor V-Motor W-Motor Boxer-Motor
3
4
5
X-Motor Sternreihenmotor Sternmotor Doppelsternmotor Vierfachsternmotor
6
..Abb. 8.9  Zylinderanordnung 1 (Quelle: Zima)

7 Motors in Pkw ist es die Länge, bei Unterflurmo- zeptbeeinflussender Kriterien darstellen, was jedoch
toren ist es die Höhe und bei Flugzeugmotoren den Umfang dieses Beitrages sprengen würde. Daher
8
9
- wegen des Luftwiderstands ist es die Stirnfläche.
Die Empfindlichkeit von Kurbelwellen gegen
Drehschwingungen, die mit der Kröpfungszahl
zunimmt. Daher sind Reihenmotoren mit mehr
sind im Weiteren nur einige ausgewählte Beispiele
aufgelistet. Weitere Beurteilungskriterien, die in die
Konzeptfindung mit einbezogen werden (Details zu
den einzelnen Elementen sind in den entsprechenden

10
als sechs Zylindern nicht üblich.

zz d) Zylinderzahl
Die Grundform des Motors ist der Einzylindermotor.
-
Kapiteln zu finden.) sind zum Beispiel:
Art der Kühlung, wobei unterschieden wird
zwischen der Flüssigkeitskühlung und der Luft-
kühlung. Der überwiegende Anteil heute in Pkw
11 In Hinblick auf Leistung, Drehmoment, Gleichförmig- eingesetzten Motoren ist flüssigkeitsgekühlt, da
keit von Drehmoment und Drehzahl sind Pkw-Mo- die Kühlwirkung im Vergleich zur Luftkühlung
toren ausschließlich mit mehreren Zylindern ausge- wirkungsvoller ist und keine Geräusche durch

-
12 führt. Nach oben begrenzt wird die Zylinderzahl zum das Gebläse zur Luftförderung auftreten.
Beispiel durch das Einsatzgebiet, den zur Verfügung Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren
13 stehenden Bauraum, der Motormasse, den Herstell- (heterogene Gemischbildung) im Dieselmotor
kosten, den Aufwand für die Instandhaltung und dem und daraus abgeleitete Verbrennungsverfahren,
Drehschwingungsverhalten des Triebwerks. Pkw-Fahr- Innere (inhomogene-/homogene-/geschichtete-)

-
14 zeugmotoren haben heute drei bis zu achtzehn Zylin- und äußere Gemischbildung im Ottomotor.
der, Motorräder ein bis vier und Nutzfahrzeugmotoren Art der Lufteinbringung wie Saugmotor und
15 vier bis zwölf Zylinder.
Ein weiteres wesentliches Merkmal eines Motorkon-
zeptes stellt die auf Basis von grundsätzlich festgelegten - aufgeladener Motor,
Art der Zündung wie Selbstzündung (Diesel) und
Zündungseinleitung durch externe Energiezu-
16
17
Parametern wie beispielsweise Hub und Bohrung, abzu-
leitende Baureihe dar. Der Grundmotor ist so ausgelegt,
dass durch „Anfügen“ weiterer Zylinder unter Beibehal-
tung zum Beispiel der Parameter Hub und Bohrung die
- fuhr (Otto),
Arbeitsverfahren 2-Takt und 4-Takt, wobei heute
für Pkw-Motoren ausschließlich 4-Takt-Motoren
Verwendung finden.
Zylinderzahl und damit Leistung und Drehmoment den
18 Fahrzeugerfordernissen angepasst werden. Innerhalb einer Motorgrundkonzeption lassen sich
weitere Unterteilungen ableiten, die konzeptrelevant
sind. Als Beispiel seien hier die vielfältigen Bau- und
19 8.1.3 Weitere Konzeptkriterien Wirkungsweisen der Ventilsteuerung genannt – von
der festen Zuordnung der Steuerzeiten über alle Last-
20 Die bisherigen Betrachtungen bezogen sich überwie-
gend auf den mechanischen Aufbau des Grundmotors.
und Drehzahlbereiche des Motors bis zur voll variab-
len Ventilsteuerung, bei der Ventilhub, Ventilsteuerzeit
Man kann jedoch noch eine ganze Reihe weiterer kon- und Öffnungsdauer der Ventile frei wählbar sind. An-
8.1 • Motorkonzepte
413 8

dere Beispiele sind die Vielfalt der Kurbelgehäuse- und Länge des Vorderwagens und kurze Leitungs-
Zylinderkopfbauarten sowie die Ölversorgung. Auch längen stehen höhere Aufwendungen für die
hier sei auf die entsprechenden Kapitel hingewiesen. Motorlagerung und die verfügbare Breite
zwischen den Längsträgern gegenüber. Diese
Anordnung ist besonders geeignet für Reihen-
8.1.4 Konzepte der Anordnung motoren mit drei und vier Zylindern, RV- und
des Aggregates im Fahrzeug V6-Motoren. Der Einsatz als Unterflurmo-
tor beschränkt sich lediglich auf Drei- und

-
Motor- und Fahrzeugkonzept müssen aufeinander Vierzylinder-Reihenmotoren.
abgestimmt sein, so dass mit der gewählten Motori- Frontmotor/Längseinbau: Diese Bauweise ist
sierung im entsprechenden Fahrzeug die geforderten für fast alle Motoren realisierbar. Insbeson-
Fahreigenschaften realisiert werden können. Weiterhin dere sind lange Motoren möglich zum Beispiel
besteht eine enge Wechselwirkung zwischen Motor- V12-Motoren (zwei Bänke mit je sechs Zylin-
und Antriebsstrangkonzept, zum Beispiel der Anord- dern). Nachteilig kann die größere Vorderwa-
nung des Getriebes. Für die Einbindung des Motors in genlänge und die Breite des Getriebetunnels

-
ein Gesamtfahrzeugkonzept stehen folgende Punkte sein.

-
im Vordergrund der Betrachtung:
Anordnung der Zylinder und damit die Bauart
des Motors, wie zum Beispiel Reihenmotor,
V-Motor, W-Motor, Boxermotor wobei die An-
Mittelmotor/Quereinbau: Diese Variante eig-
net sich vornehmlich für Drei- bis Fünfzylin-
der-Reihenmotoren. Neben einer geringen
Länge des Vorderwagens ist die gute Achslast-
ordnung durch eine Reihe von Kriterien wie zum verteilung hervorzuheben. Problematisch ist
Beispiel verfügbarer Bauraum, geforderte Motor- die Breite der hinteren Längsträger und die
leistung, Anordnung im Fahrzeug bestimmt ist. Tatsache, dass ein Allradantrieb nicht möglich
Damit sind aber auch wesentliche Hauptabmes- ist. Außerdem eignen sich Mittelmotoren
sungen des Grundmotors, welche den Hubraum grundsätzlich nur für zweisitzige Fahrzeuge

-
definieren, die Lage der Kurbelwelle, Abmes- (Roadster).
sungen der Nebenaggregate, Motorlagerung, Mittelmotor/Längseinbau: Grundsätzlich
Schwingungsverhalten etc. als Einflussgrößen auf ist der Mittelmotor-Längseinbau für alle Mo-

- das Motorkonzept gegeben.


Anordnung des Aggregates im Fahrzeug.
Man unterscheidet hierbei den Längs- und
Quereinbau. Die Variante von Längs- und
torbauarten vom Dreizylinder-Reihenmotor
über die V-Motoren bis hin zum Boxer-Motor
geeignet. Ansonsten gelten die gleichen Vor-
und Nachteile wie beim Mittelmotor mit

-
Quereinbau kann mit der Lage des Motors im Quereinbau.
Fahrzeug kombiniert werden als Front-, Mittel-, Heckmotor/Quereinbau: Die Vorteile dieser
oder Heckmotor. Diese Anordnungen können Bauweise sind eine gute Traktion und bei der
wiederum konventionell oder als Unterflurmotor Unterflurvariante ist ein sehr kompaktes Fahr-
erfolgen. Die Fahrzeuganforderungen bestimmen zeug möglich. Nachteile sind die erforderliche
weitestgehend die Anordnung des Aggregates. Breite zwischen den hinteren Längsträgern
Die Forderung nach zum Beispiel geringer sowie Einschränkungen in der Zugänglichkeit
Fahrzeuglänge und damit beschränkten Motor- von Innenraum und Stauraum. Die Unterflur-
raumabmessungen haben dazu geführt, dass zum variante ist nur für Drei- und Vierzylinder-
Beispiel Sechszylinder-Reihenmotoren weitest- motoren geeignet, während die konventionelle
gehend durch Sechszylinder-V-Motoren ersetzt Variante auch noch für V-Motoren Verwen-

-
wurden. Vierzylinder-Reihenmotoren werden dung findet.
häufig quer eingebaut, weil diese Kombination Heckmotor/Längseinbau: Neben einer sehr
mit dem Getriebe eine relativ geringe Länge des guten Traktion sind als Vorteile eine optimale
Aggregates ergibt. Für die Unterflur-Anordnung Gewichtsverteilung beim Bremsen, Raumaus-
des Aggregates haben sich daher auch nur quer nutzung (Ablage, Gepäck) über dem Motor
eingebaute Motoren durchgesetzt. Die wesentli- möglich. Nachteilig sind die Baulänge von
chen Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten Motor und Getriebe mit langem Überhang

-
sind: hinten, der hohe Aufwand bei der Leitungs-
Frontmotor/Quereinbau: Vorteilen wie zum verlegung und eine ungünstige Achslastver-
Beispiel Kompakte Abmessungen, geringe teilung, die sich negativ auf das Fahrverhalten
414 Kapitel 8 • Motoren

Zylinderzahl/ – V6 Zylinderzahl/Bauart – V8
1 -Anordnung Bankwinkel Grad 75
Bankwinkel Grad 72
Ventile/Zylinder – 4
2 Ventile/Zylinder – 4
Hubraum cm3 3.996
Hubraum cm3 2.987
Bohrung mm 86
3 Bohrung mm 83
Hub mm 86
Hub mm 92
Zylinderabstand mm 97
4 Zylinderabstand mm 106
Verdichtung – 17
Verdichtung – 18
Motormasse kg 253
5 Pleuellänge mm 163
Nennleistung kW bei min–1 231/3.600
Nennleistung bei kW/min–1 165/3.800 bezie-
bei Drehzahl
Drehzahl hungsweise
6 173/3.600 Nenndrehmoment Nm bei min–1 730/2.200
bei Drehzahl
Nenndrehmoment Nm/min–1 510/1.600 – 2.800
7 bei Drehzahl beziehungsweise ..Abb. 8.11  Motorische Kennwerte des 4,0-Liter-V8-
540/1.600 – 2.400 Dieselmotors

8 Motormasse kg 208

..Abb. 8.10  Technische Daten des Motors OM 642 zum Einsatz, mit der bis zu fünf Einspritzungen re-
alisierbar sind. Die verwendete Einspritzdüse ist eine
9 Achtlochdüse.
auswirken kann. Geeignet sind Motoren in Der Motor verfügt über ein elektrisch betätigtes
10 Reihen- und V-Bauweise einschließlich Bo-
xermotoren.
AGR Ventil, welches das gekühlte Abgas zur Einleit-
stelle in die Ladeluftführung leitet. Zu den Vertei-
lermodulen der Ladeluft gehört eine elektrisch zu
11 Weiterhin spielt bei der Motorkonzeption für ein be- betätigende Einlasskanalabschaltung zur gezielten
stimmtes Fahrzeug das Antriebskonzept eine Rolle, Drallsteuerung. Bezüglich einer NVH-Minimierung
wobei unterschieden wird zwischen Front-, Heck- wurden Maßnahmen ergriffen wie zum Beispiel sehr
12 und Allradantrieb sowie das Antriebsstrangkonzept, steif konstruiertes Aluminium-Kurbelgehäuse, eine
welches die Anordnung von Getriebe, Achsgetriebe, im V angeordnete Ausgleichswelle, Zylinderkopfhaube
13 Gelenkwellen etc. betrachtet, eine entscheidende Rolle. mit integrierter Nockenwellenlagerung, akustische
Maßnahmen bezüglich Luftführung, Kettenführung,
Motorabdeckung mit Schaumbelegung etc.
14 8.2 Aktuelle Motoren Für die Abgasnachbehandlung stehen zwei Oxida-
tionskatalysatoren als motornaher Katalysator und als
15 zz V6-Dieselmotor von Mercedes-Benz [1]
Diese V6-Variante ersetzt alle Fünf- und Sechs-Zy-
Hauptkatalysator sowie länderspezifisch ein Partikel-
filter (ohne Additivierung) zur Verfügung.
linder-Reihenmotoren in den Fahrzeugbaureihen.
16 Die wesentlichen motorischen Hauptkenndaten zeigt zz 4,0-Liter-V8-Dieselmotor
. Abb. 8.10. von Mercedes-Benz
Der gewählte Bankwinkel von 72° stellt einen Kom- Die Zielsetzungen bei der Entwicklung des Motors
17 promiss zwischen Bauraumbedarf und Triebwerks­ waren neben der Steigerung von Leistung und Dreh-
auslegung dar. Das 41 kg „leichte“ Kurbelgehäuse hat moment die Erfüllung der Abgasvorschrift Euro 4,
18 eingegossene Graugussbuchsen und wird im Schwer- der Serieneinsatz eines Partikelfilters ohne Verwen-
kraftguss-Verfahren mit Sandkernen aus AlSi6Cu dung von Zusätzen, die Senkung des Kraftstoffver-
hergestellt. Die gesenkgeschmiedete, vierfach gela- brauchs und bessere NVH-Eigenschaften gegenüber
19 gerte Kurbelwelle ist aus Vergütungsstahl 42CrMo4, dem Vorgänger. Die Motorischen Kennwerte zeigt
die gewichtsoptimierten Pleuel sind aus dem neuen . Abb. 8.11.

20 Werkstoff 70MnVs4 hergestellt.


Als Einspritzsystem kommt die dritte Generation
Gegenüber dem Vorgängermodell konnte durch
Entdrosselung eine deutliche Absenkung des Druck-
der Common-Rail-Technik, mit Piezo-Aktormodul verlustes erreicht werden. Der Verlauf des Drehmo-
8.2 • Aktuelle Motoren
415 8
..Abb. 8.12  System der
Abgasrückführung
AGR-Ventile

AGR-Ventil-Kühlung

Umschalt-
AGR-Einleitung
Klappe
in den Ladeluft-
verteiler AGR-Kühler
Wasser- Bypass
eintritt Wasser-
austritt

Abgaseintritt
links

AGR-Kühler

mentes im unteren Drehzahlbereich konnte durch ein Hubraum cm3 5204


Vorvolumen vor dem Eintritt in den Verdichter des
Hub mm 92,8
Abgasturboladers verbessert werden. Die Stellung der
Leitschaufeln erfolgt durch einen elektrischen Stellmo- Bohrung mm 84,5
tor, mit dem eine schnelle Positionierung sowie eine
Zylinderabstand mm 90
hohe Positionsgenauigkeit erreicht wird.
Das Abgas wird über zwei AGR-Ventile kenn- Länge/Breite/Höhe mm 685/801/713
feldgeregelt zugeführt, wobei das Abgas im Warmlauf
Ventile/Zylinder – 4
durch einen schaltbaren Bypass am AGR-Kühler vor-
beigeführt wird. Der Aufbau der Abgasrückführeinheit Ventildurch- mm 33,85/11
zeigt . Abb. 8.12. messer/Hub
Der erhöhte Spitzendruck des Motors machte eine Einlass
Anpassung des Zylinderkopfes in Richtung höherer
Ventildurch- mm 28/11
Steifigkeit notwendig. Erreicht wurde dies unter ande- messer/Hub
rem durch ein Zwischendeck im Wasserraum. Auslass
Als Einspritzanlage wird ein Common-Rail-Sys-
tem der dritten Generation mit Piezo-Injektoren ver- Nockenwellen- Grad 42
wendet, die bis zu fünf Einspritzungen pro Arbeitsspiel verstellbereich
mit Siebenloch-Einspritzdüsen ermöglichen. Verdichtung – 12,5
Besonderer Wert wurde auf eine akustische Opti-
mierung bei geringen Drehzahlen und Lasten gelegt. Leistung bei kW/min –1
331/7.000
Erreicht wurde dies unter anderem durch ein beson- Drehzahl
ders steifes Kurbelgehäuse, größerem Hauptlager- Drehmoment bei Nm/min–1 549/3.000 – 4.000
durchmesser, Ausgleichswelle, steifere Ausführung Drehzahl
der Motorträger, Abdeckungen sowie Entkopplung
diverser Bauteile wie zum Beispiel Kraftstoffleitungen, Zündfolge – 1-6-5-10-2-7-3-8-4-9
Ladeluftverteilerleitung. Motormasse kg 220

zz V10-FSI-Motor von Audi [2] Abgasnorm – EU IV


Der Aufbau des Motors erfolgte nach dem Baukasten- ..Abb. 8.13  Technische Daten des V10-FSI-Motor von
prinzip, bei dem bewährte Bauteile aus der Audi-V- Audi
Familie übernommen wurden. Die wichtigsten tech-
nischen Daten des Motors sind dem . Abb. 8.13 zu Bedplate aus AlSi12Cu1 mit eingegossenen GGG50
entnehmen. Einlegeteilen erstellt wurde.
Das Zylinderkurbelgehäuse ist als Bedplate-Ver- Die Kurbelwelle aus 42CrMoS4 wurde als Split-
sion konzipiert, wobei das Oberteil als homogener Pin-Welle ausgeführt, die einen gleichmäßigen
Monoblock aus AlSi17Cu4Mg und das Kokillenguss- Zündabstand von 72 Grad ergibt.
416 Kapitel 8 • Motoren

und die Ladungsbewegung entsprechend unterstützt.


1 Hubvolumen cm3 1.598
Die hohe thermische Belastung des Kolbens wurde
Zylinderabstand mm 86 über eine optimierte Kolbenkühlung aufgefangen. Der
2 Bohrung mm 79 Kolben weist einen Kühlkanal (Salzkern) auf; Mulden-
rand und Ringnut sind entsprechend optimiert.
Hub mm 81,5
Die Einlasskanäle verfügen über ein Trennblech
3 Pleuelmasse kg 480 zur Tumblegenerierung.
Kolbenmasse kg 340 Die gebauten hohlen Nockenwellen sind direkt
im Aluminium gelagert und mit einem Leiterrahmen
4 Einlassventil- mm 31,2 verschraubt.
Durchmesser Das Ansaugsystem ist zweiflutig ausgeführt und
5 Auslassventil- mm 27,5 strömungsmechanisch optimiert, so dass ein Ge-
Durchmesser samtdruckverlust von nur 40 mbar bei einem Luft-
durchsatz von 1200 kg/h erreicht wurde. Es kommt
6 Ventilhub E/A mm 7,0/7,0
ein vierschaliges Schaltsaugrohr für zwei Längen aus
Verdichtung – 8,8 Magnesium-Druckguss zum Einsatz. Die V10-typische
7 Maximale Leis- kW bei min –1
132/5.500 Akustik wird mittels eines „Soundpipe“ über spezielle
Membran- und Schaumabstimmungen gefiltert in den
tung bei Drehzahl
Innenraum geleitet.
8 Maximale Dreh-
moment bei Dreh-
Nm bei min–1 230/2.200–5.500 Der Kraftstoff wird über zwei bedarfsgeregelte Ein-
kolben-Hochdruckpumpen, die einen Betriebsdruck
zahl
von über 100 bar erzeugen, bereitgestellt. Die Hoch-
9 Motormasse kg 131 druckeinspritzventile sind Einloch-Drallventile, die so
angeordnet und ausgeführt sind, dass eine minimale
Abgasnorm – Euro V
10 Wandbenetzung auftritt.
Der V10-FSI-Motor erreicht spezifische Werte von
..Abb. 8.14  Motordaten des 1,6-Liter-Turbo-Ottomo- 63 kW/l und über 100 Nm/l.
11 tors von GM
zz 1,6-Liter-Turbo-Ottomotor von GM
Ein Ziel der Entwicklung war unter anderem das Er-
12 reichen hoher spezifischer Werte bezüglich Leistung
von 82,5 kW/l und Drehmoment von über 143 Nm/l.
13 Die wesentlichen Motordaten sind dem . Abb. 8.14
zu entnehmen.
Der Grundmotor mit seinen Geometriedaten
14 basiert auf der Saugvariante unter Ausnutzung von
Gleichteilen. Für die aufgeladene Variante wurden
15 speziell der Öl-Wasser-Wärmetauscher sowie der
Drehschwingungsdämpfer angepasst sowie die hö-
her belasteten Bauteile entsprechend optimiert. Neu
16 entwickelt wurden unter anderem der Einlasskrüm-
mer, der Abgaskrümmer, welcher einen integrierten
Turbolader aufweist, der Kolben, der Unterflurkataly-
17 sator sowie das Zweimassenschwungrad. . Abb. 8.15
zeigt den Turbolader mit integriertem Abgaskrüm-
..Abb. 8.15  Turbolader mit integriertem Abgaskrüm-
18 mer mer.
Wesentliches Tool zum Erreichen der Entwick-
Die freien Massenkräfte erster Ordnung werden lungsziele war die Simulation. Neben der dreidimen-
19 durch eine mit Kurbelwellendrehzahl rotierende, ge- sionalen Strömungssimulation des Saugrohres und die
genläufige Ausgleichswelle kompensiert. damit erreichte günstige Package-Variante waren es
20 Der Aluminium-Gusskolben hat eine Kolbenbo-
dengeometrie, die an das Brennverfahren angepasst ist
insbesondere komplexe Simulationen im Zusammen-
hang mit der Auslegung des Abgaskrümmers.
8.2 • Aktuelle Motoren
417 8

Leistung [kW]/Drehzahl [min–1] 103/4.200 und der Verbesserung der Akustik wurde das System
auf bis zu sieben Einspritzungen pro Arbeitsspiel mit
Drehmoment [Nm]/Drehzahl 320/1.750 – 2.500 volumetrischer Zumessung und Druckregelung am
[min–1]
Rail ausgelegt. Eingesetzt ist ein 8-Loch-Einspritzventil
Hubraum [dm3] 2,0 mit Lochdurchmessern von 0,123 mm.
Zylinderabstand [mm] 88 Die Verbesserung bezüglich Gemischbildung re-
sultiert auch aus einer Anpassung des Saugrohrs und
Nockenwellenachsabstand 54,6 einer Niedertemperatur-EGR. Drall und Massenstrom
Einspritzdruck [bar] 1.800 werden bei diesem Motor durch kontinuierlich ver-
stellbare Drallklappen im Saugrohr in Abhängigkeit
Anzahl Ventile/Zylinder 4
des Motorbetriebspunktes eingestellt. Für den Luft-
Verdichtung 16,5 einlass stehen ein Tangential- und ein Spiralkanal zur
Abgasnorm Euro 5 Verfügung. Der Tangentialkanal dient der Drallgene-
rierung, der Spiralkanal dient als Füllungskanal.
CO2-Emission [g/km] 190 Eine Niedrigtemperatur-Abgasrückführung wird
über die EGR-Kühlung mit einer Kühlleistung von bis
..Abb. 8.16  Daten des 2,0-Liter-4V-TDI zu 8 kW realisiert. Die dazu benötigte Kühlflüssigkeit
wird über eine elektrisch betriebene Zusatzpumpe
über den Haupt- und den EGR-Kühler geleitet.
zz 2,0-Liter-4V-TDI mit Common-Rail Der Abgasturbolader verfügt über eine pneuma-
von Volkswagen [3] tisch verstellbare Leitschaufelverstellung auf der Tur-
Ziele für die Entwicklung dieses Motors auf der Basis des binenseite.
bisherigen 2-Liter-Aggregates waren, die Euro-5-Vorga- Um den Wandauftrag an flüssigem Kraftstoff zu re-
ben sicher zu erfüllen und eine zukunftsfähige Lösung duzieren, wurde die Muldenform des Kolbens in Hin-
in Richtung Euro 6 zu sichern. Ausgestattet ist der Mo- blick auf eine größere freie Strahllänge weiterentwickelt.
tor, der seit 2007 in Serie ist, mit einem Common-Rail- Lokal fette Zonen sind dadurch verringert, und die Ent-
System der neuesten Generation CRS 3.2. Wesentliche stehung eines homogenen Gemisches wird begünstigt.
Motordaten sind . Abb. 8.16 zu entnehmen. Zur Abgasnachbehandlung werden ein Katalysator
Der Motor hat 4 Ventile pro Zylinder, welche über und ein Partikelfilter eingesetzt. Der Katalysator ist als
zwei Nockenwellen angetrieben werden. Die über Rol- Metallträger konzipiert, um ein frühes Anspringen bei
lenschlepphebel betätigten Ventile sind um das zentral hohen Umsatzraten zu gewährleisten. Die Oxidations-
sitzende Einspritzventil gruppiert. Beide Nockenwellen katalysator-Funktion im Partikelfilter ist bezüglich ther-
sind über geradverzahnte Stirnräder miteinander ver- mischer Beständigkeit optimiert; das Filter ist mit einer
bunden. Der Ventilstern ist um 90° zur Motorlängs- Zonenbeschichtung aus Platin/Palladium versehen.
achse gedreht. Diese und andere Maßnahmen führten zu ei-
Wesentliche Änderung am Motor im Vergleich zu nem sehr guten spezifischen Kraftstoffverbrauch, wie
seinem Vorgänger ist die Umstellung auf das Common- . Abb.  8.17 zeigt. Der Bestpunkt des Kraftstoffver-
Rail-System. Zur Bewältigung der Abgasforderungen brauchs ist mit 196 g/kWh angegeben.

..Abb. 8.17  Verbrauchskennfeld des 2-Li-


ter-Common-Rail Triebwerks (Quelle: MTZ)
418 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.18  Leistungs- und Drehmoment-


1 verlauf des 2-Liter-Common-Rail-Triebwerks
(Quelle: MTZ)

2
3
4
5
Bauart – V12-Motor
6 Zylinderwinkel Grad 60
Hubraum dm3 5,934
7 Hub mm 91,4
Bohrung mm 83
8 Verdichtung – 16
Zylinderabstand mm 90
9 Hauptlagerdurchmesser mm 65

10 Pleuellagerdurchmesser mm 60
Pleuellänge mm 155

11 Ventildurchmesser Einlass mm 28,7


Ventildurchmesser Auslass mm 26,8

12 Anzahl Ventile pro Zylinder – 4


Zündfolge – 1-7-5-11-3-9-6-12-2-8-4-10

13 Maximale Leistung bei Drehzahl kW bei min –1


368/3750
Maximales Drehmoment bei Drehzahl Nm bei min–1 1.000/1.750 – 3.250

14 Motormasse kg 329
Motorlänge mm 680
15 Maximaler Ladedruck bar 2,7
Zylinderspitzendruck bar 165
16 Abgasnorm – Euro 4
CO2-Emission (MVEG-Test) g/km 298
17 Verbrauch (MVEG-Test) l/100 km 11,3
..Abb. 8.19 Motordaten
18
Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik bei einem Kraftstoffverbrauch im MVEG-Test von
zeigt . Abb. 8.18. 11,3 l/100 km.
19 Einige wesentliche Daten des Motors sind in
zz 6-Liter-V12-TDI-Motor von Audi [4–6] . Abb. 8.19 dargestellt.

20 Der laut Audi leistungsstärkste Dieselmotor in ei-


nem Pkw, seit 2008 in Serie, liefert aus circa 6 l Hub-
Der Zylinderwinkel beträgt 60 Grad. Durch den
mehrstufigen, getriebeseitig angeordneten Kettentrieb
raum 1000 Nm Drehmoment und 368 kW Leistung konnte eine kurze Baulänge von nur 689 mm erreicht
8.2 • Aktuelle Motoren
419 8
..Abb. 8.20 Kettentrieb
(Quelle: MTZ)

werden. Das Kurbelgehäuse ist auf Mitte der Kurbel- Niedrige NOx-Emissionen sind mit Hilfe einer
welle geteilt. Die Lagerdeckel, aus Späroguss (GJS-600), gekühlten AGR möglich, wobei der AGR-Kühler
sind zu einem Leiterrahmen miteinander verbunden. einem separaten Niedertemperatur-Kühlkreislauf
Für das Kurbelgehäuse wurde der Werkstoff Vermiku- angeschlossen ist. Das Abgas wird über elektrisch
largraphitguss (GJV-450) gewählt. Alle medienführen- betätigte AGR-Ventile durch integrierte Kanäle im
den Komponenten sind in das Kurbelgehäuse integriert. Kurbelgehäuse und in den Zylinderköpfen zentral
Hohe Biege- und Torsionswechselfestigkeit, nied- dem AGR-Kühler, der im  V angeordnet ist, zuge-
rige Belastung der Hauptlager durch Massenkräfte, führt. Mit Hilfe von unterdruckbetätigten Klappen ist
geringe Reibleistung und geringe Anregung des der AGR-Kühler in die Stellungen: kein Kühlbetrieb,
Steuer- und Nebenaggregateantriebs waren Ausle- mittlere Kühlleistung und maximale Kühlleistung
gungskriterien für die Kurbelwelle. Das wurde zum schaltbar.
Beispiel erreicht durch einen Hauptlagerzapfendurch- Der luftspaltisolierte Abgaskrümmer für jede
messer von 65 mm, einen Hubzapfendurchmesser von Bank ist aus Edelstahlblech hergestellt. Zur Aufladung
60 mm und einen Hub von 91,4 mm. werden zwei Ladegruppen mit variabler Turbinengeo-
. Abb. 8.20 zeigt die Anordnung des Kettentriebes metrie eingesetzt. Ein Strömungsgleichrichter auf der
mit einer Verschachtelung von vier Simplex-Ketten. Verdichtereintrittseite und ein Strömungsdämpfer am
Die beiden Hochdruckeinspritzpumpen werden über Verdichteraustritt dienen der akustischen Optimie-
zwei separate Triebe direkt von der Kurbelwelle ange- rung. Temperatursensoren jeweils vor der Turbine
trieben. Ein Zwischenradsatz treibt die beiden Nocken- verhindern eine thermische Überlastung, wobei die
wellenräder an. zulässige Grenztemperatur 830 °C beträgt.
Der Zylinderkopf ist dreiteilig ausgeführt. Er be- Das Brennverfahren für den Motor ist denen des
steht aus dem Zylinderkopfunterteil, einem Mittelteil V6 und V8 ähnlich. Einer der jeweils zwei Einlasska-
und einem Leiterrahmen mit vormontierten Nocken- näle pro Zylinder ist mit Hilfe einer Klappe zur Erzeu-
wellen. Wie bei anderen V-Motoren von Audi erfolgt gung eines hohen Dralls stufenlos zu schließen. Die
die Ventilbetätigung über Rollenschlepphebel. Die Ein- Verdichtung wurde gegenüber den bisherigen Model-
und Auslassnockenwellen sind als gebaute Holwellen len auf 16 gesenkt.
konzipiert. Der gegossene Aluminium-Kolben ist mit einem
Aus akustischen Gründen ist die AL-Zylinder- Ringträgerkühlkanal ausgestattet. Zum geringen Öl-
kopfhaube über das Dicht- und Verschraubungskon- verbrauch tragen die Brillenhonung und die optimierte
zept vom Leiterrahmen im Zylinderkopf entkoppelt. Kolbenringbestückung bei.
420 Kapitel 8 • Motoren

setzte Partikelfilter aus SIC-Substrat sind ebenfalls ka-


1 talytisch (Platin/Palladium) wirksam. Der Beladungs-
zustand der Partikelfilter (DPF) beziehungsweise die
2 Regeneration wird mit Hilfe von Modellen überwacht
beziehungsweise eingeleitet. Zum einen ist es ein Mo-
dell, in das der gemessene Druck vor DPF eingeht, zum
3 anderen ein Simulationsmodell, das den Rußeintrag
und den Rußabbrand durch Oxidation berücksichtigt.
Die auf die Modelle aufbauende Regenerationsstrategie
4 erfolgt mit bis zu fünf kennfeldabhängigen Einsprit-
zungen.
5 Das Kennfeld des spezifischen Verbrauchs zeigt
..Abb. 8.21  Kolben (Quelle: MTZ) . Abb. 8.22. Der Bestwert ist mit 204 g/kWh angege-
ben. Verbrauch, Leistung und Drehmoment bei Voll-
6 last sind in . Abb. 8.23 dargestellt.
Kolbenmulde und Ringpartie sind in . Abb. 8.21
7 dargestellt.
Der Einspritzdruck beträgt 2000 bar und wird er-
zz 4,8-Liter-V8-Ottomotor von Porsche
(Turbo- und Saugmotor)
reicht über eine Intankpumpe mit einem Vorförder- Es werden zwei Ottomotoren mit Direkteinspritzung
8 druck von 1,3 bar und über je eine Hochdruckpumpe beschrieben, welche die überwiegend gleiche Grund-
pro Bank. Über eine Hochdruckleitung von 3 mm In- ausstattung besitzen. Der eine Motor wird als aufge-
nendurchmesser sind die Piezo-Inline-Einspritzdüsen, ladener Motor, der andere als Saugmotor angeboten.
9 mit acht konisch strömungsoptimierten Einspritzlö- Beide Varianten basieren in ihrer Grundversion auf
chern, mit dem Rail verbunden. dem 4,5-Liter-V8-Motor, mit einem Kurbelgehäuse
10 Zur Motorsteuerung werden zwei identische Mo-
torsteuergeräte im Master/Slave Verbund eingesetzt.
aus einer übereutektischen Al-Si-Legierung, der als
Closed-Deck-Bauweise ausgeführt ist. In die Zylin-
Hauptmerkmal ist ein 32-bit-Prozessor mit 150 MHz derköpfe (Legierung aus Al–Si–Mg–Cu) wurde die
11 Taktfrequenz, 136 kByte internem RAM, zwei MByte Technik für die Benzindirekteinspritzung integriert.
internem und zwei MByte externem Flashspeicher. Aufgrund der Leichtbauentwicklung ergab sich eine
Die zweiflutig ausgelegte Abgasanlage wurde im Gewichtsreduzierung von circa 30 %.
12 Hinblick auf geringen Abgasgegendruck und geringe Thermische Vorteile im Bezug zum Vorgänger-
Wärmeverluste konzipiert. Motornah platzierte Oxida- modell brachte die Überarbeitung des Kühlkonzeptes
13 tionskatalysatoren zur schnellen Aufheizung sind mit im Bereich zwischen den Stegen beziehungsweise der
einer Platinbeschichtung versehen. Stromab einge- Zündkerze.

14 ..Abb. 8.22 Kennfeld
Kraftstoffverbrauch
(Quelle: MTZ)
15
16
17
18
19
20
8.2 • Aktuelle Motoren
421 8

Zur Steuerung des Ladungswechsels ist ein wei-


terentwickeltes VarioCam-Plus-System, mit dem über
50° Kurbelwinkel kontinuierlich verstellt werden kann,
eingesetzt. Unterschiedliche Ventilerhebungen, von
10 auf 3,6 mm in der Teillast, werden über schaltbare
Tassenstößel einlassseitig erreicht.
Die bewährte Trockensumpfschmierung aus dem
Vorgängermodell wurde beibehalten, wobei eine vari-
able Ölpumpe mit volumenstrom- und druckgeregelter
Stufung zum Einsatz kommt. Dies ermöglicht es, den
Öldruck auf den minimal benötigten Wert in jedem
Betriebspunkt abzusenken.
Der luftspaltisolierte Krümmer des Vorgängermo-
dells wurde durch einen 4-in-2-in-1-Krümmer ersetzt.
Verringerung des Druckverlustes, Strömungsgleichver-
teilung und Gewichtsreduktion sind weitere Entwick-
lungsziele gewesen, die erfüllt wurden.
Die direkte Zufuhr des Kraftstoffs in den Brenn-
..Abb. 8.23  Leistungs-, Drehmoment- und Ver- raum wird über elektromagnetisch betätigte Drall-
brauchs-charakteristik bei Volllast (Quelle: nach MTZ) injektoren mit einer Mengenspreizung (Leerlauf-
Volllast) von über 22  realisiert. Die homogene
Die Kurbelwelle ist aus dem Werkstoff 38MnS6BY, Gemischbildung wurde durch eine saugsynchrone
das geschmiedete Crack-Pleuel aus dem Werkstoff Einspritzung beziehungsweise Doppeleinspritzung
C70S6BY gefertigt. Entsprechend der gesetzlichen erreicht. Das Verdichtungsverhältnis wurde gegen-
Forderung wurden die Pleullagerschalen auf den blei- über dem Vorgängermodell um eine Einheit ange-
freien Werkstoff G344 umgestellt. Die Kolben mussten hoben.
auch aufgrund des geänderten Brennverfahrens neu Diverse Maßnahmen, wie zum Beispiel eine be-
konzipiert werden und erhielten eine Kolbenmulde zur darfsgeregelte Ölpumpe, Formoptimierung des Kol-
Unterstützung der Gemischschichtung beim Kaltstart benringpaketes, DLC-beschichteter (Diamond Like
und anschließender Katalysatoraufheizphase. In dieser Carbon) Top-Kolbenring und Tassenstößel führten
Phase wird die Gemischschichtung durch Einspritzen zur Verringerung des Reibmitteldrucks. Der Ver-
kurz vor OT in die Kompressionsphase sichergestellt. lauf des Reibmitteldrucks über der Drehzahl zeigt
Die erhöhten Kurbelwellendrehschwingungen . Abb. 8.24.
aufgrund gestiegener Gaskräfte wurden mittels eines Die wesentlichen Motordaten sind in . Abb. 8.26
neu konzipierten Schwingungsdämpfers als Visko- dargestellt.
Dämpfer reduziert.

..Abb. 8.24 Reibmit-
teldruck der beiden
Motor­varianten (Quelle:
MTZ)
422 Kapitel 8 • Motoren

Saugmotor Aufgeladener Motor


1 Zylinderzahl 8 (V-Ausführung) 8 (V-Ausführung)
Hubvolumen [dm ] 3
4,806 4,806
2 Hub [mm] 83 83
Bohrung [mm] 96 96
3 Ventilzahl pro Zylinder 4 4
Nennleistung [kW] bei Drehzahl [min–1] 283/6.200 368/6.000
4 Maximales Drehmoment [Nm] bei Drehzahl [min ] –1
500/3.500 700/2.250 – 4.500
Verdichtungsverhältnis 12,5 10,5
5 Kraftstoff [ROZ] 98 98
CO2-Emission nach NEFZ [g/km] 329 – 358 358
6 Abgasnorm Euro 4 Euro 4
Maximaler Mitteldruck [bar] 13 18,2
7 Maximaler Einspritzdruck [bar] 120 120

8 ..Abb. 8.25  Motordaten des 4,8-Liter-V8-Ottomotors

Eine weitere Verbesserung der Motoreigenschaf-


9 ten erfolgte mittels Ladungswechseloptimierung. Für
diesen Motor wurde eine variable Saugrohranlage mit
10 schaltbarer Schwingrohrlänge entwickelt. Ladeluftküh-
ler mit erhöhter Blocktiefe erhöhten den thermischen
Wirkungsgrad und reduzierten den Druckverlust.
11 Das Brennverfahren ist für beide Varianten, Turbo-
und Saugmotor weitgehend identisch. Der Injektor
ist seitlich unterhalb des Einlasskanals angeordnet,
12 . Abb. 8.25.
Eine Mulde in der Kolbenoberfläche dient zur
13 Unterstützung der Gemischbildung beim Start und
während der Heizphase des Katalysators. Zur Unter-
stützung der Gemischaufbereitung ist der Einlasska-
14 nal so gestaltet, dass eine Tumble-Generierung mög-
lich ist. ..Abb. 8.26  Schnitt durch den Brennraum (Quelle:
15 Die Betriebsstrategien „homogen“ und „geschich-
tet“ werden jeweils mittels des Einspritzzeitpunktes ge-
MTZ)

steuert. Bei Homogenbetrieb wird eine Einzel- bezie- vorliegt, wird bei Verfahren mit Schichtladung eine
16 hungsweise eine Doppeleinspritzung in den Saughub Inhomogenität bezüglich der Zylinderladung erzeugt.
vorgenommen; bei geschichtetem Betrieb wird kurz Die Saugmotoren, seit 2007 in Serie, wurden mit einem
vor dem Zünd-OT eingespritzt. Nach dem Motorstart strahlgeführten Brennverfahren ausgestattet, welches
17 erfolgt eine Doppeleinspritzung in den Saug- bezie- sowohl im europäischen Fahrzyklus als auch im re-
hungsweise Kompressionshub, was eine Möglichkeit alen Fahrbetrieb zur Verbrauchsreduktion beiträgt.
18 darstellt, den Katalysator schnell aufzuheizen. Verwendet wurde die Direkteinspritzung der zweiten
Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik der Generation, als High Precision Injection bezeichnet.
beiden Motoren ist in . Abb. 8.27 dargestellt. Basis der Triebwerke ist einerseits das Magnesium-
19 Kurbelgehäuse mit Aluminium-Inserts für den Sechs-
zz Schichtbrennverfahren für Vier- und Sechs­ zylindermotor sowie das Aluminium-Gehäuse für den
20 zylinder-Saug-Ottomotoren von BMW [7]
Im Gegensatz zum homogenen Gemisch, bei dem
Vierzylindermotor.
Eine externe AGR dient der Reduzierung der
örtlich kein Gradient des Luft-Kraftstoff-Gemischs NOx-Emissionen im Schichtbetrieb.
8.2 • Aktuelle Motoren
423 8
..Abb. 8.27 Dreh-
moment und Leistung
(Quelle: MTZ)

Reihen-
Bauart – Sechszylindermotor Vierzylindermotor
Hub [mm] 88 90
Bohrung [mm] 85 84
Hubvolumen [dm3] 2,996 1,995
Verdichtung – 12 12
Zylinderabstand [mm] 91 91
Ventilzahl pro Zylinder – 4 4
Effektive Leistung [kW] 200 125
Bei Drehzahl [min–1] 6.700 6.700
Effektives Drehmoment [Nm] 320 210
Bei Drehzahl [min ]
–1
2.750 – 3.000 4.250
Emissionsminderung – Euro 4 Euro 4
Ventiltrieb – Rollenschlepphebel/Doppel-VANOS

..Abb. 8.28  Daten der BMW-Ottomotoren mit Schichtladung (Auszug)

Ein Ausschnitt der wesentlichen Motordaten für Unmittelbar neben dem Injektor ist die leicht zur ande-
die Sechs- und Vierzylinder-Variante zeigt . Abb. 8.28. ren Seite geneigte Zündkerze platziert. Sie erreicht mit
Als Einspritzanlage wird eine konventionelle Nie- ihren Elektroden das Rezirkulationsgebiet des Luft-
derdruckeinheit mit einem Systemdruck von 5 bar Kraftstoff-Gemisches mit einer zündfähigen Zusam-
und ein Hochdruckteil mit einen Einspritzdruck von mensetzung. Die Kolbenmulde ist so ausgeführt, dass
200 bar eingesetzt. Das Einspritzventil ist so ausge- eine Benetzung der Kolbenkrone bei der Schichtladung
bildet, dass ein hohlkegelförmiger Einspritzstrahl verhindert wird. Der Kolbenboden wird nur minimal
entsteht. Der thermische Kompensator stellt sicher, benetzt. Dieses sind Voraussetzungen für einen Betrieb
dass bei allen Betriebstemperaturen des Injektors ein mit minimalen HC-Emissionen.
konstanter Nadelhub vorliegt. Das schnelle Öffnen und Da das vorliegende Brennverfahren keine ausge-
Schließen der Nadel ermöglicht unmittelbar nachein- prägte Tumbleströmung benötigt, sind die Einlasska-
ander folgende Einspritzimpulse. näle als Füllungskanäle ausgeführt.
Mit leichter Neigung zur Einlassseite ist der In- Einen Schnitt durch den Brennraums zeigt
jektor zentral bezüglich des Brennraums angeordnet. . Abb. 8.29.
424 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.29 Schnitt
1 durch den Brennraum
(Quelle: MTZ)

2
3
4
5
6
7
..Abb. 8.30 Betriebsda-
8 ten und das Verbrauchs-
kennfeld des 3-Liter-
Sechszylindermotors
9 (Quelle: MTZ)

10
11
12
13
Der geschichtete Betrieb lässt eine Qualitätsrege- Homogenbetrieb erfolgt. Daran schließt sich der ver-
14 lung im Teillastgebiet zu. Damit kann in weiten Berei- brauchsminimierte Schichtbetrieb an, der weite Berei-
chen der Teillast auf eine Drosselregelung verzichtet che des europäischen Fahrzyklus umfasst. Der Schicht-
15 und somit die Ladungswechselverluste reduziert wer-
den.
betrieb wird nur kurzzeitig durch die Regeneration des
NOx-Speichers unterbrochen.
Besondere Aufmerksamkeit muss beim strahlge- . Abb. 8.30 zeigt die Betriebsdaten und das Ver-
16 führten Brennverfahren dem Zündsystem gewidmet brauchskennfeld des 3-Liter-Sechszylindermotors.
werden. Da die Zündkerze am Strahlrand in Nähe des Aus dem Bild sind deutlich die Verbrauchsvorteile
Einspritzsprays liegt, ist sie durch hohe Temperatur- in der unteren Teillast durch das Schichtladeverfah-
17 wechsel und Ablagerungen belastet. Daher wurde eine ren ersichtlich. So ergibt sich bei dem Betriebspunkt
Gleitfunkenkerze mit hoher Selbstreinigungsfähigkeit 2000 min−1 und einer spezifischen Arbeit von 0,2 kJ/
18 eingesetzt. dm3 ein spezifischer Verbrauch von nur 295 g/kWh.
Die Abgasnachbehandlung muss sowohl für Luft- Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik des
Kraftstoff-Verhältnisse um Lambda gleich eins, als Sechs- und Vierzylindermotors zeigt . Abb. 8.31.
19 auch für magere Gemische wirkungsvoll sein. Erreicht
wird dies durch einen motornahen Dreiwegekatalysa- zz Vierzylinder-Dieselmotor von Mercedes-
20 tor und zwei NOx-Speicherkatalysatoren.
Die Betriebsstrategie sieht vor, dass nach einer
Benz [8, 9]
Die zentralen Entwicklungsziele, des seit 2007 in Serie
Beheizung des Katalysators eine Warmlaufphase im befindlichen Motors, waren:
8.2 • Aktuelle Motoren
425 8

- Verringerung des Kraftstoffverbrauchs bei besse- Laufbuchse reduziert die Tangentialkraft der Ringbe-

- ren Fahrleistungen,
Steigerung von Drehmoment und Leistung zum
stückung mit positiven Auswirkungen auf die Reib­
leistung. Weitere vorteilhafte Ausprägungen sind:

- Vorgängermodell,
Emissionsstufe Euro 5 und Potenzial im Hinblick
Optimierung des Ölkreislaufs im Hinblick auf eine
bedarfsgerechte Regelung des Fördervolumens und

- auf Euro 6,
Motorkonzept geeignet für Längs- und Querein-
eine schaltbare Kolbenkühlung.
Die Hauptkenndaten des Motors sind in

- bau,
Optimierung und Standardisierung von Bau-
gruppen.
. Abb. 8.33 dargestellt.
Der Motor ist ausgestattet mit einer zweistufigen
Aufladung, einem Hochdruck- und einem Nieder-
druck-Abgasturbolader. Im Verdichter-Bypass ist eine
Ausgehend von einer Grundkonzeption soll der Mo- schaltbare Klappe angeordnet, die im Hochleistungs-
tor abhängig von Anforderungen mit Zusatzmodulen bereich einen parallelen Luftpfad öffnet. Damit werden
erweiterbar sein. Ein Merkmal des Grundmotors ist Druckverluste reduziert und es wird eine Überlastung
die Anordnung des Nockenwellenantriebs auf der Ge- des Hochdruckladers vermieden. Ein Luft-Luft-Lade-
triebeseite, was aus Packagegründen notwendig war, luftkühler mit hoher Kühlleistung ist notwendige Vor-
. Abb. 8.32. aussetzung für die geforderte spezifische Motorleistung.
Der Nockenwellenantrieb ist eine Kombination aus Der Motor verfügt über eine gekühlte AGR, wobei
Zahnrad und Kettentrieb. Das führt zu kurzer Motor- das rückgeführte Abgas über einen AGR-Vorkühler
länge. und einen AGR-Hauptkühler gekühlt wird. Das Abgas
Eine tiefe Anbindung der Zylinderkopfschrau- kann sowohl gekühlt oder auch ungekühlt über einen
ben und die damit einhergehende Formstabilität der Bypass dem Luftstrom in den Motor zugeführt werden.

..Abb. 8.31 Leistungs-
und Drehmomentver-
lauf des Sechs- und
Vierzylindermotors
(Quelle: MTZ)
426 Kapitel 8 • Motoren

einem Kaltstart zu erreichen. Damit lassen sich die


1 Roh­emissionen von CO und HC senken.
Die Regelung der Kühlmitteltemperatur im Rah-
2 men des Wärmemanagements auf Werte bis 70 °C,
reduziert ebenfalls die NOx-Emission.
In Kombination mit dem Fahrzeug C250 CDI be-
3 trägt der Kraftstoffverbrauch des Motors im NEFZ 5,2 l
pro 100 km. Den Verlauf von Leistung und Drehmo-
ment über der Drehzahl zeigt . Abb. 8.34.
4
zz Ottomotoren mit Direkteinspritzung
5 und Doppelaufladung von VW
Der Turbo-Spark Ignition (TSI) hat eine Leistung von
125 kW bei einem Hubvolumen von 1,4 l. Er stellt eine
6 Kombination aus Direkteinspritzung, Downsizing und
Doppelaufladung dar. Die wichtigsten Motordaten sind
7 in . Abb. 8.35 enthalten.
Das hohe Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen
und der Drehmomentverlauf über der Drehzahl sind
8 wesentlich durch den Einsatz von zwei Aufladesyste-
men bestimmt: Eine mechanische Aufladung und eine
Abgasturboaufladung. Der Abgasturbolader, der auf
9 bestmöglichen Wirkungsgrad ausgelegt ist, stellt alleine
bei niedrigen Abgasdurchsätzen den nötigen Ladedruck
10 nicht zur Verfügung. Dabei kann der Kompressor für
die mechanische Aufladung mittels einer Magnetkupp-
..Abb. 8.32  Nockenwellenantrieb beim Vierzylinder-
lung zugeschaltet werden. Ab einer bestimmten Dreh-
11 Dieselmotor
momentanforderung ist er permanent im Einsatz, bei
circa 3500 min−1 wird er abgeschaltet. Der Kompressor,
Die wesentlichen Merkmale des Einspritzsystems der als Rootsgebläse konzipiert ist, verfügt über eine in-

-
12 sind: terne Übersetzungsstufe. Die Gesamtübersetzung bezo-
Common-Rail-System mit 2000 bar Einspritz- gen auf die Kurbelwelle beträgt i = 0,2.
13
14
- druck,
bis zu fünf Einspritzvorgänge pro Gesamtein-
spritzung.
Den Betriebsbereich des Kompressors zeigt
. Abb. 8.36.
Angetrieben wird der Kompressor über einen
fünfrilligen Keilrippenriemen von der Wasserpumpe
Der Einsatz einer sauggedrosselten Hochdruckpumpe aus. Die Geräuschdämpfung des Kompressorsystems
15 hält den Wärmeeintrag in den Kraftstoff gering, so dass
auf eine Kraftstoffkühlung verzichtet werden kann. Bei
erfolgt neben einer Akustikoptimierung der Kompres-
sormechanik auch durch eine Reduktion der Luftpul-
einem erstmals eingesetzten, direktbetätigten Piezoin- sation sowie spezielle Breitbanddruckdämpfer am Ein-
16 jektor, ist eine direkte Ventilnadelsteuerung realisiert. und Austritt. Kompressor und Dämpfer sind zusätzlich
Vorteile gegenüber einem Servoinjektor liegen zum gekapselt.
Beispiel in einem höheren realisierbaren Kraftstoffvo- Die Gaswege von Luft und Abgas sind schematisch
17 lumen und darin, dass das System leckagefrei ist. Ins- in . Abb. 8.37 dargestellt.
gesamt führt dies zu einer besseren Regelbarkeit bei Da zur Reduktion der thermischen Belastung auf
18 der Mehrfacheinspritzung und zu einer vom Raildruck eine Anfettung zugunsten eines niedrigen Kraftstoff-
unabhängigen Einspritzrate. verbrauchs verzichtet wurde, ist die Turbinenseite des
Der Motor erfüllt die ab September 2009 geltende Laders Temperaturen bis 1050 °C ausgesetzt. Dies be-
19 Abgasnorm Euro 5. Die Grenzwerte werden ohne eine deutet eine entsprechende Anpassung der Werkstoffe.
aktive NOx-Abgasnachbehandlung eingehalten. Das Turbinengehäuse besteht aus einem hochhitzebe-
20 Ein Ziel des angewandten Thermomanagements
ist die Kühlmittelbewegung zu verhindern, um eine
ständigen Stahlguss, das Turbinenrad aus einer hoch-
warmfesten Nickellegierung MAR 246. Für die Welle
möglichst schnelle Aufheizung des Brennraums nach wird der Werkstoff X45CrSi9.3 verwendet.
8.2 • Aktuelle Motoren
427 8

Bauart – Reihen-Vierzylinder
Ventilzahl pro Zylinder – 4
Hubraum cm 3
2.143
Zylinderabstand mm 94
Hub mm 99
Bohrung mm 83
Pleuellänge mm 143,55
Maximaler Spitzendruck bar 200
Aufladegrad bar 3
Stegbreite mm 11
Ventilwinkel Grad 6
Nennleistung bei Drehzahl kW bei min –1
150 bei 4.200
Maximales Drehmoment bei Drehzahl Nm bei min –1
500 bei 1.600 – 1.800
Verdichtungsverhältnis – 16,2
Maximaler effektiver Mitteldruck bar 29,33
Abgasnorm – EU5
Literleistung kW/Liter 70

..Abb. 8.33  Kenndaten des Motors

..Abb. 8.34 Leistungs-
und Drehmomentcha-
rakteristik des Vierzylin-
der-Dieselmotors

In das Motorkühlsystem ist die Wasserkühlung kreiskühlung (Kopf und Block getrennt) geeignet und
des ATL eingebunden. Eine Kühlmittelnachlaufpumpe bietet Vorteile bezüglich Zylinderrohrverformung.
sorgt für die Kühlung des ATL nach Abstellen des Mo- Einen Beitrag zur Gesamtakustik leistet die Stahl-
tors. kurbelwelle durch den höheren E-Modul im Vergleich
Das GG-Zylinderkurbelgehäuse mit einer mittle- zu einer Kurbelwelle aus Grauguss und die daraus re-
ren Wandstärke von 3 mm ist als Deep-Skirt-Gehäuse sultierende höhere Steifigkeit.
ausgeführt und wiegt 29 kg. Die Open-Deck-Konst- Das Kolbengewicht des gegossenen Kolbens beträgt
ruktion ist besonders für die hier verwendete Zwei- 238 g. Die mit einer Kante zur Strömungsführung ver-
428 Kapitel 8 • Motoren

Zylinderzahl [–] 4 Zur Minderung der Kaltstartemissionen wird der


1 Katalysator durch eine Doppeleinspritzung (während
Zylinderabstand [mm] 82
des Ansaugphase und vor dem Zünd-OT) aufgeheizt.
2 Hubraum [dm3] 1,39 Das Einspritzventil, als Mehrloch-Hochdruckeinspritz-
ventil konzipiert, ist auf der Einlassseite platziert und hat
Hub [mm] 75,6
sechs Kraftstoffaustrittsbohrungen. Der Einspritzdruck
3 Bohrung [mm] 76,5 beträgt im Leerlauf 60 bar, in der Volllast bis zu 150 bar.
Verdichtung 10 Die unter anderem oben beschriebenen Maß-
nahmen des Downsizing Konzepts führten zu einem
4 Leistung bei Drehzahl [kW/min–1] 125/6.600
niedrigen Kraftstoffverbrauch in weiten Bereichen des
Drehmoment [Nm/min–1] 240/1.750 Kennfeldes, welcher in . Abb. 8.38 dargestellt ist.
5 Maximaler Ladedruck [bar absolut] 2,5 Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik des
Motors zeigt . Abb. 8.39.
Maximaler effektiver Mitteldruck [bar] 21,6
Ab 2008 steht der 1,4-Liter-TSI-Motor mit zwei
6 Kraftstoffverbrauch [l/100 km] 7,2 Abgasturboladern und 90 kW zur Verfügung, der sich
unterhalb des oben beschriebenen Aggregates einord-
..Abb. 8.35  Kenndaten des Motors
7 net. Ende 2009 ist ein 1,2-Liter-TSI-Motor geplant,
der einen weiteren Schritt in Richtung Downsizing
sehene Kolbenmulde ist bearbeitet. Zur Anpassung auf darstellt.
8 Zünddrücke in Richtung 120 bar musste der Kolben-
bolzendurchmesser von 17 auf 19 mm erhöht werden. zz V8-DTI-Motor von Audi
Öl- und Kraftstoff-Hochdruckpumpe wurden an Die Hauptabmessungen und wesentlichen Kenndaten
9 die größeren Massendurchsätze angepasst. sind . Abb. 8.40 zu entnehmen.
Mit Hilfe des Ladeluftkühlers kann die Ansaug- Der neue V8-Motor mit einer Leistung von
10 luft auf 5 °C über Umgebungstemperatur rückgekühlt
werden.
320 kW verfügt über ein maximales Drehmoment von
900 Nm, das bereits ab einer Drehzahl von 1000 min−1
Der Brennraum des Motors mit Benzin-Direkt- zur Verfügung steht.
11 einspritzung ist als Dachbrennraum mit zentraler Möglich wird das u. a. durch den Einsatz eines
Zündkerzenlage ausgeführt. In Kombination mit einer elektrisch angetriebenen Verdichters und einer Regis-
flachen Kolbenmulde kann eine Verdichtung von 10 ter-Turboaufladung. Die Registerschaltung ist direkt
12 erreicht werden. Die Ladungsbewegungsklappen, wel- mit den jeweiligen Auslassventilen gekoppelt. Das
che die Einlasskanäle im unteren Drehzahlbereich zur erste Auslassventil jedes Zylinders leitet das Abgas zu
13 Hälfte schließt, erhöht die Ladungsbewegung. Ab einer dem sog. „aktiven“ ATL. Die zweiten Auslassventile
Drehzahl von 2800 min−1 geben die Klappen den ge- und damit die Zuleitung zur zweiten Turbine, dem
samten Einlasskanalquerschnitt frei. sog. passiven ATL, sind geschlossen. Ab 2200 min−1
14
..Abb. 8.36 Betriebs-
15 bereich des Kompres-
sors (Quelle: MTZ)

16
17
18
19
20
8.2 • Aktuelle Motoren
429 8
..Abb. 8.37 Gaswege
von Luft und Abgas
(Quelle: MTZ)

..Abb. 8.38  Verbrauchskennfeld (Quelle: MTZ)

erfolgt eine schrittweise Zuschaltung des Abgases aus Die Aufladegruppe des V8-Motors ist aus
dem zweiten Auslassventil über ein Öffnen der jeweils . Abb. 8.41 zu erkennen.
zweiten Auslassventile in eine separate Zuleitung zum Der elektrisch angetriebene Verdichter hat eine
passiven ATL. Die maximale Abgastemperatur beträgt Leistungsaufnahme von 7 kW und eine Hochlaufzeit
800 oC. Beide Abgasturbolader sind mit einer variablen von 250 ms, was zum schnellen Drehmomentaufbau
Turbinengeometrie ausgestattet. beiträgt. Der maximale Ladedruck beträgt 3,4 bar.
430 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.39  Leistungs- und Drehmoment-


1 verlauf (Quelle: MTZ)

2
3
4
5
6 Bauart V8-Motor mit 90o V-Winkel
Hubvolumen [dm3] 3, 956
7 Hub [mm] 91,4
Bohrung [mm] 83
8 Verdichtungsverhältnis 16
Zylinderabstand [mm] 90
9 Pleuellänge [mm]
Zündfolge
160,5
1-5-4-8-6-3-7-2
Nennleistung [kW] 320 von 3750 bis 5000 min-1
10 Maximales Drehmoment [Nm] 900 von 1000 bis 3250 min-1
Emissionsstufe Euro 6
11 Gewicht [kg] 266,5

..Abb. 8.40  Kennwerte des V8-TDI Bi-Turbo


12
Im Betrieb mit nur einem ATL erfolgt der La- Das AL-Kurbelgehäuse hat eine Spitzendruckfä-
13 dungswechsel über zwei Einlass- und ein Auslassventil. higkeit von 205 bar und eine Nanoslide- Beschich-
Die Abgasnachbehandlung muss einen Abgasmas- tung der Lauffläche. Das Pleuelstangenverhältnis ist
senstrom von 1600 kg/h bewältigen. Sie ist gekenn- optimiert bezüglich Verbrennung und Reibung. Die
14 zeichnet durch einen Dieselpartikelfilter mit einem Wellen des wälzgelagerten Lanchaster-Ausgleichs sind
Volumen von 5 l und einer SCR-Beschichtung und rechts und links neben der Kurbelwelle angeordnet.
15 einem NOx-Oxidationskatalysator von ca. 2,5 l Volu-
men. Damit ist eine optimale NOx-Reduktion in unter-
Die Motormasse konnte um mehr als 35 kg gesenkt
werden.
schiedlichen Temperaturbereichen möglich. Weiterhin wurde auf einheitliche Schnittstellen
16 Das Einspritzsystem ist ein Common Rail mit zum Fahrzeug geachtet, was u. a. Vorteile in Bezug auf
2500 bar und Piezoinjektoren. Die spezifischen Kraft- eine deutliche Reduzierung der Varianten der Abgas-
stoffverbräuche zeigt . Abb. 8.42. anlage, eine motornahe Anordnung Abgasanlage und
17 eine einheitliche Medienschnittstelle zu den Fahrzeu-
zz Neue Diesel-Motorenfamilie Mercedes Benz gen erbrachte.
18 OM654 Eingesetzt wird ein geschmiedeter und geschweiß-
Einige wesentliche Festlegungen der Neuentwicklung ter Stahlkolben aus 42 CrMo4 mit Stufenmulde. Da-
waren ein Einzelzylindervolumen von knapp 500 cm3, mit wurde eine Minimierung der von den Einspritz-
19 mit einer Bohrung von 82 mm und einem Hub von strahlen nicht erfassten Schadvolumina erreicht, mit
92,3. Der Zylinderabstand beträgt 90 mm. Die hohlge- der Folge einer besseren Luftausnutzung und daraus
20 bohrte, geschmiedete Stahl-Kurbelwelle ist mit einem
Hauptlagerdurchmesser von 55 mm und einer Breite
resultierend niedrigere Partikelemissionen.
Eine höhere Brenngeschwindigkeit, die gleichmä-
von 20 mm ausgeführt. ßigere Temperaturverteilung am Zylinderkopf sowie
8.2 • Aktuelle Motoren
431 8

..Abb. 8.41  Schematische Darstellung der Aufladegruppe des V8-Motors mit Bi-Turboaufladung (Quelle: MTZ/
BMW)
..Abb. 8.42 Spezi-
fischer Kraftstoffver-
brauch (Quelle: MTZ/
BMW)

geringere Wandwärmeverluste sind weitere Vorteile,


die zur Wirkungsgradverbesserung beitragen.
. Abb. 8.43 zeigt den Kolben mit Stufenmulde.
Ein Element zur Erzielung niedriger Rohemis-
sionen ist das eingesetzte Mehrwege-AGR-System,
bestehend aus zwei AGR-Pfaden. Beide Systeme
Hochdruck- und Niederdruck-AGR sind gekühlt. Das
notwendige Druckgefälle wird über eine Abgasklappe ..Abb. 8.43  Stahlkolben mit Stufenmulde (Quelle:
erreicht. nach Daimler)
432 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.44 Leistung
1 und Drehmoment des
2 l Dieselmotors

2
3
4
5
6
7 zz Drei- und Vierzylinder-Ottomotoren
von BMW
Die Varianten umfassen zwei Dreizylindermotoren mit
8 1,2 und 1,5 Liter Hubvolumen sowie einen 4-Zylinder
Motor mit 2 Liter Hubvolumen. Die 1,2 Liter Variante
bietet eine Nennleistung von 75 kW; die 1,5 Liter Va-
9 riante wurde in zwei Leistungsvarianten entwickelt,
nämlich mit 100 kW und 170 kW. Die 4-Zylinderaus-
10 führung leistet 140 kW. Die Grundabmessungen des
4-Zylinder Motors entsprechen denen des Dreizylin-
dermotors. Den Leistungs- und Drehmomentverlauf
11 ..Abb. 8.45  Leistungs- und Drehmomentvarianten der verschiedenen Varianten zeigt . Abb. 8.45.
des Ottomotors mit Direkteinspritzung Das Aluminium-Kurbelgehäuse für den Drei- bzw.
Vierzylindermotor zeigt . Abb.  8.46. Die sehr ver-
12 schleißfeste Beschichtung der Laufbahn ist 0,3 mm dick
Die Konzeption der gesamten Abgasnachbehand- und begünstigt die Wärmeabfuhr in das Kühlmittel. Die
13 lung ist auf die Erfüllung künftiger Emissionsgesetzge- freien Massenmomente erster Ordnung werden beim
bungen (WLTP und RDE) ausgelegt. Die Abgasanlage, Dreizylindermotor durch eine im Motorblock gelagerte
zusammengesetzt aus verschiedenen Einzelmodulen Ausgleichswelle aufgefangen. Beim Vierzylindermotor
14 zur Abgasnachbehandlung, beinhaltet u. a. einen Oxi- erfolgt der Ausgleich der oszillierenden Massenkräfte
dationskatalysator, ein SCR-beschichtetes Partikelfilter zweiter Ordnung durch zwei Ausgleichswellen. Bei bei-
15 und einen SCR-Katalysator. Mit dem SCR-beschichteten
Partikelfilter ergibt sich eine effiziente NOx-Minderung
den Varianten sind die Ausgleichswellen wälzgelagert.
. Abb. 8.47 zeigt beispielhaft die Grundabmessun-
bei niedrigen Abgastemperaturen. Der unmittelbar gen des Dreizylindermotors.
16 dahinter platzierte SCR-Katalysator sorgt für opti- Alle Varianten sind mit Abgasturboaufladung
male Umsatzraten im Hochlastbereich. Ein AbBlue- versehen, wobei ein sog. Twinscroll-Turbomodul mit
Verdampfungs- und Mischerkonzept mit einer extrem integriertem Abgaskrümmer eingesetzt wird. Das ga-
17 hohen NH3-Gleichverteilung über den großen Kataly- rantiert eine Trennung der Abgasfluten bis hin zum
satorquerschnitt garantiert hohe NOx-Umsatzraten. Ein Turbinenrad mit der Folge eines hohen Drehmoments
18 NH3-Sperrkatalysator kann daher entfallen. bei niedrigen Drehzahlen. Ein wassergekühlter Ab-
. Abb.  8.44 zeigt den Leistungs- und Drehmo- gasturbolader aus Aluminium ergibt eine deutliche
mentverlauf über der Drehzahl. Gewichtsersparnis. Der Einsatz eines wassergekühl-
19 Die Gewichtsreduzierung, eine deutliche Reduk- ten Krümmers beim Dreizylindermotor reduziert die
tion der Reibungsverluste im Triebwerk von teilweise Temperaturbelastung des motornahen Katalysators mit
20 über 30 %, der Einsatz des Stufenmuldenbrennverfah-
rens, Verbesserung der AGR etc. brachten einen Ver-
Vorteilen bezüglich der Katalysatoralterung. Die Trieb-
werke erfüllen die strengsten Abgasnormen weltweit,
brauchsbestwert von 102 g CO2/km. Euro 6, ULEV, SULEV.
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
433 8

..Abb. 8.46  Aluminium-Kurbelgehäuse für den Drei- bzw. Vierzylindermotor (Quelle MTZ/BMW)

..Abb. 8.47  Daten der Hubraum [cm3] 1499


BMW Drei- und Vierzylin- Bohrung [mm] 82
dermotoren Hub [mm] 94,6
Pleuellänge [mm] 148,2
Zylinderabstand [mm] 91
Verdichtungsverhältnis 11
Leistungsvariante 100 kW Leistungsvariante 170 kW
Max. Leistung bei Drehzahl 100 kW/ 4500 min-1 170 kW/ 5800 min-1
Max. Drehmoment bei Drehzahl 220 Nm/ 1250 min-1 320 Nm/ 3500 min-1
Max spezifische Arbeit 1,82 kJ/l 2,35 kJ/l

Durch Optimierung des Brennverfahrens in Ver- 8.3.1 Motorräder für die Straße
bindung mit Änderungen der Kolbenmuldenform (On road)
wurde die Ladungsbewegung gesteigert, was zu einer
besseren Gemischhomogenisierung und damit einer Im Gegensatz zu Rennmotoren im Straßen- und Gelän-
schnelleren Verbrennung führt. debereich müssen Motoren für straßenzugelassene Mo-
torräder haltbar, vibrationsarm, wartungsarm, preiswert
zu produzieren und auch recycelbar sein. Zudem müs-
8.3 Motorradmotoren/ sen sie immer strenger werdende gesetzliche Richtlinien
Sondermotoren erfüllen. Sie können daher nicht rein unter Leistungsge-
sichtspunkten ausgelegt werden, . Abb. 8.49.
Motorradmotoren sind heute generell Viertaktmoto- In der Geschichte des Motorradmotorenbaus hat
ren. Der Wechsel vom Zweitakt- zum Viertaktmotor es viele verschiedene Bauarten von Hubkolbenmoto-
begann Anfang der 1980er-Jahre. Ausnahmen bilden ren gegeben, vom Einzylinder- bis hin zum Achtzylin-
Geländemotorräder (Off road) wie Motocross und dermotor. Der größte Teil am Gesamtangebot wurde
Enduro und Sonderanwendungen (. Abb. 8.48). durch Ein-, Zwei- und Vierzylindermotoren abge-
deckt. Alle haben für sich betrachtet ihre spezifischen
Vorteile und Reize im Leistungsverhalten. Wegen der
sehr unterschiedlichen freien Massenkräfte und Mo-
mente und auch Zündabstände weisen sie auch sehr
individuelles Vibrations- und auch Klangverhalten
auf. Der Stellenwert der Einleitung dieser Kräfte vom
Motor in den Rahmen ist beim Motorrad wesentlich
434 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.48 Beta-Mo-
1 tor-Trial-Fahrzeug

2
3
4
5
6
7
8
9 Leistung
Komfort Drehmoment

10 Haltbarkeit Kosten
Straßen-
zugelassener
11 Recycling
Motor Wartungs-
armut
Geräusch-
12 Gewicht
Abgas-
gesetzgebung
gesetzgebung

13 ..Abb. 8.49  Einflussgrößen auf Motorradmotoren

14 größer als beim Auto, weil die Motoren anders als


beim Auto meist als mittragendes Element steif mit
15 dem Rahmen verschraubt sind. Zusätzlich müssen ei-
nige Motoren auch Fahrwerkselemente wie Schwin-
genlager aufnehmen.
16
8.3.1.1 Einzylindermotoren
Der Einzylindermotor stellt die einfachste Bauform
17 dar und wird nach wie vor in viele leichte Fahrzeuge
eingebaut, . Abb. 8.50. ..Abb. 8.50  Einzylindermotor mit Ölkreislauf
18 Typische Vertreter sind Enduro- und Supermoto-
Fahrzeuge. Sein Hubraum ist auf circa 800 ccm be-
grenzt, weil mit zunehmendem Hubraum die beweg- Hinzu kommt das bei großen Zylinderhubvolu-
19 ten Massen von Triebwerk- und Ventiltriebsbauteilen mina schwieriger werdende Brennverhalten. Die fla-
überproportional schwerer werden. Dies begrenzt die chen Brennräume mit ungünstigem Volumen-Ober-
20 erreichbaren Drehzahlen und damit die spezifische
Leistung.
flächen-Verhältnis stellen immer höhere Ansprüche
an die Entflammungsphase bei Niedriglast im unte-
ren Drehzahlbereich. Bei Gemischen von λ = 1 und
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
435 8

..Abb. 8.52  Prinzip Einspritzung

..Abb. 8.51  KTM 690

gleichzeitig viel internem Restgas, was aufgrund des


für hohe Literleistung notwendigen Ventilüberschnei-
dungsquerschnitts zwangsläufig vorherrscht, muss eine
saubere Gemischaufbereitung und die exakte Lage der
Zündkerze dafür sorgen, dass das Gemisch sicher ent- ..Abb. 8.53  KTM 690 Super Moto
flammt und ausreichend schnell durchbrennt.
Ansonsten sind trotz der für Euro 3 notwendigen Anordnungen der beiden Zylinder sind der Reihen-
Katalysatoren die Abgasgrenzwerte nicht zu unterbie- motor, der V-Motor und der Boxermotor.
ten und die Fahrbarkeit leidet stark. Dies äußert sich in
Ruckeln bei der Konstantfahrt und in Lastwechselsitua- zz Zweizylinder-Reihenmotor
tionen, wo ein hartes Wiedereinsetzen der Verbrennung Beim Zweizylinder-Reihenmotor stehen zwei Zylin-
nach einer Schubphase eine „saubere“ Kurvenlinie spe- der nebeneinander und können längs wie quer ins
ziell in engen Radien (Alpen-Kehren) vereiteln kann. Fahrwerk eingebaut werden. Die Kurbelwelle kann
Komfortmäßig tun sich große Einzylinder natur- 180  oder 360° Zündabstand haben, das heißt die
gemäß schwer. Um Motoren mit mehr als 600 cm3 Kolben bewegen sich gegenläufig beziehungsweise
für Drehzahlen von 8000 min−1 und mehr überhaupt gleichläufig.
noch erträglich komfortabel zu machen, werden heute Dies bringt jeweils ein eigenes Massenkraft- und
häufig Ausgleichswellen verbaut, die die Massenkräfte Klangverhalten mit sich. Bei der 180° Variante sind
1. Ordnung verringern. Ausgleichswellen bringen aller- die Massenkräfte 1. Ordnung ausgeglichen. Dafür gibt
dings Gewichtsnachteile und vor allem ungewünschte es Massenkräfte 2.  Ordnung und Massenmomente
Schwungmasse, was die Spontanität des Ansprechens 1. Ordnung. Die 360° Variante hat dagegen Massen-
verschlechtert, . Abb. 8.51, 8.52 und 8.53. kräfte 1. und 2. Ordnung, aber keine freien Massen-
momente, . Abb. 8.54.
8.3.1.2 Zweizylindermotoren Vorteile des Reihenmotors sind sein einfacher
Größere Hubräume als 800 ccm werden üblicherweise Aufbau und die geringe Teilezahl, was ihn sehr kos-
auf mehrere Zylinder verteilt. Sehr beliebt sind die tengünstig macht. Der gemeinsame Zylinderkopf und
Zweizylindermotoren. Die am häufigsten gewählten -block und die gemeinsam genutzte Ventilsteuerung
436 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.54 Mas-
1 senkräfte Zweizy-
linder-Reihenmotor
(360°/180°-Kurbelwelle)
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
..Abb. 8.56  BMW F800 Zylinderkopf
14
zept eingesetzt. Zwischen den beiden Zylindern ist ein
15 Ausgleichspleuel angeordnet, welches auf einer recht-
winklig zur Zylinderachse angebrachten, im Motorge-
häuse abgestützten Ausgleichsschwinge hängt. Die Ki-
16 nematik ist so ausgelegt, dass sich das Ausgleichspleuel
..Abb. 8.55  BMW-Zweizylinder-Reihenmotor F800 gegenläufig zu den beiden Motorpleuel bewegt. Durch
die Führung über die lange Schwinge wird eine annä-
17 begrenzen Gewicht und Reibstellen. Gleiche Küh- hernd gerade Auf- und Abbewegung des kleinen Auges
lungsbedingungen für Auspuff und Saugrohre bewir- des Ausgleichspleuels erreicht und so die freien Mas-
18 ken sehr ähnliches Brennverhalten der Zylinder. senkräfte 1. Ordnung vollständig und die 2. Ordnung
Moderne Vertreter dieser Bauart werden der- zu 70 % ausgeglichen, . Abb. 8.57 und 8.58.
zeit in der BMW F800 und MZ 1000SF eingesetzt,
19 . Abb. 8.55 und 8.56. zz V2-Motor
Der bei Rotax entwickelte F800-Motor hat als Par- Beim Zwei-Zylinder-V-Motor werden die beiden
20 allel-Twin eine 360°-Kurbelwelle. Um trotzdem heuti-
gen Komfortansprüchen gerecht zu werden, wurde im
Einzelzylinder mit einem Versatz zueinander auf ein
gemeinsames Kurbelgehäuse gesetzt. Er wird in ver-
Motor ein recht ungewöhnliches Massenausgleichskon- schiedenen V-Winkeln von 45 bis 180° ausgeführt. Ty-
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
437 8

..Abb. 8.58  BMW F800 Kurbeltrieb

den Pleuel zu drehen. Da der Abstand zwischen den


..Abb. 8.57  BMW F800 Massenausgleich Pleuelmitten klein ist, sind auch die bei allen V-Moto-
ren vorhandenen freien Massenmomente klein.
Der V-Motor benötigt eigene Nockenwellen für je-
pisch ist, dass die Pleuel dabei auf einem gemeinsamen den Zylinderkopf, was Fertigungskosten und Gewicht
Kurbelzapfen geführt werden, so dass die Motorbreite erhöht. Durch zusätzliche Lagerstellen nehmen auch die
schmaler als beim Reihenmotor ausfällt. Reibverluste im Ventiltrieb zu. Die Kühlsituation durch
Die Wahl des Zylinderwinkels ist unter anderem den Fahrtwind ist für beide Zylinder unterschiedlich.
vom Hub-Bohrungs-Verhältnis, Bauraum und Ein- Dies wirkt sich bei den heute meist wassergekühlten
satzzweck des Motors abhängig. Mit abnehmenden V- Motoren kaum auf die Zylinderkühlung, wohl aber auf
Winkeln unterhalb von 90° wird die Motorbaulänge die Auspuffkühlung aus. Die unterschiedlich heißen
geringer, die Bauhöhe nimmt leicht zu. Kleine Zylin- Abgase haben auch unterschiedlich große Schallge-
derwinkel werden daher bevorzugt, wenn Motorräder schwindigkeiten, wodurch sich die Wellenbewegungen
mit kurzem Radstand geplant sind. Die Reduzierung im Auspuff ändern. Damit ergeben sich ungleiche La-
des Winkels hat aber unter Bauraumgesichtspunkten dungswechselbedingungen. Auch die ungleichmäßigen
Grenzen. Um eine Berührung der Kolben im Zwickel- Zündabstände wirken sich zwar leicht nachteilig auf den
bereich ausschließen zu können, müssen bei kleinen Ladungswechsel aus, erzeugen aber ein sehr angeneh-
Zylinderwinkeln längere Zylinder und Pleuel ver- mes Klangbild. Deshalb und wegen seiner angenehmen
wendet werden. Dies treibt einerseits die bewegten Leistungscharakteristik ist der V-Motor trotz seiner sys-
Massen in die Höhe, was sich auf die erreichbaren tembedingten Nachteile sehr beliebt.
Drehzahlen und Motorbelastungen auswirkt. An- Einige typische Zylinderwinkel sind eng mit Motor-
dererseits steigt die Bauhöhe und auch die Baulänge radherstellern verknüpft. Ducati verwendet seit jeher ei-
des Motors, was wiederum das Package von Tank und nen 90°-Winkel und bezeichnet den Motor als L-Motor.
Airbox stört. Es muss also immer ein Kompromiss Zu Beginn waren die Motoren luftgekühlt und die 90°
gesucht werden. als liegendes L waren günstig für die Kühlsituation. Die
Alle  V-Motoren weisen Massenkräfte 1.  und große Baulänge war nicht so nachteilig, weil Ducati da-
2. Ordnung auf. Die 90°-V-Motoren sind deshalb so mals für gute Fahrstabilität lange Radstände und großen
beliebt, weil diese Massenkräfte durch Gegengewichte Nachlauf favorisierte. Beim Übergang auf Wasserküh-
vollständig ausgeglichen werden können. Übrig blei- lung und Vierventiltechnik der heutigen Superbike-
ben nur die Massenmomente, die auftreten, weil die Modelle wurde der Zylinderwinkel beibehalten.
Pleuel auf einem Hubzapfen liegen und somit einen Auch typisch für den Ducati Twin ist die Zwangs-
Zylinderachsenversatz aufweisen. Die Massenkräfte steuerung der Ventile (Desmodromik), die mit ihren
versuchen dadurch, den Motor um die Mitte zwischen Schließnocken sehr hohe Ventilbeschleunigungen zu-
438 Kapitel 8 • Motoren

1
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6
..Abb. 8.59  Ducati 90°-V-Motor
7
8 ..Abb. 8.61  KTM LC8 V75°

9
10
11
12
13
..Abb. 8.60  Moto Morini 87° V-Motor
..Abb. 8.62  KTM 990 Super Duke
14
15 lässt und so sehr hohe Zylinderfüllungen ermöglicht.
Aufgrund der Werkstoffverbesserungen bei den Ven-
Straßenmodelle (Super Duke, Super Moto). KTM wird
den 75° Winkel auch beim hubraumstärkeren Nachfol-
tiltriebsbauteilen sind die Vorteile zu herkömmlichen ger des LC8-Motors beibehalten, der in das Superbike
16 Ventiltrieben allerdings sehr klein geworden. Trotz- RC8 eingebaut werden soll und dadurch nochmals deut-
dem ist der wassergekühlte Ducati L-Twin mit Testa- lich leistungsgesteigert wird, . Abb. 8.61.
stretta-Zylinderkopf mit Literleistungen von 140 PS Den KTM LC8 zeichnen besonders die sehr ge-
17 (999) beziehungsweise 150 PS (999R) Benchmark in ringe Schwungmasse und das sehr geringe Gewicht
der Zweizylinderklasse, . Abb. 8.59 und 8.60. aus. Entsprechend extreme Agilität im Handling und
18 KTM hat sich beim Entwurf des LC8-Motors wegen im Ansprechverhalten sind die Folge. Hier ist KTM
maximaler Kompaktheit mit kurzer Baulänge für einen sicherlich Benchmark bei den Zweizylindermotoren,
75°-V-Motor entschieden. Um den im Vergleich zum . Abb. 8.62 und 8.63.
19 90°-Motor systembedingt schlechteren Massenausgleich Aprilia verwendet bei den großen Viertaktmodel-
zu verbessern, ist der Motor mit einer Ausgleichswelle len einen 60°-V-Motor von Rotax, ein sehr drehfreu-
20 ausgestattet. Mit seinen sehr kompakten Außenmaßen
passt dieser Motor sowohl in die großen Offroad-Mo-
diges Aggregat, das sogar mit zwei Ausgleichswellen
versehen ist, von denen eine vor der Kurbelwelle und
delle (Adventure, Super Enduro) als auch in die reinen eine im Zylinderkopf liegt, . Abb. 8.64 und 8.65.
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
439 8

..Abb. 8.63  KTM RC8 ..Abb. 8.65  Aprilia Mille Factory

..Abb. 8.64  60°-V-Motor (Aprilia Mille) ..Abb. 8.66  45°-V-Motor (Harley-Davidson) Primäran-


trieb (Kette)

Einer der bekanntesten Vertreter der V-Motoren zz Boxermotor


ist Harley-Davidson. Dort wird der 45°-Winkel ge- Der Boxermotor ist eine Bauform, bei der sich die
pflegt. Zylinder in einer Ebene gegenüberliegen. Die au-
Da bei Harley-Davidson langsam laufende ßenliegenden Kolben arbeiten auf einer in der Mitte
Langhuber mit zwei Ventilen und seitlicher Ansaug- liegenden Kurbelwelle. Der große Unterschied zum
anlage Tradition haben, stören die notwendigen langen V-Motor ist, dass die Pleuel nicht auf einem gemein-
Pleuel und die große Bauhöhe nicht sehr. Die Motoren samen Hubzapfen arbeiten, sondern jeweils auf einem
können wegen der geringen notwendigen Schräglagen- eigenen. Die Hubzapfen liegen um 180° versetzt, so
freiheit tief ins Fahrwerk gesetzt werden. Die heftigen dass sich die Kolben symmetrisch aufeinanderzu- und
Vibrationen werden durch weiche Lagerungen her- -wegbewegen.
ausgefiltert. Interessant ist der Primärantrieb, der über Diese Bauform ist bereits sehr früh entstanden,
eine Kette erfolgt. Zwei unten liegende Nockenwellen weil keine freien Massenkräfte wirken. Sie sind völlig
betätigen über lange Stößelstangen die Ventile, was nur ausgeglichen. Der Abstand der Pleuel ist durch die Ein-
geringe Höchstdrehzahlen zulässt, . Abb. 8.66, 8.67 zelhubzapfen (häufig mit Mittellager zwischen den Zap-
und 8.68. fen) deutlich größer als beim V-Motor. Dies bringt im
Einige Hersteller verwenden bei Motoren mit Zy- gleichen Maße höhere freie Massenmomente mit sich,
linderwinkeln unter 90° einen Hubzapfenversatz, um die beim Zweizylindermotor nicht ausgeglichen werden
das Massenausgleichs- und Klangverhalten dem des können. Das ist nur beim Sechszylinder-Boxer (siehe
90°-Motors anzunähern. Dies gelingt auch bei einigen Porsche) möglich. In der Praxis läuft ein Zwei-Zylinder-
Motoren gut. Allerdings birgt ein großer Zapfenversatz Boxermotor nicht kultivierter als ein guter V-Motor.
auch mechanische Risiken. Es kann dann bei hohen Größter Verfechter des Boxerkonzeptes ist die
Drehzahlen zu Kurbelwellenbrüchen kommen, wenn BMW AG, die den luftgekühlten Boxermotor seit
die Überdeckung der Hubzapfen nicht ausreichend Jahrzehnten pflegt. Drehzahl- und damit leistungs-
groß dimensioniert wird, . Abb. 8.69. mäßig waren die BMW-Boxermotoren immer durch
440 Kapitel 8 • Motoren

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..Abb. 8.67  45°-V-Motor (Harley-Davidson) Stößel-
6 stangen ..Abb. 8.69  V-Kurbelwelle mit Hubzapfenversatz

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..Abb. 8.68  Harley-Davidson Softtail Deluxe
11 ..Abb. 8.70 BMW-R1200 S

ihren Stößelstangen-Ventiltrieb begrenzt. Dies gilt


12 auch für die derzeitige Ausbaustufe mit 1200 cm3, die ellen Dreizylindermotoren von Triumpf und Benelli,
in vielen Modellen eingesetzt wird. Durch Verringe- . Abb. 8.76 arbeiten mit 120° Zündabstand. Sie haben
13 rung der bewegten Massen und die Konzentration keine freien Massenkräfte, da die immer durch die ge-
auf maximalen Luftdurchsatz wurde inzwischen auch genläufigen Bewegungen der Kolben ausgeglichen wer-
eine sportliche Variante erzeugt, die erstmals höhere den. Es bleiben nur freie Massenmomente, die dadurch
14 Drehzahlen erreicht. Damit kann eine Literleistung entstehen, dass die beiden äußeren Zylinder versuchen,
von etwa 100 PS/L erreicht werden, was die Grenze den Motor um die Mittelachse zu drehen.
15 für luftgekühlte Serienmotoren darstellt. Das Vibrati-
onsverhalten dieses Sportmotors ist allerdings deutlich
Durch die geringeren bewegten Massen als beim
Zweizylinder kann der Dreizylinder etwas höhere
unkomfortabler als bei den gemäßigteren Modellen, Drehzahlen erreichen. Die im Vergleich zu Vierzy-
16 . Abb. 8.70, 8.71, 8.72, 8.73 und 8.74. lindern größeren Einzelhubräume verbessern das
Drehmomentverhalten im unteren Drehzahlbereich,
8.3.1.3 Mehrzylindermotoren was zusammen mit dem angenehm sonoren Sound zu
17 Aufgrund der kleineren Einzelhubräume und den da- einem sehr attraktiven Motorenkonzept führt.
mit verbundenen kleineren bewegten Massen der Bau-
18 teile können mit zunehmender Zylinderzahl höhere zz Vierzylindermotoren
Drehzahlen erreicht werden, . Abb. 8.75. Bereits in den 1960er-Jahren erkannten speziell die
japanischen Hersteller im Rennsport, dass eine wei-
19 zz Dreizylindermotoren tere Leistungssteigerung nur über die Drehzahl und
Bei Dreizylindermotoren gibt es grundsätzlich ver- damit über die Verringerung der bewegten Massen zu
20 schiedene Ausführungen der Kurbelwelle. Laverda hat
beispielsweise in den 1970er-Jahren einen Dreizylinder
erreichen ist. Die Verringerung der bewegten Massen
ließ sich nur durch die Erhöhung der Zylinderzahl be-
mit 180°-Kröpfung der Kurbelwelle gebaut. Die aktu- werkstelligen. Neben einigen Sechs- und Achtzylinder-
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
441 8

..Abb. 8.71  BMW-Boxermotor R1200 ..Abb. 8.73  BMW-Boxermotor R1200

Wie bei den V2-Motoren sind auch beim Vierzy-


lindermotor verschiedene Konzepte (Reihe, V, Boxer)
möglich. Alle sind auf dem Markt vertreten.
Durchgesetzt hat sich heute der Vierzylinder-Rei-
henmotor, der sowohl in Sport- als auch in Touring-
Konzepten vertreten ist. Vorteile des Vier-Zylinder-

--
Reihenmotors sind:
relativ einfacher Aufbau → Teilegleichheit,
kompaktes, leichtes Motorgehäuse → geringes

-- Gewicht,
kurze, steife Kurbelwelle → hohe Drehzahlen,
gleiche Bedingungen für Lastwechsel-Bereich →

..Abb. 8.72 BMW-R1200 S - hohe Leistung,


gute Laufruhe → guter Komfort.

Außer in GP1-Motoren wird heute immer eine


180°-Kurbelwelle mit Zündfolge 1-3-4-2 oder 1-2-
konzepten hat sich dann der Vierzylinder als sehr guter 4-3 eingesetzt. Dadurch erhält man einen gleichmä-
Kompromiss herausgestellt. 1968 wurde von Honda ßigen Zündabstand von 180° und die Massenkräfte
mit der CB750 ein Vierzylinder-Reihenmotor erstmals 1. Ordnung sowie Massenmomente 1. und 2. Ord-
in Serie gebracht. Dieser Motor hat die Motorradwelt nung können ausgeglichen werden. Übrig bleiben
nachdrücklich verändert. Die japanischen Hersteller Massenkräfte 2. Ordnung, die gegebenenfalls durch
haben dieses Konzept seit fast 40 Jahren permanent eine Ausgleichswelle ausgeglichen werden können,
perfektioniert. Sie haben heute in Leistung, Produktion . Abb. 8.77.
und Haltbarkeit einen sehr hohen Stand erreicht. Eine weitere Möglichkeit stellt die nichtebene Kur-
Die Klasse mit 600 ccm erreicht heute bei Dreh- belwelle mit 90°-Kröpfung dar. Hierbei sind die Mas-
zahlen bis 16.000 min−1 eine Literleistung von über senkräfte 1. und 2. Ordnung vollständig ausgeglichen,
200 PS/L. Gleichzeitig werden Laufzeiten von 50.000 Massenmomente 1. und 2. Ordnung treten aber auf.
bis 100.000 km erreicht. Dies hat den Vierzylinder- Diese Bauform wird allerdings trotz ihrer Vorteile bei
Reihenmotor zum derzeit erfolgreichsten Konzept den Massenkräften in heutigen Serienmotoren nicht
gemacht. mehr verwendet. Gründe sind Nachteile im Ladungs-
wechsel und der ungleichförmige Zündabstand, der
größere Drehungleichförmigkeiten und damit auch
442 Kapitel 8 • Motoren

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12 ..Abb. 8.74  Massenkräfte und -momente verschiedener Bauarten

13
größere Drehschwingungsanregungen mit sich bringt, offensichtlich unschlagbar. Aber Motorradfahren
. Abb. 8.78. besteht zu sehr großen Teilen auch aus Emotion, die
14 Die heutigen Vier-Zylinder-Reihenmotoren diesen perfekten Fahrmaschinen abgeht. Das ist der
bauen durch die geschickte Anordnung der Neben- Grund, warum es immer noch Motorradhersteller
15 aggregate und der Getriebewellen extrem kompakt,
was eine gute Massenkonzentrierung und kurze Rad-
gibt, die auch abweichende Konzepte wie beispiels-
weise die V2-Motoren produzieren.
stände zulässt. Moderne Werkstoffe und Fertigungs- Abseits der Rennstrecke finden sich immer noch
16 techniken ermöglichen sehr leichte Motorgehäuse. genügend Fahrer, denen auch Emotion und Sound
Die Ansaugwege können durch den kompakten Mo- wichtiger als reine Motorleistung sind.
tor sehr geradlinig gestaltet und mit großer Airbox Zylinderzahlen größer als vier machen heute nur
17 versehen werden. Durch kleine Einzelhubräume mit noch bedingt Sinn. Die Laufruhe lässt sich mit einem
entsprechend kleinen, leichten Bauteilen und einer Sechszylinder-Reihenmotor, der komplett ausgegli-
18 sehr steifen, kurzen Kurbelwelle können extrem hohe chen ist, natürlich weiter steigern. Das macht den Ein-
Drehzahlen erreicht werden. Yamaha ermöglicht satz in Komfortfahrzeugen wie der Honda Goldwing
beim aktuellen Supersportler R6 Drehzahlen von über durchaus sinnvoll. Die Motorleistung kann aber nicht
19 16.000 min−1, und dies bei einem Serienmotorrad. mehr über Drehzahlsteigerung angehoben werden, da
Die R6 erreicht mit einer Literleistung von 211 PS/L die Kurbelwelle länger und somit empfindlicher gegen
20 Werte, die vor wenigen Jahren in Rennmotorrädern
mit kurzer Lebensdauer erreicht wurden. Rein unter
Drehschwingungen wird. Dies und die Zunahme von
Baubreite und Gewicht verhindert einen Einsatz in
Leistungsaspekten ist der Vierzylinder-Reihenmotor Supersport-Motorrädern, . Abb. 8.79 und 8.80.
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
443 8

..Abb. 8.75  Spezifische Leistung

8.3.1.4 Leistungsentwicklung
Zur Leistungsanhebung müssen die einzelnen beein-
flussbaren Parameter betrachtet werden. Die Leistung
ist wie folgt definiert: Pe = i × pme × Vh × n.
Zur Leistungssteigerung kann also entweder der
Hubraum, der Mitteldruck oder die Drehzahl erhöht
werden. Eine Hubraumaufstockung ist beim Motor-
radmotor wegen der Nachteile der zunehmenden be-
wegten Massen und Packagemaße nicht immer sinn-
voll. Bei gleichem Hubraum bleiben nur die Erhöhung
des Mitteldrucks und der Drehzahl, . Abb. 8.81.
Zur Mitteldrucksteigerung muss der Liefergrad
erhöht werden. Der Liefergrad ist das Verhältnis der
nach dem Ladungswechsel im Zylinder verbliebenen
Frischgasmasse zur theoretischen Frischgasmasse: ..Abb. 8.76  Benelli 1130 TNT
λl = mFZ/ρ0 × Vh.
Dies kann durch Aufladeeffekte erzielt werden.
Eine Möglichkeit sind Aufladesysteme wie mechani- und die große Drehzahlspanne des Motorradmotors.
sche Lader oder Turbolader. Der Reiz der Aufladung Auch für den für gute Wirkungsgrade notwendigen
besteht in der sehr hohen Leistungsdichte. Das heißt, Ladeluftkühler ist in den seltensten Fälle Platz.
es kann ein kleiner, leichter Motor mit hohem Dreh- Daher haben in den 1980er-Jahren mehrere
moment und hoher Leistung eingesetzt werden. Hersteller Motoren mit Turboaufladung produziert.
Mechanische Lader können Verdrängerlader wie Die Schwierigkeiten liegen im kaum beherrschba-
Rootsgebläse oder Radialverdichter oder Lader mit ren Instationärverhalten. Anders als beim Diesel-
innerer Verdichtung wie Schraubenverdichter sein. motor, der immer mit voller Füllung läuft, variieren
Gegen mechanische Lader sprechen beim Motorrad die durchgesetzten Luftmassen beim Ottomotor im
der große Bauraumbedarf, das relativ hohe Gewicht, Verhältnis 1:40 bis 1:50. Deshalb braucht der Lader
die sehr hohe Antriebleistung bei hohen Drehzahlen beim Übergang von Teillast auf Volllast recht lange,
444 Kapitel 8 • Motoren

Vierzylinder-Reihenmotor ..Abb. 8.77 Kurbel­
1 180°-Kurbelwelle
stern 180° Vierzylinder-
welle
0° 0°
2 0° 360° 360°

3 270° 90° 270° 90° 270° 90°

4 180°
180° 180°
Kurbelstern Kurbelstern
5 1. Ordnung 2. Ordnung

6 Vierzylinder-Reihenmotor ..Abb. 8.78 Kurbel­
stern 90° Vierzylinder-
90°-Kurbelwelle
welle
7 0°

360°

360°

8
270° 90° 270° 90° 270° 90°

9
180°
180° 180°
10 Kurbelstern Kurbelstern
1. Ordnung 2. Ordnung

11
bis Druck aufgebaut wird. Im Zusammenspiel mit lich von der Drehzahl abhängig sind. Da die Steuer-
12 geringer Motorschwungmasse ergibt sich daher bei zeiten der Nockenwellen normalerweise fix sind, sind
Motorradturbomotoren ein unbefriedigendes An- die Aufladeeffekte stark drehzahlabhängig. Damit kann
13 sprechverhalten und ein unharmonisches Fahrver- man positive Effekte für den Liefergrad in verschiedene
halten. Drehzahlbereiche legen. Die Möglichkeiten zur Lie-
Derzeit werden in Motorrädern fast nur noch fergrad- und damit zur Mitteldruckerhöhung ist bei
14 Saugmotoren eingesetzt, die schwingungstechnische Motorradsaugmotoren allerdings sehr begrenzt. Die
Effekte der Schwingrohr- und Resonanzsaugrohrauf- Ladungswechselorgane und Schwingrohrlängen beim
15 ladung nutzen. Beim Schwingrohr wird vom Kolben
in der Ladungswechselphase eine Unterdruckwelle
Motorrad sind ohnehin meist auf die Nenndrehzahl
ausgelegt. Moderne Motoren sind bereits mit intensi-
ausgelöst, die das Saugrohr in Richtung Airbox be- ver Ladungswechsel-Simulationsrahmungsrechnung
16 ziehungsweise Luftfilter durchläuft. Diese Welle wird optimiert worden und arbeiten mit geringer Drosse-
am offenen Trichter als Druckwelle reflektiert und lung auf der Saug- und Druckseite.
läuft in Richtung Motor. Trifft die Druckwelle genau Der Mitteldruck kann in größerem Maße nur noch
17 zum Zeitpunkt des Einlassventilschließens ein, kann durch Variabilitäten im Ladungswechselsystem gestei-
noch Frischgas in den Zylinder geschoben werden, gert werden. Systeme wie Saugrohrlängenschaltung,
18 auch wenn der Kolben nach UT bereits wieder in der Camphaser, Ventilhubumschalter und Klappensysteme
Aufwärtsbewegung ist. So kann eine Aufladung von sind im Automobilbereich bereits serienerprobt und
bis zu 15 % erzielt werden. Diese Vorgänge sind natür- wirkungsvoll. Komplexität, Bauraumbedarf, Drehzahl-
19 lich stark abhängig von der Geometrie des Saugrohrs festigkeit und Kosten sprechen bei Motorradmotoren
(Rohrlänge, die durchlaufen werden muss) und der gegen diese Maßnahmen.
20 kinetischen Energie der Gasströme. Diese wiederum
werden stark vom Durchmesser des Saugrohrs und von
Daher ist eine größere Leistungssteigerung fast
nur noch über die Anhebung der Nenndrehzahl zu
der Anregung durch den Kolben beeinflusst, die natür- erreichen. Die Erhöhung der Nenndrehzahl erfordert
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
445 8

..Abb. 8.79  Yamaha R1 Schnitt

zahlreiche Maßnahmen, da die Massenkräfte im Mo-


tor quadratisch mit der Drehzahl steigen. Oberstes
Ziel bei der Leistungsentwicklung muss also immer
die Minimierung der bewegten Massen im Motor
sein. ..Abb. 8.80  Yamaha R1
In den kommenden Jahren wird ein erhöhter Auf-
wand notwendig sein, um eine Leistungssteigerung
trotz der künftig steigenden Anforderungen hinsicht-
lich Geräusch- und Abgasemissionen ermöglichen zu
können, . Abb. 8.82, 8.83 und 8.84. Die Motorenbauer
werden zu Variabilitäten im Ventiltrieb und Saugrohr-
bereich sowie zu steuerbaren Klappensystemen im Ab-
gasstrang greifen müssen, da die meisten Maßnahmen
zur Abgas- und Geräuschverbesserung für die Leis-
tungssteigerung kontraproduktiv sind.

8.3.1.5 Hub-Bohrungs-Verhältnis
Verbrennungstechnisch sind langhubig ausgelegte
Motoren effektiver (Verhältnis Hub/Bohrung >1).
Günstige Brennraumform, gutes Oberflächen/Volu-
..Abb. 8.81 Volllast-Motorprüfstand
menverhältnis mit geringeren Wärmeverlusten und
kurze Flammenwege ergeben sehr gute Verbren-
nungswirkungsgrade, hohe Klopffestigkeit und geringe
Schadstoffemission. Daher sind einige Automobilmo-
- große Kolbengeschwindigkeiten → Dauerhaltbar-
toren eher langhubig ausgelegt. Mit steigenden spezi-
fischen Leistungen und den dazu notwendigen hohen
Drehzahlen verschiebt sich das Verhältnis zugunsten
kurzhubiger Ausführungen. Bei Motorradmotoren mit
-- keit,
große Massenkräfte → mechanische Festigkeit,
große Bauhöhe → hohe Schwerpunktlage.

hoher spezifischer Leistung bei hoher Nenndrehzahl Die Vorteile des Kurzhubers überwiegen mit steigen-
sprechen mehrere Gründe gegen die langhubige Aus- den spezifischen Leistungen und den dazu notwendi-

-
legung:
geringe mögliche Ventilflächen → eingeschränkte
Literleistung,
gen hohen Drehzahlen die Nachteile in der Verbren-
nung. Daher werden moderne Motorradmotoren als
Kurzhuber ausgelegt. Ausnahmen bilden Motoren, die
446 Kapitel 8 • Motoren

Spez. ..Abb. 8.82 Leistungs-
1 Leistung
[PS/L]
Einflüsse aus der EU-Gesetzgebung entwicklung
Geräuschmessung Geräuschgrenzwert Abgasgrenzwert
neuer Meßverfahren neuer Grenzwerte Euro-4-Grenzwerte
2 für beschleunigte
Vorbeifahrt
für beschleunigte
Vorbeifahrt
(Absenkung auf ca.
50% der EU3-Werte)
(Zielbeschleunigung) (80 dB → 77 dB)

3 ca. 2009 ca. 2010 ca. 2011 Einsatz aller


Maßnahmen

4
5
6
2007 2008 2009 2010 2011 2012
Konventionelle Weiterentwicklung
7
8
9
10
11
12 ..Abb. 8.83  Abgassteuerklappe Yamaha R1

13
auf alten Motorkonzepten basieren (Harley-Davidson,
Buell oder Retromodelle wie die Yamaha MT01). Diese
14 Motoren sind häufig noch als Zweiventiler ausgeführt
und daher sowieso in Drehzahl und Literleistung
15 begrenzt, . Abb. 8.85.

8.3.1.6 Ventiltrieb
16 Die hohe spezifische Leistung der Motorradmotoren
erfordert die Auslegung der Ladungswechselorgane
auf eine sehr hohe Nenndrehzahl. Zur Optimierung ..Abb. 8.84  Saugrohrlängenschaltung Yamaha R1
17 der Füllung und zur Minimierung von Drosselverlus-
ten werden sehr große Einlassventile, Ventilhübe und
18 Drosselklappen notwendig. Luftführung und Einlass- Um die Kräfte und Beschleunigungen an Nocken-
kanäle müssen große Querschnitte besitzen und mög- wellen und Ventilbetätigung in dauerhaltbaren Gren-
lichst gerade ausgeführt sein. zen zu halten und die Steuerzeiten präzise einhalten zu
19 Das mit steigender spezifischer Leistung zuneh- können, müssen die bewegten Ventiltriebsmassen mi-
mende Drehzahlniveau bedingt die Reduktion aller be- nimiert und die Steifigkeit des Ventiltriebs maximiert
20 wegter Massen im Motor. Die Ladungswechselsteuer-
organe stoßen mit steigendem Zylinderhubvolumen
werden, . Abb. 8.86.
Je nach Einsatzzweck eignen sich für den Ventil-
meist als erste an geometrische Grenzen. trieb von Motorradmotoren mehrere Ventilsteuer-
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
447 8
1,3
Harley-Davidson
Screaming
1,2
Harley-Davidson Triumpf
Sportster Thunderbird
1,1 Triumpf
BMW F800 MZ 1000S Daytona 675
Benelli TNT1130
1,0 Yamaha R1
Hub-/Bohrungsverhältnis

Kawasaki ZZR1400
0,9 Yamaha FZ1 Suzuki GSXR750

Yamaha R6
0,8

0,7
Yamaha
MT01 Yamaha
0,6
MT03 Moto Ducati
Guzzi
0,5 Norge GT1000 BMW Suzuki Hayabusa
R 1200S
Ducati MV Agusta F4
0,4 KTM Super Duke 999R

0,3
40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160
Spezifische Leistung [kW/L]

..Abb. 8.85  Spezifische Leistung in Abhängigkeit vom Hub-Bohrungs-Verhältnis

Ventilsteuerung Bewegte Steifigkeit Drehzahl- Kosten Package Ventilspiel- HVA-


Masse festigkeit einstellung Tauglichkeit
OHV Kipphebel – – – + + + –
OHC Kipphebel s s s + + + –
Schlepphebel s s s s + + +
DOHC Tassenstößel + + + – – – +
Schlepphebel + + + – s s +

..Abb. 8.86  Vergleich Ventiltriebsparameter

arten. Für einfache, leichte Fahrzeuge mit Einzylin- Auch die Lebensdauer ist gegenüber Stahlven-
dermotoren werden häufig OHC-Triebe verwendet. tilen eingeschränkt. Um Drehzahlen von mehr als
Für dieses Konzept sprechen Kosten, Bauraum, War- 10.000 min−1 zu erreichen, sind Tassenstößel oder
tungsfreundlichkeit und vergleichsweise geringes Schlepphebel die bevorzugten Ventilbetätigungen. Sie
Drehzahlniveau. Für moderne Hochleistungsmotoren verbinden Steifigkeit mit geringem Gewicht.
mit Nenndrehzahlen von deutlich über 10.000 min−1 Beide arbeiten mit Gleitabgriff, weshalb die
sind nur DOHC-Triebe sinnvoll. Hier überwiegt die Schlepphebel häufig mit sehr harten DLC-Beschich-
Drehzahlfestigkeit und Präzision über die Kosten und tungen ausgeführt werden. Diese harten Carbon-
Bauraumsituation, . Abb. 8.87. Beschichtungen (Diamond Like Carbon) werden
Zunehmende Ventildurchmesser können teilweise wegen der Reibungsarmut und Verschleißfestigkeit
durch die Reduktion des Ventilschaftdurchmessers bei Hochdrehzahlmotoren zunehmend eingesetzt. Bei
und der Ventillänge kompensiert werden. Stahlventile richtiger Auslegung lassen sich mit der Beschichtung
können durch Titanventile ersetzt werden, die ein spe- eines Reibpartners die Reibverluste einer solchen
zifisches Gewicht von 4,5 g/cm3 statt 7,85 g/cm3 ha- Gleitpaarung auf circa 1/10 absenken. Bei Beschich-
ben. Dies ist auf der Einlassseite wegen der geringeren tung beider Reibpartner kann die Reibung nochmals
thermischen Belastungen problemlos machbar aber um 50 % reduziert werden, was in der Formel 1 und
mit deutlich höheren Kosten verbunden. im Grand Prix genutzt wird. Kolbenbolzen, Kolben-
448 Kapitel 8 • Motoren

Räder über Schaltgabeln, welche über Zapfen in die


1 Kulisse der Schaltwalze eingreifen. Durch Drehung der
Walze können die Schieberäder in beide Richtungen
2 verschoben werden.
Dies ist nur möglich, da alle Räder gerade verzahnt
sind.
3
zz Material und Herstellung
Auf Grund der Anforderungen an Gewicht und Größe
4 finden hauptsächlich legierte Einsatzstähle mit hoher
Reinheit Anwendung. Härtetiefen von 0,7 bis 1,1 mm
5 und HRC-Werte von 59 bis 63 erlauben erforderliche
Flächenpressungen.
Alle Räder und auch die Antriebswelle, auf welcher
6 ..Abb. 8.87  Ventiltrieb Suzuki GSX-R 1000 im Normalfall der 1. Gang sitzt, werden geschmiedet
oder kaltfließgepresst.
7 ringe und Nockenwellen eignen sich gut für solche
Taschen und Klauen sind je nach Herstellungsver-
fahren und Präzision roh oder bearbeitet (mit Hinter-
Beschichtungen. stellung).
8 Das in der Formel 1 verbreitete Pneumatiksystem Die Verzahnung ist gefräst, gestoßen, geschlif-
als Ventilrückholfeder hat zwar das größte Drehzahl- fen oder leistungsgehont, je nach Anforderung an
potenzial, ist aber derzeit unter anderem aus Aufwand- Geräusch und Laufleistung. Kopfrücknahmen oder
9 gründen in Serie nicht zu realisieren. Kopfkantenbrüche helfen, die Biegungen der Zähne
Die im Automobilbau häufig eingesetzten rei- im Lastfall auszugleichen.
10 bungsarmen Rollenhebel können aus Gewichts- und
Bauraumgründen nicht verwendet werden. Auch Ven-
Gezieltes schmieren der Rädergruppen der Fahr-
gänge ist ebenfalls Standard, . Abb. 8.88.
tilbetätigungen mit hydraulischem Spielausgleich sind
11 wegen der geringeren Steifigkeit, Drehzahlfestigkeit zz Kupplung
und der höheren bewegten Massen nicht für hochdre- In Motorrädern finden im Allgemeinen Lamellenkupp-
hende Motoren einsetzbar. lungen, welche im Ölbad laufen, Verwendung. Diese
12 Mehrscheibenkupplungen erlauben geringe Handkräfte
8.3.1.7 Getriebe unter Verwendung relativ geringer Außendurchmesser.
13 Derzeit finden in den meisten Motorradmotoren
Klauengetriebe Verwendung. Diese Bauart benötigt zz Funktion
den geringsten Bauraum und ist somit prädestiniert Reiblamellen (greifen in den Korb) und Stahllamellen
14 für den Einsatz im Motorrad. Die geringe Baubreite (greifen in den Mitnehmer) werden über Spiralfedern
erleichtert das Stehen auf dem Motorrad, unterstützt zusammengedrückt. Verstärkersysteme basierend auf
15 die Schräglagenfreiheit und reduziert natürlich auch
das Motorgewicht.
Steigflächen reduzieren dabei die benötigte Handkraft.
Diese Systeme sind beidseitig wirkend, das heißt das
übertragbare Moment wird im Lastfall erhöht und im
16 zz Funktion Schiebebetrieb reduziert. Die Reduktion bewirkt beim
Alle Räder sind permanent im Eingriff und können Motorrad den sogenannten ANTI HOPPING Effekt,
somit ohne den Einsatz von Synchronringen geschal- das heißt das Hinterrad „stempelt“ nicht.
17 tet werden. Auf Grund der gleichen Drehzahl aller Zusätzlich werden innerhalb der ersten Lamelle
Räder wird in der Regel ohne zu kuppeln geschaltet, Tellerfedern verbaut, welche einen weichen Eingriff
18 ja es ist sogar unter Last möglich, die Gänge zu wech- unterstützen sollen.
seln. Die Kraftübertragung ins Getriebe wird über den
auf der Antriebswelle sitzenden Mitnehmer hergestellt.
19 zz Schaltvorgang Die zur Übertragung der Momente eingesetz-
Dazu müssen die Schieberäder, auf welchen die Klauen ten Beläge sind in der Regel organischen Ursprungs
20 (dienen als Kupplung) sitzen, axial verschoben werden.
Diese greifen dann in die Taschen der Losräder und
(Papier, Kork und so weiter) und werden auf Träger
aus Aluminium aufgeklebt. Die Abstände der tra-
so entsteht der Formschluss. Verschoben werden die pezförmigen Felder ermöglichen die Ölabfuhr und
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
449 8

..Abb. 8.88  Getriebe und Kupplung

reduzieren die Haftung der Reibbelagslamellen an variieren von sehr staubig und hart bis zu schlammig,
den Stahllamellen. Das Öl dient hauptsächlich dem rutschig und nass. Die für diesen Zweck entwickelten
Wärmetransport. Motorräder unterliegen verschiedenen Reglements,
Mitnehmer, Druckkappe und Korb sind aus Alu- sind jedoch nicht für die Straße homologiert.
minium gefertigt und teilweise oberflächenbehandelt Bei der Auslegung der Motoren wird vor allem auf
(Vernickelung, Hartcodierung, PTFE (Polytetrafluor- folgende Randbedingungen Augenmerk gelegt:
ethylen) an Steigflächen). Der Motor soll in nahezu jeder Lage zumindest
Der Korb wird drehbar auf dem Kupplungsrad ge- kurze Zeit betrieben werden können.
lagert; dadurch ist eine Dämpfung möglich. Sie wird Überdurchschnittlicher Kupplungsabrieb und da-
entweder durch radial angeordnete Spiralfedern oder mit starke Ölverschmutzung dürfen ihm nichts anha-
durch Gummielemente erzeugt, . Abb. 8.89. ben. Eine robuste Konstruktion des Motors ist Voraus-
setzung, um den rauen Betrieb in Bezug auf Schläge,
angesaugten Staub und Sand sicher zu stellen.
8.3.2 Motorräder für das Gelände Aus diesen Anforderungen heraus haben sich
(Off road) ursprünglich 2-Takt-Motoren mit 4-Gang-Getrieben
entwickelt.
8.3.2.1 Motocross
Unter Motocross versteht man ein Fahren im unbe- zz Die Wiege des Offroadsports
festigten Gelände, zumeist auf dafür abgeschlossenen Der 2-Takt-Einzylindermotor war der unschlagbare
Rundkursen mit zum Teil ausgedehnten Sprüngen. und traditionelle Antrieb in den klassischen Hubraum-
Im Rahmen einer WM oder AMA, in Amerika varianten der Rennreglements. Andere Motorkonzepte
ausgetragene Rennveranstaltungen, werden entwe- haben bei gleichem Hubraum kaum eine Chance gegen
der unter freiem Himmel, unter dem Titel Motocross die sehr hohe, spezifische Leistungsausbeute eines für
Veranstaltung oder in Hallen als Supercross geführt, den Rennbetrieb konzipierten 2-Takt-Motors.
. Abb. 8.90 und 8.91. Erst auf Grund von starkem Druck und Lobby
Der wichtigste Unterschied liegt in der Stre- der großen japanischen Herstellern, die wegen deren
ckenlänge und dem Layout der Strecke sowie den Produkt- und Marketingstrategien im Offroad-Wett-
Fahrbahnbedingungen. Die Strecken im Freien sind bewerb ausschließlich mit 4-Takt-Motoren antreten
zwischen 1,5 und 4 km lang und mit weniger spekta- wollen, wurden die Rennreglements zugunsten des
kulären Sprüngen versehen als die anspruchsvollen 4-Takt-Konzeptes geändert. Das heißt Anfang der
kurzen Strecken in Hallen. Ein weiterer Umstand sind Jahrtausendwende wurden die Rennreglements inso-
die Witterungsbedingungen im Freien, in denen das fern modifiziert, dass Fahrzeuge mit 4-Takt-Motoren
Motorrad und der Motor überleben müssen. Diese beinahe, beziehungsweise genau den doppelten Hub-
450 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4
5
6
7
..Abb. 8.89 Kupplung

8
raum als Fahrzeuge mit 2-Takt-Motoren in den ein-
zelnen Rennklassen an den Start gehen dürfen. So
9 treten heute 125 ccm 2-Takt-Motoren gegen 250 ccm
4-Takt-Motoren, sowie 250 ccm 2-Takt- gegen 450
10 ccm 4-Takt-Fahrzeuge, in Enduro- und Motocross-
bewerben an. Die Vormachtstellung des 2-Takt- Mo-
tors im Offroadsport ist dadurch eliminiert, dennoch
11 ist der 2-Takt-Motor heute, nach dem ersten 4-Takt-
Boom, wieder aktuell, da er (bei gleichem Hubraum
ohnehin unschlagbar) auch bei diesen ungleichen
12 Bedingungen noch wettbewerbsfähig geblieben ist.
Speziell in den Enduroklassen E2 und E3 sind 2-Takt-
..Abb. 8.90  Bild im Rennbetrieb
13 Fahrzeuge sehr konkurrenzfähig. Ursache dafür sind
die ganz spezifischen Vorteile der 2-Takt- Konzepte,
die je nach Art des Wettbewerbs, der Streckenver- antwortlich. Das Fahrzeug muss in diesen Anforde-
14 hältnisse und Bedürfnisse des Fahrers zum Vorschein rungsmerkmalen möglichst gut adaptierbar sein um
kommen. Auch sind das niedrige Gewicht, die gerin- es den jeweiligen Bedingungen (Wettbewerb, Strecke,
15 geren Anschaffungs- und Instandhaltungskosten ein Fahrer) anpassen zu können.

--
wesentliches Argument für den 2-Takt-Motor. Beson- Dazu zählen auch folgende Merkmale:
ders bei Hobby- und Clubrennen sowie Trainingsver- einstellbare Motorcharakteristik,
16 anstaltungen, aber auch für den Jugendsport oder fi- geringer Platzbedarf und Integrierbarkeit des

17
nanzschwächeren Privatteams, spielt der Kostenaspekt
eine wichtige Rolle.

zz Anforderungen an einen Offroad –


- Motors,
Lage der rotierenden Motormassen (Handling
zu Fahrstabilität) und optimale Abstimmung der
Massenträgheitsmomente zur Motorcharakteris-
18 Wettbewerbsmotor tik (Traktion, Fahrbarkeit zu Ansprechverhalten
Möglichst geringes Gewicht, hohe Leistungsausbeute und Aggressivität).
bei trotzdem gut fahrbarer und in Traktion umsetz-
19 barer Leistungsentfaltung sind wesentliche Merkmale, zz Bauarten 2-Takt-Motocross-
um die gewünschte Fahrdynamik zu erreichen. Die und Enduromotoren
20 optimale Fahrdynamik, die nur in perfekter Symbiose
zwischen Chassis, Motor und Fahrer funktionieren
kk50 ccm Automatik, .  Abb. 8.92 und 8.93
Wird für Kindermotocross-Bewerbe und Trainings-
kann, ist letztendlich für schnelle Rundenzeiten ver- fahrten eingesetzt. Es handelt sich um luft- oder was-
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
451 8
..Abb. 8.91  Bild im
Rennbetrieb

sergekühlte 2-Takt-Motoren, die zur Kraftübertragung


mit einer Einstufen-Automatik – Fliehkraftkupplung
ausgestattet sind. Die Leistungsausbeute beträgt bis zu
12 PS bei 11.500 min−1.

kk65 ccm MC
In dieser Hubraumklasse werden wassergekühlte
2-Takt-Motoren verwendet. Die Kraftübertragung er-
folgt bereits über eine Mehrscheiben-Ölbadkupplung
und ein klauengeschaltetes Sechsganggetriebe. Derzeit
werden etwa 16 PS bei 11.500 min−1 realisiert; eine hö-
..Abb. 8.92  Motorrad 50 SX
here Leistungsausbeute würde der Fahrbarkeit entge-
genwirken.

kk85/105 ccm MC, .  Abb. 8.94 einem 250 ccm Serienfahrzeug 51 PS bei 8500 min−1,


Es handelt sich um wassergekühlte 2-Takt-Motoren realisiert. Die Leistung ist im Fahrbetrieb gut umsetz-
mit Auslasssteuerung mittels drehzahlabhängiger Steu- bar, weil die Auslasssteuerung für einen flacheren Leis-
erklappenstellung. Die Steuerklappe wird über einen tungsanstieg, das heißt mehr Drehmoment auch in den
Fliehkraftregler bewegt. Die Kraftübertragung erfolgt unteren und mittleren Drehzahlen sorgt.
über eine Mehrscheiben-Ölbadkupplung und ein klau-
engeschaltetes Sechsganggetriebe. Derzeit werden etwa zz Serienlösungen an 2-Takt-Motocross-
26 PS bei 11.500 min−1 realisiert. Die Leistung ist im und Enduro-Wettbewerbsmotoren
Fahrbetrieb gut umsetzbar, weil die Auslasssteuerung Motocross- und Enduro-Wettbewerbsmotoren sind so
für einen flacheren Leistungsanstieg sorgt also für kompakt und leicht wie möglich gestaltet; dabei muss
mehr Drehmoment auch in den unteren und mittle- in der Serienfertigung auf die Herstellkosten geachtet
ren Drehzahlen. werden.

kk125/200/250/300 ccm MC/E, .  Abb. 8.95 kkMotorgehäuse, Wasserpumpendeckel,


Es sind wassergekühlte 2-Takt-Motoren mit Auslass- Kupplungszwischendeckel,
steuerung mittels drehzahlabhängiger Steuerklap- Kupplungskorb, Kupplungsmitnehmer
penstellung des Auslasskanals. Zusätzlich werden die und Kupplungsdruckkappe
beiden Hilfsauslässe durch die Walzenschieberstellung Druckgusslegierung Al226 GD-AlSi9Cu3
gesteuert. Die Steuerklappe und die beiden Hilfsaus- Das Fertigungsverfahren Druckguss bietet sich an,
lässe werden über einen Fliehkraftregler und ein Hebel- weil es sehr dünne Wandstärken (bis 2 mm), eine hohe
system beziehungsweise Mechanik bewegt. Kraftüber- Genauigkeit, damit verbunden einen hohen Vorferti-
tragung erfolgt über eine Mehrscheibenölbadkupplung gungsgrad, (das heißt es kann auf viele mechanische
und ein klauengeschaltetes Sechs- beziehungsweise Bearbeitungsschritte verzichtet werden), sehr günstige
Fünfganggetriebe. Derzeit werden in einem Serien- Rohteil- und Bearbeitungskosten, sowie hohe Prozess-
fahrzeug mit 125 ccm etwa 40 PS bei 11.500 min−1, bei sicherheit und Qualität ermöglicht. Nachteil sind die
452 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4
5
6
..Abb. 8.93  Mini in Aktion
7
8
9
10
11 ..Abb. 8.95  Schnitt Motor 125SX

12 gelegt, jedoch müssen sie pulverbeschichtet werden,


da Magnesium ein starkes Korrosionsverhalten zeigt.
13 Dieses verhindert auch den Einsatz von Magnesium
bei Bauteilen mit Kühlmittelkanälen, da das Kühlmittel
sehr aggressives Korrodieren von Magnesium verur-
14 ..Abb. 8.94  Motorrad 85SX sacht.

15 sehr teuren Druckgusswerkzeuge (circa 300.000 € pro


kkZylinder, Zylinderkopf, .  Abb. 8.96
Kokillengusslegierung 12CuMgNi, warm ausgelagert
Werkzeug), welches sich erst ab einer gewissen Stück- Niederdruck Kokillenguss bietet sich an, weil zum ei-
16 zahl rechnet, sowie die Unflexibilität in der Gestaltung nen die Notwendigkeit von verlorenen Kernen besteht
(keine verlorenen Kerne möglich). (Wasserraum, Überströmkanäle, Auslasskanal), und
zum anderen die Rohteile genauer und billiger sind als
17 kkMotordeckel Sandgussteile. Grund dafür ist die Stahlkokille, deren
Zündungsdeckel, Kupplungsdeckel und Steuerungs- Kavitäten die Außenform der Teile darstellen. Im Sand-
18 deckeln sind ebenfalls aus den genannten Gründen im guss muss jede Außenform einzeln in Sand geformt
Druckgussverfahren, allerdings mit Magnesiumlegie- werden und geht verloren. Zudem sind die Sandkerne
rung MgAl9Zn1, gegossen. in der Stahlkokille präziser gelagert, die nicht formge-
19 Magnesiumdruckgussteile sind etwa 35 % leichter bundenen Geometrien sind also auch genauer als beim
als Aluminiumdruckgussteile. Die Deckel benötigen Sandguss. Die Lauffläche des Zylinders ist mit einer
20 keine anschließende mechanische Bearbeitung; in ge-
gossenen Dichtringnuten werden Formdichtringe aus
Nikasilbeschichtung versehen, eine galvanisch aufge-
brachte Nickelmatrix mit eingelagerten, sehr harten
NBR 70 (Nitrile Butadiene Rubber) oder Viton ein- Siliziumkarbiden, anschließend gehont, und mit einem
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
453 8

Moderne 2-Takt-Motocross- und Enduromoto-


ren verfügen über ausgeklügelte Steuermechanismen
und Kanalanordnungen. So ist zum Beispiel ein Ab-
gasschieber mit den unterschiedlichsten Betätigungen
Stand der Technik, . Abb. 8.97.
Aus diesen grundsätzlichen Merkmalen haben
sich auf Druck über das Reglement auch Einzylin-
der-4-Takt-Motoren entwickelt. Diese wurden und
werden zum größten Teil ebenfalls wälzgelagert aus-
geführt.

zz Bauarten 4-Takt-Motocross- und Enduro-


Wettbewerbsmotoren
Die ausgeführten Hubräume von 250, 450 und größer
475 ccm ergeben sich wie bereits oben beschrieben aus
..Abb. 8.96  Motor-Schnitt 125/200 dem FIM Reglement für Enduro- und Motocrosswett-
bewerbe. Die meisten Hersteller benutzen für einen
Hubraum die gleiche Motorenbasis für Motocross und
sogenannten Kreuzschliff versehen, welcher die Ölauf- Enduro mit ein paar, speziell für den jeweiligen Ein-
nahmefähigkeit der Zylinderwand verbessert. satz, abgestimmten Features. Der Hubraum >475 ccm
ist immer eine Ableitung des 450 ccm Motors, meistens
kkKolben mit einer vergrößerten Bohrung, . Abb. 8.98 und 8.99.
Kokillengusslegierung G-AlSi18CuMgNi, Nieder-
druck-Kokillenguss, ohne verlorene Kerne kkMotorgehäuse/Zylinder/Motordeckel
Das Gusswerkzeug besteht zur Gänze aus Stahl. Der Vertikal geteilte Motorgehäuse aus Aluminium, mit
Siliziumgehalt der Legierung ist maßgebend für das Kurbel- und Getrieberaum und aufgesetztem be-
Verschleißverhalten, jedoch auch für die mögliche schichtetem Closed-Deck-Zylinder.
Dünnwandigkeit des Kolbens. Im Allgemeinen gilt: Je Motordeckel aus Magnesium (solange sie nicht
weniger Si Gehalt, umso zäher und somit dauerfester wasserführend sind).
und besser geeignet für leichte, dünnwandige Kolben,
die jedoch schneller die Verschleißgrenze am Kolben- kkKurbeltrieb/Massenausgleich, .  Abb. 8.100
hemd erreichen. Schmiedekolben werden in der Regel Der Kurbeltrieb besteht aus einer gebauten Kurbel-
mit bis maximal 14 % Si gefertigt, da bei höheren An- welle, wälzgelagert mit Kugel- und/oder Rollenlager,
teilen der Werkstoff beim Schmieden rissig wird. aus einteiligen Pleuel mit Nadellager im großen und
Gleitlager im kleinen Auge und aus einem Alumini-
kkKurbelwelle/Pleuel umschmiedekolben.
„Gebaute“ Kurbelwelle mit geschmiedeten Kurbel- Die Kolbendurchmesser bei den Motocrossmoto-
wangen aus 42CrMoS4, gut spanbarer Vergütungs- ren bewegen sich in der 250 ccm Klasse um 76 mm,
stahl mit hoher Festigkeit bei guter Zähigkeit, nicht in der 450 ccm Klasse um 97 mm. Mit den jeweiligen
gehärtet. Hubzapfen aus 16MnCr5, einsatzgehärtet Abregeldrehzahlen von circa 13.500 und 12.000 U/min
für hohe Verschleißfestigkeit bei zähem Kern. Pleuel ergeben sich damit Kolbengeschwindigkeiten von un-
aus 15CrNi6, aufgekupfert und somit partiell an den gefähr 25 m/sec. Zur Reibungs-, Gewichts- und Bau-
Verschleißflächen der Pleuelaugen einsatzgehärtet. raumoptimierung sind die Kolben als Einringkolben
ausgeführt. Für eine kompakte Bauweise sorgen des
kkGetriebe Weiteren kurze Pleuel mit einem Schubstangenverhält-
Kaltfließgepresste Getrieberäder aus 17CrNiMo6, hohe nis von etwa 0,30.
Festigkeit, einsatzgehärtet. Rohteile haben ein kaltver- Die Schwungmasse auf den Kurbelwangen ist ein
festigtes Gefüge und hohen Vorfertigungsgrad, die wesentlicher Bestandteil zur Gestaltung der Motorcha-
Schaltklauen und -taschen sind fertiggepresst. Nach rakteristik. Verringerungen führen zu einem verbes-
dem Bearbeiten werden die Teile elektrochemisch ent- sertem Handling des Gesamtfahrzeuges und zu einem
gratet, um die Kerbwirkung der Bearbeitungsriefen zu verbesserten Ansprechverhalten, Erhöhungen zu einer
verringern. verbesserten Traktion und einer geringeren Absterb-
neigung des Motors.
454 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4
5
..Abb. 8.98  Fahrzeug KTM 450 SX-F
6
7
8
9
10
11
12
13
14 ..Abb. 8.97  Auslasssteuerung KTM ..Abb. 8.99  Rechte Ansicht KTM 450 SX-F

15 Die Wälzlagerung wird aus Sicherheitsgründen kkZylinderkopf/Ventiltrieb/Steuertrieb


gewählt, da im Offroadbetrieb durch häufiges Stürzen Aufgrund der hohen Drehzahlen sowie hohen Ven-
16 die Motoren des Öfteren kurzfristig ohne Druckölver- tilbeschleunigungen und der damit notwendigen
sorgung laufen. Ventiltriebssteifigkeit kommen bei Motocrossmoto-
Zur Reduktion der Motorvibrationen sind die 450 ren mehrheitlich DOHC-Systeme mit Tassen- oder
17 ccm Motoren mit einer Ausgleichswelle ausgeführt. Schlepphebeltrieb zur Anwendung. Da andererseits
Auf der Kurbelwelle werden dabei meistens 40 bis 50 % bei Enduromotoren von Seiten des Anwenders nicht
18 der oszillierenden Massen ausgeglichen, auf der Aus- so hohe Drehzahlen gefordert werden, sind sie zum
gleichswelle aus Platzgründen nur 20 bis 30 %. Teil noch als SOHC mit Kipphebeln ausgeführt. Die
Die 250 ccm Motoren verzichten zum Teil auf Vorteile der SOHC liegen in einer kompakteren, leich-
19 eine Ausgleichswelle. Dies wird durch konsequente teren, montage- und servicefreundlicheren Bauweise.
Reduktion der oszillierenden Massen (aktuell Alle Motoren sind als 4- oder 5-Ventiler ausge-
20 circa 240 g) und einer Optimierung des Massenaus-
gleichs ermöglicht.
führt. Zur Massenminimierung wird als Ventilwerk-
stoff fast durchweg Titan und als Federtellerwerkstoff
zum Teil MMC (metal-matrix-composite) verwendet.
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
455 8

Der Steuertrieb wird fast durchgehend mit Zahn-


ketten und hydraulischem oder mechanischem Ket-
tenspanner realisiert.

kkGetriebe/Kupplung
Die Getriebe sind mehrheitlich als Klauengetriebe aus-
geführt. In der 250 ccm Klasse verwenden Enduro und
Motocross 6-Gang-Getriebe. Beim Endurogetriebe mit
einer größeren Spreizung zur Erzielung einer höheren
Höchstgeschwindigkeit für Verbindungsetappen bei
Rennen und zum Fahren mit Schrittgeschwindigkeit
in extremem Gelände.
450 ccm Motoren sind als 4- bis 5-Gang für Mo-
tocross und 5- bis 6-Gang für Enduro ausgeführt.
Die Kupplung ist immer eine Mehrscheiben-Ölbad-
kupplung. Kupplung und Getriebe sind aufgrund der
extremen Belastung im Offroadbetrieb (fahren mit
schleifender Kupplung, Landungen nach Sprüngen
mit hohen Differenzdrehzahlen) sehr robust gestal-
tet.

kkGemischaufbereitung
Obwohl alle Hersteller an offroad-elektronischen Ein-
spritzsystemen (EFI) arbeiten, verwendet die Mehr-
heit nach wie vor Flachschiebervergaser. Die Vorteile
liegen in einer sehr hohen Ausfallsicherheit bei extre-
men Anwendungen, der einfachen Adaptierbarkeit bei
Motortuning und geänderten Umweltbedingungen
(Temperatur, Luftdruck), einem niedrigeren Fahrzeug-
gesamtgewicht und der billigeren Herstellkosten. EFI ..Abb. 8.100  Kurbeltrieb/Ventiltrieb KTM 450 SX-F
Systeme bieten aber deutlich mehr Möglichkeiten, die
Motorcharakteristik zu gestalten. Im Endurobereich
wurde aufgrund der Abgasgesetzgebung EFI ab De- unter zu Hilfenahme der Pumpwirkung des Kolbens
zember 2007 eine Notwendigkeit. und zum Teil durch einen einheitlichen Kurbel- und
Getrieberaum mit Absaugung und eigenem Öltank.
kkSchmiersystem
Um die Motoren möglichst kompakt und mit wenig kkKühlsystem
Gewicht auszuführen, wird generell versucht, mit Aufgrund der hohen Leistungsdichte (circa 130 PS/l
möglichst wenig Öl (1,2  bis 1,5 l) auszukommen. bei 450 ccm und 160 PS/l bei 250 ccm) sind alle Mo-
Dazu werden auch kurze Ölwechselintervalle (5 bis toren wassergekühlt. Enduromotoren sind aufgrund
15 Betriebsstunden) in Kauf genommen. In Serie re- des breiten Einsatzgebietes mit einem Thermostat und
alisiert sind Motoren mit einem oder zwei Ölkreis- nachrüstbarem Lüfter ausgestattet, Motocrossmotoren
läufen für Kurbelraum/Zylinderkopf und Getriebe/ ohne Thermostat und ohne Lüfter. Die Wasserpumpe
Kupplung. Der Vorteil von zwei Kreisläufen liegt in sitzt meistens auf der dem Kurbelraum vorgelagerten
einem saubereren Motoröl ohne Kupplungsabrieb für Ausgleichswelle, in manchen Fällen auch auf der No-
Kurbelraum und Zylinderkopf, der Nachteil in einem ckenwelle oder auf einem Steuertriebzwischenrad.
höheren Aufwand.
Der Druckkreislauf besteht aus einer Eaton Pumpe, kkStarteinrichtung
Druckregelventil und Ölfilter. Ölleitungen sind mehr- Zur erleichterten Startbarkeit sind mittlerweile alle
heitlich, der Ölfilter immer im Gehäuse und/oder den Endurofahrzeuge mit E-Starter ausgerüstet. Da in
Deckeln integriert. schwerem Gelände durch mehrmaliges Starten die Bat-
Die Kurbelraumölentsorgung erfolgt zum Teil terie oft vollständig entleert wird, wird als Backupsys-
mit Eaton Saugpumpen, zum Teil mit Flatterventilen tem ein Kickstarter vorgesehen. Aus Gewichtsgründen
456 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.101 Motor-
1 schnitt KTM 250 SX-F

2
3
4
5
6
7
..Abb. 8.102 Motor-
schnitt KTM 250 SX-F
8
9
10
11
12
13
14
15 wird bei Motocross meistens auf einen E-Starter ver- öffentlicher Straßen mit einer Wettbewerbsabgasan-
zichtet (Gewichtsvorteil von circa 2 kg), . Abb. 8.101 lage und -Zündkurve, sowie ohne Schieberanschlag,
16 und 8.102. mit erheblicher Mehrleistung rechnen.
In Ergänzung zur oben beschriebenen Wettbe-
8.3.2.2 Enduro und Rallye werbs- oder Sportenduro entstand im Laufe der Zeit
17 Im Gegensatz zum Motocross-Motorrad ist das eine breite Palette von Straßen-, Reise-, Rallye- und
Enduro-Motorrad ein geländegängiges Fahrzeug, Hard- Enduros für die unterschiedlichsten Nutzungen
18 ebenfalls für den Einsatz auf der Straße zugelassen. und Veranstaltungen, mehr oder weniger geländetaug-
Um diese Straßenzulassung zu erreichen, sind oft Leis- lich ausgeführt, . Abb. 8.105 und 8.106.
tungsreduktionen zur Erreichung des Geräuschlimits Da diese Enduromodelle aus unterschiedlichen
19 notwendig, . Abb. 8.103 und 8.104. Fahrzeug- und Motorfamilien entstanden sind, gibt
Diese werden zurzeit über verschiedene Aus- es hier zwei Motorkonzepte. Zum einen die Ableitung
20 puffanlagen, Beeinflussung des Zündzeitpunktes und
Schieberanschläge verwirklicht. So kann man abseits
vom Motocrossmotor und zum anderen von einem
Straßenmotor, . Abb. 8.107.
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
457 8

..Abb. 8.105  KTM 525 EXC

..Abb. 8.103 Erzberg

..Abb. 8.104 Paris-Dakar ..Abb. 8.106  KTM Rallye

In beiden Fällen sind Adaptionen im Kühl-, Öl- eventuell kompaktere Anordnung des gesamten Mo-
kreislauf und in der Getriebeabstufung die einzigen torpackages ab.
Maßnahmen.

8.3.2.3 Trial 8.3.3 Gesetzgebung


Ähnlich wie die Motocross-Motorräder sind die Trial-
Motorräder in der Regel ohne Straßenzulassung als 8.3.3.1 Abgasemissionen
reines Sportgerät entwickelt (Trials sind homologiert 1994 wurden die ersten Abgasnormen für Motorräder
wie Enduros). eingeführt. Motorradfahrer und Hersteller reagier-
Die Enduro-ähnlichen Hubraumklassen (50, 80, ten eher abweisend auf die neuen Gesetze. Damals
125, 250 und 320 ccm) haben sich aus 2-Takt-Motoren herrschte die Meinung, dass „die paar Motorräder“
entwickelt und wurden erst seit 2005 durch den 4-Takt- doch kaum Auswirkungen auf die Gesamtemissionen
Motor ergänzt. haben. Dazu muss man aber folgende Fakten berück-
In diesem Sport spielt Fahrzeuggewicht (70  bis sichtigen, die vor einigen Jahren vom deutschen Bun-
80 kg), neben guter Gasannahme und gutem Nied-
rigdrehzahlverhalten eine entscheidende Rolle. Die
technischen Modifikationen der größten Teils aus dem
Motocross weiterentwickelten Motoren zielen auf er-
-
desumweltministerium veröffentlicht wurden:
Motorräder haben nur einen Anteil von
circa 2,5 % der Gesamtjahresfahrleistung, stellen
aber andererseits 15 % der gesamten HC-Emissi-
höhte Schwungmasse, andere Getriebeabstufung und onen.
458 Kapitel 8 • Motoren

[g/km]
1 25

20 CO HC NOx
2 15
–95 % (CO)
3 10 –95 % (HC)
–50 % (NOx)
5

4 0
1994 1999 2003 2006
ECE-R 40 EURO-1 EURO-2 EURO-3
5 ..Abb. 8.108  Absenkung der Abgasgrenzwerte seit
..Abb. 8.107  KTM 990 Adventure 1994 bis 2006
6
..Abb. 8.109 Absen-
kungsschritte
7
8
9
10
11

-
12
Der HC-Ausstoß aller Motorräder im Sommer ist Nicht nur die Grenzwerte selbst, sondern auch
13 etwa genauso groß wie der der G-Kat-Autoflotte die Abgastestzyklen zur Ermittlung der Abgaswerte

14 - mit 20-facher Fahrleistung.


Die Start- und Verdunstungsemissionen stellen
über 40 % der gesamten Zweirademissionen dar.
wurden strenger. Die Ermittlung der Abgaswerte er-
folgt auf einem Rollenprüfstand, wo die vorgegebe-
nen Last/Drehzahlzyklen exakt abgefahren werden
können. Dabei wird Abgas an der Austrittsöffnung
15 Die Forderungen der Gesetzgeber waren also nicht des Endschalldämpfers entnommen und einer CVS-

-
unbegründet und führten zu folgenden Änderungen:
1999 Euro 1 Einführung einheitlicher Vorschrif-
Anlage (Constant Volume Sampler) zugeführt. Dort
werden die Abgase in einem Verdünnungstunnel defi-
16
-- ten für Abgasgrenzwerte,
2002 Euro 2 für Kleinkrafträder,
niert verdünnt und ein festgelegter Teil in drei Beuteln
gespeichert. Nach dem Testzyklus analysiert eine Ab-

17
18
- 2003 Euro 2 für Krafträder,
2006 Euro 3 für Krafträder.

Im Zeitraum von zwölf Jahren, 1994 bis 2006, wurden


gasmessanlage den Beutelinhalt und bestimmt neben
den integralen Abgaswerten, die mit den Grenzwer-
ten verglichen werden, auch die zeitlich aufgelösten
Schadstoffwerte, so dass analysiert werden kann, wo
bei den Abgasemissionen große Fortschritte erreicht. das Motorrad hinsichtlich der Abgaswerte gut oder
Die Grenzwerte für die Schadstoffe CO, HC und NOx schlecht arbeitet. Im Beutel 1 befindet sich Abgas aus
19 konnten europaweit drastisch gesenkt werden. Ins- der Start- und Warmlaufphase, in Beutel 2 Abgas aus
gesamt sanken seit 1994 die Grenzwerte für HC und den Stadtzyklen im warmgefahrenen Zustand und in
20 CO um 95 % und die der NOx um 50 %, . Abb. 8.108
und 8.109.
Beutel 3 ist Abgas aus der Überlandfahrt bis 120 km/h.
So kann der Motorentwickler gezielt an Verbesserun-
gen arbeiten, . Abb. 8.110 und 8.111.
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
459 8

..Abb. 8.111 CVS-Anlage

Verordnung (EU) Nr. 168/2013 in Bezug auf in Bezug


auf die Anforderungen an die Umweltverträglichkeit
und die Leistung der Antriebseinheit festgelegt.
Für den Kraftstoffverbrauch beziehungsweise
für die CO2-Emissionen existieren für motorisierte
Zweiräder keine Emissionsanforderungen. Gemäß
Artikel 24 der EU-Verordnung 168/2013 werden die
..Abb. 8.110 Abgasrollenprüfstand im Rahmen der Typgenehmigung der dann gültigen
Norm Euro 4 ermittelten Emissions- und Verbrauchs-
werte im WMTC ab dem Jahr 2016 jedoch ermittelt
Bis 2006 war der Abgaszyklus Euro 2 gültig. Der und dokumentiert.
Euro-2-Zyklus bestand aus sechs innerstädtischen
Dreierblöcken, wobei die Abgasentnahme erst nach
dem ersten innerstädtischen Block gestartet wurde. Die
--
zz Neue Grenzwerte
CO <1,14 g/km,
Motoren hatten damit 390 sec Zeit aufzuwärmen und
den Katalysator auf Betriebstemperatur (>250 °C) zu
bringen. Ab 1.1.2016 gilt europaweit Euro 4. Es wurden
die Abgasgrenzwerte gegenüber Euro 3 um circa 50 %
- HC <0,17 g/km,
NOx <0,09 g/km.

Der für EURO-3 verwendete Messzyklus für Motorrä-


reduziert. der mit mehr als 150 cm3 Hubraum war an den NEDC
Mit der Richtlinie 2013/60/EU der Kommission (New European Driving Cycle) der Automobile ange-
vom 27. November 2013 zur Anpassung von Richt- lehnt und wird NEDC-Motorcycle genannt. Er bestand
linie 97/24/EG wurde der Kaltstart für zwei- und aus zwei Teilen. Teil 1 besteht wie bisher aus sechs in-
dreirädrige Kleinkrafträder und leichte vierrädrige nerstädtischen Zyklen (dem ECE R40 kalt). Teil 2 si-
Kraftfahrzeuge mit einbezogen. Ab Januar 2016 gilt muliert einen außerstädtischen Zyklus (EUDC – Extra
die neue EU-Verordnung 168/2013. Sie enthält sehr Urban Drive Cycle), der etwas höhere Drehzahl- und
ambitionierte Emissionsstandards unter anderem für Lastphasen mit erfassen soll. Ein wichtiger Unterschied
Motorräder und Mopeds bis zu Emissionsstufe Euro 5. zum Euro-2-Zyklus ist die Startphase, da von Beginn
Hier sind bis zum Jahr 2020 Grenzwerte für Verduns- an Abgas gemessen und somit die gesamte Kaltstart-
tungsemissionen (HC), Onbord-Diagnose (OBD), phase mit erfasst wird, . Abb. 8.112.
Lärm und Dauerhaltbarkeitsanforderungen in Bezug Für Motorräder mit maximal 150 cm3 unterschei-
auf die Emission mindernden Bauteile vorgeschrieben. det sich der Euro-3-Zyklus durch die fehlende Über-
Für Motorräder der Klasse L3e gelten die Abgasgrenz- landfahrt. Es werden nur sechs Stadtzyklen ECE R40
werte der Stufe Euro 4 ab dem 1.1.2016, die Grenz- gemessen, . Abb. 8.113.
werte der Euro 5 ab dem 1.1.2020. Mit der Verordnung Weil der Abgasmesszyklus das Fahrverhalten nur
(EU) Nr. 134/2014 vom 16. Dezember 2013 wurden sehr unzureichend beschreibt, wurde in Zusammen-
die Durchführungsbestimmungen zur Ergänzung der arbeit mit europäischen und internationalen Gremien
460 Kapitel 8 • Motoren

130
1 120
Sampling

110
2 100
Part One Part Two

90
3 80
UDC Cycle - 6 Phases IECE15 of 195 s = 1170 s
km 1.013 · 6 Phases = 6.078 km
Speed: [km/h]

Max. Speed: 50 km/h


70
4 60
Average Speed: 19 km/h

50
5 40

30
6 20
EUDC Cycle of 400 s
km 6.955
Max. Speed: 120 km/h
10
7 0
Average Speed: 62,5 km/h

1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101 1201 1301 1401 1501

8
Time [s]

..Abb. 8.112  Euro-3-Zyklus für Motorräder mit mehr als 150 ccm

9 60
UDC Cycle - 6 Phases IECE15 of 195 s = 1170 s
km 1.013 · 6 Phases = 6.078 km
Max. Speed: 50 km/h
Average Speed: 19 km/h
10 Sampling
50

11
40

12
Speed: [km/h]

30

13
20
14
10
15
16
0
1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101
Time [s]

17 ..Abb. 8.113  Euro-3-Zyklus für Motorräder ≤150 ccm

18
ein WMTC (World Motorcycle Testing Cycle) festge-
- Für die Klasse 1 wird der Teil 1 kalt und heiß

19
20
legt. Dieser beinhaltet weniger stationäre und mehr dy-
namische Phasen, was die Einhaltung der Grenzwerte
noch etwas schwieriger macht.
Für den WMTC gibt es auch eine andere Klassifi-
- gefahren und mit je 50 % gewichtet,
Klasse 2 fährt Teil 1 kalt und Teil 2 heiß, wobei
Teil 1 mit 30 % und Teil 2 mit 70 % gewichtet
wird,
zierung der Fahrzeuge nach Hubraum und Maximal-
geschwindigkeit:
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
461 8
140
Phase 3
130

120

110
Phase 2
100

90
Phase 1
Speed: [km/h]

80

70

60

50

40

30

20

10

0
1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101 1201 1301 1401 1501 1601 1701
Time [s]

..Abb. 8.114 WMTC-Zyklus
Vmax [km/h]

3.2 zz Minimierung der Rohgas-


3.1 Schadstoffemissionen
Die Minimierung der Rohgas-Schadstoffemissionen

--
< 130 United
2.2 Nations
erfolgt durch innermotorische Maßnahmen:
< 115
interne Restgasrückführung,

-- Ladungsbewegung,
2.1
< 100
< 60
1.1
1.3 Gemischbildung,
< 50
1.2 Brennraumgestaltung.
Hubraum
zz Interne Restgasrückführung
..Abb. 8.115  Klassifizierung WMTC-Zyklus Zur Minimierung der Rohgas-Schadstoffemissionen
wird meist ein Kompromiss zwischen Volllastdreh-

- Klasse 3 fährt Teil 1 kalt, Teil 2 heiß und Teil 3


heiß, wobei die Teile mit 25, 50 und 25 % gewich-
tet werden.
moment und -leistung auf der einen Seite und der
Verbrennung im Teillastbereich auf der anderen Seite
gesucht. Die hohe Leistungsausbeute ist bei Motor-
radmotoren nur bei hohen Drehzahlen möglich. Dies
erfordert eine Auslegung der Ladungswechselorgane
Der derzeitige Zyklus, der aber noch nicht endgültig (Ventildurchmesser, Kanaldurchmesser und -geome-
verabschiedet ist, ist in . Abb. 8.114 dargestellt. trie, Ventilsteuerzeiten, Saugrohrlänge und -durchmes-
Die Klassifizierung des WMTC-Zyklus zeigt ser) auf geringe Strömungsverluste bei Nenndrehzahl.
. Abb. 8.115. Diese Auslegung bringt jedoch große Nachteile im
Die Euro-3-Grenzwerte waren schon ohne Abgas- gesamten Teillast- und insbesondere im Niedriglast-
nachbehandlung mit Katalysator nicht mehr zu un- bereich im leerlaufnahen Bereich mit sich. Die großen
terschreiten. Die Hauptaufgaben der Ingenieure zur Ventilüberschneidungsquerschnitte erzeugen eine hohe

--
Erreichung der Abgasgrenzwerte bestehen aus:
Minimierung der Rohgas-Schadstoffemissionen,
innere Abgasrückführrate, indem das nicht ausgescho-
bene Restgas eines Zyklus bei Einlass-Öffnet durch den

- Abgasnachbehandlung,
ECU-Applikationsstrategie.
Unterdruck auf der Saugseite ins Saugrohr strömt und
dann im nächsten Zyklus wieder angesaugt wird. Die
großen Kanalquerschnitte sorgen bei geringer Ladungs-
dichte in der Teillast und geringen Anregungen durch
462 Kapitel 8 • Motoren

niedrige Drehzahlen für geringe Einströmgeschwin- reichen durch die Anpassung des Einlass-Öffnet-
1 digkeiten des Frischgemisches. Dies führt zu kaum Zeitpunktes den Ventilüberschneidungsquerschnitt
vorhandener Ladungsbewegung, was eine schlechte anpassen. So kann auch im leerlaufnahen Bereich eine
2 Durchmischung von Restgas und Frischgemisch zur
Folge hat. Es liegt also ein inhomogenes Gemisch vor,
gute Brennstabilität, gutes Abgasemissionsverhal-
ten und auch eine Verbrauchsverbesserung erreicht
was durch den hohen Restgasanteil schwer entflamm- werden.
3 bar ist. Zudem hat die Flammentransportgeschwindig-
keit ein sehr geringes Niveau, was dazu führt, dass die zz Vollvariable Ventiltriebe, .  Abb. 8.117
ohnehin sehr träge ablaufende Entflammung nur ver- Wenn neben der zeitlichen Verschiebung der Ventil-
4 hältnismäßig langsam durch den Brennraum wandert. öffnungsdauer auch eine Variation des Ventilhubver-
Unter solchen Umständen kann die Verbrennung bis laufes erreicht werden soll, kann nur ein System mit
5 weit über 90° nach OT ablaufen, was dazu führt, dass variablem Ventilhub zum Einsatz kommen. Die voll-
der Auslass während dieser verschleppten Verbrennung variablen Systeme wie die Valvetronic von BMW, das
schon wieder öffnet. Dies führt zu einem Arbeits- und VVH (Variabler Ventil Hub) von META oder ähnliche
6 Wirkungsgradverlust, überhöhten Rohgas-Schadstoff- Systeme sind sehr komplex und wegen der zu großen
emissionen und durch die hohen Abgastemperaturen bewegten Massen (Rollenabgriff und ähnliche) derzeit
7 zu einem stark belasteten Katalysator. Der Restgasanteil
kann in der Niedrigstlast soweit ansteigen, dass Ent-
nicht ausreichend drehzahlfest für den Einsatz im Mo-
torradmotor.
flammung beziehungsweise Durchbrennen gar nicht
8 mehr möglich ist. Es kann, gerade bei Motoren mit zz Ventilhubumschalter
wenig Schwungmasse, zu vereinzelten Aussetzern oder Die einfacheren Systeme eines Ventilhubumschalters
gar zum Absterben des Motors kommen. wie das VTEC von Honda oder das VarioCam+ von
9 Aufgrund des Wunsches nach immer weiter stei- Porsche scheinen unter den oben genannten Gesichts-
gender Leistung und der gleichzeitig immer strenger punkten geeigneter. Ventilhub, Ventilöffnungsdauer,
10 werdenden Abgasgesetzgebung werden auch Motor-
radmotoren in der Zukunft mit Variabilitäten aus-
EÖ und ES können als Zweipunktschalter verstellt
werden, was für die meisten Motorradanwendungen
gestattet werden. Nur so werden sich einerseits gute völlig ausreichend ist.
11 Durchströmungseigenschaften und andererseits gutes Eine sichere und saubere Verbrennung setzt eine
Teillastverhalten verbinden lassen. hohe Flammengeschwindigkeit voraus. Die Flammen-
Art und Anzahl der Variabilitäten werden aber im geschwindigkeit setzt sich aus der reinen Durchbrenn-
12 Vergleich zum Automobil eingeschränkt sein. Gründe geschwindigkeit der Flamme und der Flammentrans-
dafür sind Bauraum, Gewicht, Drehzahlfestigkeit und portgeschwindigkeit zusammen.
13 Kosten. Die Durchbrenngeschwindigkeit ist unter anderem
Im Nachfolgenden sind einige Möglichkeiten und stark abhängig vom Luftverhältnis λ und vom Restgas-
Variabilitäten beschrieben, die die Abgasemissionen gehalt. Ein mageres Gemisch mit λ = 1,25 brennt viel
14 verbessern und auch für den Motorradbereich vorstell- langsamer als ein fettes Gemisch mit λ = 0,85. Auch
bar sind: viel Restgas verlangsamt die Verbrennung. Für den In-
15 zz Camphaser/Nockenwellenversteller
genieur gibt es im λ = 1-Betrieb wenig Möglichkeiten
zur Beeinflussung.
Eine beim Automobil schon recht verbreitete Va- Die Flammentransportgeschwindigkeit dagegen
16 riabilität ist der Nockenwellensteller, der als Zwei- ist die Geschwindigkeit, mit der die Flamme von der
punkt-Steller oder als kontinuierlicher Steller aus- sich bewegenden Zylinderladung weitergetragen wird.
geführt werden kann, . Abb. 8.116. Damit können Diese Ladungsbewegung im Brennraum kann durch
17 Einlass- und/oder Auslass-Nockenwellen gegenüber verschiedene Maßnahmen gezielt gesteuert werden.
der Kurbelwelle verdreht werden, was zu geänderten
18 Ventilsteuerzeiten führt. Die Ventilhubverlaufskurve zz Tumble
bleibt allerdings unverändert. Mit einem Einlass- Durch das Einschießen des Frischgemisches über die
Camphaser wird in der Volllast eine Einlassschluss- obere Hälfte des Einlassventiltellers wird beispielsweise
19 anpassung mit steigender Drehzahl ermöglicht, was eine Tumbleströmung im Zylinderraum erzeugt, das
den Luftaufwand beziehungsweise den Liefergrad heißt, es erfolgt eine Walzenströmung quer zur Zylin-
20 günstig beeinflusst.
Zum anderen kann man in der Teillast und spe-
derachse, . Abb. 8.118.
In ausgeprägter Form kann der Tumble die Brenn-
ziell in den kritischen leerlaufnahen Niedriglastbe- dauer deutlich verkürzen und Verbrauch und Abgas
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
463 8

..Abb. 8.118 Tumble-Kanal

..Abb. 8.116 Hubumschalter

..Abb. 8.119 Kanalabschaltung

eine gezielte Drallströmung im Zylinderraum erzeugt,


was eine wesentlich bessere Ladungsbewegung bewirkt
und damit die Gemischaufbereitung verbessert und die
Verbrennung beschleunigt.

..Abb. 8.117  Bild Hubumschalter zz Ventilabschaltung


Anstatt eine Drosselklappe zu schließen, um einen
Kanal stillzulegen, kann man auch das Einlassventil
stilllegen. Das ist eine sehr effiziente Methode, die aber
verbessern. Die Motorradkanalgeometrien und die ge- Schaltungen in den sehr schnell bewegten Teilen des
ringe Ladungsdichte lassen allerdings im leerlaufnahen Ventiltriebs erfordert.
Bereich, wo die Ladungsbewegung benötigt wird, nur
relativ energiearme Tumbleströmungen zu. Die Mög- zz Bypass-Systeme
lichkeiten zur Verbrennungsverbesserung sind stark Eine andere Möglichkeit sind kleine, auf das Einlass-
eingeschränkt. ventil ausgerichtete Bypassbohrungen im Ansaug-
bereich des Zylinderkopfes. Bei Niedriglast wird die
zz Kanalabschaltung, .  Abb. 8.119 Drosselklappe geschlossen und das Gemisch über
Sind für die Einlassventile getrennte Drosselklappen diese Bohrungen eingeleitet. Durch die hohen Strö-
vorgesehen, kann die Einströmung in Geschwindigkeit mungsgeschwindigkeiten können stabile Drall- oder
und Ausrichtung beeinflusst werden. Im Niedriglastbe- Tumbleströmungen erzeugt werden. Wegen der klei-
reich kann ein Einlasskanal abgeschaltet werden. Die nen Querschnitte ist eine sensiblere Steuerung als über
gesamte Gemischmasse strömt durch ein Einlassven- die Drosselklappe möglich. Das Einsatzgebiet ist aber
til, was, bedingt durch den kleineren Querschnitt, die auf einen kleinen Kennfeldbereich begrenzt.
Einströmgeschwindigkeit deutlich erhöht und auch
464 Kapitel 8 • Motoren

zz Brennraumgestaltung . Abb. 8.120. Im Kaltstart half die Kraftstoffumset-


1 Der Brennraum wird vom Zylinderkopf und vom Kol- zung des Sekundärluftsystems bei der Katalysatorauf-
ben gebildet. heizung.
2
- Ziele bei der Brennraumgestaltung sind:
Kompakte Form, günstiges Oberflächen-Volu-
men-Verhältnis → gutes ηi (innerer Wirkungs-
Zur Erreichung der Grenzwerte Euro 3 reicht ein
solch einfaches System nicht mehr aus. Um die Grenz-
werte sicher zu unterschreiten, muss das Motorsystem
3
- grad),
Zentrale Zündkerzenlage → gleichmäßig kurze
aufgerüstet und die Strategie überarbeitet werden.

4
- Flammenwege,
Geringe Behinderungen der Gemischeinströ-
zz Katalysator
Für eine ausreichend große konvertierende Oberfläche

5 - mung → gute Füllung,


Geringe Behinderung der Flammenausbreitung →
ist eine Zelldichte des Katalysators von 200 bis 300 cpsi
(cells per square inch) notwendig. Mit steigender Zel-

6 - gute Verbrennung,
Minimierung von Spalten → Vermeidung von
Flammenerlöschung.
lenzahl nimmt neben der Oberfläche auch der Abgas-
gegendruck überproportional zu, was sich negativ auf
Maximalmoment und vor allem auf die Maximalleis-
tung auswirkt. Dies kann teilweise durch einen größe-
7 Frühere Zweiventilzylinderköpfe hatten häufig halb-
kugel- oder linsenförmig geformte Brennräume. Diese
ren Katalysatorquerschnitt kompensiert werden. Das
Katalysatorvolumen muss aus diesen Gründen etwa
Formen sind sehr kompakt und haben durch ihr Ober- 0,5 bis 0,8 l/l Hubvolumen aufweisen, zum einen für
8 flächen-Volumen-Verhältnis geringe Wärmeverluste, eine ausreichende Konvektionsoberfläche, zum an-
was einen guten inneren Wirkungsgrad begünstigt. deren zur Minimierung des Abgasgegendrucks. Die
Nachteil dieser Konstruktion ist das niedrige Verdich- Lage des Kat ist wichtig für das schnelle Erreichen der
9 tungsverhältnis, was mit einem flachen Kolben erreicht Anspringtemperatur (Light-Off), . Abb.  8.121. Bei
werden kann. Will man ein zur Wirkungsgradstei- Motorradmotoren werden daher wie beim Pkw die
10 gerung notwendiges hohes Verdichtungsverhältnis
(ε > 11) erreichen, geht dies nur mit Kolbenböden, die
Katalysatoren in Zukunft vom Schalldämpfer näher an
den Motor rücken. Die Zellenzahlen der Katalysator
Aufbauten aufweisen. Dies führt neben zusätzlichem werden auf 400 cpsi steigen.
11 Kolbengewicht aufgrund von notwendigen Ventilta-
schen zu zerklüfteten Brennraumoberflächen, deren zz Gemischaufbereitung
vergrößerte Oberfläche wieder wirkungsgradnachteilig Ein betriebswarmer Katalysator kann bei exakter Ein-
12 ist. haltung eines stöchiometrischen Gemisches (λ = 1) bis
Moderne Motorradmotoren sind überwiegend 98 % der Schadstoffe in CO2 und Wasser konvertieren.
13 als Mehrventilmotoren ausgeführt. Der größte Teil Die Schwierigkeit besteht in der genauen Einhaltung
der Motoren besitzt Vierventilköpfe. Die Anzahl und von λ = 1, die eine Regelung der Gemischaufbereitung
Größe der Ventile gibt die Brennraumform weitge- und damit eine elektronisch gesteuerte Einspritzanlage
14 hend vor. Es ergibt sich ein eher flacher, dachförmiger unverzichtbar macht. Nur so kann auf Schwankungen
Brennraum, der mit kleinen Ventilwinkeln recht kom- des Lambdas schnell reagiert werden. Als Regelgröße
15 pakt bleibt und ein akzeptables Oberflächen-Volumen-
Verhältnis aufweist.
dient das Signal der Lambda-Sonde, die den Sauer-
stoffgehalt im Abgas dedektiert.
Mit flachen Kolben und geringen Ventiltaschen Die Motorsteuerung oder ECU (electronic control
16 lassen sich Verdichtungsverhältnisse von etwa ε = 12 unit) wertet das Signal der Lambdasonde aus und ver-
erreichen. Mit größeren Ventiltaschen kann das Ver- sucht mit der Einspritzmenge ein stöchiometrisches
dichtungsverhältnis bei thermodynamisch befriedi- Gemisch einzuregeln. Stationär funktioniert dies sehr
17 genden Brennräumen bis circa 13,5 gesteigert werden. gut, wenn der Regelalgorithmus auf das Ladungswech-
selsystem abgestimmt ist.
18 Zwei Betriebszustände des Motorrades weichen

--
zz Abgasnachbehandlung
Bei Euro 2 reichte häufig schon ein passives Sekun- jedoch stark vom idealen Stationärbetrieb ab:
därluftsystem, um die Grenzwerte einzuhalten. Durch Start (Kaltstart, Heißstart, Wiederholstart),
19 Einbringung von Luft ins Abgassystem wurden die im Beschleunigung/Verzögerung.
Leerlauf und in Schubphasen anfallenden CO- und
20 HC-Emissionen im Auspuff nachverbrannt. Häufig
wurden auch ungeregelte kleine Katalysatoren mit
zz Start
Wird der Motor in kaltem Zustand gestartet, liegen
100 bis 200 cpsi (cells per square inch) eingesetzt, gleich mehrere ungünstige Bedingungen vor:
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
465 8

..Abb. 8.120 Katalysatoren

- Die Lambda-Sonde ist noch kalt und nicht be-

- triebsbereit.
Die ECU kann nur mit den Motortemperaturda-
ten eingespeicherte Einspritzwerte vorsteuern.

-- Eine Regelung ist noch nicht möglich.


Alle Motorbauteile sind kalt.
Die Kraftstoffverdampfung im Ansaugtrakt ist
stark eingeschränkt, was zu einer starken Wand-
filmbildung führt. Das Gemisch muss daher
in der Kaltstartphase stark angefettet werden,
um ein Anspringen des Motors sicherzustellen.
Wichtig ist, die Anfettung mit zunehmender
Motortemperatur und betriebsbereiter Lambda-

-- Sonde schnell auf λ = 1 zurückzufahren.


Der Katalysator ist noch kalt.
Solange der Katalysator eine Temperatur unter-
halb von 250 °C hat, ist keine beziehungsweise ..Abb. 8.121  Motornahe Kat-Position (Kawasaki ZX
10R, Yamaha R1)
nur eingeschränkte Abgaskonvertierung möglich.

zz Beschleunigung/Verzögerung
Im normalen Fahrbetrieb ist die genaue Einhaltung reicherung, die den jeweiligen Fahrzustand und den
des Kraftstoff-Luft-Gemischs wegen des im Vergleich Fahrerwunsch (Änderungsgradient der Gasgriffstel-
zum Automobil wesentlich dynamischeren Motor- lung) berücksichtigen.
verhaltens außerordentlich schwierig. Die geringe Die Euro-3-Abstimmung bringt einige Zielkon-
Schwungmasse der Motorradmotoren führt zu sehr
großen Drehzahlgradienten, die die Ermittlung der
zum Einspritzzeitpunkt wirklich vorliegenden Dreh-
zahl erschweren. Zudem zeigt die Lambda-Sonde im-
-
flikte mit sich:
Die zunehmende Zellenzahl erhöht die aktive
Katalysatoroberfläche aber auch den Abgasgegen-
druck, was die Verbesserung der Volllastleistung
mer nur den Zustand des vorherigen Zyklus an, wes-
halb die ECU grundsätzlich etwas nacheilt. Würde man
nur mit den Kennfeldwerten und der Lambdaregelung
arbeiten, würde der Motor bei plötzlicher Beschleu-
- erschwert.
Die für ein schnelles Anspringen des Kataly-
sators notwendige motornahe Lage des Kat
kann zu großen Überhitzungsproblemen in der
nigung immer ausmagern und beim Übergang in die Hochdrehzahlvolllast oder in Schubphasen mit
Schubphase überfetten. Neben Fahrbarkeitsproblemen
ergäben sich auch Nachteile bei der Abgaskonvertie-
rung. Um diese Unzulänglichkeiten zu minimieren,
enthält die ECU Funktionen zur Beschleunigungsan-
- Gemischanreicherung führen.
Lambda1-Betrieb und Schubabschaltung führen
in Niedriglastbereichen und in Lastwechselpha-
sen zur Verschlechterung der Fahrbarkeit.
466 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4
5
6 ..Abb. 8.122 SHED-Prüfstand

7 zz ECU-Applikationsstrategie und ihre Ziele 3. Schubabschaltung


1. Möglichst schnelle Katalysatoraufheizung auf Be- In Schubphasen mit geschlossener Drosselklappe soll
8 triebstemperatur keine Verbrennung mehr stattfinden. Es wird daher
Ziel ist es, hohe Abgastemperaturen in der Kaltstart- angestrebt, den Kraftstoff bei Schub abzuschalten.
und Warmlaufphase zu erreichen, um alle wärmeauf- Der Übergang von Fahrbetrieb zu Schubbetrieb und
9 nehmenden Bauteile und im Speziellen den Katalysator umgekehrt ist allerdings ein sehr sensibler Bereich.
schnell zu erwärmen. Dazu kann beispielsweise sehr Im Niedrigstlastbereich ist die Entflammung und
10 spät gezündet werden, was eine späte und verschleppte
Verbrennung mit sich bringt, die teilweise bis in die
Verbrennung träge. Bei einer Hochleistungsauslegung
mit großer Überschneidung kann es leicht zu Zyklen
Ausschiebephase hinein verläuft. Zusätzlich wird für mit sehr schlechter Verbrennung oder gar Aussetzern
11 die erste Kaltstartphase ein sehr fettes Gemisch einge- kommen, was sich in Motorruckeln äußert. In engen
stellt, dass die Verbrennung bis in den Auspuff hinein Kehren mit geschlossener Drosselklappe erzeugt das
unterstützt. Zudem kann das fette Gemisch durch Luft- Wiedereinsetzen der Kraftstoffeinspritzung einen
12 einblasung in den Abgastrakt nachverbrannt werden, Schlag und bringt so Unruhe ins Fahrverhalten. Durch
was hohe Abgastemperaturentwicklung im Katalysator Hochleistungsdrosselklappen mit großen Durchmes-
13 zur Folge hat. Das Gemisch wird dann mit einer Zeit- sern wird diese Tendenz nochmals verstärkt. In den
und Temperaturfunktion in Richtung Lambda = 1 ver- Niedriglastphasen kann eine Veränderung des Dros-
stellt. Sobald der Katalysator mehr als 250 °C erreicht selklappenwinkels von 1° eine Vervielfachung der an-
14 hat, kann im λ = 1-Betrieb bereits eine hohe Konver- liegenden Leistung bedeuten. Für den Leerlauf und den
tierungsrate erreicht werden. leerlaufnahen Bereich kann eine Bestückung mir einer
15 2. Möglichst lange und genaue Einhaltung von λ = 1
zweiten Drosselklappe oder einem Bypass-System hel-
fen, die Fahrbarkeit zu verbessern.
Die Abgasnachbehandlung mit einem neuen und be- In Zukunft werden, wie beim Automobil, E-Gas-
16 triebswarmen Katalysator kann bei einem Verbren- Systeme Einzug halten. Beim E-Gas-System entfällt
nungsluftverhältnis λ = 1 über 97 % der schädlichen die mechanische Verbindung von Gasgriff und Dros-
Abgaskomponenten in CO2 und Wasser konvertieren. selklappe. Mit dem Gasgriff wird ein Potentiometer
17 Eine solche Reduzierung ist mit verbrennungsverbes- den Fahrerwunsch aufnehmen und ans Steuergerät
sernden Maßnahmen nicht zu erreichen. Daher muss (ECU) weitergeben. Dort wird die Information verar-
18 versucht werden, auch im dynamischen Betrieb das beitet, mit der aktuellen Fahrsituation verglichen und
Lambda bei 1 zu halten. Bei Konstantfahrten ist dies eine Stellinformation an eine elektronisch geregelte
mit gutem Regelalgorithmus möglich. Schwierigkei- Drosselklappe weitergegeben. Ein solches System hat
19 ten gibt es beim Kaltstart, Leerlauf und in Beschleu- viele Vorteile: Zum einen kann das „Ansprechverhal-
nigungsphasen, wo eine Anreicherung erfolgen muss, ten“ des Gasgriffs kennfeldmäßig abgelegt und verän-
20 um eine gute Fahrbarkeit zu realisieren. Für diesen
Kompromiss muss die Beschleunigungsanreicherung
dert werden. Das heißt die Empfindlichkeit kann last-,
drehzahl- und geschwindigkeitsabhängig angepasst
deshalb sehr sorgfältig abgestimmt werden. werden. Im leerlaufnahen Stadtbetrieb, wo sich bereits
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
467 8
..Abb. 8.123 Ablauf Start
SHED-Prüfung
Befüllung des Tanks auf
Kraftstoff ablassen 50 % des Nennvolumens
und neu befüllen Testkraftstoff: Indolene
max. 60 min oder Phase 2 CARB-Sprit
Vorkonditionieren auf Phase 1 + 2 des FTP 75
Rollenprüfstand (Kaltstart + stabilisierte Phase)
max. 5 min
Kalt-Abstellphase 12 bis 36 Stunden

Kraftstoff ablassen Befüllung mit abgekühltem


und neu befüllen Kraftstoff (ca. 15 °C)

Aufheiz-Phase im SHED: Dauer: 1 Stunde; separate


HC-Emissionen aufgrund von Heizkissen für Kraftstoff und
Temperaturschwankungen Dampf, jeweils 1 Thermoelement
0–60 min
Phase 1 + 2 des FTP 75
Kaltstart-Abgastest
(Kaltstart + stabilisierte Phase)
10 min
Heißstart-Abgastest Phase 1 des FTP (Heißstart)
max. 7 min
Heiß-Ausdünstungspahse
1 Stunde
in SHED-Kammer

Ende

kleine Drosselklappenstellungsänderungen drastisch kraftstoffgängigen Bauteile abgegeben werden, müssen


auswirken, kann ein unempfindlicheres Ansprech- minimiert werden.
verhalten eingestellt werden, was die Applikation Schon heute gibt es in Kalifornien Grenzwerte für
auf gute Fahrbarkeit deutlich erleichtert. Bei höhe- die Verdunstungsemissionen. Ermittelt werden die
ren Geschwindigkeiten und Lasten kann ein schnel- Emissionen im SHED-Test. Die SHED-Kammer ist
les Ansprechverhalten eingestellt werden, was ein eine kohlenwasserstoffdichte Kammer (SHED = Sealed
sportliches Fahrgefühl unterstützt. Auch zu schnelles Housing for Evaporative Detection), in die das Mo-
Aufreißen der Drosselklappen, was durch nicht ge- torrad zum Test eingeschlossen wird, . Abb.  8.122.
nügend schnelle Anpassung der Einspritzmenge zu Mit einem festgelegten Testprozedere werden unter-
einem Verschlucken des Motors führt, kann vermie- schiedliche Fahrzeugzustände erzeugt und die dann
den werden, indem die Drosselklappenöffnungsge- anfallenden Verdunstungen gemessen. Der Grenzwert
schwindigkeit an die Beschleunigungsanreicherung liegt bei 2 g/Test.
angepasst wird. Zum anderen kann ein E-Gas-System In . Abb. 8.123 ist der Ablauf einer SHED-Prü-
in sicherheitsrelevante Systeme wie eine Schlupf- oder fung schematisch beschrieben.
Wheelie-Kontrolle eingebunden werden. In den Top-
Rennserien Moto GP und Superbike werden solche 8.3.3.2 Geräuschemissionen
Systeme bereits sehr erfolgreich eingesetzt. Seit 1986 sind die Grenzwerte für die Motorradge-
räuschemissionen sukzessive abgesenkt worden. Die-
zz Verdunstungsemissionen ser Trend wird sich fortsetzen, auch wenn derzeit der
Zukünftig werden wie in Kalifornien auch in den rest- genaue Termin für die Einführung neuer Grenzwerte
lichen Staaten der USA und in Europa nicht mehr al- und die exakte Definition der dann verschärften Mess-
lein die Abgasemissionen limitiert werden. Das System bedingungen noch nicht feststeht, . Abb. 8.124.
Motorrad wird dann ganzheitlich betrachtet. Das heißt Das derzeitige Messverfahren zur Bestimmung der
auch die Kraftstoff-Emissionen, die durch die Tank­
oberfläche, den Tankverschluss, die Schläuche und alle
-
Geräuschemission ist wie folgt definiert, . Abb. 8.125:
20 m lange und 15 m breite Messstrecke (ISO-
Asphalt),
468 Kapitel 8 • Motoren

Geräuschlimits für Motorräder bei allen Motorradherstellern sehr großen Entwick-


1 Motorräder > 175 cm3 lungsaufwand nach sich ziehen.
86 dBA 86 dBA
Zukünftige In Zukunft werden Mündungsgeräusche (An-
Grenzwerte
2 83 dBA
saug- und Auspuffgeräusch) stark gedämpft werden
müssen. Es wird sehr schwierig werden, dies ohne
80 dBA 80 dBA
Leistungs- und Drehmomentverluste zu erreichen.
3
76–77 dBA
Die Schalldämpfervolumina werden dafür erheblich
größer ausfallen müssen. Auch die Airbox wird grö-
ßer werden, um die Amplituden der Druckpulsationen
4 1984 1988 1990 1993 2006 2009–2011 ?
abzuschwächen. Die Mündungen der zur hohen Leis-
..Abb. 8.124  Entwicklung der Geräuschgrenzwerte tungsausbeute notwendigen geradlinigen, großvolu-
5 seit 1984 migen Ansaugwege müssen dann entweder verdeckt
angebracht werden, mit Resonator-Elementen verse-

6
- 2 Mikrophone im Abstand von 7,5 m links und
hen sein oder mit Variabilitäten wie Klappensysteme
ausgestattet werden.

7 - rechts neben der Messstrecke,


Einfahrt in die Messstrecke mit konstant
Diese Maßnahmen werden in den meisten Fällen
aber nicht ausreichen, um die Grenzwerte zu unter-

- 50 km/h
Volllast-Beschleunigung ab 50 km/h im 2. und
schreiten. Zudem treten bei sehr niedrigen Mündungs-
geräuschen die Motorgeräusche in den Vordergrund.
8
9
- 3. Gang,
Geräuschlimit: 80 dBA.

Beim Standgeräusch gibt es keine Grenzwerte für stra-


Klappern, Rasseln, Mahlen und Scheppern des Motors
mindern das Qualitätsempfinden. Deshalb müssen
auch die Geräuschemission des Motors und der Kraft-
übertragung, das Abrollgeräusch und die Geräusch-
ßenzugelassene Fahrzeuge. Es wird im Abstand von abstrahlung der angeregten Bauteile im Vergleich zu
10 0,5 m in 45° zur Auspuffmündung gemessen und die
Werte eingetragen, . Abb. 8.126.
heute deutlich reduziert werden.

---
Das neue Geräuschmessverfahren für die beschleu- zz Mechanische Motorgeräusche sind:
11 nigte Vorbeifahrt, das vermutlich im Zeitraum 2009 bis Kolbenkippen
2011 Pflicht wird, ist eng an das oben genannte bishe- Steuertrieb (Zahnräder, Ketten, Spanner)
rige Verfahren angelehnt. Entscheidender Unterschied Ventiltrieb (Ventilaufsetzen, Tassenstößel,

--
12 ist die Beschleunigungsphase. Bisher freigestellt, wird Schlepphebel)
die Beschleunigungsphase in der Messstrecke durch Primärtrieb
13 das Leistungsgewicht des Motorrades vorgegeben.
Die notwendige Kurve zur Bestimmung der Zielbe-
--
Getriebegeräusche (Zahnflankenspiele)
schwingende Motorflächen

14
schleunigung wird zurzeit noch bei den europäischen
Fachgremien der EU diskutiert. Mit dieser Maßnahme
--
Vibrationen
freie Massenkräfte

15
versucht der europäische Gesetzgeber, Manipulationen
durch Geräuschtesterkennung seitens der Hersteller
--
freie Massenmomente
Verbrennungsgeräusch
auszuschließen.
In der Vergangenheit konnte nicht ausgeschlossen
--
Kettenschlagen auf die Schwinge
Einlaufgeräusche (Ritzel, Kettenrad)
16
17
werden, dass ein Steuergerät die Geräuschmessproze-
dur erkennt und beispielsweise die zweite elektronisch
angesteuerte Drosselklappe bei Durchfahrt der Test-
strecke soweit geschlossen hat, dass die Beschleuni-
-
Schallleitwege
Motorschwingungen (Motorordnung oder Vielfa-
che) werden auf Anbauteile übertragen, die dann
den Schall abstrahlen
gung und die damit verbundene Geräuschentwick-
18 lung niedrig ausfiel. Das Ansauggeräusch war durch Die Akustiker beziehungsweise NVH-Techniker
die weitgehend geschlossene Klappe zusätzlich stark (NVH = Noise, Vibration, Harshness) müssen in Zu-
gedämmt. Im realen Fahrbetrieb war das Geräuschni- kunft bereits früh in die Konstruktionsphase eingebun-
19 veau höher. den werden, um in enger Zusammenarbeit mit den
Zusätzlich zur Änderung des Messverfahrens Strukturfestigkeitsrechnern Schwingungsamplituden
20 werden die Grenzwerte für die Geräuschemission von
80 dB auf vermutlich 76 bis 77 dB gesenkt. Sowohl die
in den einzelnen Bauteilen zu minimieren. Mögliche
Schallleitwege können frühzeitig vermieden, unterbro-
neuen Limits als auch das verschärfte Verfahren wird chen oder gedämpft werden.
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
469 8
..Abb. 8.125 Geräusch-
messstrecke
Photocell
Radar
Mic. left

7m 10 m 10 m 7m

0m
Mic. right

Zur Bestimmung der Einzelanteile der Geräusch-


quellen am Gesamtgeräuschpegel werden klassische
Schallpegelmessungen am zu untersuchenden Bauteil
bei Abdeckung der restlichen Bauteile durchgeführt.
Zur Unterstützung können moderne Messverfahren
wie die Array-Messtechnik, Laser-Vibrometer oder
die Holographie eingesetzt werden. Bei richtiger An-
wendung können auffällige Schallquellen sehr schnell
geortet werden. Je nach untersuchtem Frequenzbereich
kann das eine oder das andere Messverfahren erfolg-
reich sein. ..Abb. 8.126  Randbedingungen für die Standge-
räuschmessung

8.3.4 Rennmotoren
bei circa  13.000 min−1 und überdrehen bis zu
8.3.4.1 125 und 250 2T für GP 14.200 min−1. Damit werden Spitzengeschwindig-
In diesen beiden Klassen – Kategorien 125 ccm und keiten, je nach Rennstrecke, von bis zu 240 km/h
250 ccm werden Prototypen und deren in Kleinserien (125er), beziehungsweise 280 km/h (250er) erreicht,
aufgelegten Replikas eingesetzt. . Abb. 8.127.
In der 125er Klasse beträgt das maximal zulässige In der 250er Klasse sind V- und zum Teil auch Rei-
Fahrzeuggewicht plus dem Fahrer, inklusive komplet- henanordnungen (derzeit nur KTM) geläufig, wobei
ter Fahrerbekleidung, 136 kg. In der 250er Klasse ist beim 2-Takt-Motor jeder Zylinder ein eigenes, abge-
rein das Fahrzeuggewicht auf mindestens 98 kg be- trenntes Kurbelgehäuse benötigt, „echte“ V-Motoren
schränkt. Verbleites Benzin ist verboten. Die Motoren- mit einem Hubzapfen für beide Pleuel sind demnach
technik ist sehr speziell auf höchste Leistungsausbeute nicht möglich. Die Motorcharakteristik kann durch
über die gesamte Renndistanz, geringes Gewicht, gute den, vom besten Massenausgleich abweichenden,
Integrierbarkeit ins Chassis, Abstimmbarkeit und Ad- Zündversatz der beiden Leistungseinheiten optimiert
aptierbarkeit an die jeweilige Strecke, Fahrer und me- werden. Geläufig sind heute bei 250er Rennmotorrä-
teorologische Verhältnisse ausgelegt. Es werden was- dern ein Zündzeitpunktversatz vom ersten auf den
sergekühlte Ein- und Zweizylinder-Zweitaktmotoren, zweiten Zylinder von 90° Kurbelwinkel.
mit oder ohne elektrischer beziehungsweise pneumati- Die Kraftübertragung erfolgt mittels Mehrschei-
scher Auslasssteuerung verwendet. Die Zylinderanzahl ben-Trockenlamellenkupplung (besserer Wirkungs-
ist durch das Reglement begrenzt und beschränkt sich grad als Ölbadkupplung) über klauengeschaltete
in der 125er Klasse auf einen Zylinder (bis Ende der Sechsgang-Kassettengetriebe (Auswechseln der ein-
1980er Jahre waren zwei Zylinder erlaubt) und in der zelnen Gangabstufungen beziehungsweise Überset-
250er Klasse auf maximal zwei Zylinder. zungsverhältnisse sind ohne Ausbau des Motors mög-
125er Maschinen erreichen eine Leistung lich) auf die Antriebskette und aufs Hinterrad. Die
von über 50 PS, 250er von über 100 PS, beide Wasserpumpe ist elektrisch (weniger Reibverluste)
470 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4
5 ..Abb. 8.127  GP 250 Rennmaschine (Aoyama)

6
oder mechanisch über die Kurbelwelle angetrieben. deren Einflussgrößen über ein Kennfeld variiert. Dies
7 Das Kurbelgehäuse ist oft in einem Teilbereich eben-
falls wassergekühlt. Alle Motoren haben heute Aus-
wird mittels einer elektronischen, frei programmierba-
ren Zündanlage realisiert.
gleichswellen, um die Motorvibrationen drastisch zu Eine Datenerfassung, das sogenannte Data-Recor-
8 reduzieren. Dies ist notwendig, weil die Motoren als ding, zeichnet im Fahrbetrieb die wichtigsten Mess-
mittragende Elemente starr mit den Aluchassis ver- daten auf, die zur Abstimmung und Verbesserung des

---
schraubt sind. Rahmenrisse und den Fahrer störende Fahrzeuges unerlässlich sind. Dazu gehören:
9 Vibrationen an Lenkerstummeln und Fußrasten wären Geschwindigkeit,
ohne Ausgleichswellen die Folge. Drehzahl,
10 Die Gemischaufbereitung erfolgt über einen be-
ziehungsweise zwei (250er Klasse) Schiebervergaser
-- Gangerkennung,
Schieberstellung,

11
und zusätzlicher, elektronisch gesteuerter Benzinzu-
führung vor oder nach dem Vergaser mittels eines
--
Auspuff und Wassertemperatur,
Airboxdruck und Temperatur,

12
Magnetventils (Power Jet) oder Einspritzdüse. Mit die-
ser zusätzlichen Abstimmungsmöglichkeit kann der
Motor über den Vergaser bewusst leistungsoptimiert
eingedüst werden, weil in kritischen Lastzuständen
--
Kurbelraumtemperatur,
Vorder- und Hinterraddrehzahl (Schlupf),
diverse Chassis und Fahrwerksdaten.

13 dem mager abgestimmten Motor zusätzlicher Kraft- Als Beispiel ist in . Abb. 8.128 kurz der KTM V4-GP1
stoff zugeführt werden kann. Dies hilft Kolbenreiber Motor beschrieben.
beziehungsweise Klemmer zu vermeiden, die mit
14 der mageren, leistungsoptimierten Vergaserabstim- 8.3.4.2 GP1
mung unausweichlich wären. Diese Probleme treten Die MotoGP Klasse geht von folgenden Randbedin-
15 insbesondere bei hohen Drehzahlen und geringer
Vergaserschieberöffnung, das heißt, wenn wenig Ver-
-
gungen aus:
ausschließlich Prototypen mit einem Hubraum

16
dunstungskühlung am Kolbenboden und schlechte
Gemischölversorgung an den Zylinderwänden vor-
liegt, oder auch beim Klopfen des Motors auf. Zudem
ist dieses System ein gutes Abstimmungsinstrument,
- von maximal 990 ccm,
Motorradgesamtgewicht:
2- und 3- Zylinder-Motoren – 135 kg,
4- und 5- Zylinder-Motoren – 145 kg,

--
17 um die Fahrbarkeit des Motors beim Öffnen des Gas- ab Sechszylindermotoren – 155 kg.
schiebers im Grenzbereich am Kurvenscheitel bezie- Saugmotoren,
18 hungsweise beim Herausbeschleunigen aus der Kurve maximal Tankinhalt 24 l, 2005 - 22 l.
zu verbessern. Der Einlass erfolgt über eine Airbox.
In dieser ist der oder sind die Vergaser untergebracht. zz Bauweise
19 Die Airbox baut geschwindigkeitsabhängig einen Die im Sandgussverfahren hergestellten Motorgehäu-
Staudruck auf, der die Füllung verbessert und den sehälften, . Abb. 8.129 aus G AlSi7MgCu 0.5 sind ho-
20 Motor auflädt.
Der Zündzeitpunkt wird variabel, abhängig von
rizontal geteilt. In dieser Teilungsebene befindet sich
auch die Lagerung der Abtriebswelle des Getriebes.
Drehzahl, Schieberstellung und zum Teil auch von an- Das Gehäuseoberteil ist als Closed-Deck-Konstruktion
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
471 8

Bauart/V-Winkel –/° V4/75


Zündfolge – 1-4-2-3
Kurbelwellenkröpfung ° KW 360
Zylinderabstand mm 94
Bohrung/Hub mm 84/44.6
Hubraum cm 3
989
Pleuellänge mm 96.5
Ventile/Zylinder – 4
E/A Ventilflächenverhältnis – k. A.
Verdichtungsverhältnis – 14 : 1
Gemischaufbereitung 2 Einspritzdüsen/Zylinder
Ventiltrieb Schlepphebeltrieb, pneumatische Ventilfeder
Steuertrieb Rädertrieb
Kühlung Querstrom-Wasserkühlung
Schmierung Integrierte Trockensumpfschmierung
Getriebe 6-Gang-Kassettengetriebe
Massenausgleich 95 % Ausgleich osz. Kräfte 1. Ordnung mit Gegengewichten an
Kurbelwangen und gegenläufig rotierende Ausgleichsräder,
100 % Ausgleich Momente 1. Ordnung an den Ausgleichsrädern
Kupplung Trockenkupplung
Motormanagement McLaren Electronics
Motorgewicht kg 58

..Abb. 8.128  Daten des KTM V4-GP1 Motor

ausgeführt und vereint die gewünschte Leichtbauweise merkmalen wurde im Unterteil das Gehäuse – Ölab-
mit den Anforderungen an die erhöhte Struktursteifig- saugpumpen, Öldruckpumpe und mechanischem Öl/
keit. Die Zylinderlaufflächen sind gemäß den hohen Luft – Zentrifugalabscheider eingebaut. Ein weiteres
tribologischen Beanspruchungen nikasilbeschichtet. motorradspezifisches Merkmal ist das angegossene
Pro Zylinderbank sorgen sechs Zuganker für die Ver- Getriebegehäuse mit integrierten Lagerstühlen, wobei
bindung Zylinderkopf/Gehäuseoberteil. die Ausführung als Schnellwechselgetriebe für den
Aufgrund der hohen Spitzenverbrennungsdrücke Rennsport vorausgesetzt wird.
und der hochdrehzahlkonzeptbedingten Massenkräfte Das Kernstück des Triebwerks, . Abb. 8.130 bildet
sorgt eine Bedplate-Konstruktion in Verbindung mit die dreifach gelagerte, aus dem Vollen bearbeitete Kur-
einer Doppelverschraubung für eine Anpassung an die belwelle mit vier Gegengewichten und gasnitrierten
erhöhten Belastungen. Vorrangiges Ziel ist die steife Haupt- und Pleuellagern. Aufgrund von gasdynami-
Ausführung der Hautlagergasse und die direkte Füh- schen Vorteilen in der Gesamtabstimmung von Ein-
rung der Kraftlinien von Zylinderkopf über die Zugan- und Auslasssystem wurde eine Kurbelwellenkröpfung
kern des Kurbelgehäuseoberteils zu einer steifen An- von 360° vorgesehen. Die hervorragende Biege- und
bindung der Bedplate-Konstruktion. Somit können im Torsionssteifigkeit und der am Triebwerk konsequent
Volllastbetrieb die Spitzen in den Flächenpressungen, betriebene Leichtbau gewährleistet eine hohe Eigen-
die Spannungen und die spezifischen Lagerdeformati- frequenz und ist die Grundlage für das Hochdrehzahl-
onen verringert werden. konzept.
Die konstruktionsgerechte Umsetzung der Forde- Der Ausgleich der Massenkräfte und Momente
rung nach integrativen Lösungen wurde im Gehäuse erfolgt über Unwuchten an den Kurbelwangen und
mit der Wasserführung im V der Zylinderbänke re- zusätzlichen zwei Ausgleichsrädern an den Seiten-
alisiert. Korrespondierend zu diesen Konstruktions- flächen des Kurbelgehäuses. Mit dieser Anordnung
472 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4
5
6
7 ..Abb. 8.129  Schnitt durch das Kurbelgehäuse des
KTM V4-GP1
..Abb. 8.130  Dreifach gelagerte Kurbelwelle
8
werden die Massenkräfte 1. Ordnung zu 95 % und die Der hohe Anspruch an die Genauigkeit des
9 Massenmomente 1. Ordnung zu 100 % ausgeglichen. nachzubildenden kinematischen Ventilhubes und
Bei Betrachtung der ersten beiden Ordnungen ist die die Forderung nach Einhaltung der Steuerzeiten
10 Gesamtbelastung für die Motoraufhängungspunkte
vergleichsweise geringer als beim Vier-Zylinder-Rei-
im dynamischen Betrieb resultiert in der mechani-
schen Ausführung des Steuertriebs als Zahnradtrieb,
henmotor, . Abb. 8.131. . Abb. 8.133. Die konzeptionelle Festlegung des Ven-
11 Der Zylinderkopf, . Abb. 8.132 wird im Sandguss- tiltriebs und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten
verfahren aus G AlSi7MgCu 0.5 hergestellt. Er ist als in der Gestaltung der Ventilbeschleunigungen führen
Vierventilkonzept mit zentraler Zündkerzenposition zu hohen dynamischen Belastungen. Die ausgeführte
12 konzipiert. Die zwei Nockenwellen werden dreifach Wahl der Untersetzungsstufen, zusammen mit stei-
gleitgelagert und zusätzlich durch ein Nadellager abge- fer Zahnradkonstruktion und in Verbindung mit
13 stützt. Der Antrieb der mechanischen Kraftstoffdruck- der Gehäuseausführung, ermöglicht den Betrieb bis
pumpe wird über die Auslassnockenwelle integriert. 18.000 U/min mit respektablem Sicherheitsabstand
Der Ventilsitzring und die Ventilschaftführung werden zu den Systemeigenfrequenzen. Die Anregung kommt
14 aus Kupferberyllium hergestellt. Die Forderung nach aus der 1. und 3. Motorordnung der Nockenwellen-
einem kompakten, verbrennungsoptimierten Brenn- momente. Die erste Dreheigenfrequenz des Systems
15 raum, hoher Verdichtung und maximal möglicher
Ausnutzung von Ventilquerschnitten, führten zu einer
liegt bei circa 1150 Hz, was bei einer Anregung der
3. Motorordnung einer Motordrehzahl von 23.000 U/
leicht radialen Anordnung der Ventile. Die Integration min entspricht.
16 der Pneumatikfeder erfolgt über angegossene Zylinder Als uneingeschränkt geeignetes Steuerungskon-
und Druckleitungen zur leckagebedingten Versorgung zept für den Ladungswechsel wurde, korrespondierend
mit Stickstoff und zur Bereitstellung des geforderten zu den Hochdrehzahlanforderungen eines Rennmo-
17 Systemdruckes. Die Lagerung der Schlepphebel wird tors, der Ventiltrieb als Schlepphebeltrieb mit pneu-
über eingeschraubte Lagerböcke gewährleistet. Die matischer Ventilfeder ausgeführt. Im Vordergrund
18 Funktionen der Zylinderkopfdichtung übernehmen stand einerseits die freie Gestaltung des kinematischen
gasgefüllte Stahlringe zum Brennraum hin und zu- Ventilhubverlaufs zur Optimierung des Liefergradver-
sätzlich O-Ringe für den dichten Durchtritt der Kühl- haltens und andererseits die mechanische Robustheit
19 wasser- und Ölströme. Die obere Lagerung der beiden des Systems.
Nockenwellen pro Zylinderbank erfolgt direkt durch Die Realisierung der gewünschten Ventilbeschleu-
20 die aus Aluminium gefräste Zylinderkopfhaube. Diese
konstruktive Lösung ermöglicht eine äußerst steife
nigungen und des dynamischen Verhaltens des Ven-
tiltriebs resultieren in einer konsequenten Massenre-
Nockenwellenlagerung und eine kompakte Bauweise. duzierung der Einzelkomponenten. Die Ventile und
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
473 8

..Abb. 8.131  Belastung Motoraufhängung

..Abb. 8.132 Zylinderkopf ..Abb. 8.133  Steuertrieb als Zahnradtrieb

die Pneumatikkolben wurden aus Titan, die Ventilsitze den vom Niederdrucksystem über Drosselquerschnitte
und die Ventilführung aus Kupferberyllium gefertigt. hin zum Zylindervolumen ausgeglichen.
Die oszillierenden Massen und wesentliche Kenngrö- Zur Optimierung des tribologischen Verhaltens
ßen des Ventiltriebs sind in . Abb. 8.134 abgebildet. des Ventiltriebs wurden Nockenwellen und Schlepphe-
Der Einsatz von pneumatischen Ventilfedern re- bel mit einer DLC Beschichtung versehen. Die Frisch-
duziert entscheidend die bewegte Gesamtmasse bei ölschmierung wird über Spritzdüsen, die den Kontakt
gleichzeitiger Optimierung des dynamischen Schwin- Nockenwelle zu Schlepphebel versorgen, gewährleistet.
gungsverhaltens. Des Weiteren ergeben sich Vorteile Die ausgeführte, integrierte Trockensumpfschmie-
in der Federkennlinienanpassung durch Variation des rung besitzt einen Druck- und einen Saugkreislauf.
Pneumatikdrucks. Dieser, modular aufgebaute Pumpenstrang, besteht
Das Layout des Pneumatiksystems ist in aus einer Druckpumpe und zwei Saugpumpen aus
. Abb. 8.135 dargestellt. Als Druckspeicher dient ein verschleißfestem Aluminium und wird parallel zur
integrierter Hochdruckbehälter (250 bar) im V der Zy- Kurbelwellenachse in der unteren Kurbelgehäusehälfte
linderbänke, der über ein mechanisches 2-Stufenventil verbaut.
und ein Dämpfervolumen den Systemdruck (13 bar) Die Druckpumpe saugt Öl über einen Ansaug-
für die Pneumatikzylinder zur Verfügung stellt. Der schnorchel vom Trockensumpf an und fördert es über
Stickstoff wirkt hierbei wie eine pneumatische Ventilfe- das Öldruckregelventil, den Ölfilter und den Öl/Was-
der. Die konstruktionsbedingten Leckageverluste wer- serwärmetauscher zu den Verbrauchern. Öldruckre-
474 Kapitel 8 • Motoren

1 Einheit Einlass Auslass


Ventil g 19,25 17

2 Ventilkeile g 0,45 0,45


Einstellplättchen g 0,85 0,85
3 Pneumatikkolben g 6 5,35
oszillierender Schlepphebelanteil g 8,46 8,46
4
Gesamtmasse oszillierend g 35,01 32,11

5 Ventilhub mm 14,5 12,1


Maximale Ventilbeschleunigung mm/rad 2
77 62
6 Öffnungsdauer bei 1 mm Hub °KW k.A k.A

7 ..Abb. 8.134  Kenngrößen des Ventiltriebes

8
9
10
11
12
13 ..Abb. 8.136 Pumpenstrang-Ölsystem

14
..Abb. 8.135  Pneumatiksystem der Ventilsteuerung belachsen und der Kontakt Nocke zu Schlepphebel
15 über Spritzdüsen geschmiert.
Die Verringerung der Reibung im Getriebe erfolgt
gelventil und Ölfilter sind in „Cartridge“-Bauweise ebenfalls über gerichtete Spritzdüsen hin zum Zahn-
16 ausgeführt und können servicefreundlich ausgetauscht flankeneingriff.
werden. Die Verteilung erfolgt über ein Netz aus ge- Jeweils eine Saugpumpe evakuiert den geschlos-
trennten Ölführungen, die verbrauchsabhängig mit senen Kurbelraum des Zylinders  2/4, und des Zy-
17 Drosselquerschnitten versehen wurden, um die Ölzu- linders  1/3 sowie die getrennte Absaugung der Zy-
flussmengen zu optimieren. Um einen zuverlässigen linderköpfe 1/2 und 3/4, wobei die Ölrestmenge des
18 und vor allem gleichmäßigen Aufbau des Ölfilms in Getrieberaums drucklos in den Sumpf fließt. Dieses
den Haupt- und Pleuellagern zu gewährleisten, wer- abgesaugte Luft-Öl-Gemisch wird auf der Druckseite
den diese getrennt voneinander mit Öl versorgt. Dabei der Saugpumpen vereinigt. Eine zuverlässige Tren-
19 werden die Hauptlager von einer im V befindlichen nung der Luft aus dem Öl erfolgt in zwei hinterein-
Ölgalerie, die Pleuellager und das Pleuelauge zentral ander geschalteten Abscheidern. Die erste Stufe, die
20 über eine Gleitringdichtung an der Kurbelwelle mit
Schmieröl versorgt. Im Zylinderkopf werden zusätzlich
im Pumpenstrang, . Abb. 8.136 integriert ist und von
diesem angetrieben wird, ist als mechanischer Zentri-
zu den Nockenwellenlagerstellen auch die Schlepphe- fugalabscheider konzipiert. Die vorab abgeschiedene
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
475 8

..Abb. 8.137  Drosselklappenkörper mit Einspritzleisten

Luft entweicht axial und wird in einem kleinen Zyklon­ Einspritzdüsen pro Zylinder, . Abb. 8.137. Die zylin-
abscheider nochmals von kleinen Öltropfen getrennt. derselektive, liefergradspezifische Anpassung der Ge-
Der radial aus der Zentrifuge entweichende, großteils mischzusammensetzung ermöglicht eine größtmögli-
„gereinigte“ Ölstrom wird ebenfalls zur weiteren Fein- che Freiheit in der Gesamtabstimmung und somit ein
abscheidung der Luft in einen Zyklon geführt. Das hohes Potenzial für die Erfüllung der Fahrbarkeits-
entgaste Öl gelangt nun über ein System von Schwall- kriterien, die, abgesehen von einem „harmonischen“
blechen in den Trockensumpf. Die abgeschiedene Luft Volllastbereich, wesentlich auch durch dynamische
strömt zurück in die Airbox. Lastwechsel im Teillastbetrieb definiert sind.
Zur Einstellung des geforderten Unterdrucks im Die elektromagnetisch gesteuerten Einspritzven-
Saugkreislauf sind an den Zylinderköpfen Drosselquer- tile von Magneti Marelli im Ansaugkanal sind in ihrer
schnitte angeordnet, die für die Belüftung sorgen. Funktion vorwiegend im Leer- und Teillastbereich ab-
Die Grundkonzeptionierung des Zylinderkopf- gestimmt. Sie ermöglichen die schnellere Anpassung
Kühlkreislaufs ist als Querstromkühlung ausgeführt. der Gemischzusammensetzung bei Lastwechselvor-
Die Wasserführung des Zulaufs in den Zylindermantel gängen und im dynamischen Betrieb. Die „Top Feed“-
und der Ablauf aus den Zylinderköpfen ist gemäß den Einspritzdüsen über den Einlasstrichtern homogeni-
zentralen Kernpunkten des Lastenhefts im V der Zylin- sieren das Kraftstoff-Luft-Gemisch im Volllastbetrieb
derbänke integriert. Die Durchtrittsquerschnitte und und sorgen für eine wirkungsgradsteigernde Verbren-
die weitere Wasserführung und Wassermantelkonst- nung und für gestiegene Leistungsausbeute.
ruktion ermöglichen eine Intensivkühlung der kriti- Ein Schaubild des Kraftstoffsystems, . Abb. 8.138
schen Bereiche im Zylinderkopf. Hier sind besonders zeigt, dass der gefilterte Kraftstoff von einer elektri-
der Zündkerzenbereich und die Kühlung zwischen schen Förderpumpe und einem Zwischenbehälter mit
den Auslasskanälen zu erwähnen. Der Kreislauf im einem definierten Vordruck der mechanischen Hoch-
Rennmotorrad schließt sich über den Kühler und die druckpumpe vorgelagert wird. Diese äußerst kompakte
Wasserpumpe, die als Axial/Radialrad mit dreidimen- Zahnradpumpe wird über die Auslassnockenwelle der
sionaler Schaufelgeometrie ausgelegt ist. hinteren Zylinderbank angetrieben. Das Druckregel-
Der Auslegungspunkt der Wasserpumpe wurde ventil reguliert den Einspritzdruck in der aktuellen
mit 180 l/min und 2 bar Förderdruck bei Nenndreh- Entwicklungsstufe auf circa 12 bar.
zahl festgelegt. Für die Drehzahlen des Fahrbereichs Das Motormanagement wurde gemeinsam mit
wurde die Strömungsmaschine wirkungsgradopti- McLaren Electronics entwickelt und ist speziell auf
miert. rennsportorientierte Anforderungen abgestimmt.
Die speziellen Anforderungen hinsichtlich Leis- Neben den standardmäßigen Aufgaben der kenn-
tungsentfaltung und Leistungsausbeute im Motor- feldgesteuerten Einspritz- und Zündungssteuerung
radrennsport resultierten in der Anordnung von zwei übernimmt die ECU auch Datarecording, Traktions-
476 Kapitel 8 • Motoren

8.3.5 Sonderanwendungen
1
8.3.5.1 Schneemobil

2 Als eine der ältesten Sonderformen für Freizeitan-


wendung sind die etwa in den 1920er Jahren in den
USA erfundenen Motorschlitten oder Schneemobile,
3 oft auch Ski-Doo genannt, was allerdings ein Begriffs-
monopol ist. 1922 baute Joseph-Armand Bombardier
das erste Schneemobil „Ski-dog“, das durch einen ty-
4 pografischen Fehler zu „Ski-Doo“ wurde. Bei deren
Motorisierung handelt es sich zumeist um Zweitakt-
5 motoren, da deren Leistungsgewicht bis heute uner-
reichbar scheint.
Wie auch bei den Motorrädern gibt es mehrere
6 ..Abb. 8.138  Prinzipdarstellung des Kraftstoffsystems
Segmente beziehungsweise Anwendungen. Das wich-
tigste ist das Mountain Segment. Wie der Name schon
7 kontrolle und Regelstrategien für die elektronische
Pneumatikansteuerung.
sagt, wird mit diesen Schlitten in den Bergen, spezi-
ell im Tiefschnee, gefahren. Hier spielt das Gewicht,
Die Kurbelwellenkröpfung von 360 °KW und der das auf den vorderen Kuven ruht, eine entscheidende
8 75° V-Winkel favorisieren das System zweier getrennt Rolle. In diesem Segment werden Leistungen von
voneinander geführten zwei in eins Abgasanlagen, 120 PS (88 kW) und darüber angeboten.
. Abb. 8.139. Der Vorteil dieser Abgasführung liegt ei- Der sogenannte Laker ist ein Schlitten, mit dem
9 nerseits in der Zielsetzung eines kompakten Packaging lange gerade Strecken mit möglichst hoher Geschwin-
am Motorrad und andererseits in strömungstechni- digkeit bewältigt werden. Zugefrorene Seen bieten sich
10 schen und gasdynamischen Kriterien. Dabei verein-
facht die Symmetrie der Zündfolge pro Zylinderbank
nicht zuletzt wegen der ebenen Fahrbahn an. Es wer-
den Geschwindigkeiten von über 200 km/h mit Leis-
wesentlich die Abstimmung des liefergradoptimierten tungen über 150 PS (110 kW) gefahren.
11 Gesamtsystems. Da die derzeit gültigen Schalldruck- Das Utility Segment kommt in den verschiedensten
pegelbeschränkungen von 130 dBA keine Schalldämp- Bereichen zur Anwendung, so sind dies zum Beispiel
fung notwendig machen, ist die Realisierung geringster Holzwirtschaft, Betreuung von Liften und Gasthäusern
12 Druckverluste möglich. in Wintersportorten, Transport von Unfallopfern aus
Die Kupplung ist als Lamellentrockenkupplung entlegenen Gebieten, und so weiter. Hier kommen von
13 ausgeführt. Die „trockene“ Arbeitsweise schließt eine 40 PS (30 kW) luftgekühlten 2-Takt- bis hin zu 100 PS
zusätzliche Temperaturerhöhung und Abriebver- (75 kW) wassergekühlten 4-Takt-Motoren einige Kon-
schmutzung des Öls aus. zepte zum Einsatz.
14 Die Getriebeeinheit, die als austauschbares Kas-
settengetriebe dimensioniert wurde, verfügt über ei- 8.3.5.2 Wassermotorräder oder PWC
(Personal Water Craft)
15 nen sequentiellen Sechsgang-Mechanismus. Anders
als bei den herkömmlichen Motorradgetrieben be- Wassermotorräder sind relativ kleine, aus glasfaser-
finden sich die Schaltelemente nur auf der Abtriebs- verstärktem Kunststoff bestehende Wasserfahrzeuge
16 welle. Die Schaltgabeln greifen hier in die angetrie- ohne Bordwand für den Personentransport für eine
benen Schaltmuffen ein und stellen den Formschluss Person – stehend und sitzend – oder zwei bis vier Per-
der einzelnen Gangstufen sicher. Alle Getrieberäder sonen, sitzend, für Binnen- und Küstengewässer.
17 sind auf Nadellagern gelagert. Hierbei war es möglich, Das Wasserfahrzeug wird mit einem Verbren-
die bewegten Massen für den Schaltvorgang zu redu- nungsmotor betrieben. Der Vortrieb und die Steue-
18 zieren und somit verkürzte Schaltzeiten zu erreichen, rung des Fahrzeuges erfolgt durch einen Wasserstrahl-
. Abb. 8.140. antrieb, die sogenannte Jet-Pumpe. Der Motor hat kein
manuell schaltbares Getriebe. Wassermotorräder sind
19 stark motorisiert (teilweise bis 164 kW), sehr wendig
und können hohe Geschwindigkeiten erreichen (bis
20 zu 140 km/h).
Als Antrieb wurde zu Beginn zum Beispiel bei Sea-
Doo von BRP/Rotax eine Ableitung des Schlittenmo-
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
477 8

Kraftstoff-Kreislauf

Drossel

Catch-Tank
(0,5 bar Vorförderdruck)
„Top feed“
Einspritzdüsen
Vorförderpumpe p
Niederdrucksensor

p Druck-Sensor

Filter T Temperatur-Sensor

Tank mech. Druckpumpe Feinfilter Hochdruckregler

Saugrohreinspritzdüsen
Sauglinie
Niederdrucklinie
Hochdrucklinie
Bypass

..Abb. 8.139  Abgasanlage des Rennmotorrads

..Abb. 8.140  Kassettengetriebe mit Lagerschild

..Abb. 8.141  Außenkontur des Motors wird durch


das Boot bestimmt
tors verwendet. Die verschärfte Abgasgesetzgebung hat
jedoch auch hier nach der Entwicklung eines 4-Takt-
Motors verlangt.
Der Bootsmotor R-1503 entstammt der Rotax zz Motorkonzept
4-TEC Baureihe. Motoren dieser Baureihe werden in Motoren von Aufsitzbooten sind im Inneren des Boots
verschiedenen Segmenten des Freizeitbereichs, etwa längs eingebaut. Die Kurbelwelle treibt über eine Ab-
in Booten, Motorschlitten, All-Terrain-Vehicles und triebswelle die Jetpumpe des Bootsantriebes direkt an,
Motorrädern eingesetzt. Sie besitzen eine Vielzahl von . Abb. 8.141. Durch die dynamische Fahrweise der
Gleichteilen und gleichen Techniken. Die 4-TEC-Mo- Boote kommt es zu extremen Schräglagen von bis zu
toren sind leichte, leistungsstarke Antriebsaggregate 45° zur Seite, aber auch nach hinten und vorn, so dass
mit kurzhubiger Auslegung, Vierventiltechnik, Flüs- die Anforderungen an die Funktion des Ölkreislaufs
sigkeitskühlung, Benzineinspritzung und innovativen, wesentlich von denen für Straßenfahrzeuge abweichen.
an die jeweiligen Marktsegmente angepassten techni- Das Ölsystem des Motors R-1503 wurde darauf abge-
schen Details. Bei dem Motor R-1503 handelt es sich stimmt.
um einen Dreizylindermotor mit einem Hubraum von Auch ein Roll-over des Boots (Bootsüberschlag)
1500 cm3. Er erfüllt alle ab 2006 weltweit für Boote gel- muss berücksichtigt werden: Der Motor bleibt öldicht
tenden Abgas- und Geräuschvorschriften. und ist anschließend startbar. Durch die dynamische
478 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.142 Leis- 1,5 l-Motor


1 tungsdaten des Motors Hubraum
Bohrung
[cm3]
[mm]
1439,8
100
R-1503
Hub [mm] 63,4

2 Hub-Bohrungsverhältnis
Zylindermittenabstand
[-]
[mm]
0,634
110
Pleuellänge [mm] 120
Verdichtungsverhältnis [-] 10,5
3 Ventiltrieb
Ventilwinkel/Einlass/Auslass [°]
4V SOHC, Rollenkipphebel
17/18
Ventildurchmesser Einlass/Auslass [mm] 38/31

4 maximaler Einlassventilhub
Einlass öffnet
[mm]
[°KW vor OT]
10
10
Einlass schließt [°KW nach UT] 45
maximaler Auslassventilhub [mm] 9,4
5 Auslass öffnet
Auslass schließt
[°KW vor OT]
[°KW nach UT]
50
5
Ventilüberschneidung [°KW] 15

6
..Abb. 8.143 Quer-
und Längsschnitt des
7 Motors R-1503

8
9
10
11
Fahrweise dringt außerdem Wasser durch die Belüf-
- Zylinderkopf, Kurbelgehäuseoberunterteil und
12 tungskanäle ins Bootsinnere ein (bis zu 70 l), was bei
der Auslegung des Absaugsystems sowie der Kolben-
- Auspuffkrümmer aus Aluminium,
SOHC-Nockenwelle mit Antrieb über Einfach-

13
Zylinderlaufbahnpaarung zu berücksichtigen ist. Der
gesamte Motor ist marinisiert ausgeführt (Stecker,
- rollenkette, vier Ventile je Zylinder,
Betätigung über Aluminium-Rollenkipphebel mit
Motorsteuerung, Schrauben, Aluminium-Gussmate-
rialien). Das Package des Motors orientiert sich an der
- hydraulischem Ventilspielausgleich,
Kurbelgehäuseoberteil aus Druckguss mit einge-

-
14 vorgegebenen, ergonomischen Kontur des Fahrzeugs. gossenen Raugusslaufbuchsen,
Aus diesem Grund wurden die Zylinder um 19° zur Kurbelgehäuseunterteil aus Lost-Foam-Guss mit
15 Auslassseite geneigt.
Die Leistungsentfaltung des Motors folgt der
- integriertem Trockensumpföltakt,
geschmiedetes Stahlpleuel mit bruchgetrennten

16
Charakteristik der Jetpumpe für den Bootsantrieb.
Die maximale Drehzahl beträgt 7300/min, das ma-
- großem Pleuelauge,
gewichtsoptimierter Kolben mit geringer Feuer-
ximale Drehmoment wird, passend zum Jet-Antrieb,
erst bei 7000/min zur Verfügung gestellt. Weitere An-
- steghöhe, bestückt mit drei Kolbenringen,
Ausgleichswelle zur Kompensation der Momen-

-
17 forderungen an den neuen Motor ergaben sich aus tananregungen erster Ordnung,
den Coast-Guard Bestimmungen. So darf die Ober- Kunststoffsaugrohr mit integrierter Flammen-
18 flächentemperatur auch des Abgassystems maximal
90 °C betragen, was zu einem „nassen“ Auspuffsystem
führte. - sperre,
Ölabscheidermodul aus Aluminium mit
integrierter Lenzpumpe, Öleinfüllstutzen und

-
19 In . Abb. 8.142 sind die wichtigsten geometrischen Blow-by-Abschaltventil,
Größen des Motors zusammengefasst. . Abb. 8.143 frischwassergekühlter Auspuffkrümmer.
20 zeigt den Längs- und Querschnitt des Motors.
Die folgenden konstruktiven Merkmale charakte-
risieren den Motor:
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
479 8

..Abb. 8.144  Oberteil des Zylinderkurbelgehäuses

..Abb. 8.146  Steuertriebsseite des Zylinderkopfs

guss hergestellt. Zur Homogenisierung des Material-


gefüges und Festigkeitssteigerung wird das Gussteil
einer nachfolgenden Wärmebehandlung unterzogen.
Der einteilige Zylinderkopf ist mit der längs einsteck-
baren Nockenwellenkonstruktion sehr kostengünstig
herzustellen, . Abb. 8.145. Bei der gesamten Motor-
..Abb. 8.145  Kurz bauender Zylinderkopf konstruktion wurde auf ein Minimum an Dichtfugen
und Leckagemöglichkeiten geachtet. Das Design des
Kettenkastens ist hierfür beispielhaft, denn es vermei-
zz Zylinderkurbelgehäuse det Dreiwege-T-Fugen zwischen Zylinder, Zylinder-
Das Zylinderkurbelgehäuse ist aus Aluminium zwei- kopf und Steuertriebdeckel, . Abb. 8.146.
teilig ausgeführt. Die Trennebene von Ober- und
Unterteil liegt auf Kurbelwellenmitte. Das Oberteil zz Ventiltrieb
in Open-Deck-Bauweise wird im Druckgussverfah- Das dargestellte Konzept des Ventiltriebs bietet die
ren aus AlSi9Cu3 hergestellt. Um eine prozesssichere Möglichkeit eines Gleichteilekonzepts für Ein- und
Gießbarkeit zu gewährleisten, wurde darauf geachtet, Mehrzylindermotoren sowie einen wartungsfreien
möglichst wenige Funktionen zu integrieren. Dagegen Ventiltrieb über die gesamte Motorlebensdauer bei
wurde für das Unterteil das Lost-Foam-Gussverfah- geringer Bauhöhe, . Abb.  8.147. Die Nockenwelle
ren gewählt und Ölführungskanäle, der Trocken- wird im Schmiedeverfahren aus dem Werkstoff C53F
sumpföltank und die Trennung der Kurbelkammern hergestellt und längs in den Zylinderkopf eingesteckt.
integriert. Die Ventilbetätigung erfolgt pro Zylinder über
Das Lost-Foam-Verfahren ermöglicht zudem op- zwei Rollenkipphebel für die Auslassventile und ei-
timierte Wandquerschnitte zur Verringerung des Ge- nem gegabelten Rollenkipphebel für die beiden Ein-
wichts, eine Minimierung der Bearbeitungs- und Mon- lassventile. Die Kipphebel sind aus Gewichts- und
tageoperationen sowie präzise und gleichbleibende Kostengründen im Druckgussverfahren aus dem
Qualität der Gussteile. Als Werkstoff wird aus Festig- Werkstoff AlSi11CU2(Fe) hergestellt. Der Ausgleich
keitsgründen AlSi10Mg(Cu) verwendet, . Abb. 8.144. des Ventilspiels wird durch hydraulische Ausgleichs-
elemente vorgenommen, die am ventilseitigen Ende
zz Zylinderkopf der Kipphebeln angeordnet sind. Die Nocken sind in-
Der Vierventil-Zylinderkopf wird aus einer Alumi- duktiv gehärtet; ihre Auslegung wurde mit einem im
nium-Silizium-Legierung im Schwerkraft-Kokillen- Hause entwickelten Berechnungssystem durchgeführt.
480 Kapitel 8 • Motoren

Das Wasserpumpengehäuse aus Kunststoff trägt


1 den 87 °C Thermostat und alle Schlauchanschlüsse.
Die Wasserpumpe fördert das Kühlmittel durch einen
2 im Steuertriebdeckel eingeschlossenen Kanal in das
Zylinderkurbelgehäuse. Die Haupteinspeisung erfolgt
auf der Einlassseite des Motors; eine Nebenstromein-
3 speisung erfolgt über einen zusätzlichen Kanal an der
Auslassseite. Der Hauptstrom tritt an der Auslassseite
des Zylinderkurbelgehäuses durch kalibrierte Löcher
4 in der Metall-Zylinderkopfdichtung in den Zylinder-
kopf.
5 Um bei der hohen spezifischen Motorleistung eine
effiziente Kühlung im Zylinderkopf zu gewährleisten,
wird das Querstromprinzip angewendet. Oberhalb der
6 Einlasskanäle wird das Kühlmittel in einem eingegos-
senen Kanal gesammelt und zum Thermostatventil ge-
7 leitet. Neben Temperatur-, Druck- und Durchflussmes-
sungen wurde bei der experimentellen Entwicklung der
..Abb. 8.147  Kompakter Ventiltrieb
Kühlwasserströmung auch die optische Analyse mit
8 Hilfe eines transparenten Rapid-Prototyping-Kopfes
verwendet. Bei geschlossenem Thermostatventil wird
Die Berechnung des dynamischen Verhaltens der das Kühlmittel direkt der Saugseite der Wasserpumpe
9 Ventilfedern erfolgte mit dem Simulationsprogramm zugeführt. Bei Erreichen der Schalttemperatur wird
ITI-SIM. Optimiert wurde der Ventilhubverlauf im eine zunehmende Menge des Kühlmittelstroms über
10 Hinblick auf die Kontraktkraft zwischen Nockenwelle
und Rolle des Kipphebels sowie die Aufsetzgeschwin-
den patentierten, am Bootsrumpf angebrachten Was-
ser/Wasser-Wärmetauscher zurück zur Wasserpumpe
digkeit. Der Schaftdurchmesser der gewichtsoptimier- geleitet, . Abb. 8.148.
11 ten Einlass- und Auslassventile beträgt 6 mm. Je Ventil Die Anordnung des Motors im geschlossenen
kommen zwei Ventilfedern zum Einsatz, mit denen Bootsrumpf und die hohe spezifische Motorleistung
Ventilflattern bis zur Gesamtdrehzahl 8500/min ver- machen einen Öl/Wasser-Wärmetauscher erforder-
12 mieden wird. lich, welcher am Kurbelgehäuseunterteil montiert
Die Auslegung wurde am Komponentenprüfstand ist und über einem Bypass-Strom mit Kühlmittel
13 durch Messung der Ventilbewegung mit Hilfe eines La- versorgt wird. Um die in Aufsitzbooten zugelassene
ser-Vibrometers experimentell überprüft. Um den ho- Oberflächentemperatur von maximal 90 °C nicht zu
hen thermischen Belastungen der Auslassventile Rech- überschreiten, ist für das Abgassystem eine Wasse-
14 nung zu tragen, werden Nimoni-Ventile eingesetzt. Die rummantelung bis zum ersten Schalldämpfer erfor-
Lagerung der Kipphebel erfolgt auf einer gemeinsa- derlich. Die Durchströmung dieses Kühlwasserman-
15 men Achse, die mit den Kipphebeln vormontiert von
oben auf den Zylinderkopf aufgesetzt und vierfach
tels erfolgt mit Frischwasser (offener Kühlkreislauf)
durch den in der Jetpumpe des Bootes gebildeten
verschraubt wird. Somit ist eine einfache und prozess- Staudruck. Ein Teil des Frischwassers wird zusätzlich
16 sichere Vormontage des Zylinderkopfs möglich. Die zur Kühlung der Auspuffgase in den ersten Schall-
Ölversorgung der hydraulischen Ausgleichselemente dämpfer eingespritzt.
und der Nockenwellenlager wird über die Kipphebel-
17 achse bereitgestellt. zz Ölkreislauf und Kurbelgehäuseentlüftung
Die Betriebsbedingungen für Aufsitzboote beinhalten
18 zz Kühlung Schwenklagen von 45° um alle Achsen bei voller Mo-
Der Motor verfügt über einen geschlossenen Kühl- torleistung sowie Roll-over (Bootsüberschlag). Dabei
kreislauf mit Thermostatregelung und einen offenen darf kein Motorschaden entstehen und kein Öl aus-
19 Kühlkreislauf für die Auspuffanlage. Der Kühlmittel- laufen. Für diese Bedingungen wurde ein spezieller
strom für den geschlossenen Kühlkreislauf wird von Trockensumpf-Ölkreislauf entwickelt, bei dem der
20 einer Wasserpumpe geliefert, die an der Stirnseite des
Steuertriebdeckels montiert ist und von der mit Motor-
Trockensumpf-Öltank im Unterteil des Kurbelgehäu-
ses integriert ist. Die Kurbelkammern der einzelnen
drehzahl laufenden Ausgleichswelle angetrieben wird. Zylinder sind vollständig abgeschlossen und mit dem
8.3 • Motorradmotoren/Sondermotoren
481 8
..Abb. 8.148 Geschlos- Water temperature sensor
sener Kühlkreislauf activates monitoring beeper and
limp home mode when temperature
Coolant exceeds 100 °C (212 °F)
tank
Blend hose from
cylinder head to
coolant tank
Water flows
Waterpump housing
to oil cooler
including thermostat
(operates at 87 °C/188 °F)
and waterpump impeller
Ride plate Water flows
(operates as to ride plate
radiator) Oil cooler

Water return
from oil cooler
Water return
from ride plate

Öltank über einen eingegossenen Rückförderkanal ver-


bunden, . Abb. 8.149.
Die Rückförderung des Öls aus den Kurbelkam-
mern in den Öltank erfolgt über die Pumpwirkung der
Kolben beim Aufwärtshub. Das Rücklauföl aus dem
Zylinderkopf wird über den Kettenschacht in einen
abgeschlossenen Raum im Steuertriebdeckel geleitet
und von dort mittels einer Lenzpumpe in den Öltank
zurück gefördert. Die Saugstelle der Druckölpumpe
befindet sich zentral im Öltank. Die Druckölpumpe
selbst ist im Steuertriebdeckel montiert und wird über
die Ausgleichswelle angetrieben.
Der Ölfilter sitzt ebenfalls im Steuertriebdeckel
und ist von der Sitzöffnung des Bootes gut erreichbar. ..Abb. 8.149  Abgeschlossene Kurbelkammer zur
Von der Hauptölgalerie aus werden die Spritzdüsen zur Rückförderung des Öls
Kolbenkühlung und die Kurbel- und Ausgleichswellen-
lager versorgt. Eine gedrosselte Steigleitung führt zum
hydraulisch gedämpften Kettenspanner, zur Kipphebel- in den Zylinderkopf und Steuertriebraum verhindert.
achse, den hydraulischen Ausgleichselementen in den Mittels federbelasteter Ventilteller wird im Falle eines
Kipphebeln und zu den Nockenwellenlagern. Blow-by- defekten Ventils die Funktion des Ölkreislaufs ge-
Gase werden mit dem Rückförderöl aus den Kurbel- währleistet. Im Anschluss an den Ölabscheider wird
kammern in den Öltank geleitet. Von dort gelangen sie das Blow-by-Gas in den Ansaugtrakt geleitet, das ab-
in ein speziell entwickeltes, patentiertes Ölabscheider- geschiedene Öl wird von einer Lenzpumpe über eine
modul (TOPS – Tip Over Protection System). Drossel aus dem Zyklonabscheider abgesaugt und zum
Dieses Modul beinhaltet einen Zyklonabscheider, Tank zurück gefördert. Die Abstimmung des gesamten
den Öleinfüllstutzen und ein elektromagnetisches Systems erfolgte am Schwerpunktprüfstand sowie an
Zweiwegeventil für den Blow-by-Kanal. Im elektrisch einem speziellen Roll-over-Prüfstand.
stromlosen Zustand, bei Motorstillstand oder Roll-
over, verschließt dieses Ventil alle Leitungen aus dem zz Ansauganlage
Öltank sowie den Blow-by-Kanal zur Airbox. Dadurch Bei der Entwicklung des Ansaugsystems waren fol-
wird Ölaustritt in das Ansaugsystem sowie vom Tank gende Kriterien zu berücksichtigen:
482 Kapitel 8 • Motoren

zz Steuertriebraum
1 Der Steuertriebraum beinhaltet folgende Komponen-

--
ten und Funktionen:
2 System with
integrated water
Nockenwellenantrieb mittels Hülsenkette,
Ausgleichwellenantrieb über geradverzahnte

-
separator
Zahnräder,
3 Antrieb der Drucköl- und Wasserpumpe von der

-- Ausgleichswelle,
Starterzahnkranz mit Startergetriebe,

-
4 AC-Generator,
Geberrad für die Motorsteuerung mit Induktiv-
5 ..Abb. 8.150  Ansaugsystem mit integriertem Wasser-
abscheider - sensor,
Kurbelwellenantrieb mit Kerbverzahnung und
beweglichem Abtriebslager und Dichtungsein-

--
6 heit,

7 - minimaler Druckverlust zur Erreichung der


Druckölpumpe und Ölfilter,
Absaugstelle des drucklosen Öls vom Zylinder-

8 - geforderten Leistung,
Vermeiden von Wasseransaugung aus dem
Boots­innenraum - auch für den Fall eines mehr-
kopf und Steuertriebraum.

Die Forderung der Integration aller Komponenten

9 - maligen „Roll-overs“,
Integration einer Flammensperre (Flame
Arrestor) in den Einlasssammler (Plenum) zur
Vermeidung von Flammenaustritten in den
stellt hohe Anforderungen an die Konstruktion, er-
möglicht aber eine extrem kurze Baulänge des Mo-
tors. Besonders erwähnt werden muss die beweg-
liche Abtriebsdichtung, die auf der Abtriebswelle
10 Boots­innenraum nach US-Coast-Guard-Bestim- gelagert ist und Auslenkungen von ±5° zulässt. Die

11 - mungen,
Einhaltung der gesetzlichen Geräuschbestim-
mungen und Optimierung der subjektiv empfun-
denen Qualität des Ansauggeräuschs hinsichtlich
Wartungsfreiheit der Kerbverzahnung auf der Ab-
triebswelle wird durch die Versorgung mit Schmieröl
gewährleistet. Eine integrierte Schneckenförderung
auf der Abtriebshülse verhindert einen Ölstau in der
des Kriteriums Sportlichkeit. Dichtungseinheit und minimiert so das Risiko durch
12 Ölaustritt.
Die Airbox befindet sich im vorderen Bereich des
13 Boots unterhalb der Lenkstange. Von dort wird die zz Elektronische Motorsteuerung
Luft unterhalb der Einlassabdeckung angesaugt, die Für die Erfüllung zukünftiger Abgasvorschriften, Re-
als Spritzwasserschutz dient. Das patentierte Zweikam- duzierung des Benzinverbrauchs, spezieller Leistungs-
14 mersystem der Airbox wurde im Hinblick auf Akustik anforderungen und eines optimalen Ansprechverhal-
und Wasserabscheidung optimiert, . Abb. 8.150. Dazu tens des Motors über den gesamten Drehzahl- und
15 wurde in zwei standardisierten Tests das kontinuier-
liche Ansaugen von Wasser und das einmalige An-
Lastbereich wurde in Kooperation Continental Au-
tomotive (ehemals: Siemens VDO Automotive) eine
saugen einer größeren Wassermenge (Wasserschwall) kompakte Motorsteuerung entwickelt.
16 stimuliert. Durch Abscheidelamellen wird bei voll ge-
öffneter Drosselklappe die sichere Abscheidung eines
-- Die Kenndaten des Motorsteuerungssystem sind:
16-bit-µ-Controller,

17 Schwalls von zwei Liter Wasser erreicht. Abgeschiede-


nes Wasser wird über Ablassventile in den Bootsinnen-
- Flash-Speicher,
CAN- und K-Linie-Kommunikationsschnitt-

18
raum geführt. Von der Airbox gelangt die Ansaugluft
über einen Verbindungsschlauch zur Drosselklappe,
-- stelle,
Aktive-Anti-Klopfregelung,
die sich seitlich am zweischalig reibgeschweißten Ein-
lasssammler befindet. Lamellenförmige Drahtgestrick-
- sequentielle Multipoint-Benzin-Einspritzung,
zylinder-sequentielle Berechnung der Vorzün-

--
19 gitter und gelochtes Stützblech dienen der Vermeidung dung,
einer Flammenausbreitung im Ansaugsystem (Flam- aktive Leerlaufregelung,
20 mensperre) und begünstigen die Zerstäubung ange- Lastberechnung aus Kombination von Ansaug-
saugten Wassers.

- unterdruck und Drosselklappenposition,


integrierte Wegfahrsperre,
8.4 • Kreiskolbenmotor/Wankelmotor
483 8

- Startüberwachung (Vermeidung eines Startvor-

- ganges bei laufendem Motor),


elektronische Drehzahlüberwachung.

Alle zylinderspezifischen Funktionen werden kur-


belwellensynchron abgearbeitet. Sämtliche Eingangs-
größen werden von hochintegrierten elektronischen
Bausteinen erfasst. Die Ansteuerung der externen
Komponenten erfolgt durch integrierte Hochleis-
tungsendstufen. Die Funktionalität dieser Motor-
steuerung entspricht dem Automotive Standard
und übertrifft diesen sogar in einzelnen Bereichen.
Die Überwachung des Tip Over Protection Systems
(TOPS) stellt dabei eine spezielle Marineanforderung
dar: Das Motorsteuergerät verarbeitet die Informa-
tionen eines Bootslagesensors und schließt im Falle
eines Überschlags das Roll-over-Ventil, um Ölaustritt ..Abb. 8.151  Oberflächenschnelle des Kunststoff-
zu verhindern. Einlasssammlers
Das Motorsteuerungssystem überwacht außerdem
die Funktion der elektrischen Komponenten und sorgt
bei Ausfall eines Sensorsignals mit einem Notlauf für Den Drehmoment- und Leistungsverlauf über
eine sichere Weiterfahrt. Das Motorsteuergerät und der der Drehzahl zeigt . Abb. 8.152 im Vergleich zu dem
gesamte Motorkabelbaum werden motorfest montiert. stärksten Zweitakt-Sea-Doo-Antrieb. Mit dem Motor
Dadurch kann der Motor lauffertig und getestet zur R-1503 ergeben sich daraus für das Sea-Doo GTX
Bootsmontage geliefert werden. Die Verbindung zur 4-Tec Boot eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h
Bootselektrik erfolgt über einen einzigen Stecker. und eine Beschleunigung von 0 bis 61 (200 ft) in 4,9 s.

zz Motorakustik
Die akustischen Anforderungen bezüglich subjektivem 8.4 Kreiskolbenmotor/
Klangeindruck und gesetzlichen Bestimmungen für Wankelmotor
Boote (Vorbeifahrtest bei maximaler Geschwindigkeit
beziehungsweise 70 km/h) wurden von Beginn der 8.4.1 Historie
Motorenentwicklung an berücksichtigt. Bereits die
Wahl eines Dreizylinder-Reihenmotors unterstützt Die Geschichte des Kreiskolbenmotors ist untrennbar
durch die Ausbildung der 1,5ten Motorordnungen ei- verbunden mit dem Namen Felix Wankel, daher trägt
nen sportlichen Klangcharakter. Durch die Anordnung er ebenfalls die Bezeichnung Wankelmotor. Am 13. Au-
des Generators sowie des Nocken- und Ausgleichswel- gust 1902 erblickte er im badischen Lahr das Licht der
lenantriebs auf der Abtriebsseite wirken diese Kompo- Welt, war Zeit seines Lebens von Maschinen fasziniert,
nenten als Schwungmassen und reduzieren die Dreh- genoss jedoch nie eine technische Ausbildung. Wankel
schwingungseinleitung in den Bootsantrieb. war kein abstrakt denkender Wissenschaftler, sondern
Besonderer Wert wurde auf die Struktursteifig- ein Tüftler, mit einem höchst distanzierten Verhältnis
keit der Bauteile gelegt. So wurde durch die Integra- zur Mathematik: „Mich stören die Formeln.“ Dennoch
tion des Öltanks in das Kurbelgehäuseunterteil ein wurde Wankel der Vater des Kreiskolbenmotors.
sehr steifer Motor geschaffen. Auch die Steifigkeiten 1954 entsteht der erste, für ein Fahrzeug vorgese-
großflächiger Anbauteile, wie etwa des Kunststoff- hene Viertaktmotor mit kreisenden Kolben. Ihr Debüt
Einlasssammlers, wurden rechnerisch oder experi- gibt die Wankel-Konstruktion als Ladegebläse für ei-
mentell mit Hilfe eines Laser-Scanning-Vibrometer nen Zweitaktmotor mit 50 Kubikzentimeter Hubraum
optimiert, . Abb. 8.151. und nimmt 1956 an einem Weltrekord teil: Mit dem
Mit Hilfe dieser Maßnahmen erreicht der Motor NSU-Motor von NSU erreicht der „Baumm’sche Liege-
Schallleistungen von 106 dB(A) bei 6000/min und stuhl“, eine Stromlinien-Zigarre auf zwei Rädern, eine
110 dB(A) bei 7300/min. Er liegt damit etwa 10 dB(A) Geschwindigkeit von 196 km/h.
unter den im Markt befindlichen Zwei-Takt-Bootsmoto- 1957 läuft der erste Kreiskolben-Verbrennungs-
ren im Bereich guter Vierzylinder-Automobilmotoren. motor im Labor und wird von der Fachwelt als revo-
484 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.152 Drehmo-
1 Drehmoment R-1503
ment- und Leistungs-
Drehmoment 2-Taktantrieb verlauf des R-1503 im
Vergleich zum Zweitakt-
2 Leistung R-1503
antrieb
Leistung 2-Taktantrieb

3
4
5
6 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000
Drehzahl [1/min]

7
lutionäre Entwicklung gefeiert. Der Versuchsmotor Motorradproduzenten. Die Lizenzgewinne sind be-
8 DKM 54, den Wankel gemeinsam mit NSU entwickelt, trächtlich.
läuft im Februar 1957 gleichmäßig und minutenlang. 1974 kommen die Schwierigkeiten. Zwar werden
Nach konstruktiven Änderungen bis Ende 1957 leis- die Probleme mit „Rattermarken“ auf den Gehäuse-
9 tet der 250 Kubikzentimeter große Motor 29 PS bei Innenflächen und mit den Dichtleisten gelöst, doch die
17.000 U/min, kurzzeitig werden sogar 22.000 U/ Erwartung, der Kreiskolbenmotor lasse sich preisgüns-
10 min registriert. Vier dieser Motoren werden gebaut,
einer steht heute im Deutschen Museum. Zusammen
tiger produzieren als der Hubkolbenmotor, erfüllt sich
nicht. Steigende Kraftstoffpreise während der ersten
mit dem Geschäftsmann Ernst Hutzenlaub gründet Energiekrise und verschärfte Abgasvorschriften in
11 Wankel die Patentverwaltungsgesellschaft Wankel Amerika stoppen die Weiterentwicklung des Wankel-
GmbH. Damit ist Wankel einer der wenigen Erfinder, motors. General Motors und Daimler-Benz geben weit
der von Beteiligungen an den Lizenzeinnahmen bis zu gediehene Wankel-Projekte auf. Peugeot stoppt 1975
12 seinem Tode sorgenfrei leben kann. die gerade erst 1974 angelaufene Birotor-Produktion
1958 steigt der amerikanische Hersteller von Flug- der Konzerntochter Citroën. Audi beendet zwei Jahre
13 zeugtriebwerken Curtis Wright bei Wankel ein und später die Produktion des von NSU übernommenen
baut in Lizenz Kreiskolben-Flugzeugmotoren. Die ers- Ro 80. Von allen ursprünglichen Lizenznehmern baut
ten Autos mit Kreiskolbenmotoren erscheinen 1960 als allein Mazda einen nunmehr ausgereiften Kreiskolben-
14 „Versuchs-Prinzen“ von NSU auf deutschen Straßen. motor in das Sportcoupé RX-7 ein. Bei den Motorrad-
1963 feiert das erste Wankel-Serien-Auto, ein NSU herstellern bleibt die britische Firma Norton für die
15 Spider, auf der Internationalen Automobil-Ausstellung
in Frankfurt seine Premiere. Sein Kreiskolbenmotor
heimischen Polizeimaschinen beim Wankel-Prinzip.
Aber Wankel baut nicht nur für die Auto- und Motor-
schöpft aus einem Kammervolumen von 500 Kubik- radindustrie.
16 zentimeter 37 kW/50 PS. Ein Jahr später geht der Mo- 1976 treibt ein 220 kW/299 PS starker Kreiskol-
tor in die Serienproduktion. benmotor das Motorboot „Zisch“ mit über 100 km/h
1967 erscheint mit dem Mazda Cosmo das erste über den Bodensee.
17 Wankel-Auto mit Zweischeiben-Motor. 1978 gelingt Wankel die Abdichtung des neuar-
1968 baut NSU den Ro 80 mit Zweischeiben- tigen Zweitakt-Drehkolben-Motors DKM 78, der im
18 Motor, 1,0 l Kammervolumen und 81 kW/110 PS. Die Vergleich zum herkömmlichen Viertakt-Kreiskolben-
180 km/h schnelle frontgetriebene Limousine ist zwar motor (KKM) bei kleinerem Bauvolumen bedeutend
ungewöhnlich laufruhig, aber recht reparaturanfällig. mehr leistet und weniger verbraucht.
19 Anfang der 1970er Jahre stehen die Lizenzinteres- Am 9. Oktober 1988 stirbt der Ehrendoktor der
senten bei Wankel Schlange. Wankel schließt Verträge TH München Dr. h.c. Felix Wankel nach langer
20 mit Daimler Benz und VW, Rolls Royce und Porsche,
General Motors und Ford, Nissan, Mazda und Yamaha,
Krankheit in Heidelberg. Die Mazda Motor Corpo-
ration versichert, weiterhin Motoren ohne Ventile
Toyota, American Motors, Krupp und allen größeren und Pleuel nach dem Wankel-Prinzip zu bauen. Das
8.4 • Kreiskolbenmotor/Wankelmotor
485 8

Versprechen haben die Japaner gehalten. Seit 1961 hat telpunkt des Rotationskolbens zu einer seiner Ecken
Mazda mehr als zwei Millionen Kreiskolbenmotoren (erzeugender Radius = R). Der Abstand des gewählten
gebaut – die meisten für den Sportwagen RX-7. Der Punktes (kurvenerzeugender Punkt) vom Mittelpunkt
moderne Renesis-Motor treibt den Mazda RX-8 an. des Abrollkreises entspricht der Exzentrizität. Rollt der
Abrollkreis innerhalb des Grundkreises ab, entsteht
eine Hypotrochoide. Liegt der Punkt auf dem Umfang
8.4.2 Generelle Funktionsweise des Abrollkreises, entstehen entsprechend Epi- oder
eines Kreiskolbenmotors Hypozykloiden. Der Abrollkreis kann auch über dem
Grundkreis hängen, etwa wie ein innenverzahntes
Der Kreiskolbenmotor unterscheidet sich in seiner Hohlrad über einem außenverzahnten kleineren Rad
Funktionsweise grundlegend von allen konventionel- und ist somit dem innenachsigen Prinzip einer Rota-
len Verbrennungsmotoren. Bei herkömmlichen Hub- tionskolbenmaschine vergleichbar.
kolbenmotoren wird eine translatorische Bewegung Die tatsächlich im Motor entstehende Trochoide
in eine Drehbewegung an der Kurbelwelle umgesetzt. entspricht jedoch nicht der mathematisch erzeugten
An dem einen Ende befindet sich der Brennraum, am Kurve. Sie wird um ein kleines Maß nach außen ver-
anderen die Kurbelwelle. Die Auf- und Abbewegungen legt, damit die Dichtleisten verschleißgünstiger der
sowie die Drehungen der Kurbelwelle erzeugen starke Trochoidenkontur folgen können. Das Maß für die
Schwingungen, die durch ein Massenschwungrad aus- Aequidistante entspricht dabei dem Radius der abge-
geglichen werden müssen. Ein weiterer Nachteil sind rundeten Leistenkuppe.
die vielen beweglichen Teile des Hubkolbenmotors, die Der Rotor bewegt sich im Gehäuse exzentrisch,
stark beansprucht werden und hohen Abnutzungen und zwar so, dass die drei Ecken des Rotors bei jeder
ausgesetzt sind. Drehung stets der Wand des Gehäuses folgen. Im Rotor
Diese Nachteile weist der Kreiskolbenmotor nicht selbst befindet sich ein Hohlrad mit Innenverzahnung,
auf. Der Kolben, oder auch Rotor genannt, ist beim das sich auf einem am seitlichen Motorgehäuse befes-
Wankelmotor dreieckförmig, wobei seine drei gleich tigten Zahnrad abwälzt. Diese Verzahnung ist nötig,
langen Seiten konvex gewölbt sind. An seinen drei damit sich der Rotor während der Drehung ständig
Scheitelpunkten und an den Flanken, also an allen Be- über seine Innenverzahnung auf dem fest stehenden
rührungsflächen, ist der Rotor so gegen das Gehäuse Zahnrad abstützen kann und dabei gleichzeitig eine
abgedichtet, dass kein Gas von einer Arbeitskammer Drehbewegung auf die Exzenterwelle ausübt.
in die nächste überströmen kann. In die drei Eckkan- Zwischen den drei Flanken des Rotors und der
ten sowie die Seitenflächen des Kolbens sind Dicht- Innenfläche des Gehäuses entstehen somit drei Ar-
elemente eingelassen. Die Abdichtung eines Wankel- beitsräume, deren Rauminhalt sich während einer Ro-
motors stellte lange Zeit ein gravierendes Problem dar. torumdrehung ständig ändert. Diese Funktionsweise
Eine Reihe von Maßnahmen hat die Undichtigkeiten macht Kurbelwelle und Ventile überflüssig; die einzigen
aber beseitigt. Dichtbolzen in Form von kurzen, zylin- bewegten Teile sind der Drehkolben und die Exzenter-
drischen Teilen, die mit kleinen Tellerfedern unterlegt welle. Diese Merkmale führen zu einem geringen Ge-
sind laufen an den Enden der Dichtleisten mit den seit- wicht und der geringen Einbaugröße des Wankelmotors.
lichen Dichtstreifen zusammen. Der Läufer ist das krafterzeugende, die Exzen-
Der Kreiskolbenmotor ist ein innenachsiges Sys- terwelle das kraftabgebende Teil bei einem Kreiskol-
tem mit einer parallelachsigen Lage der Drehachsen benmotor. Die Exzenterwelle ist vergleichbar mit der
zweier rotierender Drehkörper. Der Kolben rotiert im Kurbelwelle des Ottomotors. Kolbenhohlrad und fest
Stator, einem ovalen, in der Mitte leicht eingeschnürten stehendes Ritzel haben ein Verhältnis der Zähne von
Gehäuse. Bei der Drehung des Kolbens liegen die drei 3:2, der Kolben dreht sich also mit zwei Drittel der
Ecken ständig an der Gehäusewand an, wodurch der Winkelgeschwindigkeit der Exzenterwelle. Bei einem
Mittelpunkt des Kolbens während der Rotation einen Zweischeiben-Wankelmotor ergibt sich durch die um
geschlossenen Kreis beschreibt. 180 Grad versetzten Exzenter eine bessere Laufruhe
Die Epitrochoide, die dem Kreiskolbenmotor als bei der Ausführung mit nur einem Kolben. Ein
zugrunde liegt, kann auf verschiedene Arten erzeugt Dreischeiben-Kreiskolbenmotor ist in der Laufruhe
werden. Sie entsteht beispielsweise beim Abrollen ei- vergleichbar mit einem Achtzylinder-Hubkolbenmo-
nes Kreises auf einem anderen Kreis mit doppeltem tor. Durch dieses Aneinanderreihen mehrerer Mo-
Radius. Dafür wird ein innerhalb des Abrollkreises torzellen lassen sich mit geringem Bauaufwand bei
gewählter Punkt fortlaufend markiert. Der Radius kleinen Motorabmessungen große Leistungen ver-
des Grundkreises entspricht dem Abstand vom Mit- wirklichen.
486 Kapitel 8 • Motoren

Während ein normaler Viertakter für ein Ar-


1 beitsspiel zwei Auf- und Abbewegungen des Kolbens
braucht, schafft der Kreiskolbenmotor alle vier Takte
2 bei einer einzigen Umdrehung des Rotationskol-
bens. Unwuchtkräfte treten fast nicht auf, da sich der
Schwerpunkt des Kolbens in geringem Abstand um die
3 Drehachse bewegt und der Kolben somit dynamisch
ausgeglichen ist.

4
8.4.3 Das Viertaktprinzip
5 ..Abb. 8.153  Schnittmodell des Mazda Renesis. Im
Die Arbeitsweise des Kreiskolbenmotors entspricht Gegensatz zu herkömmlichen Kreiskolbenmotoren
dem Viertakt-Ottomotor-Prinzip. Dadurch, dass die verfügt der Renesis über seitliche Ein- und Auslässe
6 drei Ecken des Rotors stets Kontakt zu den Statorwän-
den haben, entstehen Hohlräume. Beim Umlauf des
7 Kolbens bilden dessen drei Kanten mit der Gehäuse-
wand drei Kammern (A, B, C) mit variablem Volumen,
jeder vollen Umdrehung des Kolbens erfolgen somit
drei Zündungen. Damit ist der Drehmomentverlauf ei-
in denen jeweils während einer Kolbendrehung ein nes Kreiskolbenmotors wesentlich gleichförmiger als
8 vollständiger Viertaktprozess wie beim Ottomotor mit bei einem Einzylinder-Ottomotor, bei dem lediglich
Ansaugen, Verdichten, Zünden und Ausstoßen abläuft. eine Zündung pro zwei Kurbelwellenumdrehungen
Die Einlass- und Auslassöffnungen in Form von Schlit- stattfindet.
9 zen werden während der Rotation vom Kolben selbst
geöffnet und geschlossen. Infolge der überlagerten
8.4.4 Der Kreiskolbenmotor
10 Kreis- und Drehbewegungen des Kolbens ändern die
sichelförmigen Kammern ihre Volumina. Es spielen des Pkws Renesis
sich somit in den drei Kammern immer drei von vier
11 Arbeitstakten gleichzeitig ab, und nach jeder vollen Trotz seiner bekannten Vorteile hat im Automobilbe-
Kolbendrehung hat der Motor dreimal den kompletten reich nur der japanische Hersteller Mazda am Prinzip
Viertakt-Ottoprozess durchlaufen. des Kreiskolbenmotors festgehalten. Das moderne
12 Triebwerk kommt im Sportwagen RX-8 zum Einsatz
zz 1.Takt (Ansaugen) und trägt die Bezeichnung „Renesis“, . Abb.  8.153
13 Sobald eine Rotorecke beim Vorbeistreichen den Ein- und 8.154. Dieser Name setzt sich zusammen aus der
lassschlitz freigibt, strömt das Benzin-Luft-Gemisch Abkürzung für Rotary Engine RE und der Schöpfungs-
in die nachfolgende Kammer, das Kammervolumen geschichte „Genesis“ und soll exemplarisch erhellen,
14 vergrößert sich durch die Bewegung des Rotors. dass Mazda die bekannten Konstruktionsformen des
Kreiskolbenmotors neu konzipiert und revolutioniert
15 zz 2.Takt (Verdichten)
Bei der weiteren Drehung des Rotors verringert sich
hat.
Der Renesis ist eine weiterentwickelte Version des
das Volumen der Kammer, in der sich das Gemisch Kreiskolbenmotors MSP-RE (Multi-Side-Port Rotary
16 befindet, wodurch das Kraftstoff-Luft-Gemisch in ihr Engine), den Mazda in dem Konzept-Sportwagen RX-
komprimiert wird. 01 erstmals auf der Tokio Motor Show 1995 der Öf-
fentlichkeit vorstellte. Der Renesis unterscheidet sich
17 zz 3.Takt (Zünden) in wesentlichen Konstruktionsmerkmalen grundle-
Das verdichtete Gemisch wird gezündet. Durch die gend von herkömmlichen Kreiskolbenmotoren. Die
18 Verbrennung dehnt sich das Kraftstoff-Luft-Gemisch Auslasskanäle, die bei konventionellen Kreiskolben-
aus und dreht den Kolben, der wiederum die Exzen- motoren üblicherweise auf dem Trochoidgehäuse an-
terwelle antreibt. gebracht waren, befinden sich in der Seitenwand des
19 Stators, . Abb. 8.155. Diese Anordnung vermeidet die
zz 4.Takt (Ausstoßen) unerwünschte Überlappung der Öffnung von Aus- und
20 Die erste Dichtleiste des Läufers streicht am Auslass-
schlitz vorbei und gibt ihn frei. Dieses Arbeitsspiel
Einlasskanälen und erhöht dadurch den Wirkungsgrad
erheblich. Außerdem sind die Einlassöffnungen um
vollzieht sich in allen drei Kammern gleichzeitig. Bei 30 % größer und werden deutlich früher geöffnet als
8.4 • Kreiskolbenmotor/Wankelmotor
487 8
..Abb. 8.154 Daten Motor Renesis im RX-8
der Renesis-Motoren im
Mazda RX-8 Variante STD-Power High-Power
Typ Rotationskolben, 2 Rotoren
Hubraum 654 cm3 pro Rotor
Gemischaufbereitung Elektromagnetische Pumpe
Verdichtungsverhältnis 10 : 1
Zündung Vollelektronisch
Maximale Leistung 141 kW bei 7.000 min–1 170 kW bei 8.200 min–1
Maximales Drehmoment 220 kW bei 5.000 min–1 211 kW bei 5.500 min–1
Kraftstoff Bleifrei 95 RON
Abgas-Norm Euro 4
Kühlung Wassergekühlt

in bisherigen Konstruktionen, . Abb. 8.156. Im Ge-


genzug werden die fast doppelt so großen Auslassöff-
nungen mit geringerem Strömungswiderstand später
freigegeben, was zu einem längeren Auslasstakt führt
und eine deutlich verbesserte Wärmebilanz zur Folge
hat.

8.4.4.1 Der Seitenauslass


Mazda setzt seitlich im Gehäuse platzierte Auslässe ein.
Weder Einlass- noch Auslasskanal werden beim
Renesis-Motor durch den Mantel, also vom Umfang
her, geführt. Der Vorteil des Umfangseinlasses, die
hohe Leistung, wird durch seine Nachteile, die große
Überschneidung und das Schieberuckeln, kompen-
..Abb. 8.155  Anordnung der Auslasskanäle
siert. Dem stehen die Vorteile des Seitenauslasses,
keine Überschneidung von Ein- und Auslass, kein
Schieberuckeln, bessere Gemischaufbereitung und die
einfachere Ölabdichtung des Läufers gegenüber. Der ist seine Porosität. Sie resultiert aus einer Besonderheit
Nachteil des geringeren Füllungsgrades lässt sich durch bei der Abkühlung, bei der kritische innere Spannun-
eine exakte Auslegung der Ansaugwege und Schlitzpa- gen entstehen, die zur Bildung von mikroskopisch klei-
rameter kompensieren. Auf die Vorteile der Seitenaus- nen Rissen führen. Beim Aufheizen heilen die Risse des
lass-Technologie wies Hanns-Dieter Paschke, Ingeni- Materials teilweise wieder aus. Portliner werden beim
eur bei NSU, bereits Ende der 1950er Jahre hin. Die Renesis-Motor zur Auskleidung der seitlichen Aus-
Serieneinführung der Seitenauslasstechnik wurde aber lasskanäle eingesetzt. Weil Keramik Wärme schlecht
erst jetzt durch die Verwendung von Keramikportli- leitet, wird nur ein Bruchteil der Abgaswärme an die
nern möglich. Portliner sind keramische Einsätze, die Seitenteile abgegeben. Sie wird vielmehr größtenteils in
in der Gießerei in der Form positioniert und mit flüs- den außen liegenden Auslasskanal mitgenommen. Die
sigem Aluminium umgossen werden. Grundstoff ist Idee klingt simpel, aber bis dato war es nicht gelungen,
Aluminiumtitanat, die stöchiometrische Mischphase hitzebelastete Keramikteile in Eisenguss so zu verarbei-
von Aluminiumoxid und Titandioxid. Wesentliche ten, dass sie ein Motorenleben lang an Ort und Stelle
Eigenschaften des Materials sind die niedrige Wärme- problemlos festsitzen. Das ist Mazda jetzt gelungen.
leitfähigkeit, sehr niedrige Wärmeausdehnungskoef- Die Lauffläche des Stators besteht aus einer
fizienten und eine damit verbundene sehr hohe Tem- Chrom-Molybdän-Legierung. Molybdän ist eines der
peraturbeständigkeit sowie offene Porosität. Für den wenigen Materialien, bei denen keine Rattermarken
Einsatz im Motorenbau von wesentlicher Bedeutung auftreten. Besonders in den Anfangsjahren waren diese
488 Kapitel 8 • Motoren

Increased Intake Port Area


1 30 % increase

2
3
4
5
..Abb. 8.156 Einlassöffnungen
6
7 riffelartigen Verschleißerscheinungen auf der Laufflä-
che durch Reibschwingungen der Scheitelleisten eine
..Abb. 8.157  Schnitt durch den Motorblock
symptomatische Schwäche des Kreiskolbenmotors.
8 Der Mantel selbst ist aus Aluminium gegossen. Die
Wand hinter der Lauffläche ist dickwandig zu den
Kühlwasser führenden Aussparungen hin gestaltet. und ein höherer thermischer Wirkungsgrad – beides
9 Zusammen mit der massiven Verrippung führt das zu kommt der Verbrauchsminderung zugute.
einer guten Steifigkeit in Längsrichtung. Die Laufflä- Die Brennraummulde wurde im Vergleich zum
10 che wird von nur vier kleinen Löchern durchbrochen:
zwei für die Zündkerzen und zwei für die Ölzufuhr zu
Vorgänger vertieft, wodurch der Brennraum we-
sentlich kompakter ist. Außerdem wird durch den
den Dichtleisten. Der Ölversorgung kommen gleich Seitenauslass im Renesis der Austritt unverbrann-
11 zwei Funktionen zu. Sie ist unverzichtbar für die ter Kohlenwasserstoffe aus dem Brennraum in die
Schmierung und sichert gleichzeitig die Dichtigkeit. Auslassöffnungen verhindert. Die Restgase werden
Das Öl zur Schmierung der Eckkantendichtungen des vielmehr in den nächsten Verbrennungszyklus mit
12 Kolbens wird direkt auf die Innenwände des Verbren- hinübergenommen und verbrannt, was die Emissio-
nungsraums aufgebracht. Durch die Wahl von kurzen nen drastisch verringert, . Abb. 8.158. Das neuartige
13 Ölwegen und geeigneten Düsen verbraucht der Renesis Kraftstoff-Öl-Dichtungssystem enthält Abscheideven-
nur etwa halb so viel Öl wie herkömmliche Kreiskol- tile und wurde speziell auf die Seitenauslasskonfigu-
benmotoren. Die obere Zündkerze zündet durch einen ration hin entwickelt. Die nahezu hermetische Ab-
14 Schusskanal, . Abb. 8.157. Die untere Kerze sitzt im dichtung verbessert wesentlich Leistung, Verbrauch
Druckausgleichspunkt mit nahezu gleichem Druck und Emissionen.
15 zwischen den einzelnen Kammern und benötigt des-
halb keinen Schusskanal.
Der Renesis arbeitet mit einem variablen 6PI-
Ansaugsystem (Six Port Induction) mit drei Einlass-
kanälen für jeden der beiden Rotoren, . Abb. 8.159.
16 8.4.4.2 Variable Ansaugsteuerung Ein Elektromotor betätigt die Drehschieberventile an
und elektronische den Einlasskanälen jedes Rotors, die so die Dynamik
Drosselklappe der einströmenden Luft zur Aufladung nutzen und
17 Üblicherweise verfügen Kreiskolbenmotoren über je den Füllungsgrad erhöhen. Darüber hinaus besitzt
einen Auslasskanal außen auf dem Trochoidgehäuse. der Renesis eine elektronische Drosselklappe, die die
18 Der Renesis jedoch ist mit zwei seitlichen Auslässen Befehle des Motorsteuergeräts umsetzt. Dies ermög-
pro Rotor ausgestattet, die jeweils einen doppelt so gro- licht eine höchst akkurate und direkte Steuerung der
ßen Querschnitt wie herkömmliche Auslässe aufwei- Ventile. Schließlich ist das neu entwickelte Ansaugrohr
19 sen. Diese Konfiguration verbessert nicht nur den Fluss aus Kunststoff leichter und auf optimale Strömungsei-
der Abgase, sondern erlaubt die verzögerte Öffnung genschaften hin konstruiert, um Luftwiderstand und
20 des Auslasskanals. Die Einlassöffnungen werden früher
als bisher, die Auslassöffnungen dagegen später frei-
Ansaugverluste auf ein Minimum zu reduzieren.
Der Renesis besitzt neuartige Einspritzdüsen, die
gegeben: Das Ergebnis sind ein verlängerter Zündtakt den Kraftstoff ultrafein zerstäuben. Kleine Hochleis-
8.4 • Kreiskolbenmotor/Wankelmotor
489 8
Current Peripheral Exhaust Side Exhaust

Rotor Rotor
Exhaust Exhaust
Port Port

Trochoid Trochoid

Unburned Gas Unburned Gas

..Abb. 8.158  Vorteil des Seitenauslass

tungszündkerzen sorgen für die bessere Zündung des


Gemischs. Diese Verbindung von ultrafeiner Zerstäu-
bung und kraftvoller Zündung führt zu einer nahezu
vollständigen Verbrennung – und damit direkt zu
einem höheren Wirkungsgrad und niedrigen Emissi-
onen. Der doppelwandige Auspuffkrümmer hält die
Shutter Valve
Shutte
Abgastemperaturen hoch und verkürzt auf diese Weise
die Kaltlaufphase des zweistufigen Katalysators. ..Abb. 8.159  6PI-Geometrie (Six Port Induction)
Das neue flache Nass-Sumpf-Schmiersystem verfügt
über eine nur 40 mm tiefe Ölwanne. Das ist nur halb so
viel wie bei einem bisher üblichen Kreiskolbenmotor. 8.4.5 Der Wasserstoff-
Einer der großen Vorteile des Kreiskolbenmotors ist die Kreiskolbenmotor
Tatsache, dass die Exzenterwelle höher liegt als die Kur-
belwelle eines Hubkolbenmotors – nämlich oberhalb des Das Thema Wasserstoff als Antriebsenergie für den
Sumpfes und daher frei von Reibungsverlusten. Außer- Kreiskolbenmotor befindet sich in der praktischen Er-
dem sind die Pumpverluste geringer als bei einer Tro- probungsphase. Erste positive Versuche wurden bereits
ckensumpfschmierung. Zusätzlich kontrolliert das Sys- bei NSU Anfang der 1970er-Jahre durchgeführt. 1991
tem über eine speziell geformte Prallkammer den Ölfluss erschien das erste Aggregat in der Reihe der HRX-
und sorgt dafür, dass sich das Öl bei extremer Querbe- Motoren. Heute läuft der bivalente Kreiskolbenmotor
schleunigung nicht an einer Seite sammelt. Versuche mit Renesis Hydrogen mit Wasserstoff-Direkteinspritzung
Trockensumpf-Konstruktionen hat Mazda nach Kosten-, im Mazda RX-8 Hydrogen RE, . Abb. 8.160.
Gewichts- und Zuverlässigkeitsvergleichen zugunsten Speziell beim Betrieb mit Wasserstoff bietet der
der gewählten Lösung aufgegeben. Daher kann der ge- Kreiskolbenmotor zusätzliche Vorteile. Anders als der
samte Antriebsstrang – und damit der Fahrzeugschwer- konventionelle Hubkolbenmotor verfügt der Kreis-
punkt – niedriger gelegt werden, was das Trägheitsmo- kolbenmotor über getrennte Kammern für den Ein-
ment in Kurven um bis zu 15 % verringert. lass- und den Verbrennungstakt. Dies verleiht ihm
Die Technologie des seitlichen Auslasses überzeugt einen inhärenten strukturellen Vorteil beim Einsatz
auch akustisch. Anders als Kreiskolbenmotoren mit von Wasserstoff. Auch die getrennte Anordnung von
peripheren Auslasskanälen erzeugt der Renesis klare Zündkerzen und Einspritzdüsen bietet Vorteile: Da
und transparente Geräusche in hohen Frequenzlagen Wasserstoffgas eine sehr geringe Dichte hat, arbei-
sowie einen sonoren Sound bei tieferen Frequenzen. tet der Wasserstoff-Kreiskolbenmotor mit zwei Ein-
Der Renesis verfügt daher nicht nur über eine un- spritzdüsen pro Rotor, die während des Einlasstaktes
gemein gleichmäßige Kraftentfaltung, er klingt auch den Wasserstoff direkt einspritzen, um auf das für
noch genau so, wie man es von einem Sportwagen- die Verbrennung optimale Wasserstoff-Volumen zu
triebwerk erwartet. Auch die Implementierung eines kommen und eine optimale Verbrennung zu erzie-
Turboladers ist möglich. len. Bei einem normalen Hubkolbenmotor wäre dies
Bedingt eignet sich das Rotationskolbenprinzip alleine aus Platzgründen kaum möglich, da Ein- und
auch für einen Dieselmotor. Die höchste mögliche Auslass-Ventile, Einspritzdüsen und Zündkerzen sich
Kompression von etwa 1:12 reicht zwar für einen den Platz teilen müssen. Außerdem kann es nicht wie
Selbstzünder nicht aus, aber mit Aufladung und Hilfs- beim Hubkolbenmotor zu spontanen Verbrennungen
zündung ist der Dieselbetrieb möglich. von Wasserstoffgas an noch heißen Teilen kommen:
490 Kapitel 8 • Motoren

Elektronisch gesteuerte ..Abb. 8.160 Mazda


1 Wasserstoff
Wasserstoff-Direkteinspritzung RX-8 Hydrogen RE

2
Seitendichtung
3
Scheitel-
Luft leiste
4
5
Abgase

6 Eckkantendichtung Zündkerzen Rotoren

7
8 Elektronisch gesteuerte
Wasserstoff-Direkteinspritzung
Hochdruck-
9 Wasserstofftank
Benzineinspritzung

10
11 Hydridmotor

12 Benzintank
Magermix-Nox- Dreiwege-
Katalysator Katalysator
13 Turbolader
mit E-Motor
Unterstützung

14 144 Volt-Batterie
Wechselrichter

15 Verdichtungs- und der Verbrennungsvorgang laufen 8.5 Kleinvolumige Motoren für


räumlich getrennt in unterschiedlichen Kammern ab, handgeführte Arbeitsgeräte
16 und durch die direkte Einspritzung kann der Wasser-
stoff gefahrlos in die relativ „kühle“ Ansaugkammer Minimales Gewicht bei höchster Leistungsdichte ist tra-
eingeführt werden. ditionell eines der wichtigsten Kriterien für Kleinmoto-
17 Die Exzenterwelle des Kreiskolbenmotors dreht ren in Motorsägen und Motorgeräten wie Heckensche-
sich pro Arbeitstakt um 270  Grad, die Kurbelwelle ren, Freischneidern, Blasgeräten oder Trennschleifern
18 eines konventionellen Hubkolbenmotors nur um . Abb. 8.161, da der Anwender permanent das Gewicht
180  Grad. Dies fördert eine gründliche Durchmi- des Gerätes tragen muss. Bei den meisten Anwendun-
schung von Wasserstoff und Luft bei gleichzeitiger gen kommt außerdem die wichtige Anforderung an ei-
19 hoher Strömungsintensität der Mischung. Bei Benzin- nen lageunabhängigen Betrieb des Geräts hinzu.
betrieb arbeitet der Motor mit dem konventionellen Verbrennungsmotoren als Antrieb für handge-
20 System mit den seitlichen Einspritzdüsen. haltene Arbeitsgeräte sind üblicherweise luftgekühlte
Einzylinder-Ottomotoren. Zur Gemischbildung
werden Membranvergaser eingesetzt, die gegenüber
8.5  •  Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte
491 8

Schwimmervergasern in allen Lagen betrieben werden


können. Der Hubraum bewegt sich in einem Bereich
zwischen 20  und 125 cm3 bei Leistungen zwischen
0,6 und 6,0 kW. Dabei werden im Betrieb je nach An-
wendung maximale Drehzahlen von 6.000 bis 15.000
1/min erreicht. Weitere wesentliche Anforderungen
an die Motoren sind hohe Leistung, Kompaktheit, Zu-
verlässigkeit, Wartungsarmut, geringe Kosten, hohe
Lebensdauer und gutes Handling.
Grundsätzlich werden in handgehaltenen Arbeits-
geräten Zwei- und Viertakt-Ottomotoren eingesetzt.
Der Zweitakt-Ottomotor ist aufgrund seiner hohen
Leistungsdichte jedoch das bevorzugte Antriebsag-
gregat. Die hohe Zuverlässigkeit, der einfache me-
chanische Aufbau und das daraus resultierende gute ..Abb. 8.161  Typische Anwendung eines handgehal-
Preis-Leistungsverhältnis sprechen für das Konzept. tenen Arbeitsgerätes
Zweitakt-Ottomotoren für handgeführte Arbeitsgeräte
sind in den meisten Fällen mit Schlitzsteuerung und
Umkehrspülung ausgestattet. Aufgrund seiner Bau-
- gute Schmierfähigkeit und dadurch hoher Ver-
art treten bei konventionellen Zweitakt-Ottomotoren
Emissionen von unverbrannten Kohlenwasserstof-
-- schleißschutz,
Mischbarkeit mit Kraftstoff,
fen auf, die durch unvollständige Verbrennung und
vor allem durch Spülverluste hervorgerufen werden.
- Raucharmut, saubere Verbrennung,
Schutz vor Ablagerungen im Brennraum, auf
Diese Verluste resultieren aus dem offenen Spülvor-
gang, bei dem Überströmer und Auslass gleichzeitig
geöffnet sind. Dadurch kann Frischgemisch auf direk- -- dem Kolben und im Auslass,
geringe Glühzündneigung,
Vermeidung von Zündkerzenverschleiß und
tem Wege durch den Auslass entweichen, ohne an der
Verbrennung teilzunehmen. Diese Verluste betragen
im Nennlastpunkt etwa 15 bis 25 % des eingebrachten
Kraftstoffs.
-- -ablagerungen,
Katalysatorverträglichkeit,
Korrosionsschutz.

Seit einigen Jahren werden vermehrt Viertakt-Ot- Technisch ist ein Mischungsverhältnis Öl zu Kraftstoff
tomotoren eingesetzt, die bezüglich HC-Emissionen von 1:50 möglich, manche Geräte fordern jedoch nach
Vorteile bieten. Hierbei sind jedoch Abstriche bei der wie vor ein Verhältnis von 1:25. Durch gezielte Abstim-
Maximaldrehzahl und bei der Alllagentauglichkeit in mung von Triebwerk und Öl ist in Zukunft eine weitere
Kauf zu nehmen und somit ist er nicht für alle Anwen- Reduzierung des Ölanteils denkbar.
dungen geeignet.
Als Kraftstoff kommt neben konventionellen
Ottokraftstoffen sogenanntes Gerätebenzin (Alkylat- 8.5.1 Abgasgesetzgebung
kraftstoff) zum Einsatz. Durch diesen Kraftstoff kön-
nen vor allem die gesundheitsschädlichen Stoffe im 1997 traten in den USA durch die Environmental Pro-
Abgas, wie z. B. Benzol und andere Aromaten, deut- tection Agency (EPA) und die California Air Resources
lich reduziert werden. Da bei den Zweitaktmotoren Board (CARB) Abgasgrenzwerte für handgeführte Ar-
das Kurbelgehäuse vom Frischgemisch durchströmt beitsgeräte in Kraft. Im Jahr 2000 beschloss die EU die
wird, ist eine Verlustschmierung umgesetzt. Grund- Anpassung der Emissionsgrenzwerte von handgeführten
sätzlich kann diese als Getrennt- oder Gemisch- Arbeitsgeräten an die Grenzwerte der EPA in zwei Stufen
schmierung ausgeführt werden, bei handgeführten bis 2010 [10–12]. Reglementiert werden die spezifischen
Arbeitsgeräten wird in der Regel jedoch dem Kraft- Emissionen Kohlenmonoxid (CO) und die Summe der
stoff Öl beigemischt. Dadurch sind die Triebwerke Stickoxid- (NOx) und Kohlenwasserstoffemissionen
sehr wartungsarm und hinsichtlich Gewicht und (HC). Die Grenzwerte für handgehaltene Arbeitsgeräte
Bauraum stellt die Ausführung das Optimum dar, sind in drei Hubraumklassen unterteilt. . Abb. 8.162
da auf einen zusätzlichen Öltank und eine Ölpumpe zeigt die aktuell gültigen Grenzwerte in Europa.
verzichtet werden kann. Folgende Anforderungen Die limitierten Emissionen setzen sich aus einem
werden an die Zweitaktöle gestellt: Leerlaufanteil und einem Volllastanteil bei maxima-
492 Kapitel 8 • Motoren

kosten zudem einen höheren Wartungsaufwand. Des


1 Weiteren sind die bei manchen Anwendungen, wie bei
einer Motorsäge, notwendigen Maximaldrehzahlen in
2 Höhe von 15.000 1/min wirtschaftlich nicht darstellbar.
Durch Anwendung einer Gemischschmierung
kann auch der Viertakt-Ottomotor uneingeschränkt
3 lageunabhängig betrieben werden [14–16]. So kann
..Abb. 8.162  Aktuelle Grenzwerte in Europa zum Beispiel über einen Bypass-Kanal im Zylinderkopf
eine Teilmenge an Benzin-Öl-Gemisch im Motor über
4 den Ventiltrieb in das Kurbelgehäuse gefördert werden
ler Leistung im Verhältnis 15 zu 85 % zusammen. Die und somit die Schmierung sichergestellt werden.
5 Grenzwerte für die CO-Emissionen sind mit konventi- Eine weitere Möglichkeit ist, das gesamte Frisch-
onellen Zweitakt-Ottomotoren erfüllbar. Da diese Mo- gemisch wie beim Zweitaktmotor in das Kurbelge-
toren mit sehr fettem Gemisch betrieben werden und häuse anzusaugen und über den Ventiltrieb geleitet in
6 einen hohen Restgasgehalt aufweisen, entstehen kaum den Brennraum zu fördern. Eine Ölstands-Kontrolle
Stickoxide, so dass vor allem das Einhalten der HC- entfällt bei beiden Varianten dadurch ebenso wie ein
7 Grenzwerte die eigentliche Entwicklungsaufgabe dar-
stellt. Das in Europa gültige Limit für NOx-Emissionen
Ölwechsel. Zudem kann so auf die Bauteile Ölwanne,
Ölpumpe und Ölfilter verzichtet werden. Das führt
von 10 g/kWh ist vor allem bei Viertakt-Ottomotoren dazu, dass der Motor nur unwesentlich mehr wiegt als
8 eine Herausforderung. . Abb. 8.163 zeigt die Entwick- ein vergleichbarer Zweitaktmotor. . Abb. 8.165 zeigt
lung des Summengrenzwerts für HC und NOx für Mo- den Aufbau dieses Motors mit Bypass-Kanal im Zy-
toren mit einem Hubraum kleiner 50 cm3. linderkopf. Die zusätzlichen Teile des Viertakt-motors
9 Da die Grenzwerte in Europa für alle Produkte erfordern neben den höheren Herstellkosten zudem
sehr ambitioniert sind, wirkt sich die Verschärfung einen höheren Wartungsaufwand wie zum Beispiel die
10 dort besonders stark aus. Im Gegensatz dazu erlaubt
die Gesetzgebung in Kalifornien und den USA bei
Ventilspielkontrolle.
Für Anwendungsgebiete, bei denen eine Höchst-
gleichen Grenzwerten eine Mittelwertbildung über die drehzahl von 10.000 1/min ausreichend ist, stellt der
11 gesamte Produktpalette mit Kreditwesen und Option Viertaktmotor und im Speziellen der mit Gemisch
zum Emissionshandel. Neben den Vorreitern USA und geschmierte Viertaktmotor eine sehr gute Alternative
Europa haben weitere Länder eine Emissionsgesetz- dar.
12 gebung für handgeführte Arbeitsgeräte geplant oder
bereits eingeführt. 8.5.2.2 Katalysatoren
13 Durch Abgasnachbehandlung können die HC-Emissi-
onen von Zweitakt-Ottomotoren außermotorisch ver-
8.5.2 Maßnahmen ringert werden [17, 18]. Obwohl die Motoren meist
14 zur Reduzierung mit fettem Gemisch betrieben werden, befindet sich im
der Abgasemissionen Abgas aufgrund der Spülverluste beim Ladungswechsel
15 8.5.2.1 Viertaktmotor im Vergleich
Sauerstoff. Dieser kann mit Hilfe eines Katalysators zur
Oxidation der Kohlenwasserstoffe verwendet werden.
zum Zweitaktmotor Die Reaktion hat jedoch eine starke Wärmefreisetzung
16 Durch den Einsatz von Viertaktmotoren können ge- im Katalysator zur Folge, die in der Größenordnung
ringere Emissionen im Vergleich zum konventionel- der abgegebenen Motorleistung liegt. Dadurch wird
len Zweitaktmotor erreicht werden. Da diese Motoren vor allem bei handgehaltenen Arbeitsgeräten eine
17 einen Ölsumpf zur Schmierung benötigen, kann der sehr aufwändige Isolierung des Schalldämpfers not-
bei vielen handgeführten Arbeitsgeräten notwendige wendig. Weiterhin sind die Außentemperaturen die-
18 lageunabhängige Betrieb nur bedingt sichergestellt ser Geräte in manchen Staaten aus Sicherheitsgründen
werden. . Abb. 8.164 zeigt den Aufbau eines Viertakt- beschränkt. Der Katalysator sorgt außerdem für einen
motors wie er bei handgehaltenen Arbeitsgeräten ein- höheren Abgasgegendruck bei gleicher Baugröße des
19 gesetzt wird. Den Vorteilen hinsichtlich Abgasemission Schalldämpfers, wodurch die Belastung des Triebwerks
und auch Kraftstoffverbrauch stehen allerdings auch steigt. Dieses Problem kann verringert werden, wenn
20 einige Nachteile gegenüber. So sind durch die Ventil-
steuerung bedingt mehr Bauteile notwendig. Diese zu-
die Konvertierungsrate des Katalysators reduziert wird
oder nur ein Teil des Abgases durch den Katalysator
sätzlichen Teile erfordern neben den höheren Herstell- geleitet wird (siehe . Abb. 8.166).
8.5  •  Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte
493 8
..Abb. 8.163 Zeitli-
che Entwicklung der
Abgasgrenzwerte von
HC + NOx für handgehal-
tene Kleinmotoren

..Abb. 8.165  Viertakt-Ottomotor mit Gemisch-


Schmierung

nanzrohr. Der Gasübertritt vom Rohr zum Schall-


dämpfer erfolgt über eine Drossel. Die Druckwellen
laufen durch das Rohr, werden am Ende reflektiert
und drücken bei der Abstimmungsdrehzahl das zum
Ende der Spülung austretende Frischgemisch in den
Zylinder zurück. Durch das Fehlen des Gegenkonus
tritt die optimale Wirkung nur in einem extrem en-
gen Drehzahlbereich auf. Bei diesen Ausführungen
..Abb. 8.164  Kleiner Viertaktmotor [13]
gilt die Drehzahlabhängigkeit noch viel stärker als bei
herkömmlichen Resonanzschalldämpfern, wie sie aus
8.5.2.3 Resonanzaufladung dem Zweiradbereich bekannt sind. Des Weiteren ist
Bei handgehaltenen Arbeitsgeräten mit Zweitakt- der erforderliche Bauraum erheblich. Somit ist dieses
Ottomotor kommt aus Platzgründen bisher nur eine Verfahren für die Verwendung an weniger bauraum-
besondere Form des Resonanzauspuffes zum Einsatz sensiblen Motorgeräten mit eingeschränktem Betriebs-
[19]. Im Gegensatz zu herkömmlichen Varianten des bereich geeignet.
Resonanzauspuffes besteht er nur aus einem Rohr.
In . Abb.  8.167 erkennt man den inneren Auf-
bau des Schalldämpfers mit dem zusätzlichen Reso-
494 Kapitel 8 • Motoren

1
2
3
4
5
..Abb. 8.167  Ausführung eines Systems zur
6 ..Abb. 8.166  Blasgerät mit Katalysator Resonanz­aufladung

..Abb. 8.168 Zweitakt-
7 motor mit Compression-
Wave-Injection [23]

8
9
10
11
12
13
8.5.2.4 Ladungsschichtung Einspritzzeiten und relativ hohe Einspritzdrücke not-
14 Großes Potenzial zur Reduzierung der Kohlenwasser- wendig. Aus Gewichts- und Bauraumgründen ist das
stoffemissionen bei Zweitakt-Ottomotoren verspricht heute bei handgehaltenen Motorgeräten nicht umsetz-
15 die Ladungsschichtung. Während Ladungsschichtung
bei Viertakt-Ottomotoren mit Direkteinspritzung die
bar [21].

inhomogene Verteilung des Kraftstoffes im Brenn- zz Compression Wave Injection (CWI)


16 raum während der Zündphase bezeichnet, kennzeich- Eine Methode zum Einblasen eines fetten Gemischs in
net sie bei Zweitaktmotoren den Zustand während den Brennraum stellt das CWI-Verfahren (Compres-
des Ladungswechsels. Die Idee besteht darin, dem sion Wave Injection) dar [22]. . Abb. 8.168 zeigt das
17 eintretenden Frischgemisch ein kraftstoffarmes oder System schematisch. Bewegt sich der Kolben in Rich-
-freies Medium vorzulagern, um die Spülverluste an tung oberer Totpunkt, wird sehr mageres Gemisch zur
18 unverbrannten Kohlenwasserstoffen zu minimieren. Schmierung in das Kurbelgehäuse angesaugt. Gleich-
Grundsätzlich kann dabei zwischen räumlicher und zeitig wird in den Einspritzkanal (CWI Schlauch) sehr
zeitlicher Schichtung unterschieden werden [20]. Mit fettes Gemisch angesaugt. Die Abwärtsbewegung des
19 Hilfe einer Benzindirekteinspritzung in den Überströ- Kolbens komprimiert das magere Gemisch im Kur-
mer, die Zylinderwand oder direkt in den Brennraum belgehäuse und das fette Gemisch im Einspritzkanal.
20 ist eine Ladungsschichtung während dem Ladungs-
wechsel ebenso möglich. Um eine ausreichend gute
Durch die Anbringung eines Rückschlagventils wird
das Zurückströmen des fetten Gemischs in den Verga-
Gemischaufbereitung sicher zu stellen, sind sehr kurze ser verhindert. Der Kolben gibt, kurz bevor der Aus-
8.5  •  Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte
495 8
..Abb. 8.169  Prinzip der Spülvor-
lage [23]

lass geöffnet wird, das Einspritzfenster frei. Durch den


Überdruck im Brennraum dringt eine Druckwelle in
den Einspritzkanal ein und wird am unteren Ende des
Einspritzkanals am Kolbenhemd reflektiert. Im Brenn-
raum findet die Spülung durch das magere Gemisch
im Kurbelgehäuse statt. Mit der im Einspritzkanal in
Richtung Brennraum rücklaufenden Druckwelle wird
das fette Gemisch transportiert. Dieser Vorgang sollte
stattfinden, nachdem der Auslass geschlossen ist. Durch
die Nutzung einer Druckwelle zur Einspritzung ist er-
sichtlich, dass dieses System zur Ladungsschichtung
nur in einem kleinen Drehzahlbereich einwandfrei
funktioniert und dieser Bereich im Wesentlichen von
der Steuerzeit des Einspritzfensters und der Länge des
Einspritzkanals abhängt. Weiterhin ist ein sehr komple-
..Abb. 8.170  Möglichkeiten zur Steuerung der Spül-
xer zweiflutiger Vergaser erforderlich, der nur eine ein- vorlage [23]
geschränkte Anpassung des Luftverhältnisses zulässt.

zz Spülvorlage
Eine Möglichkeit zur zeitlichen Ladungsschichtung ranventile [27] oder durch Schlitze [28] vorgenommen
stellt die sogenannte Spülvorlage dar. Erste Versuche werden (siehe . Abb.  8.170). Deshalb spricht man
mit diesem Verfahren fanden schon zu Beginn des auch von der membrangesteuerten beziehungsweise
20. Jahrhunderts statt [24]. Die Überströmer werden schlitzgesteuerten Spülvorlage.
dazu beim Ansaugen der Frischladung mit Luft oder
Abgas gefüllt. Zu Beginn des Spülvorgangs des Brenn-
raums tritt diese Komponente vor dem im Kurbelge- 8.5.3 Gemischbildung
häuse befindlichen Kraftstoff-Luft-Gemisch in den und Motormanagement
Brennraum ein und reduziert somit die Spülverluste
von unverbranntem Kraftstoff und dadurch den Kraft- Zur Gemischaufbereitung kommt bei handgeführten
stoffverbrauch. . Abb. 8.169 zeigt den prinzipiellen Arbeitsgeräten in der Regel ein Vergaser zum Einsatz.
Aufbau eines Motors mit Spülvorlage. Um den Betrieb in allen Lagen zur ermöglichen, werden
Das Kurbelgehäuse wird bei diesem Verfahren Membranvergaser eingesetzt, die entweder als Walzen-
konventionell durch den Einlass mit fettem Gemisch vergaser oder Klappenvergaser ausgeführt sind. Über
gefüllt. Währenddessen wird die Füllung der Überströ- Jahrzehnte optimiert hat sich der Vergaser bewährt und
mer durch einen zweiten Einlass mit reiner Luft [23, stellt ein aus Funktions- und Fertigungssicht hochopti-
25] beziehungsweise Abgas [26] vorgenommen. Die miertes System dar. Verschiedene Umgebungseinflüsse
Steuerung dieses zweiten Pfades kann durch Memb- und Kraftstoffe müssen bei diesem System teilweise ma-
496 Kapitel 8 • Motoren

..Abb. 8.171 Elektro-
1 nisches Vergasersystem
[29]

2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
..Abb. 8.172  Elektronisch gesteuertes Einspritzsystem
13
nuell durch den Kunden korrigiert werden, um Lauf- nicht vorgenommen, diese Aufgabe übernimmt der
14 probleme und Triebwerksschäden zu vermeiden. Vergaser. Zur Ermittlung des Kraftstoff-Luft-Gemi-
Elektronische Motorsteuerungssysteme verspre- sches bei Volllast wird über das Magnetventil eine
15 chen hier Abhilfe. Aktuelle in der Automobil- und
Motorradindustrie eingesetzte Systeme sind aufgrund
gezielte Lambda-Störung eingebracht. Die Kraftstoff-
zufuhr wird über wenige Umdrehungen unterbrochen
der hohen Komplexität, des notwendigen Bauraums, und die resultierende Änderung des Motorbetriebs-
16 des hohen Gewichts und der hohen Kosten nicht auf zustandes ermittelt. Aus der Art der Änderung kann
Motorgeräte übertragbar. Aus diesem Grund wur- indirekt auf das momentane Lambda geschlossen und
den spezielle Systeme für diesen Einsatz entwickelt. bei Bedarf angepasst werden. Der Motor reagiert bei
17 . Abb. 8.171 zeigt ein System exemplarisch. Kernkom- einer Lambda-Störung zum Beispiel bei einem mo-
ponenten sind das Steuergerät und ein kleines Mag- mentan zu fetten Kraftstoff-Luft-Gemisch aufgrund
18 netventil, welches im Vergaser integriert ist. Über das des kurzzeitigen Leistungsanstieges mit einem Dreh-
Schwungrad wird dem Steuergerät Energie zur Verfü- zahlanstieg. Durch den Einsatz eines elektronischen
gung gestellt. Auf eine Batterie kann verzichtet werden. Vergasersystems können zahlreiche Funktionen reali-
19 Durch Auswertung des durch das Schwungrad siert werden, die das Betriebsverhalten weiter verbes-
gegebenen Drehzahlsignals wird auf Betriebszustände sern und den Kraftstoffverbrauch absenken.

--
20 geschlossen. Der Einsatz weiterer Sensorik ist nicht
notwendig. Die Kraftstoffdosierung erfolgt über eine
Unter anderem sind das:
einfacheres Starten,
drehzahlbasierte Kennlinie. Eine Lasterfassung wird bessere Beschleunigung,
Literatur
497 8

..Abb. 8.173  Kerntriebwerk mit den Einspritzkomponenten

-- Adaption auf verschiedene Kraftstoffe, Luftströmung im Kurbelgehäuse, die durch die rotie-

- Anpassung an geänderte Umgebungsbedingungen,


Leerlaufregelung.

Eine Weiterentwicklung eines elektronischen Motor-


rende Kurbelwelle in Kombination mit den Ein- und
Ausströmvorgängen entsteht. Die Einspritzung erfolgt
zyklussynchron einmal pro Umdrehung. Die Ein-
spritzpumpe ist als Membranpumpe ausgeführt und
steuerungssystem stellt ein elektronisch gesteuertes, wird durch den schwankenden Kurbelgehäusedruck
batterieloses Einspritzsystem dar [30]. . Abb. 8.172 angetrieben.
zeigt eine Systemübersicht. Als Weiterentwicklung zu den elektronischen
Das Steuergerät stellt die zentrale Komponente Vergasersystemen erfolgt die Grundabstimmung der
des Systems dar und steuert die Einspritzung und Stöchiometrie über Kennfelder. Durch die Information
Zündung. Die Energie wird durch einen Generator an über den Lastzustand können für jeden stationären
der Kurbelwelle gewonnen. Der Induktionsspannungs- Betriebspunkt die optimalen Betriebsparameter wie
verlauf des Generatorsignals wird zur Ermittlung der Einspritzmenge, Einspritzwinkel und Zündzeitpunkt
Kurbelwellenposition genutzt. gewählt werden.
Ein zusätzlicher Kurbelwinkel- beziehungsweise
OT-Sensor ist nicht erforderlich. Beim Starten steht
schon nach weniger als einer Kurbelwellenumdrehung Literatur
die Energie für das Steuergerät, die Einspritzung und die
Erkennung der Kurbelwellenposition zur Verfügung. [1] Doll, G., Fausten, H., Noell, R., Schommers, J., Sprengel, C.,
Über einen Druck-Temperatur-Sensor am Kurbel- Werner, P.: Der neue V6-Dieselmotor von Mercedes-Benz.
gehäuse des Zweitaktmotors erfolgt die Lasterfassung MTZ 66, 9, (2005)
[2] Königstedt, J., et al.: Der neue V10-FSI-Motor von Audi. 27.
. Abb.  8.173. Eine auf das Triebwerk abgestimmte
Internationales Wiener Motorensymposium, Wien. (2006)
Mess- und Auswertealgorithmik berechnet aus den
[3] Hadler, J., u . a: TDI-Motor mit Common-Rail-Einspritzung
Daten die im Betriebspunkt durchgesetzte Luftmasse. von Volkswagen. MTZ 11, (2007)
Das am Kurbelgehäuse adaptierte Einspritzventil ist [4] Bach, M., et al.: Der 6,0-Liter V12-DTI-Motor von Audi, Teil 1.
als reines Dosierventil ausgeführt und arbeitet mit ei- MTZ 10, (2008)
nem Einspritzdruck von lediglich 100 mbar. Deswegen [5] Bauder, R., et al.: 6,0-Liter V12-DTI-Motor von Audi, Teil 2.
findet im Gegensatz zu herkömmlichen Einspritzsys- MTZ 11, (2008)
temen auch kaum eine Primärzerstäubung am Ven- [6] Baretzk, U. u. a.: Der V12-TDI für die 24 h von LeMans – Sieg
til statt. Die Zerstäubung übernimmt die turbulente einer Idee, Wiener Motorensymposium 2007
498 Kapitel 8 • Motoren

[7] Schwarz, C., et al.: Die neuen Vier- und Sechszylinder-Ot- [26] Morrison, K.: Maruyama Recirculator System Snuffs
1 tomotoren von BMW mit Schichtbrennverfahren. MTZ 5, 2-Stroke Emissions. Power Equip Trade 12, (2000)
(2007) [27] Sawada, T.; Wada, M.; Noguchi, M.; Kobayashi, B.: Develop-
[8] Schommers, J., et al.: Der neue Vierzylinder-Dieselmotor für ment a Low Emission Two-Stroke Cycle Engine. SAE Tech-
2 Pkw von Mercedes-Benz. MTZ 12, (2008) nical Paper 980761, 1998
[9] Schommers, J., et al.: Der neue 4-Zylinder Pkw-Dieselmotor [48] Bergmann, M.; Gustafson, R. U. K.; Jonsson, B. I. R.: Emission
von Mercedes-Benz für weltweiten Einsatz. 17. Aachener and Performance Evaluation of a 25cc Stratified Scaven-
3 Kolloquium. Aachen (2008) ging Engine. SAE Technical Paper 2003-32-0047, 2003
[10] EPA (2002): Control of Emission from non-road spark-igni- [29] Hehnke, M.; Leufen, H.; Naegele, A.; Geyer, K.; Möser, C.;
tion engines (EPA Phase II regulation), Revised as of July 1, Maier, G.; Schmidt, K.: Elektronische Motorsteuerung für
4 2002 kleine handgehaltene Verbrennungsmotoren. Stuttgarter
[11] EG (1997): Richtlinie 97/68/EG des europäischen Parla- Symposium 2010

5 ments und des Rates vom 16. Dezember 1997


[12] EG (2002): Richtlinie 2002/88/EG des europäischen Parla-
[30] Zahn, W., Däschner, H., Layher, W., Kinnen, A.: Elektroni-
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501 9

Tribologie
Dr.-Ing. Franz Maassen, Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima

9.1 Reibung – 502
9.1.1 Kenngrößen – 502
9.1.2 Reibungszustände – 502
9.1.3 Verfahren zur Reibungsmessung  –  503
9.1.4 Einfluss des Betriebszustandes und der Randbedingungen  –  505
9.1.5 Einfluss der Reibung auf den Kraftstoffverbrauch  –  506
9.1.6 Reibungsverhalten ausgeführter Verbrennungsmotoren – 507
9.1.7 Verfahren zur Reibungsberechnung am Beispiel
der Kolbengruppe – 518

9.2 Schmierung – 519
9.2.1 Tribologische Grundlagen – 519
9.2.2 Schmiersystem – 521

Literatur – 528

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_9
502 Kapitel 9 • Tribologie

9.1 Reibung 9.1.2 Reibungszustände


1
9.1.1 Kenngrößen In Abhängigkeit von den Schmierzuständen an den
2 jeweiligen Reibstellen des Motors treten verschiedene

3
Die Nutzleistung an der Abtriebswelle des Verbren-
nungsmotors (effektive Leistung Pe) ist niedriger als die
innere Leistung an den Kolben (indizierte Leistung Pi). -
Reibungszustände auf. Die wichtigsten sind:
Festkörperreibung (Coulombsche Reibung)
Reibung zwischen festen Reibkörpern ohne einen

4
Die Differenz wird bezeichnet als die Reibleistung Pr.

Pr = Pi − Pe (9.1) - fluiden Zwischenstoff,


Haftschichtenreibung
Reibung zwischen festen Reibkörpern mit einer
aufgetragenen Festschmierstoffschicht ohne
5
6
Die Reibleistung setzt sich aus den Verlusten der ein-
zelnen Motorkomponenten wie Triebwerk (Kurbel-
welle, Pleuel, Kolben mit Kolbenringen), Ventiltrieb
einschließlich Steuertrieb sowie den erforderlichen
- einen fluiden Zwischenstoff,
Mischreibung
Flüssigkeitsreibung und Festkörper beziehungs-
weise Haftschichtenreibung liegen gleichzeitig
Nebenantrieben zusammen. Die Innenleistung be- nebeneinander vor; die Schmierschicht trennt die
7 rücksichtigt auch die Verluste durch Ladungswechsel. beiden Reibkörper nicht vollständig voneinander;

8
Dabei werden die Betriebszustände und demzufolge
die Antriebsleistung der Nebenaggregate in den ver-
schiedenen Normungen unterschiedlich definiert [1].
Die Reibleistung vermindert die an der Abtriebswelle
- es treten Berührungen auf,
Flüssigkeitsreibung (hydrodynamische Reibung)
Ein flüssiger (oder gasförmiger) Stoff ist zwischen
den Reibkörpern und diese sind vollständig
zur Verfügung stehende Motorleistung und beeinflusst voneinander getrennt. Im Verbrennungsmotor
9 dementsprechend auch den Kraftstoffverbrauch des entsteht durch die Bewegung der Reibkörper ge-
Motors. geneinander die hydrodynamische Tragwirkung
10 Zum Vergleich verschiedener Motoren mit unter-
schiedlichen Hubvolumina verwendet man, analog zu
des Zwischenstoffes.

effektivem und indiziertem Mitteldruck, den Reibmit- Das Auftreten der verschiedenen Reibungszustände
11 teldruck pmr. soll im Folgenden anhand eines Beispiels erläutert wer-
    den. In einem hydrodynamischen Gleitlager werden
Pi − Pe Pr beim Durchfahren des Drehzahlbandes die verschiede-
12 pmr = pmi − pme =
i  n  VH
=
i  n  VH (9.2) nen Reibungszustände durchlaufen. Die in . Abb. 9.1
dargestellte Stribeck-Kurve stellt die Abhängigkeit der
13 Die Reibung eines Gesamtmotors setzt sich aus den Reibungszahl μ von der Wellendrehzahl n beziehungs-
Reib- beziehungsweise Antriebsleistungen der einzel- weise von der Gleitgeschwindigkeit v bei konstanter

14
--
nen Komponenten zusammen:
Triebwerk bestehend aus:
Kurbelwellenhauptlager mit Radialwellen-
Temperatur (beziehungsweise konstanter Viskosität η)
dar.
Die Gesamtreibung setzt sich aus den zwei Antei-
15
-
dichtringen, len Festkörperreibung (beziehungsweise Haftschich-
Pleuellager und Kolbengruppe (Kolben, Kol- tenreibung) und Flüssigkeitsreibung zusammen. Bei

-- --
benringe und Kolbenbolzen), Stillstand wirkt die Haftreibung. Bei niedriger Dreh-
16 eventuell vorhandenem Massenausgleich. zahl tritt zunächst die Festkörper- beziehungsweise
Ventil- und Steuertrieb, Haftschichtreibung auf, dann beginnt der Bereich der
Nebenaggregate wie zum Beispiel: Mischreibung, in dem mit steigender Drehzahl und da-
17 Ölpumpe mit eventuell vorhandenem Ölpum- durch zunehmendem Aufbau eines hydrodynamischen

--
penantrieb, Tragfilmes die Reibung abnimmt. Der Ausklinkpunkt
18 Kühlmittelpumpe, stellt in dieser Modellvorstellung den Zustand dar, in

--
Generator, dem der hydrodynamische Tragfilm die Oberflächen-
Einspritzpumpe, rauigkeiten der beiden Gleitpartner gerade vollständig
19
--
Kühlerventilator, voneinander trennen kann. Die Drehzahl, bei der die-
Vakuumpumpe, ser Zustand erreicht ist, wird auch als Übergangsdreh-
20
--
Klimakompressor, zahl bezeichnet, in der das Reibungsminimum auftritt.
Lenkhilfepumpe, Bei Drehzahlen oberhalb der Übergangsdrehzahl liegt
Luftkompressor. Flüssigkeitsreibung vor und die Reibung steigt auf
9.1 • Reibung
503 9

Massen das Reibungsmoment beziehungsweise

-
y = const. der Reibmitteldruck berechnet.
Der Abschaltversuch: Bei Mehrzylindermotoren
Reibung der Ruhe (Startreibung) wird durch die Abschaltung der Kraftstoffzufuhr
zu einem Zylinder dieser von den restlichen
weiterhin gefeuert arbeitenden Zylindern mitge-
Grenzreibung
schleppt. Aus der Änderung der effektiven Mo-
Reibungszahl µ

torleistung vor und nach der Kraftstoffabschal-


Mischreibung tung kann auf die Reibungsleistung geschlossen

-
Flüssigkeitsreibung werden.
Ausklinkpunkt Die Willans-Linien: Der Kraftstoffverbrauch
eines Motors wird für verschiedene Drehzahlen
p = const über dem effektiven Mitteldruck pme auf der
obere Ordinate aufgetragen. Durch lineare Extrapo-
untere Betriebsgrenze lation der Werte bis zum Kraftstoffverbrauch
Betriebsgrenze Null werden die Schnittpunkte mit der negativen
pme-Achse ermittelt, die näherungsweise als Rei-
Gleitgeschwindigkeit n
bungsmitteldrücke bei der jeweiligen Motordreh-
Flüssigkeitsreibung
Festkörperreibung

..Abb. 9.1  Stribeck-Kurve [2]


- zahl angesehen werden können.
Das Schleppen: Der Motor wird auf einem
Prüfstand fremdangetrieben. Die dabei aufzu-
bringende Schleppleistung wird als Reibleistung
angesehen. Dazu kann der Motor entweder
Grund der zunehmenden Schergeschwindigkeiten betriebswarm gefahren und unmittelbar nach
wieder an. abstellen der Kraftstoffzufuhr vermessen werden
Steigende Belastung der Gleitpaarung oder sin- oder über externe Thermostatisierungseinrich-
kende Viskosität der Flüssigkeit verschiebt die Über-
gangsdrehzahl nach oben und vergrößert den Bereich
der Mischreibung. Betriebszustände auf dem linken
Ast der Stribeck-Kurve sind instabil, da eine kurzzeitige
- tungen konditioniert werden.
Die Stripmethode: Bei den Stripmessungen
handelt es sich um eine spezielle Vorgehensweise
des Schleppens, die zur Messung der Reibungs-
Störung wie Drehzahlreduzierung oder Belastungser- verluste der unterschiedlichen Motorkom-
höhung zu einem deutlichen Anstieg der Reibungszahl ponenten, wie zum Beispiel der Reibung des
führen und damit eine Selbstverstärkung der Störung Triebwerks, des Ventiltriebes und der Nebenan-
auftritt. Aus diesem Grund muss im Dauerbetrieb der triebe angewandt wird. Die Bezeichnung leitet
Betriebspunkt einer Gleitpaarung mit ausreichendem sich vom Vorgehen ab, da der Motor auf einem
Abstand von dem Ausklinkpunkt auf dem rechten Ast Schleppprüfstand Schritt für Schritt demon-
der Stribeck-Kurve liegen. tiert (gestrippt) wird. Die Reibungsverluste der
einzelnen Komponenten werden bestimmt aus
der Differenz der Messwerte mit und ohne diese
9.1.3 Verfahren Komponente. Die Gesamtreibung des Motors
zur Reibungsmessung ergibt sich aus der Addition der Einzelkompo-

Die genaue Ermittlung der Reibungsverluste ist mit


erheblichem Aufwand verbunden. Es gibt verschie-
dene Möglichkeiten der Reibungsbestimmung, wobei
- nenten.
Die Indiziermethode: Mit ihr kann die Reibung
eines Motors im gefeuerten Betrieb bestimmt
werden. Die Integration des gemessenen Zy-
allerdings die meisten beträchtliche Ungenauigkeiten linderdruckes über ein Arbeitsspiel liefert die
aufweisen. Gebräuchlich sind die folgenden Verfahren indizierte Arbeit Wi, welche, bezogen auf das

-
zur Ermittlung der Reibung [3, 4]:
Der Auslaufversuch: Dabei wird der Motor
nach der Stabilisierung in einem Betriebspunkt
abgestellt und die Änderung der Drehzahl als
Hubvolumen, den indizierten Mitteldruck pmi
ergibt. Wird von diesem der effektive Mitteldruck
pme, subtrahiert, der aus dem an der Antriebs-
welle gemessenen Drehmoment berechnet
Funktion der Zeit gemessen. Daraus wird mit werden kann, so erhält man den Reibmitteldruck
Hilfe der Massenträgheitsmomente der bewegten pmr.
504 Kapitel 9 • Tribologie

1 - Sondermessverfahren: Über die beschriebenen


Reibungsmessverfahren hinaus gibt es eine
Vielzahl weitere Verfahren, um zum Beispiel die
Komponente ebenfalls wegfallen. Beispielsweise werden
bei der Ermittlung der Ventiltriebsreibung auch die Rei-
bungsanteile, die im Steuerriemen oder der Steuerkette
2 Reibung einzelner Komponenten im Betrieb zu
ermitteln. Für über Wellen angetriebene Kompo-
entstehen, erfasst. Dies ist auch deshalb sinnvoll, da die
Antriebsverluste dem jeweiligen Aggregat zuzurechnen
nenten können dazu Drehmomentmessflansche sind und die Belastung und eine eventuell auftretende
3 eingesetzt werden [2, 4]. Für die Kolbengruppe Dynamik die Höhe der Antriebsverluste beeinflussen.
gibt es verschiedene Einrichtungen zur Kolben- Die Indiziermethode erfordert einen hohen mess-
reibkraftmessung [5]. technischen Aufwand, um zu verlässlichen Ergebnis-
4 sen zu kommen. Von großem Einfluss ist, dass bei
Wesentlich für die Genauigkeit und Reproduzier- Mehrzylindermotoren die einzelnen Zylinder zum
5 barkeit der einzelnen Verfahren und damit die Ver- Teil merkliche Unterschiede in ihrem Mitteldruck
gleichbarkeit verschiedener Messungen ist die exakte aufweisen können. Daher ist eine Druckmessung an
Einhaltung der Randbedingungen. So ist es bei allen sämtlichen Zylindern gleichzeitig erforderlich, was in
6 Messverfahren erforderlich, die Schmieröl- und Kühl- der Praxis einen erheblichen Messaufwand darstellt.
mitteltemperaturen des Motors auf weniger als ±1 K Weiterhin wird der Aufwand dadurch erhöht, dass ge-
7 einzustellen. Dies ist in der Regel nur mit hochgenauen
externen Thermostatisierungseinrichtungen möglich.
ringe Fehler in der OT-Zuordnung und Abweichun-
gen der Druckmessung von der Kalibrierkurve der
Von den aufgezählten Möglichkeiten zur pmr- Drucksensoren den pmi-Wert deutlich verändern so-
8 Bestimmung sind die ersten drei schon vom Prinzip wie Fehler in der Drehmomentmessung den pme-Wert.
des Verfahrens her mit erheblichen Ungenauigkeiten An die Genauigkeit der Indizierung und der Drehmo-
behaftet und eignen sich nur für „Trend“-Aussagen. mentmessung müssen daher höchste Anforderungen
9 Bei der Schleppmethode liegt die Problematik gestellt werden, da das Ergebnis der Subtraktion (der
darin, dass das Schleppmoment eines komplett aufge- Reibmitteldruck) um mehr als eine Zehnerpotenz klei-
10 bauten Motors neben der mechanischen Motorreibung
und der Antriebsleistung der Nebenantriebe auch die
ner ist als die Ausgangsgrößen, so dass sich die pro-
zentualen Fehler verzehnfachen. So beeinflussen schon
Gaswechselverluste umfasst und das ohne zusätzliche geringfügige Abweichungen in der Bestimmung des
11 Indizierung nicht zwischen den Reibungs- und Gas- oberen Totpunktes (OT) des Kolbens die Berechnung
wechselverlusten unterschieden werden kann. Da aber des inneren Mitteldruckes und damit auch des Reib-
die Gaswechselverluste sehr empfindlich auf geänderte mitteldruckes. Grundsatzuntersuchungen zeigen, dass
12 Umgebungsbedingungen im Prüfstand oder auf ge- ein Fehler der OT-Lage um nur 0,1°KW, je nach Mo-
ringfügige Unterschiede im Ansaug- und Abgassystem torlast, den ermittelten Reibmitteldruck um mehr als
13 reagieren, ist der Vergleich unterschiedlicher Motoren 10 % beeinflussen kann.
nur eingeschränkt möglich. Ein direkter Vergleich der verschiedenen Mess-
Bei der Strip-Methode können die Randbedin- verfahren ist nicht möglich, da die unterschiedlichen
14 gungen über externe Systeme sehr genau vorgegeben Randbedingungen die Messergebnisse beeinflussen.
werden, so dass eine gute Reproduzierbarkeit und Ver- Dies wird exemplarisch an einem Dieselmotor mit
15 gleichbarkeit erreicht werden kann. Charakteristisch
für die Strip-Methode ist, dass der Antrieb stets über
Direkteinspritzung in . Abb. 9.2 dargestellt. Die Flu-
idtemperaturen sind in allen Versuchsreihen gleich
die Motorabtriebswelle erfolgt. Dies hat gegenüber gehalten: 90 °C Öltemperatur in der Hauptgalerie und
16 anderen Messverfahren den Vorteil, dass die Rand- 90 °C Kühlmittelaustrittstemperatur. Zwischen den Er-
bedingungen für die betrachtete Komponente denen gebnissen aus den Stripmessungen und den Schlepp-
am Komplettmotor bestmöglich entsprechen und eine messungen (Gaswechselverluste mittels Indizierung
17 gute Übertragbarkeit der Ergebnisse gewährleistet ist. ermittelt und abgezogen) ergibt sich eine gute Über-
Gleichzeitig resultiert hieraus die Einschränkung, die einstimmung im gesamten Drehzahlbereich. Die un-
18 für die Anwendung der Strip-Methode bei der Bestim- terschiedlichen Reibwerte welche am gefeuerten Motor
mung der Reibungsverluste von beliebigen Teilen des gefundenen wurden, sind auf die folgenden Einflüsse

19
drehenden Motors gilt: Ein funktionsfähiger (im Sinne
eines geschleppten Betriebs) Aufbau des Motors muss
mit und ohne Mitbewegung der zu betrachtenden Teile -
zurückzuführen:
Die Schmierfilmtemperaturen im Motor sind
trotz gleicher Temperatur in der Hauptölgalerie
20 möglich sein. Daraus folgt auch, dass die für eine Kom-
ponente gemessenen Reibwerte stets auch die Reibungs-
anteile des Antriebs umfassen, die bei Demontage der - höher.
Die Verbrennung führt zu erhöhten Temperatu-
ren an Kolbengruppe und Zylinderlaufbahn.
9.1 • Reibung
505 9
Drehzahlvariation Öl-/Külmitteltemperatur Variation der Ölviskositätsklassen bei 2000 min–1
3,0 Ölviskositätsklassen
Komplettmotor: 0,4
Triebwerk, Ventiltrieb, Ventiltrieb SAE 15W40
2,5 Ölpumpe, Wasserpumpe,
0,3 SAE 5W40

pmr [bar]
SAE 0W30
Reibmitteldruck pmr [bar]

Generator, Einspritzpumpe, 0,2


Lenkhilfepumpe, Vakuumpumpe
2,0 0,1
0,0
1,5 35/35°C 90/90°C 120°C/110°C
Öl-/Kühlmitteltemperatur
1,0 gefeuert, Volllast 2,0
Triebwerk
gefeuert, Nulllast 1,5

pmr [bar]
0,5 geschleppt
gestrippt 1,0

0,0 0,5
0 1000 2000 3000 4000 5000 0,0
Motordrehzahl [min–1]
Last pmr [bar] 35/35°C 90/90°C 120°C/110°C
Öl-/Kühlmitteltemperatur
..Abb. 9.2  Vergleich verschiedener Messverfahren an
..Abb. 9.3  Einfluss der Ölviskosität auf die Reibung
einem Pkw-Dieselmotor mit Direkteinspritzung

- Die Kolbenseitenkräfte ändern sich auf Grund Viskosität führt daher, bei sonst unveränderten Rand-

- des Gasdruckes.
Der Lastzustand der Einspritzpumpe ändert sich.
bedingungen, zu einer Veränderung im Reibungszu-
stand. Eine niedrigere Viskosität des Schmieröles be-
deutet eine geringere Tragfähigkeit des Schmierspaltes
und damit eine Verringerung der Schmierfilmdicke.
9.1.4 Einfluss des Betriebszustandes Damit verbunden ist im Mischreibungsgebiet auch
und der Randbedingungen ein Anstieg der Festkörperkontakte. In Abhängigkeit
von den Randbedingungen erhält man dann, falls
Erheblichen Einfluss auf das Reibungsverhalten haben der hydrodynamische Reibanteil überwiegt, eine Rei-
der Betriebszustand und die Randbedingungen, un- bungssenkung oder, falls die Festkörperkontakte stark
ter denen der Motor betrieben wird. Die wesentlichen ansteigen, einen Reibungsanstieg. Das Verhalten ver-
Einflussgrößen sind im Folgenden dargestellt. schiedener Öle mit unterschiedlichen Viskositäten ist
in . Abb. 9.3 für einen Pkw-Ottomotor bei 2000 min−1
9.1.4.1 Einlaufzustand dargestellt. Im Triebwerk ist bei den hier vorliegenden
des Verbrennungsmotors Randbedingungen eine Verringerung der Reibung
In den ersten Laufstunden tritt an den einzelnen Gleit- mit sinkender Ölviskosität ermittelt worden. Im Ven-
stellen eine Anpassung der Gleitpartner und damit ver- tiltrieb zeigt sich diese Reibungsverringerung nur
bunden eine Glättung der Oberflächenunebenheiten bei niedrigen Temperaturen. Dagegen tritt bei hohen
auf. Dieser Vorgang ist verbunden mit einem gewis- Temperaturen auf Grund der Mischreibungszustände
sen Verschleiß und erhöht die Reibleistung des Mo- im Ventiltrieb eine Reibungserhöhung auf Grund der
tors. Dieser Einlaufvorgang läuft für die verschiedenen niedrigeren Ölviskositäten auf. Weiterhin hat die Ver-
Gleitpaarungen unterschiedlich schnell ab und ist bei änderung auch Auswirkungen auf das Schmiersystem
modernen Pkw-Motoren nach circa 20 bis 30 Betriebs- und die Ölpumpenantriebsleistung, da Öldrücke und
stunden, in Einzelfällen aber auch erst nach mehr als Ölvolumenströme im Schmiersystem durch die ver-
100 Betriebsstunden abgeschlossen, so dass der Motor schiedenen Komponenten sowie die Reibung der Öl-
ein konstantes Reibungsniveau erreicht. Dieses bleibt pumpe beeinflusst werden.
dann so lange nahezu konstant, bis Motorkomponen-
ten ihre Lebensdauergrenzen erreichen, wodurch es 9.1.4.3 Temperatureinfluss
dann wieder zu einem Anstieg der Reibung kommt. Die Betriebstemperatur des Verbrennungsmotors, das
heißt die Temperaturen der Bauteile sowie von Öl und
9.1.4.2 Ölviskosität Kühlmittel beeinflussen die Reibung. Grund dafür ist
Die Viskosität des Schmiermittels hat über die Ände- zum einen die Viskositätsänderung des Schmiermit-
rung der Scherkräfte erheblichen Einfluss auf die Ver- tels und zum anderen die Änderung der Spiele in den
hältnisse an der Schmierstelle. Der Betrieb des Ver- verschiedenen Gleitpaarungen. Die Auswirkungen
brennungsmotors mit Schmierölen unterschiedlicher der Veränderung der Fluidtemperaturen im Tempera-
506 Kapitel 9 • Tribologie

1000 1/min
1 Öl-/Kühlmitteltemperatur = 90 °C 2000 1/min
3000 1/min
gefeuert, Lastvariation 4000 1/min
gefeuert, Nulllast 5000 1/min
2 3,0
geschleppt 6000 1/min

3 2,5

Reibmitteldruck pmr [bar]


2,0
4 1,5

5 1,0

0,5
6
0,0
..Abb. 9.4  Einfluss der Fluidtemperaturen auf die –4 –2 0 2 4 6 8 10
7 Reibung [6] Last pmr [bar ]

turbereich zwischen 0 und 120 °C sind in . Abb. 9.4 ..Abb. 9.5  Abhängigkeit der Reibung von Motorlast
8 gezeigt. Bereits bei Fluidtemperaturen von circa 20 °C und Drehzahl
kommt es zu einer Verdoppelung der Reibungsverluste
gegenüber dem betriebswarmen Motor (90 °C). Dies mit den Messwerten der Schleppmessung bei 0 bar zei-
9 ist einer der Gründe für das Ansteigen des Kraftstoff- gen die Messungen im gefeuerten Betrieb bei Nulllast.
verbrauches nach dem Kaltstart und im Kurzstrecken- Die Haupteinflussgröße ist die Motordrehzahl: Die
10 betrieb mit nicht betriebswarmem Motor. Reibung des Motors steigt zu höheren Drehzahlen hin
an. Die Motorlast hat bei mittleren Drehzahlen nur ei-
9.1.4.4 Motorbetriebspunkt nen sehr geringen Einfluss auf die Reibung, das heißt
11 Der Motorbetriebspunkt beeinflusst die Reibung so- die dargestellten Einflüsse sind in diesem Drehzahlbe-
wohl über die Parameter Drehzahl als auch der Last. reich gering oder kompensieren sich gegenseitig. Bei
Der Einfluss der Drehzahl ist zurückzuführen auf den einer Drehzahl von 1000 min−1 nimmt die Reibung
12 Anstieg der Gleitgeschwindigkeiten an den Reibstellen mit steigender Last zu. Die Reibung des Kolbens steigt
der einzelnen Motorkomponenten. Steigende Motor- bei den niedrigen Gleitgeschwindigkeiten auf Grund
13
14
-
last hat folgende Auswirkungen:
höhere Gasdrücke und dadurch höhere Kol-
benseitenkräfte, Anpresskräfte der Kolbenringe,
Lagerbelastungen und Kräfte zur Öffnung der
der größeren Kolbenseitenkräfte an. Bei hohen Dreh-
zahlen sinkt die Reibung mit steigender Last. Gründe
dafür sind die bei hoher Motorleistung, trotz gleicher
Hauptöltemperatur, höheren Öltemperaturen am Zy-

15 - Auslassventile,
lokal höhere Bauteiltemperaturen und damit
möglicherweise ein Ansteigen von Deformatio-
linderrohr und die teilweise Kompensation der Mas-
senkräfte im Triebwerk durch Gaskräfte.

16
- nen,
lokal höhere Schmiermitteltemperaturen und
damit Änderung des Reibzustandes in den zuge-
9.1.5 Einfluss der Reibung
auf den Kraftstoffverbrauch
17
18
- hörigen Schmierstellen,
gegebenenfalls geänderte Antriebsleistung der
Einspritzpumpe.
Der mechanische Wirkungsgrad ηm eines Verbren-
nungsmotors ist definiert als Verhältnis aus effektivem
Mitteldruck pme und indiziertem Mitteldruck pmi.
Die Auswirkung der Einflüsse Motorlast und Dreh-    
zahl auf das Reibverhalten eines Pkw-Ottomotors pme pmi − pmr
19 ist in . Abb. 9.5 dargestellt. Den am gefeuerten Mo-
m =
pmi
=
pmi 
(9.3)

tor durchgeführten Messungen mit Lasten zwischen


20 0 bar (Nulllast) und Volllast sind auch Ergebnisse aus
Schleppmessungen (pme entspricht dem Schleppmo-
Aus diesem Zusammenhang ist ersichtlich, dass bei
niedrigen Motorlasten, das heißt niedrigem effektiven
ment) gegenübergestellt. Eine gute Übereinstimmung und indizierten Mitteldruck der mechanische Wir-
9.1 • Reibung
507 9
Komplettmotor 1,2
Gefeuert, Volllast

Reibmitteldruck [ bar ] bei 2000 1/min


Triebwerk, Ventiltrieb,
belastete Ölpumpe, Öl: 15W40
1,0
belastete Wasserpumpe, Öl-/Kühlmitteltemperatur: 90 °C
unbelasteter Generator
3,0
Otto 0,8
2,5 Diesel (Direkteinspritzer)
Reibmitteldruck pmr [bar]

FEV 2009

2,0 0,6

1,5
0,4
1,0 1998 2000 2002 2004 2006 2008
Modelljahr
0,5
..Abb. 9.7  Entwicklung der Reibung von Vierzylin-
0,0
0 2000 4000 6000 8000 der-Ottomotoren (1,6 bis 2,2 l Hubraum)
Motordrehzahl [–1]
30%

Reduktion des Kraftstoffverbrauchs


..Abb. 9.6  Streuband der Reibung im gefeuerten Dieselmotor
Motorbetrieb (Pkw-Motoren) [4]
20%

Ottomotor
kungsgrad sinkt. Die Streubänder des Reibmitteldru-
ckes moderner Otto und Diesel-Pkw-Motoren sind in 10%
. Abb. 9.6 gezeigt. Bei einer Drehzahl von 2000 min−1
mit Werten 0,53  bis 1,1 bar für Ottomotoren und
1,02 bis 1,4 bar für Dieselmotoren einschließlich Ein- 0%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
spritzpumpe betragen die Reibungsverluste an der
Reibungsreduzierung
Volllast bis zu 10 % der indizierten Leistung. Im Teil-
lastbetrieb sinkt der mechanische Wirkungsgrad und ..Abb. 9.8  Einfluss der Reibungsreduzierung auf
damit steigt der Einfluss der Reibung auf den Kraftstoff- den Kraftstoffverbrauch (Reibung betrachtet bei
verbrauch weiter an. Damit bietet eine Verringerung n = 2000 min−1)
der Reibung ernst zu nehmendes Kraftstoffeinsparpo-
tenzial und stellt ein lohnendes Entwicklungsziel dar. Motor und einer Drehzahl von 2000 min−1 zeigt
Die Spanne, die jeweils zwischen dem Motor mit der . Abb. 9.8. Der hypothetische Fall des reibungslosen
höchsten und dem mit der geringsten Reibung liegt, Motors ermöglicht eine Verbrauchseinsparung von
bedeutet nicht nur einen Kraftstoffmehrverbrauch, son- circa 21 % für den Ottomotor und von circa 26 % für
dern reduziert auch die Maximalleistung. den Dieselmotor. Mit heute konventionellen Maßnah-
Die Entwicklung der Reibung über der Zeit soll im men (Komponentenoptimierung, Rollenventiltrieb,
Folgenden am Beispiel von Vierzylinder-Ottomotoren angepasste Pumpen, Thermomanagement, …) dürften
betrachtet werden. . Abb. 9.7 zeigt die Entwicklung circa 30 % dieses Potenzials nutzbar sein.
des Reibmitteldruckes pmr auf Basis von Untersuchun-
gen im Schleppbetrieb bei 2000 min−1. Zunächst fällt
auf, dass die Streuung der Werte einer recht großen 9.1.6 Reibungsverhalten
Bandbreite unterliegt: ein nach unten weisender Trend ausgeführter
ist aber erkennbar, der durch die Regressionsgrade Verbrennungsmotoren
noch verdeutlich wird. Vor allem in den letzten Jah-
ren hat sich das Reibungsverhalten des Ottomotors 9.1.6.1 Reibungsaufteilung
stark verbessert. Rein statistisch betrachtet hat ein 2-l- Bei der Betrachtung der Reibungsverluste eines Motors
4-Zylinder-Ottomotor in den letzten circa zehn Jahren ist nicht nur der Summenwert, sondern auch die Auf-
eine Reibungsreduzierung von circa 20 % erfahren. Die teilung der Reibung auf die verschiedenen Komponen-
Extrapolation der Regressionsgeraden würde aber eine ten von entscheidender Bedeutung. Eine gebräuchliche
unrealistische Absenkung der Reibung für die Zukunft Vorgehensweise ist die Strip-Methode, die im Folgen-
ergeben. den detailliert beschrieben wird.
Die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs als Vor den eigentlichen Stripmessungen wird der
Funktion des Reibmitteldruckes bei betriebswarmen komplette Motor mit Ansaugstrecke und Abgasstrecke
508 Kapitel 9 • Tribologie

2,0 ..Abb. 9.9 Reibungs-
1 Wasserpumpe aufteilung eines moder-
Reibmitteldruck pmr [bar]

und Generator
1,5 nen Pkw-Ottomotors
Ölpumpe

2 1,0
Ventiltrieb
Kolben und Pleuel

3 0,5
Kurbelwelle
Öl: SAE 15W40
4
0,0
0 2000 4000 6000 Öl-/Kühlmittel-
Motordrehzahl [min–1] temperatur: 90 °C

5
geschleppt („Komplettmotor“). Das dabei gemessene d) Messung der Reibungsverluste von Kurbelwelle
Antriebsmoment umfasst zusätzlich zur mechanischen (inklusive „Meistergewichten“) mit Ölpumpe. Die
6 Motorreibung auch die Gaswechselverluste. Während Einstellung des Öldruckes in der Motorgalerie er-
dieser Messung werden die Öldrücke am Ölpumpen- folgt auch hier – wie unter a) – über die externe
7 austritt, in der Motorgalerie sowie, soweit möglich, im
Zylinderkopf und die Ölvolumenströme durch den Mo-
Druckölversorgung. Die motoreigene Ölpumpe
fördert in einem separaten Schlauchkreislauf über
tor für jeden Betriebspunkt aufgezeichnet. Das Kühl- eine den Ölpumpendruck regelnde variable Dros-
8 system wird mit Fremddruck für konstanten Druck sel direkt zurück in die Ölwanne. Auch der Ölpum-
am Eintritt in die Kühlmittelpumpe beaufschlagt. Die pendruck wird gemäß vorher ermittelter Drücke
Aufnahme dieser Randbedingungen dient später in den betriebspunktabhängig eingestellt.
9 einzelnen Strip-Schritten dazu, die Randbedingungen e) Messung der Reibungsverluste von Kurbelwelle
am Komplettmotor wieder exakt einstellen zu können. (inklusive „Meistergewichten“) mit Kühlmittel-
10 Im Anschluss an die Aufnahme der Randbedin-
gungen am Komplettmotor wird das Messprogramm
pumpe, Generator, Servolenkungspumpe und
Klimakompressor einschließlich Spann- und
zur Ermittlung der Reibung der einzelnen Kompo- Umlenkrolle(n). Die Einstellung des Öldruckes in
11 nenten durchgeführt. Die dabei durchzuführenden der Motorgalerie erfolgt – wie unter a) – über die
Demontageschritte sind im Folgenden beschrieben: externe Druckölversorgung.
a) Zur Ermittlung der Triebwerksreibung wird der
12 Zylinderkopf entfernt. Zur Einhaltung der Ver- Aus den Differenzen zwischen den Ergebnissen der
spannungsbedingungen des Motorblocks im einzelnen Messreihen werden die Reibungsverluste
13 Schraubenbereich wird der Zylinderkopf durch von Kolben/Pleuellager, Ventiltrieb, Ölpumpe und
eine Platte mit gerundeten Zylinderöffnungen er- Nebenaggregaten bestimmt. Des Weiteren ergibt sich
setzt. Der Gasraum ist somit in dieser Messreihe aus der Summe der ermittelten Werte für die einzel-
14 offen; Gaskräfte auf die Kolben treten nicht auf. nen Komponenten ein Reibungswert für den gesamten
Alle Nebenantriebe werden ebenfalls entfernt. Mit Motor, genannt „gestrippter Komplettmotor“. Dieser
15 einer externen Öldruckversorgung wird der Öl-
druck motorbetriebsabhängig – nach Vorgabe aus
beschreibt die rein mechanischen Reibungsverluste des
Motors ohne die Gaswechselverluste.
den Messungen am Komplettmotor oder anderer Eine weitere Detaillierung des Messprogramms,
16 Quellen – in der Hauptgalerie eingestellt. beispielsweise die Bestimmung der Reibung von ein-
b) Ausbau der Kolben und Pleuel zur Bestimmung zelnen oder allen Kolbenringen oder die Aufteilung
der Kurbelwellenlagerreibung. Der Einfluss der der Ventiltriebsreibung auf Nockenwellenlagerreibung
17 rotierenden Massen wird durch Anbringung von und Ventilbetätigung ist möglich, indem zusätzliche
„Meistergewichten“ auf den Pleuellagerzapfen Demontageschritte eingeschoben werden. Auch ist
18 kompensiert. Die Einstellung des Öldruckes in der andererseits nicht unbedingt eine Vermessung aller
Motorgalerie erfolgt auch hierbei – wie unter a) – Komponenten notwendig, wenn nur einzelne Aggre-
über die externe Druckölversorgung. gate betrachtet werden sollen.
19 c) Messung der Reibungsverluste von Kurbelwelle Das Ergebnis einer Strip-Messung für einen mo-
(inklusive „Meistergewichten“) mit Ventiltrieb. Die dernen Pkw-Ottomotor ist in . Abb. 9.9 dargestellt.
20 Einstellung des Öldruckes in der Motorgalerie er-
folgt wiederum – wie unter a) – über die externe
Die prozentuale Aufteilung der Reibungsanteile ist in
. Abb. 9.10 gezeigt. Dabei wurde bei der Definition
Druckölversorgung. der Bezugsgröße Gesamtreibung, die für den Motorbe-
9.1 • Reibung
509 9
..Abb. 9.10 Prozentu- Lenkhilfepumpe
120 Klimakompressor unbelastet
ale Aufteilung der Rei-
bung eines modernen Kraftstoffpumpe
100 Wasserpumpe und Generator

Reibmitteldruck pmr [%]


Pkw-Ottomotors
Ölpumpe
80 Ventiltrieb
Kolben und Pleuel
60

40

20
Kurbelwelle
0 Öl: SAE 15W50
0 2000 4000 6000 Öl-/Kühlmittel-
Motordrehzahl [min–1] temperatur: 90 °C

..Abb. 9.11 Reibung
von Pkw-Ottomotoren
in Abhängigkeit von
Hubraum

trieb notwendigen Nebenaggregate – belastete Öl- und die obere Hubraumgrenze der kleinen Pkw-Motoren-
Kühlmittelpumpe sowie unbelasteter Generator, nicht familien liegt. Auf Grund der Gleichteile in den Motor-
jedoch reine Komfortantriebe wie Lenkhilfepumpe familien sind die Motoren auf diese größte Variante hin
oder Klimakompressor, berücksichtigt. ausgelegt, so dass die kleineren Motoren der Familie
Aus den Messergebnissen der einzelnen Kompo- gewisse Reibungsnachteile haben.
nenten lassen sich wiederum komponentenspezifische
Streubänder erstellen. Durch den Vergleich der Mess­ 9.1.6.2 Triebwerk
ergebnisse einzelner Komponenten mit den zugehöri- Das Triebwerk eines Verbrennungsmotors besteht aus
gen Streubändern und damit mit dem Stand der Tech- der Kurbelwelle inklusive der Radialwellendichtringe
nik ist es möglich, Potenziale für eine Reduzierung der sowie aus der Kolbengruppe und den Pleueln. Mit
Reibleistung aufzudecken und gezielt durch Optimie- Hilfe der Strip-Methode lässt sich das Triebwerk wei-
rungsarbeiten auszuschöpfen. ter aufteilen in die Reibung der Kurbelwelle und die
In . Abb.  9.11 ist der Reibmitteldruck des ge- Reibung von Kolbengruppe und Pleuel.
strippten Komplettmotors über dem Hubvolumen bei
der Motordrehzahl 2000 min−1 und der Öl-/Kühlmit- Kurbelwelle
teltemperatur von 90/90 °C dargestellt. Die Streube- Die Reibung der Kurbelwelle wird mit Meistergewich-
reiche in diesen Bildern zeigen auf, dass das Hubvo- ten und einschließlich der Radialwellendichtringe be-
lumen oberhalb von 1,5 Litern kaum einen Einfluss stimmt. Trägt man den Reibmitteldruck der Kurbel-
auf das Niveau des Reibmitteldrucks eines gestrippten welle über der Drehzahl auf und extrapoliert man die
Komplettmotors ausübt. Dies ist dadurch zu erklären, Werte bis zu einer theoretischen Drehzahl von 0 min−1,
dass der Leistungsbedarf verschiedener Aggregate von so lässt sich der hierdurch erhaltene Y-Abschnitt grob
der Fahrzeuggröße abhängt und nicht weiter reduziert als der (von der Drehzahl relativ unabhängige) Rei-
wird aber auch dadurch, dass bei circa 1,5 l Hubraum bungsbeitrag der Radialwellendichtringe interpretie-
510 Kapitel 9 • Tribologie

Hauptlagerdurchmesser [mm] ..Abb. 9.12 Reibung


1 1,00
30 40 45 50 55 60 65 70 pro Kurbelwellenhaupt-
lager über Hauptlager-
durchmesser3 [4]
Reibmoment/Hauptlager [Nm]

2
2000 1/min
0,75 Öl: SAE 15W50
Öl-/Kühlmittel-
temperatur: 90 °C
3 0,50 Regressionsgerade
Otto V-Motoren
Regressionsgerade
4 0,25
Dieselmotoren
Regressionsgerade
Otto R-Motoren

5 0,00
0 100 200 300 400
Hauptlagerdurchmesser3 [cm3]
6
Dynamisches Reibkraft-Messsystem – PIFFO Kolbenringvarianten: 1, 2, 3, 4
7 Kolbenringpaket:
Kolbenreibkraft
gefeuert, Volllast
Randbedingungen: Geschleppt, Volllast
Temperatur: 90 °C
0,3
Version B: Basisausführung 2000 1/min

8 Version C: optimierte Vorspannung


und Ringhöhe
Öl-/Kühlmittel-
temperatur: 90 °C

Version C V2 V1
100
9 V3
Reibmitteldruck [bar]

0,2
Dyn. Reibkraft [N]

0 V4
10
V3
0,1
11 –200
Version B
1000 1/min
2000 1/min
12 –100
0 180 360 540 720
Kurbelwinkel [Grad] 0,0
0 1 2 3
13 ..Abb. 9.13 Reibkraftverlauf der Kolbengruppe im p0 [N/mm2]
gefeuerten Betrieb Summe Kolbenringflächenpressung

14 ..Abb. 9.14 Kolbenringreibung als Funktion der


ren. Der gefundene Wert korreliert mit den Messwer- Vorspannung [5]

15 ten aus der Separierung der Radialwellendichtringe


durch Demontage. Pleuellager und Kolbengruppe
Aus den Reibwerten der Kurbelwelle lässt sich Durch Subtraktion der Reibwerte der Kurbelwelle von
16 das in . Abb. 9.12 für eine Drehzahl von 2000 min−1 den Reibwerten des Triebwerks kann die Reibung der
gezeigte Reibmoment eines einzelnen Hauptlagers Kolbengruppe inklusive der Pleuellager bestimmt wer-
bezogen auf seinen Durchmesser berechnen. Darge- den. Eine weitere Aufteilung ist mit der Strip-Methode
17 stellt sind die Messwerte für eine Vielzahl von Moto- nur schwer zu erreichen, da Pleuel und Kolbengruppe
ren sowie die Regressionsgeraden unterschiedlicher nicht einzeln voneinander betrieben werden können.
18 Motorkonzepte. Die Streuung der Messwerte um die Mit Hilfe einer nahezu reibungsfreien, aerostatischen
jeweiligen Regressionsgeraden zeigt, dass neben dem Kolbenführung [7] lässt sich die Reibung der Pleuel-
Hauptlagerdurchmesser noch weitere Parameter die lager bestimmen; der dafür erforderliche Aufwand ist
19 Reibung beeinflussen. Dazu zählen unter anderem jedoch sehr hoch. Die Aufteilung von Kolben und Kol-
die Lagergeometrie, Lagerspiele, Deformationen oder benringen oder die Separierung einzelner Kolbenringe
20 Fluchtungsabweichungen der Lagergasse sowie die
Unterschiede in der Reibung der Radialwellendich-
ist möglich, jedoch muss beachtet werden, dass das
Entfernen von Kolbenringen die Schmierverhältnisse
tringe. des Kolbens und der anderen Ringe deutlich verändert.
9.1 • Reibung
511 9

Wie oben gezeigt wurde, hat die Reibung der Kol- ausgleichsgetriebe für Vierzylindermotoren weisen
bengruppe einen sehr hohen Anteil an der Gesamtrei- Reibwerte von 0,05 bis 0,16 bar bei 2000 min−1 auf, was
bung eines Verbrennungsmotors. Deshalb kommt ih- einen Anteil von bis zu 18 % an der Gesamtreibung des
rer Optimierung ein hoher Stellenwert zu, um das Ziel Motors darstellen kann.
eines reibungsarmen Motors zu erreichen. Aus diesem
Grund wurde eine Vielzahl von Messsystemen entwi- 9.1.6.3 Ventilsteuerung
ckelt, um das Reibungsverhalten der Kolbengruppe (Ventil- und Steuertrieb)
[5] zu messen oder um die reibungsbeeinflussenden Die Reibung des Ventiltriebs kann mit Hilfe der Strip-
Parameter, wie zum Beispiel die Zylinderdeformation Methode aus der Differenz der Messung von Kurbel-
im gefeuerten Betrieb, erfassen zu können [8]. welle und Ventiltrieb einschließlich Steuertrieb und
Die direkte Messung der Kolbenreibkraft im ge- der Kurbelwellenmessung ermittelt werden. Eine
feuerten Betrieb liefert, wie in . Abb.  9.13 gezeigt, weitere Separierung, zum Beispiel der Reibung in der
den Verlauf der Reibkraft über dem Kurbelwinkel, Ventilbetätigung oder der Nockenwellen, ist möglich;
was detaillierte Rückschlüsse auf die Reibvorgänge bei der Analyse muss jedoch berücksichtigt werden,
zwischen Kolben und Zylinderwand ermöglicht sowie dass die Steuertriebsdynamik beeinflusst wird und sich
beim Auftreten von Kraftspitzen auch auf möglichen damit das Reibungsverhalten ändert.
Verschleiß hindeutet. Der Einfluss verschiedener Para- In modernen Pkw-Motoren kommen verschie-
meter, wie zum Beispiel Kolbenschliffbild, Kolbenspiel dene Ventiltriebskonzepte zum Einsatz. Dass diese
und Kolbenringvorspannung kann im geschleppten Konzepte auch erheblichen Einfluss auf das Reibver-
und gefeuerten Betrieb untersucht werden. Eine Va- halten der Ventiltriebe haben, zeigt . Abb. 9.15 am
riation der Kolbenringflächenpressung (Kolbenring- Beispiel von Mehrventilmotoren. Bei Ventiltrieben
tangentialspannung bezogen auf die tragende Kolben- mit Gleitabgriff erhöht der hydraulische Ventilspiel-
ringfläche) ist in . Abb. 9.14 gezeigt. Man erkennt den ausgleich über die zusätzliche Reibung durch das
deutlichen Einfluss des Summenwertes auf die gemes- Anpressen des Hydroelementes im Bereich des No-
sene Reibung. Ein Vergleich eines 2-Ring-Kolbens mit ckengrundkreises und die höheren bewegten Massen
dem konventionellen 3-Ring-Kolben zeigte bei ähn- die Reibung. Ventiltriebe mit Rollenabgriff zeigen im
licher Kolbengeometrie und -masse sowie gleichem Allgemeinen ein sehr günstiges Reibungsverhalten.
Summenwert der Flächenpressung, das heißt höherer Die mit einem Rollenabgriff verbundene ungünstige
Flächenpressung der einzelnen Ringe beim 2-Ring- Systemdynamik des Steuertriebs erfordert jedoch
Kolben, keine wesentlichen Unterschiede im Reibmit- vielfach hohe Vorspannungen im Steuertrieb. Vor al-
teldruck. lem bei Kettentrieben kann dies zu erhöhter Reibung
führen [9].
Massenausgleich Die Aufteilung der Reibung innerhalb des Ven-
Als Massenausgleich bezeichnet man Maßnahmen tiltriebes ist für die Umsetzung wirksamer Opti-
zum teilweisen oder vollständigen Ausgleich der mierungsmaßnahmen notwendig. . Abb. 9.16 zeigt
Massenkräfte und -momente an Kurbeltrieben. Zur diese Aufteilung für verschiedene Ventiltriebskon-
Verbesserung des Komfortverhaltens wird bei Pkw- zepte. Gleitabgriffe weisen im Kontaktbereich No-
Motoren in vielen Fällen ein zusätzlicher Massenaus- cken-Stößel den größten Anteil auf. Dies ist bedingt
gleich eingesetzt. Die Reibungsverluste des Massenaus- durch die hohen Kontaktkräfte und hohen Relativge-

-
gleichsgetriebes werden beeinflusst durch:
die Ordnung der auszugleichenden Massenkräfte
oder -momente und damit die Anzahl und Dreh-
schwindigkeiten zwischen Nocken und Stößel. Eine
Reibungsreduzierung ist über eine Verringerung der
Kontaktkräfte durch Absenken der Ventilfederkräfte

- zahl der Ausgleichswellen,


Anzahl, Ausführung und Durchmesser der La-
möglich. Bei unveränderter Maximaldrehzahl ist
dann aber die Reduzierung der bewegten Massen im

- gerstellen,
Verluste im Antrieb der Massenausgleichsele-
mente.
Ventiltrieb Voraussetzung. Die andere Möglichkeit ist
die Verringerung der Relativgeschwindigkeiten durch
Verwendung einer Rolle zwischen der Nocke und dem
Abtriebsglied.
Der Ausgleich der freien Massenkräfte 2. Ordnung bei
Vierzylindermotoren erfordert zwei Ausgleichswellen,
die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl rotieren und
damit ungünstige Randbedingungen hinsichtlich des
Reibungsverhaltens aufweisen. Ausgeführte Massen-
512 Kapitel 9 • Tribologie

..Abb. 9.15 Vergleich
1 verschiedener Ventil-
triebskonzepte

2
3
4
5
6
7
..Abb. 9.16 Aufteilung
der Reibung im Ventil-
8 0,4 Tasse Nockenwellenlager
Ventilführung trieb [9]
Tassenführung
EHD-Kontakt
9 0,3
Leichtbau
Reibmitteldruck [bar]

10 Rollenlager
0,2

11
0,1
12
13 0,0
2000 4000 6000
Motordrehzahl [min–1]
14
9.1.6.4 Nebenaggregate bils in allen Betriebszuständen mit Hilfe eines
15 Zusätzlich zu dem Triebwerk und der Ventilsteuerung
ist in einem modernen Verbrennungsmotor eine Viel-
zahl von Nebenaggregaten vorhanden. Diese sind für - Generators,
Realisierung einer zusätzlichen Abgasreinigungs-
möglichkeit: Sekundärluftpumpe, Katalysatorvor-
16
17
den einwandfreien Betrieb des Verbrennungsmotors
erforderlich und auch um zusätzliche Funktionen wie
zum Beispiel Sicherheits- und Abgasreinigungsfunkti-
onen oder aber auch die immer stärker ansteigenden
- heizung,
Bereitstellung von Hilfsenergien zur Abdeckung
erhöhter Komfort- und Sicherheitsansprüche der
Insassen: Lenkhilfepumpe, Klimakompressor,
Komfortansprüche der Fahrzeugbetreiber zu erfüllen. Vakuumpumpe, Anlasser, Antiblockiersystem,
18
19
-
Beispiele für Aufgaben der Nebenaggregate sind:
Sicherstellung einer einwandfreien mechanischen
Funktion des Motors in allen Betriebszuständen
des Automobils: Schmierölpumpe, Kühlmittel-
Antischlupfregelung, Niveauregulierung.

In der heutigen serienmäßigen Anwendung ver-


braucht der Antrieb dieser Nebenaggregate je nach
pumpe, Kraftstofffördersystem, Kühlerventilator, Fahrzustand einen großen Anteil der vom Verbren-
20
- mechanisches Aufladeaggregat,
Sicherstellung einer einwandfreien elektrischen
Energieversorgung des Motors und des Automo-
nungsmotor zur Verfügung gestellten mechanischen
Energie. Damit stellt die Antriebsleistung der Neben-
aggregate einen mechanischen Verlust dar und kann
9.1 • Reibung
513 9
..Abb. 9.17 Reibung
der Nebenantriebe

der Reibleistung zugeordnet werden. Verschiedene bringende Leistung mit der Motordrehzahl an, auch
Definitionen berücksichtigen die Nebenaggregate in wenn die vom Nebenaggregat zur Verfügung gestellte
unterschiedlicher Weise. An dieser Stelle soll jedoch Leistung sekundärseitig nicht benötigt wird. Die indi-
nicht auf die Definitionen, sondern auf die grundsätz- viduelle Bedarfsleistung der Nebenaggregate ist jedoch
lichen Zusammenhänge hinsichtlich der Reibung der nicht zwangsläufig von der Motordrehzahl abhängig.
Nebenaggregate eingegangen werden. Da diese einen Der Direktantrieb stellt somit einen Kompromiss zwi-
entscheidenden Anteil am Kraftstoffverbrauch des schen Nutzen und Kosten dar.
Fahrzeuges hat, gewinnt dieser Aspekt umso mehr Im Rahmen der folgenden Betrachtungen wird
an Bedeutung, da für die Zukunft noch mit einer zwischen folgenden Leistungsdefinitionen unterschie-
beträchtlichen Steigerung des Energiebedarfs durch
zusätzliche oder leistungsstärkere Verbraucher zu
-
den:
Nebenaggregateleistung: zum Antrieb des Neben-
rechnen ist.
Im Folgenden wird ein Überblick über die Neben-
aggregate eines modernen Verbrennungsmotors gege- - aggregats benötigte Motorleistung,
Abgabeleistung: vom Nebenaggregat abgegebene
Leistung (zum Beispiel elektrische Energie oder
ben. Auf Grund der Vielzahl der Aggregate können an
dieser Stelle nur die zum Motorbetrieb erforderlichen
und die Aggregate mit den höchsten Antriebsleistun-
gen behandelt werden. Auch auf die Vielzahl der nicht
- Strömungsenergie),
Bedarfsleistung: erforderliche Abgabeleistung
des Nebenaggregats zur Bedarfsabdeckung des
Motors oder des Automobils.
direkt vom Verbrennungsmotor sondern elektrisch an-
getriebenen Komponenten wird dabei nur am Rande . Abb. 9.17 zeigt den Reibmitteldruck der zum Mo-
eingegangen. Die Versorgung dieser Komponenten torbetrieb notwendigen Nebenaggregate: Öl- und
darf bei der Betrachtung der Generatorantriebsleistung Kühlmittelpumpe fördern entsprechend des Motor-
nicht vernachlässigt werden. betriebspunktes, der Generator wird betrieben, gibt
In heutigen Motoren werden die Nebenaggregate jedoch keine elektrische Leistung ab. Die Summe der
nahezu ausschließlich mit konstanter Übersetzung günstigsten Einzelwerte verschiedener Motoren zeigt,
zur Kurbelwelle angetrieben, was bedeutet, dass die dass weiteres Optimierungspotenzial vorhanden ist.
Drehzahl der einzelnen Aggregate proportional zur
Kurbelwellendrehzahl ist. Die Drehzahlspreizung der Ölpumpe
Aggregate (Verhältnis der maximalen zur minimalen Heutige Viertaktmotoren werden durch ein Druckum-
Aggregatedrehzahl) ist auf Grund der festen Über- laufölsystem geschmiert. Dabei werden im Wesentli-
setzungsverhältnisse durch die Drehzahlspreizung chen die folgenden Aggregate von der Ölpumpe mit
des Verbrennungsmotors vorgegeben. Eine schon im
Bereich der Leerlaufdrehzahl ausreichende Abgabe-
--
Schmieröl versorgt:
Kurbelwellenhaupt- und Pleuellager,
leistung der einzelnen Nebenaggregate legt das Über-
setzungsverhältnis fest. Andererseits steigt die von
der Kurbelwelle durch Riementrieb oder Kette aufzu- - Kolbenspritzdüsen,
Ventiltrieb und Antrieb (Nockenwelle, Stößel,
Rädertrieb etc.),
514 Kapitel 9 • Tribologie

..Abb. 9.18 Reibung
1 verschiedener Ölpum-
pen (belastet)

2
3
4
5
6
7
8 -- Turbolader,
weitere Schmierstellen je nach Motorbauform.
6
Pleuellager

Ölpumpe
Öldruck [bar]

-
4 Hauptgalerie
Die Aufgabe des Motorölkreislaufs ist es dabei,
9 an allen Gleitflächen unter allen Betriebszustän- 2
Zyl.-Kopf

den einen tragenden Ölfilm sicherzustellen, um 0


10 Mischreibung und damit verbundenen Ver-

-
60 (1) Druckventile (Zyl.-Kopf)
schleiß weitestgehend zu vermeiden. (2) Überdruckventil (Pumpe)
(3) Hydr. Ventilspielausgleicher (1)
Ölvolumenstrom [L/min]

50
durch ausreichende Wärmeabfuhr lokale Bau- (4) Abgasturbolader
11
(2)
(5) Vakuumpumpe
teilüberhitzungen und dadurch hervorgerufene

-
40 (3)
(6) Nockenwellenlager
(4)
Schäden zu verhindern. 30
(7) Kolbenkühldüsen
(5)
(8) Pleuellager
Partikel (Ruß- und Verschleißpartikel) aufzuneh-

-
12 men und in Schwebe zu halten.
20
(9) Hauptlager (6)
(7)
(8)
Ablagerungen zu verhindern beziehungsweise zu 10

-
(9)

13 lösen sowie 0
0 1000 2000 3000 4000 5000
vor Korrosion zu schützen.
Motordrehzahl [1/min]

14 Als Ölpumpen in Kraftfahrzeugmotoren werden üb- ..Abb. 9.19 Öldruck und Ölvolumenstrom im


licherweise direkt von der Kurbelwelle angetriebene Schmierkreislauf
15 Sichel- oder Trochoidenpumpen sowie über einen
Hilfsantrieb untersetzt angetriebene, außenverzahnte Mindestöldruck vorhanden sein, da es sonst inner-
Zahnradpumpen oder Trochoidenpumpen verwendet. halb kürzester Zeit zu Motorschäden kommen kann.
16 Die Antriebsleistung der Pumpen unterscheidet sich Die Ölpumpe wird deshalb für den ungünstigsten Fall,
deutlich je nach Antriebssystem und Pumpenbauart. das heißt hohe Öltemperatur und einen Motor mit ho-
Durch verschiedene in [10–12] beschriebene Optimie- her Laufleistung und damit großen Spielen ausgelegt.
17 rungsschritte können die Pumpen individuell verbes- Weitere Auslegungspunkte sind niedrige Drehzahl zur
sert und an den Motorbedarf angepasst werden. Allen Sicherstellung der Ölversorgung von hydraulischen
18 Bauarten gemeinsam ist, wie der Streubereich von Öl- Ventilspielausgleichselementen (Heißleerlauf), und
pumpen-Reibmitteldrücken in . Abb. 9.18 zeigt, der öldruckgesteuerte Aktuatoren (beispielsweise Nocken-
Anstieg der Antriebsleistung bei hohen Drehzahlen. wellenversteller) sowie hohe Drehzahl für eine ausrei-
19 Die allgemein übliche, aber energetisch ungünstige By- chende Ölversorgung der dynamisch hochbelasteten
pass-Regelung führt in den überwiegenden Betriebs- Pleuellager [13, 14]. . Abb.  9.19 zeigt Ölvolumen-
20 bereichen der Ölpumpe zu geringen Wirkungsgraden.
Bei allen Betriebsbedingungen des Motors muss
ströme und Öldrücke in einem Schmiersystem. Dabei
ist es notwendig, dass im Betrieb des Motors in allen
eine ausreichende Schmierung, also ein bestimmter Betriebspunkten der erforderliche Mindestöldruck zur
9.1 • Reibung
515 9

Sicherstellung einer bedarfsgerechten Schmiermittel- Durch den zur Motordrehzahl proportionalen An-
versorgung zum Beispiel ohne Stößelklappern und trieb ergeben sich bei hohen Drehzahlen große För-
Kavitationsgefahr in den Pleuellagern erreicht oder derströme, die bei ungünstig gestaltetem Kühlmittel-
überschritten wird. kreislauf zu hohem Druckverlust und damit zu hoher
Das Ölschluckverhalten des Motors steigt mit Antriebsleistung führen [15]. Daraus ergibt sich ein
zunehmender Drehzahl weniger stark als der För- Optimierungspotenzial bei der Gestaltung des Kreis-
derstrom der Ölpumpe, der näherungsweise dreh- laufs mit entsprechend angepasster Kühlmittelpumpe
zahlproportional ansteigt. Deshalb wird ein Teil des [16].
Förderstroms bei mittleren und hohen Drehzahlen
durch ein Bypassventil meist zur Saugseite der Pumpe Generator
zurückgeführt. Zur Bereitstellung von elektrischer Energie in Per-
Neben der bedarfsgerechten Anpassung des sonenkraftwagen werden zurzeit fast ausschließlich
Schmiersystems und der Detailoptimierung der Öl- leistungsfähige und wartungsarme Drehstrom-Klau-
pumpe an die Motorerfordernisse haben regelbare enpolgeneratoren mit einer Nennspannung von 14 V
Ölpumpen ein großes Potenzial, die Antriebsleistung eingesetzt. Die Wirkungsgrade der Generatoren liegen
der Ölpumpe abzusenken. Möglichkeiten zur Förder- zurzeit bei maximal 60 bis 70 % und werden bei nied-
stromanpassung von Ölpumpen an den notwendigen riger Drehzahl und hoher Belastung des Generators
Bedarf sind Konzepte mit veränderlichem Förderkam- erreicht. Häufig jedoch werden Generatoren bei hohen
mervolumen, die jedoch meistens aufwändig und teuer Drehzahlen und geringer Belastung und somit niedri-
ausgeführt sind, sowie die Drehzahlregelung durch gen Wirkungsgraden zwischen 20 und 40 % betrieben.
Entkoppelung von der Motordrehzahl. Die im Automobil installierte elektrische Verbrau-
cherleistung ist in den letzten 40 Jahren drastisch von
Kühlmittelpumpe etwa 0,2 auf 2,5 kW gestiegen und wird sich in den
Als Kühlmittelpumpen kommen in Verbrennungs- nächsten 20 Jahren auf zirka 4 kW erhöhen. Die Pro-
motoren vorwiegend Kreiselpumpen zum Einsatz, die gnosen unter Einbeziehung der Prometheus-Projekte
darauf ausgelegt werden, sowohl bei niedrigen Motor- gehen noch darüber hinaus. Hier werden bis zum
drehzahlen und hoher Motorlast (zum Beispiel Berg- Jahre 2010 etwa 8 kW an elektrischer Leistung zur
fahrt mit Anhänger) als auch bei Nennleistung einen Verfügung gestellt werden müssen, wobei dann die
zur Wärmeabfuhr ausreichenden Kühlmitteldurchsatz Leistungsgrenze üblicher 14-V-Drehstromgenerato-
zu liefern. Mit einer von der Temperatur der Bauteile ren von zirka 3 bis 5,5 kW überschritten werden wird
oder des Kühlmittels abhängigen Drehzahlregelung, [17]. . Abb. 9.20 zeigt die Reibung verschiedener Ge-
zum Beispiel über einen elektrischen Antrieb, könnte neratoren ohne elektrische Leistungsabgabe. Für zu-
bei Teillast das Temperaturniveau der brennraumum- künftige Fahrzeuge werden Start-Generator-Systeme
gebenden Wände und damit der Wirkungsgrad des mit höheren elektrischen Abgabeleistungen und 42 V
Motors angehoben, die Aufheizzeit des Motors ver- Abgabespannung erwartet. Für den Übergang auf den
kürzt und die Antriebsleistung der Kühlmittelpumpe elektrischen Antrieb verschiedener Komponenten
auch bei hohen Drehzahlen abgesenkt werden. (zum Beispiel elektrische Ölpumpe, Kühlmittelpumpe,

..Abb. 9.20 Reibung
von Pkw-Generatoren
(unbelastet)
516 Kapitel 9 • Tribologie

Öl-/Kühlmitteltemperatur: 90 °C hohe Leistung an die eingeschalteten Verbraucher


1 0,4 abgegeben werden kann. Den größten Anteil der Ge-
neratorverluste bei Volllastbetrieb machen vor allem
2 die Eisen- und Kupferverluste im Ständer sowie die
Reibmitteldruck pmr [bar]

0,3
Reibungs- und Lüfterverluste aus, während die Dio-
den- und Erregerverluste relativ gering sind [19]. Da
3 0,2 Volllast Einstellung
Leerlauf Einstellung
die Abgabeleistung oberhalb einer Generatordrehzahl
von 5000 1/min nur noch geringfügig ansteigt, emp-
fiehlt sich ein Betrieb bei Generatordrehzahlen zwi-
4 0,1
schen 2000 und 5000 1/min.

5 0,0
0 2000 4000 6000
Einspritzpumpe
Die Einspritzpumpe dient dazu, den Kraftstoff gegen
Motordrehzahl [min–1] Ende der Verdichtung durch eine Einspritzdüse direkt
6 ..Abb. 9.21  Reibung Einspritzpumpe (Vergleich
in den Brennraum einzuspritzen. Je nach Auslegung
Volllast – Nulllast)
der Einspritzmenge und Motorbetriebspunkt beträgt
7 der Einspritzdruck 50 bis 200 bar bei Ottomotoren mit
Direkteinspritzung und bis über 2000 bar bei Diesel-
elektromechanischer Ventiltrieb) sind erheblich hö- motoren.
8 here elektrische Leistungen Voraussetzung. In . Abb. 9.21 ist die Reibung einer Verteilerein-
Der Strombedarf der Verbraucher zur Aufrecht- spritzpumpe eines Dieselmotors mit Direkteinsprit-
erhaltung der Motorfunktion ist näherungsweise zung dargestellt. Zwischen dem Nulllast und der Ma-
9 unabhängig vom Fahrbetrieb. Der elektrische Bedarf ximalstellung des Mengenstellers kommt es zu einer
für alle anderen Verbraucher, insbesondere für Kom- Vervierfachung der Reibwerte. Die bei Volllast auftre-
10 fortfunktionen, hängt dagegen stark von den Einsatz-
bedingungen (Sommer, Winter, Tag oder Nacht) ab.
tenden Reibwerte haben erheblichen Anteil an der Ge-
samtreibung eines Dieselmotors und sind eine der we-
Insgesamt ergibt sich eine nach Einsatzbedingung und sentlichen Ursachen für den Anstieg der Motorreibung
11 Einschalthäufigkeit streuende Gesamtbedarfsleistung zwischen Nulllast und Volllast bei Dieselmotoren.
von zirka 300 bis 1200 W für ein Mittelklassefahrzeug.
Auf Grund physikalischer Zusammenhänge las- Klimakompressor
12 sen sich bei konstantem Generatorgewicht die Abga- Die Entwicklung der Fahrzeugklimatisierung begann
beleistung bei Motorleerlauf und die Maximalleistung in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts in
13 nicht unabhängig voneinander festlegen [18]. Dieses den USA. Während 1965 nur 20 % der Automobile
ungünstige Szenario wird noch verstärkt durch den auf dem nordamerikanischen Markt mit einer Klima-
zunehmenden elektrischen Leistungsbedarf bei Leer- anlage ausgerüstet waren, waren es 1980 bereits 80 %.
14 laufdrehzahl und das Bestreben, die Leerlaufdrehzahl Der Wunsch der japanischen Automobilhersteller, den
aus Kraftstoffverbrauchsgründen weiter abzusenken. nordamerikanischen Markt zu erobern, führte dazu,
15 Als Konsequenz daraus muss über das Generatorkon-
zept und das Antriebsmanagement des Generators
dass die Japaner die Klimaanlage auch für sich selbst
entdeckten und bereits 1985 im eigenen Land den
nachgedacht werden. Eine charakteristische Größe bei Ausrüstungsstand der USA überstiegen. Ein ähnlicher
16 der Generatorauslegung ist die 2/3-Drehzahl, bei der zeitversetzter Ansatz ist seit Ende der Achtzigerjahre
der Generator 2/3 seiner maximalen Leistung abgeben auch in Europa festzustellen, ohne das die Marktdurch-
kann. Üblicherweise wird die Übersetzung zwischen dringung der USA bis jetzt erreicht wurde.
17 Generator und Motor so gewählt, dass der Generator Der Kälteleistungsbedarf zur Fahrzeugklimati-
bei Motorleerlauf mit der 2/3-Drehzahl läuft und da- sierung ist von der Sonneneinstrahlung und der Au-
18 durch die Stromversorgung des Motors und des Auto- ßentemperatur abhängig. Die durchschnittliche Ein-
mobils sichergestellt ist. schaltdauer der Klimaanlagen beträgt in Europa etwa
Optimierungsziele des Generators sind ein in je- 23 % (USA zirka 42 %) und die mittlere erforderliche
19 dem Betriebsbereich guter Wirkungsgrad, eine nied- Kälteleistung 1 bis 2 kW (USA 4 bis 5 kW) [20]. Von
rige Einschaltdrehzahl und gleichzeitig eine hohe allen Nebenaggregaten hat der Klimakompressor die
20 Stromabgabe. Der Strom sollte daher oberhalb der
Einschaltdrehzahl (1000 bis 1500 1/min) steil anstei-
größte Leistungsaufnahme, die je nach Kompressor-
bauweise und Betriebszustand bei hohen Drehzahlen
gen, damit auch im unteren Drehzahlbereich eine bis zu 11 kW betragen kann. Die durchschnittlichen
9.1 • Reibung
517 9

Antriebsleistungen liegen in Abhängigkeit von der Ein- liegt am besseren Antriebswirkungsgrad des Visko-
schaltdauer zwischen 180 und 2000 W. Lüfters bei niedrigen Drehzahlen im Vergleich zum
Klimakompressoren werden üblicherweise durch Elektrolüfter, bei dem zusätzlich noch der Generator-
einen Riemen drehzahlproportional vom Motor an- wirkungsgrad berücksichtigt werden muss. Während
getrieben, wodurch sich eine Abhängigkeit der Kälte- der Warmlaufphase oder Teillast des Motors sowie bei
leistung von der Motordrehzahl ergibt, während der höheren Drehzahlen und Fahrgeschwindigkeiten hat
Bedarf jedoch nahezu drehzahlunabhängig ist. Die der Elektrolüfter im Vergleich zum Visko-Lüfter den
Auslegung der Klimakompressoren erfolgt nach der Vorteil, dass er bei ausreichender Durchströmung des
maximal erforderlichen Kälteleistung, die bereits bei Kühlers abgeschaltet werden kann. Beide Antriebs-
niedriger Motordrehzahl (während Stadtfahrten mit systeme haben aber noch ein deutliches Potenzial zur
hohem Leerlaufanteil) zur Verfügung stehen muss. Bei Verringerung der Übertragungsverluste.
höheren Drehzahlen sind die Kompressoren folglich
überdimensioniert und müssen abgeregelt werden. In Servolenkungspumpe
vielen Fällen wird dies durch eine elektromagnetische Servounterstützte Lenksysteme, die noch vor einigen
Kupplung erreicht, mit der der Kompressor ein- und Jahren Automobilen der gehobenen Klasse vorbehalten
ausgeschaltet wird. waren, werden heute selbst bei Kleinwagen angeboten.
Aktuelle Entwicklungen gehen vom druckgere- Der Trend zu breiten Reifen und damit erhöhter Lenk­
gelten Kompressor zunehmend in Richtung volu- arbeit, die direktere Übersetzung einer Servolenkung
menstromgeregelter Kompressor, der den Leistungs- und die dadurch erzielte verbesserte Handhabung des
überschuss durch eine Hubverstellung reduziert. Fahrzeugs führten in den letzten Jahren zu einem er-
Energetisch ist jedoch keine nennenswerte Verbesse- heblichen Anstieg des Marktanteils der Automobile
rung zu erwarten, da der geregelte Verdichter länger mit Servolenkung.
eingeschaltet bleibt und auch bei geringer Kälteleistung Die Lenkkraftunterstützung erfolgt mit Öldruck,
die mechanischen Verluste, vornehmlich bei hohen der durch die Lenkhilfepumpe zur Verfügung gestellt
Drehzahlen, erheblich sind [21]. wird und am Lenkgetriebe entsprechend der momen-
Für den Einsatz in kompakten Kleinfahrzeugen, vor tan benötigten Hilfskraft geregelt wird. Als Lenkhil-
allem in Japan, wurden in den letzten Jahren ebenfalls fepumpen kommen in der Serie aus Kostengründen
kompaktere und leichtere Kompressoren (beispielsweise vorwiegend Flügelzellenpumpen mit Bypass-Regelung
Flügelzellen- und Spiralkompressoren) entwickelt. zum Einsatz.
Fahrgeschwindigkeit und Einschlagwinkel der
Kühlerventilator Räder bestimmen den Druckbedarf im hydrauli-
Der Kühlerventilator muss bei hoher Last und nied- schen System. In heutigen Systemen treten teilweise
rigen Fahrzeuggeschwindigkeiten eine zur Wärme- im Stand bei vollem Lenkausschlag maximale Drücke
abfuhr ausreichende Durchströmung des Wärmetau- bis zu 130 bar auf. Mit steigender Fahrgeschwindigkeit
schers (Motorkühler) sicherstellen. nimmt die benötigte Lenkkraftunterstützung jedoch
Früher wurde der Lüfter drehzahlproportional stark ab. Der Minimaldruck der Lenkhilfeanlage bei
vom Motor direkt angetrieben. Bei modernen Kon- Geradeausfahrt zur Überwindung der Strömungsver-
struktionen verwendet man temperaturgesteuerte luste des Lenksystems ist fahrzeug- und lenkungsbe-
Antriebssysteme mit Kupplungen (elektrische oder dingt und liegt bei 2 bis 5 bar.
hydrostatische Antriebe). Diese verringern die An- Der Fördervolumenstrom einer Lenkhilfepumpe
triebsleistung im Vergleich zum starren Antrieb um muss auch bei niedrigen Motordrehzahlen und hohen
25 bis 50 %. Lenkgeschwindigkeiten ausreichend hoch sein, um
Elektrisch angetriebene Kühlerventilatoren werden die Lenkunterstützung sicherzustellen. Daraus erge-
bedarfsgerecht in Abhängigkeit von der Kühlwasser- ben sich als Auslegungsbedingungen der Motorleerlauf
temperatur eingeschaltet. Durch eine Schalthysterese bei stehendem Automobil und hoher Lenkgeschwin-
von etwa 10 Grad wird ständiges Ein- und Ausschalten digkeit bei trockener Straße. Diese Bedingungen
verhindert. Ein Elektrolüfter ist im Stadtverkehr zirka treten im Fahrbetrieb insbesondere beim Einparken
30 bis 40 % der Betriebszeit eingeschaltet. Bei höhe- oder Rangieren auf. Bei höheren Drehzahlen wird ein
ren Geschwindigkeiten (Landstraße, Autobahn) reicht Mehrfaches des Nutzölstromes als Verlust über den
normalerweise die Durchströmung des Kühlers auch Stromregler abgeführt.
ohne Ventilator zur Wärmeabfuhr aus. Die Antriebsleistung der Pumpe steigt proporti-
Visko-Lüfter benötigen bei niedrigen Drehzahlen onal zur Motordrehzahl. Die maximal mögliche An-
eine geringere Antriebsleistung als Elektrolüfter. Dies triebsleistung tritt in der Praxis normalerweise nicht
518 Kapitel 9 • Tribologie

auf, da hohe Drücke im Lenksystem und hohe Dreh-


1 zahlen nicht zusammen auftreten.
Die benötigte Antriebsleistung einer Servolenkan-
2 lage hängt stark von den durch den Fahrbetrieb vorge-
gebenen Pumpendrehzahlen und Systemdrücken ab.
Typische Antriebsleistungen konventioneller Lenkan-
3 lagen bei Geradeausfahrt liegen im Durchschnitt zwi-
schen 250 und 1200 W.
Durch den Einsatz von geregelten Lenkhilfe-
4 pumpen, wie zum Beispiel sauggeregelten Radialkol-
benpumpen, kann die Antriebsleistung deutlich ver-
5 mindert werden. Großes Potenzial haben elektrische
Servolenkungen, die mit ungefähr 100 bis 200 W ge-
mittelter Antriebsleistung auskommen und die in den
6 letzten Jahren bei kleineren und mittleren Fahrzeugen
in Serie gekommen sind.
7 Vakuumpumpe
Bei Motoren mit drosselfreier Laststeuerung wird zur
8 Erzeugung eines Unterdruckes (zum Beispiel für den ..Abb. 9.22  Detail-Modell zur Simulation der Kolben-
Bremskraftverstärker) eine Vakuumpumpe eingesetzt. gruppe [22]
Die Reibung üblicher Vakuumpumpen liegt zwischen
9 0,01 bar bei niedrigen Drehzahlen und 0,04 bar bei MKS und FEM im heutigen Entwicklungsprozess als
hohen Drehzahlen. unentbehrlich.
10 Der Kolben mit Ringen und Zylinderrohrkontakt
beispielsweise stellt ein hoch komplexes Tribosystem
9.1.7 Verfahren dar, das den Großteil der Motorreibung ausmacht. Die
11 zur Reibungsberechnung steigenden Leistungsanforderungen an diese Baugruppe
am Beispiel der Kolbengruppe machen es immer dringlicher erforderlich, die Belas-
tungsgrenzen mit modernen Simulationstechniken nä-
12 zz Moderne Computer-Simulationen her auszuloten. Vor diesem Hintergrund werden heute
Die Optimierung von Motorkomponenten lässt sich detaillierte Simulationsmodell entwickelt [22]. Diese
13 idealerweise rechnerisch durchführen. Vor diesem Modelle bauen im Wesentlichen auf kommerzieller Soft-
Hintergrund haben sich gemischte Berechnungsmo- ware auf, welche problemspezifisch über anwenderpro-
delle aus linearer FEM und Mehrkörpersimulation in grammierte Subroutinen erweitert werden, . Abb. 9.22.
14 weiten Teilen der Dynamiksimulation durchgesetzt. Aus physikalischer Sicht werden bekannte An-
Die Stärke dieser Modelle liegt in der Tatsache begrün- sätze verwendet: Die Reynolds’schen Differentialglei-
15 det, dass die Anzahl der Freiheitsgrade zur Beschrei-
bung der Struktursteifigkeit drastisch reduziert wer-
chungen im Bereich der Hydrodynamik. Die Ansätze
nach Greenwood-Tripp für die Beschreibung von
den können, ohne spürbar an Berechnungsgenauigkeit Mischreibung und Verschleiß, oder das Labyrinth-
16 einzubüßen. Explizite FE-Analysen erlauben eine un- Modell nach Eweis für die Gasdynamik im Blow-by.
mittelbare Auswertung der Bauteilspannungen. Diese Weitere Modelle zur Notation der Schmierfilmanteile
haben jedoch den wesentlichen Nachteil, dass die Be- im Gesamtsystem erlauben Aussagen hinsichtlich Öl-
17 rechnungszeiten um Größenordnungen höher liegen. haushalt und Ölverbrauch. Die Makrogeometrie wird
Für detaillierte Analysen der Lager-Tribologie emp- dreidimensional durch das FE-Modell abgebildet. Die
18 fiehlt sich der Einsatz von Elasto-hydrodynamischen Mikrogeometrie (wie zum Beispiel die Balligkeit der
(EHD) Berechnungsverfahren. Diese sind in der Lage, Kolbenringe) und die Topologie (wie zum Beispiel die
die Wechselwirkungen zwischen dem hydrodynami- Honstruktur) werden durch die Subroutinen beschrie-
19 schen Tragverhalten des Schmierfilms und der lokalen ben. Die Führung der Kolbenringe (inklusive Stoß)
Nachgiebigkeit der Strukturen geschlossen zu lösen. erfolgt ausschließlich über Kontaktformulierungen.
20 Moderne kommerzielle Multi-Purpose-Anwendungen
stellen auch den Kern für numerische Reibungsanaly-
So können auch mehrteilige Ölkontrollringe inklusive
aller Kontaktflächen physikalisch modelliert werden.
sen in der Motorenberechnung dar. So gelten hierfür Aus den Berechnungen resultieren die Hauptbewer-
9.2 • Schmierung
519 9

tungsgrößen: Reibung, Verschleiß, Gasleckage und Beanspruchungskollektiv


Schmiermittelemission sowie sämtliche Bewegungs-
größen, wie zum Beispiel die Kolbensekundärbewe-
gung oder die Kolbenringdynamik. Struktur des Tribosystems
Auf Basis detaillierter Dynamikmessungen mit-
tels eigens entwickelter Spezialmesstechniken kann Umgebungsmedium
abschließend dann an verschiedenen Versuchsträgern
ein hochwertiger Grundabgleich aller Module vor-
Gegenkörper
genommen werden. Somit steht ein leistungsfähiges
Werkzeug für die zielorientierte und effiziente nume-
rische Optimierung der Einzelkomponenten bereit – Zwischenstoff
eine heute übliche Methode. Grundkörper

9.2 Schmierung Oberflächenveränderungen Materialverlust


(Verschleißerscheinungsformen) (Verschleiß-Messgröße)

9.2.1 Tribologische Grundlagen


Verschleißkenngrößen

Die Motortechnik beruht auf Maschinenelementen un- ..Abb. 9.23  Schema: Tribologisches System [23]
terschiedlicher Art, die – durch Form und Funktion
miteinander verbunden – aufeinander einwirken und

-
sich gegenseitig beeinflussen zum Beispiel durch:
Kinematik: Erzeugung, Übertragung und Hem-
Tribologische Beanspruchungen ergeben sich aus
Bewegungsablauf, wirksamen Kräften (Normalkraft),

- mung von Bewegungen,


Kinetik: Kraftübertragung über Kontakt-Grenz-
Geschwindigkeiten, Temperaturen und der Beanspru-
chungsdauer.

- flächen,
Übertragung und Umwandlung von mechani- 9.2.1.1 Reibung

- scher Energie,
Transportvorgänge: Transport von flüssigen und
gasförmigen Medien.
Reibung ist ein vielschichtiges Phänomen, das sich
nicht ohne Weiteres dem Verständnis erschließen will.
Sie ist zwiespältig, weil sie Bewegung gleichermaßen
behindert wie sie überhaupt erst ermöglicht. Ohne Rei-
Eine wichtige Rolle bei diesen Vorgängen spielt die bung kein fester Halt – aber auch kein Fortkommen!
Tribologie1 – nach DIN 50323 ist „Tribologie … die „Reibung ist eine Wechselwirkung zwischen sich
Wissenschaft und Technik von aufeinander einwirken- berührenden Stoffbereichen von Körpern. Sie wirkt
den Oberflächen in Relativbewegung. Sie umfasst das einer Relativbewegung entgegen. Bei äußerer Reibung
Gesamtgebiet von Reibung und Verschleiß, einschließ- sind die sich berührenden Stoffbereiche verschiedenen,
lich Schmierung, und schließt entsprechende Grenzflä- bei innerer Reibung ein und demselben Körper zuge-
chenwechselwirkungen sowohl zwischen Festkörpern hörig.“ (DIN 50 323 Teil 3).
als auch zwischen Festkörpern und Flüssigkeiten oder Reibung hängt sowohl vom Bewegungszustand ab
Gasen ein.“ – Haftreibung (statische Reibung, Ruhereibung) und
Hierbei ermöglicht, verbessert und sichert die Bewegungsreibung (dynamische Reibung), als auch
Schmierung Funktion, Wirtschaftlichkeit und Lebens-
dauer der Bauteile, Funktionsgruppen des Motors und
-
von der Art der Relativbewegung der Reibpartner:
Gleitreibung: Gleiten, Translation in der Kontakt-
der gesamten Antriebsanlage.
Tribologische Systeme lassen sich im Bereich ihrer
- fläche, Relativbewegung der Gleitpartner,
Rollreibung: Rollen, Rotation um eine
Wechselwirkungen auf eine Grundstruktur (System-
elemente) reduzieren (DIN 50320): Grundkörper, Ge-
genkörper, Zwischenstoff (Partikel, Fluide, Gase) und
Umgebungsmedium (. Abb. 9.23).
- Momentan­achse in der Kontaktfläche,
Wälzreibung: Wälzen, Rollen mit mikroskopi-
schen oder makroskopischen Gleitanteilen.

Reibung ist aber auch vom Aggregatzustand der betei-


1 tribos (griech.) reiben und -logie (griech.) Nachsilbe weib-
licher Hauptwörter mit der Bedeutung von Lehre, Kunde,
Wissenschaft --
ligten Stoffbereiche abhängig:
Festkörperreibung,
Flüssigkeitsreibung,
520 Kapitel 9 • Tribologie

-- Gasreibung, Schmierfilm zwischen den Gleitpartnern teil-

-
1 Mischreibung. weise unterbrochen ist,
Elastohydrodynamische Schmierung: Bei hohen
2 Im Motor ist Reibung insofern unerwünscht, weil ein
Teil der mit an sich schon schlechten Wirkungsgraden
Pressungen zwischen den Gleitpartnern erhöht
der Druck im Ölfilm die Viskosität des Öls,
„erzeugten“ mechanischen Energie wieder in thermo- weshalb sich – trotz an sich ungünstiger Bedin-
3 dynamisch „geringerwertige“ Wärme umgewandelt gungen – eine tragfähige Mindestschmierfilm-
wird. Diese Wärme beeinträchtigt durch Viskositäts- dicke einstellt (Beispiel: Kontraforme Kontakte:

4
5
und Tragkraftabfall des Schmiermittels die Funktion
von Bauteilen. Im Extremfall kommt es zu Schäden
durch Warm- und Heißlaufen von Lagerungen.
Festkörperreibung beruht auf mehreren Mecha-
- Zahnradpaarungen, Nocken/Nockenfolger etc.),
Hydrodynamische Schmierung: Flüssigkeitsrei-
bung mit vollständiger Trennung der Gleitpart-
ner voneinander durch einen Schmierfilm.

-
nismen:
Adhäsion und Scheren: Bildung und Zerstören Reibungsverluste werden mit dem mechanischen

-
6 von Adhäsionsbindungen in den Kontaktflächen, Wirkungsgrad erfasst. Als Quotient aus der effektiven
Plastische Deformation: Deformation bei tangen- Leistung Pe und der inneren Leistung Pi beinhaltet
7
8
-- tialer Relativbewegung,
Furchung:
Gleitpartner unterschiedlicher Härte, die Rau-
heitsspitze des harten dringt in den weicheren
der mechanische Wirkungsgrad alle mechanischen
Verluste vom Kolben zum Kurbelwellenflansch. Dar-
über hinaus werden damit auch hydraulische Verluste
(Planschverluste) sowie die Antriebsleistungen der

-
Partner ein oder/und zum Betrieb des Motors erforderlichen Hilfsmaschi-
ein hartes Partikel zwischen den Gleitpartnern nen berücksichtigt. Der mechanische Wirkungsgrad

-
9 dringt in einen oder beide ein. von Motoren liegt – bei Nennleistung – im Bereich von
Deformation: Elastische Hysterese und Dämp- 75 bis 90 %, bei Teillast fällt er stark ab.
10
11
- fung,
Energiedissipation: Reibungsenergie (mechani-
sche Energie) wird in Wärme umgewandelt und
geht verloren.
9.2.1.2 Verschleiß
„Verschleiß ist der fortschreitende Materialverlust aus
der Oberfläche eines festen Körpers, hervorgerufen
durch mechanische Ursachen, das heißt Kontakt und
Haftreibung liegt vor, wenn ein Körper unter Einwir- Relativbewegung eines festen, flüssigen oder gasför-
12 kung einer resultierenden Kraft auf seinen Gegenpart migen Gegenkörpers“ (DIN 50320). Verschleiß wirkt
gepresst in Ruhe verharrt. Haftreibung ist die Grund- funktionsstörend und lebensdauermindernd – als Teil
13 lage der Kraftübertragung aller starr durch Schraub-, der Abnutzung ist er jedoch unvermeidlich bei jedem
Klemm oder Pressverbände miteinander verbundenen Maschinenbetrieb.
Motorteile wie Kurbelgehäuse und Zylinderkopf, Kur- Verschleiß tritt auf, wenn zwei Reibkörper
14 belwelle und Abtriebsflansch oder Aufnahmebohrung (Grund- und Gegenkörper) unter Krafteinwirkung
und Lager. Der für solche Verbindungen maßgebende relativ zueinander bewegt werden – kontinuierlich,
15 Haftreibwert µR hängt ab von Materialpaarung, Ober-
flächenbeschaffenheit und den tribologischen Bedin-
oszillierend oder intermittierend. Dabei wirken sich
Gefügeeigenschaften, Festigkeitswerte, Härte, Form-
gungen (Schmierung); er ist also keine Material- son- und Oberflächengeometrie auf den Verschleiß aus. Der
16 dern eine Systemeigenschaft [24]. Verschleißvorgang besteht aus mehreren Komponen-
Bei Gleitreibung (Reibung der Bewegung) ist in ten, die einzeln oder in unterschiedlicher Kombination
der Motortechnik vor allem die Flüssigkeitsreibung miteinander auftreten: Abscheren, elastische und plas-
17 bestimmend; diese setzt ein Schmieren voraus. Die tische Deformationen sowie Grenzflächenvorgänge.
für Maschinenteile relevanten Reibungszustände wer- Dadurch lösen sich Partikel aus Körper und Gegen-
18 den in der nach Richard Stribeck (1861 bis 1950) körper, welche ihrerseits den Verschleiß verstärken

-
benannten Stribeck-Kurve dargestellt als:
Festkörperreibung mit unmittelbarem metalli-
(. Abb. 9.24).
Im Motorbetrieb kommt es auf die Verschleißrate

-
19 schen Kontakt der Gleitpartner, an, das heißt die Geschwindigkeit, mit welche sich der

20
-
Grenzreibung, wenn die Gleitpartner mit Spuren
des Schmiermittels bedeckt sind,
Mischreibung als das Nebeneinander von
Festkörper- und Flüssigkeitsreibung, wenn der
-
Verschleiß entwickelt:
Degressiv: Einlaufvorgänge, mit denen sich
herstellungsbedingte Rauheiten glätten und die
Traganteile der Gleitpartner vergrößern,
9.2 • Schmierung
521 9
..Abb. 9.24 Verschleiß- Verschleißmechanismen
mechanismen
Abrasiver Verschleiß Adhäsiver Verschleiß

Mikropflügen

Oberflächenzerrüttung

Mikrospanen

Tribo-
chemische
Reaktion

- Linear: Normalbetrieb, bei dem der Verschleiß Geometrie und der Kinematik. Folgen können sein:

- zwar stetig, aber nur geringfügig zunimmt,


Progressiv: Sich selbst verstärkend, beschleu-
Erhöhte Reibung, Fresser sowie Gewalt- und Schwing-
brüche. Im Motor wird Verschleiß hervorgerufen,
nigt sich der Verschleiß, so dass es rasch zu
Funktionsstörungen und daraus resultierend zu
Schäden kommt. -- -
meist durch:
Überlastung,
ungenügende Schmierung als Folge von,

-- -
Schmiermittelmangel oder/und
In Motoren wird Verschleiß vorwiegend verursacht ungeeignete oder überalterte Öle.

-
durch:
Gleitverschleiß bei trockenem Kontakt und bei
Grenz- und Mischreibung (unvollständige Tren-
Ungünstige Betriebsbedingungen,
Fehlfunktion oder Ausfall von Motorbauteilen.

- nung von Grund- und Gegenkörper),


Schwingungsverschleiß. Typisch: Passungsrost
Verschleiß tritt bevorzugt an folgenden Funktions-

-
gruppen auf:

- (Reiboxidation, Reibrost),
Flüssigkeitsreibung (vollständige Trennung von
Triebwerk: Kolben, Kolbenringe, Zylinder, Lager

--und Wellen,

- Grund- und Gegenkörper),


Kavitation: Hohlraumbildung durch örtliches
Unterschreiten des Dampfdrucks in einer Flüssig-
keit mit nachfolgender Implosion der Dampfbla-
Rädertrieb: Zahnräder,
Steuerung: Nocken und Nockenfolger, Ventile,
Ventilsitze und Ventilführungen, Riementriebe.

sen. Dadurch werden die begrenzenden Oberflä-


chen beschädigt; hydrodynamische Eigenschaften 9.2.2 Schmiersystem
verschlechtern sich.
9.2.2.1 Schmierung
Erosion: Beaufschlagung von Festkörpern mit partikel- Schmierung ist das Beschichten oder Benetzen von
durchsetzten Flüssigkeiten (zum Beispiel Schmiermit- Gleitpartnern mit einem Schmiermittel; hierzu dienen
tel oder Kraftstoff mit Fremdpartikel oder Gasstrom „Flüssigkeiten, Gase, Dämpfe, das heißt fluide Stoffe,
mit Partikeln (Abgas mit Verbrennungsrückständen)); plastische Substanzen und feste Körper in Pulverform“.

--
es kommt zu Abtrag an der Werkstoffoberfläche
Verschleiß durch Tropfenschlag,
-- Aufgaben der Schmierung sind:
Kraftübertragung,
Verschleiß durch Korrosion.

Verschleiß wirkt sich im Motor aus als Querschnitts- - Verringerung von Reibung und Verschleiß,
Feinabdichtung: Auf- und ineinander gleitende
Teile können prinzipiell nur mit Hilfe eines
schwächung, Oberflächenveränderung, Funktionsbe-
einträchtigung durch Spielvergrößerung, Verringe-
rung von Überdeckungen und Beeinträchtigung der -- Schmierfilms dichten,
Stoß- und Schwingungsdämpfung,
Verringerung von Geräusch,
522 Kapitel 9 • Tribologie

z Mischreibung, führt sie zu Verschleiß der Gleitpart-


1 ner – bis hin zum Fresser. Doch ohne innere Reibung
v + dv könnte eine Flüssigkeit keine Kräfte übertragen.
2 τ 9.2.2.2 Bauteile und Funktion
τ Unter dem Schmiersystem versteht man die schmier-
3 v stoffführenden Leitungen, Pumpen, Filter, Wärme-
übertrager und Regelorgane in ihrer Anordnung zuei-
nander. Zu nennen sind: Ölsammelbehälter (Ölwanne),
4 τ = η · (dv/dz)
x Ölpumpe(n), Ölwärmetauscher, Ölfilter, Steuerventile,
Einfüllstutzen und die Überwachung von Ölvolumen
5 z (Ölstand) und Ölvolumenstrom (Öldruck).

-
dv
Man unterscheidet:
Frischöl- oder Verbrauchsschmierung: Das Öl wird
6 aus einem Ölvorratsbehälter von einer Pumpe zu
dz den einzelnen Verbrauchern gefördert. Es ist zu
7 fordern, dass stets sauberes und kühles Öl zu den
Verbrauchern gelangt. Bei sorgfältiger Dosierung
kann der Ölverbrauch gering gehalten werden.
8 Angewendet wird die Frischölschmierung bei

-
x Zweitakt-Ottomotoren mit Benzineinspritzung.
Mischungsschmierung: Diese Schmierungsart
9 ..Abb. 9.25  Scherung und Schergefälle [25]
wird heute vorwiegend bei kleinen Zweitakt-

10 -- Kühlung: Abfuhr von Reibungswärme,


motoren angewendet. Das Schmieröl wird beim
Tanken in einem bestimmten Verhältnis (1:50

11 - Reinigung: Abtransport von Partikeln aller Art,


Korrosionsschutz.

Das Schmiermittel ist ein Maschinenelement; es


beziehungsweise 1:100) dem Ottokraftstoff zuge-
mischt. Das Öl gelangt mit dem Kraftstoff beim
Ansaugen in den Zylinder und beim Überströ-
men in den Kurbelraum. Das ausgeschiedene
überträgt in den Lagerungen die Bauteilkräfte durch Öl schmiert die Lager und die Zylinderwand.
12 Schmierfilme mit Schichtdicken von nur wenigen Mit der Spülluft gelangt auch Schmieröl in den
Tausendstel Millimeter. Diese Fähigkeit beruht auf Auspuff: Das erhöht den Ölverbrauch und ver-
13
14
der Viskosität, das heißt der Fähigkeit des Schmier-
mittels, einer Formänderung Widerstand entgegen-
zusetzen. Die einzelnen Flüssigkeitsteilchen reiben
aneinander; an ihren Berührungsflächen entstehen
- schlechtert die Abgasqualität.
Druckumlaufschmierung: Viertaktmotoren und
Zweitaktdieselmotoren werden grundsätzlich so
geschmiert. Eine Pumpe fördert das Öl aus einem
tangentiale Spannungen (Schubspannungen), deren Sammelbehälter durch ein System von Leitungen
15 Größe von dem Geschwindigkeitsgefälle senkrecht zu den Verbrauchern, von wo aus es drucklos

16
zur Strömungsrichtung dv/dz (Schergefälle) und einer
Materialeigenschaft der Flüssigkeit, der kinematischen
Viskosität η (Zähigkeit), abhängt (Newton’sche Schub-
spannungsansatz). Die kinematische Zähigkeit ihrer-
- zurück in den Sammelbehälter fließt.
Trockensumpfschmierung: Aus baulichen Grün-
den (Einbauraum) oder bei besonderen Betriebs-
bedingungen (Geländefahrzeuge, Sportwagen)
seits hängt vom Schmierstoff, dessen Temperatur und wendet man Trockensumpfschmierung an, bei
17 Druck sowie vom Schergefälle ab (. Abb. 9.25). der eine Absaugpumpe das Öl in einen gesonder-
Die Schubspannungen verrichten in Gleitrichtung ten Sammelbehälter pumpt, von wo aus es nach
18 Reibungsarbeit (Dissipationsarbeit); diese in Wärme Kühlung und Filterung durch eine Druckpumpe
umgewandelte Bewegungsenergie ist „verloren“. Im Ma- in des Ölsystem zurückgefördert wird. Oft sind
schinenbetrieb wirkt sich die Flüssigkeitsreibung nach- Saug- und Druckstufe der Pumpe konstruktiv
19 teilig aus: Sie kostet mechanische Energie und heizt das zusammengefasst.
Schmiermittel auf; das mindert die Tragfähigkeit des
20 Schmierfilms. Diese Reibungswärme muss abgeführt
werden, was zusätzlichen konstruktiven und betriebs-
zz Motorschmieröl-Kreislauf
Der Saugkorb der Ölpumpe ist an der tiefsten Stelle
mäßigen Aufwand verlangt. Im ungünstigsten Fall, bei in der Ölwanne angeordnet, um auch bei Schräglagen
9.2 • Schmierung
523 9
..Abb. 9.26 Umge-
hungsventil und Rück-
laufsperre für Ölfilter
(Volkswagen)

..Abb. 9.27 Haupt- Hauptstromschaltung Haupt-Nebenstromschaltung


strom- und Haupt-­ Umgebungsventil Umgehungsventil
Hauptstromfilter Hauptstromfilter
Nebenstromfilterung
[26]
Ölkühler Ölkühler

Drossel
Nebenstrom-
filter
Pumpe Druckregel- Pumpe
ventil
M M
Schmier- Schmier-
stellen stellen

Ölwanne Ölwanne

des Fahrzeugs die Ölversorgung zu gewährleisten. zum Beispiel bei Kaltstart, durch ein Umgehungsventil
Eine Verdrängerpumpe – über Zahnrad, Kette, Zahn- abgesichert; eine Rücklaufsperre verhindert das Leer-
riemen angetrieben oder direkt auf der Kurbelwelle laufen bei Motorstillstand (. Abb. 9.26).
sitzend – drückt das Motoröl durch das Filter und – je Primäre Funktion der Ölfilter ist der Schutz der
nach Ausführung des Schmierölsystems – durch einen Gleitpartner vor Fremdkörper im Öl. Hierzu muss das
Wärmetauscher in die Hauptölleitung. Druckseitig Filter vor den Verbrauchern angeordnet sein, so dass
ist ein Druckbegrenzungsventil angeordnet, das bei der gesamte Ölstrom durch das Filter geht (Haupt-
Überschreiten des eingestellten Drucks Öl absteuert. stromschaltung). Zur Entlastung des Hauptstromfil-
Die Abregelbohrungen sind so ausgeführt, dass Druck- ters und um dessen Schmutzbeladung zu verringern,
spitzen geglättet und Druckschwingungen unterbun- wird ein Teil des Öls vom Hauptstrom abgezweigt und
den werden. Das abgesteuerte Öl läuft entweder frei ab durch ein Nebenstromfilter – eine Ölzentrifuge oder
oder wird auf die Saugseite der Pumpe geführt, damit ein Feinfilter – geschickt (. Abb. 9.27).
es sich nicht mit Luft anreichert. Nebenstromfilter ersparen keine Ölwechsel, denn
Von der Pumpe gelangt das Öl in das Filter. Dieses sie können weder verbrauchte Additive ersetzen noch
ist zum Schutz vor Überlastung durch zu hohe Drücke, Kraftstoff, Wasser und Säuren aus dem Schmiermittel
524 Kapitel 9 • Tribologie

Zylinderabschaltung
1 Schmierung Zyl. 7 bis 9 Zyl. 10 bis 12
der Steuerung

2 3/2-Wegeventil 3/2-Wegeventil

Sekundärkreispumpe
Steigkanal zum

3 Zylinderkopf
Hydrostößel Hydrostößel

Hauptöl- Steuerung Steuerung


4 kanal Nocken- Nocken-
wellen wellen
Kolben- verstellung verstellung
5 kühlung
3/2-Wegeventil 3/2-Wegeventil

6 Schmierung
des Triebwerks Öl-Wasser-
Wärmeaustauscher
Triebwerk Kolben-
7 Ölpumpe Ölfilter Kühlung Filter

Thermostat und
Saugkorb Öl-Luft-
8 Sicherheitsventil
Wärmeaustauscher
..Abb. 9.28 Schmierölkreislauf (Schema) eines Pkw- Registerpumpe
Ottomotors (Volkswagen)
9 Ölwanne
herausfiltern [27]. Bei hoher Wärmebelastung des Mo-
10 toröls muss dieses gesondert gekühlt werden, entweder
mit einem Wasser-Öl- oder Luft-Öl-Wärmetauscher.
..Abb. 9.29  Ölkreislauf eines Zwölfzylinder-V-Otto-
motors mit Zylinderabschaltung (Mercedes-Benz)
Meist ordnet man den Ölwärmetauscher nach dem
11 Filter an, um mit dem noch warmen und deshalb [28]. Die Ölversorgung von Motorteilen wie Spann-
dünnflüssigen Öl den Druckverlust im Filter niedrig zu rollenlager und von Motorzubehör wie Abgasturbo-
halten. In Hinblick auf einen optimalen Schutz des Mo- lader, Einspritzpumpen und so weiter erfolgt direkt
12 tors sollte das Filter jedoch hinter dem Wärmetauscher über Ölkanäle. Nicht an das Ölversorgungssystem an-
– also unmittelbar vor den Ölverbrauchern – sitzen. geschlossene Bauteile wie Kipphebelwälzflächen oder
13 Vom Filter beziehungsweise Wärmetauscher ge- die Flanken von Zahnrädern werden indirekt durch
langt das Öl über den Hauptölkanal zu den Ölverbrau- das Sprühöl im Kurbelraum geschmiert. Bei kritischen
chern. Das Triebwerk wird vom Hauptölkanal durch Bedingungen sorgen gesonderte Sprühdüsen für eine
14 Bohrungen in den Kurbelgehäusezwischenwänden ausreichende Ölversorgung. Auch die Ventilführun-
und in den Grundlagerschalen mit Öl versorgt. Die- gen werden durch Spritzöl geschmiert, wobei die Öl-
15 ses gelangt durch Bohrungen in der Kurbelwelle zu
den Pleuellagern und von dort – je nach Ausführung
zufuhr in die Führungen durch Ventilschaftdichtungen
begrenzt beziehungsweise dosiert wird. Die Tendenz
– durch eine Bohrung in der Pleuelstange zum Kolben- geht heute zu weitgehend integrierten Ölleitungen
16 bolzenlager (. Abb. 9.28). und kurzen Ölwegen mit geringem Druckabfall (Strö-
Um das Öl in die Grundlagerzapfen zu fördern, mungsverlusten) (. Abb. 9.29).
muss die Fliehkraft überwunden werden. Die Förde- Motoren höherer spezifischer Leistung kommen
17 rung von der Bohrung im Grundlagerzapfen in die des ohne Kolbenkühlung nicht mehr aus. Für die Kolben-
Hubzapfens beziehungsweise zum Kolbenbolzenlager kühlung wird Schmieröl aus dem Hauptstrom abge-
18 hingegen wird durch die Fliehkraft beziehungsweise zweigt und durch Spritzdüsen gegen die Kolbenun-
die oszillierende Bewegung des Pleuels unterstützt. terseiten oder in Kolbenkühlkanäle gespritzt. Durch
Grundsätzlich sollte ein Grundlager nur einen Hub- druckgesteuerte Ventile wird verhindert, dass bei noch
19 zapfen mit Öl versorgen. kaltem Motor – und damit kaltem Öl – dem Kolben
Bei leistungsstarken Motoren teilt sich der Ölkreis unnötig Wärme entzogen wird. Das Anspritzen der
20 in zwei Kanäle, der eine versorgt die Nockenwellen-
steuerung mit Öl unter hohem, der andere die Nocken-
Kolbenunterseiten aus Bohrungen im großen Pleuel-
auge ist insofern nachteilig, als dieses Kühlöl zusätzlich
wellenlager und Tassenstößel unter niedrigem Druck durch die Kurbelwelle gefördert werden muss.
9.2 • Schmierung
525 9
..Abb. 9.30 Anord-
nung der Ölgalerie im
Zylinderkopf eines Pkw-
Ottomotors (Ford)

Ölgalerie

Da die Förderung erst mit dem Startvorgang be-


ginnt, besteht die Gefahr, dass die Ölverbraucher
während der ersten Umdrehungen kein oder zu wenig
Öl erhalten. Deshalb werden in Steigleitungen Rück-
schlagventile, in Zylinderköpfen Ölgalerien vorgese-
hen, von denen aus das angesammelte Öl schnell zu
den Verbrauchern gelangen kann (. Abb. 9.30).
Die bei größeren und großen Dieselmotoren üb- Schottwand
lichen elektrisch angetriebenen Schmierölvorpumpen Rotation Schwallblech
verbieten sich bei Kfz-Motoren wegen des konstrukti- Öl Ölrücklaufkanal
ven Aufwandes, des Mehrgewichtes und der Kosten. Luft
Geringe Ölfüllungen und häufiges Umwälzen be-
günstigen das Verschäumen des Öls. Als Obergrenze ..Abb. 9.31  Führung des Rücklauföls aus den Zylin-
für den Gasgehalt werden 8 % angesehen. Um dem derköpfen beim Audi V6 Biturbo
Verschäumen zu begegnen, sieht man Zentrifugalab-
scheider und/oder tiefgezogene Ölrückläufe vor. Da- wegung – die Kurbelwelle nicht in das Öl eintauchen
mit lässt sich der Gasgehalt auf unter 4 % reduzieren kann (. Abb. 9.32).
(. Abb. 9.31).
Mit Ölprallblechen (Ölhobel) wird das Öl in der zz Ölpumpen
Ölwanne vom Triebwerk ferngehalten, so dass beim Für Fahrzeugmotoren werden Umlaufverdrängerpum-
Schwappen des Öls – bedingt durch die Fahrzeugbe- pen – Zahnrad- und Zahnringpumpen – verschiedener

..Abb. 9.32 Ölprall-
blech (Ölhobel) eines
Vierzylinder-Pkw-Motors
(Opel-Ecotec)
526 Kapitel 9 • Tribologie

Füllstück ..Abb. 9.33 Bauarten
1 Exzen- von Motorölpumpen
Exzen- trizität (Schema)
trizität
2
3 Verdrängerzone
Füllzone
Füllzone
Verdrängerzone
4 Zahnradpumpe Innenzahnradpumpe Zahnringpumpe
(Sichelpumpe) (Gerotorpumpe)

5
Bauart verwendet: Außenzahnradpumpen, Innenver- Die Fördercharakteristik von Umlaufverdränger-
zahnte Pumpen (Sichelpumpen) und Zahnringpumpen pumpen ist drehzahlabhängig. Mit steigendem Pum-
6 (Gerotorpumpen). Diese Pumpen bauen kompakt, ha- pendruck nimmt der volumetrische Wirkungsgrad
ben gute Wirkungsgrade, zeigen ein gutes Ansaugver- wegen der Leckverluste ab. Der Ölbedarf des Motors
7 halten und sind für einen weiten Viskositätsbereich der
Förderflüssigkeit geeignet. Die bei Verdrängerpumpen
ist aber weitgehend unabhängig von der Motordreh-
zahl, so dass Fördermenge und -bedarf mit steigender
zur Druckerhöhung nötige Volumenveränderung Drehzahl auseinanderklaffen. Die Anforderungen der
8 wird durch das Kämmen der Zahnräder bewirkt. Die einzelnen Ölverbraucher sind unterschiedlich: Die
Fördermenge ergibt sich aus Zahngeometrie und der Lager brauchen einen bestimmten Ölvolumenstrom,
Pumpendrehzahl (. Abb. 9.33). hydraulische Stellelemente einen bestimmten Druck.
9 Beurteilungskriterien für Ölpumpen sind Förder- So werden für die Nockenwellen-Verstellung höhere
charakteristik, Wirkungsgrad, Kavitationsempfindlich- Fördermengen benötigt; für die Zylinderabschaltung
10 keit, Geräuschentwicklung, Einbauvolumen, Gewicht
und Fertigungskosten. Wichtig sind eine geringe An-
wird eigens eine Sekundärpumpe vorgesehen. Die Aus-
legung der Pumpe auf einen Mindestölvolumenstrom
saughöhe und ein rascher Druckaufbau im Ölkreislauf. im (Heiß-)Leerlauf – das heißt niedrige Drehzahl und
11 Die Transportverluste müssen aufgebracht, die Flieh- niedrige Viskosität des Öls – zwingt dazu, mit steigen-
kraft in den Grundlagerzapfen und die Durchfluss- der Drehzahl von einem bestimmten Gegendruck an
widerstände der Ölverbraucher (Lager) überwunden Öl abzusteuern, so dass etwa 50 % der hydraulischen
12 werden. Die Druckverluste von der Pumpe bis zum Zy- Energie in Wärme umgewandelt werden. Man un-
linderkopf liegen bei etwa 1,5 bis 2 bar. Die Strömungs- terscheidet dabei zwischen direkt vom Systemdruck
13 geschwindigkeit des Schmieröls in den Leitungen soll und indirekt, das heißt vom Systemdruck und einem
3 bis 4 m/s nicht übersteigen. vorgegebenen Steuerdruck gesteuerten Regelventilen
Angeordnet werden Ölpumpen auf der Kurbel- (. Abb. 9.34).
14 welle, am Motorblock oder im Ölsumpf. Konstruktiv Für zusätzliche Verbraucher wie zum Beispiel
einfach und preiswert (etwa 50 % billiger als bei Lage- Abgasturbolader muss mehr Öl gefördert werden.
15 rung im Sumpf) ist die Anordnung auf der Kurbelwelle,
doch zwingt das zu größeren Raddurchmessern und
Außerdem führt ein Absenken der Leerlaufdrehzahl
zur Verringerung der Motorverluste zu erheblicher
einer höheren Pumpendrehzahl als benötigt werden. Mehrförderung bei hohen Drehzahlen. Das Missver-
16 Die Leistungsaufnahme ist daher – unabhängig von der hältnis zwischen bei niedriger Drehzahl zu fördern-
Pumpenbauart – deutlich höher. Außerdem muss die dem und bei hoher Drehzahl tatsächlich benötigtem
Taumelbewegung der Kurbelwelle aufgefangen werden Öl verstärkt sich. Deshalb versucht man, die Pumpen-
17 – bei Zahnringpumpen entweder durch Lagerung des kennlinie durch Regelung der Pumpe besser an den
Innenläufers im Pumpengehäuse oder durch Zentrie- Ölbedarf des Motors anzupassen, durch Registerpum-
18 rung des Innenläufers auf der Kurbelwelle [29]. pen, Veränderung der Exzentrizität bei Pumpen mit
Wenn die Pumpe im Ölsumpf sitzt, ist die Ansaug- Innenverzahnung, Saugregelung bei Zahnringpumpen,
höhe niedriger, und die Pumpe saugt beim Start besser axiales Verschieben des Sekundärrades bei Pumpen
19 an. Zudem kann man niedrigere Pumpendrehzahlen mit Außenverzahnung oder Entkoppelung des Pum-
wählen (zum Beispiel Untersetzung 1:1,5), was die An- penantriebs von der Motordrehzahl durch elektrischen
20 triebsleistung senkt. Von Nachteil ist der konstruktive
Aufwand des Antriebs durch Ketten-, Zahnriemen-
Antrieb der Pumpe. Solche Lösungen verlangen jedoch
ein sorgfältiges Abwägen von konstruktivem Aufwand,
oder Zahnrad- oder Schraubradantrieb.
9.2 • Schmierung
527 9

widerstand ab. Mit steigender Temperatur nimmt die


Zähigkeit (Viskosität) des Schmiermittels ab, so dass
– um den vorgegebenen Kontrolldruck aufrecht zu er-
halten, mehr Öl gefördert werden muss. Wenn sich die
Leitung zusetzt, steigt der Durchflusswiderstand an,
so dass trotz geringeren Ölvolumenstroms der Druck
nicht abnimmt. Wenn andererseits der Widerstands-
beiwert bei Vergrößerung der Lagerspiele kleiner wird,
fließt zwar mehr Öl durch das Lager, aber der Druck
sinkt ab und signalisiert fälschlicherweise „Ölmangel“.
Deshalb sollte die Überwachung des Öldrucks am
Ende des Leistungsstranges, zum Beispiel hinter dem
letzten Kurbelwellenlager oder im Zylinderkopf erfol-
gen. Weil der Motorbetreiber die Öldruckanzeige nicht
ständig im Auge behalten kann, bemerkt er ein Absin-
ken des Öldrucks häufig zu spät, nämlich an den meist
verhängnisvollen Folgen. Daher sollte das Abfallen des
Öldrucks auch akustisch gemeldet werden.
Weitere Kontrollgrößen sind Öltemperatur und
Ölstand. Hierzu dienen Sensoren; der Ölstand muss
auch manuell mittels eines Ölpeilstabs mit Markierun-
gen für minimalen und maximalen Ölstand überprüft
..Abb. 9.34  Direkt gesteuertes Regelventil (Merce- werden können.
des-Benz)
zz Ölbelastung
zusätzlicher Masse und Kosten mit der erzielbaren Die Belastung des Motoröls hat im Laufe der Zeit
Leistungseinsparung. ständig zugenommen: Durch kleinere Ölfüllmengen,
Bei Vier- bis Sechszylindermotoren beträgt der Öl- steigende Leistung infolge höherer Drehzahlen und
bedarf 40 bis 100 l/min, Achtzylindermotoren brau- Aufladung, durch kompaktere Motoren (downsizing),
chen rund 100 bis 120 l/min. Man rechnet für Kurbel- insbesondere durch die V-Bauweise, durch aufwändi-
wellenhauptlager von Pkw-Motoren mit 3 l/min pro gere Konstruktionen, längere Wartungs- und Ölwech-
Lager, für Pleuellager mit 4 bis 5 l/min pro Lager, die selintervalle sowie stark und häufig wechselnde Motor-
Kolbenkühlung verlangt 1,5  bis 3 l/min pro Düse, der last- und Drehzahl. Außerdem lassen aerodynamisch
Zylinderkopf etwa 12 l/min. Allerdings werden von bessere Karosserieformen die Temperatur im Motor-
diesen Ölmengen 50 bis 60 % abgesteuert. Motoren mit raum ansteigen. Zahlenmäßig kann man die Ölbela-
Kurbelgehäusen aus Aluminium benötigen etwas mehr stung mit verschiedenen Kennziffern (. Abb.  9.35)
Öl, weil sich die Spiele wegen der stärkeren Wärme- beschreiben, zum Beispiel Ölfüllmenge/Hubvolumen
dehnung mit der Temperatur vergrößern. Der Förder- oder Ölfüllmenge/Leistung. Genauere Aussagen erhält
druck beträgt etwa 5 bar. Die Antriebsleistungen von man mit der Ölbelastungskennzahl:
Ölpumpen für Vier- bis Sechszylindermotoren liegen
im Bereich von 0,5 bis 2 kW, für größere Motoren bis Ölbelastungskennzahl
zu 5 kW. !
Motorleistung ŒkW
zz Ölkontrolle  Ölwechselintervall Œkm (9.4)
Weil für den Motor lebenswichtig, muss die Ölversor- =
.Ölvolumen + Nachfüllmenge
!
gung kontrolliert werden. In der Regel dient der Pum-
pengegendruck als Kontrollgröße. Das ist insofern pro- pro Ölwechselintervall/ Œ1  1000 
blematisch, als nicht die physikalisch relevante Größe,
der Ölvolumenstrom, sondern eine von ihr abhängige In [30] sind diesbezüglich zwei Kennwerte gegenüber-
Größe, der Pumpengegendruck, als Kontrollgröße
dient. Zum einen nimmt dieser im Quadrat zur Strö-
--
gestellt:
Ölbelastungskennzahl kW · km/l,
mungsgeschwindigkeit (entsprechend dem Volumen-
strom) zu, zum anderen hängt er auch vom Durchfluss-
- Ford Taunus 1949 11,5,
Audi Quattro 1987 277,2.
528 Kapitel 9 • Tribologie

Jahr 1937 1940 1951 1960 1970 1980 1990 2000


1
Typ Super 6 Kapitän Kapitän Kapitän Commodore Commodore Omega Omega

2 Hubvolumen 3
[dm ] 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,6 2,6
Leistung [kW] 40,4 40,4 42,6 66,2 88,2 110 110 110
Drehzahl [min–1] 3.600 3.600 3.700 4.100 5.500 5.800 5.600 5.600
3 Ölfüllung [l] 5 4 4 4 4,5 5,75 5,5 5,5
Ölbean- [kW/l] 8,1 10,1 10,65 16,55 19,6 19,1 20 20
spruchung
4 Ölfüllung/ [l/dm3] 2 1,6 1,6 1,6 1,8 2,3 2,1 2,1
Hubvolumen
5 Ölwechsel-
intervall
[km] 2.000 2.000 3.000 7.500 10.000 15.000

6 ..Abb. 9.35  Kennzahlen von 2,5 l Opel-Motoren

7 zz Ölverbrauch
Der Ölvorrat im Ölsammelbehälter (Ölwanne) verrin-
werden abhängig von Motorart (Otto­motor, Dieselmo-
tor), Motortyp, Laufstrecke in km, Betriebszeit in Mo-
gert sich im Laufe der Betriebszeit durch Ölverlust und naten und den jeweiligen Betriebsbedingungen von den
8 Ölverbrauch. Ölverlust tritt auf, wenn Öl an den star- Motorherstellern vorgeschrieben; sie liegen in einem
ren und beweglichen Trennstellen des Motors austritt. weiten Bereich – bei Pkw-Motoren von (5000 km),
Das können sein: Verbindung von Kurbelgehäuse mit 15.000 bis 20.000 km (30.000 km). Diese Vorschrif-
9 der Ölwanne und dem Zylinderkopf, Zylinderkopf mit ten sind unbedingt einzuhalten! Das Altöl muss vor-
Zylinderkopfhaube, Verbindungsstellen von Ölfilter schriftsmäßig entsorgt werden.
10 und Ölkühler sowie undichte Ölablassschrauben und
Kurbelwellenabdichtungen.
Neuerdings geht die Entwicklung zu flexiblen, be-
lastungsabhängigen Ölwechselzeiten von 20.000 bis
Zum eigentlichen Ölverbrauch kommt es bei in- 40.000 km – entsprechend ein bis zwei Jahren. Ent-
11 neren Undichtigkeiten durch Verbrennen und/oder scheidend für die Ölwechselzeit ist der Zustand des
Verdampfen von Öl. Solche Undichtigkeiten erklären Öls. Dieser verschlechtert sich im Motorbetrieb durch
sich aus abgenutzten Kolbenringen, eingearbeiteten Oxidation, Bildung organischer Nitrate, Abnahme der
12 Kolbenringnuten, Spiegelbildung im oberen Bereich Additivwirksamkeit und bei Dieselmotoren zusätz-
der Zylinderlaufbahnen, zu großem Spiel zwischen lich durch Rußeintrag. Bestimmend hierfür sind die
13 Ventilschaft und Ventilführung oder Undichtigkeiten Motorgröße, das heißt die Auslastung des Motors, die
im Turbolader. Der Ölverbrauch kann nur überschlä- Betriebsbedingungen (Kaltstart, Heißlauf) und die
gig angegeben werden, weil er von vielen, sich im Laufe Ölqualität. Ein Sensor erfasst die Betriebstemperatur
14 der Betriebszeit des Motors ändernden Einflussgrö- des Motors, den Ölfüllstand und die Ölqualität, wobei
ßen abhängt. Als „normal“ gelten für Pkw-Motoren die Dielektrizitätskonstante als ein Kriterium für den
15 0,1 bis 0,25 (0,5) l je 1000 km. Ein gleich bleibender
Ölstand muss nicht immer bedeuten, dass kein Öl ver-
Zustand des Motoröls gewertet wird [31].

braucht wird, denn der Ölverbrauch kann – vor allem


16 bei Dieselmotoren – durch Kraftstoffeintrag „ausge- Literatur
glichen“ werden.

17 zz Ölwechsel
Verwendete Literatur

Das Öl als Medium der Schmierung unterliegt durch [1] Pischinger, S.: Vorlesungsumdruck Verbrennungskraftma-

18 den Motorbetrieb mannigfaltigen Veränderungen, die


schinen, 26. Aufl. Selbstverlag, (2007)
[2] Affenzeller, J., Gläser, H.: Lagerung und Schmierung von
zu periodischem Austausch der Ölfüllung (Ölwechsel)
Verbrennungsmotoren. Die Verbrennungskraftmaschine.
zwingen. Die Ölwechselzeiten sind im letzten Jahrzehnt
19 deutlich verlängert worden. Kriterien für den Ölwechsel
Neue Folge, Bd. 8. Springer, (1996)
[3] Pischinger, R., Kraßnig, G., Taucar, G., Sams, T.: Thermody-
sind der Gehalt an flüssigen und festen Fremdstoffen, namik der Verbrennungskraftmaschine. Die Verbrennungs-
20 die Erschöpfung der Additivwirksamkeit und unzuläs-
sige Veränderungen der Viskosität. Mit dem Öl müssen
kraftmaschine. Neue Folge, Bd. 5. Springer, (1989)
[4] Koch, F.; Hermsen, F.-G.; Marckwardt, H.; Haubner, F.-G.:
auch die Filter gewechselt werden. Die Ölwechselzeiten Friction Losses of Combustion Engines – Measurements,
Literatur
529 9
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Experiments and Modeling. Capri, Italien, 15.–18. 09. 1999 [26] Motorenfilter, Die Bibliothek der Technik 31. Landsberg/
[5] Koch, F.; Geiger, U.; Hermsen, F. G.: PIFFO – Piston Friction Lech: Verlag moderne industrie, 1989
Force Measurement During Engine Operation. SAE-Paper [27] Greuter, E.; Zima, S.: Motorschäden, 2. Aufl. Würzburg: Vo-
960306, 1996 gel Buchverlag
[6] Koch, F.; Haubner, F,; Schwaderlapp, M.: Thermomanage- [28] Porsche 911. In: Sonderausgabe ATZ/MTZ
ment beim DI Ottomotor – Wege zur Verkürzung des [29] Eisemann, S., Härle, C., Schreiber, B.: Vergleich verschiede-
Warmlaufs. 22. Internationales Wiener Motorensympo- ner Schmierölpumpensysteme bei Verbrennungsmotoren.
sium, Wien, 26.–27. Apr. 2000 MTZ 55, 10 (1994)
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fenden Verbrennungsmotor mittels eines neuen Messver- Partner der Motorenentwicklung. In: Schmierung von Ver-
fahrens, RWTH Aachen, Dissertation 1987 brennungskraftmaschinen. Lehrgang TA Eßlingen 13.–15.
[8] Koch, F., Fahl, E., Haas, A.: A New Technique for Measuring Dez. 2000
the Bore Disortion During Engine Operation. 21st Int. CI- [31] Warnecke, W., Müller, D., Kollmann, K., Land, K., Gürtler, T.:
MAC-Congress, Interlaken. (1995) Belastungsgerechte Ölwartung mit ASSYST. MTZ 59(7/8),
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zum reibungsarmen Ventiltrieb. MTZ 59, 3 (1998)
[10] Haas A.; Esch. T.; Fahl, E.; Kreuter, P.; Pischinger, F.: Optimized Weiterführende Literatur
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Engines. SAE Paper 912407, 1991 M.: Leichtbau und Reibungsreduzierung – Konstruktive Po-
[11] Haas, A.; Fahl, E.; Esch, T.: Ölpumpen für eine verlustarme tenziale zur Erfüllung von Verbrauchzielen. 21. Internatio-
Motorschmierung. Tagung „Nebenaggregate im Fahrzeug“. nales Wiener Motorensymposium, Wien, 04.– 5. Mai 2000
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stoffeigenschaften und das Betriebsverhalten von Verbren- hat sie noch Sinn? – Forum der Meinungen. MTZ (6), (2010)
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Meet Them“, London. (1993) sungen am befeuerten Dieselmotor – Einfluss der Schaft-
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[21] Fahl, E., Haas, A., Esch, T.: Tagung „Dynamisch belastete Friction reduction – the contribution of engine mechanics
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13. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik. [43] Schommers, J., Scheib, H., Hartweg, M., Bosler, A.: Rei-
(2004) bungsminderung bei Verbrennungsmotoren. MTZ 74(07-
[23] Norm DIN 50320 Verschleiß (Begriffe) 08), (2013)
[24] Czichos, H., Habig, K.-H.: Tribologie Handbuch, 2.  Aufl. [44] Affenzeller, J., Gläser, H.: Lagerung und Schmierung von
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Mathias Woydt schine – Neue Folge, Bd. 8. Springer, Wien (1996)
530 Kapitel 9 • Tribologie

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[46] Gläser, H.: Schmiersystem. In: Küntscher, V. (Hrsg.) Kraftfahr-
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[48] Treutlein, W.: Schmiersysteme. In: Mollenhauer, K. (Hrsg.)
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[49] Kahlenborn, M., et al.: Die Wälzlagerung im Verbrennungs-
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4 brauchs. 22nd International AVL Conference „Engine &
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5 [50] Schöffmann, W., et al.: Hochleistung und Reibungsreduk-


tion – Herausforderung oder Widerspruch? Zukünftige
Diesel- und Ottomotoren auf Basis einheitlicher Familien-

6 architektur. 22nd International AVL Conference „Engine &


Environment“, September 9th–10th. Graz (2010)

7
8
9
10
11
12
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20
531 10

Ladungswechsel
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher, Dr.-Ing. Uwe Meinig,
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wilhelm Hannibal, Dipl.-Ing. Andreas Knecht,
Dipl.-Ing. Wolfgang Stephan, Prof. Dr.-Ing. Rudolf Flierl

10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor – 532


10.1.1 Bauformen des Ventiltriebs – 533
10.1.2 Bauelemente des Ventiltriebs – 534
10.1.3 Kinematik und Dynamik des Ventiltriebs  –  541
10.1.4 Auslegung der Gaswechseleinrichtungen bei Viertaktmotoren  –  543

10.2 Ladungswechselrechnung – 557
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren  –  560
10.3.1 Spülverfahren – 560
10.3.2 Gaswechselorgane – 562
10.3.3 Spülluftversorgung – 564

10.4 Variable Ventilsteuerungen – 566


10.4.1 Nockenwellenversteller – 568
10.4.2 Systeme mit stufenweiser Ventilhub- oder
-öffnungsdauervariation – 577
10.4.3 Vollvariable Ventilsteuerungen – 581
10.4.4 Perspektiven des variablen Ventiltriebs  –  596

10.5 Impulsaufladung mit steuerbaren


Ansaugluft-Ventilen  – 598
10.5.1 Einleitung – 598
10.5.2 Anforderungen an die Komponenten für den Serieneinsatz  –  600
10.5.3 Elektrische Systemintegration – 602
10.5.4 Mechanische Systemintegration – 602
10.5.5 Integriertes Impulslader-Saugmodul – 603

Literatur – 603

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_10
532 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Unter dem Begriff Ladungswechsel ist hier der Aus- VG beziehungsweise VGZ bezeichnen das zugeführte
1 tausch der Zylinderfüllung zu verstehen. Maßgebli- Gemischvolumen beziehungsweise das nach dem La-
chen Einfluss darauf hat neben den im Zylinderkopf dungswechsel im Zylinder verbleibende Gemischvo-
2 befindlichen Steuerorganen das daran angeschlossene
Ansaug- beziehungsweise Abgassystem. Durch sie
lumen.
Die effektive Leistung und so auch das Drehmo-
wird die Qualität der Frischgaszuführung und der ment eines Motors bei konstanter Drehzahl ist von
3 Abgasentfernung realisiert. dem effektiven Mitteldruck abhängig. Mit folgender
Die Güte dieses Prozesses ist bei Verbrennungs- Formel für den effektiven Mitteldruck:
motoren von entscheidender Bedeutung, da durch ihn
4 vor allem die maximale Leistung und das maximale pme = eZ  l  HGZ (10.4)
Drehmoment, aber auch der Kraftstoffverbrauch, die
5 Abgasqualität und das Laufverhalten wesentlich beein- ergibt sich die effektive Leistung mit der Berücksich-
flusst werden. tigung sowohl des Spülverlusts und der Druckverluste
Auf den Ladungswechsel wirken sich mehrere als auch der Wärmeaufnahme beim Ansaugen wie
6 Faktoren aus, wie die Ventilsteuerzeiten, Ventilerhe- folgt:
bungskurven, Ausgestaltung des Ansaug- und Abgas-
Pe = i  eZ  l  HGZ  VH  n
7 systems, Strömungsverluste, Wandtemperaturen in den
Kanälen und im Brennraum, Umgebungstemperatur
(10.5)

und -druck. Die Güte des Ladungswechsels lässt sich Der effektive Wirkungsgrad ηeZ und der untere Heiz-
8 durch die Kennzahlen Luftaufwand λa und Liefergrad wert HGZ beziehen sich dabei auf die Zusammenset-
λl beschreiben: zung der Zylinderladung nach ES.
Für das Drehmoment gilt:
9 a =
mG
=
mK + mL
mth Vh  th  (10.1) 1
M = i  eZ  l  HGZ  VH (10.6)
10 mGZ mKZ + mLZ
2 
l = = (10.2)
mth Vh  th  Die einzelnen Faktoren beeinflussen sich gegenseitig.
11 Der Liefergrad wird stark von der Drehzahl beein-
Hierbei treten mG als die dem Zylinder zugeführte flusst. Einerseits steigen die Drosselverluste in den
und mGZ als die im Zylinder nach dem Ladungs- Leitungen mit der Drehzahl, andererseits spielen
12 wechsel verbleibende Gemischmasse (Kraftstoff mKZ gasdynamische Vorgänge eine erhebliche Rolle. Der
und Luft mLZ) auf. Sie stehen in Relation zu der den effektive Wirkungsgrad im geschlossenen Brenn-
13 Zylinder theoretisch ausfüllenden Gemischmasse mth. raum ηeZ nimmt mit höherem Liefergrad zu, da Rei-
Somit trifft der Luftaufwand mehr über das Ansaug- bungsverluste bei konstanten Drehzahlen genau wie
system und den Ansaugprozess eine Aussage, während Drosselverluste konstant sind. Aus diesem Grund
14 der Liefergrad die nach dem Abschluss des Ladungs- hängt ηeZ auch von der Drehzahl ab. Generell gilt,
wechsels (das heißt nach ES) im Zylinder tatsächlich dass für maximale Leistung ein Maximum für den
15 verbleibende Frischladungsmenge, also die Effektivi-
tät des Ladungswechsels charakterisiert. Diese zwei
Term ηeZλln und für maximales Drehmoment ein
Maximum für den Term ηeZλl zu erzielen sind. Das
Ladungsmengen unterscheiden sich durch den vom heißt, die zwei Optima liegen entfernt, in zwei ver-
16 Einlass während der Ventilüberschneidungsphase schiedenen, schmalen Drehzahlbereichen, weswegen
in den Auslass strömenden Masse als entgangenen bei einem konventionellen Motor (weder variable
Spülverlust. Bei Ventilsteuerungen mit geringer Ven- Ventilsteuerung noch Schaltsaugrohr) immer ein
17 tilüberschneidung gilt näherungsweise λa ≈ λl, sonst Kompromiss zwischen Drehmoment und Leistung
ist λa > λl. geschlossen werden muss.
18 Beim Ladungswechsel spielen sowohl die Wärme-
aufnahme der Frischladung im Ansaugsystem und im
Zylinder als auch Druckverluste eine wichtige Rolle. 10.1 Gaswechseleinrichtungen
19 Unter der Annahme von idealem Gas gilt für den Lie- beim Viertaktmotor
fergrad λl:
20 VGZ  GZ VGZ  Tth  pZ
Beim Viertaktverfahren sind Ausschieben und Ansau-
gen die Ladungswechseltakte. Sie erfolgen nacheinan-
l = = (10.3)
Vh  th Vh  TZ  pth  der durch die Verdrängerwirkung des Kolbens. Ein-
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
533 10

toren teilweise Tellerhubventile verwendet. Der erfor-


derliche Betätigungsmechanismus einschließlich der
Ventile selbst wird als Ventiltrieb bezeichnet.
Allen Ventiltriebsanordnungen gemeinsam ist der
Antrieb über eine Nockenwelle, die beim Viertaktmo-
tor mit halber Kurbelwellendrehzahl läuft. Die unter-
schiedlichen Ventiltriebe können eingeteilt werden

..Abb. 10.1  Hubventil- und Drehschiebersteuerung --


nach
Anzahl der Ventile pro Zylinder, . Abb. 10.2.
Lage der Nockenwelle.

und Auslass des Zylinders müssen durch Steuerorgane Die Verdopplung der Anzahl der Ein- und Auslassven-
periodisch geöffnet und geschlossen werden. tile auf jeweils zwei ist eine mittlerweile hinreichend
Die Steuerorgane müssen vor allem folgenden An- bewährte Maßnahme zur Verbesserung des volume-

--
forderungen genügen:
große Öffnungsquerschnitte,
kleiner Zeitbedarf für die Öffnungs- und Schließ-
trischen Wirkungsgrads und der Verringerung der
Ladungswechselarbeit durch größere Strömungsquer-
schnitte. Eine Steigerung der spezifischen Leistung

-- vorgänge,
strömungsgünstige Ausführung,
hohe Dichtwirkung während der Kompressions-,
und Senkung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs,
verbunden mit einem günstigen Einfluss auf die Ver-
brennung, sind die erreichten Vorteile, denen ein

- Verbrennungs- und Expansionsphase,


hohe Standfestigkeit.

. Abb. 10.1 zeigt zwei Bauformen von Steuerorganen


aufwändiger Ventiltrieb gegenübersteht. Bei der Ver-
folgung dieses technischen Ansatzes ist die Frage zu
stellen, ob die heute üblichen vier Ventile pro Zylinder
einem absoluten oder relativen Optimum nahekom-
für Viertaktmotoren. Hubventile gewährleisten einfa- men. Aoi [1] untersuchte zu diesem Zweck Vier- bis
che und sichere Dichtung, wobei der Zylinderdruck die Siebenventilanordnungen. Folgende Begriffe sind in
Dichtwirkung verstärkt. Die hohen Beschleunigungen
und Verzögerungen bei der Hubbewegung ergeben
-
diesem Zusammenhang zu definieren:
Ventilfläche: Kreisfläche der Ventilöffnungen pro
erhebliche Beanspruchungen des Ventiltriebes durch
Massenkräfte. Außerdem kann bei hohen Drehzahlen
der Kraftschluss verlorengehen. Drehschieber weisen
kurze Öffnungs- und Schließzeiten und keine Massen-
- Zylinder,
Ventilöffnungsfläche: Mantelfläche bei geöffneten
Ventilen.

kräfte auf. Problematisch sind, wegen hoher Tempera- Gleichen Zylinderdurchmesser vorausgesetzt, weist die
turen und thermischer Dehnung, Dichtung und Be- Fünfventilanordnung die größte Ventilöffnungsfläche
triebssicherheit (Fressen, Klemmen). Die heute übliche auf, wobei sich diese Aussage jetzt auf die hinsichtlich
Bauart ist die Steuerung mit Hubventilen (. Abb. 10.1, des zu erzielenden Effektes dominanten Einlassventile
links) bezieht (. Abb. 10.3). Bei gleichem Druckverhältnis
stellen sich die größte Durchflussrate und der beste vo-
lumetrische Wirkungsgrad ein. Bei gleicher Ventilöff-
10.1.1 Bauformen des Ventiltriebs nungsfläche könnte der Zylinderdurchmesser bei fünf
Ventilen etwas kleiner ausfallen als bei vier Ventilen.
Zur Steuerung des Ladungswechsels werden bei Vier- Der kompaktere Brennraum des Fünfventilers bietet
taktmotoren fast ausschließlich und bei Zweitaktmo- also leistungsmäßig Vorteile.

2-Ventiler 3-Ventiler 4-Ventiler 5-Ventiler 6-Ventiler 7-Ventiler


Anzahl der 1 2 2 3 3 4
Einlassventile
Anzahl der 1 1 2 2 3 3
Auslassventile

..Abb. 10.2 Ventilanordnungen
534 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Hängende Ventile (. Abb. 10.5b und c) benötigen

Einlassventilfläche 2 x 1/100 [mm2]


1
Einlassventil Auslassventil
zur Betätigung Stößel, Stoßstange und Kipphebel. Die
Einlassventilöffnungsfläche 1 x 1/100

14 Ventile können parallel (. Abb. 10.5b) oder V-förmig


(bei max. Ventilhub) [mm2]

2
1 angeordnet sein (. Abb. 10.5c).
10
12
2
9 Obenliegende Nockenwelle
3 8
Nockenwelle oberhalb der Trennlinie Kopf/Block; wird
10 in der Regel bei modernen, schnelllaufenden Otto-
und Dieselmotoren eingesetzt. Die Ventilbetätigung
4 0,32 0,35 0,35 0,37 sve/dve kann über Schwinghebel beziehungsweise Schlepphe-
8
4 V. 5 V. 6 V. 7 V.
bel, Kipphebel oder Stößel (. Abb. 10.6) erfolgen. Vor-
5 Anzahl der Ventile
teilhaft ist, dass durch den Wegfall von Stoßstange und
Stößel beziehungsweise Kipp- oder Schlepphebel sich
..Abb. 10.3  Einfluss der Anzahl der Ventile auf die die ungleichförmig bewegte Masse und die Elastizität
6 Einlassventil- und Einlassventilöffnungsfläche [1] des Ventiltriebes verringert.
Bei den heute gebräuchlichen Ventiltrieben wer-
7 Dennoch hat sich im Bereich der Pkw-Ottomo-
toren der Vierventiler auf breiter Ebene durchgesetzt.
den bei geöffnetem Ventil die Übertragungsglieder
(Kipphebel, Schwinghebel, Stößel etc.) von einer Fe-
Dies liegt vor allem daran, dass die mit fünf an Stelle derkraft (Ventilfeder) aufeinander oder auf den No-
8 von vier Ventilen erreichte Verbesserung bei den cken gepresst. Dieser Kraftschluss kann bei hohen
meisten Anwendungen nicht mehr in vernünftigem Drehzahlen verloren gehen. Dies gilt nicht für die so-
Verhältnis zum Aufwand steht. Dieser beginnt bei genannte Zwangssteuerung der Ventile, bei der über
9 der Ventilführung im Zylinderkopf und setzt sich bei einen zweiten Nocken ein Abheben vom Steuernocken
den mechanischen Ventiltriebskomponenten fort. Die vermieden wird (. Abb. 10.7); Ventilfedern erübrigen
10 räumliche Enge im Zylinderkopf auf Grund neuerer
Entwicklungen wie Doppelzündung oder Benzindi-
sich dabei. Ein Ventilspiel ist auch hier erforderlich.
Wegen des Aufwandes (Fertigung, Wartung) hat sich
rekteinspritzung stellt zusätzlich ein nicht leicht zu diese Lösung nicht durchgesetzt.
11 lösendes Problem dar. . Abb. 10.4 zeigt einen Vier-
ventilmotor mit radialer Anordnung der Ventile und
einen Fünfventilmotor mit einem Dachbrennraum. 10.1.2 Bauelemente des Ventiltriebs
12
zz Lage der Nockenwelle zz Nockenwellenbetrieb
13 Untenliegende Nockenwelle Die Nockenwelle überträgt das vom NW-Antrieb einge-
Die Nockenwelle liegt unterhalb der Trennlinie Kopf/ leitete Drehmoment über die einzelnen Nocken zu den
Block (. Abb. 10.5). Stehende Ventile (. Abb. 10.5a) Abgriffsgliedern. Neben den Ventiltriebsnocken kann
14 können direkt über Stößel betätigt werden, ergeben die Nockenwelle zusätzliche Nocken für die Betätigung
aber einen ungünstigen Brennraum (Klopfen, Koh- von Einspritzpumpen (Einzelpumpen, Pumpe-Düse-
15 lenwasserstoffemission); veraltete Ausführung. Elemente, Common-Rail-Pumpen) oder Motor-Brems-

..Abb. 10.4  Vier- und Fünfventilmotor


16
17
18
19
20
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
535 10
..Abb. 10.5 Ventiltrie- a b c
be mit unten liegender Kipphebel
Nockenwelle, a ste-
hende Ventile, b und
c hängende Ventile [2]
Stoßstange

Stößel

Nockenwelle

..Abb. 10.6 Ventiltrie-
be mit oben liegender
Nockenwelle [3]

Schwinghebel/ Kipphebel Stößel


Schlepphebel

systemen tragen. Auf Grund ihrer fertigungstechni-

--
schen Merkmale kann man NW einteilen in:
gegossen,

- geschmiedet,
gebaut.

Gegossene NW müssen nach der Formgebung einer


Wärmebehandlung unterzogen werden, um die er-
forderliche Festigkeit und tribologische Eignung zu
erreichen. Beim Schalenhartguss erfolgt die Härtung
der NW in einem Arbeitsgang durch schnelles Abküh-
len (abschrecken) der Gießform. Beim Schleuderguss
fließt das Metall in eine rotierende Kokille und erstarrt
unter Fliehkrafteinwirkung. Zur Gewichtseinsparung
werden die NW meistens hohl gegossen.
Bei gebauten NW werden die Nocken getrennt
vom Wellenkörper gefertigt und durch späteres Fü- ..Abb. 10.7  Ventil-Zwangssteuerung [2]
gen dauerfest miteinander verbunden. Die Trennung
ermöglicht eine auf Funktion, Herstellung und Bean-
spruchung angepasste Wahl der Werkstoffe. Als Trä- Stähle (zum Beispiel 16MnCr5) verwendet. Als Füge-
gerwelle kommen kaltgezogene Baustähle (zum Bei- verfahren haben sich kraftschlüssige Verbindungen
spiel St52K) oder legierter Stahl (zum Beispiel 100Cr6) durch Aufschrumpfen oder hydraulisches Aufweiten
zum Einsatz. Für die Nocken werden einsatzgehärtete des Rohres durch Innendruck und ein formschlüssi-
536 Kapitel 10 • Ladungswechsel

ges Verfahren in der Serienfertigung durchgesetzt. Bei


1 der formschlüssigen Verbindung werden am Rohr im
Nockenwellen
Gleitschiene
Bereich der Befestigungsstellen Aufwerfungen durch
Kettenspanner
2 Rollieren erzeugt. Der Nocken ist mit einem Innen-
Vielkeilprofil versehen und wird kraftgesteuert aufge-
Hilfsantriebe

presst (KRUPP-PRESTA-Verfahren). Weiterer Vorteil Kurbelwelle


3 der gebauten NW ist der mögliche geringe Nockenab-
stand (Mehrventiltechnik) und eine Gewichtsreduzie- Kettentrieb
rung von bis zu 40 %. Auf Grund der Verbindungstech-
4 nik sind die übertragbaren Momente jedoch begrenzt.
Mehrteilige NW finden häufig bei Großmotoren
5 Verwendung. Dort werden einzelne NW-Segmente Nockenwelle
Zahnriemenspanner
miteinander verschraubt, um NW für Motoren unter-
Hilfsantriebe
schiedlicher Zylinderzahlen zu realisieren. Die Lager-
6 stellen für die bei NW ausnahmslos eingesetzten Gleit- Kurbelwelle
lager werden bei gebauten NW direkt auf das Rohr
Zahnriementrieb
7 geschliffen. Die Bearbeitung der Nockenprofile erfolgt
ebenfalls durch Schleifen. Bei Rollenabgriff ist für die ..Abb. 10.8 Nockenwellenantriebe
gewünschte Ventiltriebskinematik im Allgemeinen ein
8 negativer Krümmungsradius (Nockenkonkavität) der welle erfordern Zahnräder einen großen Bauauf-
Nockenprofile notwendig. Bei festgelegtem minima- wand.
lem Schleifscheibendurchmesser kann der negative Kette und Zahnrad sowie Zahnriemen werden
9 Krümmungsradius begrenzend für die Ventiltriebski- heute bei obenliegenden Nockenwellen ausschließ-
nematik sein. Durch Bandschleifen der Nockenprofile lich eingesetzt (. Abb.  10.8). Bei beiden Antrieben
10 sind kleinste negative Krümmungsradien herstellbar.
Die wechselnden Belastungen durch Einspritzpumpen
ist eine Spannvorrichtung erforderlich. Zahnriemen
aus Kunststoff mit Längsfasern sind leiser und billi-
und Ventiltrieb bewirken Biege- und Torsionsschwin- ger als Kettentriebe. Während die Kette geschmiert
11 gungen der elastischen NW. Insbesondere die Torsi- werden muss, erfordert der Zahnriemen in einem öl-
onsschwingungen verursachen Winkelabweichungen freien Raum. Beide Antriebe müssen zum Schutz be-
und damit Abweichungen der Steuer- und Einspritz- ziehungsweise zur Vermeidung von Schmierverlusten
12 zeiten zwischen erstem und letztem Nocken. Zur Mi- gekapselt werden.
nimierung der Schwingungen sollte die NW eine hohe
13 Steifigkeit bei vergleichsweise geringer Trägheit (hohle zz Ventil
Welle) aufweisen. Mit der Torsionseigenfrequenz der In . Abb. 10.9 ist ein Ventil mit seinen Einbauelemen-
NW sind die innerhalb ihres Drehzahlbandes auftre- ten dargestellt. Die aus warm- und verschleißfesten
14 tenden Drehschwingungs-Resonanzen bestimmbar. Legierungen (zum Beispiel Cr-Si- oder Cr-Mn-Stahl)
Besonders bei langen NW muss auf die mit niedriger hergestellten Ventile werden an den Sitzflächen und am
15 Motorordnung angeregten Resonanzen geachtet wer-
den. In ungünstigen Fällen (lange Zylinderbänke) müs-
Schaftende entweder nur gehärtet oder mit Hartmetal-
len gepanzert. Am Schaft sind die Ventile verchromt.
sen Drehschwingungstilger am freien Ende der NW Die mit federbelasteten Elastomer-Manschetten
16 angebracht werden. ausgerüsteten Ventilschaftabdichtungen müssen einer-
seits eine ausreichende Schaftschmierung sicherstel-
zz Nockenwellenantrieb len, andererseits aber auch einen erhöhten Schmier-
17 Zum Antrieb der Nockenwellen gibt es neben seltenen öldurchtritt verhindern. Leichtmetallzylinderköpfe
Sonderausführungen (Königswelle, Schubstangenan- werden mit eingepressten Ventilführungen und Ven-
18 trieb) drei gebräuchliche Möglichkeiten, die Nocken- tilsitzringen (aus Sonderbronzen oder aus legiertem

--
welle von der Kurbelwelle her anzutreiben:
Zahnräder,
Gusseisen) versehen, die aber häufig auch in Grauguss-
zylinderköpfen verwendet werden.

-
19 Kette mit Zahnrad, Ventile sind thermisch und mechanisch hoch be-
Zahnriemen. anspruchte Bauteile, die zusätzlich noch korrosiven
20 Zahnräder werden hauptsächlich bei unten liegender
Einflüssen ausgesetzt sind. Die mechanischen Bean-
spruchungen entstehen infolge Durchbiegung des Ven-
Nockenwelle eingesetzt; bei oben liegender Nocken- tiltellers unter Zünddruck und durch hartes Aufsetzen
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
537 10

Ventilfederteller
Ventilkegelstücke

Ventilschaftabdichtung
565
Ventilfeder 590
620
Ventilschaftführung 650 660
675
700
685 620
Ventil

Ventilsitzring

6 50

6 75
700

690
6 85
660

635
..Abb. 10.9  Ventil und Ventilbauteile [4]
..Abb. 10.10  Temperaturverteilung im Auslassventil
[2]
beim Schließen (Stoß). Durch entsprechende Stärke
und Formgebung des Tellers sind diese Spannungen
beeinflussbar. Die Ventile nehmen vom Verbrennungs-
raum her mit großer Oberfläche Wärme auf. Das Aus-
lassventil wird während des Öffnens auch durch die
ausströmenden heißen Abgase auf der Oberseite be-
heizt. Im Ventil fließt die Wärme vor allem zum Ven-
tilsitz, ein kleinerer Teil über den Schaft zur Ventilfüh- mit Natrium
gefüllt
rung. Einlassventile erreichen Temperaturen von 300
bis 500 °C, Auslassventile 600 bis 800 °C. Eine typische
Sitzpanzerung
Temperaturverteilung zeigt . Abb. 10.10. Wenn die
Dichtung am Ventilsitz während der Verbrennungs-
phase nicht einwandfrei ist, entstehen örtliche Über-
hitzungen und Anschmelzungen, die zum Versagen
des Ventils führen. ..Abb. 10.11  Natrium gekühltes Auslassventil [2]
Zur Verbesserung der Wärmeleitung durch
den Schaft wird dieser für besonders hohe Anfor- Auslassventile Sitzringe aus legiertem Schleuderguss
derungen hohl ausgeführt und mit Natrium gefüllt auch bei GG-Zylinderköpfen verwendet.
(. Abb. 10.11, links). Die Bewegung des bei Tempe- Die Ventilsitzringe werden eingepresst oder ein-
raturen über 97,5 °C flüssigen Natriums verstärkt den geschrumpft.
Wärmetransport. So können die Ventiltemperaturen Um örtliche Temperaturunterschiede am Ventil-
um bis zu 100 °C abgesenkt werden. Zur Verminde- teller und ungleichen Verschleiß zu vermeiden, soll
rung des Verschleißes kann der Sitz durch Aufschwei- sich das Ventil im Betrieb langsam drehen. Diese Be-
ßen von Stellit gepanzert sein (. Abb. 10.11, rechts). wegung kann durch Ventildrehvorrichtungen zwischen
Der Werkstoff des Ventils muss hohe Warmfestig- Ventilfeder und Zylinderkopf (Rotovalve, Rotocap und
keit und Zunderbeständigkeit haben. Dafür kommen Rotocoil) unterstützt werden, die die pulsierende Fe-
besondere Stähle, aber auch Titan in Frage. derkraft in kleine Drehbewegungen umsetzen. Die
Aus Verschleißgründen werden in die Zylinder- Drehbewegungen werden über die Ventilfeder und
köpfe Ventilsitzringe eingebaut. Bei Leichtmetallzylin- den Federteller auf das Ventil übertragen. Der Feder-
derköpfen muss in jedem Fall ein Sitzring vorgesehen teller wird am Ventilschaft mit Klemmkegeln befestigt
werden (legierter Schleuderguss, in Sonderfällen aus- (. Abb.  10.12). Der Schaft wird dabei relativ wenig
tenitisches Gusseisen mit Wärmeausdehnungskoeffi- geschwächt, da die runde Eindrehung geringe Kerb-
zienten etwa in der Höhe von Leichtmetall). Bei hoch wirkung hat.
beanspruchten Motoren werden insbesondere für die
538 Kapitel 10 • Ladungswechsel

gressive und die Luftfeder sogar eine stark progressive


1 Kennlinie (. Abb. 10.15). Durch die progressive Kenn-
linie kann ein günstiges Verhalten bei hohen Drehzah-
2 len erreicht werden. Auf Grund des hohen Aufwands
und der notwendigen Druckluftversorgung bei Luftfe-
dern kommen sie bisher lediglich im Motorsport zum
3 Einsatz.

zz Kipp- und Schwinghebel


4 Kipphebel
..Abb. 10.12  Fixierung des Federtellers durch
Klemmkegel [2] Kipphebel werden bei unten liegender Nockenwelle
5 mit Stoßstangen und bei oben liegender Nockenwelle
mit V-förmig angeordneten Ventilen verwendet.
Wegen der hohen Auflagekraft am Drehpunkt
6 muss die Lagerung besonders steif ausgeführt werden.
Für das Kipphebelverhältnis i = l2/l1 (. Abb.  10.25)
7 werden Werte von 1 bis 1,3 empfohlen als Kompro-
miss zwischen niedriger Flächenpressung am Stößel,
geringer bewegter Masse und hoher Steifigkeit. Die
8 Kraft des Kipphebels soll möglichst axial auf das Ven-
til übertragen werden, damit keine Seitenkraft auf den
Ventilschaft wirkt und erhöhter Verschleiß der Ventil-
9 führung vermieden wird. Bei halbem Ventilhub soll
der Drehpunkt des Kipphebels senkrecht zur Ventil­
10 zylindrische Feder konische Feder achse in Höhe des Schaftendes liegen, um die kleinst-
mögliche Verschiebung von Kipphebel und Ventil ge-
..Abb. 10.13  Zylindrische und konische Stahlfedern
geneinander zu erreichen (günstige Gleitbedingung).
11 Die übertragende Kugel- oder Walzenfläche soll am
zz Ventilfeder Kipphebel und nicht am Ventil angebracht sein. Aus
Als Ventilfedern kommen zylindrische oder konische Verschleißgründen ist das Kipphebelende gehärtet.
12 Stahlfedern und Luftfedern zum Einsatz (. Abb. 10.13 Ausführungen von Kipphebeln zeigt . Abb. 10.16.
und 10.14). Sie unterscheiden sich hauptsächlich in ih- Kipphebel werden meist gegossen oder geschmiedet.
13 rem Kraftverhalten über dem Federweg. Während die Kostengünstig und leicht, jedoch weniger steif, sind aus
zylindrische Stahlfeder meistens eine lineare Kennli- Blech gepresste Kipphebel. Vorteilhaft ist die Ventil-
nie aufweist, besitzt die konische Stahlfeder eine pro- spieleinstellung an der ruhenden Hebellagerung. Bei
14
..Abb. 10.14 Luftfeder
15 Ventil Ventil
geschlossen offen

16
17
18 Druck ca. 95 bar
Temp. ca. 300 °C
Abblasen

19
20 Luftzufuhr ca. 15 bar
mit Rückschlagventil
Überdruckventil
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
539 10
lineare Federkennlinie (zylindrische Feder)
progressive Federkennlinie (konische Feder)
stark progressive Federkennlinie (Luftfeder)
Kraft

Federweg

..Abb. 10.15 Federkennlinien

Ventilspieleinstellung
..Abb. 10.17  Ventiltrieb mit Kipphebeln und hydrau-
lischem Ventilspielausgleich [5]

Hydraulischer
Ventilspielausgleich
(nicht bewegt)

geschmiedet / gegossen aus Blech gepresst Rollenabgriff


mit Nadellager
..Abb. 10.16  Kipphebel [2]

geschmiedeten Kipphebeln sitzt die Einstellschraube


normalerweise am Hebelende, wodurch die bewegte
Masse des Ventiltriebs zunimmt. . Abb. 10.17 zeigt
einen Ventiltrieb mit einem im Kipphebel integrierten
hydraulischen Ventilspielausgleich. Das Ausgleichs­
element wird über die Kipphebelachse und Bohrungen Rollenabgriff
im Kipphebel mit Schmieröl versorgt.

Schwinghebel (Schlepphebel)
Der Schwinghebel ist wesentlich kleineren Kräften
als der Kipphebel ausgesetzt. Der Einfluss von Verän-
derungen im Auflagerpunkt ist geringer; es ist beim
Schwinghebel möglich, eine automatische Ventilspiel-
nachstellung in die Hebellagerung einzubauen, ohne
dass die Gesamtelastizität des Ventiltriebes sich we-
sentlich ändert. Die Ausführung zweier Schwinghebel
zeigt . Abb. 10.18. Gleitabgriff
Eine Möglichkeit zur Verringerung der Reibungs-
verluste insbesondere bei niedrigen Drehzahlen be- ..Abb. 10.18  Ventiltrieb mit Schwinghebel (Schlepp-
steht in der Verwendung von sogenannten Rollen- hebel)
schlepphebeln. Hierbei wird im Berührungspunkt
zwischen Schlepphebel und Nockenwelle ein nadelge- . Abb.  9.15 zeigt einen Streubereich, aus dem
lagerter Rollenabnehmer verwendet. Hierdurch ist eine die Vorteile der Rollenschlepphebel bezüglich der
Absenkung des Reibmomentes des Ventiltriebs auf bis Reibungsverluste hervorgehen. Die Reduzierung der
zu circa 30 % gegenüber einer Gleitschlepphebelanord- Ventiltriebsreibung führt jedoch andererseits dazu,
nung möglich (. Abb. 10.18). dass die von den Nockenkräften eingeleiteten Wech-
540 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Der Stößeldurchmesser ist durch die maximale


1 Stößelgeschwindigkeit festgelegt. Die Nockenbreite
wird durch die Flächenpressung zwischen Nocken-
2 welle und Stößel bestimmt. Da Nocken und Stößel
unter großer Flächenpressung aufeinander gleiten
müssen, ist die Werkstoffpaarung wichtig. Die Paa-
3 rung gehärteter Stahl/weiß erstarrter Grauguss ist gut
geeignet. Oft lässt man zur Vermeidung ungleichmä-
ßigen Verschleißes den Stößel um seine Achse dre-
4 Topfstößel Flachstößel Pilzstößel Rollenstößel
hen. Dazu wird er seitlich gegen die Nockenmitte
..Abb. 10.19  Stößel für Ventiltrieb [2] um 1 bis 3 mm versetzt. Neben den starren Stößeln
5 gibt es Stößel mit automatischer Spielnachstellung
selmomente weniger gedämpft werden und somit den (siehe . Abb. 10.21). Hierbei wird das Spiel über die
Antrieb der Nockenwellen stärker belasten. Unter Um- im Hochdruckraum befindliche Ölmenge konstant
6 ständen können die dann erforderlichen stärkeren Ket- gehalten. Ist das Ventilspiel zu groß, fließt über das
ten- oder Riemenspanneinrichtungen (Spannrollen, Kugelventil (1) bis (3) Öl aus dem Vorratsraum (4)
7 Gleitschienen, Dämpfungselemente) die im Bereich
des Ventiltriebs gewonnenen Reibungsvorteile wieder
nach, ist es zu klein, tritt das überschüssige Öl über
den Leckspalt (5) wieder aus. Neben der einfacheren
kompensieren. Wartung durch Wegfall der Spieleinstellung vermin-
8 dert dieses System das Geräusch. Dem stehen die
zz Stößel große Masse, die geringe Steifigkeit und Probleme
Der Stößel beim Stoßstangenmotor (. Abb.  10.5b) beim Motorstart nach längerer Standzeit durch un-
9 muss die Stoßstange führen und die Querkräfte auf- genügende Ölversorgung als Nachteile gegenüber.
nehmen, die durch das Gleiten des Nockens entstehen. Heute werden, abgesehen von Rennmotoren, Mo-
10 Bei oben liegender Nockenwelle mit Stößelantrieb
(. Abb. 10.6) muss der Stößel die Querkräfte von der
torradmotoren und Hochleistungsdiesel, bei Stößel-
motoren fast ausschließlich Stößel mit automatischer
Ventilführung fernhalten. Übliche Stößelausführungen Spielnachstellung eingesetzt und auch bei Motoren
11 für Stoßstangenmotoren zeigt . Abb. 10.19. Flach- und mit Kipp-, Schwing- oder Schlepphebeln wird der
Topfstößel sind nach oben und unten demontierbar. hydraulische Ventilspielausgleich mit Hilfe von zu-
Rollenstößel werden für höchste Belastungen verwen- sätzlichen Einsteckelementen realisiert.
12 det (höherbelastete Dieselmotoren).
. Abb.  10.20 zeigt einen Tassenstößel, der bei
13 obenliegender Nockenwelle mit Stößelantrieb fast
ausschließlich zum Einsatz kommt.

14 ..Abb. 10.20 Tassenstö-
ßel ohne hydraulischen
15 Ausgleich

16 Einstellscheibe
(Ventilspieleinstellung
17 über Scheibendicken-
auswahl)

18 Aushebenut

Tassenkörper
19
20
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
541 10
..Abb. 10.21 Tassen­
stößel mit hydraulischem
Ventilspielausgleich

Ölvorratsraum (4)
Ölübertritt
Außengehäuse
Kolben
Leckspalt (5) Ventilkugel (1)
Innengehäuse Ventilfeder (2)
Ventilkape (3) Ölzufuhrnut
Rückstellfeder
Öleintrittsbohrung

10.1.3 Kinematik und Dynamik


des Ventiltriebs

Ein guter Ladungswechsel erfordert ein schnelles Öff-


nen und Schließen der Ventile. Dabei sind jedoch die
Massenkräfte des Ventiltriebs bei der Auslegung zu
beachten. . Abb.  10.22 zeigt den typischen Verlauf
des Nockenhubes, der Nockengeschwindigkeit xP und
der Nockenbeschleunigung xR über dem Nockenwinkel.
Diese Größen entsprechen den jeweiligen Größen bei
der Ventilbewegung.
Der Nockenhub oder auch die Nockenkontur setzt
sich aus dem Vornocken und dem Hauptnocken zu-
sammen. Im Bereich des Vornockens ist die Hubge-
schwindigkeit xP klein, so dass übliche Ventilspielände-
rungen keine starken Stoßimpulse bewirken können.
Der Hauptnocken bestimmt den Öffnungsquerschnitt
für den Ladungswechsel. Den Abschluss bildet ein dem
Vornocken entsprechender Auslauf.
Der Hubverlauf ist eine Funktion des Nockenwel-
lenwinkels αNW. Somit gilt für die Hubgeschwindigkeit
xP:

dx dx d˛NW ..Abb. 10.22  Kinematik des Nockens [2]


xP = =  = x 0  !NW (10.7)
dt d˛NW dt 
d2 x d2 x d˛NW
2
mit xR = =  2
= x 00  !NW (10.8)
ωNW = Winkelgeschwindigkeit der Nockenwelle. dt 2 2
d˛NW dt 2 

Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit der Nocken- In diesen Beziehungen sind x′ und x″ drehzahlunab-
welle ergibt sich für die Hubbeschleunigung xR: hängige Funktionen, die nur von der Geometrie des
542 Kapitel 10 • Ladungswechsel

l1 l2
1 JK
mF
2
mV Fred

3 mred
FN
mSt
4 x
mred x

5 mStö
FN

6 A - Ventiltrieb B - Ersatzsystem

7 ..Abb. 10.24  Starrer Ventiltrieb [2]

..Abb. 10.23  Kinematik des Stößelhubes


8

l2 JK
FN = FF  + mStö + mSt + 2 + mV
Nockens bestimmt werden. Die Nockenform ist also l1 l 1
maßgebend für den Verlauf der Ventilbewegung. (10.9)
9
 2  2 #
l2 mF l2
. Abb.  10.23 zeigt den Zusammenhang zwischen  +   xR
l1 2 l1
Hubverlauf und Nockenform in Verbindung mit ei- 
10 nem Flachstößel. Zur Darstellung ist die Drehung des
Nockens durch eine Schwenkung des Stößels im Ge- mit:
gensinn bei stehendem Nocken ersetzt worden. Die FF Ventilfederkraft,
11 Nockenform ist die Einhüllende der Stößelgleitfläche. mF  Masse der Ventilfeder (geht nur zur Hälfte ein, da
Man kann für kinematische Untersuchungen den No- sie sich einseitig am Zylinderkopf abstützt),
ckentrieb durch Schubkurbeln ersetzen, deren Gelenk JK Trägheitsmoment Kipphebel,
12 mit dem jeweils zum Berührungspunkt B gehörigen mStö Stößelmasse,
Krümmungsmittelpunkt M der Nockenkontur zusam- mSt Stoßstangenmasse,
13 menfällt. x′ (gedrehter Vektor) und x″ hängen von Kur- mred reduzierte Masse,
bellänge (rM) und Stellung der gerade gültigen Schub- mV Masse des Ventils,
kurbel ab. Es ist ersichtlich, dass die Entfernung des Fred reduzierte Federkraft.
14 Nockenberührungspunktes B von der Stößelmitte der „Reduziert“ man alle Größen auf der Nockenseite,
Geschwindigkeit proportional ist. Der Stößeldurch- dann lautet die Gleichung für die Nockenkraft:
15 messer muss also der größten Hubgeschwindigkeit
angepasst sein. FN = Fred + mred  xR (10.10)
Wichtig ist es, dass immer ein Kraftschluss zwi-
16 schen Nocken und Stößel beziehungsweise Kipp- Dieser Gleichung entspricht das Ersatzsystem in
oder Schlepphebel vorliegt. Darüber hinaus muss . Abb. 10.25. Für Kraftschluss muss die Bedingung
auch Kraftschluss zwischen Ventil und Stößel be- erfüllt sein:
17 ziehungsweise Kipp- oder Schlepphebel bestehen,
damit das Ventil dem Nockenhub folgt. Der Ven- Fred + mred  xR > 0 (10.11)
18 tilhub ist gegebenenfalls entsprechend dem Kipp-
hebel- oder dem Schwinghebelverhältnis i = l2/l1 oder anders geschrieben:
umzurechnen. Zur Überprüfung des Kraftschlusses
19 muss die Kraft zwischen Nocken und Stößel ermittelt xR <
Fred
(10.12)
werden. Dazu sind die Massen- und Federkräfte zu mred 

20 berücksichtigen.
Für einen Ventiltrieb entsprechend . Abb. 10.24 Vom Verlauf der Stößelbeschleunigung hängt es ab, ob
ergibt sich für die Kraft auf den Nocken FN: Abheben auftritt oder nicht. . Abb. 10.25 zeigt die Be-
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
543 10
Vornocken Hauptnocken abfall in den Leitungen auf Grund von Krümmungen
und rauen Oberflächen, Druckverlust im Luftfilter, am
nNW2 > nNW1
Luftstrom-Sensor, an der Drosselklappe, Verluste an
den Ventilen. Der gesamte Druckverlust gegen den at-
mosphärischen Druck kann unter der Annahme von
x quasistationärer Strömung im Ansaugsystem durch die
Beschleunigung
Summe der einzelnen Verlustanteile der Komponenten
nNW1 beschrieben werden [Heywood]:
X
a NW p = pi
i
2 (10.13)
Fred Abheben


X X AK
mred = i    vi2 =   vK
2
 i 
Ai
i i 
..Abb. 10.25  Abhebebedingung beim Ventiltrieb [2]
wobei ξi den Verlustkoeffizienten, vi die lokale Strö-
schleunigung des Nockenhubes xR über dem Nocken- mungsgeschwindigkeit und Ai den kleinsten Strö-
winkel für zwei Nockenwellendrehzahlen nNW1 und mungsquerschnitt des jeweiligen Bauteils darstellt.
nNW2. Schneidet der Verlauf von xR die Kurve −Fred/ Somit ist klar, dass für geringe Pumpenarbeit beim
mred, dann ist der Kraftschluss unterbrochen. Dies Ladungswechsel größere Strömungsquerschnitte ge-
kann nur in der Verzögerungsperiode des Hauptno- wünscht sind, und dass Druckverluste von der mitt-
ckens auftreten. Es gibt immer eine Drehzahl, oberhalb leren Kolbengeschwindigkeit vK beziehungsweise
der ein Abheben auftritt. der Drehzahl abhängen, das heißt sie nehmen mit
Die Auslegung des Ventiltriebs hat so zu erfolgen, steigender Motordrehzahl zu. Eine Vergrößerung des
dass bei maximaler Nockenwellendrehzahl (=½ Kur- Strömungsquerschnittes ist durch die Vergrößerung
belwellendrehzahl) noch kein Abheben einsetzt. Dies des geometrischen Öffnungsquerschnittes (Ventilhub,
wird durch kleine bewegte Massen (mred) und hoher Ventilsitzringdurchmesser, Anzahl der Ventile) zu re-
Federkraft erreicht. alisieren.
Erhöhte Ansaugarbeit entsteht vor allem durch
die Drosselregelung bei Teillastbetrieb. In Otto-Mo-
10.1.4 Auslegung toren wird die im Teillastgebiet für die gewünschte
der Gaswechseleinrichtungen Last erforderliche Ladungsmenge durch die Verstel-
bei Viertaktmotoren lung der Drosselklappe erreicht, das heißt durch Strö-
mungsquerschnittsveränderung. Der Kolben muss
zz Ladungswechselarbeitsverluste entsprechend dem Druckverlust an dieser Stelle gegen
Ladungswechselarbeitsverluste verursachen eine Ver- einen niedrigeren Druck als dem atmosphärischen
minderung der indizierten Arbeit und somit der indi- ansaugen (Saugrohr-Absolutdruck wird geringer). Im
zierten Leistung; so steigt der spezifische Verbrauch. Sie Leerlaufbereich kann die erhöhte Ansaugarbeit bis zu
treten entweder als Expansionsarbeitsverlust beim An- 30 % der vom Motor verrichteten Arbeit ausmachen
fang des Ladungswechsels (zwischen AÖ und UT) oder (. Abb. 10.26 und 10.27).
als erhöhte Pumpenarbeit während des Ladungswech- Die Ladungswechselarbeitsverluste sind jeweils
sels auf. Pumpenarbeit repräsentiert die durch den Kol- durch die schraffierte Fläche (ohne Drosselung) bezie-
ben geleistete erforderliche Arbeit, Frischladung wäh- hungsweise die schraffierten und gepunkteten Flächen
rend des Ansaugtaktes in den Brennraum und während (mit Drosselung) dargestellt. Vom Zeitpunkt AÖ bis
des Auspufftaktes die Abgase aus dem Brennraum zu UT ergibt sich ein Verlust von Expansionsarbeit. Das
schaffen. Dementsprechend kann die Pumpenarbeit in Ausschieben des Abgases ergibt Verluste durch Aus-
Ansaugarbeit und Ausschiebearbeit unterteilt werden. schiebearbeit. Beim Ansaugen der Frischladung bei
In Berechnungen wird die Pumpenarbeit mit Hilfe des Unterdruck ist Ansaugarbeit aufzubringen. Bei Drosse-
mittleren effektiven Pumpendrucks dargestellt. lung ist zusätzlich zu den Expansions- und Strömungs-
Während des Ansaugens treten Druckverluste an verlusten an den Steuerorganen der Verlust durch die
mehreren Stellen auf, die zu einer erhöhten Ansaugar- Drosselung aufzubringen. Bestenfalls sind dabei die
beit führen: Strömungsverluste beim Ein- und Austre- im . Abb. 10.27 links der Kompressionslinie abgebil-
ten des Mediums in/aus dem Ansaugsystem, Druck- deten Verluste (schraffierte Fläche) durch gesteuertes
544 Kapitel 10 • Ladungswechsel

3 6
1 p
5
2
Aö 4
2

p [bar]
4
3

3 Es
2
1´ Eö
pu 1 1

4 As
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
OT UT v
V/Vc
5 ..Abb. 10.26  Ansaugarbeitsverluste ohne Drosse- 6000 min–1, 9,4 bar, Vollast, AÖ 54 v. UT, AS 6 n. OT
lung bei Volllast [2]
..Abb. 10.28 Ausschiebearbeit
6 Aö
6
p Teillast
7 n = 2000 1/min
pme = 1 bar
5
bar
4
8
p [bar]

Eö 3
1
2
9 Es
1
0,45
10 As 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
0 V/Vc
OT UT
11 6000 min–1, 9,4 bar, Vollast, AÖ 54 v. UT, AS 6 n. OT

..Abb. 10.27  Ansaugarbeitsverluste mit Drosselung ..Abb. 10.29 Expansionsarbeitsverlust


bei Teillast [2]
12
Ansaugen ohne Drosselung vermeidbar, zum Beispiel lässt. Das führt zur Verbrauchssteigerung. Durch frü-
13 durch voll variablen Ventiltrieb – VVS. Hier wird die hes AÖ ist weniger Ausschiebearbeit erforderlich, weil
zugeführte Ladungsmenge durch die Verstellung der der Zylinder leichter und schneller ausgespült werden
Ventilsteuerzeiten (hier ist ES von größter Bedeutung) kann. Es geht aber Expansionsarbeit verloren, und die
14 oder – abhängig von der Variabilität des Systems – thermische Belastung des Auslassventils nimmt zu
durch variablen Hub des Einlassventils geregelt. (. Abb. 10.29).
15 Erhöhte Pumpenarbeit ergibt sich nicht nur durch
das Ansaugen von Frischluft bei Unterdruck, sondern zz Ansaugsysteme
auch während des Ausschiebens des Abgases. Obwohl Sowohl im Ansaugsystem als auch im Abgassystem
16 die Verbrennungsgase einen höheren Druck als den at- treten gasdynamische Vorgänge auf Grund der peri-
mosphärischen haben, können sie den Zylinder durch odischen Anregung des Kolbens und Eigenfrequenz
den Auslass und das Abgassystem ohne Arbeitseinsatz des Systems auf. Sie können zur Verbesserung des La-
17 des Kolbens nicht rechtzeitig verlassen (das heißt vor dungswechselprozesses ausgenutzt werden. Diese gas-
dem Ende des Ausschiebetaktes), wobei der Abgasge- dynamischen Effekte im Ansaugsystem unterscheiden
18 gendruck bestimmend ist (. Abb. 10.28). sich grundsätzlich in Schwingrohr- und Resonanzef-
Aus der Sicht des Ladungswechsels ist hierbei der fekte. Eine schematische Darstellung beider Sauganla-
Zeitpunkt AÖ von großer Bedeutung. Dieser Zeitpunkt gen zeigt . Abb. 10.30.
19 stellt immer einen Kompromiss dar. Durch spätes AÖ
wird mehr Expansionsarbeit gewonnen und damit so- kkSchwingrohraufladung
20 gar der Verbrauch gesenkt. Bei höheren Drehzahlen ist
aber eine erhöhte Ausschiebeleistung nötig, damit das
Der Schwingrohreffekt beruht auf der durch den ab-
wärts gehenden Kolben ausgelösten Unterdruckwelle,
Abgas innerhalb der kürzeren Zeit den Zylinder ver- die im Ansaugrohr entgegen der Strömungsrichtung
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
545 10
Schwingrohraufladung Resonanzaufladung L1 = 220 mm
L1 L1 = 420 mm D1 = 40 mm, VA = 1,2 dm3,
Motor L1 = 750 mm L2 = 420 mm, D2 = 70 mm
D1
L2 L1 = 1150 mm

1 1 12
2 2

eff. Mitteldruck pms [bar]


V 11
D2

3
DK 10

L1 Schwingrohrlänge LR Resonanzrohrlänge (2) 9


D1 Schwingrohrdurchmesser DR Resonanzrohrdurchmesser (2)
L2 Luftzuführrohrlänge VR Resonanzvolumen, 8
D2 Luftzuführrohrdurchmesser Resonanzbehälter (1)
V Luftverteiler (Index = Bauart) VA Ausgleichsvolumen,
Sammelbehälter (3) 7
DK Drosselklappe 1000 2000 3000 4000 5000 6000
Drehzahl n [min–1]
..Abb. 10.30  Schema der Schwingrohr- und der
Resonanzaufladung ..Abb. 10.31  Einfluss der Saugrohrlänge L1 auf den
maximalen effektiven Mitteldruck über der Drehzahl

zum Sammelbehälter läuft und dort am offenen Rohr­ variiert wurde [6]. . Abb. 10.31 zeigt den Einfluss der
ende reflektiert wird. Die auf diese Weise entstehende Saugrohrlänge auf den maximalen Mitteldruck. Ein
Überdruckwelle erhöht die Zylinderfüllung durch kürzeres Saugrohr verschiebt die Drehmomentspitze
Anhebung des Druckgefälles über dem Einlassventil. in Richtung höherer Drehzahlen und umgekehrt.
Kurz vor dem Schließen der Einlassventile bei aufwärts Im realen Motorbetrieb ist jedoch der Einfluss der
gehendem Kolben ist dieser Effekt besonders wir- Saugrohrlänge vielschichtiger und wird teilweise durch
kungsvoll. Hier wird bei vorliegender Druckwelle das Einflüsse anderer saugseitiger Parameter überlagert.
Ausschieben von Frischladung vom Brennraum in das So ist neben dem Druckverlauf vor dem schließenden
Saugrohr verhindert beziehungsweise ein Aufladeeffekt Einlassventil die Ausbildung einer freien Schwingung
erzeugt. Entsprechend der akustischen Modellvorstel- im Saugrohr in der Zeit zwischen ES und EÖ in Kor-
lung benötigt die Druckwelle mit der Geschwindig- relation zur Ansaugschwingung, die sich in der Zeit
keit a zum Hin- und Herlauf im Schwingrohr folgende zwischen EÖ und ES bildet, von entscheidender Be-
Zeit: deutung für den Ladungswechsel.
Eine festgelegte Saugrohrlänge wirkt sich also nur
2  LSaug in einem bestimmten Drehzahlbereich vorteilhaft aus.
t= (10.14)
a  Bei hohen Drehzahlen ist eine kurze Saugrohrlänge
erwünscht, bei niedrigen Drehzahlen ein langes Rohr.
Die Einlassdauer (von EÖ bis ES) soll durchschnittlich Daher werden Motoren mit Schaltsaugrohren ausge-
ein Drittel der bei einer bestimmten Drehzahl zu einer führt, das heißt die Saugrohrlänge wird der Motor-
Motorumdrehung benötigten Zeit betragen: drehzahl angepasst (. Abb. 10.32).
Bei geöffneter Schaltklappe wird die vom Zylinder
1 kommende Saugwelle bereits an dieser Stelle reflektiert
t (10.15)
3  n (hohe Drehzahl ab 4000 min−1). Bei Drehzahlen bis
4000 min−1 ist die Schaltklappe geschlossen (langes
Dadurch kann die optimale Länge des Ansaugrohres Saugrohr). . Abb. 10.33 zeigt ein weiterentwickeltes
bei einer bestimmten Drehzahl n bestimmt werden: dreistufiges Schaltsaugrohr. Neuerdings werden auch
stufenlos variable Saugrohre eingesetzt.
a Während die Laufzeit der Wellen von der Saug-
LSaug  (10.16)
6  n rohrlänge abhängt, wird die Amplitude der Welle vom
Saugrohrquerschnitt beeinflusst. Die Strömungsge-
Somit ist die Saugrohrlänge die den Schwingrohreffekt schwindigkeit im Saugrohr steigt mit zunehmender
bestimmende Größe. Entsprechend der akustischen Drehzahl an, sodass auch die Amplitude entsprechend
Modellvorstellung gibt es für jede Saugrohrlänge eine ansteigt, . Abb. 10.34. Ausreichend hohe Amplituden
bevorzugte Drehzahl, bei der der Luftaufwand maxi- für einen entsprechenden Nachladeeffekt bei niedrigen
mal ist. Dies zeigt sich auch grundsätzlich im Moto- Drehzahlen lassen sich durch kleine Saugrohrquer-
renversuch, bei dem ausschließlich die Saugrohrlänge schnitte erzeugen. Bei hohen Drehzahlen jedoch sinkt
546 Kapitel 10 • Ladungswechsel

300
1 ..Abb. 10.32 Ansaug-
270
system mit zweistufigem

Motordrehmoment [Nm]
2 240
Schaltsaugrohr; Prinzip
(Audi V6)

3 210

180
4
150

5 120
Klappen geschlossen,
langes Saugrohr
6 0
0 2000 4000 3000 8000
Klappen geöffnet,
kurzes Saugrohr Motordrehzahl [min–1]

7
Klappe zwei

8
9
10 Klappe eins

11 unter 3360/min: beide 3360 bis 5200 /min: über 5200/min:


Klappen geschlossen Klappe eins geöffnet Klappe zwei geöffnet

12 ..Abb. 10.33  Ansaugsystem mit dreistufigem Schaltsaugrohr

13 D 1 <D 2 <D 3
Primärkanal

Sekundärkanal

14
Luftaufwand

15 Einspritzventil
Abschaltklappe

16
Drehzahl
17
..Abb. 10.34  Luftaufwand als Funktion des Rohr-
durchmessers [7] ..Abb. 10.35  Ansaugsysteme mit Kanalabschaltung
18 [2]

bei kleinem Strömungsquerschnitt die Zylinderfül- passt werden (. Abb. 10.35). Bei niedriger Drehzahl
19 lung. Eine gute Zylinderfüllung bei hohen Drehzahlen und niedriger Last ist nur der Primärkanal wirksam.
erfordert daher große Saugrohrquerschnitte. Mit zunehmender Drehzahl und Last wird der Sekun-
20 Bei mehreren Einlassventilen wie zum Beispiel
4-Ventil-Motoren kann der Saugrohrquerschnitt last-
därkanal zugeschaltet.
Im unteren Drehzahlbereich ergibt sich eine ver-
und drehzahlabhängig durch Kanalabschaltung ange- besserte Zylinderfüllung bei geschlossener Abschalt-
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
547 10

Klappe geöffnet wobei ASaug als Querschnittsfläche des Saugrohres und


1,0 Klappe geschlossen VBE als Behältervolumen auftreten.
Engelman setzte bei der Übertragung von der
Luftaufwand

Helmholtz-Gleichung (10.17) auf den Verbrennungs-


0,9 motor für das Volumen VBE den Kompressionsraum
plus das halbe Hubvolumen eines Zylinders ein und
stellte für ein System Zylinder mit Saugrohr folgende
0,8 einfache Beziehung für die Resonanzdrehzahl nres
auf:

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 s


15  a ASaug
Drehzahl [min–1] nres = (10.18)
 LSaug  .Vc + 0;5 Vh / 
..Abb. 10.36  Einfluss der Kanalabschaltung auf den
Luftaufwand [2]
Somit lassen sich die Eigenfrequenzen des Helmholtz-
Resonator Effekts auf einen Zylinder mit Saugrohr sehr
klappe (. Abb. 10.36). Darüber hinaus kann durch die genau beschreiben. Bei mehreren Zylindern treten Ein-
Einströmung eine gezielte Ladungsbewegung (Drall) flüsse von Überlagerungen der Wellen auf, wodurch
erzeugt werden, wodurch die Gemischaufbereitung die Beschreibung des Phänomens auf größere Hinder-
verbessert werden kann. Dies bewirkt eine Erhöhung nisse stößt.
des Wirkungsgrades bei Teillastbetrieb, insbesondere Dieses Schwingungsverhalten ist auch bei ge-
dann, wenn der Motor mit magerem Gemisch betrie- schlossenen Einlassventilen bemerkbar. Dann wirkt als
ben wird (Magermotor). Resonanzvolumen das Sammlervolumen. Durch des-
sen Gestaltung (Volumen) kann also die Eigenfrequenz
kkResonanzsystem des Systems so variiert werden, dass sie – indem eine
Bei der Resonanzaufladung wird der Aufladeeffekt durch Überdruckwelle im Ansaugkanal noch kurz vor ES am
ein schwingungsfähiges Behälter-Rohr-System erzeugt. Einlassventil ankommt – bei bestimmten Drehzahlen
Dabei erregen die periodischen Saugzyklen der einzel- zu einer Luftaufwandssteigerung führt.
nen Zylinder über kurz ausgeführte Saugrohre im Behäl- Besondere Bedeutung besitzt die Resonanzaufla-
ter eine Druckschwingung, die jeweils am Anfang und dung beispielsweise in Kombination mit Turboaufla-
am Ende der Einlassphase zu einer Erhöhung des Druck- dung zum Ausgleich der Drehmomentschwäche im
gefälles zwischen Einlasskanal und Brennraum führt. unteren Drehzahlbereich. Des Weiteren bietet sich eine
Diese Druckschwingung, die eine erhebliche Kombination von Schwingrohr- und Resonanzaufla-
Steigerung des Luftaufwandes verursacht, besitzt ein dung bei Sechs- und Zwölfzylindermotoren an. Dabei
ausgeprägtes Maximum, wenn die Anregung durch wird bei niedrigen Drehzahlen die Resonanzschwin-
die Zylinder mit der Eigenkreisfrequenz des Behälter- gung im Behälter ausgenutzt, während kurze Saug-
Rohr-Systems übereinstimmt. Optimale Vorausset- rohre bei höheren Drehzahlen als Schwingrohrsystem
zung zur Schwingungsanregung bietet ein Versatz der zur Luftaufwandsteigerung beitragen. . Abb.  10.37
einzelnen Saugphasen von 240 °KW, das heißt von je- zeigt die schematische Darstellung einer Kombination
weils drei Zylindern pro Resonanzbehälter. von Schwingrohr- und Resonanzaufladung bei einem
Bei geöffnetem Einlassventil schwingt das System Sechszylindermotor.
ähnlich wie ein Helmholtz-Resonator. Hier treten Die Anpassung wird durch Öffnen oder Schließen
Schwingungen auf, wenn die Luftsäule im Einlasskanal der Resonanzsteuerklappe realisiert. In der Drehmo-
sich gegen die „steife“, im Zylinder befindliche Luft be- mentstellung ist die Resonanzsteuerklappe geschlos-
wegt und sich das ganze System wie ein Feder-Masse- sen, so dass zwei „Dreizylinder“-Sauganlagen mit
System verhält. So könnte die im Zylinder befindliche großen Rohrlängen wirksam sind. In der Leistungs-
Luft als Feder, die Luftsäule als Masse betrachtet wer- stellung ist die Resonanzsteuerklappe geöffnet und
den. Die Eigenfrequenz eines Helmholtz-Resonators das Ansaugmodul arbeitet für alle sechs Zylinder als
lässt sich folgendermaßen bestimmen: Schwingrohranlage, die dann aus dem kompletten
oberen Sammlerbereich mit kurzen Schwingrohren
s
ASaug gespeist wird. Die Querschnitte und Längen können
a
f = (10.17) im Vorfeld auf diese Effekte hin mit eindimensionalen
2 LSaug  VBE  Berechnungsverfahren abgestimmt und optimiert wer-
548 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Hauptsammler Motorabgase
1 Schwing-
rohr
Resonanzrohr

2 Magnet-
ventil

3 U-Druck-
Dose

Gasschwingungen
4
DKS
Pu 1 bar Pü
HFM
As

5 LLS

6 Resonanzsteuerklappe
Pü = Überdruck Unterdruck
Pu = Unterdruck
Resonanzsammler
7 ..Abb. 10.39  Abbau der Gasschwingungen im Schall-
dämpfer [8]

8 Turbulenzsammler
Turbulenzbohrungen Ø : 6 mm timale Auspuffanlagen oft zu laut. Der Schalldruck am
Auslassventil liegt zwischen circa 60 und 150 dB(A).
9 ..Abb. 10.37  Darstellung des Saugsystems eines
Reihen-Sechszylindermotors [7] Diesen gilt es auf den gesetzlich vorgeschriebenen
Wert abzubauen (. Abb. 10.39).
10 110 Gewinn durch Resonanzsystem
Ähnlich den Vorgängen auf der Frischgasseite ei-
nes Hubkolbenmotors findet man auch in der Abgas-
100 anlage ein instationäres Strömungsverhalten vor. Beim
11
Drehmoment [%]

Öffnen des Auslassventils wird, bedingt durch den im


90 Zylinder bestehenden Überdruck und später durch den
sich aufwärtsbewegenden Kolben, eine Überdruck-
12 80
welle induziert, welche sich nun in Richtung des Aus-
Schaltklappe geöffnet
70 puffendes fortpflanzt. Druck und Geschwindigkeits-
Schaltklappe geschlossen
13 60
wellen werden an den offenen Rohrenden reflektiert
und als Sogwelle zurückgeworfen was bei richtiger
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
Abstimmung der Rohrlängen in der Abgasanlage den
14 Drehzahl [min–1]
Ladungswechsel unterstützt, indem der Abgasgegen-
..Abb. 10.38  Drehmomentverlauf eines Reihen- druck abgesenkt wird. Umgekehrt kann aber auch eine
15 Sechszylinder-Ottomotor mit Resonanzsystem [7] rücklaufende Überdrückwelle ein Ausströmen von
bereits in den Zylindern befindlichem Frischgas ver-
hindern. Dieser Mechanismus findet vor allem beim
16 den. Die Luftmassenregelung wird mit der zentralen Betrieb von Zweitaktmotoren seine Anwendung [9].
Drosselklappe realisiert. Den Gewinn an Drehmoment
bei einem solchen System zeigt . Abb. 10.38. kkBauformen
17 Es gibt zwei Grundbauarten von Schalldämpfern, den
zz Abgassysteme Reflexionsdämpfer und den Absorptionsdämpfer.
18 Die Abgasanlage erfüllt drei Aufgaben. Sie beeinflusst Häufig werden Kombinationen aus beiden Typen ver-
die Leistungscharakteristik des Motors, sie reduziert wendet (. Abb. 10.40) und dadurch eine Dämpfung
das Auspuffgeräusch und vermindert zusammen mit im relevanten Bereich von 50 bis 8000 Hz erreicht. Je
19 einem eingebauten Katalysator die Schadstoffe im nach Motorkonzept (Hubraum, Leistung, Aufladung,
Abgas. Diese Aufgaben können nicht vollständig von- Ventil- und Zylinderanzahl etc.) ist ein gewisses Min-
20 einander getrennt werden. Die Geräuschdämpfung
beeinflusst immer, meist in unerwünschter Weise, die
destvolumen für den Reflexions- beziehungsweise Ab-
sorptionsbereich (oder es sind mehrere Schalldämpfer:
Leistungscharakteristik; umgekehrt sind leistungsop- Vor-, Mittel-, und Nachschalldämpfer) notwendig.
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
549 10
Reflexion Interferenz l 1, d 1 l 2, d 2 l 3, d 3

Mittelschall- Endschall-
Katalysator dämpfer dämpfer

Sammel-
Resonator Drossel Absorption rohr
Abgas- Hosen-
krümmer rohr
..Abb. 10.40  Kombinierte Schalldämpferanlage [8] 1. Zwischenrohr
2. Zwischenrohr
Vorderrohr Endrohr
Beim Absorptionsschalldämpfer wird die Gas-
strömung durch den Schalldämpfer hindurchgeführt, ..Abb. 10.41  Schematischer Aufbau einer Auspuff-
wobei das gasführende Rohr perforiert ist. Der Raum anlage [10]
zwischen der Ummantelung und dem perforierten
Rohr ist mit Absorptionsmaterial gefüllt. Der pulsie- werden durch die Wahl genügend dicker Wandstärken
rende Gasstrom kann sich durch die Perforation in den für die Zwischenbleche im Dämpfer, durch genügend
mit Absorptionsmaterial gefüllten Bereich ausdehnen. steife Konstruktion der gesamten Schalldämpferstruk-
Dabei wird durch Reibung ein Großteil der Schwin- tur und eine Außenhaut aus Doppelblech mit oder
gungsenergie abgebaut und in Wärme umgewandelt. ohne absorbierender Zwischenschicht.
Die Gasströmung, die den Schalldämpfer verlässt, ist
dadurch weitgehend pulsationsfrei. Der Absorptions- kkGesamtsystem
schalldämpfer zeichnet sich insbesondere durch eine . Abb. 10.41 zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer
gute Dämpfung im Frequenzbereich über 500 Hz und Abgasanlage für einen Vierzylindermotor. Bei Verwen-
seinen geringen Abgasgegendruck aus. dung eines einzigen Katalysators ist es notwendig, die
Im Reflexionsschalldämpfer (auch Interferenz- Abgasrohre der einzelnen Zylinder zusammenzufüh-
schalldämpfer genannt) erfolgt die Dämpfung durch ren. Die Abgase aller Zylinder durchlaufen das Sam-
Umleitung, Querschnittsveränderungen und Teilun- melrohr, das eine zentrale Lambda-Sonde zur Messung
gen im Innern des Schalldämpfers. Die entsprechen- des integralen Luft-Kraftstoff-Verhältnisses aufnimmt.
den Kammern und Querschnittveränderungen müssen Zur Minderung der Mündungsgeräusche haben
genau aufeinander abgestimmt werden. Interferenz sich kombinierte Reflexions-/Absorptionsschalldämp-
tritt dann auf, wenn die Schallwellen nach zwei ver- fer beziehungsweise kombinierte Reflexions-/Abzwei-
schieden langen Wegen sich gegenseitig auslöschen geresonatorschalldämpfer durchgesetzt. Auf Grund der
(180° Phasenversatz). Dieses Prinzip wirkt besonders instationären Strömungsvorgänge kann die Abgasan-
im Bereich unter 500 Hz. lage bei geeigneter Auslegung den Ladungswechsel
Druckspitzen extrem lauter Schwingungen wer- ähnlich wie das Saugsystem deutlich verbessern [10].
den in Resonatoren (links im . Abb. 10.40), welche Die Ladungswechseleigenschaften werden in ho-
äußerst geringe Strömungsverluste aufweisen, abge- hem Maße von der Abgasanlage im Wesentlichen über
baut. Die Frequenz, in der ein Resonator wirksam ist, drei Einflussfaktoren, welche sich untereinander beein-
hängt in erster Linie von den Abmessungen (Länge l,
Durchmesser d und Querschnittsfläche A) des in das
--
flussen, geprägt:
gasdynamische Effekte,
Resonatorvolumen V hineinragenden Rohres ab. Die
Resonanzfrequenz f0 lässt sich nach der folgenden
Gleichung berechnen:

c0 =2  
- Ausschiebearbeit,
Restgasanteil.

Die Ausschiebearbeit wird von den Strömungseigen-


f0 = schaften der Abgasanlage bestimmt. Die Strömungs-
(10.19)
A=.l + 0;7  d /  V  eigenschaften und die gasdynamischen Effekte in der
Abgasanlage beeinflussen in hohem Maße den Rest-
Ein problematischer Nebeneffekt von Reflexions- gasgehalt der Zylinderladung im Volllastbetrieb, was
schalldämpfern ist die Schwingungsanregung, welche wiederum starken Einfluss auf die Verbrennungseigen-
die Wandstruktur des Schalldämpfers durch den pul- schaften ausübt. Über die sich mit dem Restgasgehalt
sierenden Abgasstrom erfährt. Der resultierende Kör- ändernden Zündbedingungen wird über angepasste
perschall kann die vom Schalldämpfer ausgehende Ge- Zündzeitpunkte der innere Wirkungsgrad und somit
räuschemission erhöhen. Dem kann entgegengewirkt das Drehmomentverhalten signifikant beeinflusst.
550 Kapitel 10 • Ladungswechsel

a b
1 2,0
Katalysatorgehäuse

2 A2
n = 3000 min–1

1,5
l3 Sammelrohr
3

Druck [bar]
lC = C · ∆t
A1 A3
4 Hosenrohr 1,0
A5
∆t = aC(n · 360°)
l2
C = Schallgeschw.
A4
5 Zyl. 2 und 3
aC

0,5
UT OT AÖ UT
6 l1
Abgaskrümmer AÖ EÖ AB Zyl 4

Zyl. 4
7
Zylinderkopf

8 Zyl. 1

voreilender Druckimpuls mit

9
vorwiegend positiver Amplitude
zurückeilender Druckimpuls mit
vorwiegend negativer Amplitude

10 ..Abb. 10.42  a schematische Darstellung der Reflexionsstellen, b Druckverlauf im Abgaskrümmer (100 mm


nach Auslassventil) [10]

11 kkAuslegungskriterien zz Gasdynamische Effekte


Neben den Anforderungen der Geräuschdämpfung Die Abgasanlage sollte hinsichtlich der Rohrlängen,
und Abgasnachbehandlung ergeben sich hinsichtlich Querschnitte und Rohrverzweigungen den Ladungs-
12 des Ladungswechselkonzeptes bestimmte Auslegungs- wechsel in definierten Drehzahlbereichen unterstüt-
kriterien für die Abgasanlage. zen.
13
zz Gleichverteilung kkGasdynamische Vorgänge
Die Abgasrohre, die man im Bereich des Abgaskrüm- Die unter hohem Druck stehenden Abgase im Brenn-
14 mers den einzelnen Zylindern zuordnen kann, müssen raum bewirken beim Öffnen der Auslassventile einen
gleiche Rohrlängen und Rohrquerschnitte aufweisen. Druckstoß, der eine Abgasschwingung mit hoher
15 Im Rahmen der Möglichkeiten im Fahrzeugraum
sollten die Rohrbögen des Abgaskrümmers und die
Amplitude verursacht. Die Druckamplitude bewegt
sich entsprechend der akustischen Theorie mit Schall-
Rohrleitungszusammenführung ähnlich ausgeführt geschwindigkeit durch die Abgasleitung und wird
16 werden. Diese Anforderungen gelten ebenso für das am offenen Rohrende als negative Druckamplitude
Hosenrohr. reflektiert. Die negative Druckamplitude kann, wenn
sie zum geeigneten Zeitpunkt am Auslassventil anliegt,
17 zz Abgasgegendruckniveau den Ladungswechsel dadurch vorteilhaft unterstützen,
Zur Realisierung eines niedrigen Abgasgegendruckni- dass Restgas aus dem Brennraum abgesaugt wird.
18 veaus sollten möglichst gute Strömungseigenschaften Bei einer real ausgeführten Abgasanlage ergeben
der Zylinderkopfausgänge und der Abgasanlage an- sich auf Grund der einzelnen Rohrverzweigungen un-
gestrebt werden. Das Abgasgegendruckniveau ist auf terschiedliche Reflexionsstellen in der Abgasleitung
19 Grund der Strömungswiderstände des Katalysators vom Zylinderkopf bis zum Eintritt in das Katalysator-
und der Grundfunktion der Schalldämpfung nicht un- gehäuse.
20 begrenzt absenkbar, da die Schalldämpfung stets mit
irreversibler Energieumsetzung einhergeht, die sich im
In . Abb. 10.42 ist der Druckimpuls schematisch
für Zylinder 1 in einer Abgasanlage nach . Abb. 10.41
Abgasgegendruckverhalten niederschlägt. dargestellt. Nach Durchlaufen der Abgasstrecke l1 trifft
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
551 10

der positive Druckverlauf auf die erste Reflexionsstelle, Durchmesserverhältnisses d2/d1 vergrößert sich die
wo sich der Druckimpuls in Abhängigkeit der Gestal- charakteristische Länge lC, da hiermit die Hauptrefle-
tung der Rohrverzweigung und der Rohrquerschnitte xionsstelle weiter vom Einlasskanal entfernt wird. Dies
von Abgaskrümmer und Hosenrohr aufteilt. Bei ent- zeigen auch die folgenden experimentell ermittelten
sprechend spitzem Verzweigungswinkel durchläuft Druckverläufe dreier unterschiedlicher Abgasanlagen-
ein kleinerer Teil des Druckimpulses mit vorwiegend varianten (. Abb. 10.43).
positiver Amplitude die Abgasleitung l1 von Zylinder 4
und wird am geschlossenen Auslassventil als vorwie- zz Ventilsteuerzeiten
gend positiver Druckimpuls reflektiert. Ein weiterer Ventilsteuerzeiten sind immer ein Kompromiss, da
Teil des Druckimpulses wird an der Rohrverzweigung der Motor in breiten Drehzahl- und Lastbereichen
als Unterdruckimpuls reflektiert und läuft entgegen betrieben wird. Auf Grund der im Abschn.  10.1.1
der Hauptströmungsrichtung zu Zylinder  1 zurück. beschriebenen Gegebenheiten ist eine gleichzeitige
Der größte Teil des ursprünglichen Druckverlaufs Optimierung des Ladungswechsels für maximales
durchläuft die Abgasstrecke l2 des Hosenrohrs bis zur Drehmoment und maximale Nennleistung ohne
Rohrverzweigung zum Sammelrohr, wo eine ähnliche weitere Maßnahmen wie Nockenwellenverstellsys-
Aufteilung des positiven Druckimpulses wie beim tem, Schaltnockensystem oder Schaltsaugrohr nicht
Übergang vom Abgaskrümmer zum Hosenrohr statt- möglich. Hier werden die Aspekte der Verlegung
findet. Der zuletzt verbleibende Anteil des ursprüng- von Ventilsteuerzeiten zusammengefasst, wobei die
lichen Druckimpulses, der die Abgasstrecke l3 durch- Bezeichnung „früh“ beziehungsweise „spät“ eine re-
läuft, wird beim Übergang zum Katalysatorgehäuse als lative Lage zu den Basissteuerzeiten bedeutet, die in
Unterdruck reflektiert. Grad Kurbelwinkel (°KW) relativ zu dem näheren
Der Anstieg des positiven Druckverlaufes, ausge- Totpunkt angegeben sind.
löst durch das Öffnen der Auslassventile, beginnt bei
A1. Der Druckverlauf bis zum Maximalwert A2 ist vor Auslass Öffnet (AÖ)
allem eine Funktion der Ventilerhebung. Der weitere Auslass Öffnet passiert in Otto-Motoren üblicherweise
Druckverlauf von A2 zu A4, dem Maximalwert des re- bei 50 bis 30 °KW v. UT, kurz vor dem Ende des Expan-
flektierten Unterdruckverlaufes, ist von der Auslegung sionstaktes. Diese Steuerzeit stellt einen Kompromiss
der Abgasanlage abhängig. Aus dem Kurbelwinkel aC, zwischen Gewinn an Expansionsarbeit und höherer
der sich von A2 bis A4 erstreckt, lässt sich mit der Ausschiebearbeit dar.
Drehzahl und der Schallgeschwindigkeit die charak- Wird AÖ in Richtung „spät“ verschoben (das heißt
teristische Länge lC bestimmen, die für die jeweilige AÖ passiert näher zu UT), kann das Arbeitsgas länger
Abgasanlage unabhängig vom Betriebspunkt konstant expandieren, wobei es Arbeit am Kolben leistet, der
ist. Der Druckverlauf von A4 bis A5 ist geprägt von den thermische Wirkungsgrad steigt und der Verbrauch
Überlagerungen der Wellenbewegungen in der Abgas- sinkt. Eine längere Expansion führt weiterhin zu einer
anlage. Der grundsätzliche Verlauf ist für die jeweilige niedrigeren Kohlenwasserstoff-Emission und zu einer
Abgasanlage, nahezu unabhängig vom Betriebspunkt, niedrigeren Abgastemperatur. Bei höheren Drehzahlen
ähnlich. Bei A5 beginnt der Druckanstieg des Zylin- und Lasten erhöht sich aber die Ausschiebearbeit am
ders 4, der nach Durcheilen von l1 des Zylinders 4 und Anfang des Ausschiebetaktes erheblich. Somit wird der
l1 des Zylinders 1 bis zum Messaufnehmer entspre- Verbrauch erhöht. Spätes AÖ hat vor allem bei Teillast
chend nach AÖ des Zylinders 4 am Messaufnehmer eine größere Bedeutung, die Einflüsse bei Volllast sind
anliegt [10]. gering, . Abb. 10.44.
Für die Motoreigenschaften ist die Lage und die Bei einer Verschiebung von AÖ in Richtung „früh“
Ausbildung des Druckverlaufes von A3 bis A5 bezie- passiert entsprechend das Gegenteil: Expansionsarbeit
hungsweise die charakteristische Länge lC von ent- geht verloren, der thermische Wirkungsgrad sinkt und
scheidender Bedeutung. Grundsätzlich ist ein minima- der Kraftstoffverbrauch wird erhöht. Die Kohlenwas-
les Druckniveau während der Ventilüberschneidung serstoff-Emission und die Abgastemperatur steigen. Es
vorteilhaft. wird aber weniger Ausschiebearbeit benötigt, da der
Die charakteristische Länge lC ist im Wesentlichen Zylinderdruck auf einem immer höheren Niveau liegt
von den Abgasrohrlängen l1 und l2, dem Verhältnis und das Abgas den Zylinder schneller verlässt. Wich-
von Hosenrohr- zu Abgaskrümmerdurchmesser d2/ tig ist, dass der Verbrauch bei Teillast erhöht wird. Ein
d1 sowie der Gestaltung des Überganges vom Abgas- weiterer Aspekt ist, dass die thermische Belastung des
krümmer zum Hosenrohr abhängig. Mit zunehmen- Auslassventils bei frühem AÖ zunimmt und so eine
der Summe von l1 + l2 und mit Verkleinerung des höhere Anforderung an den Werkstoff stellt.
552 Kapitel 10 • Ladungswechsel

d2 = konst. l1 = konst. lges = l1 + l2 + l3 ..Abb. 10.43 Druck-


1 Variante A: l2 = 0,4 l1 d2/d1 = 1,25
verlauf im Abgaskrüm-
lges = 2,3 l1 mer (Druckaufnehmer
100 mm nach Auslass-
2 Variante B: l2 = 0,8 l1 d2/d1 = 1,25 lges = 2,3 l1
ventil) [10]
Variante C: l2 = 0,4 l1 d2/d1 = 1,0 lges = 2,3 l1

3
1,5

4
5
Druck [bar]

1,0

6 aCA
n=
aCB
6000 min–1
7 0,5
aCC

AÖ UT EÖ OT AS UT
8
2,5

9 Variante A
Variante B
10 Variante C
2,0

11
Druck [bar]

12 1,5

13
14 1,0
aCA
15 aCB

16 0,5
aCC n=
2000 min–1

17 AÖ UT EÖ OT AS UT

18
Der Druckverlust während des Ausschiebens ist einem Auslassventil: Bei zwei Auslassventilen steigt
weiterhin abhängig von der Charakteristik der Ventil­ die effektive, zum Ausschieben verfügbare Öffnungs-
19 erhebungskurve des Auslassventils. Bei einem inten- fläche steiler an. Das Abgas kann deswegen – da es
siven Anstieg des Ventilhubes beim Öffnen gelangen über einen höheren Druck verfügt – am Anfang des
20 die Abgase am leichtesten aus dem Zylinder. Aus die-
sem Grund sind die zu akzeptierenden Kompromisse
Ausschiebetaktes den Zylinder schneller verlassen. So
ergibt sich eine geringere Ausschiebearbeit für den
bei zwei Auslassventilen weniger kritisch als nur bei Kolben.
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
553 10
6 den: Erstens, weil der zurückgesaugte Abgasanteil sich
5 im Zylinder ausdehnt und die Expansion unterstützt.
Zweitens, weil bei einem höheren Restgasanteil der
4 Zylinderladung weniger Drosselung zur Lastregelung
p [bar]

3 erforderlich ist, um diese Menge unter Beibehaltung


der Last zu kompensieren. Dies führt zu weiterer Ver-
2 brauchsreduzierung. Eine Begrenzung der internen
1 Abgasrückführung ist durch die Restgasverträglichkeit
der Verbrennung bestimmt.
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Bei frühem AS können die Verbrennungsgase den
Zylinder nicht rechtzeitig verlassen (exhaust lock-up),
V /Vc
wodurch der Restgasanteil im Zylinder ansteigt. Der
2000 min–1, 10.37 bar, Vollast, AÖ 56° v. UT, AS 10° n. OT
Füllungsgrad und die Nennleistung werden so gesenkt.
2000 min–1, 10.63 bar, Vollast, AÖ 42° v. UT, AS 10° n. OT
Die Spülverluste sind geringer, wodurch der Verbrauch
..Abb. 10.44  Expansionsarbeitsgewinn durch Ver- leicht gesenkt wird. In diesem Fall erfolgt ebenfalls eine
schiebung von AÖ Richtung „spät“ „Wiederverbrennung“ des letzten Anteils des Abgases,
wodurch bei Teillast Verbrauchs- und Emissionsvor-
Auslass Schließt (AS) teile erreicht werden können (die Stickoxidemission
Eine übliche Auslegung von AS ist 8 bis 20 °KW n. OT, wird auf Grund der niedrigeren Verbrennungsspitzen-
was das Ende der Ventilüberschneidungsphase bedeu- temperatur vermindert). Das im Zylinder verbliebene
tet. Neben EÖ ist AS die Steuerzeit, durch welche die Abgas strömt weiterhin – teilweise auch vom Kolben
Dauer der Überschneidung geregelt werden kann. Bei geführt – sehr intensiv in das Ansaugrohr, wodurch
niedrigeren Drehzahlen und Lastpunkten reguliert AS eine bessere Gemischaufbereitung stattfindet. Da bei
die vom Abgassystem zurückgezogene Abgasmenge, einer bestimmten Kolbenposition eine immer kleinere
bei höheren Lastpunkten und Drehzahlen die aus- Fläche zum Ausschieben des Abgases zur Verfügung
schiebbare Restgasmenge. steht, wird die Ausschiebearbeit erhöht. Am Ende des
Bei Volllast kann der Zylinder durch ein spätes Ausschiebetaktes kann durch frühes AS sogar eine
AS gründlicher ausgespült werden, wodurch ein grö- Kompression des Restgases stattfinden, wodurch der
ßerer Füllungsgrad erreicht wird. Das wird zum Bei- Verbrauch gering erhöht wird. Begrenzung für frühen
spiel bei Sportmotoren für eine höhere Nennleistung AS ist die erhöhte Ausschiebearbeit, durch Abgas ver-
ausgenutzt. Ein immer größerer Teil der Frischladung dünnte Frischladung und ein inhomogenes Gemisch
strömt aber durch den Zylinder, ohne an der Verbren- durch starke Abgasströmung ins Ansaugrohr.
nung teilzunehmen (Spülverlust durch Kurzschluss- Soweit dynamische Effekte im Abgassystem opti-
strömung), wodurch der Verbrauch und die Kohlen- miert werden, kann die Effizienz des Ausschiebens ver-
wasserstoff-Emission erhöht werden. bessert werden, wenn eine Unterdruckwelle kurz vor
Bei Teillast wird durch die Saugwirkung des Kol- AS den statischen Druck im Auslasskanal vermindert
bens ein immer größerer Anteil des Abgases zurück- und dadurch Abgas aus dem Zylinder saugt.
gesaugt (interne Abgasrückführung), wodurch er-
hebliche Verbrauchs- und Emissionsvorteile erreicht Einlass Öffnet (EÖ)
werden können. Der letzte „Teil“ des Abgases ist immer Die Steuerzeit EÖ wird bei Otto-Motoren üblicher-
relativ reich an unverbrannten Kohlenwasserstoffen, weise zwischen 20 bis 5 °KW vor OT gelegt. Als der Be-
da die Verbrennung in den wandnahen Zonen der ginn der Ventilüberschneidungsphase ist sie ebenfalls
Zylinderladung unvollständig ist. Dieser Anteil wird wie AS wichtig für die Regulierung der in der Frisch-
relativ spät ausgeschoben. Wird dieser Anteil im Ab- ladung befindlichen Restgasmenge bei Teillast und für
gas „wieder verbrannt“, kommt es zur Verbrauchsre- das Ausspülen der Restgase bei Volllast. Als solches,
duzierung und zu einer niedrigen Kohlenwasserstoff- hat sie einen großen Einfluss auf die Leerlaufqualität.
Emission. Auf Grund der verdünnten Ladung wird Durch spätes EÖ wird die Dauer der Ventilüber-
die Verbrennungstemperatur gesenkt, wodurch die schneidungsphase verkürzt. Dadurch ergibt sich bei
Stickstoffemission reduziert wird. Ein weiterer Aspekt Teillast eine mit Abgas weniger verdünnte Ladung und
ist, dass das Frischgemisch wegen der heißen Restgase somit eine schnelle Verbrennung. Unter solchen Be-
homogenisiert wird und so eine bessere Gemischauf- dingungen kann die Drehzahl beim Leerlauf gesenkt
bereitung erfolgt. Bei spätem AS wird weiterhin die werden, was zur Verbrauchsreduzierung führt. Durch
Ansaugarbeit gesenkt. Dies geschieht aus zwei Grün- den kleineren Restgasanteil und die schnelle Verbren-
554 Kapitel 10 • Ladungswechsel

nung erhöht sich die Verbrennungstemperatur und

Quelle: Mercedes-Benz
1 die Stickoxidemission nimmt zu. Die Kohlenwasser- 1,0
stoff-Emission kann gesenkt werden, wobei folgende
2 Aspekte berücksichtigt werden müssen. Da das Ein-

Luftaufwand
lassventil später öffnet, hat die Strömung in den Zylin- 0,8
der bei einer bestimmten Kolbenposition eine höhere
3 Geschwindigkeit, wodurch eine intensivere Zylinder­ Verstellung der Einlassnockenwelle nach „früh“
innenströmung stattfindet. Dies führt zur einer bes- 0,6
Verstellung der Einlassnockenwelle nach „spät“
seren Gemischaufbereitung und vollständigeren Ver-
4 brennung, wobei sowohl der Brenn- beziehungsweise 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
Zündverzug als auch die Brenndauer verkürzt werden. Motordrehzahl
5 Beim späten EÖ ergibt sich außerdem eine höhere Verstellwinkel: 20° KW
Ansaugarbeit, da in der ersten Phase des Ansaugens
..Abb. 10.45  Luftaufwand bei variablem ES
im Zylinder Unterdruck erzeugt wird. Dies führt zur
6 Erhöhung des Verbrauchs. Bei Volllast wird weiterhin
ein geringerer effektiver Mitteldruck erreicht, da der spielen bei höheren Drehzahlen die gasdynamischen
7 Luftaufwand gesenkt wird.
Bei frühem EÖ wird die Ventilüberschneidungs-
Effekte (insbesondere der Nachladeeffekt) die entschei-
dende Rolle, wodurch bei der Verlegung von ES die
phase verlängert und somit bei Teillast besonders viel wichtigste Aufgabe deren Ausnutzung ist, indem die
8 Abgas in das Ansaugrohr zurückgeschoben. Das wirkt Überdruckwelle im Zylinder eingefangen wird. Bei
sich negativ auf die Verbrennung aus, da das Gemisch niedrigeren Drehzahlen und Volllast hat eine verlän-
inhomogen wird und langsamer verbrennt. Allerdings gerte Öffnungsdauer einen negativen Einfluss auf den
9 kann dieser Effekt bei Saugrohreinspritzung mit dros- Drehmomentverlauf. Da das Einlassventil später ge-
selfreier Lastregelung (variable Ventilsteuerung) auch schlossen wird, wird mehr Ladung durch den Kolben
10 positiv ausgenutzt werden. Auf Grund des fehlenden
Saugrohrunterdrucks bei drosselfreier Lastregelung
in das Ansaugrohr zurückgeschoben. Dann steht durch
niedrige Gasgeschwindigkeiten ein geringer Impuls
findet oft keine ausreichende Gemischaufbereitung entgegen; folglich sinkt der Liefergrad. Den Einfluss
11 statt, wodurch die Verbrennung langsamer und un- der Steuerzeit ES auf den Luftaufwand bei Volllast zeigt
vollständig wird. Kraftstoffablagerungen können sich . Abb. 10.45. Durch Verstellen der Einlassnockenwelle
im ventilnahen Bereich bilden. Diese Ablagerungen um 20 °KW nach spät ergibt sich im unteren Drehzahl-
12 können durch das zurückgeschobene heiße Abgas bereich eine deutliche Reduzierung des Luftaufwands.
verdampft und dann zurückgesaugt werden, wobei Bei Nenndrehzahl dagegen ist eine Steigerung des Luft-
13 die Saugrohrwände erwärmt werden und eine bessere aufwands um circa 8 % festzustellen. Bei diesem Motor
Gemischaufbereitung stattfindet. Untersuchungen handelt es sich um einen Achtzylinder-Ottomotor mit
haben gezeigt, dass diese Methode trotz des reakti- vier Ventilen pro Zylinder.
14 onshemmenden höheren Restgasanteils die Gemi- Bei Teillast wird durch spätes ES die Ansaugarbeit
schaufbereitung positiv beeinflussen kann, wodurch gesenkt, da die Ladung mit weniger Drosselung ange-
15 die Reaktionsbereitschaft des Gemisches letztendlich
erhöht wird.
saugt wird. Dies führt zu niedrigerem Verbrauch. Der
thermische Wirkungsgrad des Prozesses wird geringer,
da eine immer niedrigere effektive Kompression statt-
16 Einlass Schließt (ES) findet. Die Verbrennungstemperatur wird durch den
Die für den Verlauf der Drehmoment- und Leistungs- niedrigen Spitzendruck gesenkt, was weiterhin zu einer
charakteristik hauptverantwortliche Ventilsteuerzeit ist geringeren Stickoxidemission führt.
17 ES. Sie liegt üblicherweise zwischen 40–60 °KW nach Bei variablen Ventilsteuerungen und spätem ES
UT und beeinflusst die Füllung eines Motors viel stär- kann der Motor drosselfrei betrieben werden. Das
18 ker als die übrigen Steuerzeiten. Hauptsächlich durch Ziel ist entweder eine höhere Nennleistung oder Ver-
die Festlegung von ES werden die charakteristischen brauchsreduzierung bei Teillast. Die überschüssige
Größen wie Drehmoment und Leistung bestimmt. Ladungsmenge wird bei Teillast vom Kolben in das
19 Eine Verschiebung von ES vom auf maximales Ansaugrohr während des Kompressionstaktes zurück-
Drehmoment optimierten Zeitpunkt in Richtung spät geschoben. Durch die drosselfreie Lastregelung wird
20 ergibt einen höheren Luftaufwand und Füllungsgrad
bei höheren Drehzahlen. Dementsprechend wird dort
eine geringere Ansaugarbeit benötigt. Ähnlich wie frü-
her beschrieben, sinken so der Verbrauch, der ther-
mit spätem ES eine höhere Nennleistung erreicht. Es mische Wirkungsgrad, die Verbrennungstemperatur
10.1 • Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor
555 10

und die Stickoxidemission. Die Begrenzung für spätes zz Strömungsquerschnitte


ES besteht in dem sinkenden thermischen Wirkungs- Um einen hohen Liefergrad zu erzielen sowie geringe
grad und in der schlechteren Gemisch-Aufbereitung Arbeitsverluste beim Ladungswechsel zu erhalten,
im Ansaugkanal wegen des fehlenden Unterdrucks sind große geometrische Öffnungsquerschnitte an den
(Gasgeschwindigkeiten sinken). Steuerventilen erforderlich. Der Verlauf der Öffnungs-
Bei frühem ES und konventioneller Ventilsteue- querschnitte von Ein- und Auslassventil entspricht den
rung wird die Ansaugphase verkürzt, wodurch der Ventilerhebungskurven (. Abb. 10.46).
Luftaufwand verringert wird. Bei Volllast und höhe- Der Ventilhub und der Öffnungsquerschnitt für
ren Drehzahlen ergibt sich ein geringerer Füllungsgrad das Einlassventil sind größer als für das Auslassventil.
und es wird eine niedrigere Nennleistung erreicht. Da Beim Öffnungsquerschnitt wird der Unterschied durch
bei niedrigeren Drehzahlen aber weniger Ladung in das größere Einlassventil gegenüber dem Auslassventil
das Ansaugrohr zurückgeschoben wird, erhöht sich zusätzlich erhöht (Einlassventildurchmesser > Auslass-
der Liefergrad und das Drehmoment steigt. Bei Teil- ventildurchmesser).
last kann die erforderliche Last auf Grund der kürzeren Wichtig für den Ladungswechsel ist der Strö-
Ansaugphase mit weniger Drosselung erreicht werden, mungsquerschnitt am Ventil. Dieser ist kleiner als der
wodurch die Ansaugarbeit vermindert wird. Dies wirkt geometrische Querschnitt, was durch hydrodynami-
sich positiv auf den Verbrauch aus. sche Vorgänge hervorgerufen wird (. Abb. 10.47).
Bei variabler Ventilsteuerung und frühem ES muss Sowohl der geometrische Öffnungsquerschnitt
die Lastregelung nicht mehr durch Drosselung erfol- als auch der Strömungsquerschnitt sind Ringflächen,
gen, sondern durch die Wahl der Ventilsteuerzeit ES.
Das Ziel kann entweder Drehmoment-Steigerung bei
Volllast oder Verbrauchsreduzierung bei Teillast sein. h
Sobald sich die für die gewünschte Last erforderliche
Ladungsmenge im Zylinder befindet, wird das Einlass-
ventil geschlossen. Der Kolben bewegt sich in dieser
Phase immer noch in Richtung UT, und es wird im Auslass Einlass
Zylinder Unterdruck erzeugt. Da die Lastregelung
drosselfrei abläuft, ist das Niveau der Ansaugarbeit UT OT UT
viel niedriger als bei Lastregelung durch Drosselung,
wodurch der Verbrauch gesenkt wird. Die Druckdif-
ferenz zwischen Ansaug- und Abgassystem ist niedrig,
es wird also wenig Abgas vom Auslass zurückgesaugt.
Angenommen, dass die Steuerzeit EÖ eine übliche
Lage hat und die Überschneidungsphase nicht verlän-
gert wird, führt früher ES zu einer stabilen Verbren- Auslass Einlass
nung bei niedrigen Lasten und Drehzahlen. Begren- Aö Eö As Es
zungen für frühes ES bestehen in der Gemischbildung:
UT OT UT °KW
Da das Ansaugen früher als UT beendet wird, findet
im Zylinder beim Zünden oft keine nennenswerte La- ..Abb. 10.46  Ventilerhebungskurven und Ventilquer-
dungsbewegung mehr statt, wodurch die Verbrennung schnitte
nach einem längeren Brennverzug langsamer und un-
vollständig werden kann. Dies kann zu einer höheren
Kohlenwasserstoff-Emission und trotz der niedrigeren
Ladungswechselarbeit sogar zum erhöhten Verbrauch geometrischer
Querschnitt A
führen. Weiterhin besteht die Gefahr der Kondensa-
tion des Kraftstoffes im Zylinder durch die Abkühlung
der Ladung wegen des erzeugten Unterdrucks. Wie
schon im Abschnitt „Einlass öffnet“ erwähnt, findet
im Ansaugkanal wegen des fehlenden Unterdrucks h Cs
keine ausreichende Gemischaufbereitung statt, wo- d Hubventil
a
durch das angesaugte Gemisch inhomogen wird. Es Strömungsguerschnitt j A
können sich Kraftstoffablagerungen im ventilnahen
Bereich bilden. ..Abb. 10.47  Strömungsquerschnitte und Ventilhub
556 Kapitel 10 • Ladungswechsel

die entsprechend dem Ventilsitzwinkel α um die Ven- Einlaßkanal Auslaßkanal


1 tilachse angeordnet sind. Der Ventilhub ist der senk- Einlaufbord
Ventilhubverstellung
rechte Abstand des Ventiltellers zum Ventilsitz. Unter
Kanal p1T1
2 der Voraussetzung isentroper Strömung am Ventilsitz
ergibt sich im Strömungsquerschnitt AS die theoreti-
p1
T1
sche Geschwindigkeit cis. Wegen Reibungseinflüssen Ventil
p1T1

3 ist die wirkliche Geschwindigkeit cs kleiner als cis. Für ∆p p2


Zylinder
den Massenstrom am Ventil gilt:
zur Luftdurch- gemessener
4 P = VP   = AS  cS   =
m  A  '  ciS   (10.20)
satzmessung
Saugbetrieb Druckbetrieb
Luftdurchsatz
Druckbetrieb

5 mit ..Abb. 10.48  Messanordnung für Durchflussbestim-


mung
ρ = Dichte im Strömungsquerschnitt,
ψ = Strahlkontraktion (Einschnürungsziffer),
6 φ = Reibungsbeiwert.  1
p2 
iS = 1  (10.24)

7 Für den isentropen Strömungsquerschnitt Ais gilt: p1

 κ = 1,4 für Luft


AiS = ' A
8 iS 
(10.21)
Näherungsweise ist AiS unabhängig vom im statio-
mit nären Durchströmversuch eingestellten Druckver-
9 ρis = Dichte bei isentroper Strömung im Strömungs- hältnis p2/p1. Außerdem lässt sich AiS auf den realen
querschnitt Motor übertragen, obwohl dieser im Betrieb instati-
10 Damit erhält man für den Massenstrom:
onär durchströmt wird, da bei in Strömungsrichtung
kurzen Drosselstellen eine quasistationäre Rechnung
zulässig ist.
11 P = AiS  ciS  iS
m (10.22) Zur Beurteilung der Güte von Steuerorganen dient
die Durchflusszahl des Ventils αV:
Die Ermittlung des isentropen Strömungsquerschnit-
12 tes AiS eines Ventils in Abhängigkeit vom Ventilhub AiS
˛V = (10.25)
erfolgt in einem stationären Strömungsversuch. AV 
13 Dabei wird der Zylinderkopf oder ein entsprechen-
des Modell durchströmt und folgende Messgrößen mit
bei unterschiedlichen Ventilhüben aufgenommen, AV = Ventilfläche entsprechend innerem Ventilsitz-
14 . Abb. 10.48: durchmesser

15 T1, p1 = thermischer Zustand vor der Messanordnung,


zum Beispiel in einem Sammelbehälter,
Über die Güte des Ladungswechsels sagt αV nichts aus.
Ein Maß für die Durchlässigkeit des Ventils bei gege-
p2 = Druck im Zylinder, benem Motor und damit für den Ladungswechsel ist
16 mP = Massenstrom, zum Beispiel mittels Blenden- die Durchströmzahl αK
messung.
Die Messung kann sowohl im Saugbetrieb als auch AiS
17 im Druckbetrieb (Pressluft) erfolgen. Mit den aufge-
˛K =
AK  (10.26)

nommenen Messwerten lässt sich der isentrope Strö-


18 mungsquerschnitt AiS berechnen. Dabei gilt: mit
v AK = Kolbenfläche
u "   −1 #
19
u 2 p2 
ciS =  RL  T1  1 − (10.23) . Abb. 10.49 zeigt die Durchflusszahlen als Streuband
t
−1 p1
 heutiger Motoren über der Intensität einer Tumble-
20 und
Strömung. Als geschlossener Punkt sowie als offenes
Quadrat sind die Werte für den VW-FSI (1,4 l mit
10.2 • Ladungswechselrechnung
557 10
0,25
pFg TFg pAg TAg
LBK geschlossen
EV AV
LBK offen s Fg s Ag
0,20
Durchfluss a K

konventionelle
Systeme Tumble- sZ
0,15 Systeme
pZ TZ mZ VZ

0,10

0,05
0 2 4 6 8
Tumble-Intensität

..Abb. 10.49  Durchfluss in Abhängigkeit der Tumble-


Intensität

Benzin-Direkteinspritzung) mit offener und geschlos-


sener Ladungsbewegungsklappe (LBK) im Einlasska- ..Abb. 10.50  Modell der Füll- und Entleermethode
nal dargestellt.
αK eignet sich gut bei Vergleichsbetrachtungen unterschiedliche numerische Verfahren für spezielle
ähnlicher Motoren mit gleicher mittlerer Kolben- Anwendungen im Bereich der Analyse und Simulation
geschwindigkeit. Anhaltswerte für die einlassseitige entwickelt. Es wird zwischen rein thermodynamischen
Durchströmzahl des Motors bei maximalem Ventil- nulldimensionalen Modellen, eindimensionalen Mo-
hub hV, max sind: dellen, die die nulldimensionale Betrachtung mit der
Gasdynamik in der Saug- und Abgasanlage koppeln,
Ottomotor2-Ventil: αK = 0,09 bis 0,13 4-Ventil: und dreidimensionalen, räumlich auflösenden Model-
αK = 0,13 bis 0,17 len (CFD) unterschieden. Während die eindimensionale
Betrachtung heute die Möglichkeit bietet, den Gesamt-
Dieselmotor2-Ventil: αK = 0,075 bis 0,09 4-Ventil: motor vom Luftfilter bis einschließlich der Abgasanlage
αK = 0,09 bis 0,13 abzubilden und damit eine zeitliche und entlang der
Rohre räumliche (eindimensionale) Beschreibung der
Vorgänge liefert, beschränkt sich die dreidimensionale
10.2 Ladungswechselrechnung CFD-Berechnung auf Grund der Rechnerkapazität auf
die räumliche (dreidimensionale) und zeitliche Behand-
Die Simulation des Motorprozesses, insbesondere lung der Vorgänge in Teilsystemen des Motors.
zusammen mit der eindimensionalen Simulation der
Gasdynamik im Saug- und Auspuffsystem, ist heute ein zz Die Füll- und Entleermethode
allgemein akzeptiertes Werkzeug für die Vorhersage Der einfachste Weg zur Beschreibung des Ladungs-
der Leistungsdaten von Motoren in der Konzeptphase wechsels am realen Motor ist die Füll- und Entleerme-
oder während der Konstruktion. Sie dient aber auch thode. Da räumliche Gradienten der Zustandsgrößen
der Analyse des Ladungswechsels und des thermody- hierbei nicht berücksichtigt werden, zählt die Füll- und
namischen Prozesses bereits auf dem Prüfstand lau- Entleermethode zu den nulldimensionalen Berech-
fender Motoren. Vor allem in der letztgenannten An- nungsmethoden. Trotz dieser Vereinfachung ist sie
wendung kann sie, richtig eingesetzt, Zugang zu Daten dennoch in den meisten Fällen für Vergleichsbetrach-
verschaffen, die nicht oder mit nahezu unvertretbarem tungen und eine erste Beurteilung des Ladungswech-
Aufwand experimentell erfasst werden können. sels ausreichend.
Auf Grund der Komplexität des Ladungswech- Bei der Füll- und Entleermethode, werden die
selprozesses ist der Aufwand bei der theoretischen Saugleitung, die Abgasleitung und der Zylinder als
Betrachtung erheblich. Entsprechend der jeweiligen Behälter angesehen, deren Inhalt durch Druck, Tempe-
Fragestellung können und müssen hier Vereinfachun- ratur und stoffliche Zusammensetzung gekennzeichnet
gen getroffen werden. Aus diesem Grund haben sich ist (. Abb. 10.50).
558 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Die Füll- und Entleermethode beruht auf dem dieser Ansatz korrigiert werden. Hierzu ist eine statio-
1 1. Hauptsatz der Thermodynamik: näre Messung, die die thermodynamische Auswirkung
der Strömungsphänomene quantifiziert, die den Im-
2
d .mz  u/ dV X dQw pulsverlust verursachen, notwendig. Dieser Impulsver-
= − pz  −
d˛ d˛ d˛ lust spiegelt sich thermodynamisch in einer irreversib-
(10.27)
X dme X dma len Erhöhung der Entropie des Fluides wider. Dadurch
3 +

 he −

 ha :
 ist der bei der irreversiblen Strömung durch die Dros-
selstelle tretende Massenstrom kleiner als derjenige, der
Um die Massenströme im Einlass und Auslass be- sich bei einer verlustfreien Strömung ergeben würde.
4 stimmen zu können, sind Aussagen über den Zustand Dieser Verlust wird mit Hilfe des Durchflussbeiwertes α
an den Ein- und Austritten des Zylinders notwen- erfasst, der als Verhältnis des tatsächlichen Massenstro-
5 dig. Physikalisch treten hier im Bereich der Ventile mes zum theoretischen (isentropen) Massenstrom de-
stark ausgeprägte dreidimensionale Strömungen mit finiert ist. Somit werden die Massenströme im Einlass
Strahlablösung und Wirbelzonen auf. Vereinfachend und Auslass wie folgt berechnet:
6 wird bei den null- und eindimensionalen Modellen
angenommen, dass die Strömung durch diese Dros- s
2
7 selstellen quasistationär sei. Quasistationär bedeutet
hier, dass der Zustandsvektor auf der Ein- und Aus-
m
P = Aeff  p01 
R  T01
 ;

(10.28)

trittsfläche der Drosselstelle (. Abb. 10.51) sich inner-


8 halb eines Zeitschrittes der Berechnung nicht ändert wobei:
und dass sich der zeitliche Verlauf des Vektors durch
Aneinanderreihung unterschiedlicher stationärer Zu- dvi2  
9 stände ergibt. Da somit die endliche Erstreckung der
Aeff = ˛ 
4 
(10.29)

Drosselstelle vernachlässigt wird, ist diese Betrachtung


10 umso eher zulässig, je geringer die Ausdehnung der
Drosselstelle in Strömungsrichtung gegenüber den an-
und die Durchflussfunktion ψ im Unterschallbereich:

geschlossenen Rohren ist (. Abb. 10.51). v


11
2 3
u 2   +1
Durch die Einführung dieser Modellannahme

u  p p
u  
2 2
können die Grundgleichungen der eindimensionalen
=t 4 − 5 (10.30)
−1 p01 p01
stationären Strömung zur Berechnung der Zustands- 
12 vektoren (p, T, u)E und (p, T, u)A an den Rohrrändern
verwendet werden. Mit Hilfe der Kontinuitäts- und und im schallnahen Bereich:
13 Energiegleichung der eindimensionalen stationären
Strömung erhalten wir die theoretische Durchfluss-   1 r
gleichung nach St. Venant, die gelten würde, wenn sich 2 −1 
14 eine isentrope, verlustfreie Zustandsänderung in einem
= max =
+1

 + 1
(10.31)

Strömungsquerschnitt nach den Ein- und Austrittsflä-


15 chen der quasistationär durchströmten Drosselstelle
einstellen würde. Da aber die Zustandsänderung nicht
ist.
Der Durchflussbeiwert α verändert sich mit dem
isentrop verläuft und ein Impulsverlust auftritt, muss Ventilhub und wird experimentell mit Hilfe von stati-
16 onären Strömungsversuchen ermittelt.

zz Prinzip der Berechnung


17 Ziel der Rechnung ist es, die Verläufe von Druck,
Temperatur, Masse, Zusammensetzung der Zylinderla-
18 dung, sowie den Verlauf der Massenänderung bedingt
durch die Ventile über dem Verlauf des Kurbelwinkels
(P,T,u)E (P,T,u)A während der Ladungswechselphase zu ermitteln.
19 Diese Größen sind messtechnisch nicht oder nur
aufwändig zu erhalten. Lediglich der Druck kann
20 durch einen Quarzsensor indiziert werden. Die Ver-
läufe der Größen werden deshalb durch numerische
..Abb. 10.51  Zustandsgrößen an einer Drosselstelle Integration von einem Startpunkt aus errechnet.
10.2 • Ladungswechselrechnung
559 10
110000 SB1 R1 Pl1 C1 SB2
108000 1 2 3 4
106000
Saugrohrdruck [Pa]

104000
102000 ..Abb. 10.53  Schematische Darstellung eines Ge-
100000 samtsystems „Motor“
98000
96000 SB1 1 R1 2 R2
94000
3
R6 6 R5 5 R4 4 R3
92000
90000 I1
0 60 120 180 240 300 360 420 480 540 600 660 720 7 R9 R13 R17 26 R21 R25
R7 38
AÖ EÖ AS ES C4
10 14 18 22 I2 30 34
8 J1 42 R29 44
Kurbelwinkel [°KW] R8 R10 R14 R18 27 R22 R26
39
C3 45 J3
9 11 15 19 23 I3 31 35
..Abb. 10.52  Druckverlauf im Saugrohr bei 3000 U/ R11 R15 R19 28 R23 R27 40 J2 43 R30
C2
min 12 16 20 24 I4 32 36 41
46
R12 R16 R20 29 R24 R28
C1
13 17 21 25 33 37
Man bestimmt die Anfangswerte bei „Auslass öff- R31
47
net“ von Druck, Temperatur, Masse und Zusammen- SB2 51 50 49 R32 48
Cat1
P13 P12
setzung durch Messung oder Schätzung und errechnet
ihre differenziellen Änderungen bei diesem Anfangs-
..Abb. 10.54  Schematische Darstellung eines
punkt aus thermodynamischen Grundgleichungen. Vierzylinder-Ottomotors
Davon ausgehend wird nun Schritt für Schritt ein
geeignetes Integrationsverfahren angewendet, bis alle
Werte bis zum Zeitpunkt „Einlass schließt“ bekannt offenes Rohrende wirkt. Somit wird sie als Überdruck-
sind. welle reflektiert, läuft auf das Einlassventil zurück und
erreicht dieses zum Einlassschluss (. Abb. 10.52).
zz Eindimensionale Gasdynamik Bei der eindimensionalen Simulation der Motor­
Bei der Füll- und Entleermethode handelt es sich innenströmung wird das Gesamtsystem „Motor“ in
um ein quasistationäres Einzonenmodell. Quasista- einzelne abstrahierende, das heißt auf Vereinfachun-
tionär bedeutet hier, dass instationäre Vorgänge für gen beruhende Elemente wie Zylinder (C1), Luftfilter
kleine Zeitintervalle als stationär angesehen werden, (Pl1), Blenden (SB1, R1, SB2) und Rohre (1–4) unter-
das heißt die einzelnen Größen (Druck, Temperatur) teilt (. Abb. 10.53 und 10.54).
sind nur von der Zeit, nicht aber vom Ort abhängig. Dies geschieht unter der Annahme, dass die Strö-
Dadurch können dynamische Einflüsse wie Druck- mung im Gesamtsystem durch eine eindimensionale
pulse, die beispielsweise bei der Schwingrohr- und instationäre Rohrströmung in den Rohrelementen und
Resonanzaufladung entstehen, natürlich nicht berück- durch eine eindimensionale quasistationäre Drossel-
sichtigt werden. Amplituden und Phasenlagen dieser strömung in den Bauteilen, die die Rohrelemente ver-
Schwingungen können den Ladungswechsel bei be- binden, beschrieben werden kann.
stimmten Drehzahlen unterstützen und bei anderen Die eindimensionale instationäre Betrachtungs-
Drehzahlen behindern. Dadurch wird der Verlauf des weise in einem Rohrelement geht davon aus, dass die
Liefergrades über der Drehzahl und damit die Mo- Zustandsgrößen wie Druck p, Dichte ρ und Geschwin-
mentencharakteristik des Motors im Wesentlichen digkeit u durch Mittelwerte in den einzelnen Rohr-
festgelegt. querschnitten ausreichend festgelegt werden können.
Diese Schwingungsvorgänge werden durch Druck- Weiterhin wird vorausgesetzt, dass kein Impulsverlust
wellen angeregt, die beim Öffnen und Schließen der auf Grund innerer Reibung in der Strömung auftritt.
Ventile sowie durch die Kolbenbewegung entstehen. Nur die Reibung der Strömung an der Rohrwand wird
Die folgende Abbildung zeigt den mit Hilfe einer Nie- berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Vorgänge in
derdruckindizierung erfassten Druckverlauf im Saug- einem Rohrelement, wie zum Beispiel die Umwand-
rohr eines geschleppten Einzylinder-Viertaktmotors lung von Druckenergie in Bewegungsenergie, nur auf
bei 3000 U/min. Zu Beginn des Ansaugvorganges Grund der berücksichtigten Wandreibung irreversibel
wird durch die Abwärtsbewegung des Kolbens eine sind. Somit lässt sich, ausgehend von den Erhaltungs-
Unterdruckwelle am Einlassventil erzeugt. Diese Un- gleichungen für Masse, Impuls und Energie, ein nicht-
terdruckwelle läuft auf den Luftfilter zu, der wie ein lineares inhomogenes Differenzialgleichungssystem
560 Kapitel 10 • Ladungswechsel

für eine eindimensionale instationäre Rohrströmung Bauteilbelastung, das Betriebsverhalten, die Gemisch-
1 in der Strömungsebene (x,t-Ebene) aufstellen. bildungsbedingungen, den Verbrauch und die Emissi-
onen des Motors.
2 @
@t
=−
@.  u/
@x
1 dA
−u 
A dx 
(10.32)
Bei der Spülung des Zylinders wird das verbrannte
Gemisch durch das Frischgas, im idealen Grenzfall
der reinen Verdrängungsspülung, ohne eine gegensei-
3 @.  u/
=−
@.  u2 +p/ 1 @A FR
−   u2   −
tige Vermischung aus dem Zylinder gedrängt. Davon
@t @x A @x V abweichend findet bei der Spülung des Zylinders im
(10.33)
 realen Motor, je nach Güte des gewählten Spülverfah-
4 rens, neben der Verdrängung des Abgases auch eine
@E @Œu  .E + p/ 1 dA qw Vermischung von Frisch- und Abgas statt. Hierdurch
− u  .E + p/   ;
5
=− +
@t @x A dx V wird, wie in . Abb. 10.55 schematisch dargestellt, ins-
(10.34)
 besondere bei großen Spülluftmengen – zum Beispiel
in Kennfeldpunkten hoher Last – ein Teil des Spülgases
6 wobei FR die Wandreibungskraft, V  das Volumen, mit dem Abgas vermischt aus dem Zylinder gespült
qw den Wärmestrom und E die Gesamtenergie darstellt. (Frischgasverlust). Zur Beurteilung des Ergebnisses
7 Um dieses Anfangs- und Randwertproblem lösen
zu können, sind Aussagen über den Zustand an den
beziehungsweise der Effizienz des Spülvorgangs bei
Zweitaktmotoren werden als Kennzahlen neben dem
Rohrrändern notwendig. Dieser Zustandsvektor wird Liefergrad vor allem der Fanggrad beziehungsweise der
8 von der Strömung in den Bauteilen bestimmt, die die Luftaufwand (siehe hierzu auch [11] und [12]) heran-
Rohrenden miteinander verbinden. Vereinfachend gezogen.
wird wie bei der Füll- und Entleermethode hierbei . Abb. 10.56 zeigt eine Übersicht über die wich-
9 angenommen, dass die Strömung durch diese Dros- tigsten Zweitaktspülverfahren mit prinzipbedingten
selstellen quasistationär sei. Vor- und Nachteilen.
10 zz Umkehrspülung
10.3 Gaswechsel Bei der Umkehrspülung (nach Schnürle) tritt das
11 bei Zweitaktmotoren Frischgas über im Allgemeinen zwei bis sechs spiegel-
symmetrisch zur Mittelachse des Auslasskanals ange-
10.3.1 Spülverfahren ordnete und der Richtung des abströmenden Abgases
12 entgegengerichtete Spülkanäle (Überströmkanäle) in
Das charakteristische Merkmal unterschiedlicher Bau- den Zylinder ein. Die Spülströme richten sich anein-
13 arten von Zweitaktmotoren betrifft das jeweilige Prin- ander auf und bilden an der dem Auslassschlitz entge-
zip der Zylinderspülung und die hieran gekoppelte Art gengesetzten Seite des Zylinders einen aufsteigenden
der Spülluftversorgung. Die Wahl des Spülkonzepts hat Frischgasstrom, der im Bereich des Zylinderkopfes
14 einen wesentlichen Einfluss auf den Bauaufwand, die seine Richtung umkehrt und das Abgas aus dem Zy-

15 Hubraum x Dichte Zylindervolumen x ..Abb. 10.55 Massen-


der Umgebungsluft Dichte der Umgebungsluft bilanz des Zweitaktspül-
prozesses gemäß [13]
16
im Zylinder
eingeschlossene
17 Ladung

Luftüberschuss

18 im Zylinder
zurückgehaltenes Verbrennungs-
Frischgas produkte

19 dem Zylinder
zugeführtes Abgas

20 Frischgas

Restgas Frischgasverlust Restprodukte


10.3  •  Gaswechsel bei Zweitaktmotoren
561 10

Spülkonzept Vorteile Nachteile

1. Umkehrspülung • Kompakte Bauabmessungen • Asymmetrisches Steuerdiagramm nur


• Hohe Drehzahlen möglich durch Zusatzeinrichtungen (Schieber)
möglich
• Brennraummulde kann gut gekühlt im
Zylinderkopf angeordnet werden • Asymmetrische thermische Belastung
des Kolbens
• Bei Verzicht auf Schieber einfache
Bauart • Kolbenringe durch Spül- und Auslass-
schlitze besonders gefährdet
• Ladungsdrall vergleichsweise schwie-
rig zu erzeugen

2. Gleichstromspülung • Gute Spülwirkungsgrade/niedriger Luft- • Im Vergleich zu 1 größere Bauhöhe


mit Auslassventilen aufwand • Aufwändiger/optimierter Ventiltrieb
• Einfache Generierung und Beeinflus- erforderlich um große Zylindernutz-
sung des Brennraumdralls möglich hübe und niedrige Verbräuche zu
• Brennverfahren weitgehend von Vier- realisieren
taktmotoren übernehmbar
• Asymmetrisches Steuerdiagramm ohne
Zusatzeinrichtungen möglich

3. Gleichstromspülung • Minimierung der in der Hochdruckpha- • Großer Bauaufwand


mit Gegenkolben se aufgeheizten Brennraumoberflächen • Große Bauhöhe (Baubreite)
• Asymmetrisches Steuerdiagramm allein • Extreme thermische Belastung des die
durch Kolbenkantensteuerung möglich Auslassschlitze steuernden Kolbens
• Gute Spülwirkungsgrade/niedriger Luft- • Wegen Anordnung von Düsenhalter/
aufwand Zündkerze kein konventionelles
Brennverfahren einsetzbar

4. Kopfumkehrspülung • Triebwerksaufbau sehr ähnlich dem der • Niedrige Spülwirkungsgrade/großer


Viertaktmotoren Luftaufwand
• Keine Gefährdung der Kolbenringe • Wegen begrenzten Öffnungszeitquer-
durch Spül- und Auspuffschlitze schnitten gravierender Anstieg der
Ladungswechselarbeit und der Ver-
bräuche bei höheren Drehzahlen

..Abb. 10.56  Vergleich verschiedener Spülkonzepte

linder drängt. Dieses insbesondere bei Kleinmotoren metrischen Steuerdiagramms zusätzliche technische
verbreitete Spülverfahren ist für hohe Drehzahlen Maßnahmen erforderlich.
geeignet, ergibt eine einfache Bauart sowie kompakte
Motorabmessungen und bietet bei DI-Dieselmotoren zz Gleichstromspülung
die Option, die Brennraummulde gut gekühlt im Zy- Bei der Gleichstromspülung tritt das Frischgas durch
linderkopf anzuordnen. Als nachteilig erweisen sich über den Umfang des Zylinders angeordnete Einlass-
eine asymmetrische thermische Belastung des Kol- schlitze in den Zylinder ein und schiebt das Abgas
bens, eine Gefährdung der Kolbenringe durch Spül- über zumeist mehrere im Zylinderkopf angeordnete,
und Auslassschlitze und die Tatsache, dass beim Ein- mit Kurbelwellendrehfrequenz angesteuerte Auslass-
satz einer Druckumlaufschmierung der Ölverbrauch ventile aus. Durch eine tangentiale Anordnung der
nur schwer zu kontrollieren ist. Außerdem machen Spülkanäle lässt sich verhältnismäßig einfach eine die
die Erzeugung eines für DI-Dieselmotoren üblichen Gemischbildung unterstützende Drallströmung ge-
Ladungsdralls und die Verwirklichung eines asym- nerieren beziehungsweise beeinflussen. Dieser Drall
562 Kapitel 10 • Ladungswechsel

bleibt im Allgemeinen über den gesamten Arbeitszy- im Bereich des Kolbenbodens, das Abgas durch die
1 klus in abklingender Form erhalten und muss beim gleichzeitig geöffneten Auslassventile aus dem Zylin-
folgenden Spülvorgang nicht vollständig neu generiert der. Vorteil dieses Spülverfahrens ist ein Aufbau des
2 werden. Die Vorteile der Gleichstromspülung liegen
in verhältnismäßig guten Spülwirkungsgraden (nied-
Triebwerks, der weitgehend dem vergleichbarer Vier-
taktmotoren entspricht. Weiterhin verringert der Weg-
riger Luftaufwand), der Option zur Realisierung eines fall von Spül- und Auslassschlitzen die Gefährdung der
3 asymmetrischen Steuerdiagramms ohne zusätzlichen Kolbenringe. Diesen Vorteilen steht der gravierende
Bauaufwand und der Möglichkeit, bewährte DI-Die- Nachteil gegenüber, dass auf der begrenzten Brenn-
selbrennverfahren von Viertaktmotoren weitgehend raumoberfläche des Zylinderkopfes sowohl Einlass-
4 unverändert auf Zweitaktmotoren zu übertragen. Im als auch Auslassventile angeordnet werden müssen.
Gegensatz zur Umkehrspülung lassen sich bei entspre- Gegenüber einem vergleichbaren Zweitaktmotor mit
5 chender Gestaltung der Spülschlitze die Kolbenringe Längsspülung und zum Beispiel vier Auslassventilen
vergleichsweise einfacher freidrehend anordnen, was kommt es daher in erster Näherung zu einer Hal-
der Lebensdauer zugutekommt. Bei Berücksichtigung bierung der verfügbaren Öffnungszeitquerschnitte.
6 der Bauhöhe eines mit Ventilen versehenen Zylinder- Gleichzeitig muss zur Einbringung der gleichen
kopfes ergeben sich insbesondere bei überquadrati- Frischgasmenge in den Zylinder wegen der geringeren
7 schen Hub-Bohrungs-Verhältnissen gegenüber ver-
gleichbaren Viertaktmotoren größere Motorbauhöhen,
Spülwirkungsgrade (Vermischung von Frischgas und
Abgas wegen Verwirbelung und großflächiger Berüh-
da die Spülschlitze durch den Kolbenschaft abgedeckt rung der Gasströme) bei der Kopfumkehrspülung die
8 und eine Kollision des Pleuels mit dem Kolbenschaft erforderliche Spülluftmenge wesentlich erhöht werden.
konstruktiv ausgeschlossen werden muss. Aus diesem Grunde bleibt die Höhe der erforderlichen
Außerdem werden an den Auslassventiltrieb wegen Ladungswechselarbeit und die hieraus resultierenden
9 der doppelten Ventilbetätigungsfrequenz und der be- spezifischen Kraftstoffverbräuche lediglich bei niedri-
grenzten Ventilöffnungs(kurbel)winkel bei gleichzeiti- gen Motordrehzahlen in einem akzeptablen Bereich.
10 ger Forderung nach großen Öffnungszeitquerschnitten
erhebliche konstruktive Anforderungen gestellt.
Diese Einschränkungen in der Höhe der Nenndreh-
zahlen beziehungsweise in den Verbräuchen stehen
im Widerspruch zu den Anforderungen an zukünftige
11 zz Gegenkolbengleichstromspülung Pkw-Antriebskonzepte. Davon abgesehen können bei-
Bei der Gegenkolbengleichstromspülung bewegen spielsweise kurzhubig ausgelegte, kopfumkehrgespülte
sich zwei Kolben gegenläufig in einem Zylinder, die in Zweitakt-Dieselmotoren und gegebenenfalls auch
12 ihrer inneren Endlage (OT-Stellung) den Brennraum Zweitakt-Ottomotoren als Flugantrieb mit geringeren
einschließen. Nenndrehzahlen (Verzicht auf Untersetzungsgetriebe,
13 In ihrer äußeren Endlage (UT-Stellung) gibt einer Nutzung guter Propellerwirkungsgrade) durchaus als
der Kolben die Einlass- der andere Kolben die Auslass- erfolgversprechendes Konzept angesehen werden.
schlitze frei, so dass das einströmende Frischgas mit ei- Auf weitere Spülverfahren wie Querspülung,
14 ner Hauptströmungsrichtung in der Zylinderachse das Kreuzspülung, Fontänenspülung, Umkehrspülung
Abgas aus dem Zylinder drängt. Als Vorteile können nach MAN und die verschiedenen Doppelkolbenspül-
15 hohe Spülwirkungsgrade, eine Minimierung der in der
Hochdruckphase aufgeheizten Brennraumoberfläche
konzepte (siehe hierzu auch [15] und [16]) wird hier
wegen begrenzten Spülwirkungsgraden, hohem Bau-
und eine einfache Realisierbarkeit eines asymmetri- aufwand oder sonstigen Nachteilen nicht eingegangen.
16 schen Steuerdiagramms gewertet werden. Gravierende
Nachteile dieses Prinzips ergeben sich vor allem durch
den hohen Bauaufwand, die sperrigen Motorabmes- 10.3.2 Gaswechselorgane
17 sungen, die extreme thermische Belastung des aus-
lassseitigen Kolbens (siehe hierzu auch [14]) und die Wie bereits dargelegt, werden bei der Gleichstrom-
18 beschränkte Übertragbarkeit von Brennverfahren mo- spülung der Frischgasstrom in den Zylinder und bei
derner Viertaktmotoren. der Umkehrspülung sowohl der Frischgasstrom in den
Zylinder als auch der Abgasstrom aus dem Zylinder
19 zz Kopfumkehrspülung durch Schlitze in der Zylinderwandung und den auf-
Bei der Kopfumkehrspülung strömt das Frischgas zu- und abgehenden Kolben gesteuert. Kennzeichen dieser
20 meist über zwei bis drei mit Kurbelwellendrehzahl be-
tätigte Ventile im Bereich um den UT in den Zylinder
Schlitzsteuerung ist es, dass verglichen mit üblichen
Ventilsteuerungen im Zylinderkopf in verhältnismä-
und drängt, unterstützt durch eine Richtungsumkehr ßig kleinen Kurbelwinkelbereichen große Strömungs-
10.3  •  Gaswechsel bei Zweitaktmotoren
563 10

..Abb. 10.57  Darstellung des Aufbaus eines Lamel-


lenventils zum Einsatz im Ansaugsystem von Zweitakt-
Motoren

querschnitte geöffnet und geschlossen werden können.


Mit schlitzgesteuerten Zweitaktmotoren können daher
hohe Nenndrehzahlen erreicht werden. Als charakte-
..Abb. 10.58  Einlasssystem mit kombinierter Kolben-
ristische Größe für die Auslegung und die Bestimmung kanten-/Lamellenventilsteuerung
des Gasdurchsatzes durch einen Schlitz dient der (Öff-
nungs-) Zeitquerschnitt (siehe hierzu auch [16] und
[17]). Er bezeichnet das Zeitintegral über die jeweilige der Dichtwirkung und der Akustik im Allgemeinen
Schlitzquerschnittsfläche vom Öffnen bis zum Schlie- mit einer dünnen Elastomerschicht umspritzt. Die
ßen des jeweiligen Schlitzes. Ohne weitere Maßnah- einseitig am Grundkörper fixierten Lamellen (mech.
men ergeben sich für schlitzgesteuerte Zweitaktmoto- Ersatzmodell: Kragträger mit Flächenlast) werden ent-
ren zu den Totpunkten der Kurbelwelle symmetrische weder aus 0,15 bis 0,2 mm starkem Cr-Ni-Stahlblech
Steuerdiagramme. Mit der Zielsetzung, durch ein oder neuerdings aus 0,4 bis 0,6 mm starken glasfaser-
asymmetrisches Einlasssteuerdiagramm eine bessere verstärkten Epoxidharzplatten gefertigt. Bei gleichen
Füllung der Kurbelkammer zu ermöglichen, wurden Längen-Breitenverhältnissen ergeben sich wegen eines
in der Vergangenheit eine Reihe von Zweitakt-Ottomo- vergleichbaren Quotienten aus E-Modul und Dichte in
toren zunächst mit Rohr- und Walzendrehschiebern, etwa gleiche Eigenfrequenzen von Stahl- und Epoxid-
später auch mit Scheibendrehschiebern ausgerüstet. harzlamellen.
Beim unsymmetrischen Steuerdiagramm des Dreh- Da die Lamellen mit steigender Druckdifferenz
schiebers liegt der Einlassbeginn wesentlich früher stärker öffnen, ergibt sich bei stationärer Durchströ-
als bei der Schlitzsteuerung. Da der Unterdruck in der mung in erster Näherung eine lineare Abhängigkeit
Kurbelkammer zu diesem Zeitpunkt noch verhältnis- zwischen Druckdifferenz und Massenstrom. Um eine
mäßig gering ist, wird die Luftsäule im Ansaugtrakt bei undefinierte Bewegung der Lamelle (zu weites Öffnen,
niedrigen und mittleren Drehzahlen vergleichsweise mit anschließendem frühzeitigen Zuschlagen der La-
weniger zu Gasschwingungen angeregt. Hierdurch melle, Schwingung in der zweiten Eigenform und so
ergeben sich eine stetigere Drehmomentkennlinie weiter) zu verhindern, werden Lamellenventile mit
und günstige Voraussetzungen für die Bildung eines bogenförmigen Anschlägen aus Stahlblech versehen,
Kraftstoff-Luftgemisches mit möglichst konstantem an denen sich die Lamellen beim Öffnen im Sinne ei-
Luftverhältnis im Vergaser. An Stelle von Drehschie- ner abrollenden Bewegung anlegen. Die Eigenfrequenz
bern werden bei modernen Zweitakt-Ottomotoren in der Lamellen sollte mindestens das 1,3-fache der Öff-
den letzten Jahren häufig Lamellenventile (Reedvalves) nungsfrequenz (Ansaugfrequenz des Motors) betra-
eingesetzt (siehe hierzu auch [17] und [18]). Diese wir- gen. Lamellenventile werden entweder direkt an der
ken als Rückschlagventile und öffnen sich automatisch Kurbelkammer angeordnet, oder wie in . Abb. 10.58
bei einem Druckgefälle in Richtung der Kurbelkam- dargestellt, als Kombination mit der Kolbeneinlass-
mer, während sie sich selbsttätig bei umgekehrtem steuerung eingesetzt.
Druckgefälle schließen. . Abb. 10.57 zeigt den Auf- Mit der Zielsetzung, die Nachteile des symmetri-
bau eines Lamellenventils für Zweitaktmotoren. Der schen Steuerdiagramms der schlitzgesteuerten Um-
zur Verringerung der Durchströmwiderstände in der kehrspülung zu kompensieren, werden bei moder-
Form eines Satteldachs ausgebildete Grundkörper nen Hochleistungsottomotoren teilweise im Bereich
(aus Aluminiumdruckguss oder Kunststoff) ist im des Auslassschlitzes Flachschieber, Schwenkschieber
Auflagebereich der Lamellen zur Verringerung der oder Drehschieber eingesetzt. Hierdurch lassen sich
mechanischen Belastungen sowie zur Verbesserung die Frischgasfüllung, die Drehmoment- und Leisungs-
564 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Spülergebnisses wesentlich an. Grundsätzlich lässt sich


1 – eine entsprechende Flexibilität des Spülgebläses vo-
rausgesetzt – je nach Erfordernissen bezüglich Motor-
2 temperatur, Abgastemperatur, Emission, Verbrauch
und Motorleistung (Aufladung) für einen jeweiligen
Kennfeldpunkt die Spülluftmenge in weiten Bereichen
3 variieren. Für die Spülung beziehungsweise gegebe-
nenfalls Aufladung von Zweitaktmotoren kommen im
Grundsatz sowohl Verdichter der Verdrängerbauart
4 (Hub- und Drehkolbenverdichter) als auch der Strö-
mungsbauart in Frage (siehe hierzu auch [20, 11 und
5 22]). . Abb. 10.60 zeigt eine Übersicht über verschie-
dene Gebläse beziehungsweise Laderbauarten.

6 zz Hubkolbenverdichter
Die einfachste Form des Hubkolbenverdichters bei
7 ..Abb. 10.59  Teilschnittansicht eines umkehrge-
spülten Zylinders mit Auslasskanal-Schwenkschieber
Zweitaktmotoren nutzt als Arbeitsvolumen das Kur-
belgehäuse und die Unterseite des Kolbens. Bei dieser
gemäß [19] insbesondere bei kleinen Zweitakt-Ottomotoren ver-
8 breiteten Bauart (Vorteil: kompakte Bauart, geringe
charakteristik oder wie beim Honda AR-combustion- Zusatzkosten, steile Verdichterkennline, geringe Zu-
Verfahren (Activated Radical) die Entflammung des satzantriebsleistung) strömt das Arbeitsgas bei der
9 Luft-Kraftstoff-Gemisches verbessern. . Abb.  10.59 Aufwärtsbewegung des Kolbens im Allgemeinen
zeigt eine Teilschnittansicht durch den betreffenden durch Ausnehmungen in der Zylinderwand bezie-
10 Zylinder. hungsweise dem Kolbenschaft ins Kurbelgehäuse. Bei
der anschließenden Abwärtsbewegung des Kolbens
wird das Frischgas verdichtet und strömt über Über-
11 10.3.3 Spülluftversorgung strömkanäle und vom Kolbenboden freigegebene Spül­
schlitze in den Zylinder. Durch die Verwendung von
Während bei Viertaktmotoren das Druckgefälle für Reedvalves, Drehschiebern, oder durch den Übergang
12 den Ladungswechsel durch den Ausschiebe- und auf eine Kreuzkopfladepumpe lässt sich die Spülluft-
Ansaugvorgang des Triebwerks selbst entsteht, muss menge in den durch das Hub-Bohrungs-Verhältnis
13 beim Zweitaktmotor das erforderliche Spüldruck- und dem Schadraum vorgegebenen Grenzen steigern.
gefälle durch ein separates Spülgebläse (Verdichter) Insbesondere vor dem Hintergrund begrenzter Spül-
aufgebracht werden. Eine Spülung des Zylinders kann wirkungsgrade von Zweitaktmotorenspülungen und
14 nur dann erfolgen, wenn Einlass- und Auslassorgan der Tatsache, dass auch bei modernen Dieselbrennver-
gleichzeitig geöffnet sind. Die Strömung durch das fahren wegen der Rauchgrenze üblicherweise ein Voll-
15 Ein- und das Auslassorgan lässt sich vereinfachend als
eine Strömung durch zwei in Reihe geschaltete Dros-
lastbetrieb bei wesentlichem Luftüberschuss notwen-
dig ist, erweist sich – wenn man von der komplizierten
seln (siehe hierzu auch [20] und [21]) auffassen, die Stufenkolbenbauart absieht – der geringe Liefergrad
16 ihrerseits durch einen äquivalenten Querschnitt ersetzt der Kurbelgehäusespülpumpe als gravierender Nach-
werden können. Da es, abgesehen von Einflüssen wie teil. Unter der Voraussetzung, dass es nicht gelingt,
Druckpulsation, Gastemperaturen und Abgasgegen- einen hochgradig effektiven, druckverlustarmen und
17 druck gleichgültig ist, ob die Schlitze beziehungsweise strömungsgünstigen Ölabscheider für die Spülluft zum
Ventile in einer Zeiteinheit wenige Male langsam oder Einsatz zu bringen, schließt die Forderung nach einer
18 viele Male schnell geöffnet und geschlossen werden, Minimierung der Schmierölbeladung der Spülluft
ist der Luftmengendurchsatz durch den Zweitaktmo- (Problem: HC-, Partikelemission, Kolbenringverko-
tor für ein jeweiliges Spüldruckgefälle im Grundsatz kung, „Durchgehen“ des Motors) zudem die Verwen-
19 unabhängig von der Motordrehzahl. Demgegenüber dung der bewährten, akustisch günstigen, preiswerten
besteht zwischen dem Spüldruckgefälle und der Spül- und zuverlässigen Triebwerkslagerung mittels Gleit-
20 luftmasse in erster Näherung eine quadratische Abhän-
gigkeit. Hierdurch steigt bei höheren Motordrehzahlen
lagern und die Kolbenspritzkühlung weitgehend aus.
Ein weiterer wesentlicher Nachteil der Kurbelgehäu-
der erforderliche Spüldruck zur Erzielung des gleichen sespülpumpe besteht darin, dass die Kurbelkammern
10.3  •  Gaswechsel bei Zweitaktmotoren
565 10
..Abb. 10.60 Übersicht
über verschiedene
Gebläse- beziehungs-
weise Laderbauarten:
a Flügelzellenlader,
b Rootslader, c Ro-Lader,
d Schraubenverdichtet,
e Spirallader (G-Lader),
f Turbolader

bei Mehrzylindermotoren zueinander gedichtet wer- Förderstrom in etwa linear, der Druck in etwa qua-
den müssen. Ein separater mechanisch angetriebener dratisch von der Antriebsdrehzahl abhängig. Mit
Hubkolbenverdichter vermeidet einen Teil der genann- modernen Radialladern lassen sich hohe Verdichter-
ten Nachteile, erfordert jedoch, abgesehen von einer wirkungsgrade erzielen. Da der Zweitaktmotor, abwei-
begrenzten Flexibilität bei der Anpassung der Förder- chend von den Verhältnissen am Viertaktmotor, nur
menge, einen großen zusätzlichen Bauraum und gra- eine von der Motordrehzahl annähernd unabhängige
vierende Zusatzkosten. Massendurchsatzkennlinie hat, die sich als Öffnung
(Drossel) konstanten Querschnitts auffassen lässt, ist
zz Rotationsverdichter ein mechanisch an den Motor gekoppeltes Radialge-
Unter dem Oberbegriff Rotationsverdichter (Drehkol- bläse grundsätzlich als Spülgebläse geeignet. Entspre-
benverdichter) lassen sich eine Reihe von Verdichtern chend der Zielsetzung, die Bauabmessungen des Ra-
einordnen, deren Förderung beziehungsweise Ver- dialladers zu begrenzen, ist es zweckmäßig, den Lader
dichtung durch die Verdrängungswirkung rotierender mit einer Übersetzung ins Schnelle anzutreiben. Um
Elemente beziehungsweise Kolben erzeugt wird. Zur den vom Lader geförderten Luftmassenstrom weit-
Spülung beziehungsweise Aufladung von Verbren- gehend unabhängig von der Kurbelwellendrehzahl
nungsmotoren ist die Antriebswelle mechanisch mit für jeden Kennfeldpunkt optimal an die gewünschte
der Kurbelwelle des Motors gekoppelt. Zur Gruppe Spül- beziehungsweise Ladegrade des Zweitaktmotors
dieser Lader zählen Rootslader, Flügelzellenlader anzupassen, wäre es, wie auch bei den zuvor behandel-
(Kapselgebläse), Ro-Lader, Spirallader (G-Lader) und ten Verdrängerladern, wünschenswert, den Lader mit
Schraubenverdichter. Ähnlich wie bei Hubkolbenver- einem variablen Übersetzungsverhältnis anzutreiben.
dichtern ist der geförderte Massenstrom in etwa pro- Eine derartige Lösung wurde beispielsweise beim „ZF-
portional zur Antriebsdrehzahl und fällt bei höheren Turmat“ (siehe hierzu auch [23]) verwirklicht. Abgese-
Druckverhältnissen wegen ansteigenden Leckagever- hen von hohen Baukosten, Schwingungs- und Lebens-
lusten leicht ab, wobei im Allgemeinen mittlere Ver- dauerproblemen bei variablen Antriebsübersetzungen
dichterwirkungsgrade erreicht werden. Bezogen auf ist es ein genereller Nachteil mechanisch angetriebener
ein gleiches Fördervolumen liegen die Bauabmessun- Lader, dass ein wesentlicher Anteil der Nutzleistung an
gen zwischen denen von Hubkolben- und Radialver- der Kurbelwelle zum Antrieb des Laders abgezweigt
dichtern. werden muss, wodurch sich die spezifischen Kraftstoff-
verbräuche entsprechend erhöhen.
zz Lader der Strömungsbauart
Als Lader der Strömungsbauart (Turboverdichter) zz Abgasturbolader
kommen für Fahrzeugmotoren in erster Linie Radi- Der Abgasturbolader, der bei Viertaktmotoren seit
alverdichter in Frage. Bei Radialverdichtern ist der Jahrzehnten mit Erfolg eingesetzt wird, kommt im
566 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Grundsatz auch bei Pkw- und Lkw-Zweitaktmotoren Unterstützung der Verdichterleistung entsprechend
1 als Spül- beziehungsweise Aufladegebläse in Frage. Der dem Wirkprinzip des Laders nicht möglich ist.
Vorteil der Turboaufladung liegt in der Nutzung der in
2 der Turbine umgesetzten Abgasenergie, die anderen-
falls weitgehend ungenutzt bleiben würde. Vorausset- 10.4 Variable Ventilsteuerungen
zung für den Einsatz von frei laufenden Turboladern
3 bei Zweitaktfahrzeugmotoren ist allerdings nach Schie- Mit dem Einsatz variabler Ventilsteuerungen (VVS)
ferdecker [24], dass die Gruppenwirkungsgrade von lassen sich an Verbrennungsmotoren die motorischen
Turbine und Verdichter mindestens 60 % betragen, was Zielgrößen wie der spezifische Verbrauch, das Abgas-
4 bei modernen Turboladern für dem Pkw- und Lkw- verhalten, das Drehmoment sowie die maximale Leis-
Einsatz in etwa erreicht wird. Zur weitgehenden Nut- tung positiv beeinflussen. Variable Ventilsteuerungen
5 zung der Abgasenergie in der Turbine ist es außerdem werden ihrem physikalischen Wirkprinzip nach in
von gravierender Bedeutung, dass die Abgasleitungen mechanisch, hydraulisch, elektrisch und pneumatisch
vom jeweiligen Zylinder bis zum Spiralgehäuse des betätigte Systeme unterteilt. Sowohl zu einfachen Sys-
6 Laders nicht nur strömungsgünstig, sondern auch in temen, bei denen die Steuerzeiten in zwei Stellungen
Hinblick auf minimale Wärmeverluste, optimiert sind. variiert werden können, als auch zu den komplexeren
7 Neben einer kurzen gedrungenen Gestaltung der Ka-
näle ist auch die Luftspaltisolierung, gegebenenfalls
Systemen, bei denen sogar die Laststeuerung der Moto-
ren durch variable Steuerzeiten realisiert werden kann,
sogar der Einsatz von Portlinern, in Erwägung zu zie- sind zahlreiche Systeme bekannt und liegen umfang-
8 hen. Um über einen möglichst großen Kennfeldbereich reiche Forschungsergebnisse vor. In . Abb. 10.61 ist
ein positives Spüldruckgefälle zu gewährleisten, ist es eine detailliertere Gliederung der variablen Ventilsteu-
naheliegend, Lader mit variabler Turbinengeometrie erungen vorgenommen worden. Bei dieser feineren
9 (Verstellbeschaufelung, Schiebelader, Doppelspiralla- Gliederung ist von dem Bauteil der Nockenwelle aus-
der (Twin skroll, Fa. Aisin)) (siehe hierzu auch [23]) gegangen worden. Von drei gewählten Gliederungs-
10 einzusetzen. Ein vorteilhafter Nebeneffekt der Tur-
boaufladung und der Aufladung mittels Ladern mit
ebenen stellt das Nockenwellenkriterium die erste dar.
Systeme, die ihre Energie zur Ventilbetätigung ohne
verstellbarer Turbinengeometrie im Speziellen ist es, Nockenwelle bereitstellen, werden direkt nach Art des
11 dass durch den Rückstau der Abgase vor der Turbine physikalischen Wirkprinzips unterteilt. Entsprechend
auch bei Spülkonzepten mit symmetrischem Steuer- handelt es sich hier um elektrisch, pneumatisch, hyd-
diagramm (zum Beispiel Umkehrspülung) prinzipi- raulisch und mechanisch betätigte Systeme. Bei Syste-
12 ell hohe Aufladegrade möglich sind. Ein derartiges men, die eine Nockenwelle zur Steuerung verwenden,
Prinzip wurde – allerdings in extremer Form – beim wird zwischen der Verwendung von konventionellen
13 Turbocompound-Flugmotor „Napier Normad“ (siehe und speziellen Nockenwellen unterschieden. Hierbei
hierzu auch [25]) verwirklicht. Um bei Beschleuni- werden Nockenwellen als konventionell bezeichnet,
gungsvorgängen aus niedriger Last und Drehzahl und die eine übliche Nockengeometrie aufweisen und die
14 beim Motorstart ein positives Spüldruckgefälle zu sich mit gebräuchlichen Werkstoffen und mit bekann-
erzeugen, ist die Reihenschaltung eines zusätzlichen ten Fertigungsverfahren herstellen lassen. Die zweite
15 mechanisch oder elektrisch angetriebenen Laders
oder ein mechanischer Hilfsantrieb des Turboladers
Unterteilungsebene wird durch den Wirkort der Vari-
abilität gekennzeichnet. Mit der dritten Unterteilungs-
erforderlich. Eine interessante Alternative hierzu stel- ebene, die das Wirk- und Funktionsprinzip variabler
16 len Turbolader mit elektrischer Unterstützung dar. Bei Ventilsteuerungen beschreibt, kommt man zur Unter-
diesen Ladern wird bedarfsabhängig ein Teil der An- teilung in 17 Gruppen. An dieser Stelle wird nur auf
triebsleistung für den Verdichter zum Beispiel durch einzelne Systeme eingegangen. Die in Serie befindli-
17 einen im Lader integrierten Asynchron-Elektromotor chen Systeme sind dabei von besonderem Interesse.
geliefert (siehe hierzu auch [26]). In der Gliederung in . Abb. 10.61 sind die Gruppen
18 Es sei angemerkt, dass bezüglich der thermodyna- aus denen die Serienlösungen stammen grau unterlegt.
mischen Verhältnisse bei der Koppelung mit Zweitakt- Die Vielzahl der variablen Ventilsteuerungen
motoren für den Druckwellenlader (Comprexlader), macht es dem Entwickler schwer, eine für seine Anwen-
19 sinngemäße Aussagen wie für den Turbolader gelten. dung geeignete Steuerung auszuwählen. Die verschie-
Prinzipiell nachteilig sind allerdings eine Erwärmung densten Systeme greifen in das Zylinderkopfkonzept
20 des Frischgases durch einen kurzzeitigen direkten
Kontakt von Frischgas und Abgas, und dass bei die-
derart ein, dass mit dem Einsatz variabler Ventilsteue-
rungen erhebliche Bauteilanpassungen zu treffen sind.
sem Laderprinzip eine mechanische oder elektrische Für den Einsatz an Serienmotoren hat dieses in der
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
567 10
..Abb. 10.61 Glie-
Art der Ventilbetätigung Wirkort der Variabilität Wirk- und
derung der variablen Funktionsprinzip
Ventilsteuerungen [27]
Systeme ohne elektrische Systeme
Nockenwelle
pneumat. Systeme

hydraulische Systeme

mechanische Systeme

Systeme mech- und hydr.


mit Nockenwelle NM-Verstellung
Variabilität am
Nockenwellenantrieb mech. NW-Antrieb mit
ungleichföriger
Bewegung

mechanisch

Variabilität am geschlossenes
Verwendung von hydraulisches System
Übertragungsglied
konventionellen
zwischen Nocken
Nockenwellen hydraulisch mit
und Ventil
konstantem Abfluss

hydraulisch mit
Variabilität durch getaktetem Abfluss
zusätzliche NW
mech. Modulation
Variabilität an der zweier NW
Ventilfeder
elektromagnetisch
Variabilität am
Ventilsitz mechanisch

Variabilität am mech. Verschieben


Nocken von Nockenteilen
Verwendung von
Variabilität durch axial mech. Variabilität
speziellen
verschiebbare NW durch Raumnocken
Nockenwellen
Variation zwischen mech. frei
Nocken und Ventil schließendes Ventil

Sonstige Systeme

Regel zur Folge, dass mit variablen Ventilsteuerungen der Ventilerhebung zu bewerkstelligen. Im Vergleich
an Serienmotoren gleichzeitig eine neue Zylinderkopf- zur reinen Drosselregelung (DR) mit der konventionel-
generation entwickelt werden muss. In der Regel ist mit len Drosselklappe sind in . Abb. 10.62 vier mögliche
dem Einsatz variabler Steuerzeiten ein Mehraufwand Laststeuerungsverfahren durch Variation der Einlass-
gegenüber dem konventionellen Motor verbunden, der ventilerhebung dargestellt.
sich in Mehrkosten ausdrückt. Dieses Umfeld stellt sich Das Laststeuerungsverfahren „früher Einlass-
für den Motorenentwickler besonders spannend dar. Schluss“ (FES) begrenzt die Frischgasmenge durch
Zukünftig wird die Möglichkeit, mit variablen frühzeitiges Schließen des Einlassventils, sobald die
Ventilsteuerungen die Laststeuerung der Motoren zu Füllung durch die einzustellende Last erreicht ist.
übernehmen, mehr an Bedeutung gewinnen. Durch Bei Leerlauf beträgt die Einlassventilöffnungsdauer
die Variation der Ventilerhebungskurvenform sollen circa 60 °KW. Durch die Steuerung „später Einlass-
als wesentliches Ziel, die Ladungswechselverluste bei Schluss“ (SES) wird aufgrund einer langen Öffnungs-
Teillast gesenkt werden und damit der Kraftstoffver- zeit des Ventils der Teil der Füllung während des Auf-
brauch vermindert werden. Ziel vieler Entwicklungstä- wärtshubs des Kolbens aus dem Zylinder gefördert,
tigkeiten ist der Entfall der Drosselklappe bei Ottomo- der für die einzustellende Leistung nicht benötigt
toren, um die Laststeuerung allein über die Variation wird. Diese Ladungsmenge passiert mit den ent-
568 Kapitel 10 • Ladungswechsel

An dieser Stelle sei erlaubt, eine Abschätzung zu


1 DR
treffen, inwieweit durch Verwendung von variablen
Ventilsteuerungen Verbrauchs- oder Emmissionsver-
2 FES besserungen erzielt werden. Sichtet man die Ergebnisse
der Literatur, wie zum Beispiel in [27], ist festzustellen,
dass Verbrauchsverbesserungen im Mittel zwischen
3 SES 5 und 15 % in einigen Kennfeldbereichen des Motors
zu erzielen sind. Oftmals sind jedoch an den in der
Ventilhub [mm]

Literatur aufgezeigten Motoren neben dem Einsatz va-


4 riabler Ventilsteuerungen andere Motoroptimierungs-
SEÖ
maßnahmen getroffen worden, so dass der Anteil, der
5 auf die Verwendung variabler Ventilsteuerungen zu-
rückzuführen ist, nicht direkt ersichtlich ist.
VME
Im Vergleich zu Ottomotoren ist das zu verbes-
6 sernde Potenzial durch den Einsatz variabler Ventil-
Kurbelwinkel [°KW]
steuerungen bei Dieselmotoren begrenzt. Hierzu exis-
7 ..Abb. 10.62  Verstellmöglichkeiten der Ventilerhe-
tieren relativ wenige Untersuchungen. Die Zukunft
wird zeigen, inwieweit auch hier mit Systemen an Se-
bungskurven bei variablen Ventilsteuerungen rienmotoren zu rechnen ist.
8
sprechenden Verlusten zweimal die Drosselstelle des
Ventils. Bei der Laststeuerung mittels des Verfahrens 10.4.1 Nockenwellenversteller
9 „spätes Einlass-Öffnen“ (SEÖ) wird das Einlassventil
erst dann geöffnet, wenn die restliche Öffnungszeit 10.4.1.1 Überblick
zu Funktionsprinzipien
10 der erforderlichen einströmenden Gemischmenge
entspricht. Zu Einlassbeginn herrscht im Zylinder von Nockenwellenverstellern
ein hoher Unterdruck, der durch Turbulenz die Ge- Schon am 29. September 1918 wurde zur Verdrehung
11 mischaufbereitung begünstigt. Die Beeinflussung einer Ottomotoren-Nockenwelle ein Patent erteilt
der Zylinderfüllung durch die Steuerung „Variabler- [27]. Durch eine innen und außen sowohl gerad- als
Maximaler-Einlassventilhub“ (VME) erfolgt durch die auch schrägverzahnte Hülse, die sich axial beweglich
12 Reduktion des Ventilhubes bei gleichen Öffnungswin- zwischen der Nockenwelle und dem Antriebsrad be-
keln. Anstelle der Drosselklappe wirkt das Ventil als findet, wird die gewünschte Variation während des
13 Drosselstelle, wodurch keine Reduktion der Ladungs- Motorbetriebs erreicht (. Abb. 10.63). Damit werden
wechselarbeit erfolgt. Die Ventilreibung kann jedoch die Nocken beziehungsweise die Nockenwelle in ihrer
gesenkt werden, da die Ventilfedern nur noch einen relativen Winkellage zur Kurbelwelle verdreht.
14 Teil zusammengedrückt werden. Der Erfinder dieses Patentes, Samuel Haltenber-
Die Auswirkungen der Einflussparameter zur ger, sah den Versteller für eine Flugzeugmotor zur
15 Veränderung der Ventilerhebungskurve sind bekannt.
Ein idealer Ventiltrieb wäre der, der große Gestaltungs-
Leistungsanpassung an verschiedene Flughöhen vor.
Die schrägverzahnte Hülse (2) wird in axialer Rich-
möglichkeiten der Ventilerhebungskurven zulässt. tung durch Luftdruck mittels eines Verstellergestänges
16 Auch wäre die Kombination einiger Laststeuerungs- (4) verschoben. Dabei verändert sich die relative Win-
verfahren sinnvoll. Systembedingt lassen sich jedoch kellage der Nockenwelle (1) gegenüber des antreiben-
durch die verschiedenen variablen Ventilsteuerungen den Kegelrades (3), das mit der Kurbelwelle gekop-
17 nur eingeschränkte Freiheitsgrade realisieren. Außer- pelt ist. Auf Basis des gleichen Funktionsprinzip der
dem ist der Aufwand an Systemtechnik für den Einsatz gerad- und schrägverzahnten Hülse hat die Fa. Alfa
18 variabler Ventilsteuerungen erheblich, die der ange- Romeo 1983 an einen Nockenwellenversteller an ei-
strebten Vollvariabilität nahekommen. Schon mit der nem Zweiventilmotor mit zwei Nockenwellen in Serie
Verwendung von Systemen, die die Nockenwellen re- gebracht (. Abb. 10.64). Der Versteller sitzt auf der
19 lativ zur Kurbelwellenlage verdrehen, sind die erzielba- Einlassnockenwelle und ermöglicht die Verstellung
ren motorischen Verbesserungen groß. Diese Systeme der Steuerzeiten für zwei Stellungen. Im Leerlauf wird
20 sind an Serienmotoren in großer Breite vertreten, so-
dass in dem nachfolgenden Kapitel auf diese Systeme
die späte Steuerzeitenstellung durch eine Rückstellfe-
der (10) gehalten und je nach anliegendem Öldruck
besonders eingegangen wird. und Drehzahl wird die Verstellung zur frühen Steu-
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
569 10
..Abb. 10.63 Patent
eines Nockenwellen-
verstellers aus dem
Jahr 1918 [28]

..Abb. 10.64 Nocken- 1: Nockenwelle
wellenversteller der Fa. 2: Ölzufuhrrille
8 9 10
3: Schrägverzahnung 7
Alfa Romeo aus dem 4: Kettenrad
Jahr 1983 [29] 5: Steuerungsventil

1
2
6: Hubmagnet
7: Zahnradnabe
3 8: Geradverzahnung
9: Verstellkolben
6 10: Rückstellfeder
4
5

erzeit durchgeführt. Dabei wird der Motoröldruck hes Druckniveau aufweisen muss, um stabile Stellun-
durch einen Hubmagnet (6), der das Steuerungsven- gen der Verstellelemente zu gewährleisten.
til (5) betätigt, auf den schrägverzahnten Kolben (9) Die Position des Nockenwellenverstellers sollte
gebracht. Das Verstellelement ist der schrägverzahnte sich sinnvollerweise direkt im Bereich des Antriebs der
Kolben (9), der durch Öldruck gegen die Federkraft Nockenwelle befinden. Der Kraftfluss zum Antrieb der
bewegt wird. Durch die verwendete Schrägverzah- Nockenwelle kann hier am einfachsten unterbrochen
nung (3) an Kolben und Nockenwelle wird bei axia- werden, und durch die Wahl geeigneter Verstellele-
ler Verschiebung des Kolbens die Nockenwelle relativ mente kann die Variation der Nockenwellenverdre-
zum Kettenantriebsrad (4) und damit zur Kurbelwelle hung einfach ermöglicht werden.
verdreht. Recherchiert man in der Literatur und in den be-
Bei den in den . Abb. 10.63 und 10.64 erwähn- kannten Patentanmeldungen, so lässt sich eine Vielzahl
ten Systemen handelt es sich um Konstruktionen, bei verschiedener Funktionsprinzipien für Nockenwel-
denen ein mechanisches Wirkprinzip angewandt ist. lenversteller finden. Aufgrund einer durchgeführten
Hiermit ist gemeint, dass der Kraftfluss zum Betätigen Patentrecherche sind den Autoren circa 3000 verschie-
der Ventile nur über Komponenten erfolgt, bei denen dene Anmeldungen bekannt. Trägt man diese Anmel-
Reib- oder Formschluss vorliegt. Die Bewegung und dungen zum Beispiel über den Zeitraum der letzten
das Halten der Verstellelemente wie zum Beispiel der 25 Jahre nach ihrem Anmeldedatum auf, lässt sich ein
Kolben bei dem Alfa Romeo Versteller in . Abb. 10.64 starker Anstieg an Aktivitäten auf diesem Gebiet er-
können jedoch über Öldruck erfolgen. Bei einem No- kennen. Nach der Serieneinführung des Alfa-Romeo-
ckenwellenversteller mit einem hydraulischen Wirk- Verstellers steigt die Anzahl der Patentanmeldungen
prinzip wäre im Kraftfluss zur Ventilbetätigung eine drastisch an. In . Abb. 10.65, in dem der Stand von
hydraulische Komponente vorhanden. Dieses erfolgt September 2004 dargestellt ist, sind die Anmeldeakti-
dann über ein Ölvolumen, dass ein entsprechend ho- vitäten der Jahre 1980 bis 2003 aus einer erstellten Da-
570 Kapitel 10 • Ladungswechsel

350 ..Abb. 10.65 Anzahl
1 301
der erfassten Patentan-
300 meldungen und Offen-
Anzahl der Patentanmeldungen

259 267 legungsschriften von


zu Nockenwellenverstellern

2 250
248
Nockenwellenverstellern
214 Jahr 1980 bis 2004
200 187 188
3 170
150
150
118 113 128

4 100
100 101
79

50 41
5 3 8
29
16 24 21
26 25

6
1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Jahr

7 Nockenwellenversteller der ersten Gruppe gehören Systeme, die ähnlich des


Alfa-Romeo-Prinzips eine Schrägverzahnung einset-
8 mechanische hydraulische zen und ein mechanisches Wirkprinzip aufweisen. Als
Wirkprinzipien Wirkprinzipien zweite Lösung sind es hydraulisch betätigte Kettenver-
steller, wobei durch Verschiebung des Kettentrums die
9 axiale Verschiebung eines
gewünschte Nockenwellenverdrehung erfolgt. Zu der
Kolbens oder Ritzels in oder aktuelleren Gruppe zählen die Systeme mit hydraulisch
10
an der Nockenwelle Riemen- oder Kettenverstellung
am Nockenwellenantrieb
betätigten Schwenkmotoren am Nockenwellenantrieb.
Planetengetriebe am Auf die einzelnen Systembeschreibungen wird im
Nockenwellenantrieb Schwenkmotor-Verstellung ▶ Abschn. 10.4.1.3 genauer eingegangen.
11 Differentialgetriebe
an der Nockenwelle
Alle Nockenwellenversteller an Serienmotoren
an der Nockenwelle befinden sich am Nockenwellenantrieb. In den Ventil-
hub oder die Ventilöffnungsdauer greifen die Versteller
12 Riemen- oder Kettenverstellung
am Nockenwellenantrieb nicht ein. Hierzu sind ebenfalls eine Vielzahl anderer
Systeme bekannt. Die Wirkorte der Verstellung von
13 Fliehkraftverstellung an
der Nockenwelle
Ventilhub und -öffnungsdauer befinden sich in der
Regel zwischen Nocken und Ventil. Damit können
..Abb. 10.66  Gliederung der Nockenwellenversteller Nockenwellenversteller mit diesen Systemen kombi-
14 ihrem Funktionsprinzip nach niert werden.
Als Beispiel eines Systems zur Veränderung der
15 tenbank zahlenmäßig erfasst. Für die Jahre 2002 und
2003 können nicht alle Anmeldungen erfasst werden,
Ventilhub- beziehungsweise -öffnungsdauer sei das
sogenannte „VTEC“-System der Fa. Honda erwähnt
da zwischen Anmeldedatum und Offenlegungstag [30]. Dieses System erlaubt durch die Veränderung der
16 18 Monate liegen. Übertragungsgeometrie zwischen Nocken und Ventil
Die bekannten Versteller lassen sich in verschie- verschiedene Ventilhübe und -öffnungsdauern. An
dene Funktions- und Wirkprinzipien unterteilen. In vielen verschiedenen Motoren sind diese Systeme im
17 . Abb.  10.66 sind diese Prinzipien dargestellt. Im Einsatz (siehe auch ▶ Abschn. 10.4.2).
Wesentlichen handelt es sich bei den Verstellern um
10.4.1.2 Motorische Auswirkungen
18 Systeme, die entweder ein mechanisches oder hyd-
durch Nockenwellenversteller
raulisches Wirkprinzip verwenden. Am häufigsten
werden Lösungen angewandt, bei denen ähnlich wie Die Zielsetzung für den Einsatz von Nockenwellen-
19 beim Alfa- Romeo-Versteller durch axiale Verschie- verstellern kann sehr unterschiedlich sein. Durch die
bung eines Kolbens die Winkelverdrehung durch die relative Winkelveränderung der Lage der Nocken- zur
20 Verwendung einer Schrägverzahnung erzielt wird. An
Serienmotoren sind im Wesentlichen nur drei Prin-
Kurbelwelle kann beim Pkw-Ottomotor sowohl die
maximale Leistung, der Drehmomentverlauf über der
zipien zu finden – in . Abb. 10.66 grau unterlegt. Zu Drehzahl als auch das Abgasverhalten positiv beein-
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
571 10

lassschluss zu späteren Steuerzeiten verschoben. Der


Zeitpunkt ist so zu wählen, dass die Zylinderfüllung
Ventilhub [mm]

möglichst optimal ist und damit große Liefergrade er-


zielt werden. Ein Rückströmen der Ladung aus dem
Auslass- Einlass- Zylinder in den Saugkanal kann durch die drehzahl-
ventilhub ventilhub
mäßige Anpassung des Einlassschlusses vermieden
UT OT UT werden.
Kurbelwinkel [°KW] Mit Nockenwellenverstellern kann die Ventilüber-
schneidung derart variiert werden, dass der Restgasan-
..Abb. 10.67  Veränderliche Nockenkonturen bei
teil des Motors gesteuert werden kann. Üblicherweise
Verwendung von stufenlos wirkenden Verstellern an
der Ein- und Auslassnockenwelle wird dem Zylinder das Restgas über eine externe Ab-
gasrückführeinrichtung zur Verfügung gestellt. Durch
das Verbleiben von Restgas im Zylinder wird das
flusst werden. Nockenwellenversteller sind sowohl für Temperaturniveau der Verbrennung begrenzt. Hier-
zwei Winkelstellungen als auch für variable Verände- mit werden die NOx-Emissionen positiv beeinflusst.
rung der Winkellage in Serie. In . Abb. 10.67 sind die Mit stufenlos wirkenden Nockenwellenverstellern
Verstellmöglichkeiten von Ventilerhebungskurven bei kann durch die Veränderung der Ventilüberschnei-
Verwendung von zwei stufenlos wirkenden Nocken- dung eine interne Abgasrückführung erfolgen. Dabei
wellenverstellern prinzipiell dargestellt. Die strich- wird ein Überströmen des Abgases vom Auslass- in
linierten Kurven sollen die möglichen Endlagen der den Einlasskanal während der Überschneidungsphase
Steuerzeitenlagen darstellen. im Gaswechsel-Totpunkt ermöglicht. Der Vorteil der
Da durch Nockenwellenversteller nur die Lage internen Rückführung wird durch eine kurze Totzeit
der Steuerzeiten, nicht aber die Ventilerhebungskur- des Systems und durch eine bessere Gleichverteilung
ven verändert werden, sind die motorischen Auswir- der rückgeführten Abgasmenge erreicht. Bei der Aus-
kungen begrenzt. Jedoch lässt sich das zu erreichende legung der Ventilüberschneidung sind stets Kompro-
Verbesserungspotenzial an Motoren einfacher wäh- misse zu machen. So ist zum Beispiel die maximal
rend der Entwicklung abschätzen als zum Beispiel mögliche Ventilüberschneidung durch die Lage der
bei vollvariablen Ventilsteuerungen. Zur Potenzial- Ventile begrenzt, die bei zu großer Überschneidung
abschätzung werden Ladungswechselrechnungen mit mit dem Kolben kollidieren.
numerischen Programmen durchgeführt. Der gesamte Als Beispiel sei an dieser Stelle die Regelstrategie
Ladungswechsel des Motor kann bezüglich Drehmo- einer Doppelnockenwellenverstellung eines Motors der
ment- und Leistungsverhalten sowie des Restgasanteils Fa. VW (. Abb. 10.68) dargestellt [31, 32]. Für einen
abgeschätzt werden. Hierzu werden alle am Ladungs- Saugmotor mit Schaltsaugrohr und Verstellung der
wechsel beteiligten Komponenten wie zum Beispiel Ein- und Auslassnockenwellen sind vier prinzipielle
Saugrohr oder Abgasanlage parametrisiert und im Be- Stellungen mit der entsprechenden kurzen oder langen
rechnungsmodel abgebildet [27]. Die Ventilerhebungs- Saugrohrstellung dargestellt.
kurven werden ausgelegt und ebenfalls mit den mögli- Bei dieser Darstellung ist auch der Einfluss ver-
chen Steuerzeiten in den Ladungswechselrechnungen schiedener Saugrohrlängen in Kombination mit No-
berücksichtigt. Damit lassen sich die Leistungs- und ckenwellenverstellern auf der Ein- und Auslassventil-
Drehmonentcharakteristik des Motors zuverlässig vor- seite dargestellt. Bei den so möglichen Freiheitsgraden
herbestimmen. Die zur Verstellung der Nockenwellen gilt es, eine entsprechend sinnvolle Verstellstrategie zu
benötigten Parameter werden grob ermittelt und in erarbeiten und festzulegen. Je nach Motorauslegung
Versuchen feiner abgestimmt. kann diese Strategie unterschiedlich sein. So ist zum
Zunächst kann durch die Verwendung eines No- Beispiel zur Erreichung eines hohen Drehmomentni-
ckenwellenverstellers auf der Einlassventilseite je nach veaus bei mittleren Drehzahlen ein langer Saugrohr-
Nockenkonturauslegung das maximale Drehmoment kanal nötig. Die Einlasssteuerzeit wird für diesen Fall
oder die Höchstleistung positiv beeinflusst werden. mit steigender Drehzahl drehzahlabhängig von „früh“
Ein Motor mit festen Steuerzeiten beziehungsweise nach „spät“ geschaltet. Bei höheren Drehzahlen wird
Nockenkonturlagen kann nur bezüglich Leistung und ein kurzer Saugrohrkanal geschaltet und die Verstel-
Drehmoment eine Kompromisauslegung erhalten. lung der Einlassnockenwelle zur Erzielung der Maxi-
Für die maximale Leistung des Motors ist die Lage des malleistung in Richtung „spät“ verstellt.
Einlasschlusses der Einlassventilerhebungskurve be- In . Abb. 10.69 sind exemplarisch die Steuerzeiten
stimmend. Zu höheren Drehzahlen hin wird der Ein- der Ventilerhebungskurven für die einzelnen Nocken-
572 Kapitel 10 • Ladungswechsel

2 ..Abb. 10.68 Regel-
1 1
Vollast Saugrohr- Einlass- Auslass-
strategie der Doppelno-
ckenwellenverstellung
2 stellung NW NW
eines VW-V6-Motors [32]
2
Nutzmitteldruck

2 lang früh spät


3 1
1 lang spät spät
2 kurz früh spät
3 1 kurz spät spät

4 3 Teillast früh spät

4 4 Leerlauf spät früh

Drehzahl
5
Frühstellung Spätstellung
6 Einlass öffnet 26° v.OT 26° n.OT
Einlass schließt (langer Kanal) 179° n.OT 231° n.OT
7 Einlass schließt (kurzer Kanal) 184° n.OT 236° n.OT
Auslass öffnet (kurzer Kanal) 236° v.OT 214° v.OT
8 Auslass öffnet (langer Kanal) 231° v.OT 209° v.OT
Auslass schließt 26° v.OT 4° v.OT
9
..Abb. 10.69  Steuerzeiten für Doppelnockenwellenverstellung eines VW-V-6-Ottomotors bei 1 mm Ventilhub
[32]
10
wellen- und Saugrohrstellungen eines Sechszylinder- tilseitenverstellung liegt die spezifische Verbrauchsre-
11 motors dargestellt. duzierung bei circa 10 %.
Galt es beim Einsatz der ersten in Serie einge-
setzten Nockenwellenversteller, die nur zwei Steu- 10.4.1.3 Nockenwellenversteller
12 erzeitenstellungen realisieren, zunächst primär die an Serienmotoren
Leistung beziehungsweise das Drehmomnetverhalten Nach der Serieneinführung des Alfa Romeo Nocken-
13 zu verbessern, wird heute auch auf die Steuerung der wellenverstellers folgten weitere Serieneinsätze wie die
inneren Abgasrückführung durch Verwendung von zum Beispiel der Firmen Mercedes Benz [33], Nissan
stufenloswirkenden Verstellern Wert gelegt [31]. Die oder auch anderer Firmen [34]. Die meisten dieser Sys-
14 Verstellung der Einlassnockenwelle wird zur Dreh- teme setzen ähnlich der Lösung der Firma Alfa Romeo
momentsteigerung speziell im unteren Drehzahlbe- als Wirkprinzip auf die Verwendung von einer Gerad/
15 reich und zur internen Abgasrückführung genutzt,
wobei aus der Leistungsstellung „Einlass öffnet“ in
Schrägverzahnung.
Ein System, dass die Verstellung der Steuerzeiten
Richtung „früh“ mit einem Winkelbereich von ma- durch eine Kettentrumveränderung vornimmt, ist der
16 ximal 52° Kurbelwinkel verstellt wird. Die Verstel- Nockenwellen-Kettenversteller der Fa. Hydraulik-
lung der Auslasswelle kann einerseits für optimale Ring [35]. Hierbei befindet sich das Verstellelement
Leerlaufqualität aus der Leistungsstellung „Auslass zwischen den beiden Nockenwellenantriebsrädern,
17 schließt“ in Richtung „früh“ oder zur Erreichung ma- wobei die Einlassnockenwelle (ENW) von der Aus-
ximaler Abgasrückführraten in Richtung „spät“ er- lassnockenwelle (ANW) angetrieben wird. Das Sys-
18 folgen, wobei jeweils ein Winkelbereich von maximal tem des Verstellers ist die Kombination eines Ketten-
22° Kurbelwinkel ausreichen. Im Vergleich zu einem spanners, der üblicherweise für einen solchen kurzen
konventionellen Zweiventilmotor ohne Nockenwel- Trieb benötigt wird, mit einem Hydraulikzylinder zur
19 lenverstellung zu dem unter [31] beschriebenen Vier- Kettentrumveränderung. Je nach gewünschter Steu-
ventilmotor mit Nockenwellenverstellung lassen sich erzeitenstellung wird der beidseitig mittels Öldruck
20 Verbrauchseinsparungen im Leerlauf um 15,5 % im
Teillastbereich bei 2000 1/min und 2 bar um 5,5 %
beaufschlagte Hydraulikzylinder bewegt. Auf diese
Weise wird bei Verstellung die eine Kettenseite ver-
erzielen. Bei Verwendung von Ein- und Auslassven- längert und die andere gleichzeitig verkürzt. Mit dem
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
573 10
..Abb. 10.70 Funkti- Stellung „spät“ Stellung „früh“
onsprinzip des Nocken-
wellen-Kettenverstellers Hydraulikzylinder
[36]

ANW ENW

Kettenspanner Winkelverstellung

Versteller werden zwei Steuerzeitenstellungen an der


Einlassnockenwelle realisiert (. Abb. 10.70).
Auch während der Verstellung bleibt der Ket-
tentrieb zwischen den beiden Antriebsrädern der
Nockenwellen durch den im System integrierten Ket-
tenspanner gespannt. Die Ansteuerung des Verstellzy-
linders des Verstellers erfolgt durch ein elektronisch
angesteuertes hydraulisches 4/2-Wegeventil. Bei der
hier dargestellten Verstellerlösung handelt es sich um
eine hydraulische variable Ventilsteuerung, da das
Halten der Endstellungen rein über Öldruck erfolgt
(. Abb. 10.71). Die Konstruktion ist der Art ausgebil-
det, dass auch unter widrigen Bedingungen die Verstel-
lung mit dem vorhandenen Motoröldruck erfolgt. Auf ..Abb. 10.71  Nockenwellenversteller als Kettenver-
eine kostentreibende Zusatzölpumpe kann verzichtet steller für den Porsche Boxter [37]
werden. Dieses Verstellprinzip ist an verschiedenen
Motoren der Firmen Audi, Porsche und im restlichen stellers befindet sich ein schwenkbarer Rotor, der mit
Volkswagenkonzern in Serie [35–37]. der Nockenwelle fest verbunden ist. Das Außenteil
Über das Halten von zwei Nockenwellenstellun- wird entweder über eine Kette oder einen Zahnrie-
gen hinaus sind auch Entwicklungen mit der stufen- men angetrieben. Die Verbindung zwischen Außen-
losen Verstellung der Einlassnockenwellen erfolgreich und Innenteil stellt der Ölraum dar, der durch Motor-
durchgeführt worden. Diese Lösung wurde an Serien- öldruck versorgt den schwenkbaren Rotor beinhaltet.
motoren nicht realisiert. Die Flügel des Rotors werden über ein elektronisch
Die Fa. BMW hat als Erste auch die stufenlose gesteuertes 4/2-Wege-Proportionalventil beidseitig
Verdrehung der Nockenwelle in Großserie realisiert mit Öldruck versorgt. Je nach Öldruckveränderung
(. Abb.  10.72). Zunächst wurde dieses nur an der an beiden Rotorseiten wird die relative Winkellage
Einlassnockenwelle vorgenommen; später folgte die der Nockenwelle verändert. Die über einen Sensor
stufenlose Verdrehung der Ein- und Auslassnocken- gemessene Nockenwellenwinkelstellung wird mit der
welle [38]. von der Motorelektronik vorgegebenen verglichen.
Eine neue Generation von Nockenwellenver- Über die Ansteuerung des Proportionalventils wird
stellern wird durch die Systeme dargestellt, die nach die gewünschte Stellung der Nockenwelle permanent
dem Schwenkmotor-Prinzip aufgebaut sind ([39]; nachgeregelt, so dass stabile Zwischenstellungen des
. Abb. 10.73). Rotors und damit der Nockenwelle gehalten werden.
Sowohl an der Einlass- als auch an der Auslass- Die Ölversorgung erfolgt ohne Zusatzpumpe allein
nockenwelle kann das System einfach an vorhandene durch Motoröl. Die Regelung des Systems geschieht in
Zylinderköpfe adaptiert werden. Im Inneren des Ver- Abhängigkeit von Drehzahl, Last und Motortempera-
574 Kapitel 10 • Ladungswechsel

..Abb. 10.72 Stufenlos
1 Gerad/Schrägverzahnung wirkende Nockenwel-
lenverstellung an einem
BMW-Sechszylindermo-
2 tor [38]

3
4
5
6
Verstellkolben Kettenspanner
7
8 Nockenwellen-
sensor
zahnten Zweipunkt-Verstellern eine kostengünstigere
Lösung darstellen. Eine genauere Beschreibung dieses
Systems erfolgt in [40].
9 Die konstruktive Ausführung von zwei Nocken-
wellenverstellern nach dem Schwenkmotor-Prinzip
10 der Fa. Hydraulik-Ring für einen Sechszylindermotor
ist in . Abb. 10.74 dargestellt [31].
In . Abb.  10.75 ist die Anordnung von zwei
11 Nockenwelle
Nockenwellenverstellern nach dem Schwenkmotor-
CPU Schwenkmotor- Prinzip an dem 3,0-l-Audi-V6-Motor für die linke
Zylinderbank dargestellt. An diesem Motor wird auf
12
versteller
Kurbelwellensensor der Auslassventilseite ein Zweipunktversteller und auf
4/2-Wege
Proportional- der Einlassventilseite ein stufenlos wirkender Versteller
13 ventil eingesetzt. Bei dieser konstruktiven Ausführung für
Temperatursensor
Motoröl- einen Zahnriemenantrieb der Nockenwellen muss das
pumpe
Verstellergehäuse öldicht gekapselt sein.
14 Drosselklappe Neben den in Serie befindlichen Systemen der
Firma Hydraulik-Ring bei Audi und VW, sind ähn-
15 liche Systeme nach dem Schwenkmotor-Prinzip bei
den Firmen Renault, Toyota und Volvo in Einsatz [33].
..Abb. 10.73  Funktionsprinzip und Regelkreis eines
Zur hydraulischen Ansteuerung der Nockenwel-
16 stufenlos wirkenden Nockenwellenverstellers nach
dem Schwenkmotor-Prinzip [39] lenversteller kommen die unterschiedlichsten Hydrau-
likventile zum Einsatz [40]. In der Regel werden We-
geventile zur Ölflusssteuerung verwendet. Diese lassen
17 tur. Im Vergleich zu den herkömmlichen verzahnten sich in Proportional- und Schaltventile unterteilen.
stufenlos wirkenden Nockenwellenverstellern stellen Nockenwellenversteller, die nur zwei Endstellungen
18 diese Systeme eine deutlich kostengünstigere Lösung halten und damit nur zwei verschiedene Steuerzeiten
dar, so dass mit einem Einsatz vermehrt an Serien-Ot- realisieren können, sind mit 4/2-Wege-Schaltventilen
tomotoren zu rechnen ist. Der Aufwand an Bauteilen ausgerüstet. Für stufenlos verstellbare Systeme werden
19 kann ebenfalls gering gehalten werden, wenn Teile der heute hauptsächlich 4/3-Wege-Proportionalventile
Komponenten gesintert werden und die Abdichtung eingesetzt (. Abb. 10.76). Das eigentliche Know-how
20 des Ölraums konstruktiv einfach gestaltet wird. Ver-
steller dieses Typs können selbst im Vergleich zu ver-
der hydraulischen Ventile liegt nicht in der Herstel-
lung einzelner Ventile für kleine Serien, sondern in
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
575 10
..Abb. 10.74 Nocken-
wellenverstelleranord-
nung an einem Sechszy-
lindermotor nach dem
Schwenkmotor-Prinzip
[32]

die Anpassung der Ventile an die einzelnen Motoren


ergibt sich in der Regel immer ein spezielles Ventil.
Hierzu ist ein ausgeklügeltes Baukastensystem sinn-
voll, um die Hauptanforderung der kostengünstigen
Großserienproduktion zu ermöglichen. Die enge
Zusammenarbeit mit den Systementwicklern der va-
riablen Ventilsteuerungen und den Entwicklern der
Motorapplikation ist für die erfolgreiche Serienum-
setzung zwingend.

10.4.1.4 Perspektiven
von Nockenwellenverstellern
Die Übersicht über die Patentanmeldungen von No-
ckenwellenverstellern und auch die Zahl der verschie-
denen Systeme an Serienmotoren stellt deutlich heraus,
dass zukünftig wohl alle modernen Ottomotoren-
Hersteller Nockenwellenversteller einsetzen werden.
An Serienmotoren mit nur einer Nockenwelle ist den
Autoren kein System in Serie bekannt, bei dem die
Ein- und Auslassnocken gegeneinander verdreht wer-
Rotorstellung „spät“ den können. Vielleicht macht es hierbei jedoch Sinn,
wenn auch nur in engeren Verstellwinkeln, über einen
Nockenwellenversteller die ganze Nockenwelle zu ver-
drehen ist.
..Abb. 10.75  Doppelnockenwellenverstellung am Viele Gründe sprechen für den Einsatz von Ver-
3,0-l-V6-Ottomotor der Fa. Audi [41] stellern, die eine stufenlose Verdrehung der Nocken-
wellen ermöglichen. Es empfiehlt sich die weitere
der Umsetzung der technischen Anforderungen für Verbreitung dieser Systeme an Mehrventilmotoren
eine kostengünstige Großserie. Dabei gilt es die har- mit zwei Nockenwellen, an denen dann auch jeweils
ten Randbedingungen der Serie, wie zum Beispiel ein System auf einer Nockenwelle befestigt ist. Insbe-
verschmutztes Öl, Motorschwingungsverhalten, sondere die Regelung der internen Abgasrückführung
hohe Temperaturschwankungen oder Schwankun- kann mit stufenlos wirkenden Systemen eine positive
gen der Bordspannungsversorgung, zu erfüllen. Für Beeinflussung der Abgasrohemissionen realisieren.
576 Kapitel 10 • Ladungswechsel

..Abb. 10.76 Schnitt-
1 6 darstellung, Q-I Kenn-
linie, technische Daten
5 und Hydrauliksymbol
2 eines 4/3-Wege-Propor-
4 tionalventils

Q in l/min
3 3 Ölfluss von Ölfluss von
P nach B P nach A
B 2
4 A
P
1

5 0
0 100 200 300 400 500 600 700 800
I in mA
T
6
7
8
9
10
11
12 ..Abb. 10.77  Nockenwellenversteller aus Aluminium
für einen Sechszylindermotor ..Abb. 10.78  Nockenwellenversteller aus Kunststoff
13 [42]

Bei den Funktionsprinzipien kristallisieren sich wellenverstellern ein Gesamtgewicht von 1,3 kg je
14 zukünftig Versteller heraus, die nach dem Schwenk- Motor eingespart, da ein Versteller ohne Ventil statt
motor-Prinzip aufgebaut sind. Bei diesen Elementen circa 1000 g nur noch 450 g wiegt. Zum Ausgleich der
15 liegt das Hauptaugenmerk der Entwicklung auf der
Verwendung von Leichtbauteilen und damit der Ge-
ungleichen Drehmomente an den Nockenwellen und
zur schnelleren Verstellung der Versteller in Richtung
wichtsreduzierung. der frühen Nockenwellenstellung wird eine Spiralfe-
16 So findet der Werkstoff Aluminium vermehrt der verwendet. Der Siliziumanteil der Aluminiumle-
den Einzug auch bei Nockenwellenverstellern in der gierung beträgt aus Festigkeits- und Verschleißgrün-
Serie. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Versteller den circa 15 %; ein Kriterium, das insbesondere durch
17 aus Sinteraluminium der Fa. Hilite International/Hy- Sintern zu erreichen ist. Erstmalig ist mit dieser in-
draulik Ring an einem Sechszylindermotor der Fa. novativen Konstruktion ein Nockenwellenkettenrad
18 BMW, . Abb. 10.77. Auch dieser Versteller ist nach aus Aluminium an einem Serienmotor im Einsatz. Das
dem Schwenkmotor-Prinzip aufgebaut und verfügt Know-how dieses Verstellers liegt in der Beherrschung
über vier Rotorflügeln, die einteilig mit der Nabe des der engen Spalte zwischen Rotor und Statorgehäuse
19 Verstellers durch Sintern hergestellt werden. Zur Ver- sowie einer ausgeklügelten Montage der einzelnen
riegelung der Versteller in seinen frühen Endlagen Komponenten.
20 werden sie mit Verriegelungsbolzen und entsprechen-
der hydraulischen Ansteuerung versehen. An diesem
Mit einer weiteren Gewichts- und Einzelteilere-
duktion ist zu rechnen, wenn die Nockenwellenver-
Motor wird durch die Verwendung von zwei Nocken- steller aus Kunststoff hergestellt werden können. Erste
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
577 10

Versuche an Motoren zeigen das Potenzial hierfür auf 10.4.2 Systeme mit stufenweiser
(. Abb. 10.78). Hier ist ein Versteller der Fa. Hilite/ Ventilhub- oder
Hydraulik-Ring aus einem Douroplast-Werkstoff dar- -öffnungsdauervariation
gestellt, der durch eine spezielle Konstruktion und
Spritztechnik zwei Bauteile gegenüber einer Sinter- Die Fa. Honda hat mit ihrem sogenannten „VTEC-Sys-
konstruktion vermeidet. tem“ erstmals variable Ventilsteuerungen in Großserie
Die Steuerung der Schwenkmotoren kann kos- an Ottomotoren realisiert, die in den Ventilhub- oder
tengünstig und einfach über hydraulische Mehrwe- in die -öffnungsdauer eingreifen [30]. Das Prinzip
geventile erfolgen. Die Abstimmung der Ventile auf basiert auf einer Schwinghebellösung, bei der durch
die Versteller ist einer der wesentlichen Know-how- Verschieben kleiner hydraulisch betätigter Kolben
Faktoren während der Entwicklung. Auch hier gilt es, im Innern der Schwinghebel verschiedene Koppel-
das weitere Potenzial der Kostensenkung anzugehen. zustände eingenommen werden und damit zwischen
Gegenüber den restlich bekannten Systemen zur Ver- unterschiedlichen Nockenkonturen hin und her ge-
änderung der Steuerzeiten im Betrieb sind Nocken- schaltet wird. In . Abb. 10.79 ist das System von der
wellenversteller einfach aufgebaut und entsprechend Anwendung an einem Vierventilmotor mit zwei No-
kostengünstig. Mit diesen Systemen sollte während der ckenwellen prinzipiell dargestellt. Im rechten Teil des
Neuentwicklung eines Zylinderkopfes eine frühe Integ- Bildes wird eine isometrische Darstellung der Ventil-
ration in das Zylinderkopfkonzept erfolgen. und Nockenwellenanordnung gezeigt. Die Nocken-
Weitere Kosteneinsparpotenziale würden sich welle besitzt je Zylinder einen zentralen Nocken mit
ergeben, wenn Nockenwellenversteller das für die größerer Ventilhub- und Öffnungsdauergeometrie. Je-
Verstellung benötigte Proportionalventil und die weils seitlich davon befindet sich ein Nockenprofil mit
Nockenwelle als eine Systemeinheit gesehen werden geringeren Nockenkonturen. Im Innern der Schwing-
könnten. Der Versteller und das Ventil könnten mit hebelbaugruppe wird mittels Öldruck ein zweiteiliger
der Nockenwelle fest verbunden als eine Einheit an die Kolben achsparallel zur Nockenwellenlage verschoben.
OEMs geliefert werden, so dass weitere Kostensenkun- Dies erfolgt je nach Motorkennfeldpunkt in Abhängig-
gen sich ermöglichen. Der für die Regelung der Sys- keit der Motordrehzahl, des Saugrohrdrucks, der Fahr-
teme benötigte Ölhaushalt kann dann einfacher mit zeuggeschwindigkeit oder der Kühlmitteltemperatur.
den hydraulischen Wegeventilen abgestimmt werden. Die Ölversorgung für die Nockenkonturumschaltung
Aufgrund des zu erzielenden Verbesserungspo- erfolgt über Öffnungen und Kanäle in der Lagerachse,
tenzials, wird an modernen Motoren verstärkt mit auf der die Schwinghebelbaugruppe schwingend gela-
dem Einsatz stufenlos wirkender Versteller zu rech- gert ist. Bei Betrieb im unteren Drehzahlbereich wirken
nen sein. Die Steuerung der inneren Abgasrückfüh- die geringeren Nockenkonturen auf die Gleitabnehmer
rung bedingt Zylinderkopfkonzepte mit mindestens der Schwinghebel. Die Trennung der Schwinghebel
zwei Nockenwellen. Bei direkteinspritzenden Otto- erfolgt durch eine fertigungsgenaue Abstimmung der
motoren wirken die stufenlos wirkenden Nockenwel- Geometrie des zweiteiligen Verstellkolbens mit der
lenversteller ähnlich. Auch hier lässt sich die interne Schwinghebelbreite. Zwischen dem zentralen Schwing-
Abgasrückführung durch den Einsatz dieser Systeme hebel und den seitlich angeordneten Einzelschwing-
steuern. Damit wird auch bei diesen noch neuen hebeln wird in diesem Fall ein Relativhub hergestellt.
Brennverfahren die Nockenwellenverstellung einge- Dabei stützt sich der zentrale Schwinghebel auf einem
setzt bleiben. Federelement ab. Der Platz hierfür muss im Zylinder-
Nockenwellenversteller können mit variablen kopf geschaffen werden. Bei Zylinderkopfkonzepten
Ventilsteuerungen kombiniert werden, die eine Ven- mit mehr als vier Ventilen ist dieses eine besondere
tilhub- oder -öffnungsdauervariation ermöglichen. Die Herausforderung an die Entwickler. Im gekoppeltem
Fa. Porsche hat dieses unter anderem an einem Sechs- Zustand – wie in . Abb. 10.79 dargestellt – wirkt der
zylindermotor in Serie realisiert [43, 44]. Damit sind zentrale Nocken auf die Schwinghebelbaugruppe und
vielfältige Einsatzgebiete für die Applikation der No- alle Komponenten werden gleichzeitig ohne Relativhub
ckenwellenversteller möglich, wodurch sich ein weite- bewegt. Die Rückstellung des zweiteiligen Verstellkol-
res Optimierungspotenzial von Verbrennungsmotoren bens übernimmt eine kleine Feder. Der Verstellöldruck
darstellt. Vollvariable Ventilsteuerungen müssen sich wird ohne Zusatzölpumpe aus den Motorölkreislauf
an dem mit diesen Maßnahmen erreichbaren Verbes- aufgebaut. Das „VTEC-System“ ist auf der Einlass- und
serungspotenzial orientieren. Auslassventilseite realisiert.
Für diese und ähnliche Lösungen hat die Fa.
Honda eine Vielzahl von Patentanmeldungen getä-
578 Kapitel 10 • Ladungswechsel

geringe ..Abb. 10.79 Honda
1 zentraler
Nocken
Nockenkonturen VTEC-System [30]

2 zentraler
Schlepphebel

3 Einzel-
schlepphebel

4
5 Ölpumpe zweiteiliger Kolben
Federelement

6
zweiteiliger Fa. Mitsubishi eine kleine im Zylinderkopf unterge-
7 Kolben brachte Ölpumpe.
Die Fa. Daimler hat eine variable Ventilsteuerung
zur Zylinderabschaltung an ihren V8- und V12-Moto-
8 ren in Serie eingesetzt. Die verwendete Lösung basiert
auf einer Kipphebelbaugruppe, die bei einem Dreiven-
tilkonzept mit einer zentralen Nockenwelle eingesetzt
9 hydraulischer
Spielausgleich wird. In . Abb. 10.80 ist die Kipphebelbaugruppe die-
ses Systems ohne Nockenwelle dargestellt. Das Funkti-
10 onsprinzip ist gleich zu der beschriebenen Honda-Lö-
sung. Innerhalb der Rollenkipphebelbaugruppe wird
ein zweiteiliger Verstellkolben elektro-hydraulisch
11 Lost-Motion-
Element gegen eine Federkraft bewegt. Je nach Koppelzustand
werden über unterschiedliche Nockenkonturen zwi-
schen den Ventilhüben hin und her geschaltet, nur dass
12 Rollenabnehmer
ein Ventilhub ein Nullhub ist und somit die Ventile
..Abb. 10.80  Rollenkipphebelbaugruppe zur Ventil- für die Zylinderabschaltung stillgelegt werden. Bei
13 abschaltung der Fa. Daimler [33] dem hier verwendeten System ist das primäre Ziel, den
Kraftstoffverbrauch im Teillastbetrieb durch die Zylin-
tigt. Allein die Anzahl der verschiedenen Erfinder derabschaltung zu reduzieren. Dieses wirkt besonders
14 dieser Patentanmeldungen lassen den enormen Ent- bei hubraumstarken Motoren mit einer hohen Zylin-
wicklungsaufwand erahnen. An Serienmotoren sind derzahl. Die Laufruhe des Motors erfährt bei diesen
15 Vierventillösungen mit einer oder zwei Nockenwellen
realisiert. Sowohl Schwinghebel als auch Kipphebel mit
Motoren kaum Einbußen. Verbrauchseinsparungen
von circa 15 % sind mit diesen Maßnahmen gegenüber
Rollenabnehmern kommen dabei zum Einsatz [33]. den konventionellen Motoren zu erreichen.
16 Das derzeitige Honda-Programm weist fast in jedem Ähnlich wie Mitsubishi und Honda hat auch die
Fahrzeug unterschiedliche Motoren mit dem „VTEC- Fa. Toyota Lösungen mit Ventilkonturumschaltung für
System“ auf. Bis zu drei unterschiedlich wirkende No- die Einlass- und Auslassventilseite in Serie realisiert.
17 ckenkonturen werden dabei realisiert. Hierbei wird ebenfalls innerhalb einer Schwinghebel-
Auch die Fa. Mitsubishi hat ein vom Wirkprinzip baugruppe ein Verstellkolben elektrohydraulisch gegen
18 her ähnliches System an Vier- und Sechszylindermoto- eine Federkraft verschoben (. Abb. 10.81).
ren in Serie realisiert [33]. Bei dieser Lösung kommen Interessant hierbei ist die Lösung, dass eine
drei unterschiedliche Nockenkonturen zum Einsatz, Schwinghebelbaugruppe verwendet wird, bei der zum
19 wobei eine Nockenkontur aus einem reinen Grund- Nocken hin bei niedrigen Drehzahlen eine Rolle als
kreis besteht und damit die Ventilstillegung erreicht Abnehmer und bei hohen Drehzahlen ein Gleitab-
20 wird. Bei beiden Motoren werden für diesen Fall zwei
beziehungsweise drei Zylinder über die Ventilbetäti-
nehmer verwendet wird. Bei hohen Drehzahlen wird
über den Gleitabnehmer die Schwinghebelbaugruppe
gung abgeschaltet. Für diesem Aufwand benötigt die geschwenkt, wobei eine Raste sich unterhalb des „Lost-
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
579 10
Innenstößel

Außenstößel Drehlagen-
Rolle fixierung

Lost-Motion- Verstellkolben
Element
Gleitabnehmer

Verstellkolben

..Abb. 10.81  Toyota Ventilsteuerung VVTL-i für ver-


schiedene Ventilhübe [43]

Motion“ Elementes für die Kopplung sorgt. Die Raste


wird mit Öldruck gehalten und durch Federkraft bei
niedrigen Drehzahlen zur Lagerachse der Schwing-
hebelbaugruppe hin bewegt. Bei hohen Drehzahlen ..Abb. 10.82  Schalttassenstößel der Fa. Porsche [44]
senkt sich der Gleitabnehmer mit dem Lost-Motion
Element in der Schlepphebelbaugruppe ab. Die Feder-
kraft des Lost-Motion Elementes kann gering sein, da
auch die bewegten Massen des Elementes gering sind.
Die Fa. Toyota setzt zu dieser Lösung zusätzlich einen
stufenlos wirkenden Nockenwellenversteller auf der
Einlassventilseite ein. Durch diese Kombination ist
die Variationsmöglichkeit der Ventilerhebungskurven
gegenüber einem Motor mit festen Steuerzeiten groß.
Die Fa. Porsche hat traditionell Tassenstößellösun-
gen an ihren Vierventilmotoren eingesetzt. An dem in
2000 vorgestellten Porsche Turbomotor wird erstmals
eine variable Ventilsteuerung mit verschiedenen Ven-
tilhüben an einem Schalttassenstößel dargestellt [44].
Ferner wird zusätzlich ein Nockenwellenversteller auf
der Einlassventilseite für zwei Steuerzeitenstellungen ..Abb. 10.83  Ventilabschaltmechanismus der Fa.
realisiert. Damit wird wie bei Toyota die Kombina- Daimler für einen Pushrod V8-Motor
tion zweier unabhängig voneinander funktionieren-
der Systeme variabler Ventilsteuerungen eingesetzt. Daimler zu finden, . Abb.  10.83. Hierbei befindet
Der Schalttassenstößel kann zwei Ventilhübe realisie- sich ein hydraulisch angesteuertes und mechanisch
ren und besteht aus einem Innen- und Außenstößel verriegelbares Element zwischen der unten liegenden
. Abb. 10.82. Er ist durch eine spezielle Führung im Nockenwelle und der Stoßstange, die zum Zylinder-
Zylinderkopf drehlagenorientiert. Damit kann die kopf führt. Das Abschaltelement wird mittels Öldruck
Oberfläche ballig ausgeführt werden, um entsprechend betätigt, wodurch sich ein kleiner Verriegelungskolben
hohe Maximalhübe zu realisieren. Im Innern des Stö- bewegt, der die Ver- beziehungsweise Entriegelung des
ßels sind kleine hydraulisch betätigte Kolben vorhan- Schaltelementes übernimmt. Vorteil bei dieser Lösung
den, die je nach Lage den inneren oder den äußeren ist, dass der Basismotor im Bereich des Zylinderkop-
Stößel für die Ventilbetätigung aktivieren. Auch hier fes nicht geändert werden muss und die konstruktiven
kann von einer mechanischen variablen Ventilbetäti- Anpassungen am Zylinderblock eher gering ausfallen.
gung gesprochen werden, da lediglich die Ansteuerung Die Zylinderabschaltung an einem V8-Motor hat vor
der Verstellkolben elektrohydraulisch vorgenommen allem die Zielsetzung der Senkung des Verbrauchs,
wird und die Ventilbetätigung über mechanischen der im Testzyklus bei hubraumstarken Motoren bis zu
Formschluss der Bauteile erfolgt. 15 % betragen kann, und dieses wurde schon in den
Eine weitere Lösung zur Ventilabschaltung ist USA in 1980 an einem Achtzylinder der Fa. Cadillac
an einem V8-Motor mit Stoßstangenantrieb der Fa. in Serie realisiert [33].
580 Kapitel 10 • Ladungswechsel

..Abb. 10.84  Mögliche Wirkorte der Ventilkonturum-


1 schaltung an Rollenschlepphebeln

2 A

3
4
D
5 B
E Wirkort der Variabilität:
C
6 A
B
Am Nocken
Am hydraulischen Abstützelement
C An der Rollenlagerung
Am Hebelkörper
7 D
E Über dem Ventil

8
rein mechanisch wirkende Kontaktelemente verwendet
werden. Die Ansteuerung der Verstellkolben erfolgt
9 8,8
hydraulisch über ein elektrisch betätigtes Wegeventil.
Bei der Vielzahl an Patentanmeldungen auf diesem Ge-
2b
10 13
16 10 7 2a biet ist es für den Entwickler schwierig, die Patentlage
zu überschauen. Vermutlich werden diese oder ähnli-
5
che Systeme eine weitere Verbreitung an Serienmoto-
11 15
4
ren erfahren.
11´ Alle an Serienmotoren zu findenden Um- oder
Abschaltsysteme für verschiedene Ventilhubkonturen
12 basieren nicht auf Rollenschlepphebelkonstruktionen.
6 Rollenschlepphebel haben sich jedoch an modernen
13 11 Otto- und Dieselmotoren in den letzten Jahren auf-
grund ihres geringen Reibungsverhaltens mehr und
mehr durchgesetzt. In . Abb. 10.84 ist für eine Rol-
14 lenschlepphebelkonstruktion ein schematisches Bild
14
mit möglichen Wirkorten für die Unterbringung der
3
15 12 Ventilkonturum- oder -abschaltung dargestellt.
Aus aktuellen Veröffentlichungen oder Patentan-
meldungen ist zu erkennen, dass hierzu einige Akti-
16 ..Abb. 10.85  Patentanmeldung DE 19510106 zur vitäten in Entwicklung sind. Es existieren nur wenige
Ventilabschaltung am Rollenschlepphebel Ideen zur Unterbringung eines Mechanismus zum
Wirkort  A direkt am Nocken. Durch ein Absenken
17 In der Regel kommen mit dem Einsatz dieser des hydraulischen Spielausgleichelementes (Wirkort B)
Ventilsteuerungen neue Zylinderkopfgenerationen ist nur eine reine Ventilabschaltung zu realisieren.
18 zum Einsatz. Die Nockenkonturen sind von der Geo- Häufiger wird an Lösungen gearbeitet, die am Hebel
metrie her konventionell, das heißt sie haben keine selbst einen Um- oder Abschaltmechanismus vorsehen
Unstetigkeiten und können auf normalen Nocken- (Wirk­ort D). Hierzu sind in der Patentliteratur viele
19 fertigungsanlagen hergestellt werden. Der Gliederung Systeme bekannt, wie zum Beispiel die Patentanmel-
entsprechend ▶ Abschn. 10.4 sind diese Lösungen Sys- dung DE 19510106 der Fa. BMW mit einem sogenann-
20 teme mit Variabilität am Übertragungsglied zwischen
Nocken und Ventil. Das Wirk- und Funktionsprinzip
ten „Knickhebel“ aus dem Jahr 1995.
Das mit Ventilkonturumschaltung erzielbare Po-
ist mechanisch, da im Kraftfluss zur Ventilbetätigung tenzial an Motoren ist begrenzt. Zur Steigerung von
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
581 10

..Abb. 10.87  Variable Ventilsteuerung nach


Torazza, [45]

handelt sich hierbei um Systeme mit mechanischem,


..Abb. 10.86  Variable Ventilsteuerung nach Louis hydraulischem und elektromechanischem Wirkprin-
Renault, 1902 zip, die eine Nockenwelle verwenden oder um nocken-
wellenlose Systeme.
Drehmoment und Leistung über einen größeren
Drehzahlbereich des Motors eignen sich die Systeme 10.4.3.1 Rückblick auf die Entwicklung
gut. Zur Senkung des Verbrauchs sind keine nennens- vollvariabler mechanischer
werte Vorteile zu erzielen. Allein mit der gleichzeitigen Ventilsteuerungen
Verwendung von stufenlos wirkenden Nockenwellen- Die Versuche, eine vollvariable Ventilsteuerung mit
verstellungen sind durch die gleichzeitig steuerbaren mechanischem Wirkprinzip zu realisieren sind so alt
Restgasgehalte geringe Verbrauchsverbesserungen zu wie der Motorenbau selbst. Erste Ideen sind seit Louis
erzielen. Eine positivere Beeinflussung des Verbrauchs Renault aus dem Jahr 1902 bekannt; . Abb. 10.86.
wird erst durch die Laststeuerung des Motors mit voll- Schon er sah in seiner deutschen Patentanmeldung DE
variablen Ventilsteuerungen ermöglicht. In diesem 145662 zwei aufeinander abwälzende Schwinghebel
Zusammenhang stehen Ventilkonturumschaltsysteme vor, deren Lage mit einer Exzentersteuerung verlagert
im direkten Wettbewerb zu vollvariablen mechanisch werden konnte, so dass bei Drehung der Exzenterwelle,
betätigten Ventilsteuerungen. Diese sind zwar aufwän- auf der die Schwinghebel gelagert sind, der Ventilhub
diger zu entwickeln und an Motoren zu applizieren, variabel wird.
bieten jedoch ein erheblich größeres Potenzial hin- Ein nockenwellenloses System mit Verwendung
sichtlich der Senkung des Kraftstoffverbrauchs. einer Kurbelwelle zum Ventilantrieb wird von To-
razza vorgeschlagen, . Abb. 10.87. An dem Kurbel-
trieb befindet sich ein Drehhebel, dessen Arbeitskurve
10.4.3 Vollvariable Ventilsteuerungen eine oszillierende Bewegung vollzieht und der durch
Übertragung der Bewegung über einen Schwinghebel
Im Folgenden wird auf Systeme eingegangen, die eine auf das Ventil den Ventilhub bewirkt. Durch die La-
vollvariable Ventilerhebungskurve ermöglichen. Es geänderung des Schwinghebels werden der Ventilhub
582 Kapitel 10 • Ladungswechsel

1
2 L
B K
F C
Öl-Zufuhr
3 J
H

I
4 A G
E

5
6
7 D

8 B Hubnockenwelle H Hydraulikdämpfer
A Steuernockenwelle I Ölabflussbohrungen

9 C
D
Kipphebel
Ventil
J
K
Ölzuflussbohrung
Ölabflussspalt
E Ventilfeder L Kipphebelfeder
F Kurbel
10 G Nadelrollen ge-
lagerte Rolle

..Abb. 10.88  Variable Ventilsteuerung nach


11 Titolo [46]
..Abb. 10.89  Variable Ventilsteuerung nach
Wichart [47]
und die Öffnungsdauer variiert. Das System konnte
12 sich aufgrund des hohen Bauaufwands, der höheren An der Universität Wien wurde von Wichart ein
Reibung und des großen Platzbedarfes an einem Seri- System entwickelt, bei dem die Nockenwelle einen
13 enmotor nicht durchsetzen. Kipphebel betätigt [47] (. Abb. 10.89). Dieser Kipphe-
Titolo [46] verwendete zur Hubvariation ein bel wird nicht über eine Achse gelagert, sondern stützt
System mit axial verschiebbaren konischen Nocken, sich über eine Kurbel ab. Auf eine nadelgelagerte Rolle,
14 . Abb. 10.88. Nach der Gliederung aus ▶ Abschn. 10.4 die sich an dieser Kipphebelkurbel befindet, wirkt
handelt es sich hierbei um ein System, das die Vari- während des Ventilhubs eine mit der Nockenwellen-
15 abilität durch das Verschieben von Raumnocken re-
alisiert. Dieses Prinzip ist von alten Umsteuerungs-
drehzahl rotierende Steuerwelle, deren Profil einen
Kreisbogen und eine Abregelkurve aufweist. Wird die
einrichtungen von Schiffsmotoren her bekannt, die Steuerwelle gegenüber der Nockenwelle verdreht, wirkt
16 zum Reversieren axial verschiebbare Raumnocken nicht nur der Kreisbogen, sondern auch die Abregel-
verwendet haben. Aufgrund der benötigten Breite des kurve auf die Rolle und das Ventil schließt früher. Die
steilen Nockens und des damit benötigten Platzbedarfs Lösung konnte sich ebenfalls an Serienmotoren nicht
17 ist ein Einsatz an einem Vierventilmotor eher unwahr- durchsetzen, da das Einlassventil beim Abregelvorgang
scheinlich. Außerdem kann mit diesem System nur der sehr hart in den Ventilsitz einschlägt. Zur Abhilfe wäre
18 Ventilhub verändert werden, die Ventilöffnungszeit eine hydraulisch wirkende Ventilbremse nötig, die die
bleibt konstant. Die Variation der Öffnungsdauer bei Ventilaufsetzgeschwindigkeiten deutlich reduziert.
konischen Raumnocken führt zu Nockengeometrien, In der von Kuhn und Schön beschriebenen „Delta“-
19 die fertigungstechnisch wirtschaftlich nicht mehr her- Steuerung wird zwischen Nocken und Tassenstößel ein
zustellen sind und bei denen zwischen Nocken und Zwischenglied mit einer Arbeitskurve als vollvariable
20 Abnehmer eine Punktberührung entsteht. Damit ist
eine derartige Lösung für hohe Ventilbeschleunigun-
Ventilhubsteuerung verwendet (. Abb. 10.90). Dieses
Zwischenglied hat an der Seite, an der es sich am Ge-
gen und deshalb für die Großserie nicht anwendbar. häuse abstützt, als Arbeitskurve den Rast- und Steuerab-
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
583 10
Stellmotor
Nocken
Verstellwelle
Zwischenglied
Übertragungs-
Steuerabschnitt mechanismus
Gehäuse Nockenwelle
Rastabschnitt
Gehäuse

Abtriebsglied
Ventil

..Abb. 10.90  Variable Ventilsteuerung nach Kuhn


und Schön [48]

schnitt. Zu einem Ventilhub kommt es nur dann, wenn


sich das Zwischenglied während der Bewegung mit dem
..Abb. 10.91  System „Valvetronic“ der Fa. BMW als
Steuerabschnitt am Gehäuse abstützt. Solange der Rast-
Baugruppe mit den Ventiltriebskomponenten [49]
abschnitt der Arbeitskurve Kontakt zum Gehäuse hat,
bleibt das Ventil geschlossen. Der Hauptnachteil dieser
Lösung ist die hohe Reibung, da das Zwischenglied so- geringen Ventilhüben die Ventilfedern weniger zusam-
wohl am Nocken als auch am Abtriebsglied gleitet. mengedrückt werden.
Das Grundprinzip des Systems lässt sich am bes-
10.4.3.2 Mechanische Systeme in Serie ten mit einer Skizze erläutern, . Abb. 10.92. Zwischen
Die Fa. BMW hat mit dem sogenannten System „Val- Nocken und Rollenschlepphebel wird ein Zwischen-
vetronic“ eine stufenlos wirkende variable Ventilsteue- hebel mit einer Arbeitskurve verwendet, der in seiner
rung auf der Einlassventilseite in Serie realisiert. Hier- oberen Anlenkung in seiner Lage mit einer Exzenter-
bei kann die Laststeuerung des Motors allein durch die welle verändert wird. Bei einer fixen Lagerung des Zwi-
veränderliche Ventilerhebung vorgenommen werden. schenhebels (. Abb. 10.92 links) ergibt sich durch die
Das System besitzt einen speziellen Übertragungs- Nockendrehung über die Arbeitskurve ein konstanter
mechanismus mit einem Zwischenhebel zwischen Ventilhub mit einer konstanten Ventilöffnungsdauer. Je
Nocken und Ventil und wird entsprechend der Glie- nach Anlenkung des Zwischenhebels ergeben sich un-
derung in ▶ Abschn.  10.4 als mechanische variable terschiedliche Ventilhubverläufe. Bei Veränderung der
Ventilsteuerung eingestuft. In . Abb.  10.91 ist das Lagerpunktlage des Zwischenhebels entlang einer Ver-
Valvetronic-System mit der Einlassnockenwelle und stellbahn, ändern sich die Übertragungsverhältnisse
der Einlassventilbaugruppe dargestellt. Im Kraftfluss und damit auch Ventilhub mit gleichzeitiger Verände-
zwischen Nockenwelle und Ventil befindet sich der rung der Öffnungsdauer. Für die vollvariable Ventil-
Übertragungsmechanismus, der die Rollenschlepp- hubbewegung gilt es, eine konstruktiv beherrschbare
hebel zur Ventilbetätigung schwenkt. Eine über einen Lösung für die Verschiebung der Lagerpunktposition
elektrischen DC-Stellmotor angetriebene Verstell- des Zwischenhebels zu finden und diese entlang der
welle, die als Exzenterwelle ausgebildet ist, verändert Verstellbahn zu führen. Bei dem System Valvetronic
die Hebelgeometrie des Übertragungsmechanismus. wird die Lagerpunktlage des Zwischenhebels und
Es können Ventilhübe zwischen 0,3 und 9,7 mm [49] damit die Anpassung der gewünschten Steuerzeiten
beziehungsweise 0,18  und 9,9 mm bei der zweiten über eine Exzenterwelle vorgenommen. Eine Feder
Generation des Systems eingestellt werden [50]. Der unterstützt die spielfreie Anlage des Zwischenhebels
gesamte Verstellvorgang über den kompletten Hub- an seinen Kontaktstellen.
bereich erfolgt innerhalb von 0,3 s. Dadurch kann die In . Abb. 10.93 ist die Einbausituation dieser va-
konventionelle Drosselklappe entfallen. Durch die ver- riablen Ventilsteuerung im Zylinderkopfschnitt für
änderlichen Ventilhübe im Fahrzeugbetrieb konnten einen Vierzylindermotor dargestellt. Die Auslassven-
die Reibungsverluste des Ventiltriebs gegenüber dem tilseite bleibt konventionell über Rollenschlepphebel
konventionellen Ventiltrieb reduziert werden, da bei betätigt. Der Platzbedarf der Ventilsteuerung hält sich
584 Kapitel 10 • Ladungswechsel

..Abb. 10.92 Prinzip-
1
fester Drehpunkt gleich variabler Drehpunkt gleich Exzenterwelle variiert
feste Steuerzeit variabler Nockenhub Drehpunkt und den Ventilfluss darstellung des Systems
Drehpunkt Exzenterwelle Valvetronic
Verstellbahn
als Lösung
2
3
Arbeitskurve

4
5
6
7
gungsgrößen für die Dimensionierung von Lagerstel-
8 Stellmotor
Verstellwelle len oder Einzelkomponenten des Ventiltriebs. In der
Übertragungs- Validierung der Simulationsergebnisse liegt das spe-
mechanismus
zielle Know-how der Entwicklung derartiger Systeme
9 Nockenwelle
wie das der Valvetronic.
Mit der Variation des Übertragungsmechanismus
10 und der gleichzeitigen Änderung der Spreizung des Ein-
lassventilhubverlaufs durch einen Nockenwellenverstel-
ler auf der Einlassnockenwelle wird die last- und dreh-
11 zahlabhängige Ventilhubvariation erzielt, . Abb. 10.95.
Das hierbei verwendete Laststeuerungsverfahren wird
als „frühes Einlass-Schließen“ bezeichnet, (FES). Mit
12 dem System wird das Ziel verfolgt, die Ladungswech-
selverluste in einem weiten Motorlastbereich zu redu-
13 ..Abb. 10.93  Anordnung des Systems „Valvetronic“ in zieren. Dazu wird in die Prozessführung derart einge-
einem Zylinderkopf [49] griffen, dass die nach wie vor vorhandene Drosselklappe
beim Ansaugen voll geöffnet bleibt. Die Einlassventile
14 werden genau zu dem Zeitpunkt geschlossen, wenn sich
in Grenzen. Im Fahrzeug muss lediglich der Raum für die gewünschte Gemischmasse im Zylinder befindet.
15 den Stellmotor vorhanden sein. Die Exzenterwelle, der
Übertragungsmechanismus, die Nockenwelle und der
Der Ladungswechselvorteil nimmt zur Volllast hin ab.
Daher wirkt bei kleinen Lasten das System besonders
Stellmotor werden in einem separatem Gussträger vor- verbrauchsreduzierend. Mit kleinen Lasten und entspre-
16 montiert und als Modul auf den Zylinderkopf befestigt. chend kleinen Ventilhüben wirkt der Ventilsitzbereich
Die Gesamtoptimierung von Zylinderkopf und als Drosselstelle und die Einströmgeschwindigkeiten
Ventiltrieb ist ein iterativer Prozess, in dem CAD-Mo- steigen von etwa 50 auf 300 m/s an. Dieser Effekt för-
17 delle, Finite Element-Modelle für die Strukturfestig- dert im besonderen Maße die Gemischaufbereitung
keitsauslegung und Mehrkörpersimulations-Modelle für die Verbrennung. BMW gibt bei niedrigen Lasten
18 für die Auslegung des dynamischen Verhaltens heut- Verbrauchseinsparungen bei einigen Lastpunkten von
zutage effektiv genutzt werden können. circa  20 % an, die sich bei einem stöchiometrischen
. Abb.  10.94 zeigt als Beispiel hierfür das auf- Luftverhältnis von λ = 1 im Mittel auf circa 10 % dar-
19 wändige Modell für die Mehrkörpersimulation des stellen [50]. Im europäischen Testzyklus wird bei dem
Ventiltriebs. Hiermit kann sehr gut die kinematische neuen Sechszylinder mit der zweiten Generation des
20 Grundauslegung der Ventiltriebseinzelkomponenten
überprüft werden. Die sich ergebenden dynamischen
Systems mit Ventilhüben von weniger als 1,5 mm ge-
fahren, lediglich außerstädtisch werden kurzfristig
Lasten an den Kontaktstellen sind wichtige Ausle- Ventilhübe bis zu 4 mm erreicht. Die Erfüllung der
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
585 10
..Abb. 10.94 Einzel- Kraftelemente Einzelventiltriebsmodell
und Gesamtventiltriebs- B
modell für die dynami- A Lager 2D mit Spiel, Steifigkeit und Dämpfung A
sche Auslegung [49] A

A
A

E
B
B Kontakt 2D Kreis mit
Arbeitskurve (Nocken, Exzenter ...) C
B
Reibung
A
Steifigkeit D
Dämpfung

C Kontakt 2D Kreis mit Kreis


HVA-Modell mit
Nachstell- und
Absinkverhalten

Federmodell diskretisiert
D Kontakt 2D Kreis mit Ebene in ca. 20 Teilbalken mit
Windungskontakt

F Schrägverzahnung mit
Spiel, Steifigkeit, Dämpfung

Einzelventiltriebsmodell
– Biege und torsionselatische Wellen
– Schneckentrieb
– Berücksichtigung von
Lagerfluchtungsfehlern
– Berücksichtigung unterschiedlicher
Lagersteifigkeiten entlang der
Motorachse

EU4-Abgasnorm wird mit den Valvetronic-Motoren weniger als 0,3 s zu verstellen, wurde die Regelstruk-
erzielt, ohne dass es schwefelfreien Kraftstoff bedarf. tur neu ausgelegt, . Abb. 10.96. Erst die Integration
Die Motoren können bei Verwendung konventioneller aller mechanischen, elektrischen und steuerungstech-
Ottokraftstoffe deshalb weltweit eingesetzt werden. nischen Elemente des Valvetronic-Systems und die
Das Grundprinzip der Exzenterverstellung erfolgt Nutzung der funktionellen Möglichkeiten durch eine
mittels eines DC-Stellmotors über ein Schraubrad- neue Verbrennungsregelung erschließen das Potenzial
getriebe. Um vom Minimal- auf den Maximalhub in dieser vollvariablen Ventilsteuerung.
586 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Gedrosselter Motor VALVETRONIC-Motor


1 p p Rückstellfeder
Expansion

2
Verdichtung Kulisse

3 EÖ AÖ EÖ AÖ Drehpol
Exzenterwelle
AS ES

4 AS ES V V
Zwischen-
hebel

5 Arbeitskurve mit
Rampenfunktion
Hub

6 HVA

7 AÖ EÖ AS ES (180°)
(540°)
Kurbelwellenverstellung
EÖ Einlass öffnet AÖ Auslass öffnet
8 ES Einlass schließt AS Auslass schließt
..Abb. 10.97  Ausführung der zweiten Generation der
Valvetronic [50]
..Abb. 10.95  Prinzip des frühen Einlassschließens
9 (FES)

10 Vanos
KW-Signal 3-reihiges Rollenlager
............

11 Gehäuse im
MIM-Fertigungsverfahren
Valvetronic-Funktionen
12 Verbrennungsregelung

13
14 Arbeitskurve gefräst, klassiert,
Genauigkeit im µm-Bereich

15 ..Abb. 10.98  Aufbau des Zwischenhebels


Brennverfahren
16 auf den am hydraulischen Spielausgleichselement sich
..Abb. 10.96  System Valvetronic mit abstützenden Rollenschlepphebel. Für eine kinema-
tisch einwandfreie Funktion des Ventiltriebs sind klar
17 Verstellantrieb [50]
definierte Rampenfunktionen nötig. Die Öffnungs-
Die konstruktive Ausführung des Systems für den und Schließrampen sind in die Arbeitskurve des Zwi-
18 Sechszylindermotor ist in . Abb. 10.97 dargestellt. schenhebels integriert. Im Bewegungsablauf wird die
Die Hauptunterschiede dieser Variante gegenüber Abbildung der Rampenfunktionen dadurch realisiert,
den Vier, Acht- und Zwölfzylindermotoren liegen in dass der Zwischenhebel deutlich sich vor dem Rollen-
19 einer geänderten Grundkinematik. Hierbei wird ein schlepphebel bewegt, beziehungsweise deutlich nach
fester Drehpol vorgesehen, um den der Zwischenhebel diesem abbremst. Die Abstützung des Zwischenhebels
20 pro Arbeitsspiel eine reine Drehbewegung ausführt.
Die sogenannte Arbeitskurve am Zwischenhebel wirkt
nach oben erfolgt über eine zylindrische Kulisse, die
zylinderkopffest angebracht ist. Die Kulisse weist eine
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
587 10
..Abb. 10.99 Erzeug­ 10
Volllast 9,9 mm Hubkennfeld kinematisch
bare Schar der Einlass-
9
ventilhubverläufe
8

Hub [mm] 5 Teilhub 1 mm


2 bar 2000 1/min
4

3 Frühes
Leerlauf 0,2 mm „Einlass schließt“
2

0
90 135 180 225 Grad [°NW) 270

..Abb. 10.100 Phasing Phasing (ungleicher Ventilhub pro Zylinder) Masking


und Masking bei der
zweiten Valvetronic
Bereich:
Generation
Ventilhub

untere Teillast,
Kat-heizen 5 mm Hub

E1
Hubdifferenz
E2

Leerlauf Volllast

Kreisbahn um den Drehpunkt des Rollenschlepphebels wird eine Maskierung des Ventilsitzes (Masking) am
auf. Die Fertigung und Montage der Einzelkomponen- höherhubigen Ventil verwendet. Damit lässt sich für
ten des Ventiltriebs erfordert besonders Augenmerk das einströmende Gemisch ein höherer Drall erzielen,
auf die Bauteiltoleranzen. Die seitliche Fixierung des . Abb. 10.100.
Zwischenhebels wird einerseits durch die Nocken- und Zusammenfassend wird das Gesamtsystem der
andererseits durch die Exzenterwelle übernommen. Valvetronic der zweiten Generation mit den zusätzlich
Alle Kontaktstellen konnten als Rollenkontakte ausge- verwendeten Nockenwellenverstellern am Sechszylin-
führt werden; . Abb. 10.98. dermotor inklusive der Einbausituation im Zylinder-
Die erzeugbare Schar der Einlassventilhubverläufe kopf im Schnitt in . Abb. 10.101 dargestellt. An das
wird in . Abb. 10.99 dargestellt. Die Auslegung der Zylinderkopfunterteil ist die gesamte Lagerung der
reduzierten Ventilbeschleunigungen konnte bis auf das Einlassnockenwelle mit seitlicher Fixierung sowie die
Niveau des Vorgängertassenstößel-Motors mit 80 mm/ benötigte Gehäuseumfänge der Ventiltriebskompo-
rad2 erfolgen. Für mittlere und kleine Ventilhübe wer- nenten einteilig angegossen, eine steife und äußerst
den mit der neuen Valvetronic-Auslegung kurze Ven- innovative Lösung.
tilöffnungszeiten erreicht, . Abb. 10.99. Am V12-Motor wurde die Valvetronic mit der
Bei der zweiten Generation des Systems der Val- Direkteinspritzung kombiniert. Die Fa. BMW zeigt
vetronic werden benachbarte Einlassventile zur Stei- damit den Weg auf, dass neben der Vollvariabilität des
gerung der Ladungsbewegung unterschiedlich spät Ventiltriebs auch das spezielle Potenzial der Direkt-
geöffnet, was als „Phasing“ bezeichnet wird. Umge- einspritzung an Serienmotoren in dieser Kombination
setzt wird dieses bis zu Ventilhüben bis zu 5 mm, da- genutzt wird [51].
rüber findet eine parallele Öffnung statt. Konstruktiv
unterscheiden sich dabei die Exzenterkonturen der
benachbarten Ventile. Ergänzend zu dem Phasing
588 Kapitel 10 • Ladungswechsel

..Abb. 10.101 Einbau-
1 situation der Valvetronic
der zweiten Generation
im Zylinderkopf
2
3
4
5
6
7
8
9 10.4.3.3 Mechanische Systeme Zunächst wird das System „VARIOVALVE“ der
in Entwicklung Fa. IAV beschrieben (. Abb. 10.102). Hierbei handelt
10 Im Folgenden wird auf zwei weitere vollvariable Ven-
tilsteuerungen mit mechanischem Wirkprinzip einge-
es sich auch um eine auf Basis eines Rollenschlepphe-
beltriebs vollvariablen Lösung, die bis zum Nullhub
gangen. Diese Systeme werden neben einer Vielzahl den Ventilhub und gleichzeitig damit die Ventilöff-
11 auf dem Markt angebotenen Systeme nach der Markt- nungsdauer verändern kann. Das System verwendet
einführung des Systems Valvetronic für eine Applika- ein zusätzlich bewegtes Getriebeglied mit einer Rück-
tion in der Großserie entwickelt [52]. stellfeder zwischen Nocken und Rollenschlepphebel.
12 Alle Kontaktstellen sind mit Rollenkontakten darstell-

13 ..Abb. 10.102 System
VARIOVALVE der Fa. IAV

14
15
16
17
18
19
20
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
589 10
..Abb. 10.103 Verstell-
getriebe und Ventil-
triebskomponenten des
Systems VARIOVALVE

Nockenwelle
bar. Die Steuerkurve ist ruhend an einer Verstellwelle Gabelhebel
angebracht. Durch Drehung der Steuerwelle und der
Kulisse
damit veränderten Übertragungsgeometrie rollt das Exzenterwelle
Arbeitskurve
Getriebeglied an der Steuerkurve unterschiedlich ab,
sodass sich hierdurch die gewünschte Ventilhubän- Gabelhebel
derung ergibt. Das System kann die volle Laststeu- im Detail
Rollenschlepphebel
erung des Motors übernehmen, sodass auch hierbei
die konventionelle Drosselklappe entfallen kann. Mit
dem kompakten Getriebeglied ist eine hohe System- Ventile mit unter-
schiedlichen Hüben
steifigkeit darstellbar. Die erzielbare Hubkurvenschar
ist standardmäßig bezüglich der Maxima symmetrisch.
Bei Verwendung eines Nockenwellenverstellers lässt
sich über die Ventilöffnungszeitverschiebung auch die
interne Restgassteuerung realisieren. ..Abb. 10.104  Aufbau des Systems UniValve [53]
Das zur Verdrehung der Steuerwelle benötigte
Getriebe sowie die Ventiltriebsteile einer möglichen einer Nockenwelle angetrieben und bewegen den Ga-
Zylinderkopfeinbausituation sind in . Abb.  10.103 belhebel mit der Mittelrolle in einer ortsfesten Kulisse.
dargestellt. Der Gabelhebel des Systems führt eine reine Kippbe-
Als zweite sehr interessant aufzuzeigende Entwick- wegung um eine Achse aus. In den Zwischenhebeln
lung wird auf das System „UniValve“ der Firmen Hilite ist die Arbeitskurve integriert, die auf der Rolle eines
International/Hydraulik-Ring und enTec CONSUL- Rollenschlepphebels abläuft und damit den Ventilhub
TING eingegangen. Hierbei handelt es sich ebenfalls erzeugt.
um eine vollvariable mechanische Ventilsteuerung, die Die Kulissenkurve ist durch eine Kreisbahn mit
zudem die Ventilhübe einzelner benachbarter Ventile dem Mittelpunkt der Rolle des Rollenschlepphebels
eines Zylinders unterschiedlich öffnen kann (Phasing). und einem Radius bestimmt, der durch den Rollen-
In . Abb. 10.104 sind die Hauptventilkomponenten durchmesser der Rolle des Kipphebels definiert ist.
eines Zylinders dargestellt. Ein zwischen Nocken und Zur Einstellung eines Ventilhubes wird der Drehpunkt
Rollenschlepphebel befindlicher Gabelhebel besteht des Zwischenhebels zur Nockenwelle hin mit einer
aus zwei Zwischenhebeln, die mit einer mittigen Rolle Exzenterwelle verschoben. Der Verstellweg beträgt
auf einer Achse angeordnet sind. Diese Zwischen- be- circa 3,5 mm um den Ventilhub von 0 auf 10 mm zu
ziehungsweise Kipphebel werden durch die Nocken verstellen. Der Nockenhub ist mit circa 5 mm ausge-
590 Kapitel 10 • Ladungswechsel

kann als Komplettsystem vom Systemlieferanten an-


1 geboten werden.
Der UniValve-Gabelhebel wurde bereits mehrmals
2 überarbeitet. Der Hebel wurde deutlich verkleinert und
die Rolle zur Abstützung an der Exzenterwelle durch
eine ebene Kontaktfläche ersetzt (siehe . Abb. 10.107).
3 Durch diese ebene Kontaktfläche zur Exzenterwelle
werden die Toleranzen reduziert, insbesondere ent-
fällt das Toleranzspiel der Rolle, der Rollenbohrung
4 und der Rollenachse. Die Kontaktfläche wird in einer
Aufspannung mit der Arbeitskurve geschliffen. Damit
5 und durch die Verwendung nur eines zusätzlichen
Getriebegliedes bietet das System die besten Voraus-
setzungen, die Leerlaufhubtoleranz der Einlassventile
6 von ±5 % eines mehrzylindrigen Motors ohne Einstel-
lung in einer Großserie zu erreichen. Die Gleitreibung
7 ..Abb. 10.105  Einbau des Systems UniValve in einen
Vierzylinderkopf
in der Kontaktfläche wird infolge der Gleitbewegung
leicht erhöht (. Abb. 10.107).
Die Exzenterwelle wird als Steckachse direkt im
8 legt, sodass sich eine sehr kompakte Anordnung er- Zylinderkopf gelagert, der Außendurchmesser kann
gibt. Die Rückstellfeder stützt sich in gleitgelagerten nach dem Härten zenterless geschliffen werden, wo-
Rollen auf der Verbindungsachse der Kipphebel ab. durch eine sehr kostengünstige und sehr steife Lösung
9 Als Ergänzung zu der Ventilhubvariation wird auf entsteht. Die hohe Steifigkeit der Exzenterwelle und
der Einlassnockenwelle ein stufenlos wirkender No- der ortsfesten Kulisse, die bevorzugt in Stahl ausge-
10 ckenwellenversteller eingesetzt, mit dem eine optimale
Wahl des Einlassschlusses erfolgt. Die Massenvertei-
führt wird, sind Voraussetzung für hohe Beschleuni-
gung und hohe Drehzahlen. Die Exzenter von zwei
lung des Kipphebels ist bezüglich seiner Drehung um Einlassventilen können zueinander verdreht werden,
11 die Exzenterwelle ausgeglichen, so dass die Höhe der wodurch sich das sogenannte Phasing der Ventile er-
Kontaktkraft zur Exzenterwelle mit der Drehzahl nicht gibt (siehe auch . Abb. 10.104).
zunimmt. Die Exzenterwelle zeigt für zwei Stellungen ein
12 Der Ventiltrieb wurde bis zu einer Drehzahl von sehr kleines Haltemoment. In diesen beiden Stellungen
8000 l/min getestet. Die Verstellung von Nullhub zu geht der Kontaktkraftvektor vom Zwischenhebel direkt
13 Vollhub erfolgt innerhalb von 120 Grad durch Verdre- durch den Drehpunkt des Exzenters. Damit eignet sich
hung der Exzenterwelle. Das Halte- und Verstellmo- eine derartige Exzenterverstellung für eine zweistufige
ment an der Exzenterwelle für zwei Ventile je Zylin- Ventilkonturumschaltung als erste Entwicklungsstufe
14 der liegt im Bereich von circa 4 Nm (. Abb. 10.107). eines neuen Zylinderkopfes. Ohne große Änderungen
Im UniValve-Ventiltrieb wird im Vergleich zu einem der Zylinderkopfgeometrie wäre eine stufenweise Ent-
15 Rollenschlepphebel-Ventiltrieb die Nockenwellen-
mitte um 5 bis 10 mm höher und um 10 bis 15 mm
wicklung über eine zweistufige Umschaltung bis hin
zum vollvariablen Hubsystem möglich. Für ein Um-
zur Sauganlage oder je nach Zylinderkopfgeometrie schaltsystem zwischen zwei Erhebungskurven ist es
16 zur Mitte des Zylinderkopfes hin verschoben. Die zu- von besonderer Bedeutung, dass der Energieaufwand
sätzliche Rückstellfeder, die in reibungsarmen Rollen zur Festhaltung der Position möglichst gering ist. Da-
auf der Achse des Gabelhebels geführt wird, liegt im mit eignet sich das System auch für einen stufenwei-
17 Schatten des Nockenwellenverstellers und führt nicht sen Ausbau mit hoher Zukunftssicherheit. Man kann
zu einer Erhöhung der package-relevanten Motorhöhe. damit ohne eine große Zylinderkopfänderung über
18 Der Einbau des Systems inklusive Verstellaktuator in ein relativ kostengünstiges Zweistufensystem durch
einem Vierzylinder-Prototypmotor in . Abb. 10.105 die Erweiterung mit einem Sensor und einem ange-
dargestellt. passten Aktuatorsystem eine vollvariable, drosselfreie
19 Je nach Zylinderkopfkonzeption kann das System Laststeuerung darstellen.
alternativ inklusive Nockenwellen, Ventiltriebskom- Bei einer drosselfreien Laststeuerung wird die Voll-
20 ponenten und Nockenwellenversteller als Modul mit
einem Nockenwellenträger auf das Zylinderkopfunter-
last nicht mit Vollhub im gesamten Drehzahlbereich
erreicht. Da die Volllast im unteren Drehzahlbereich
teil montiert werden (. Abb. 10.106). Dieser Umfang mit Teilhüben erreicht wird, bringt es Vorteile, wenn
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
591 10
..Abb. 10.106 Nocken-
wellenträger mit Ventil-
triebskomponenten in
Modulbauweise

..Abb. 10.107 Ver- 1
stellmomente an der Rollenkontakt
Ebenengleitkontakt
Exzenterwelle
0
Haltemoment / Zylinder [Nm]

Gleitfläche
–1

–2

–3
Ventilhöhe
Rollenkontakt: 8,457 mm Ebenen-
Ebenengleitkontakt: 8,559 mm Rollenkontakt gleitkontakt
–4
0 60 120 180 2 40 300 3 60
Nockenwinkel [°NW]

der Einlassschluss mit dem Ventilhub variiert wird. wie bei einer rennsportlichen Auslegung, führt zu kei-
Damit kann das Drehmoment an der Volllast im un- nem unrunden Motorlauf im unteren Drehzahlbereich
teren Drehzahlbereich ohne Nockenwellenverstellung, beziehungsweise zu keinem Verlust der Leerlaufqua-
das heißt ohne zusätzliche Regelung der Stellung der lität. Damit ergibt sich ein Zusammenhang zwischen
Nockenwelle zur Kurbelwelle deutlich angehoben wer- der Öffnungszeit und dem Ventilhub, letztendlich des
den. Mit einer derartigen Steuerung muss kein Kom- Öffnungsquerschnittes, der in . Abb. 10.108 darge-
promiss der Steuerzeiten im Leerlaufbereich oder aber stellt ist.
im oberen Drehzahlbereich eingegangen werden. Eine Damit eine möglichst optimale Füllung des Motors
Öffnungszeit mit 320° oder 340 °KW bei Maximalhub, erreicht wird, ist es vorteilhaft, wenn die Beschleuni-
592 Kapitel 10 • Ladungswechsel

10 ..Abb. 10.108 Öff-
1 9
Zielkurve nungscharakteristik der
Ventile
Auslegung
2 8
Messung
7
3 6
Ventilhub [mm]

4 5

5 3

6 2

7 0
0 20 40 60 80 100 120 140 150 180 200 220 240 260 280 300 320 340 360

8 Öffnungszeit [°NW]

gung des Einlassventils in allen Drehzahlbereichen nen Rollenstößel und eine Stoßstange ein Kipphebel
9 und damit auch bei allen Teilhüben möglichst hoch angetrieben, der seine Bewegung über eine Rolle auf
ist. Aktuelle variable Ventiltriebssysteme haben heute die obere Rolle des Zwischenhebels überträgt. Mit die-
10 eine maximale bezogene Ventilbeschleunigung von
circa 55 bis 80 mm/rad2. In den Teilhüben nimmt dabei
ser oberen Rolle läuft der Zwischenhebel gleichzeitig
in einer ortsfesten Kulisse ab. In den Zwischenhebel
die bezogene Beschleunigung stark ab und damit auch ist die Arbeitskurve integriert, die auf der Rolle eines
11 die Füllung an der Volllast. Vorteilhaft für die Volllast Rollenschlepphebels abläuft. Die Kurve der Kulisse ist
sowie die Drosselverluste im Teillastbereich wäre eine durch eine Kreisbahn mit dem Mittelpunkt der Rolle
bezogene Ventilbeschleunigung bei Teilhüben, die hö- des Rollenschlepphebels und einem Radius, der durch
12 her als bei Vollhub ist. Hohe bezogene und absolute den Rollendurchmesser der Rolle des Zwischenhebels
Beschleunigungen lassen sich nur realisieren, wenn definiert ist, bestimmt. Zur Einstellung eines Ventilhu-
13 die Beschleunigungsrampen bei allen Hüben klar defi- bes wird der Drehpunkt des Zwischenhebels zur No-
niert sind, das heißt hohe Beschleunigungen und hohe ckenwelle hin mit einer Exzenterwelle verschoben. Der
Motordrehzahlen lassen sich nur realisieren, wenn Verstellweg beträgt circa 3,5 mm, um den Ventilhub
14 bei allen Ventilhüben die Beschleunigungsrampe und von 0 auf 10 mm zu verstellen. Damit besteht der Vor-
insbesondere die Schließrampe nicht den Spielen oder teil, dass bei dieser Art der Motoren das Zylinderkur-
15 Kontaktsteifigkeiten überlassen wird. Tassenstößelven-
tiltriebe und Rollenschlepphebelventiltriebe werden
belgehäuse unverändert weiter verwendet werden kann
und nur Modifikationen am Zylinderkopf nötig sind.
heute mit einer maximal bezogenen Ventilbeschleuni-
16 gung von circa 85 mm/rad2 ausgelegt. Da die effektive 10.4.3.4 Hydraulisch betätigte Systeme
Ventilbeschleunigung mit dem Quadrat der Motor- In den 1980er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts
drehzahl wächst, kann die Teilbeschleunigung eventuell sind zahlreiche Forschungsarbeiten auf dem Gebiet
17 höher ausgelegt werden. Damit würde sich an der Voll- der hydraulischen variablen Ventilbetätigung durch-
last im unteren Drehzahlbereich ein Vorteil einstellen geführt worden. Die frei gestaltbare Betätigung der
18 und auch der Verbrauch im Teillastbereich aufgrund Ventile über das Medium Öl und die Feststellung des
der geringen Drosselverluste tendenziell verbessern. damit verbundenen Verbesserungspotenzials an Mo-
Ziel für den variablen Ventiltrieb sollte eine maximale toren war das Entwicklungsziel. Dabei wird nach wie
19 Beschleunigung bei Vollhub von circa 85 mm/rad2 bei vor an Lösungen mit und ohne Nockenwelle gearbeitet.
einer Drehzahl von 8500 l/min sein. Bei den Systemen mit Nockenwelle dient die No-
20 Das System UniValve ist auch an Motoren mit un-
ten liegender Nockenwelle einsetzbar (. Abb. 10.109).
ckenwelle zum Druckaufbau für einen Stößel, der über
das Medium Öl die Hubbewegung auf das Ventil über-
Von der unten liegenden Nockenwelle wird über ei- trägt. Damit ist der Öffnungsbeginn der Ventile stets
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
593 10

Kulisse

Zwischenhebel 3

Rollenschlepphebel

Erläuterungen:
Ventil
1 Einlassventil
2 Bremskolben
3 Nocken
1 4 Stößel
5 Stößelkammer
6 Magnetventil
7 Druckbehälter

..Abb. 10.110  Hydraulische variable Ventilsteuerung


der Fa. Fiat [54]

Nockenwelle

..Abb. 10.109  System UniValve für Motoren mit


unten liegender Nockenwelle

konstant. Je nach Unterbrechung des Öldruckaufbaus


im Hydraulikstößel kann nun die Schließzeit der Ven-
tile verändert werden. Als Laststeuerungsverfahren
kommt dabei hauptsächlich das „frühe Einlass-Schlie-
ßen“ zum Einsatz. Je nach Art der Unterbrechung des
Druckaufbaus durch Verwendung einer Steuerkante
oder durch Verwendung eines elektromagnetischen
Ventils wird nach der Gliederung in ▶ Abschn. 10.4
unterschieden. Zur Steuerung des Restgasgehaltes wird
eine Nockenwellenverstellung empfohlen. Eine Kons-
truktion zur Veränderung der Steuerzeiten auf Basis
eines hydraulischen Wirkprinzips mit Verwendung
einer elektromagnetischen Abflusssteuerung stellt ex-
emplarisch das System der Fa. Fiat in . Abb. 10.110 ..Abb. 10.111  Hydraulische Ventilsteuerung UNIAIR
der Fa. INA an einem Versuchsmotor
dar. Entwicklungen zu ähnlichen Lösungen wurden bei
vielen Firmen durchgeführt.
Das Einlassventil wird über die Nockenwelle und niedrigen Temperaturen sowie die damit stark differie-
einen hydraulischen Übertragungsmechanismus betä- renden Ölviskositäten. Ebenfalls ist die Reproduzier-
tigt. Dabei baut sich durch die Bewegung des Stößels barkeit der Ventilerhebungskurve schwer zu erreichen.
im Stößelraum ein Druck auf, der den über dem Ven- Für das gezielte Verzögern des Ventils beim Schließen
til angeordneten Kolben und somit das Ventil bewegt. im Ventilsitz muss eine funktionierende Ventilbremse
Der Öldruck im Stößelraum kann durch ein Magnet- vorhanden sein. Ein aktuelles Anwendungsbeispiel
ventil unterbrochen werden. Damit wird der Ventil- dieses Prinzips ist in . Abb.  10.111 an einem Ver-
hub begrenzt und die Laststeuerung des Motors kann suchsmotor der Fa. INA dargestellt. Stößel, Stößel-
somit ohne Drosselklappe erfolgen. Über einen kleinen kammer und Bremskolben aus der Prinzipskizze aus
Druckbehälter kann Öl in den Stößelraum nachgeför- . Abb. 10.110 sind in Verlängerung der Ventilachse
dert werden. Das Magnetventil muss extrem schnell- übereinander angeordnet.
schaltend ausgelegt sein. Problematisch bei dieser Die Firmen Bosch und AVL arbeiten an einer no-
Art der Ventilbetätigung ist das Betriebsverhalten bei ckenwellenlosen Lösung zur Realisierung des vollvari-
594 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Druck- und Temperatursensor EHVS-Steller ..Abb. 10.112 Hydrau-


1 Überdruckventil lische Ventilsteuerung
der Firmen Bosch bezie-
hungsweise AVL
2
3
4 Ölfilter
(Zulauf vom

5 Signale für:
Drehzahl
Motorkreislauf)

Fahrpedalposition

6 Temperaturen
KW-Position
Hochdruck
Motordruck
Viskositätssensor
7 Hochdruckpumpe
Rücklauf
Leckage

8
ablen Ventilhubs. Zur Bereitstellung der hydraulischen 10.4.3.5 Elektromechanische Systeme
9 Energie wird eine Ölpumpe benötigt, die im Neben- Die Idee, Gaswechselventile mit elektrischer Energie
trieb des Motors integriert wird und den benötigten zu betätigen und frei von jeglichen Zwängen eines
10 Druck zum Betätigen der Ventile zur Verfügung stellt.
Die Pumpe erhält von der normalen Motorölpumpe
Nockentriebs die Ventilhubbewegung zu gestalten, ist
sicherlich der Traum eines jeden Motoreningenieurs.
aus dem Motorölkreislauf konventionelles auf Vor- An Ansätzen, dieses mit rein elektrischer Betätigung
11 druck gefördertes Motoröl. Über Leitungen wird ein wie zum Beispiel durch Piezoaktuatoren zu bewerkstel-
Rail gespeist, von dem die einzelnen Aktuatoren im ligen, hat es nicht gefehlt. Sehr häufig kommt als Kons-
Zylinderkopf versorgt werden (. Abb. 10.112). truktionselement zur Reduzierung der Antriebsenergie
12 Der Hochdruck für die Aktuatoren liegt in einem für die Ventilbetätigung eine Feder als Energiespeicher
Bereich zwischen 50 und 200 bar. Der Zylinderkopf ist oder ventilschließendes Element zum Einsatz. So ist
13 in zwei Ebenen modular aufgebaut [55]. Der untere vor mehr als 20 Jahren mit ersten Entwicklungen zu
Teil enthält die zum Ladungswechsel und Brennraum elektromechanischen nockenwellenlosen Ventilsteue-
gehörenden Funktionen (Thermodynamik-Modul), rungen begonnen worden. Mit diesem System besteht
14 der obere Teil die Ventilbetätigungselemente (Hyd- das größte Potenzial zur Variation der Ventilerhe-
raulik-Modul). Der Aktuator stellt sich im Wesent- bungskurve. Als meist vorzufindende Konstruktion
15 lichen als ein beidseitig mit Hochdrucköl betätigtes
Kolbenmodul dar, wobei je nach Bedarf und Ventiler-
werden Aktuatoren verwendet, die je Gaswechselventil
verwendet werden. Damit lassen sich für jedes Ventil
hebungswunsch über Schaltventile das Kolbenmodul individuelle Steuerzeiten einstellen. Als größter Vorteil
16 angesteuert wird. Die freie Art der Ansteuerung und dieser Systeme wird neben der über Last und Drehzahl
der damit verbundenen Betätigung der Ventile ist der frei wählbaren Ventilerhebungsstrategien die Möglich-
große Vorteil dieser Art der Ventilsteuerung. keit einer zusätzlichen Zylinderabschaltung gesehen.
17 Auf dem Gebiet der hydraulischen variablen Ven- Ein zwischen zwei wechselseitig mit Strom be-
tilsteuerungen sind zurzeit eher wenige Aktivitäten aufschlagten Spulen befindlicher Anker ist mit dem
18 zu beobachten. Den Autoren sind die Entwicklun- Gaswechselventil über die Ankerführung verbunden.
gen der Firmen Fiat, Bosch beziehungsweise AVL, Zusätzlich werden Federn verwendet, die den Anker
Lotus, INA und einiger anderer Firmen bekannt, an beziehungsweise das Ventil betätigen. Der Anker wird
19 denen intensiver gearbeitet wird. Ob diese Systeme je nach Stromanlage in der unteren oder oberen Spule
eine Chance für die Realisierung an Serienmotoren zum Schwingen angeregt. Dadurch kann der Ventil-
20 haben, ist schwierig zu beurteilen und bleibt spannend
zu beobachten.
hub von 0 mm bis zum Maximalhub eingestellt werden
und durch eine breite Variation der Ventilerhebung die
Laststeuerung des Motors vorgenommen werden. In
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
595 10

1
2

3
4
Erläuterungen:
1 Schließer-Magnet
2 Anker
3 Öffner-Magnet
4 Ventilfedern
Neutrallage Ventil Ventil
geschlossen geöffnet

..Abb. 10.113  Prinzipielle Darstellung eines elektro-


magnetischen variablen Ventiltriebs [56]

. Abb. 10.113 ist der prinzipielle Aufbau dieser Steu-


erungsart dargestellt. Für das Öffnen des Ventils wird
der Öffner-Magnet, für das Schließen der Schließer-
..Abb. 10.114  Vierzylinder-Versuchsmotor der Fa.
Magnet mit Strom erregt. Bei Nichtbeaufschlagung BMW mit elektromechanischer Ventilsteuerung
der Spulen mit Strom verbleibt der Anker und damit
das Ventil in der Mittelstellung zwischen den Spulen.
Diese Stellung wird durch die Federn gehalten. Für den Der Leistungsbedarf der Aktuatoren ist nur mit einer
Systemausfall oder den Motorstillstand ist ein entspre- erhöhten Bordspannung zu realisieren, sonst wären die
chender Freigang im Kolben vorzusehen. elektrischen Verluste und die je Aktuator benötigten
Der Aktuator ist mit einem Sensor zur Erfassung Volumina zu hoch. Ein hoher Generatorwirkungsgrad
des momentanen Betriebszustandes versehen [57, von circa 75 % ist mitverantwortlich für erzielbaren
58]. Die Ansteuerung des Aktuators erfolgt mit einer Verbrauchsvorteil.
speziellen elektronischen Ventilsteuerung, in der die Der typische Bewegungsablauf bei einem Öff-
erforderlichen Stromverläufe für die Stelleinheiten nungsvorgang beginnt zu einem bestimmten Zeit-
geformt werden. Der Energiebedarf wird durch ei- punkt mit dem Befehl der Motorsteuerung, das ent-
nen 42-Volt Generator aufgebracht. Hierzu wird auf sprechende Ventil zu öffnen. In der Elektronik wird
einen Kurbelwellen-Start-Generator zurückgegriffen, dieser Befehl umgesetzt in die Ansteuerung der beiden
der an der Kupplungsseite des Motors integriert ist,
. Abb. 10.114.
-
Elektromagneten:
die Haltespannung an der oberen Spule wird
Die Anforderungen an Aktuatorik und Sensorik
der elektromechanischen Ventilsteuerung sind im We-
-- abgeschaltet,
die gespannte Feder beschleunigt den Anker,

--
sentlichen:
eine möglichst geringe Leistungsaufnahme,
eine hohe Dauerhaltbarkeit vergleichbar zu kon-
das Ventil öffnet sich.

Bei der Annäherung des Ankers an die maximal ge-

- ventionellen Ventiltrieben,
die Realisierung einer möglichst kurzen Schalt-
öffnete Position wird durch Bestromung der unteren
Spule der Anker eingefangen und das Ventil mit ihm

- zeit für flexible Steuerzeitenstrategien,


die Einhaltung von reproduzierbar genauen
Steuerzeiten.
zusammen im geöffneten Zustand gehalten. Bei Ende
der gewünschten Steuerzeit wird der Schließbefehl
ausgelöst und das Ventil in seinen Sitz zurückgeführt.
Das sanfte Aufsetzen des Ventils in seinen Sitz hat aus
Die elektromechanische Ventilsteuerung ist direkt am Gründen der Akustik und des Verschleißes mit einer
Motor angeordnet und unterliegt hohen mechanischen Ventilaufsetzgeschwindigkeit unter 0,05 m/s zu erfol-
und thermischen Belastungen. Die primäre Funktion gen. Dieses Aufsetzverhalten wird als „Soft Landing“
der Ventilsteuerung besteht darin, die Spulen der Ak- bezeichnet. Zur Reduktion der Kräfte und Aufsetzge-
tuatoren mit Spannung zu versorgen, dass ein gezielter schwindigkeiten muss die Stromstärke bereits während
Stromverlauf generiert wird (. Abb. 10.115). Weiterhin der Flugphase des Ankers und des Ventils deutlich ver-
muss auch die Temperaturstabilität sowie eine hohe ringert werden. Das Einhalten dieses Vorgangs und
elektromechanische Verträglichkeit gesichert sein. die Reproduzierbarkeit des Ventilschließzeitpunktes
596 Kapitel 10 • Ladungswechsel

motor ist das Öffnen beider Ventile nur bei Volllast


1 Anschluss
Steuergerät
und hohen Drehzahlen nötig. Im Teillastbetrieb kön-
nen einzelne Ventile bis hin zur unterschiedlichen An-
2 steuerung benachbarter Zylinder wie die Abschaltung
einzelner Zylinder stillgelegt werden.
Ankerplatte Durch die große Variabilität der Ventilerhebungs-
3 kurven kann die Steuerung des Restgasanteils durch
den Überschneidungsbereich zwischen Auslass- und
Einlassventilerhebung einfach erfolgen.
4 Die Serieneinführung der elektromechanischen
Ventilsteuerungen führt zu erheblichen Mehrkosten,
5 Elektromagnet
zu einer größeren Motorbauhöhe und zu höheren
Motorgewichten. Deshalb wird auch an Entwicklun-
gen gearbeitet, bei denen nur auf der Einlassventil-
6 seite derartige Steuerungen vorgesehen werden. Im
Ventilfeder Spannungsfeld dieser Kriterien und Fakten wird die
7 Zukunft zeigen, in wie weit diese Art der variablen
Ventilsteuerungen dann die bisher rein mechanisch
wirkenden an Serienmotoren ablösen. Auch die voll-
8 Ventil variablen mechanischen Ventilsteuerungen werden ihr
Potenzial an Serienmotoren weiter ausschöpfen. Das
damit noch vorhandene thermodynamische zusätzli-
9 che Verbesserungspotenzial für elektromechanische
Ventilsteuerungen ist begrenzt.
10
10.4.4 Perspektiven des variablen
11 ..Abb. 10.115  Einzelaktuator des elektromechani-
schen Ventiltriebs
Ventiltriebs

Seit den 1980er Jahren werden wesentliche Entwick-


12 von weniger als einem Grad Kurbelwinkel stellt an die lungen zur Verbrauchsverbesserung, Drehmomenter-
Regelung dieses komplexen mechatronischen Systems höhung bei niedrigen und höheren Drehzahlen und
13 hohe Anforderungen. Die Fa. BMW stellt hierfür ein zu Reduzierung der Rohemissionen von Ottomotoren

14 -
Regelungskonzept vor, das auf drei Säulen aufbaut [57]:
einem Sollwertgenerator, der die Vorgabe der
Zeitabläufe für Weg, Geschwindigkeit und
Beschleunigung insbesondere für den Endlagen-
im Ventiltrieb durchgeführt. Erste Ventilkonturum-
schaltsysteme wurden bereits 1983 an einem Motorrad
und später an Automobilmotoren eingeführt, um hö-
here Leistungen zu realisieren. Dabei wurde zwischen
15
- bereich des Ankers übernimmt,
einem Beobachter, der Schätzwerte für die drei
einer Ventilhubkurve mit kurzer Steuerzeit und einem
Ventilhub von circa 4 mm auf eine Ventilhubkurve

16
17
- Zeitverläufe berücksichtigt und
dem Regler, der aus Abweichung zwischen Soll-
und Schätzwert die erforderliche Spulenspan-
nung berechnet und regelt.
mit sehr langer Steuerzeit und einem Ventilhub von
10 mm umgeschaltet und somit der Konflikt zwi-
schen Leerlaufqualität, Anfahrbeschleunigung und
hoher Leistung gelöst. Wesentliche Verbrauchsver-
besserungen konnten erst erzielt werden, als es mit
Elektromechanische Ventilsteuerungen dieser Art mit der Einführung von Nockenwellenverstellern auf der
18 Einzelaktuatoren weisen die höchste Variabilität der Einlassnockenwelle gelang, eine effektive Restgassteu-
Gestaltung von Ventilhubkurven auf. Alle denkbaren erung durch die Steuerung der Überschneidungsfläche
Prozessabläufe sowie Laststeuerungsverfahren wie in der Teillast von Ottomotoren darzustellen. An der
19 zum Beispiel „frühes Einlass-Schließen“ lassen sich Volllast konnte durch die damit mögliche drehzahlab-
realisieren. Von einem Zyklus zum anderen kann auf hängige Regelung des Schließzeitpunktes des Einlass-
20 eine geänderte Ventilhubfunktion gewechselt werden.
Darüber hinaus ist es möglich, nur so viele Ventile zu
ventils deutliche Verbesserungen des Drehmomentes
bei niedrigen und hohen Drehzahlen erreicht werden.
betätigen wie benötigt werden. Bei einem Vierventil- Eine Nockenwellenverstellung auf der Auslassnocken-
10.4  •  Variable Ventilsteuerungen
597 10
..Abb. 10.116 Patent­
1990 36 / 3 / 24
anmeldungen von
Systemen mit Ventilkon- 1991 58 / 5 / 25
turumschaltung und
1992 118 / 5 / 28
Vollvariabilität
1993 97 / 4 / 4

1994 94 / 0 / 3
1995 82 / 3 / 1 Ventilkonturumschaltung /
Anmeldejahr

vollvariable Systeme /
1996 91 / 1 / 3
andere Systeme
1997 64 / 1 / 5

1998 42 / 26 / 20
1999 45 / 24 / 9

2000 27 / 49 / 7

2001 63 / 91 / 18
2002 41 / 62 / 26

2003 30 / 29 / 10

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180


Patentenmeldungen zu mechanischen variablen Ventilsteuerungen

welle ermöglicht eine gezielte Aufheizung der Kataly- Die Direkteinspritzung eröffnet durch den mageren
satoranlage im Warmlauf durch frühzeitiges Öffnen Schichtbetrieb des Ottomotors zusätzlich erhebliche
des Auslassventils. Die erreichbaren Kraftstoffver- Verbrauchsvorteile. Allerdings wird die Abgasnach-
brauchsverbesserungen im weiterhin gedrosselten behandlung deutlich aufwändiger und teurer. Bei der
Betrieb liegen im Bereich von circa 4 % bei einer No- Verwendung von NOx-Speicherkatalysatoren muss ein
ckenwellenverstellung auf der Ein- und Auslassno- Teil der Verbrauchsverbesserungen wieder aufgegeben
ckenwelle mit einem Verstellwinkel von 60 °KW. werden und es kann nur schwefelarmer Kraftstoff ver-
Eine weitere Kraftstoffverbrauchsverbesserung von wendet werden. Dies schränkt die Marktbereiche ein.
6 bis 8 % wurde durch die Einführung der drosselfreien Die Entwicklungsingenieure stehen einerseits vor der
Laststeuerung des Ottomotors mit lastabhängiger Rege- Situation aus mehreren Systemen auswählen zu kön-
lung der Höhe des Ventilöffnungsquerschnittes und des nen, um die CO2-Zusagen für 2008 zu erfüllen, ande-
Schließpunktzeitpunktes der Einlassventile erreicht. rerseits müssen sie sich für eine Technologie entschei-
Die lastabhängige Regelung des Öffnungsquerschnit- den, die ein möglichst großes Zukunftspotenzial in den
tes erfolgt bei elektromechanischen und servohydrau- kundenrelevanten Motorfunktionen aufweist.
lischen Ventiltrieben durch eine variable Öffnungszeit, Entscheidungsrelevant werden die Funktionsvorteile,
das heißt das Einlassventil wird immer voll geöffnet die Gesamtkosten inklusive der Kosten für die Abgasan-
und die Länge der Öffnungszeit der Last angepasst. Bei lagen, Sensoren und Steuergeräte, sowie die Investitions-
vollvariablen mechanischen Ventiltrieben wird dagegen kosten, Packageanforderungen und Gewichtsanhäufun-
der Öffnungsquerschnitt durch die Höhe des Ventilhu- gen sein. Heutige elektromechanische Ventiltriebe sind
bes und bei einigen Systemen durch die Höhe des Ven- in ihrer Variabilität nicht zu übertreffen, allerdings ist die
tilhubes und der Länge der Öffnungszeit geregelt. Die Motordrehzahl begrenzt auf circa 6000 l/min, der Ener-
Reduzierung des Ventilhubes führt zu höheren Gasge- gieverbrauch bei niedrigen Drehzahlen relativ hoch, die
schwindigkeiten im Ventilspalt, bei kleinsten Ventilhü- Erhöhung der Motorabmessungen und die Gewichtszu-
ben wird am Ventilsitz Überschallgeschwindigkeit er- nahme nicht zu vernachlässigen. Die Abschaltung ein-
reicht und dadurch die Kraftstofftropfen feinstverteilt. zelner Ventile, Takte oder Zylinder weisen dagegen das
Die damit verbesserte Gemischaufbereitung reduziert höchste Zukunftspotenzial auf.
den Kraftstoffverbrauch und die Rohemissionen. Bei den mechanischen vollvariablen Ventiltrie-
Alternativ dazu wurde die drosselfreie Laststeue- ben werden eine Vielzahl von Lösungen angeboten,
rung mit Direkteinspritzung zur Serienreife entwickelt. . Abb.  10.116, die sich in wichtigen Funktionen
598 Kapitel 10 • Ladungswechsel

Drosselklappe Injektor
1
2
Geschwindigkeit Sammler
Impulslader
3 [m/s] Ventil

4 978,71

87,74
5 76,77 ..Abb. 10.118  Position von Sammler, Injektor und
Impulsladerventil im Saugmodul
6 65,80
dürfen aber nicht durch Energieverluste beim Ein-
54,84
7 stellen und Halten des Ventilhubes wieder reduziert
werden. Selbst wenn alle Verbrauchspotenziale der
43,67
variablen Ventiltriebe genutzt werden, wird man die
8 32,90 Verbrauchspotenziale der Direkteinspritzung mit
strahlgeführten Brennverfahren beim Ottomotor aus
21,94 heutiger Sicht wohl nicht erreichen. Ist deshalb der
9 vollvariable Ventiltrieb nur ein Zwischenschritt auf
10,97 dem Weg zur Direkteinspritzung? Diese Frage wird
10 0,00
vermutlich durch die Kostenentwicklung beantwortet
werden. Wenn der vollmechanische Ventiltrieb sich
durch Drehmomentvorteile, durch Emissionsverbes-
11 ..Abb. 10.117  Simulation des Dralls mit unterschied- serungen im Starten und im Warmlauf, durch verbes-
lichen Ventilhüben von 1 und 10 mm serte Gasannahme und erhöhte Leerlaufqualität und
durch Verbrauchsverbesserungen im λ = 1-Betrieb
12 unterscheiden und es dem Motorentwickler schwer „rechnet“, wird die Zukunft aus der Kombination der
machen, ein System mit hohem Zukunftspotenzial Direkteinspritzung und dem vollvariablen Ventiltrieb
13 auszuwählen. In . Abb. 10.116 sind für mechanische bestehen.
variable Ventilsteuerungen die Patentanmeldungen der Eine variable Drallstärke durch Phasing des Ven-
Systeme aufgelistet, die ein Übertragungsglied zwi- tilhubs und eine Restgassteuerung durch ein zweites
14 schen Nocken und Ventil einsetzen. Die Systeme die- variables Öffnen der Einlassventile bei gleichzeitig
ser Gruppe werden durch Ventilkonturum- oder -ab- offenen Auslassventilen führt zu verstärkten Diskussi-
15 schaltsysteme sowie vollvariable Systeme beschrieben.
Insbesondere nach der Serieneinführung des Systems
onen über den Einsatz von vollvariablen Ventiltrieben
beim Dieselmotor.
der Valvetronic sind die Aktivitäten auf dem Gebiet der
16 vollvariablen Systeme stark angestiegen.
Neue Entwicklungen ermöglichen es, einzelne 10.5 Impulsaufladung
Ventile oder Zylindergruppen abzuschalten oder die mit steuerbaren Ansaugluft-
17 Ventilhubhöhe und Ventilöffnungszeit unterschied- Ventilen
lich einzustellen. Mit dem Phasing des Ventilhubs
10.5.1 Einleitung
18 wird eine Zylinderinnenströmung mit einem aus-
geprägten Drall erzeugt (. Abb. 10.117). Die Strö-
mungsgeschwindigkeiten im Drall können durch den Bei der Impulsaufladung wird eine höhere Verdichtung
19 Ventilhub und durch den Unterschied im Ventilhub des zur Verbrennung benötigten Frischgasgemisches
der beiden Einlassventile an die Motordrehzahl und erreicht, indem die einströmende Luftmasse stromauf-
20 Last angepasst werden. Damit werden in Verbin-
dung mit Maßnahmen des Masking zusätzliche Ver-
wärts der Einlassventile mit Hilfe von schnell schal-
tenden elektromagnetischen Ventilen gezielt gesteuert
brauchsvorteile eröffnet [50]. Die Verbrauchsvorteile wird. Diese frei steuerbaren Impulslader-Ventile wer-
10.5  •  Impulsaufladung mit steuerbaren Ansaugluft-Ventilen
599 10
..Abb. 10.119 Impulsla- 4 Impulsader-Ventile Impulsader-Steuergerät
der-Ansteuerung, elektri-
sche Systemeinbindung
und Schnittstellen

CAN Ventilansteuerung
– Diagnose
– Status Information

Batterie 12 V Kurbelwellen-
Sensor Motor-Steuergerät
(Drehzahl/Phase) Impulsade Adressierung
– Phase
– Dauer geöffnete Position

den in das Ansaugrohr zwischen dem Einlassventil durch den kleineren Hubraum, mit Impulsaufladung
und dem Luftsammler angeordnet (. Abb. 10.118). im Volllastbetrieb zumindest kompensiert werden.
Zu Beginn des Ansaugtaktes, wenn der Kolben Es konnten mit der hier beschriebenen Art und Aus-
sich nach unten bewegt, wird das Impulslader-Ventil gestaltung der Impulsaufladung bereits Steigerungen
geschlossen gehalten. Im Brennraum entsteht ein Un- des Luftaufwands und des indizierten Mitteldrucks
terduck. Erst mit Öffnen des Impulslader-Ventils vor von bis zu 40 % bei niedrigen Drehzahlen gemessen
dem unteren Umkehrpunkt des Kolbens wird die Luft werden [59].
schlagartig freigegeben und strömt durch das erzeugte Ebenfalls messbare Steigerungen in Luftaufwand
Druckgefälle in den Zylinder. Gleichzeitig entsteht eine und Drehmoment konnten mittels Impulsaufladung,
impulsartige Druckwelle, die nach Rückreflexion am mit anders ausgestalteten Ventilen dargestellt werden
Sammler mit Schallgeschwindigkeit in den Brennraum [60]. Den Vorteil von Druckwellenaufladung auf die
gelangt. Das Impulslader-Ventil schließt, bevor die gewünschte Steigerung des Luftaufwands am Ende des
Überdruckwelle wieder entweicht, woraus die erhöhte Ansaugvorgangs mit möglichst kleiner Ansaugarbeit
Zylinderfüllung resultiert (. Abb. 10.119). wurden veröffentlicht [61]. Darin wird auch auf die
Dieser Aufladeeffekt steht ohne Verzögerung in- Problematik der Klopfbegrenzung und hohem Zylin-
nerhalb eines Arbeitstaktes zur Verfügung. derdruck eingegangen.
Für jeden Zylinder wird ein Ventil benötigt. Die Mit Hilfe der schnell schaltenden und sehr dich-
Ansteuerung der Ventile übernimmt eine Elektronik, ten Impulslader-Ventile wird nach Schließen der
die phasengenaue Signale des Kurbelwellensensors und mechanischen Einlassventile ein höherer Gasdruck
des Nockenwellensensors benötigt. Eine standardi- gespeichert. Dieser Nebeneffekt im Ansaugweg führt
sierte Schnittstelle zu Motorsteuerung überträgt unter zu einer verbesserten Restgasausspülung während
anderem die Information, wann die Impulsaufladung der Ventilüberschneidungsphase und somit wird
aktiviert werden soll. eine Reduktion der Brennkammertemperatur reali-
Durch die Impulsaufladung steigen der Luftauf- siert, welche sich vorteilhaft auf das Klopfverhalten
wand λa und der indizierte Mitteldruck pmi im unteren des Motors auswirkt. Die verbesserte Restgasausspü-
Drehzahlbereich um bis zu 40 %. Ohne Impulsaufla- lung wird dadurch ermöglicht, dass der während der
dung ist, besonders bei niedrigen Drehzahlen, die Zy- Impulslaufladung entstandene Überdruck im kurzen
linderfüllung im Vollastbereich sehr unbefriedigend. Ansaugweg zwischen Einlassventil und Impulslader-
Auch Abgasturbolader liefern erst nach einer Verzö- ventil zwischengespeichert, und während der Über-
gerungszeit und Mindestdrehzahl eine verbesserte Fül- schneidungsphase von Einlass- und Auslassventil zum
lung. Die Impulsaufladung reagiert in diesen Situatio- Ausspülen des im Brennraum verbliebenen Restgases
nen spontan und liefert schon im nächsten Arbeitstakt genutzt wird. Restgasanteile bis zu 2,5 % können so
den erwünschten Drehmomentschub. realisiert werden.
Dem Entwicklungstrend zum Downsizing Rech- Ein weiterer positiver Nebeneffekt entsteht durch
nung tragend, kann der sich ohne weitere motori- die höhere Gas-Einströmgeschwindigkeit in den Zy-
sche Maßnahmen zwangsläufig ergebende Verlust an linder, was die Gemischbildung positiv beeinflusst. Die
Drehmoment im unteren Drehzahlbereich bedingt intensivere Strömungsbewegung wirkt sich speziell in
600 Kapitel 10 • Ladungswechsel

der Kaltstartphase positiv aus. Die daraus resultierende sorption von Körperschall und insbesondere durch
1 stabilere Verbrennung kann genutzt werden, um die spezielle elektrische Ansteuerungsalgorithmen be-
Kohlenwasserstoff-Emission während dieser Kaltlauf- rücksichtigt.
2 phase spürbar zu senken, wenn der Katalysator noch
nicht wirksam ist.
Für die Applikation der Impulsaufladung ist Kom-
patibilität zur heutigen Systemarchitektur des Fahrzeu-
Die durch die verbesserte Zylinderfüllung erreichte ges Voraussetzung. Designstudien haben gezeigt, dass
3 Anhebung des Motordrehmoments kann durch län- die für eine effiziente Impulsaufladung notwendigen
gere Getriebeübersetzungen direkt zur Verbrauchs- Saugstrecken durch ein entsprechendes Saugmodul im
reduktion genutzt werden. Das Potenzial bei der verfügbaren Bauraum darstellbar sind.
4 Verbrauchseinsparung durch Impulsaufladung und
Zylinderabschaltung wird bei Ottomotoren auf 7 bis zz a) Ventil-Konzept
5 10 % beziffert [62]. Es werden schnell schaltende elektrisch betätigte Li-
Eine Kombination einfacher Abgasturbolader nearventile verwendet, deren hochdynamische Cha-
und Impulsaufladung mit den Vorteilen der Spontani- rakteristik mittels zweier integrierter Federn und
6 tät bei positiven Lastwechseländerungen bis herunter einer angepassten elektronischen Steuerung als Feder-
zur Leerlaufdrehzahl bietet optimale Ansätze [63]. Die Masse-Resonator erreicht wird. Die Patentschrift [64]
7 Auslegung des Abgasturboladers wird dabei auf den
oberen Drehzahlbereich, die des Impulsladers auf den
beschreibt Ausgestaltungen derartiger Ventile für den
Einsatz in der Impulsaufladung. Zwei Spulen kom-
unteren Drehzahlbereich fokussiert. men im stationären Teil des Ventils zum Einsatz. Die
8 Die Verwendung der Impulsaufladung ist für Otto- eine Spule wird zum Halten des beweglichen Teils des
motoren mit Kanal- und Direkteinspritzung aber auch Ventils in geschlossener Position bestromt, die andere
für Dieselmotoren geeignet. in der offenen Position des Ventils. Der bewegliche
9 Teil ist wie ein Strömungskörper ausgeformt. Der so
geformte „Ventilteller“ ist gleichzeitig Bestandteil des
10.5.2 Anforderungen
10 an die Komponenten
Eisenkreises des Ventils. Durch den Verzicht auf einen
separaten beweglichen Eisenkreis des Ventils konnte
für den Serieneinsatz die translatorisch zu beschleunigende Masse und die
11 beim Schließen zu verzögernde Masse klein gehalten
Die Nutzung von Systemen mit elektrischer Impuls­ werden. Die damit erst mögliche moderate Federstei-
aufladung für Hubkolbenmotoren darf im Serien­ figkeit, die zum Erreichen der Resonanzzeitkonstante
12 einsatz natürlich nicht zu Einschränkungen in der T/2 (welche proportional zur Wurzel aus dem Quotient
Systemlebensdauer und der Verfügbarkeit führen. von Masse und Federkonstante ist) von kleiner 3 ms
13 Heutige Anforderungen an die Lebensdauer des An- (T100) benötigt wird, erlaubt einen akzeptablen Ener-
triebsstrangs von 5000 h bedeuten mehr als 108 Auf- gieaufwand beim Halten des Ventils.
Zu-Schaltvorgänge für die Impulslader-Ventile. Da- Die Vorteile dieser Ventilform sind neben der
14 bei wurde vorausgesetzt, dass die Impulsaufladung, auch in der transienten Flugphase des Ventils stets
durch einen Auf-Zu-Schaltvorgang pro Motorzyklus strömungsgünstigen Eigenschaften die hervorragende
15 zur Vollastverbesserung bei Drehzahlen bis zu 4000 l/
min, zur Restgasausspülung sowie zur zyklischen Zy-
Dichtheit im geschlossenen Zustand. Diese ist auch
maßgeblich für die Umsetzung der Restgasausspülung.
linderabschaltung im Teillastbetrieb genutzt wird. In Die Dichtheit des Linearventils ist ein wesentlicher
16 den sonstigen Betriebszuständen werden die Ventile Vorteil gegenüber Klappensystemen für Impulsaufla-
elektrisch in der Offenstellung gehalten, wodurch sie dung, wie sie in [60, 65] beschrieben werden.
den effektiven Strömungswiderstand der Saugstrecke Entscheidend für einen hinreichenden Impulslade-
17 nur minimal beeinträchtigen. effekt sind Schaltzeiten zum Öffnen des Ventils unter
Das gesamte Saugmodul ist so auszulegen, dass ein 3 ms bei gleichzeitig geringen Auftreffgeschwindig-
18 Einsatz für Umgebungstemperaturen von −40 °C bis keiten. Hierbei kommen intelligente Steueralgorith-
über +125 °C möglich ist. men zum sogenannten Softlanding zum Einsatz. Das
In früheren Prototypen rein elektrischer Ventil- Softlanding trägt auch wesentlich zur Erfüllung der
19 triebe (EVT) wurde das Geräuschverhalten, hervor- Lebensdaueranforderungen bei. Zudem können die
gerufen durch das harte Aufsetzen der Ventile auf Geräuschemissionen im Betrieb deutlich reduziert
20 den Ventilsitz, als sehr komfortmindernd dargestellt.
Diese Erkenntnisse wurden bei der mechatronischen
werden. Langjährige Erfahrung in der Systementwick-
lung von elektromagnetischen Ventilsteuerungen [66]
Integration der Impulsladerventile durch gezielte Ab- erlaubte, Schaltzeiten unter 3 ms bei geringen Auftreff-
10.5  •  Impulsaufladung mit steuerbaren Ansaugluft-Ventilen
601 10
Leistungsaufnahme vs. Motordrehzahl
Energy Consumption per EIC Valve
During Impulse Charging Mode

Energyconsumption / W
30
25
20
15
10
5
0
0 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000
Engine Speed / rpm

..Abb. 10.121  Gemittelte Leistungsaufnahme für


..Abb. 10.120 Impulslader-Ventil Impulsladerventil im Vollastbetrieb

geschwindigkeiten weit unterhalb 1 m/s zu realisieren. sprechen denen von Standard-Motorsteuergeräten für
Die Patentschrift [67] beschreibt Steueralgorithmen den motornahen Anbau.
zur Softlanding.
zz Hardware
zz Ausführung des Ventils Das leistungselektronische Steuergerät verfügt über
. Abb. 10.120 zeigt ein Ventil, wie es im integrierten Power-MOSFETs mit sehr niedrigen RDS, on. Die
Saugmodul zum Einsatz kommt. Die elektromagneti- Verluste im Impulsladerbetrieb konnten bei maximaler
sche Auslegung des Ventils erfolgte mit Hilfe moderner Motordrehzahl auf 30 W begrenzt werden.
FEM-Berechnungsprogramme. Dabei wurden die im Weiterhin wurden die Ohmschen Widerstände im
Betrieb auftretenden Kräfte und deren Kompensation Steuergerät durch eine sorgfältige Auslegung von Lei-
durch die Elektromagneten des Ventils analysiert. Sät- terbahnen und Kontaktstellen zur Steckerleiste klein
tigungseffekte in der Haltephase (Ventil offen oder gehalten. Das Impulslader-Subsystem bestehend aus
geschlossen) konnten im Hinblick auf den moderaten dem Steuergerät und den Ventilen kompatibel zur
Stromverbrauch vermieden werden. Bordnetzspannung von 14 V. Dies stellt eine wesent-
. Abb. 10.121 stellt die über einen Motorzyklus liche Vereinfachung gegenüber den Konzepten mit
gemittelten Leistungsaufnahme eines Impulslader- 42 V Architektur dar, die bislang im Zusammenhang
Ventils in Anhängigkeit der Motordrehzahl dar, wenn mit elektromagnetischen Ventiltrieben beschrieben
ständig mit aktiven Impulsladerbetrieb gefahren wird. wurden [65, 66].
Damit benötigt das Impulslader-Subsystem beste-
hend aus vier Ventilen und einem Steuergerät weniger zz Ansteuerung
als 130 W inklusive der Verlustleistung der Steuer- Die elektrische Steuerung der Impulslader-Ventile er-
elektronik für einen Vierzylindermotor während des folgt ohne Positionssensoren. Die Position des Ventil-
Impulslader-Betriebes. Der Ventilaufbau erlaubt zu- tellers wird über die Messung des Spulenstroms und
dem, Leckluftraten von unter 0,3 kg/h bei einer Druck- eine modellbasierte Berechnung der Ventil-Geschwin-
differenz von 600 hPa zu erreichen. Dies ist selbst mit digkeit ermittelt.
hochgenau ausgeführten Klappen nicht prozesssicher Die dem vorliegenden System zugrunde liegende
zu erreichen. Regelstrategie ist in [68] näher beschrieben. Durch
Die fluido-dynamische Optimierung des Impulsla- eine zeitliche Unterteilung der Steuerung in vier Pha-
der-Ventils in geöffnetem Zustand ergab gemittelte sen mit angepassten Algorithmen zur Bestimmung der
Druckverluste von lediglich 10 hPa im Nennleistungs- den Spulen aufzuschaltenden Spannungen wird eine
punkt bei maximalem Luftdurchsatz eines Referenz- robuste und energieoptimierte Lösung realisierbar. Die
motors. Damit sind die Leistungsverluste des Verbren-
nungsmotors bei hohen Drehzahlen, hervorgerufen
-
Phasen der Steuerung setzen sich zusammen aus:
einer Ablösephase, in der sich das Ventil von der
durch den Einbau des Impulsladers, sehr gering.

- einen, stromlos geschalteten Spule wegbewegt,


einer Annäherungsphase, in der die fangende
zz b) Steuerelektronik
Das Impulslader-Steuergerät wurde im Hinblick auf
niedrige Schaltverluste und gute thermische Wärme-
abfuhr konzipiert. Die verwendeten Technologien ent-
- Spule bestromt wird,
einer Landephase, in der die Annäherungsge-
schwindigkeit durch eine einfache Beziehung aus
bekannten Größen wie dem gemessenen Strom,
602 Kapitel 10 • Ladungswechsel

1 Ventilträger

2 Impulslader-
Ventil
Saugrohre

3 Sammler

4 ..Abb. 10.122  Impulsladerventile mit Ansaugrohren


und Ventilträger

5
der zeitlichen Ableitung des Stroms und einer

6
7
- Maschinenkonstante berechnet werden kann,
einer Haltephase, in der ein Wiederablösen des
Ventils vermieden und das Ventil mit möglichst
geringem Energieaufwand gehalten werden soll.
..Abb. 10.123  Integriertes Saugmodul

Aufbauend auf dieser Reglerstruktur konnte das so- Steuergerät arbeitet folglich in einer Master-Slave
8 genannte Softlanding realisiert werden. Dabei lassen Architektur als untergeordnetes Steuerglied, das die
sich Ventilauftreffgeschwindigkeiten theoretisch bis korrekte Umsetzung der vorgegebenen Steuerzeit-
hinunter zu 0,1 m/s erzielen. Die Patentschrift [67] punkte sicherstellt. Des Weiteren können Diagnose-
9 beschreibt die Reglerstruktur. Mit Hilfe des Softlan- Informationen über den Status der Impulslader-Ven-
dings konnte einerseits das Geräusch beim Betrieb tile und über die korrekte Abarbeitung der gestellten
10 der Impulslader-Ventile derart abgesenkt werden,
dass kein metallisch klingendes Geräuschbild mehr
Aufgaben an die Motorsteuerung via CAN übermit-
telt werden.
vernehmbar ist. Andererseits führen geringe Auf- Dieses Konzept hat darüber hinaus den Vorteil,
11 treffgeschwindigkeiten zu leicht beherrschbaren dass keinerlei Applikationsbedarf für das Impulslader-
Stoßspannungen an der Dichtfläche des Impulslader- Steuergerät besteht. Sämtliche Abstimmungsparameter
Ventiltellers. Damit konnte die Dauerfestigkeit sicher- finden sich, wie bislang bei Konzepten ohne Impulsauf-
12 gestellt werden. ladung, in der Motorsteuerung wieder.

13 10.5.3 Elektrische Systemintegration 10.5.4 Mechanische


Systemintegration
14 Die . Abb. 10.119 zeigt die Systemeinbindung, hier
beispielhaft für einen Vierzylindermotor. Die Schnitt- Auf Grund der thermodynamischen Anforderungen
15 stelle der Impulslader-Steuereinheit zur bestehenden
Systemarchitektur des Motormanagementsystems er-
ist eine Anordnung der Impulslader-Ventile in einem
definierten Abstand zur Brennkammer in nahezu un-
folgt über den CAN-Bus zum Motorsteuergerät, über mittelbarer Nähe zu den Einlassventilen erforderlich.
16 bestehende Signalleitungen zu den Motorsensoren Die Anbindung der Ventile an den Verbrennungs-
(Kurbelwellensignal, gegebenenfalls auch Nockenwel- motor wurde quasi starr gewählt. Die Ventile werden
lensignal) sowie zur Bordnetzversorgung. in einem Ventilträger (dargestellt in Aluminium) vor-
17 Die Motorsteuereinheit übergibt die Information montiert und elektrisch kontaktiert (. Abb. 10.122).
über die einzustellenden Öffnungs- und Schließzeit- Die Führung der Ansaugluft um den als Strö-
18 punkte für die Impulslader-Ventile an die Impulsla- mungskörper ausgestalteten inneren Bereich des Ven-
der-Steuereinheit. Damit ist sichergestellt, dass auch tils wurde mittels CFD-Berechnungen unter sämtli-
weiterhin die komplette Motormomentenstruktur chen Betriebsbedingungen simuliert. Die konstruktive
19 ausschließlich in der Motorsteuerung verbleibt und Ausgestaltung der Ansaugkanäle wurde entsprechend
nur diese die vorhandenen Saugrohrmodelle zur Be- der Berechnungsergebnisse ausgeführt.
20 rechnung der Impulslader-Ventilsteuerzeiten aus den
Momentanforderungen anwendet. Das Impulslader-
Literatur
603 10
10.5.5 Integriertes Impulslader- [13] Schweitzer, P.H.: Scavenging of Two-Stroke Cycle Engines.
Saugmodul Macmilian, New York (1949)
[14] Gerecke, W.: Entwicklung und Betriebsverhalten des Feu-
errings als Dichtelement hoch beanspruchter Kolben. MTZ
. Abb. 10.123 zeigt ein hochintegriertes Ansaugmodul
14(6), 182–186 (1953)
für einen Ottomotor, welches den Ventilträger mit den [15] Venediger, H.J.: Zweitaktspülung insbesondere Umkehr-
Impulslader-Ventilen, das Kunststoffansaugrohr, den spülung. Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart (1947)
Luftfilter mit eingepasster Impulslader-Steuereinheit, [16] Bönsch, H.W.: Der schnelllaufende Zweitaktmotor, 2. Aufl.
die Kraftstoffleiste mit den Injektoren sowie das Dros- Motorbuch Verlag, Stuttgart (1983)
selklappen-Stellglied und Sensorik neuester Genera- [17] Kuhnt, H.-W.; Budihartono, H.; Schneider, M.: Auslegungs-
tion beinhaltet. richtlinien für Hochleistungs-2-Takt-Motoren. Vortrag bei
Die gewählte Konstruktion ermöglicht sowohl der 4. Internationalen Jahrestagung für die Entwicklung
von Kleinmotoren, Offenburg: 16. und 17. März 2001
den Einsatz bei aufgeladenen sowie nicht aufgelade-
[18] Blair, G.P.: Design and Simulation of Two-Stroke Engines.
nen Motoren. Beim Einsatz an einem Dieselmotor wird
SAE, Warrendale (1996). ISBN 1560916850
das Drosselklappen-Stellglied durch eine Kombination [19] Bartsch, Ch.: Ein neuer Weg für den einfachen Zweitak-
aus Abgasklappensteller und Diesel-Vordrossel ersetzt; ter, Honda EXP-2 als Versuchsobjekt. Automob Revue (5),
die Vormontage des Einspritzsystems entfällt. (1996)
Der Anbau der Impulslader-Steuereinheit erfolgt [20] Zinner, K.: Aufladung von Verbrennungsmotoren, Grund-
im dargestellten Beispiel am Luftfilterkasten. Durch lagen – Berechnung – Ausführung, 3. Aufl. Springer, Berlin,
den vom Motor angesaugten Frischluftstrom erfolgt Heidelberg, New York, Tokyo (1985)
eine Kühlung der Elektronik. [21] Wanscheid, W.A.: Theorie der Dieselmotoren, 2. Aufl. VEB
Verlag Technik, Berlin (1968)
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3.–4. Juni 1993, VDI Gesellschaft Fahrzeugtechnik, VDI Be-
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Reihe 12, Nr. 566
607 11

Aufladung
von Verbrennungsmotoren
Prof. Dr.-Ing. Hans Zellbeck, Dr.-Ing. Tilo Roß, Dipl.-Ing. Marc Sens,
Dipl.-Ing. Guido Lautrich, Dr. Panagiotis Grigoriadis

11.1 Mechanische Aufladung – 609


11.2 Abgasturboaufladung – 610
11.3 Ladeluftkühlung – 611
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter  –  614
11.4.1 Viertaktmotor im Verdichterkennfeld – 614
11.4.2 Mechanische Aufladung – 615
11.4.3 Abgasturboaufladung – 616

11.5 Dynamisches Verhalten – 620


11.6 Zusatzmaßnahmen bei aufgeladenen
Verbrennungsmotoren – 625
11.6.1 Ottomotoren – 625
11.6.2 Dieselmotoren – 626

11.7 Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige


Aufladungbei Personenkraftwagen (Hochaufladung)  –  626
11.7.1 Historie und Evolution der zweistufigen
Aufladeverfahren (Stufenaufladung) – 627
11.7.2 Thermodynamik der zweistufigen Aufladung  –  628
11.7.3 Registeraufladung und zweistufige
Aufladekonzepte/-systeme – 629
11.7.4 Einsatzgebiete – 632

11.8 Ermittlung von Turboladerkennfeldern


an Turboladerprüfständen – 632
11.8.1 Prinzipieller Aufbau eines Turboladerprüfstands  –  633
11.8.2 Verdichter- und Turbinenkennfelder – 634

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_11
11.8.3 Besonderheiten bei der Verwendung von Turboladerkennfeldern
in der Motorprozesssimulation  –  636

Literatur – 638
11.1 • Mechanische Aufladung
609 11

In den vorausgegangenen Kapiteln wurden die wichti- Luftverhältnis. Die Dichte der Luft hängt vom Lade-
gen Ziele bei der Entwicklung von Verbrennungsmo- druck und von der Ladelufttemperatur ab.
toren, nämlich guter Wirkungsgrad, das heißt nied-
riger Kraftstoffverbrauch und niedrige Emissionen, p2
2 =
R  T2  (11.4)
ausführlich dargestellt. Ein weiterer wichtiger Punkt
ist die Erhöhung der Leistungskonzentration eines
Verbrennungsmotors. Es geht also darum, aus einem ρ2 = Dichte nach Lader
definierten Bauvolumen oder/und aus einem vorge- p2 = Ladedruck
gebenen Motorgewicht möglichst viel Leistung zu ge- R = Gaskonstante
winnen. Die Erhöhung der Leistungskonzentration ist T2 = Temperatur nach Verdichter
unter Umständen zusätzlich mit einer Wirkungsgrad-
verbesserung verbunden. Mit der Erhöhung der Luftdichte wird also die effektive
Die Leistung eines Verbrennungsmotors ist pro- Leistung des Motors erheblich gesteigert. Heute wer-
portional dem effektiven Mitteldruck pme, der Dreh- den vor allem bei Großmotoren bis zu 31 bar Mittel-
zahl n und dem gesamten Hubvolumen VH. druck erreicht, bei Pkw-Motoren sind es 30 bar (Otto)
beziehungsweise 31 bar (Diesel).
1 Zusätzlich zur Erhöhung der Leistungsdichte ist
Pe = pme  n  VH  (11.1)
Z die Aufladung von existenzieller Bedeutung bei der
Minimierung der motorischen Abgasemission und
Hu mittlerweile integraler Bestandteil von entsprechen-
pme = 2  L  e 
  Lmin  (11.2)
den Konzepten.

Z = 2 4-Takt, Z = 1 2-Takt


11.1 Mechanische Aufladung
Pe = effektive Leistung
pme = effektiver Mitteldruck Bei der mechanischen Aufladung wird der Verdichter
n = Drehzahl mechanisch von der Kurbelwelle angetrieben (siehe
VH = Hubvolumen . Abb.  11.1). Die Verdichterarbeit muss dazu vom
ρ2 = Dichte nach Lader Motor aufgebracht werden, wobei ein Teil über den
λL = Liefergrad Kolben während des Ansaughubes zurückgespeist
ηe = effektiver Wirkungsgrad wird.
Hu = unterer Heizwert Der Prozess läuft jetzt bei höherem Druckniveau
λ = Luftverhältnis ab. Dies führt zu einer entsprechenden Mitteldruck-
Lmin = Mindestluftverhältnis steigerung, vorausgesetzt, das Luft-Kraftstoff-Verhält-
nis bleibt konstant. Die mechanische Aufladung bringt
Eine Erhöhung des Hubraumes bringt neben der Leis- zunächst bei der Leistungssteigerung eine Verschlech-
tungssteigerung auch eine wesentliche Vergrößerung terung des Wirkungsgrades mit sich. Der mechanisch
der Motormasse und des erforderlichen Bauraumes aufgeladene Motor wird jedoch, wenn man ihn mit
sowie eine Wirkungsgradverschlechterung auf Grund einem leistungsgleichen Saugmotor vergleicht, im
erhöhter Reibleistung mit sich. Die Reibungsverluste Wirkungsgrad wegen geringerer mechanischer und
steigen überproportional bei der Drehzahlerhöhung, thermischer Verluste besser abschneiden. Als Ver-
mit der ebenfalls eine Leistungssteigerung erreicht dichter werden selten Radialverdichter (mit Überset-
werden kann. zungsgetriebe), meist Rootsgebläse (. Abb. 11.2, 11.3),
Heizwert Hu und Mindestluftbedarf Lmin sind Schraubenverdichter (. Abb.  11.4) oder Spirallader
Kraftstoffkennwerte und werden als gegeben voraus- (. Abb. 11.5) verwendet. Die mechanische Aufladung
gesetzt. wird heute hauptsächlich bei Pkw-Ottomotoren ange-
wendet. Dort hat sie den Vorteil, dass beim Kaltstart
1 dem Abgasstrom keine Wärme entnommen wird, wel-
pme  2   e  L (11.3)
  che für das Anspringen des Katalysators in der Auf-
wärmphase von großer Bedeutung ist.
Damit ist der effektive Mitteldruck proportional der
Dichte der Luft, dem effektiven Wirkungsgrad und
dem Liefergrad sowie umgekehrt proportional dem
610 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

1
2
3
4
..Abb. 11.1  Schematische Darstellung der mechani-
5 schen Aufladung ..Abb. 11.2  Rootslader [1]

6
7
8
9
10
11
12 ..Abb. 11.3 Verdichter-
kennfeld Rootslader [1]
13
11.2 Abgasturboaufladung Bei genauerer Betrachtung kann man jedoch feststel-
14 len, dass in der Turbine ein größeres Volumen ent-
Bei der Abgasturboaufladung sind Motor und Turbo- spannt wird, sodass ein leichter Gewinn möglich ist.
15 lader (siehe . Abb. 11.6) nicht mechanisch, sondern
thermodynamisch gekoppelt. Der Verdichter wird
Wenn p2 > p3 ist, wird ein Teil der Turboladerarbeit
wieder über die positive Ladungswechselschleife an die
durch die Turbine angetrieben. Die Turbine wird vom Kurbelwelle abgegeben.
16 Motor her mit dem Abgasstrom beaufschlagt und
deckt damit den Leistungsbedarf des Verdichters. Stoß- oder Impuls-Aufladung  Bei der Stoß- oder
Impulsaufladung wird zusätzlich die kinetische Ener-
17 Stauaufladung  Bei der Stauaufladung ist zwischen gie des Abgases in Form von Druckwellen genutzt.
Turbine und Verdichter ein großes Abgasleitungsvo- . Abb. 11.7 zeigt den Druckverlauf vor einer Turbine.
18 lumen geschaltet, mit dem Ziel, die Druckstöße der Gegenüber dem Staubetrieb bedeutet dies einen Ge-
einzelnen Zylinder abzubauen und die Turbine mög- winn, da an Stelle der irreversiblen Drosselung vom
lichst kontinuierlich, das heißt mit einem konstanten Zylinderdruck auf den Abgasgegendruck p3 eine isen-
19 Zustand p3, T3 zu beaufschlagen. trope Expansion auf den Umgebungszustand durchge-
Unterstellt man in erster Näherung, dass der Druck führt wird. Tatsächlich lässt sich dieser Gewinn jedoch
20 p3 gleich dem Druck p2 ist, dann wird der Motor bei
höherem Druckniveau betrieben, ohne dass es zu einer
nicht in vollem Umfang nutzen, da es ohnehin zu einer
Drosselung an den Auslassventilen kommt, und zum
Änderung des thermischen Wirkungsgrades kommt. anderen der Turbinenwirkungsgrad bei pulsierender
11.3 • Ladeluftkühlung
611 11

..Abb. 11.6  Schematische Darstellung der Abgastur-


boaufladung

..Abb. 11.4  Schraubenlader [2] gung, was zu einem späteren Zündwinkel und damit
zu Drehmomenteinbußen und Verbrauchserhöhung
führt.
Der Abgasturbolader besteht aus einem Verdich-
ter und einer Turbine . Abb. 11.8. Das Laufzeug ist in
. Abb. 11.9 dargestellt.
Das Verhalten des Verdichters wird in einem Ver-
dichterkennfeld . Abb. 11.10 abgebildet.
Über dem Volumenstrom VP1 (reduziert) und
Druckverhältnis p2/p1 (Totaldruck) sind Verdich-
terdrehzahl und isentroper Verdichterwirkungsgrad
aufgetragen. Geht man entlang einer konstanten Um-
fangsgeschwindigkeit (Drehzahl) nach links, das heißt
man drosselt den Verdichter auf der Druckseite immer
stärker, so erreicht man die Pumpgrenze. Diese darf
im Betrieb wegen Zerstörung des Verdichters nicht
angefahren werden.
Für die Darstellung des Turbinenverhaltens trägt
man den isentropen Turbinenwirkungsgrad und den
Durchsatzkennwert über dem Turbinendruckverhält-
nis p3/p4 (total/statisch) (. Abb.  11.11) auf mit der
Umfangsgeschwindigkeit (Turbinendrehzahl) als Pa-
rameter. Wird das Verhalten der Turbinen auf einem
Heißgasprüfstand ermittelt, ist im Turbinenwirkungs-
grad der mechanische Wirkungsgrad des Abgasturbo-
laders enthalten.
..Abb. 11.5  Spirallader [3]

Beaufschlagung niedriger ist als bei einer optimierten 11.3 Ladeluftkühlung


Stauaufladung. Die Stoßaufladung hat gegenüber dem
Staubetrieb vor allen Dingen in der Teillast und beson- Betrachtet man einen isentropen Verdichtungsvorgang
ders im Beschleunigungsverhalten Vorteile. von 1 auf 2s (. Abb. 11.12), so ergibt sich eine Tempe-
Durch geeignete Zusammenfassung der Zylinder raturerhöhung. Auf Grund einer isentropen Verdich-
wird bei gegebener Zündfolge vermieden, dass wäh- tung nach der . Gl. 11.5
rend der Ventilüberschneidung Abgas in einen Zylin-
der gedrückt wird, was zu einer Erhöhung des Rest-   −1
gasgehaltes führt. Bei aufgeladenen Ottomotoren führt T2 p2 
= (11.5)
der erhöhte Restgasgehalt zu einer erhöhten Klopfnei- T1 p1 
612 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 11.7 Druck-
1 wellen bei Stoß- oder
Impulsaufladung

2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12 ..Abb. 11.9 Turboladerlaufzeug [4]

13 Der isentrope Verdichtungswirkungsgrad sV wird


..Abb. 11.8  Abgasturbolader [4] berechnet mit:

14 sV =
h2s − h1

cp  .T2s − T1 /
(11.7)
T1 = Temperatur vor Verdichter h2 − h1 cp  .T2 − T1 / 

15 T2 = Temperatur nach Verdichter


p1 = Druck vor Verdichter h1 = Enthalpie vor Verdichter
p2 = Ladedruck h2 = Enthalpie nach Verdichter
16 κ = Isentropenexponent h2s = Enthalpie nach Verdichter, isentrop
cp = spezifische Wärmekapazität für p = const.
Da jedoch die Verdichtung nicht isentrop, sondern po-
17 lytrop durchgeführt wird, kommt es zu einer weiteren Die in der . Gl. 11.6 genannte Kühlziffer τK berück-
Temperaturerhöhung (. Gl. 11.6) sichtigt bei Turboladern die Wärmeabgabe des Ver-
18 .T2 − T1 /s
dichtergehäuses (vor allem bei großen Verdichtern)
an die Umgebung und liegt im Bereich zwischen 1,04
T 2 − T1 =
sV  K  (11.6)
und 1,1. Die mit der Erhöhung des Druckes einherge-
19 hende Temperaturerhöhung bringt also eine Reduzie-
T1 = Temperatur vor Verdichter rung der Dichte nach der . Gl. 11.4.
20 T2 = Temperatur nach Verdichter
ηsV = isentroper Verdichtungswirkungsgrad
Mit Hilfe eines Ladeluftkühlers lässt sich entspre-
chend der . Gl.  11.3 die Ladungsdichte und damit
τK = Kühlziffer des Verdichters auch die Leistung steigern.
11.3 • Ladeluftkühlung
613 11
..Abb. 11.10 Verdich-
terkennfeld Radialver-
dichter – ermittelt auf
Heißgasprüfstand

..Abb. 11.11 Turbinen-
kennfeld Radialturbine
– ermittelt auf Heißgas-
prüfstand
614 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

1 Motor
 kg 
ρ2  3  Mitteldruck
p2 m 
T
2 p1 Saugmotor 1,19 100 %
aufgeladener Motor 2,23 187 %
2
3 2s
aufgeladener Motor
mit Ladeluftkühlung
2,78 234 %

4 ..Abb. 11.13  Dichte und Mitteldruck von Motoren

5 1 Verdichter-Druck-Verhältnis von 2,5 eine Mitteldruck-


steigerung auf 187 %, und mit dem aufgeladenen Mo-
s tor und Ladeluftkühlung auf 40 °C eine Mitteldruck-
6 steigerung auf 234 %.
..Abb. 11.12  Isentrope und polytrope Verdichtung

7 11.4 Zusammenwirken von Motor


Beispiel: und Verdichter
8 p1 = 1 bar; T1 = 293 °K (20 °C)
Verdichter: πV = p2/p1 = 2,5 11.4.1 Viertaktmotor
ηsV = 0,85 im Verdichterkennfeld
9 T2 = 313 K (40 °C)
In . Abb. 11.14 sind die Schlucklinien eines 4-Takt-
10 . Abb. 11.13 zeigt einen Vergleich zwischen Saugmo-
tor, aufgeladenem Motor und aufgeladenem Motor
Verbrennungsmotors aufgetragen. Hält man die Mo-
tordrehzahl n konstant, so steigt der Volumenstrom VP1
mit Ladeluftkühlung auf 40 °C. Für alle drei Fälle wird mit zunehmendem Druckverhältnis p2/p1 linear nur
11 gleiches Luft-Kraftstoff-Verhältnis angenommen. Da- schwach an. Der Motor arbeitet als Volumenverdrän-
mit ergibt sich ein direkter Zusammenhang zwischen germaschine und sein Durchsatz steigt entsprechend
der Dichte und der Leistung. Für den Saugmotor wird stark bei Drehzahlerhöhung.
12 als Umgebungszustand 1 bar beziehungsweise 20 °C Mit zunehmender Ventilüberschneidung steigt bei
angenommen. Damit ergibt sich im Vergleich zum konstanter Drehzahl der Volumenstrom VP1 mit wach-
13 Saugmotor mit dem aufgeladenen Motor und einem sendem Druckverhältnis p2/p1 weniger stark an.

14 n1 < n2 < n3

15
16 P2
P1

17
ohne Ventilüber-
schneidung
18 mit Ventilüber-
schneidung
19
20 ..Abb. 11.14 Schluckli-
V (m3/s)
nien Viertaktmotor Schlucklinien 4-Takt-Verbrennungsmotor(= Kolbenmaschine)
11.4  •  Zusammenwirken von Motor und Verdichter
615 11
n1 < n2 < n3 Pumpgrenze

L 1 L

n3
2

1 n2
2
3
3
n1

V1
V1
..Abb. 11.15  Schlucklinien Verdrängerlader
..Abb. 11.16 Verdichterkennfeld Radialverdichter

Verdrängerlader  Verdrängerlader sind zum Beispiel


Kolbenverdichter, Hub- und Rotationskolben, Roots- begrenzt. Links von der Pumpgrenze ist ein stabiler
gebläse, Schraubenverdichter. Verdichterbetrieb nicht möglich. In diesem Bereich
In . Abb. 11.15 ist erkennbar, dass mit zunehmen- kommt es durch das Ablösen der Strömung, die auf der
der Verdichterdrehzahl der Durchsatz steigt und mit Schaufelinnenseite des Verdichters beginnt, zu starken
zunehmendem Gegendruck der Durchsatz leicht ab- Druckschwankungen, was unter Umständen den Ver-
nimmt. Bei konstanter Drehzahl ergeben sich je nach dichter zerstört. Rechts von der Pumpgrenze fallen die
Gegendruck die Betriebspunkte 1, 2 oder 3. Drehzahllinien leicht ab; zur Schluckgrenze hin fallen
sie stärker ab. Je nach Gegendruck ergeben sich bei
Radialverdichter  Der Radialverdichter arbeitet nach konstanter Verdichterdrehzahl die Punkte 1, 2 oder 3.
dem Zentrifugalprinzip. Die Druckerhöhung wird auf
Grund des Unterschiedes in der Umfangsgeschwindig-
keit zwischen Eintritt und Austritt am Laufrad bewirkt. 11.4.2 Mechanische Aufladung
Die so zugeführte kinetische Energie wird im Diffusor
in Druck umgesetzt. Das in . Abb. 11.16 eingezeich- Verdrängerlader – mechanisch gekoppelt mit Vier-
nete Verdichterkennfeld wird durch die Pumpgrenze taktmotor (. Abb. 11.17) 

1/4 nm 1/2 nm 3/4 nm nm


1/4 nL 1/2 nL

3/4 nL
L nL

1’ 2’ 3’ 4’

1 2 3 4

..Abb. 11.17 Mecha-
nische Kopplung von
Verdrängerlader und
V1 Viertaktmotor
616 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 11.18 Mecha-
1 nische Kopplung von
Radialverdichter und
Viertaktmotor
2 L ie

e
lin

nz
s

re
eb nL

pg
tri
Be

m
3

Pu
4
5 3/4 nL

1/2 nL
6 1/4 nL

V1
7
Bei einem gegebenen Übersetzungsverhältnis er- Volllast-Linie
8 gibt sich die gezeigte Betriebslinie 1 – 2 – 3 – 4. Durch mech. aufgeladen
Änderung des Übersetzungsverhältnisses lässt sich die mit Radialverdichter
Betriebslinie 1′ – 2′ – 3′ – 4′ erzeugen, die zu einer Er- pme
9 höhung des mittleren Arbeitsdruckes führt.
Saugmotor
10 Radialverdichter – mechanisch gekoppelt mit Vier-
taktmotor  Wie in . Abb.  11.18 dargestellt, steigen
Luftdurchsatz und Ladedruck etwa quadratisch mit
11 der Drehzahl. Dies führt zu dem in . Abb. 11.19 dar- nM
gestellten Mitteldruckverlauf über der Drehzahl.
..Abb. 11.19 Mitteldruckverlauf über Drehzahl
12
11.4.3 Abgasturboaufladung
13 m
PV +m P T(11.10)
PB = m
Bei der Abgasturboaufladung sind Motor und Abgastur-
bolader thermodynamisch gekoppelt. Die jeweilige Tur- P T = Turbinenmassenstrom
m
14 boladerdrehzahl stellt sich je nach Leistungsgleichge- P V = Verdichtermassenstrom
m
wicht zwischen Verdichter und Turbine ein. Betrachtet P B = Brennstoffmassenstrom
m

15 man die Leistungsbilanz an der Turboladerwelle, so er-


gibt sich für die Änderung der Winkelgeschwindigkeit: und der Betriebspunkt liegt auf der Motorschluckli-
nie. Damit lässt sich die Leistungsbilanz weiter ent-
16 d!TL
 JTL  !TL = PV + PT (11.8)
wickeln.
dt 
1
17 d!TL
= Änderung der Winkelgeschwindigkeit ATL
PV = m
P V  hsV 
sV  mV  (11.11)
dt
JTL = pol. Massenträgheitsmoment Turbolader
18 ωTL = Winkelgeschwindigkeit ATL hsV = isentropes Enthalpiegefälle Verdichter
PV = Verdichterleistung ηsV = isentroper Verdichterwirkungsgrad
PT = Turbinenleistung ηmV = mechanischer Verdichterwirkungsgrad
19
Für den stationären Fall ist die linke Seite der Glei- P T  hsT  sT  mT(11.12)
PT = m

20 chung 0:
hsT = isentropes Enthalpiegefälle Turbine
PV + PT = 0;(11.9) ηmT = mechanischer Turbinenwirkungsgrad
11.4  •  Zusammenwirken von Motor und Verdichter
617 11
 
"  −1 # T3 p4
1 p2 1 V = V
T1
I TL I
p3  (11.18)
hsV = R 1  T1   −1 (11.13)
1 − 1 p1

Der Ladedruck p2 steigt also mit zunehmender Abgas-
R1 = Gaskonstante, vor Verdichter temperatur T3 und steigendem Druck vor der Turbine
T1 = Temperatur vor Verdichter p3 (dabei ist die Änderung des Gruppenwirkungsgra-
κ1 = Isentropenexponent vor Verdichter des in Abhängigkeit von T3 und p3 noch vernachläs-
p1 = Druck vor Verdichter sigt).
p2 = Ladedruck Der Druck p3 stellt sich bei gegebener Turbine je
2 3 nach Massendurchsatz und Gaszustand ein und lässt
  3 −1 sich für den Staubetrieb berechnen aus:
3 p 4 3
5 (11.14)
hsT = R3  T3   41 −
3 − 1 p3 p
 mP T = AT red  T 2  p3  3  (11.19)
v
hsT = isentropes Enthalpiegefälle Turbine r u  2   3 +1
3 t p4 3 p4 3
u
R3 = Gaskonstante, vor Turbine mit T =  −
T3 = Temperatur vor Turbine 3 − 1 p3 p3 (11.20)
κ3 = Isentropenexponent Abgas
p3 = Abgasgegendruck AT red = Turbinenersatzquerschnitt
p4 = Druck nach Turbine ψT = Durchflussfunktion
κ3 = Isentropenexponent Abgas
Der Gruppenwirkungsgrad TL ist definiert als der Ge-
samtwirkungsgrad der Aufladegruppe: Betrachtet man die Turbine als Drosselstelle (mit p3 vor
und p4 nach der Drosselstelle), so ergibt sich folgender
TL = mV  sV  mT  sT(11.15) Zusammenhang:
3 2 P2
m 3 .nM  VH  2 /2
ηsT = isentroper Turbinenwirkungsgrad p3 − p4 =  v3  2T  2 
2 3 AT red 3
Mit Hilfe der . Gl. 11.10 bis 11.14 ergibt sich aus der  (11.21)
Leistungsbilanz, aufgelöst nach πV mit ρ2 = Dichte nach Lader
ρ3 = Dichte vor Turbine
V = p2 =p1(11.16) v3 = Strömungsgeschwindigkeit, Turbine
AT red = Turbinenersatzquerschnitt
πV = Verdichterdruckverhältnis nM = Motordrehzahl
VH = Hubvolumen
und mit
Der Massendurchsatz m P T durch die Turbine hängt in
L = 1,4 folgt die Turboladerhauptgleichung: erster Näherung ab vom Gaszustand an den Einlassor-
ganen (p2, T2), von der Motordrehzahl nM (Schluckli-
nie) und von der Dichte ρ3. Die reduzierte Turbinen-
 3 −1 3;5
2 3
m
P T cp3 T3

p 4 3 querschnittsfläche AT red ist in dieser Betrachtung
V = 41 +    TL  1 − 5
konstant angenommen worden. Damit gilt folgende
m
P V cp1 T1 p3
Abhängigkeit:
(11.17)
p3 p3
= .p2 ; T2 ; nM ; T3 ; AT red / (11.22)
cp1 = spezifische Wärmekapazität vor Verdichter p4 p4 
cp3 = spezifische Wärmekapazität vor Turbine
ηTL = Gruppenwirkungsgrad T2 = Temperatur nach Verdichter
m
PT
nimmt man für Š 1; 03 − 1; 07 an, so ist das Während bei einem Motor mit mechanisch angetrie-
m
PV benem Lader und konstantem Übersetzungsverhältnis
Verdichterdruckverhältnis eine Funktion von folgen- der Ladedruck und damit das maximale Drehmoment
den Größen: nur eine Frage der Motordrehzahl ist, besteht, wie die
618 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

1 nm = konstant
pme = variabel 3
L Betriebslinie bei
pme
2 Generatorbetrieb

Volllast-Linie

3
2

Generator-Betrieb nTL = const.


4 1

5 nm V1

6 ..Abb. 11.20 Generatorbetrieb ..Abb. 11.22  Motorschlucklinie und Generatorbetrieb

7
L pme Volllast-Linie
8
nL nM

Arbeitspunkt bei
9 Generator-Betrieb pme = const.
Propellerlinie

10
11 n

..Abb. 11.23 Drehzahldrückung
V1
12 Beim abgasturboaufgeladenen Motor ergibt sich
..Abb. 11.21  Arbeitspunkt bei Generatorbetrieb
durch die Laständerung ein unterschiedliches p3
13 und T3 und damit eine unterschiedliche Turbinen-
. Gl. 11.21 zeigt, die Möglichkeit, durch Verkleine- leistung und damit ein unterschiedlicher Ladedruck.
rung des reduzierten Turbinenquerschnitts AT red den Die Betriebspunkte 1, 2 und 3 liegen alle auf der Mo-
14 Abgasgegendruck p3 anzuheben. So steigt das Enthal- torschlucklinie, die zu der Generatordrehzahl gehört
piegefälle an der Turbine. Damit wird die Turbolader- (. Abb. 11.22).
15 leistung und -drehzahl angehoben und infolge dessen
auch der Ladedruck.
Bei Steigerung der Last (Erhöhung der Einspritz-
menge) erhöht sich p3 und T3 und damit die Turbi-
Grundsätzlich ergibt sich bei unterschiedlichen nenleistung. Die Turboladerdrehzahl steigt, ebenso
16 Betriebspunkten und gleichem AT red ein unterschied- Ladedruck p2 und Massendurchsatz.
liches Enthalpiegefälle an der Turbine und damit auch
ein unterschiedlicher Ladedruck. Dieses thermody- 2.  Drehzahldrückung pme = konstant, nM = varia-
17 namische Zusammenwirken von Motor und Abgas- bel  Wie in . Abb. 11.23 dargestellt, bewegt sich der
turbolader sollen nun anhand von drei Grenzfällen Mitteldruck auf einer Horizontalen bei unterschiedli-
18 diskutiert werden. chen Motordrehzahlen. Damit ergibt sich im Verdich-
terkennfeld (. Abb. 11.24) eine flachere Betriebslinie
1. Generatorbetrieb  Beim sogenannten Generatorbe- (a), das heißt mit abnehmender Drehzahl wandert der
19 trieb muss auf Grund der hohen Anforderungen an die Betriebspunkt in Richtung Pumpgrenze (Gefahr). Die-
konstante Drehfrequenz des Generators die Drehzahl ser Betrieb der Drehzahldrückung tritt auch in etwa
20 nM möglichst konstant gehalten werden (. Abb. 11.20).
Beim Motor mit mechanischem Lader bleibt man
im Fahrzeugbetrieb entlang der Volllastlinie auf und
stellt die höchsten Anforderungen an die Abgasturbo-
in einem Betriebspunkt, da nM = konst. (. Abb. 11.21). aufladung.
11.4  •  Zusammenwirken von Motor und Verdichter
619 11
Pumpgrenze
a konstanter
Mitteldruck
L Volllast Abgasturbo-
b Propeller- pme aufladung
betrieb (ungeregelt)

c Generator- mech.
betrieb aufgeladen
a
nTL = const.
b c Saugmotor

V1
n
..Abb. 11.24  Betriebslinie zwischen Generatorbe-
trieb und Drehzahldrückung ..Abb. 11.26  Volllastlinien verschiedener Motorvari-
anten
Pumpgrenze
nL = konst.

L
η L = konst.
konst. Last

konst. Drehzahl

..Abb. 11.27  Schematische Darstellung der Abgas-


turboaufladung mit Waste Gate

V1
lich. Dies lässt sich durch externe Regeleingriffe in den
..Abb. 11.25  Überlagerung von Kennlinien Turbolader erreichen.

Optimale Drehmomentkurve durch Anpassung des


2
3.  Propellerbetrieb nM = variabel, pme ~ nM Bei Ladedrucks Um einen hohen Ladedruck bereits
Schiffsantrieben mit Festpropeller ist das aufgenom- bei niedrigen Drehzahlen (Pkw < 1750 U/min, Nkw
mene Propellermoment abhängig vom Quadrat der Diesel < 1000 U/min) zu erreichen, wählt man einen
Propellerdrehzahl. kleinen Turbinenhalsquerschnitt AT red; dadurch wird
Im Verdichterkennfeld, . Abb.  11.24, liegt die der Druck vor der Turbine höher. Mit zunehmender
Betriebslinie zwischen dem Generatorbetrieb und der Drehzahl steigt jedoch der Ladedruck auf Grund des
Drehzahldrückung. steigenden Abgasenthalpiestroms; damit steigt auch
In . Abb. 11.25 ist eine Überlagerung aller Linien der maximale Druck im Zylinder. Um die damit ver-
konstanter Last und konstanter Drehzahl dargestellt. bundene Bauteilbelastung zu begrenzen, wird der La-
Im Fahrzeugbetrieb wird damit der gesamte Bereich dedruck auf einen konstanten Wert dadurch geregelt,
abgedeckt. Dies erfordert breitere Verdichterkenn- dass der überschüssige Abgasenthalpiestrom an der
felder. In . Abb. 11.26 ist der Mitteldruckverlauf für Turbine vorbeigeführt wird (Waste Gate) und damit
die Volllastlinien von Saugmotor, mechanisch aufge- ungenutzt in den Auspuff strömt (. Abb. 11.27), was
ladenem Motor und abgasturboaufgeladenem Motor für den Motor einen Verlust darstellt. Der Verlauf des
dargestellt. Letztere Linie zeigt ein sehr ungünstiges Ladedrucks entlang der Volllastlinie und der effektive
Verhalten, da mit Abnehmen der Drehzahl auch das Mitteldruck sind in . Abb. 11.28 für einen Audi-Mo-
Drehmoment sinkt. Für ein gutes Beschleunigungsver- tor, 2,7 l Biturbo, dargestellt.
halten im Fahrzeugbetrieb ist jedoch mit abnehmender Mit Hilfe der verstellbaren Turbinengeometrie
Drehzahl ein Anstieg der Mitteldruckkurve erforder- (siehe . Abb. 11.29) ist es möglich, bereits bei niedri-
620 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 11.28 Mittel- 22,0 4,0


1 druck- und Ladedruck-
verlauf AUDI V6 2,7 l 20,0
Biturbo [5] 3,5
2 18,0

Ladedruck [bar]
Mitteldruck [bar]
3,0
16,0
3
14,0 2,5

4 12,0
2,0
10,0
5 1,5
8,0

6 6,0 1,0
0 1000 2000 3000 4000 5000 1/min 7000

7 Drehzahl

8 gen Drehzahlen den reduzierten Turbinenquerschnitt


sehr klein zu stellen. Damit wird ein hoher Abgasge-
gendruck erzeugt und ein entsprechend hoher Lade-
9 druck erreicht.
Mit höherer Drehzahl und damit steigendem Mas-
10 sendurchsatz werden die Schaufeln in Richtung maxi-
maler Anströmquerschnitt gedreht (Schaufelstellung
dargestellt in . Abb. 11.29).
11 . Abb.  11.30 zeigt die Aufladegruppe mit zwei
Abgasturboladern für einen Sechszylinder-Ottomotor.
In . Abb. 11.31 ist ein aufgeladener mittelschnelllau-
12 fender Schiffsdieselmotor dargestellt, dazu ein ent-
sprechender Abgasturbolader mit axialer Turbine in
13 . Abb. 11.32.
Bei der zweistufigen Aufladung, . Abb.  11.33,
sind zwei Abgasturbolader hintereinander geschaltet,
14 wo die verdichtete Luft bei Großmotoren nach dem ..Abb. 11.29  Variable Turbinengeometrie, Schaufel-
ersten Verdichter zwischengekühlt wird und nach stellung offen [4]

15 dem Hochdruckverdichter nochmals gekühlt wird.


Bei dieser zweistufigen Verdichtung mit Zwischen-
kühlung wird ein guter Verdichtungswirkungsgrad 11.5 Dynamisches Verhalten
16 erreicht und bei einem Verdichterdruckverhältnis
> 5 auch ein entsprechend hoher Mitteldruck von bis Der Verbrennungsmotor ist Teil eines Antriebssystems,
zu 30 bar. Bei Anwendungen mit hohen Ansprüchen von dem ein schnelles Ansprechverhalten gefordert
17 an Dynamik und Durchsatzspanne (automobilen wird. Dies gilt für alle Anwendungen. Notstromaggre-
Anwendungen) wird das Konzept durch den Einsatz gate müssen aus dem Stillstand innerhalb kürzester
18 eines (nur Hochdruck, Nkw) beziehungsweise zweier Zeit (< 15 s) die volle Leistung übernehmen.
Waste Gates (Pkw) zur geregelten zweistufigen Aufla- Im Fahrzeugbetrieb muss der Verbrennungsmotor
dung erweitert. auch unter extremen Lastbedingungen (wie zum Bei-
19 Der hohe Integrationsgrad der Aufladegruppe mit spiel Pkw mit Anhänger beim Anfahren im Gebirge)
mehreren Abgasturboladern ist in . Abb. 11.34 (ein- spontan (< 2 s) sein maximales Drehmoment entwi-
20 gerahmter Ausschnitt) und . Abb. 11.35 erkennbar. ckeln. Saugmotoren steuern das Drehmoment nahezu
direkt mit dem Drosselklappenwinkel (Otto) bezie-
hungsweise mit der Einspritzmenge (Dieselmotor).
11.5 • Dynamisches Verhalten
621 11
..Abb. 11.30 Bi-Turbo
Aufladegruppe [6]

..Abb. 11.31  Dieselelektrische Anlage der Queen


Elizabeth 2, 9 × 9 L 58/64, 95.5 MW [7]

Stellt man den Drallsatz für ein angenähert dreh-


steifes Antriebssystem auf (. Gl. 11.23), so sieht man,
dass bei vorgegebenem Verbrauchermoment MV
(= Last) das effektive Motormoment MMe und das po-
lare Trägheitsmoment des gesamten Antriebssystems
Jges A = JM + JA den Gradienten der Kurbelwellenwin-
kelgeschwindigkeit entscheidend beeinflussen.

d !M ..Abb. 11.32  MAN-Abgasturbolader mit Axialturbi-


.JM + JA /  = MMe + MV (11.23) ne [7]
dt 

JM = polares Massenträgheitsmoment Motor 5. Gang auf dem hochdynamischen Prüfstand aufge-


JA = polares Massenträgheitsmoment Antrieb zeichnet.
d !M = Änderung Winkelgeschwindigkeit Kurbelwelle Es dauert fast 3,5 s, bis der Saugrohrdruck und da-
dt mit der Mitteldruck seinen stationären Wert erreicht
MMe = effektives Motormoment hat.
Mv = Verbrauchermoment In . Abb. 11.37 sind weitere dynamische Otto-
motor-Messungen eines Lastsprungs bei konstanter
In . Abb. 11.36 ist ein Elastizitätstest für ein Fahrzeug Drehzahl von n = 2000 1/min = const. auf dem hoch-
mit aufgeladenem Ottomotor von 60 auf 100 km/h im dynamischen Motorenprüfstand aufgetragen. Dabei
622 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

Verbesserungsmaßnahmen Durch Verstelleinrich-
1 tungen wie Abgasturbolader mit Waste Gate oder
verstellbare Turbinengeometrie kann in einer Be-
2 schleunigungsphase der Ladedruck deutlich schneller
aufgebaut werden. Zusätzlich kann der dynamische La-
dedruckaufbau bei instationären Vorgängen dadurch
3 verbessert werden, dass kleinere Laufräder für Ver-
dichter und Turbine gewählt werden. Der Einfluss des
polaren Massenträgheitsmoments JTL des Laufzeugs ist
4 aus dem Drallsatz (. Gl. 11.24) für die Abgasturbola-
derwelle erkennbar.
5 Bei V-Motoren zum Beispiel kann man das dyna-
mische Verhalten dadurch verbessern, dass man ab-
gasseitig jeweils eine Bank zusammenfasst und zwei
6 kleinere Turbinen beaufschlagt; luftseitig werden die
beiden Verdichter auf ein Sammelrohr zusammenge-
7 ..Abb. 11.33  Schematische Darstellung der zweistu-
führt.
figen Aufladung d !TL 1
 .PT + P / (11.24)
8
=
d' !TL  JTL 
ist der Mitteldruck auf den stationären Maximalwert d !TL
normiert. Das gemessene Lastsignal steigt rechteck- d' = Änderung Winkelgeschwindigkeit ATL
9 förmig bei 1 s auf 100 % an. Der Saugmotor zeigt nach ωTL = Winkelgeschwindigkeit ATL
einer Totzeit einen ebenso spontanen Anstieg. Der JTL = polares Massenträgheitsmoment Turbolader
10 abgasturboaufgeladene Ottomotor steigt mit gleicher
Spontaneität bis etwa 55 % des stationär erreichbaren
PT
PV
= Turbinenleistung
= Verdichterleistung
Mitteldrucks an. Der anschließende langsame An-
11 stieg von 13 %-Punkten/s ist auf die Beschleunigung zz Aktive Restgasausspülung
des Turboladerlaufzeugs zurückzuführen. Nach etwa Das abgegebene Drehmoment eines Verbrennungsmo-
3 s hat der Motor seinen maximalen Mitteldruck er- tors ist im Wesentlichen proportional zur Füllung des
12 reicht. Bevor wir Maßnahmen zur Verbesserung des Zylinders mit Frischladung. Ein geringerer Restgas-
Drehmomentaufbaus beim abgasturboaufgelade- anteil führt demzufolge bei abgasturboaufgeladenen
13 nen Verbrennungsmotor diskutieren, sehen wir im Motoren nicht nur unmittelbar zu einem höheren Mo-
. Abb.  11.38 das Beschleunigungsverhalten eines tormoment, sondern trägt auch mittelbar über einen
mechanisch aufgeladenen Motors, der gegenüber dem höheren Abgasenthalpiestrom zu einem schnelleren
14 Abgasturbolader ein deutlich schnelleren Mitteldruck- Hochlauf des Abgasturboladers bei. Voraussetzung
aufbau erreicht. für eine aktive Restgasausspülung ist ein ausreichend
15
16
17
18
19
20 ..Abb. 11.34  20 V 4000
M93, 3900 kW @ 2100 1/
min [8]
11.5 • Dynamisches Verhalten
623 11

..Abb. 11.35  Zweistufige Aufladegruppe Pkw [9]

hohes Spülgefälle über dem Zylinder während der Ven- (. Abb. 11.39) das Turboladerlaufzeug zu beschleuni-
tilüberschneidung. Um störende abgasseitige Rück- gen [10]. Der Elektromotor muss auch im abgeschalte-
wirkungen durch den Vorauslass anderer Zylinder zu ten Betrieb die hohen Turboladerdrehzahlen ertragen
vermeiden, werden Zylinder mit ausreichend hohem und für die Beschleunigung des Laufzeugs (Verdich-
Zündabstand in einem gemeinsamen Abgaskanal zu- ter- und Turbinenrad) über genügend Drehmoment
sammengefasst. Die entsprechenden Gruppen werden verfügen.
entweder eigenen Turbinen (zum Beispiel Bi-Turbo am Schaltet man einen elektrisch angetriebenen Ver-
Sechszylinder) oder unterschiedlichen Kanälen einer dichter („eBooster“, [10]) in Serie (. Abb. 11.40) der
gemeinsamen Turbine (zum Beispiel Zwillingsstrom kurzzeitig die Luftversorgung des Verbrennungsmo-
am Vierzylinder) zugeordnet. tors übernimmt, so muss der Elektromotor nur das
Kurzzeitige Zusatzlufteinblasung in den Verdich- Verdichterrad beschleunigen, dessen polares Massen-
ter bewirkt zum einen, dass der Verbrennungsmotor trägheitsmoment nur 1/3 des Turbinenrads beträgt. Bei
unmittelbar nach einer Lastanforderung ausreichend entsprechender Auslegung des eBooster-Verdichters
mit Luft versorgt wird und die entsprechend dem liegt die maximale Drehzahl niedriger als beim euATL,
Grenzluftverhältnis erhöhte Einspritzmenge für einen was Vorteile bei der Auslegung des eBoosters mit sich
schnellen Drehmomentanstieg sorgt. Zum anderen bringt. Das breitere Verdichterkennfeld dieser zwei-
wird das angeblasene Verdichterrad beschleunigt, so stufig geregelten Aufladung bietet zusätzlich die Mög-
dass der Verdichter mit steigender Drehzahl entspre- lichkeit, den Ladedruck und damit das Drehmoment
chend mehr Luft fördert. Die Einblasung wird dann des Verbrennungsmotors im unteren Drehzahlbereich
beendet, wenn die Turbine die Verdichterleistung und entsprechend anzuheben, vorausgesetzt, ausreichend
zusätzlich erforderliche Beschleunigungsleistung über- elektrische Energie steht zur Verfügung.
nimmt.
zz Mechanischer Zusatzverdichter
zz Elektrische Unterstützung Die Kombination von mechanischem Antrieb und
der Abgasturboaufladung Verdrängerlader (. Abb.  11.41) unterscheidet sich
Da der Verbrennungsmotor bei einer Drehmomentan- gegenüber einem elektrisch angetriebenen Radialver-
forderung spontan nicht genügend Beschleunigungs- dichter in zwei grundlegenden Punkten. Zum einen ist
leistung für das Turboladerlaufzeug zur Verfügung mit der mechanischen Kopplung zur Kurbellwelle die
stellt, bietet es sich an, gespeicherte elektrische Energie Bereitstellung der erforderlichen Verdichterleistung
zu benutzen, um mit einem zwischen Verdichter und relativ unkritisch und zeitlich unbegrenzt verfügbar,
Turbine geschalteten Elektromotor („euATL“, [10]) zum anderen weist der Verdrängerlader eine deutlich
624 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 11.36 Elastizi- 105
1 tätstest (60–100 km/h 100

Geschwindigkeit [km/h]
5. Gang), hochdynami- 95
scher Prüfstand, Otto- 90
2 motor mit Abgasturbo- 85
aufladung 80
75
3 70
65
60
4 55
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Zeit [s]
5
1.8

6 1.6
Saugrohrdruck [bar]

1.4
1.2
7 1
0.8
8 0.6
0.4

9
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Zeit [s]

10
18
16
14
Mitteldruck [bar]

11 12
10
8
12 6
4
2
13 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Zeit [s]
14
..Abb. 11.37 Vergleich 110 110

15 Saugmotor – aufgela-
dener Ottomotor, Last-
100
90
100
90
sprung bei n = 2000 1/ 80 80
16
Drehmoment [%]

min = konst
Istlastsignal [%]

70 70
60 60
Istlastsignal
50 50
17 40 Turbomotor 40
30 30

18
Saugmotor
20 20
10 10
0 0
19 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Zeit [s]

20
11.6  •  Zusatzmaßnahmen bei aufgeladenen Verbrennungsmotoren
625 11

18 ..Abb. 11.38 Vergleich
16
mechanische Aufladung
– Abgasturboaufladung,
14 Fahrzeugbeschleuni-
Mitteldruck [bar]

12 gungsvorgang (Elastizi-
10 tätstest), Ottomotor
Turbolader
8
6
mechanische Aufladung
4
2
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Zeit [s]

..Abb. 11.39  Schematische Darstellung des elekt-


risch unterstützten Abgasturboladers

..Abb. 11.41  Schematische Darstellung eines Aufla-


desystems mit mechanischem Zusatzverdichter

11.6 Zusatzmaßnahmen bei aufgela-


denen Verbrennungsmotoren

11.6.1 Ottomotoren

Bei aufgeladenen Ottomotoren wird durch den höhe-


ren Ladedruck eine höhere Kompressionsendtempe-
ratur erreicht. Damit steigt die Gefahr der Selbstzün-
dung beziehungsweise des Klopfens. Deshalb kann es
..Abb. 11.40  Schematische Darstellung des eBooster-
notwendig werden, das Verdichtungsverhältnis abzu-
Aufladesystems
senken. In jedem Fall muss man zur Vermeidung von
unzulässig hohen Zünddrücken beziehungsweise klop-
günstigere Fördercharakteristik auf. Die Möglichkeit fender Verbrennung den Zündbeginn beim Ottomotor
eines zeitlich unbegrenzten Antriebes gestattet darü- in Richtung „spät“ verschieben (. Abb. 11.42).
ber hinaus eine Optimierung des Abgasturboladers, Durch einen hohen Restgasanteil verschärft sich
insbesondere der Turbine, auf den oberen Drehzahl-/ die Klopfgefahr, vor allem wenn eine ungünstige Ab-
Leistungsbereich ohne Verlust an Dynamik im Dreh- gasleitungsgestaltung bis zum Turbineneintritt vor-
momentaufbau. liegt.
626 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

70 tilüberschneidungen (bis zu 120° Kurbelwinkel) auch


1 dazu benutzt, die thermische Belastung des Motors ab-
60 zusenken. Der mittelschnelllaufende Motor wird bei
2 50
hohen Luftverhältnissen . Š 2/ betrieben.
Die externe Abgasrückführung erfordert bei auf-
Druck [bar]

geladenen Dieselmotoren zusätzlichen Aufwand in


3
40
Form eines getakteten Steuerventils und Software zu
30 Regelung des Ladedrucks und der Abgasrückführrate.
In jedem Fall ist dafür zu sorgen, dass immer ein nega-
4 20 tives Spülgefälle (Hochdruck: p2 − p3 < 0; Niederdruck
p0 − p4 < 0) vorliegt.
5 10

0 11.7 Leistungsexplosion
6 –90 –45 0 45
Kurbelwinkel [°kW]
90 135
durch Register- und zweistufige
Aufladung
bei Personenkraftwagen
7 ..Abb. 11.42  Druckverlauf aufgeladener Ottomotor
mit spätem Zündwinkel (Hochaufladung)

8 In der Teillast wird bei mechanisch aufgeladenen In den letzten zwei Jahrzehnten der Automobilent-
Ottomotoren durch die geöffnete Umluftklappe ein wicklung stieg der Anspruch an die Bereitstellung von
Bypass um den Verdichter gelegt, so dass der Massen- genügend Leistung der Verbrennungsmotoren im-
9 strom, der vom Motor nicht gebraucht wird (Teillast!), mer mehr an. Zurückzuführen ist das auf die ständig
wieder vor den Verdichter geführt wird. Damit baut größer werdenden Komfortansprüche, wodurch die
10 sich kein Druck hinter dem Verdichter auf. Bei ab-
gasturboaufgeladenen Motoren wir zur Vermeidung
Fahrzeuge ständig schwerer werden. Der damit ein-
hergehende Verlust an Fahrdynamik, also „Fahrspaß“
von Verdichterpumpen beim schnellen Schließen der wurde jedoch nicht akzeptiert. Ganz im Gegenteil, die
11 Drosselklappe das Schubumluftventil geöffnet. Fahrdynamik durfte nicht nur auf gleichem Niveau
Heute standardmäßig verwendete hochwarmfeste gehalten, sondern sie musste sogar verbessert werden.
Turbinenwerkstoffe (NiCr-Stähle) ermöglichen eine Ein Baustein, der massiven Anteil an dieser Entwick-
12 Abgastemperatur T3 von bis zu 950 °C. Inzwischen lung im Bereich der Personenkraftwagen hatte und
werden auch Turbinenwerkstoffe eingesetzt, die eine immer noch hat, ist die Aufladung. Während Diesel-
13 Temperatur bis zu 1050 °C ertragen. Oberhalb der zu- motoren ohne Aufladung fast gar nicht mehr angebo-
lässigen Temperatur nimmt jedoch die Festigkeit der ten werden, erfährt die Aufladung bei ottomotorischen
eingesetzten Materialien stark ab. Da beim aufgelade- Motorkonzepten eine immer weitere Verbreitung. Die
14 nen Ottomotor an der Volllast die Abgastemperatur die spezifische Leistung der Dieselmotoren hat sich inner-
angeführten Grenzwerte überschreiten kann, ist eine halb der letzten zwei Jahrzehnte durch den verstärkten
15 aktive Begrenzung erforderlich. Dies erfolgt mittels
Anreicherung der Frischladung über das Motorsteu-
Einsatz der Aufladung nahezu verdreifacht. Bei den
Ottomotoren ist eine knappe Verdopplung festzustel-
ergerät. len (. Abb. 11.43).
16 Da einstufige Aufladekonzepte trotz ihrer hohen
Entwicklungsgüte sowohl bei Diesel- wie Ottomotoren
11.6.2 Dieselmotoren an ihre Grenzen stoßen, erfährt die Registeraufladung
17 beziehungsweise zweistufige Aufladung eine zuneh-
Bei Dieselmotoren werden ebenfalls durch den hohen mende Aufmerksamkeit im Bereich der Pkw-Antriebe.
18 Ladedruck sehr hohe Kompressionsenddrücke bei Grundsätzlich ist diese Idee nicht neu, eingesetzt wurde
Verdichtungsverhältnissen ε > 14 erreicht. Je nach me- sie bisher aber vorzugsweise bei Stationärmotoren,
chanischer Festigkeit muss deshalb bei Dieselmotoren Marine-Anwendungen und Nutzfahrzeugantrieben.
19 der Einspritzbeginn sehr spät gewählt werden, so dass
unter Umständen der Kompressionsdruck größer oder
20 gleich dem Zünddruck ist.
Bei mittelschnelllaufenden Dieselmotoren werden
hohe Ladedrücke im Zusammenhang mit großen Ven-
11.7  •  Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige Aufladung
627 11

..Abb. 11.43  Evolution der spezifischen Leistung von Otto- und Dieselmotoren

11.7.1 Historie und Evolution der ten (5.4 l, 1200 PS) überraschte, legte den Grundstein
zweistufigen Aufladeverfahren zu zweistufigen Aufladesystemen bei Ottomotoren mit
(Stufenaufladung) einer explosionsartigen Entwicklung der Leistungs-
dichte (. Abb.  11.44). Auf Basis des Sechszylinder-
Die Entwicklung der Aufladung von Verbrennungsmo- Boxer des 911 entwickelte Porsche für den 959 eine
toren zeichnet sich durch eine bewegte Vergangenheit Registeraufladung. Gutes Instationärverhalten und
aus. Erste Anwendungen fanden mechanische Auflade- Anfahrdrehmoment führten zur Favorisierung der
systeme zur Leistungssteigerung (30 %) von Schiffsdie- Registeraufladung. Die Ausführung von zwei Ladern
seln durch M.A.N. Augsburg. Die Abgasturboaufladung blieb bis 1994 in dieser Ausführung einmalig und
nach einem Patent von Alfred Büchi (1905) wurde auf- wurde dann auf das Bi-Turbokonzept umgestellt. Die
grund der fertigungstechnischen Toleranzen zunächst Registeraufladung wurde dann 1994 im sogenannten
bei Großmotoren eingesetzt. Es dauerte bis zum „Mazda Sequential Twin Turbo System“ bei Mazdas
Jahr 1938, ehe Abgasturbolader kompakt genug gebaut
werden konnten, um sie in Serienlastwagen einsetzen zu
können. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die mecha-
nische Aufladung ihren Siegeszug im Motorsport fort
und konnte sich in Randsportbereichen (Drag-Racing)
und wenigen Serienanwendungen am Markt etablie-
ren. Die Entwicklung der Abgasturboaufladung hatte
anfangs noch mit schlechtem Ansprechverhalten und
hoher Störanfälligkeit zu kämpfen. Im Dieselbereich
dauerte es noch bis zum Jahr 1978, ehe Mercedes-Benz
bei Nutzfahrzeugen vom Abgasturbolader Gebrauch
machte. Durch den verstärkten Entwicklungsaufwand
von Porsche und BMW gelang 1973 die erste Serienein-
führung (BMW 2002 Turbo) und das erste Aufladekon-
zept mit Registeraufladung bei Ottomotoren.
Die Studie 917  CanAm (1971/1972), die in der ..Abb. 11.44  Porsche 917 CanAm-Motor, 1200 PS,
Fachwelt mit bis dahin nicht bekannten Leistungswer- n = 7800 min−1 [11]
628 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 11.45 Lancia
1 Delta S4, Roots/ATL [11]

2
3
4
5
6
7
8 Hubvolumen leistet 200 kW dank des „Variable-Twin-
Turbo“ Systems. Das entspricht einer Literleistung von
67 kW/l.
9 Das Dieseltriebwerk bietet eine ideale Grundlage
für die hohen Aufladegrade der zweistufigen Auflade-
10 systeme, aber auch Ottomotoren mit ihrem größeren
nutzbaren Drehzahlbereich können von den Eigen-
schaften der Registeraufladung enorm profitieren.
11
11.7.2 Thermodynamik
12 der zweistufigen Aufladung
..Abb. 11.46  BMW, zweistufige Aufladung 535d
13 [BMW AG]
Die grundsätzliche Idee der zweistufigen Aufladesys-
teme ist die Erhöhung des Ladedruckangebotes in-
folge der sequentiellen Verdichtung. Durch die Mul-
14 Wankelmotor-Sportwagen RX-7 mit vollelektronisch tiplikation der Einzeldruckverhältnisse bei zwei- oder
geregeltem Abgasturbolader eingesetzt. Weitere Vari- mehrstufigen Verdichtungen können erheblich größere
15 anten anderer Hersteller wie Fiat mit dem Experimen-
talsystem „ECV“ oder der Subaru Impreza 2.0-l-Boxer
Druckverhältnisse über einen breiteren Betriebsbe-
reich als bei einstufiger Aufladung erzielt werden.
mit 206 kW griffen das Prinzip der Registeraufladung
16 bei Ottomotoren immer wieder auf. Aber auch die Verdichtungswirkungsgrad der zweistufigen Auf-
Kombination mit mechanischer Aufladung zum ladung  Wird die zweistufige Verdichtung aus rein
Beispiel im Lancia Delta S4 von 1985 fand im Renn- thermodynamischer Sicht betrachtet, so wird folgen-
17 sportbereich Anwendung (. Abb. 11.45). Erstmals im des ersichtlich. Sollen die gleichen Ladedrücke erzielt
Lkw-Bereich kommt seit 1996 bei Volvo ein Kompres- werden, und vergleicht man die einstufige mit der
18 sor-Turbomotor (5.5 l, 184 kW) zum Einsatz. zweistufigen Aufladung inklusive Zwischenkühlung,
In jüngster Zeit wird das zweistufige Aufladever- so ist die letztgenannte die effektivere Art der Verdich-
fahren auch für Pkw-Dieselmotoren angewendet. So tung, da der isentrope Verdichterwirkungsgrad höher
19 stellte OPEL 2003 das zweistufige Konzept „Vectra ist (. Abb. 11.47). Daraus lässt sich die Modellvorstel-
OPC“ vor, dass mit dem 1.9 l-TDCI und 156 kW eine lung ableiten, dass im Falle der Zusammenschaltung
20 Literleistung von 82 kW/l erreicht. Bei BMW ist ab
Ende 2004 sogar die erste Serienanwendung im 535d
von unendlich vielen Aufladestufen mit entsprechen-
den Zwischenkühlungen eine theoretisch isotherme
umgesetzt (. Abb.  11.46). Der 6-Zylinder mit 3.0 l Verdichtung stattfindet.
11.7  •  Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige Aufladung
629 11
Einstufige Aufladung Zweistufige Aufladung 11.7.3 Registeraufladung
T
p2
T
p2 und zweistufige
2ein pzwischen Aufladekonzepte/-systeme
2zwei 2ein
2s 2s
p1 p1 Im Folgenden werden die Kombinationsmöglichkei-
1z,s ten einstufiger Aufladeaggregate, welche sich im Ver-
lauf der Entwicklung der Aufladung etabliert haben
beziehungsweise vielversprechend hinsichtlich der
1 s s
Darstellung hoher spezifischer Leistungen bei guten
Wirkungsgraden scheinen, näher dargestellt.
..Abb. 11.47  Einstufige vs. zweistufige (mit Zwi-
schenkühlung) Verdichtung im T-s-Diagramm 11.7.3.1 Registeraufladung
Unter der Registeraufladung ist eine Kombination
s Verdichter, einstufig =
T2;s − T1 von zwei Abgasturboladern zu verstehen, von denen
T2; einstufig − T1 im unteren Drehzahlbereich ein Turbolader komplett
< s Verdichter, zweistufig abgeschaltet wird. In diesem Fall wird der gesamte
Abgasenthalpiestrom über den zweiten Abgasturbo-
T2;s − T1
= lader geleitet. Hierdurch werden höhere darstellbare
T2; zweistufig − T1 Mitteldrücke sowie ein verbessertes Ansprechverhalten
bei geringen Durchsätzen gewährleistet. Mit steigen-
Dieses Verhalten ist unabhängig davon, ob die nach- dem Ladedruckbedarf kann der zweite Abgasturbola-
einander folgenden polytropen Verdichtungen mit ei- der sukzessive dazugeschaltet werden. Grundsätzlich
nem Strömungslader oder einem mechanischen Aufla- werden ein- und mehrstufige Registeraufladungen
deaggregat, zum Beispiel einem Rootsgebläse erfolgen. unterschieden. Die mehrstufige Registeraufladung
Insofern sind alle Kombinationen unterschiedlicher, unterscheidet sich von der einstufigen Registeraufla-
zweistufiger Aufladesysteme bei Verwendung der Zwi- dung durch die Anzahl der zusammengeschalteten
schenkühlung aus der Sicht der isentropen Verdich- Abgasturbolader innerhalb einer Gruppe.
terwirkungsgrade gegenüber einstufigen Systemen im
Vorteil. Wird auf die Zwischenkühlung verzichtet, so
verschlechtert sich der isentrope Verdichtergesamt-
-
Vorteile 
deutliche Verbesserung des Ansprechverhaltens
wirkungsgrad im Falle der sequentiellen Verdichtung
gegenüber der einstufigen Aufladung. Doch weiterhin
bleibt der Vorteil der hohen erzielbaren Druckverhält- - als bei Bi-Turbomotoren (Zweibankkonzepte),
Packageanforderungen sind beherrschbar.

nisse und ausgeprägten Verbreiterung des Betriebsbe-


reichs bestehen.
-
Nachteile 
Anstieg des Kraftstoffverbrauchs im Fall des
Der bei stationärem Betriebsverhalten vorstehend
beschriebene Vorteil der zweistufigen/mehrstufigen
Aufladeverfahren kehrt sich bei Betrachtung des In-
stationärverhaltens einer zweistufigen Abgasturbo-
- Betriebs beider Stufen,
Erhöhung der Nennleistung bei einstufiger Regis-
teraufladung nur eingeschränkt möglich.

aufladung um. Wird hierbei die Abgasseite betrachtet, Die Registeraufladung stellt für alle Bi-Turbomotoren,
so wird ersichtlich, dass der klassischen zweistufigen also Verbrennungsmotoren auf Basis von Zweibank-
Aufladung infolge der Aufteilung des Abgasenthal- konzepten, eine effektive Möglichkeit zur Verbesse-
piestroms auf die beiden ständig angetriebenen Tur- rung des Ansprechverhaltens dar (. Abb. 11.48). Eine
binen ein langsamerer Hochlauf beziehungsweise starke Ausweitung des Kennfeldbereichs zu sehr ho-
Ladedruckaufbau typisch ist. Durch eine spezielle hen Nennleistungen ist damit nicht erzielbar. Die rea-
Kombination und/oder Verschaltung der einzelnen listisch darstellbaren Ladedrücke liegen bei über 3 bar.
Stufen kann das Instationärverhalten jedoch deutlich
verbessert werden. 11.7.3.2 Zweistufige Aufladung
Um die Erweiterung des Kennfeldbereiches zu größe-
ren Luftdurchsätzen zu erreichen, kann die Kombina-
tion aus zwei Ladern mit unterschiedlichen Durchsatz-
bereichen genutzt werden. Die gängigsten Verfahren
lassen sich in Kombinationen aus elektrischen, mecha-
630 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 11.48 Regis- 360
1 teraufladung versus 480 kW
340
Zweibankaufladung am PS
Porsche 959 [11] 440 320
2 300
400 Nm

Leistung kW/PS)
280
3
500

Drehmoment
360 260

4 320 240 400

220
280
5 200 300

240 180

6 200
160 200

140

7 160
120

120 100

8 80
80

60

9 40 40

20
10 0
1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000

11 Motordrehzahl (U/min)

Leistung und Drehmoment mit Porsche-Registeraufladung


Leistung und Drehmoment mit herkömmlicher Doppeaufladung im Parallelbetrieb
12 Leistung und Drehmoment mit Einlader-Betrieb
Zuwachs an Leistung und Drehmoment mit Porsche-Registeraufladung
zur herkömmlichen Doppelaufladung im Parallelbetrieb

13
nischen und rein abgasturbogetriebenen Aufladeag- turbolader muss der elektrische Zusatzverdichter nur
gregaten unterteilen. für den Betrieb bei kleinen Durchsätzen optimiert
14 sein. Mit der ergänzenden Auslegung des Abgas-
Elektrischer Verdichter/Abgasturbolader  Die Kom- turboladers auf hohe Durchsatzwerte sind deutli-
15 bination eines elektrischen Verdichters mit einem
Verbrennungsmotor ist so alt wie die Geschichte der
che Nennleistungssteigerungen erzielbar, wobei das
Ansprechverhalten gegenüber der Ausgangsvariante
Aufladung selbst. Die ersten Strömungsverdichter in nicht schlechter wird.
16 Schiffsantrieben und Stationärmotoren wurden von
leistungsstarken elektrischen Maschinen angetrieben.
Diese Idee wurde aufgegriffen und mit heute technisch
-
Vorteile 
Erweiterung des Kennfeldbereichs durch zusätzli-

-
17 machbaren Komponenten für Pkw-Anwendungen in chen Strömungsverdichter,
zwei Varianten ausgeführt. gutes Ansprechverhalten gegenüber einstufigen
18
19
Der elektrisch angetriebene Strömungsverdich-
ter als Zusatzaufladung, welcher unabhängig vom
Abgasturbolader im Luftpfad des Verbrennungsmo-
tors angeordnet ist, stellt die vielversprechendste Va-
- Aufladesystemen,
beliebige Positionierung im Luftpfad möglich
(einfaches Package).

20
riante der elektrischen Aufladesysteme dar [12]. Für
schnellen Ladedruckaufbau wird meist eine Position
des elektrischen Verdichters nah an der Ansaugseite
favorisiert. Durch die Kombination mit einem Abgas-
-
Nachteile 
Bypass notwendig, da nur kleiner Durchsatz-
bereich des elektrischen Verdichters abgedeckt
wird,
11.7  •  Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige Aufladung
631 11

- hohe elektrische Leistungen sind für den elekt-


rischen Verdichter erforderlich (Bordnetzbelas-
AGR-Ventil

-- tung),
keine Rekuperation möglich,
Kosten durch elektrische Zusatzkomponenten
hoch.
Motor
LLK
Ein elektrischer Zusatzverdichter stellt hohe Anforde-
Umschalt- Bypass
rungen an das Bordnetz in Bezug auf die elektrische klappe
Leistungsbereitstellung (Anlaufströme bis circa 200 A,
je nach Spannung des Bordnetzes). Die elektrische kleiner
Leistungsbilanz ist abhängig vom Fahrprofil, so dass ZK ATL
großer
die Energiespeicher für eine zuverlässige Funktion aus- 2-stufige
ATL
gelegt sein müssen. Aus diesem Grund konnten sich Aufladung
die elektrischen Systeme, trotz intensiver Entwicklung,
bisher nicht durchsetzen.
..Abb. 11.49  Prinzipschaltbild der zweistufig gere-
Mechanischer Lader/Abgasturbolader  Die Kombina- gelten Abgasturboaufladung
tion eines mechanischen Aufladeaggregates mit einem
Abgasturbolader trägt zu einer erheblichen Verbreite-
rung des verdichterseitigen Betriebsbereichs dar. Dar- Durch eine entsprechende Auslegung lässt sich eine
stellbare Ladedruckwerte liegen hier auch im Bereich deutliche Verbesserung des Instationärverhaltens,
von über 3,0 bar, je nach Wahl des mechanischen Aufla- ähnlich dem von Saugmotoren darstellen. Die über
deaggregates. Durch die direkte Anbindung des mecha- den gesamten Betriebsbereich darstellbaren Lade-
nischen Aufladeaggregates an den Motor, welche durch drucksteigerungen hängen von der Auslegung ab.
eine entsprechende Übersetzung für kleine Drehzahlen Zwei nennenswerte Nachteile sind der Schaltruck des
ausgelegt ist, wird das Instationärverhalten gegenüber Einkuppelns der Magnetkupplung bei Anforderung
einem abgasturbogetriebenen Konzept deutlich verbes- des mechanischen Laders und das nur aufwändig zu
sert. Allerdings erhöht das mechanische Aufladeaggre- reduzierende Geräusch der mechanischen Aufladung.
gat während seines Betriebs die Reibleistung des Ver-
brennungsmotors erheblich. Soll ein Verbrauchskonzept Zweistufige Abgasturboaufladung  Mit einem zwei-
dargestellt werden, darf das mechanische Aufladeaggre- stufig geregelten Aufladeverfahren können die großen
gat nur in Beschleunigungsphasen eingesetzt werden. Nachteile einfacher zweistufiger Abgasturboauflade-
verfahren erheblich und der Registeraufladeverfahren

-
Vorteile 
hohes Ladedruckpotenzial bei geringen Drehzah-
teilweise verbessert werden. Hierzu werden zwei Ab-
gasturbolader so zusammengeschaltet, dass entweder

- len,
sehr gutes Ansprechverhalten bei niedrigen
eine der beiden Stufen alleine, oder beide zusammen
arbeiten können. Ein Stellorgan verteilt den Abgasmas-

- Drehzahlen,
Steigerung des maximalen Druckverhältnisses
senstrom auf die beiden Turbinen (. Abb. 11.49). Die
Auslegung der einzelnen Abgasturbolader erfolgt für

- durch Reihenschaltung der Verdichter,


Erweiterung des Kennfeldbereiches zu großen
Durchsätzen (Nennleistung).
unterschiedliche Durchsatzbereiche. Die Verdichter
sind in Reihe angeordnet und der Hochdrucklader ist
mit einem Bypass versehen. Je nach Einsatzfall kann
der nutzbare Kennfeldbereich an die Anforderungen

--
Nachteile 
Geräuschpotenzial sehr hoch,
sehr große Antriebsleistungen notwendig, wenn
relative Ladedrücke größer 1 bar mit mechani-
angepasst werden [13]. Zwischen hohem Anfahrdreh-
moment und konsequenter Nennleistungssteigerung
sind alle Varianten möglich. Zusätzlich sind auch
Emissionskonzepte mit spezieller Auslegung für hohe

- schem Lader dargestellt werden müssen,


hohe Reibleistungen ergeben hohen Kraftstoff-
Abgasrückführraten bei Dieselmotoren möglich. Auch
mit diesem Verfahren sind abhängig von der Ausle-

- verbrauch bei Betrieb des mechanischen Laders,


Kosten gegenüber einstufigen Systemen deutlich
höher.
gung der beiden Stufen Ladedruckwerte von über 3 bar
darstellbar [14]. Den zurzeit besten Kompromiss aus
Kraftstoffverbrauchseinsparungspotenzial und ma-
632 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

ximal darstellbarem Ladedruck stellt die zweistufige sizingkonzepten zur Verbrauchsreduzierung oder
1 Abgasturboaufladung dar [15]. aber Leistungskonzepten. Mit zweistufigen Systemen
Eine Besonderheit von Motoren mit zweistufiger scheint es möglich, das aufgrund der großen Spreizung
2 Abgasturboaufladung ist der Verlauf des spezifischen
Kraftstoffverbrauchs, welcher sich über den gesam-
des Luftdurchsatzes des Ottomotors problematische
Ansprechverhalten erheblich zu verbessern und da-
ten Volllastbetriebsbereich mit zwei lokalen Minima mit die Akzeptanz dieser Konzepte zu erhöhen. Sollte
3 auszeichnet. Dies resultiert aus den jeweiligen Wir- dies gelingen, sind Kraftstoffverbrauchseinsparungen
kungsgradmaxima der beiden allein zu betreibenden von circa 15 bis 20 % von Downsizingkonzepten ge-
Abgasturbolader. In dem Bereich, in dem beide Lader genüber dem leistungsgleichen Saugmotor durch den
4 gemeinsam beaufschlagt werden, steigt der Kraftstoff- Einsatz zweistufiger Aufladesysteme ein realistisches
verbrauch leicht an, was unter anderem auf die strö- Ziel. Weiteres Potenzial zur Verringerung des Kraft-
5 mungsdynamischen Verluste in der Aufteilung vor den stoffverbrauchs über Downsizing mit zweistufigen
beiden Turbinen zurückzuführen ist. Aufladekonzepten lässt sich über die Kombination mit
variabler Verdichtung beim Ottomotor realisieren [16].

-
6 Vorteile 
Erweiterung des Kennfeldbereiches hin zu gro-

-
11.8 Ermittlung
7 ßen Durchsätzen (Nennleistung),
Verschiebung der Pumpgrenze hin zu kleinen von Turboladerkennfeldern

- Durchsätzen, an Turboladerprüfständen
8 Steigerung des maximalen Druckverhältnisses

9 - durch Reihenschaltung,
Verringerung der Trägheit bei Betrieb mit kleiner
Turboladerstufe.
Turboladerprüfstände wurden lange Zeit überwiegend
nur von Turboladerherstellern und von wenigen Hoch-
schulen als Entwicklungs- und Forschungswerkzeug
eingesetzt. Mehrere Umstände führten dazu, dass
10
--
Nachteile 
zusätzlicher Bauraumbedarf,
Turboladerprüfstände nunmehr auch bei Motoren-
entwicklern eingesetzt werden. Zu den treibenden

11
- komplexes Routing der Abgas- und Luftführung,
im Fall der Zwischenkühlung sehr großer Bau-
Faktoren des zunehmenden Einsatzes von Turbola-
derprüfständen zählen:

12 - raumbedarf,
Kosten gegenüber einstufigen Systemen sind
höher.
1. Der zunehmende Einsatz von Abgasturboaufla-
dung als Technologie zur Reduzierung des Kraft-
stoffverbrauchs.
2. Die zunehmende Verschiebung der Entwicklungs-
13 11.7.4 Einsatzgebiete
arbeiten am gesamten Aufladesystem vom Turbo-
laderhersteller hin zum Motorenentwickler.
3. Der zunehmende Einsatz von Simulation und
14 Eine weitere Steigerung der Nennleistung oder Auswei- modellbasierter Regelung und damit einherge-
tung des aktiven Kennfeldbereichs sowie Verbesserung hend der erhöhte Bedarf an vergleichbaren und in
15 des Ansprechverhaltens kann bei modernen Pkw-An-
trieben durch Aufladung nur noch unter Verwendung
weiten Bereichen vermessenen Turboladerkennfel-
dern.
der zweistufigen Aufladesysteme erreicht werden.
16 Zweistufige Aufladesysteme ermöglichen bei den Die an einem Turboladerprüfstand stationär ermit-
Dieselmotoren einen Vorstoß in völlig neue Nennleis- telten Kennfelder von Verdichter und Turbine geben
tungsbereiche unter Beibehaltung des dieseltypischen Auskunft über das Betriebsverhalten eines Abgastur-
17 Ansprechverhaltens oder wahlweise einer weiteren Ver- boladers und werden häufig als Eingangsparameter
besserung des Ansprechverhaltens unter Beibehaltung für die Motorprozesssimulation oder auch für das
18 der heute mit variablen Turbinen erzielbaren Nenn- sogenannte „Matching“ von Abgasturbolader und
leistungen. Spezifische Leistungen von circa 100 kW/l Motor verwendet. Zur Ermittlung der Kennfelder
erscheinen bei Dieselmotoren genauso möglich wie muss ein Abgasturbolader am Turboladerprüfstand
19 spezifische Drehmomente von 200 bis 250 Nm/l. Ent- aufgebaut und vermessen werden. Einen allgemeinen
sprechende Werte von circa 25 bis 30 bar des effektiven Überblick über die Messmethodik an einem Turbo-
20 Mitteldrucks sind in absehbarer Zeit darstellbar.
Bei den Ottomotoren eröffnet die zweistufige Auf-
laderprüfstand wird in der SAE J1826 beschrieben.
Hinweise zu möglichen Einflussfaktoren sind in [17,
ladung weiteren Spielraum zur Darstellung von Down- 18] dargestellt. Darüber hinaus wurden im Rahmen
11.8  •  Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turboladerprüfständen
633 11
Turboladerturbine ..Abb. 11.50 Schema-
Brennkammer Kraftstoff tischer Aufbau eines
Turboladerprüfstands
4
Drossel
3
2

Turboladerverdichter 1
Elektrisch angetriebener
Ölversorgung Verdichter

Brennkammerluft

des VFI-Projekts „TC-Mapping“ detailliertere Emp- kkHeißgaserzeuger


fehlungen erarbeitet, wie zum Beispiel zur optimalen Der Heißgaserzeuger hat die Aufgabe die Temperatur
Messstellenposition, zu den zu verwendenden Mess- des Gases, welches der Turbine zugeführt wird, auf ei-
geräten, zur Messstellenausführung, zum Prüfaufbau nen konstanten Wert zu erhöhen, welcher zwischen 150
und -betrieb und zu den zu einem Kennfeld mitgelie- und üblicherweise 1000 °C liegt, je nach Ausführung
ferten Informationen. auch variieren kann. Die Temperaturerhöhung erfolgt
Die Aufgaben eines Turboladerprüfstands kön- überwiegend durch Verbrennen von Kraftstoff, wie zum
nen sehr vielfältig sein, bestehen aber prinzipiell Beispiel Erdgas, Dieselkraftstoff oder Kerosin. Derar-
darin, einen Turbolader unabhängig vom Motor in tige Heißgaserzeuger werden Brennkammern genannt
einem möglichst weiten Kennfeldbereich betreiben und finden weit verbreitet Anwendung [19, 20]. Für den
zu können. Üblicherweise wird der Turbolader dann unteren Temperaturbereich, das heißt < 400 °C, wird
stationär betrieben, einige Anwendungsfälle erfor- aufgrund des in diesem Temperaturbereich instabilen
dern jedoch auch einen transienten Betrieb. Sowohl Verhaltens von Brennkammern häufig eine elektrische
für den stationären als auch für den transienten Be- Heizung eingesetzt. Die erforderliche Luft wird von ei-
trieb muss die Motorumgebung nachgebildet werden. nem elektrisch angetriebenen Kompressor bereitgestellt

-
Dazu muss
Heißgas erzeugt und der Turbine zugeführt wer-
und zur Temperaturerhöhung durch die Brennkammer
geleitet. Die der Turbine bereitgestellte Abgasleistung

- den.
Der dem Verdichter nachgeschaltete Verbraucher,
also ein Motor mit seinen Einlasssteuerorganen,
in Form einer verstellbaren Drossel nachgebildet
kann durch folgende Gleichung ausgedrückt werden:

PA = m
P A  hA = m
P A  cpA  .TA − T0 / (11.25)

- werden.
Die Ölversorgung für die hydrodynamische
kkDrossel nach Verdichter
Die Abgasleistung wird mit einem vom Betriebspunkt

- Gleitlagerung bereitgestellt werden.


Bei wassergekühlten Turboladern gegebenenfalls
die Kühlwasserversorgung bereitgestellt werden.
der Turbine abhängigen Wirkungsgrad in Antriebsleis-
tung für den Verdichter umgesetzt. Abhängig von dem
Verdichter nachgeschalteten Verbraucherschluckver-
halten stellt sich unter stationären Bedingungen eine
konstante Turboladerdrehzahl ein. Der dem Verdich-
11.8.1 Prinzipieller Aufbau ter nachgeschaltete Verbraucher ist üblicherweise ein
eines Turboladerprüfstands elektrisch verstellbares Ventil. Abhängig von der Ven-
tilstellung kann der Durchsatz durch den Verdichter
Ein Turboladerprüfstand besteht aus den Hauptkom- und damit einhergehend auch die Turboladerdrehzahl
ponenten: Heißgaserzeuger, Drossel nach Verdichter, eingestellt werden (siehe . Abb. 11.51).
Ölversorgung, gegebenenfalls Kühlwasserversorgung,
Steuer- und Regelungselektronik und der Messtech- kkÖlversorgung
nik. Die Anordnung der einzelnen Komponenten ist in Zur Lagerung des Turboladerlaufzeugs werden aus
. Abb. 11.50 dargestellt und wird hier kurz erläutert. Kostengründen bis heute überwiegend hydrodyna-
634 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

Schluckverhalten bei unterschiedlichen Ventilstellungen Druck unmittelbar nach dem Verdichter soweit ab,
1 ΠV dass sich die Strömung wieder an die Schaufeln an-
legen kann und wieder die normale Förderung aufge-
2 Schließen des Drosselventils nommen wird. Ist die Mengenanforderung des Ver-
brauchers unverändert niedrig geblieben, steigt der
nTL Druck nach dem Verdichter schnell wieder an und der
3 Öffnen des Drosselventils
PV=PT =konst.
Pumpzyklus wiederholt sich [21]. Die Lage der Pump-
grenze ist zum einen abhängig vom Verhalten des Tur-
.
boladerverdichters, zum anderen von der Geometrie
4 m VN
der zu- und abführenden Leitungen [22, 23].
..Abb. 11.51  Schematische Darstellung eines Ver- Zu niedrigen Drehzahlen hin wird das Verdichter-
5 dichterkennfelds mit Verbraucherschlucklinien und
einer Linie konstanter Verdichterleistung
kennfeld unter anderem begrenzt durch den Brenn-
kammerbetriebsbereich, zu hohen Drehzahlen hin ist
das Verdichterkennfeld begrenzt durch die maximal
6 misch geschmierte Gleitlager eingesetzt. Zur Schmie- zulässige Festigkeit des Laufzeugs und damit einher-
rung der Gleitlager wird Schmieröl verwendet. Ein gehend durch die maximal zulässige Turboladerdreh-
7 dafür aufgebauter Ölkreislauf besteht mindestens aus
einem Ölfilter, einer Ölpumpe, einer Ölkonditionie-
zahl. Übliche Umfangsgeschwindigkeits-Grenzwerte
am Verdichteraustritt für in Herstellerkennfeldern
rung und dem Turboladerlagergehäuse. Die Ölkondi- dargestellte Kennlinien sind
8 tionierung kann das Öl bei Bedarf kühlen oder auch
heizen. u2 max = 520 m/s

9 und
11.8.2 Verdichter-
und Turbinenkennfelder
10 u2 min = 150 m/s . 0; 28  u2 max /

Ein wesentliches Einsatzgebiet eines Turbolader- Als Größe für die Druckerhöhung im Verdichter wird
11 prüfstands ist die Vermessung von Verdichter- und häufig das Totaldruckverhältnis verwendet.
Turbinenkennfeldern. Grundsätzlich werden bei der
Bestimmung der kennfeldrelevanten Größen folgende p2t
12 Annahmen getroffen:
˘V =
p1t  (11.26)
1. Verdichter und Turbine sind adiabate Maschinen.
13 2. Der Verdichter- beziehungsweise der Turbinen- Dabei kann der Totaldruck eine Mess- oder eine Re-
wirkungsgrad erreichen bei einem isentropen Ver- chengröße sein. Bei Letzterem bedient man sich der
dichtungs- beziehungsweise Entspannungsprozess Bernoulli-Gleichung, um aus dem gemessenen Ver-
14 den Wert 1. dichtermassenstrom, der Luftdichte und dem Strö-
mungsquerschnitt an der statischen Druckmessstelle
15 kkVerdichterkennfeld
Prinzipiell wird in einem Verdichterkennfeld für kon-
den dynamischen Anteil des Drucks zu berechnen:

stante Turboladerdrehzahlen die Druckerhöhung über 1 2


16 dem Durchsatz aufgetragen. Diese sogenannte Dreh-
pt = ps + pd = ps +
2
c

(11.27)
zahlkennlinie, im Folgenden Kennlinie genannt, ist zu
hohen Durchsätzen hin begrenzt durch den Rohrlei- Der Durchsatz eines Verdichters kann als Volumen-
17 tungswiderstand des dem Verdichter nachgeschalte- strom oder als Massenstrom angegeben werden, in bei-
ten Leitungssystems und zu niedrigen Durchsätzen den Fällen wird eine normierte Darstellung gewählt.
18 hin durch die sogenannte Pumpgrenze. Das Pumpen Zur Normierung gibt es für Druck und Temperatur
des Verdichters ist ein Effekt, der sich insbesondere unter anderem folgende Wertepaarvarianten:
bei relativ hohen Druckverhältnissen und gleichzei-
19 tig geringen Massenströmen ausbildet. Während eines TN pN Anwendung bei
Pumpzyklus löst sich zunächst die Strömung von den
in K in mbar –
20 Schaufeln immer mehr ab, wodurch der Massenstrom
immer weiter abnimmt, bis Rückströmen durch den 273,15 1013,25 DIN 1342, Sulzer
Verdichter eintritt. Durch das Rückströmen sinkt der
11.8  •  Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turboladerprüfständen
635 11
p2t ..Abb. 11.52 Verdich-
2t terkennfeld mit Isolinien
Pumpgrenze 1 2 für Verdichterwirkungs-
V h c2 p2
1 2 2 grad, Pumpgrenze und
c2 Widerstandskennlinie
2 2
hV (links), isentrope und
hsV 2s
Widerstandskennlinie p1t reale Verdichtung der
Luft, dargestellt im h-s-
1t
sV
1 2
c1 p1 Diagramm (rechts)
nTL 2
1

a m VN b s

298 1000 SAE J 1826, SAE J922, Borg- Die Turboladerdrehzahl wird in der Regel mit einem
Warner Turbosystems Sensor ermittelt, dessen Arbeitsweise auf dem Wirbel-
strommessprinzip basiert. Der Sensor wird dabei so
293 981 BorgWarner Turbosystems
angeordnet, dass alle Schaufeln des Laufrads am Sensor
vorbeiziehen.
Die Gleichungen zur Normierung der gemessenen Bei der Berechnung des Verdichterwirkungsgrads
Größen lauten wie folgt: wird das Verhältnis gebildet zwischen der Enthalpiedif-
ferenz ∆hsV für eine isentrope Verdichtung und der En-
s thalpiedifferenz ∆hV für eine reale Verdichtung (siehe
T1t pN
Normierter Massenstrom m
P VN = m
PV  . Abb. 11.52). Damit erfolgt die Berechnung des Ver-
TN p1t dichterwirkungsgrads gemäß der folgenden Gleichung:
(11.28)

s T2s − T1
T1t sV =
T2 − T1  (11.33)
Normierter Volumenstrom VPVN = VPV (11.29)
TN 
mit
Auch bei den in einem Verdichterkennfeld eingetra- L −1
genen Turboladerdrehzahlwerten handelt es sich um T2s = T1  ˘v L
 (11.34)
normierte Werte. Dabei bedient man sich einer Ähn-
lichkeitskennzahl aus der Strömungsmechanik, der und
Machzahl:
h = cp T  (11.35)
u1 uN
Ma1 = MaN ) =
a1 aN Maximale Verdichterwirkungsgradwerte liegen im Be-
u1 uN reich 70 bis 80 %.
) p = p
RT1 RTN
u1
) p = p
uN (11.30) kkTurbinenkennfeld
T1 TN In einem Turbinenkennfeld wird für jeweils konstante
s Turboladerdrehzahlen der Durchsatz über den Druck-
TN
) uN = u1 abfall aufgetragen, dargestellt in . Abb.  11.53. Eine
T1  übliche Größe für den Durchsatz ist der reduzierte
Turbinenmassenstrom. Unter Einbeziehung der Be-
und mit dingungen vor Turbine berechnet sich der reduzierte
Turbinenmassenstrom zu:
u
(11.31)
n= p
2  r  m
P T  T3
mP T red = (11.36)
p3t 
s
TN
nN = n1 Für den Druckabfall wird das Turbinendruckverhältnis
T1  (11.32) herangezogen, hier der Quotient aus Totaldruck vor
Turbine und statischem Druck nach Turbine:
636 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 11.53 Turbinen- p3t
1 kennfeld mit Drehzahl-  p3
und Wirkungsgradlinien mTred
(links), isentrope und h 3t
2 reale Entspannung des
3
1 2
c3
Abgases, dargestellt im 2
nTL
h-s-Diagramm (rechts) sT  m hsT hT
3 p4
4
4s
4
T s
a b
5 p3t
˘T = c0. Die theoretisch erzielbare Strömungsgeschwindig-
p4s  (11.37)
keit c0 wird erreicht, wenn das verfügbare isentrope
6 Enthalpiegefälle ∆hsT verlustfrei in kinetische Energie
Der Totaldruck vor Turbine kann gemäß . Gl. 11.27 umgewandelt wird, das heißt:
7 berechnet werden. Die Temperatur vor Turbine wird
abhängig vom Einsatzbereich des Turboladers auf 1 2
c = jhsT j (11.41)
einen konstanten Wert von zum Beispiel 600 °C für 2 0 
8 Dieselmotoren- und zum Beispiel 950 °C für Ottomo- p
) c0 = 2  jhsT j (11.42)
torenturbolader eingestellt, eine einheitliche Regelung
gibt es dafür jedoch noch nicht.
9 Insbesondere Temperaturschichtungen im Mess- Damit lässt sich die Schnelllaufzahl berechnen zu:
rohr nach der Turbine lassen die Anwendung des auf
10 der Verdichterseite üblichen Verfahrens zur Berech-
nung des isentropen Wirkungsgrads gemäß . Gl. 11.33
u3
=p
u3
= r
1
c0 2  jhsT j 2  jhsT j
nicht zu. Der Turbinenwirkungsgrad wird daher aus
11
u23
dem Turboladerwirkungsgrad bestimmt, wobei die
mechanischen Verluste des gesamten Turboladers der
1 (11.43)
=v !
Turbine zugeschrieben werden.
12
u A −1
u 2  cpA  T3  1− p4s A
t p3t

TL = sV  sT  m(11.38) u23 


13 TL
) sT  m = Das nächste Kapitel beschreibt die Besonderheiten, die
sV (11.39) bei der Verwendung von Turboladerkennfeldern in der
14 Motorprozesssimulation zu berücksichtigen sind.
mP V  hsV
15
sT  m =
mP T  hsT  sV
11.8.3 Besonderheiten
bei der Verwendung
 L −1

cpL  T1  ˘V L −1  m
16
PV
= von Turboladerkennfeldern
in der Motorprozesssimulation
 A −1

cpA  T3  1 − pp4s
3t
A  m
P T  sV
17 (11.40) Der Verdichter beziehungsweise die Turbine werden
als Stellen im Leitungssystem eines Motors modelliert,
18 Maximale Turbinenwirkungsgradwerte liegen im Be- an denen eine Druckerhöhung beziehungsweise eine
reich 60 bis 70 %. Druckabsenkung erfolgt. Des Weiteren haben Verdich-
Der Turbinenwirkungsgrad wird für konstante ter und Turbine in der Motorprozesssimulation übli-
19 Turboladerdrehzahlen über dem Turbinendruck- cherweise keine räumliche Ausdehnung, daher können
verhältnis ΠT (. Gl.  11.37) oder der sogenannten weder gasdynamische Effekte noch Wärmeübergänge,
20 Schnelllaufzahl aufgetragen. Die Schnelllaufzahl ist
das Verhältnis aus Umfangsgeschwindigkeit u3 am
die zum Beispiel in einem Beschleunigungsvorgang in
einem Turbolader auftreten könnten, berücksichtigt
Turbineneintritt und der Strömungsgeschwindigkeit werden. Das Betriebsverhalten eines Turboladers wird
11.8  •  Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turboladerprüfständen
637 11
..Abb. 11.54 Theore-
ΠV tischer und effektiver
Pumpgrenze
Verlauf der Kennlinie
eines Radialverdichters

ΠV1 Reibungsverluste

Vermessener
Kennlinienbereich Stoßverluste,
Strömungsablösung,
Rezirkulation
Widerstandskennlinie
. . .
0 m V1 mV 2 mV

also allein durch die stationär am Prüfstand vermesse- (. Abb. 11.54). Die Steigung einer Kennlinie ist aus-
nen Kennfelder und der dabei aufgetretenen Wärme- gehend von der Widerstandskennlinie hin zu niedri-
übergänge repräsentiert. gen Durchsätzen negativ und kann zur Pumpgrenze
hin auch den Wert Null beziehungsweise auch Werte
kkKennfeldbereich kleiner über Null annehmen. Problematisch ist eine derartige
Turboladerdrehzahlen Krümmung für die Motorprozesssimulation insofern,
In ▶ Abschn.  11.8.2 wurde der in Herstellerkenn- dass es für eine Turboladerdrehzahl und bei einem
feldern dargestellte Betriebsbereich beschrieben. Druckverhältnis ΠV1 zwei verschiedene Durchsatz-
Insbesondere bei kleinen Turboladerdrehzahlen   werte gibt (. Abb.  11.54). Noch vor einigen Jahren
.< 0;3  nTL max / hat sich jedoch gezeigt, dass Wärme- war es daher üblich, die Kennlinien so abzuändern,
übergangseffekte auf den Turboladerwirkungsgrad re- dass ihre Steigung im gesamten Bereich negativ ist.
lativ großen Einfluss nehmen können und dass die in Mittlerweile können die gängigen Motorprozesssimu-
▶ Abschn. 11.8.2 getroffene Annahme, der Verdichter lationsprogramme auch Kennlinien mit Krümmungen,
und die Turbine seien adiabate Maschinen, mit sin- die Werte größer null aufweisen, verarbeiten [27].
kender Turboladerdrehzahl immer weniger zutrifft Für den Bereich unterhalb der Widerstandskennli-
[24, 25]. Indikatoren dafür sind zum Beispiel Turbi- nie ist anzunehmen, dass die Verluste, die im Verdich-
nenwirkungsgrade, die Werte größer als eins anneh- ter auftreten, weiter zunehmen. Möchte man für eine
men. In [26] wird ein spezieller Prüfstand beschrie- Kennlinie den Punkt auf der Abszissenachse ermitteln,
ben, der es ermöglicht, Turbinenwirkungsgrade bei so sollte der Widerstand nach Verdichter minimiert
kleinen Turboladerdrehzahlen zu bestimmen. Dabei werden, idealerweise auf Null. Dazu wird die Ver-
wird die Turbinenleistung nicht wie bisher üblich mit dichterluft nicht wie in . Abb. 11.50 dargestellt einer
Hilfe der aufgebrachten Verdichterleistung bestimmt, Drossel zugeführt, sondern in die Umgebung geblasen.
sondern es wird das Drehmoment an der Welle der Der sich dabei einstellende Messwert für den Verdich-
elektrisch gebremsten Turbine gemessen. Des Weite- termassenstrom ist dann der gesuchte Punkt auf der
ren kann die sogenannte Durchbrenndrehzahl ermit- Abszissenachse.
telt werden, ein für die Extrapolation hilfreicher Wert
auf der Abszissenachse im Turbinenwirkungsgrad- kkIV. Quadrant
kennfeld (u/c0-Darstellung). In Beschleunigungsvorgängen von aufgeladenen Mo-
Numerische Methoden können darin unterstützen, toren können sich am Verdichter inverse Druckver-
vermessene Kennfelder sinnvoll in den Bereich kleiner hältnisse einstellen. Zur messtechnischen Erfassung
Turboladerdrehzahlen zu extrapolieren. Hinweise dazu dieses Betriebsbereichs kann der Verdichtereintritt mit
gibt es unter anderem in [22, 24]. Druckluft beaufschlagt werden. Bei einer entsprechen-
den Luftmenge und bei konstanter Turboladerdreh-
kkPumpgrenze und Widerstandskennlinie zahl wird sich dabei am Verdichtereintritt ein höherer
Wie in ▶ Abschn.  11.8.2 bereits erläutert, wird eine Druck einstellen als dahinter.
Kennlinie eines Verdichters begrenzt durch die
Pumpgrenze und durch die Widerstandskennlinie
638 Kapitel 11 • Aufladung von Verbrennungsmotoren

kkPulsierende Turbinenbeaufschlagung Turbo Systems für Personenkraftwagen. 22. Internationales


1 Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Betrieb Wiener Motorensymposium 26.–27. April 2001
[11] Hack, G.: Langkabel: Turbo- und Kompressormotoren; Ent-
eines Turboladers an einem Turboladerprüfstand und
wicklung und Technik, 3. Aufl. Motorbuch Verlag, (2003)
2 dem Einsatz an einem Motor ist die am Motor vor-
liegende pulsierende Beaufschlagung der Turbine mit
[12] Sens, M., Offer, T., Bals, R., Kahrstedt, J.: Auslegung der Auf-
ladegruppe eines hochaufgeladenen Ottomotors durch
Abgas infolge des Ladungswechsels. Für die Berech- den Einsatz der Motorprozesssimulation. 6. Tagung Mo-
3 nung der Abgaspulsationen in der Motorprozesssimu- torische Verbrennung, München. (2003). Haus der Technik
lation wird diese instationäre Ausströmung als eine e. V.
trägheitsfreie Aneinanderreihung kurzzeitiger statio- [13] Tomm, U.; Schmitt, F.: Optimierung von Hoch- und Nie-
4 närer Betriebzustände betrachtet, das heißt bei jedem derdruckverdichter für die 2-stufig geregelte Aufladung
Berechnungsschritt werden die instationär herrschen- (R2STM). 9. Aufladetechnische Konferenz 23./24. Septem-

5 den Zustandsgrößen an der Turbine übernommen, um ber 2004, Dresden. TU Dresden, Lehrstuhl Verbrennungs-
motoren (Veranst.)
die stationär gemessenen Kennfelddaten auszulesen.
[14] Schorn, N. et al.: Die Aufladung zukünftiger Pkw-Diesel-
Diese Modellierungsart ist für einige Anwendungsfälle
6 unzureichend und kann zu relativ großen Abweichun-
motoren. Welche Systeme ergänzen die VNT Technologie?
9. Aufladetechnische Konferenz 23./24. September 2004,
gen von experimentell ermittelten Ergebnissen führen. Dresden. TU Dresden, Lehrstuhl Verbrennungsmotoren
7 Daher wurde die Pulsbeaufschlagung der Turbine
am Turboladerprüfstand in den letzten 20 Jahren un-
(Veranst.)
[15] Sens, M.; Sauerstein, R.; Dingel, O.; Kahrstedt, J.: Mög-
tersucht [28–30]. In [31] wurde zusätzlich zum Stan- lichkeiten und Besonderheiten bei der Darstellung eines
8 dardaufbau, wie er in . Abb. 11.50 schematisch darge- Downsizing-Konzeptes Benzindirekteinspritzung. 9. Aufla-
detechnische Konferenz 23./24. September 2004, Dresden.
stellt ist, zwischen der Brennkammer und der Turbine
TU Dresden, Lehrstuhl Verbrennungsmotoren (Veranst.)
ein Zylinderkopf derart angeordnet, dass die eigent-
9 lich dem Brennraum eines Motors zugewandte Seite
[16] Drangel, H., Bergsten, L.: Der neue SAAB SVC Motor – Ein
Zusammenspiel zur Verbrauchsreduzierung von variabler
des Zylinderkopfes von der Brennkammer mit Abgas Verdichtung, Hochaufladung und Downsizing. 9. Aache-
10 versorgt wurde. Die Nockenwelle der Auslassventile
wurde von einem drehzahlgeregelten Elektromotor
ner Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, Aachen.
(2000)
angetrieben, sodass die Pulsfrequenz frei eingestellt [17] Nickel, J.; Sens, M.; Grigoriadis, P.; Pucher, H.: Einfluss der
11 werden konnte. Dadurch konnten realitätsnahe Druck- Sensorik und der Messstellenanordnung bei der Kennfeld-
pulse bei motorähnlichen Temperaturen nachgebildet vermessung und im Fahrzeugeinsatz von Turboladern, 10.
werden. Aufladetechnische Konferenz, 22.–23.  September  2005,
12 Dresden
[18] Lechmann, A.: Simulation und Aufladung von Verbren-

13 Literatur nungsmotoren. Springer, Berlin, Heidelberg, S. 195–210


(2008)
[19] Pucher, H.; Eggert, T.; Schenk, B.: Experimentelle Entwick-

14 Verwendete Literatur lungswerkzeuge für Turbolader von Fahrzeugmotoren. 6.


Aufladetechnische Konferenz, 1997, Dresden
[1] EATON Corporation, USA
[20] Forcada, I., Bolz, H., Mandel, M.: Neue Prüfstandstechnik
[2] IHI Corporation, Japan
15 [3] SIG Schweiz-Industrie-Gesellschaft
für die Entwicklung moderner Turbolader. MTZ 64(1), 38,
(2003)
[4] BorgWarner Turbo Systems GmbH, Kirchheimbolanden
[21] Pischinger, R., Kraßnig, G., Taučar, G., Sams, Th.: Thermody-
[5] Eiser, A., Grabow, J., Königstedt, J., Werner, A.: Moderne
16 Aufladekonzepte der Turbomotoren von AUDI, 6.  Aufl.
namik der Verbrennungskraftmaschine. Springer, Berlin,
Wien, New York (1989)
Aufladetechnische Konferenz. (1997)
[22] Grigoriadis, P.: Experimentelle Erfassung und Simulation
17 [6] Welter, A., Unger, H., Hoyer, U., Brüner, T., Kiefer, W.: Der
neue aufgeladene BMW Reihensechszylinder Ottomotor.
instationärer Verdichterphänomene bei Turboladern von
Fahrzeugmotoren, Dissertation. TU Berlin, 2008, Berlin
15. Aachener Kolloquium „Fahrzeug- und Motorentechnik“.
[23] Schorn, N.; Kindl, H.; Späder, U.; Casey, M. V.: Der Turbola-
18 (2006)
[7] MAN Diesel SE, Augsburg
derverdichter als Randbedingung in der Ladungswechsel-
rechnung. MTZ-Konferenz „Ladungswechsel im Verbren-
[8] MTU Friedrichshafen GmbH
nungsmotor“, 7.–8. November 2007, Stuttgart
19 [9] Leweux, J., Schommers, J., Betz, T., Huter, J., Jutz, B., Knauel,
P., Renner, G., Sass, H.: Der neue 4-Zylinder Pkw-Dieselmo-
[24] Pucher, H.; Berndt, R.; Grigoriadis, P.; Nickel, J.; Abdelha-
mid, S.; Hagelstein, D.; Seume, J.: Erweiterte Darstellung
tor von Mercedes-Benz für weltweiten Einsatz. 17. Aache-
und Extrapolation von Turbolader-Kennfeldern als Rand-
20 ner Kolloquium „Fahrzeug- und Motorentechnik“. (2008)
[10] Hoecker, P.; Jaisle, J. W.; Münz, S.: Der eBooster – Schlüssel-
bedingung der Motorprozesssimulation. Abschlussbericht
über Vorhaben Nr. 754, FVV, 2003, Frankfurt am Main
komponente eines neuen Aufladesystems von BorgWarner
Literatur
639 11
[25] Shaaban, S.; Seume, J.; Berndt, R.; Pucher, H.; Linnhoff, H. J.: [41] Schmuck-Soldan et al.: S. 2-stufige Aufladung von Otto-
Part-load Performance Predicion of Turbocharged Engines. motoren 32. Internationales Wiener Motorensymposium
8th IMechE Conference, 2006, London 5. und 6. Mai 2011
[26] Schorn, N.; Smiljanowski, V.; Späder, U.; Stalman, R.; Kindl, [42] Steinparzer F. et al.: Der neue BMW 3,0 l 4-Zylinder Ottomo-
H.: Turbocharger Turbines in Engine Cycle Simulation. 13. tor mit Twin Power Turbo Technologie 32. Internationales
Aufladetechnische Konferenz, 2008, Dresden Wiener Motorensymposium 5. und 6. Mai 2011
[27] Linnhoff, H.-J.: Berechnung instationärer Ladungswech- [43] Koch, A., Claus, H., Frankenstein, D., Herfurth, R.: Turbo-
selvorgänge aufgeladener Otto- und Dieselmotoren. laderdesign für elektrische Waste-Gate-Betätigung mini-
Abschlussbericht über Vorhaben Nr. 366. Forschungsver- miert Leckage. MTZ (10), (2010)
eingung Verbrennungskraftmaschinen, Frankfurt am Main [44] Schmid, A., Grill, M., Berner, H.-J., Bargende, M.: Transiente
(1989) Simulation mit Scavengine beim Turbo-Ottomotor. MTZ
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C110/86, 1986, S. 65–76. (2011)
[29] Capobianco, M.; Gambarotta, A.: Unsteady flow perfor- [46] Adomeit, P., Sehr, A., Glück, S., Wedowski, S.: Zweistufige
mance of turbocharger radial turbines. 4th International Turboaufladung-Konzept für hochaufgeladene Ottomo-
Conference on Turbocharging and turbochargers. IMechE toren. MTZ (5), (2010)
Conference Publications, C405/017, 1990, S. 123–132. [47] Schicker, J., Sievert, R., Fedelic, B., Klingelhöffer, H., Skrotzki,
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ons. Licentiate Thesis, Dept. of Combustion Engines at KTH Heißteile in Turboladern. MTZ (6), (2010)
Stockholm, 2002, Stockholm [48] N. N: Ladungswechsel bei Turbomotoren – Titelthema, MTZ
[31] Grigoriadis, P.; Nickel, J.; Pucher, H.: Experimentelle Unter- 11, (2010), Wiesbaden, November 2010
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cess Simulation and Turbocharging, Mai 2011, Berlin
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Berlin; Heidelberg; New York (1980) [51] Getzlaff, U., Hensel, S., Reichl, S.: Simulation des Thermo-
[33] Zinner, K.: Aufladung von Verbrennungsmotoren, 3. Aufl. managements eines wassergekühlten Turboladers. MTZ
Springer, Berlin, Heidelberg, New York (1985) (9), (2010)
[34] Hiereth, H., Prenninger, P.: Aufladung der Verbrennungs-
kraftmaschine, 1. Aufl. Springer, Wien, New York (2003)
[35] Lehmann, H.-G. et al.: Potenzialbetrachtung zum Instati-
onärverhalten von hochaufgeladenen Ottomotoren. 9.
Aufladetechnische Konferenz 23./24.  September  2004,
Dresden. TU Dresden, Lehrstuhl Verbrennungsmotoren
(Veranst.)
[36] Müller, W. et al.: High sophisticated boost-pressure control:
the MAHLE electrical waste gate actuator. 11th Stuttgart
International Symposium, Automotive and Engine Tech-
nology, 22 and 23 February 2011
[37] Sauerstein, R. et al.: Die geregelte zweistufige Abgastur-
boaufladung am Ottomotor – Auslegung, Regelung und
Betriebsverhalten. 31. Internationales Wiener Motoren-
symposium, 29.–30. April 2010
[38] Sauerstein, R. et al.: Downsizing und Hochaufladung: Her-
ausforderungen und Lösungen. TAE, 9. Symposium Otto-
motorentechnik, 2. und 3. Dezember 2010
[39] Schernus, C. et al.: Aufladekonzepte für kleine Ottomoto-
ren. TAE, 9. Symposium Ottomotorentechnik, 2. und 3. De-
zember 2010
[40] Schmitt, S. et  al.: Vergleich von Direkteinspritzung und
Saugrohreinspritzung am Otto-Turbo-Motor mit mecha-
nisch vollvariablem Ventiltrieb. TAE, 9. Symposium Otto-
motorentechnik, 2. und 3. Dezember 2010
641 12

Gemischbildungsverfahren
und -systeme
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer, Dr. Erwin Achleitner,
Dr.-Ing. Harald
1.1 Ipsum Bäcker, Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke,
Quia Dolor Sit Amet  –  16
Dipl.-Ing. Wolfgang Bloching,
1.1.1 Minima Veniam – 16 Dr.-Ing. Klaus Wenzlawski,
Dr.-Ing. Thomas Zapp, Dipl.-Ing. Holger Dilchert, Dipl.-Ing. Bernd Jäger,
1.2 Ut Perspiciatis Unde Omnis Iste Natus Error  –  21
Dipl.-Ing. Frank Kühnel, Dipl.-Ing. Ralph Schröder,
1.2.1 Minima Veniam – 21
Dipl.-Ing. Knut Schröter 

12.1 Innere Gemischbildung – 642


12.2 Äußere Gemischbildung – 642
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/
Benzineinspritzung) – 642
12.3.1 Arbeitsweise des Vergasers – 643
12.3.2 Gemischbildung mittels Benzineinspritzung  –  644

12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren  –  656


12.4.1 Einspritzsysteme – Überblick  –  658
12.4.2 Systeme mit einspritzsynchroner Druckerzeugung  –  663
12.4.3 Systeme mit zentralem Druckspeicher  –  670
12.4.4 Einspritzdüsen und Düsenhalter  –  677
12.4.5 Anpassung des Einspritzsystems an den Motor  –  681

12.5 Kraftstoffversorgungssystem – 683
12.5.1 Kraftstoffbehälter – 683
12.5.2 Das Tankentlüftungssystem – 686
12.5.3 Anforderungen an ein Kraftstofffördersystem  –  687
12.5.4 Die Füllstandsmessung – 693

Literatur – 695

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_12
642 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Die Verbrennung, chemisch betrachtet eine Oxidation 12.2 Äußere Gemischbildung


1 der Kraftstoffmoleküle, setzt voraus, dass eine hinrei-
chende Zugänglichkeit des Oxidators Sauerstoff an das Die äußere Gemischbildung ist kennzeichnend für den
2 Kraftstoffmolekül vorliegt. Daher ist es notwendig,
Kraftstoff aufzubereiten, das heißt in eine gasförmige
konventionellen Ottomotor. Luft und Kraftstoff werden
gemischt, bevor sie in den Zylinder des Motors gelan-
Phase zu überführen und mit Luft zu vermischen. Das gen. Damit kann ein mehr oder weniger homogenes
3 geschieht üblicherweise mit Gemischbildungssyste- Gemisch aus Luft und Kraftstoffdampf erzeugt werden.
men. Man unterscheidet beim motorischen Betrieb Ausgeprägt war dies bei Motoren, die als Gemischbild-
dabei zwischen der inneren und äußeren Gemischbil- ner einen Vergaser oder eine Zentraleinspritzung be-
4 dung. saßen. Es stand genügend Zeit zur Verfügung, um Luft
und Kraftstoff zu mischen und dieses Gemisch vor das
5 12.1 Innere Gemischbildung
Einlassventil zu transportieren. Die Gefahr bei diesen
Gemischbildnern war jedoch das Auskondensieren
des bereits in Dampfphase vorliegenden Kraftstoffs an
6 Die innere Gemischbildung findet im Zylinder des kalten Saugrohrwänden und die ungleichmäßige Ge-
Verbrennungsmotors statt. Die Luft wird durch den mischverteilung auf die einzelnen Zylinder. Die heute
7 Kolben angesaugt und verdichtet; in die verdichtete
Luft wird zum geeigneten Zeitpunkt Kraftstoff einge-
verwendete Saugrohreinspritzung, bei der Kraftstoff
unmittelbar vor das Einlassventil und teilweise auf das
spritzt. Das Luft-Kraftstoff-Gemisch erreicht dabei in offene Einlassventil und in den Zylinder eingespritzt
8 bestimmten Bereichen eine zündfähige Zusammen- wird, beseitigen diese Nachteile. Auch hier steht ge-
setzung, was bei entsprechender Temperatur zur Ge- nügend Zeit zur Verfügung, um über die Ansaug- und
mischentzündung führt. Diese Art der Gemischbil- Verdichtungsphase das Gemisch zu homogenisieren.
9 dung führt zu sehr starken Inhomogenitäten, wobei
örtlich Luft-Kraftstoff-Verhältnisse von λ = 0 (reiner
12.3 Gemischbildung bei
10 Kraftstoff) bis λ = ∞ (reine Luft) auftreten. Die Ver-
brennung verläuft mittels einer Diffusionsflamme. Ottomotoren (Vergaser/
Der eingesetzte Kraftstoff muss bestimmten Krite- Benzineinspritzung)
11 rien bezüglich der Zündwilligkeit genügen. Die Re-
aktion erfolgt an bereits aufbereiteten, das heißt von Die Gemischbildung mittels Vergaser ist bis auf wenige
einem zündfähigen Gemisch umgebenen Tröpfchen. Sonderfälle bei modernen Pkw-Motoren nicht mehr
12 Typische Vertreter für eine innere Gemischbildung Stand der Technik. Lediglich für bestimmte Länder-
waren bisher Dieselmotoren. In letzter Zeit wurden varianten und bei Zweiradantrieben werden Vergaser
13 vermehrt Ottomotoren entwickelt, die ebenfalls eine noch in größerer Stückzahl eingesetzt. Daher wird
innere Gemischbildung vorweisen, sogenannte Otto- dieser Abschnitt nur auf zentrale Zusammenhänge der
motoren mit Direkteinspritzung. Der grundsätzliche Gemischbildung mit Vergasern eingehen.
14 Unterschied zum Dieselmotor besteht in der Ver- Aufgabe eines Vergasers ist, der angesaugten Luft,
wendung eines Ottokraftstoffes sowie einer externen abhängig vom Betriebszustand des Motors, den für
15 Zündquelle. Zukünftig ist damit zu rechnen, dass Ot-
tomotoren mit innerer Gemischbildung einen hohen
das jeweils gewünschte Mischungsverhältnis benötig-
ten Kraftstoff bereitzustellen. Integriert im Vergaser ist
Anteil an der Gesamtproduktion haben werden, da die den Luft- beziehungsweise Gemischstrom regelnde
16 insbesondere das Potenzial zur Verbrauchsreduktion Drosselklappe.
noch größer scheint, als beim Dieselmotor mit Direkt- Die für das Dosieren des Kraftstoffs und seine För-
einspritzung. derung innerhalb des Vergasers benötigte Energie wird
17 Während der konventionell betriebene Dieselmo- dem Luftstrom entnommen.
tor mit innerer Gemischbildung arbeitet, die eine inho- Vergaser und das sich anschließende Saugrohr, mit
18 mogene Verteilung von Luft und Kraftstoff im Zylinder seinen Verzweigungen auf die einzelnen Zylinder, wel-
zur Folge hat, scheint in Zukunft die homogene Die- ches das vom Vergaser erzeugte Gemisch verteilt, sind
selverbrennung ein Weg, um weitere Vorteile bezüglich als Funktionseinheit anzusehen. Das Betriebsverhalten
19 Minderung von Emissionen und Kraftstoffverbrauch des Motors hängt entscheidend davon ab, wie exakt das
zu erzielen. Saugrohr auf gleichmäßige Gemischverteilung unter
20 allen Betriebszuständen entwickelt ist.
12.3  •  Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung)
643 12
12.3.1 Arbeitsweise des Vergasers zz Konstanter Lufttrichterquerschnitt
(Festlufttrichtervergaser) (.  Abb. 12.1)
Das Prinzip des Vergasers beruht darauf, dass durch Vergaser sind überwiegend nach diesem Prinzip aufge-
die Verringerung eines Querschnittes in einem luft- baut. Im Ansaugluftkanal befindet sich ein venturiartig
leitenden Kanal auf Grund der höheren Strömungs- geformter Lufttrichter mit festem Querschnitt. Ihm ist
geschwindigkeit im engsten Querschnitt, ein gerin- mindestens eine Hauptdüse zugeordnet. In kleinen
gerer Druck gegenüber dem erweiterten Querschnitt Luftströmen bleibt die mit dem Lufttrichter erzeugte
beziehungsweise gegenüber der Atmosphäre erzeugt Druckdifferenz klein. Man muss daher die zwischen
wird. Diese Druckdifferenz wird benutzt, um über dem Einlauf und dem Saugrohr herrschende Druckdif-
geeignete Querschnitte der Luft Kraftstoff zuzuführen ferenz zum Dosieren des Kraftstoffs mit heranziehen.
(. Abb. 12.1). Vergaser mit konstantem Lufttrichterquerschnitt
Die Erzeugung eines Differenzdrucksignals aus ei- benötigen für eine angemessene Kraftstoffversorgung
nem Luftstrom und seine unmittelbare Umsetzung in im Motorkennfeld mehrere Düsensysteme und eine
einen Kraftstoffstrom ist für Vergaser charakteristisch. Beschleunigerpumpe. Zum Ausgleichen des Einflusses
Luftseite und Kraftstoffseite sind im Prinzip identisch der unterschiedlichen Reynoldszahlen bei der Kraft-
aufgebaut und lassen sich mit der Bernoulli-Gleichung stoff- und Luftströmung mischt man dem Kraftstoff
der Strömungsmechanik beschreiben. Korrekturluft zu.
Unter der vereinfachten Annahme einer inkom-
pressiblen Strömung ergibt sich für den Luftmassen- zz Veränderlicher Lufttrichterquerschnitt
strom: Die Veränderung des Ansaugluftkanalquerschnittes
p wird üblicherweise mit einem beweglichen Element
mP L = AL  ˛L  "  2  pL  L : (12.1) ausgeführt. Gebräuchlich sind: eine Luftklappe, ein
den Kanal durchdringender Kolben und eine den Ka-
Darin bedeuten AL  =  Querschnitt des Lufttrichters, nal einengende Schwinge.
αL = Durchflusszahl, ε = Faktor für Luftkompressibili- Damit ist es möglich, mit einem sich nur wenig än-
tät, ∆pL = Druckdifferenz Lufttrichter gegenüber Um- dernden Differenzdruck, eine große Spanne von Luftströ-
gebung, ρL = Luftdichte im Lufttrichter. men zu beherrschen. Aus Symmetriegründen ist für die
Für den Kraftstoffmassenstrom gilt: Dosierung des Kraftstoffs ein beweglichen Element mit
p einer Düsennadel verbunden, die in eine Düse eintaucht.
mP Kr = AKr  ˛Kr  2  pKr  Kr : (12.2) Wenn das bewegliche Element auch im Leerlauf
arbeitet, kann man für den stationären Betrieb des be-
Darin bedeuten AKr  =  Querschnitt Kraftstoffdüse, triebswarmen Motors den Kraftstoff für den gesamten
αKr = Durchflusszahl der Düse, ∆pKr = Druckdifferenz Bereich der Luftströme mit der Nadeldüse dosieren.
an der Düse, ρKr = Kraftstoffdichte. Man spricht dann von einem Gleichdruckvergaser.
Ein Vergaser hat einen Kraftstoffspeicher (Schwim- Wenn das bewegliche Element im Leerlauf des Mo-
merkammer) mit einer freien Kraftstoffoberfläche, de- tors nicht arbeitet, sondern an einem Anschlag anliegt,
ren Niveau konstant gehalten ist. Man unterscheidet: spricht man von einer Gleichdruckstufe. Gleichdruck-
stufen finden sich oft auch als zweite Stufe in Register-
vergasern.
Einlauf
Luftfilterseite Kraftstoffzulauf
Kraftstoffdüse Belüftung
(Hauptdüse)
Druckdifferenz Luft
Schwimmer

Einengung
(Lufttrichter)

Schwimmerkammer
Mischkammer
Druckdifferenz Kraftstoffniveau
Drosselklappe Kraftstoff
..Abb. 12.1  Prinzip des
Vergasers Saugrohrseite
644 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1
12.3.2 Gemischbildung mittels
Benzineinspritzung -
momentenbasierte Lastregelung mit elektronisch
geregelter Drosselklappe (ETC = Electronic

2 12.3.2.1 Saugrohreinspritzsysteme
Der Aufbau moderner Saugrohreinspritzsysteme, bei
denen der Kraftstoff über zylinderindividuelle, elekt-
- Throttle Control),
modellbasierte Funktionen, wie zum Beispiel
eine modellbasierte Saugrohrfüllung mit einer
Lasterfassung über einen Heißfilmluftmassen-
3 ronisch gesteuerte Einspritzventile in die Einlasskanäle
des Ottomotors eingespritzt wird, ist vor allem durch
die Forderungen nach niedrigen Fahrzeugemissionen - messer oder über einen Saugrohrdrucksensor,
Regelung der Position einer kontinuierlich ver-
stellbaren Nockenwelle auf der Einlass- und/oder

-
4 und geringen Kraftstoffverbräuchen geprägt. Eine ty- Auslassseite,
pische Konfiguration zur Erfüllung niedrigster Emis- Hubverstellung der Einlass- oder Auslassventile
5 sionsvorschriften zeigt die . Abb. 12.2. sowie Zylinderabschaltung einzelner Zylinder zur

6
Die über die Grundfunktionen des Motorsteu-
erungssystems – Einspritzung und Zündung – hin-
ausgehenden Maßnahmen zur Emissionsreduzierung
richten sich vor allem nach den einzuhaltenden Emis-
- Kraftstoffverbrauchsreduktion,
Ansteuerung diverser Relais zum Ein- bezie-
hungsweise Ausschalten von Komponenten
(Hauptrelais, Kraftstoffpumpenrelais, Lüfterrelais,
7
8
sionsvorschriften, den Rohemissionen des Verbren-
nungsmotors und nach der Fahrzeuggewichtsklasse
im Abgastest. So können gerade bei der Abgasnach-
behandlung Maßnahmen wie zum Beispiel Sekundär-
- Starterrelais, Klimakompressorrelais, …),
aktiver Nockenwellenpositionssensor zur
schnellen Erfassung der Nockenwellenposition
und damit zur schnellen Synchronisation der

9
lufteinblasung in Kombination mit Zündungsspätver-
stellung zur schnellen Aufheizung des Katalysators
notwendig sein. Diese Maßnahmen, als auch deren
Diagnose, bewirken zusätzlichen Aufwand im Mo-
- Motorsteuerung beim Motorstart,
zylinderselektive Klopfregelung auf Basis eines
Kurbelgehäuse-Schwingungssensors zur leis-
tungs- und verbrauchsoptimalen Regelung des
10
11
torsteuerungssystem in Form von Sensoren, Aktoren,
Verkabelung und Rechnerleistung.
Typische funktionale Merkmale eines modernen
Motorsteuerungssystems sind:
- Zündzeitpunktes,
Regelung des Tankentlüftungsventils zur Rege-
nerierung des Aktivkohlebehälters während des
Motorlaufs,

12
13
14
15
16
17
18
19
20
..Abb. 12.2 Saugrohreinspritzsystem
12.3  •  Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung)
645 12
..Abb. 12.3 Aufbau
Unterdruck Saugrohr
eines Kraftstoffverteiler-
systems mit Rücklauf

Kraftstoffverteilerleiste

Druckregelventil

Motorraum

Einspritzventile
Rückschlagventil

Kraftstoffpumpe Kraftstoffrücklaufleitung

Kraftstofftank

- spezielle Katalysatorheizfunktion mit optimalem


Sekundärluftsystem, Zündungsspätverstellung
ist bei konstanter Ansteuerzeit der Einspritzventile die
Einspritzmenge unabhängig vom Saugrohrdruck.

- und Getriebeschaltpunktsteuerung,
präzise Regelung der Gemischzusammensetzung
über einen Sauerstoffsensor („Lambda-Sensor“)
vor Katalysator und sogenannte „Trim“-Regelung
-- Vorteile des Kraftstoffsystems mit Rücklauf sind:
eine gute Dynamik der Kraftstoffdruckregelung,
ein gutes Heißstartverhalten durch das Spülen
der Kraftstoffverteilerleiste mit kühlem Kraftstoff

-
über einen zweiten Sauerstoffsensor nach Kataly-
sator,
„Onboard“-Diagnose (OBD) aller abgasrelevan-
ten Komponenten und Funktionen.
- aus dem Tank,
eine Einspritzmenge, die unabhängig vom Saug-
rohrdruck ist.

Ein wesentlicher Nachteil ist die Aufheizung des Kraft-


Bei der Auslegung des Kraftstoffsystems ist insbeson- stoffs im Tank (bis zu 10 K gegenüber rücklauffreien
dere auf eine geringe Aufheizung des Kraftstoffs in der Systemen). Das erhöht die Kraftstoffverdampfung im
Kraftstoffverteilerleiste zu achten. Durch die Aufhei- Tank und führt zu einer höheren Beladung des Aktiv-
zung des Kraftstoffs in der Phase nach Abstellen (so- kohlebehälters.
genanntes „hot soak“) können Dampfblasen im Kraft- Aus diesem Grund und auch zur Reduzierung von
stoffrail auftreten, die beim nachfolgenden Heißstart Systemkosten wurden rücklauffreie Kraftstoffsysteme
zu Startproblemen führen können. entwickelt, . Abb. 12.4. Ihr Kennzeichen ist eine Inte-
Man unterscheidet grundsätzlich zwei Aufbaufor- gration von Kraftstoffpumpe und Druckregelventil in
men des Kraftstoffsystems: den Tank oder in der Nähe des Tanks.
1. Kraftstoffsystem mit Rücklauf, . Abb.  12.3: Vorteil dieses Aufbaus ist, dass der überschüs-
Merkmal dieses Kraftstoffsystems ist, dass der Druck- sige Kraftstoff nicht erst in den Motorraum gepumpt
regler direkt an der Kraftstoffverteilerleiste angeord- werden muss und dort über den Druckregler zurück
net ist. Die Druckmembran wird einseitig durch den in den Tank fließt. Die Einspritzzeiten werden in der
Saugrohrdruck beaufschlagt, so dass sich ein kons- Motorsteuerung auf Grund des konstanten Kraftstoff-
tanter Differenzdruck zwischen dem Kraftstoff in der drucks von circa 350 kPa (3,5 bar ± 0,5 bar) entspre-
Verteilerleiste und dem Saugrohr einstellt. Dadurch chend korrigiert.
646 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Kraftstoffverteilerleiste Dämpferelement ..Abb. 12.4 Aufbau


1 eines rücklauffreien Kraft-
stoffverteilersystems

2
3
4 Motorraum

Einsspritzventile
Rückschlagventil Druckregelventil
5
Kraftstofftank
6
7

-
Kraftstoffpumpe Kraftstoffrücklaufleitung
8
Zur Vermeidung von großen Druckschwankungen Kegelstrahlventil („Cone Spray“): Der Einspritz-
in der Kraftstoffverteilerleiste, die zu Einspritzmengen- strahl hat einen größeren Strahlwinkel von 10 bis
9 schwankungen führen können, kommen bei rücklauf- 30°. Dieses Einspritzventil wird vor allem dann
freien Kraftstoffsystemen Druckschwingungsdämpfer benutzt, wenn der Abstand zum Einlassventil re-
10 zum Einsatz. lativ gering ist. Die Tropfengrößen sind geringer

11
Einspritzmengenzumessung und
Einspritzventile für die Saugrohreinspritzung
Die Zumessung und die Gemischaufbereitung des
- als beim Schnurstrahlventil.
Zweistrahlventil („Split Stream“): Die Einspritz-
menge ist auf zwei Einspritzstrahlen aufgeteilt.
Der Winkel zwischen beiden Strahlachsen
einzuspritzenden Kraftstoffs erfolgt über elektrisch beträgt üblicherweise 15 bis 35°. Dieses Einspritz-
12 gesteuerte Einspritzventile, . Abb.  12.5. Dazu wird ventil wird meistens bei Mehrventilmotoren mit
der Kraftstoff am Ringspalt zwischen Ventilnadel und zwei Einlassventilen eingesetzt.
13 Nadelsitz durch die Öffnungsdauer der Nadel zuge-
messen. Neben der Strahlgeometrie gibt es eine Reihe anderer
Das Anheben der Nadel erfolgt durch das Bestro- Größen, die für eine Applikation der Einspritzventile

-
14 men der Magnetspule dann, wenn die Magnetkraft an einen Motor festgelegt werden müssen:
auf die Nadel größer wird als die durch den Kraft- Statischer Durchfluss: Er bezeichnet die maximale
15 stoffdruck, die Feder und die Reibung aufgebrachten
Kräfte. Sobald der Stromfluss in der Spule unterbro-
Durchflussmenge durch ein Einspritzventil bei
voll bestromter Spule. Er hängt von dem Kraft-
chen wird, beginnt das Magnetfeld sich abzubauen und stoffdruck und dem Durchmesser der Löcher
16 die Nadel schließt den Ringspalt unterstützt durch die in der Lochplatte am Einspritzventilaustritt und
Federkraft und den Kraftstoffdruck.
Nach dem Austritt des Kraftstoffs aus dem Ein-
- dem Nadelhub ab.
Dynamischer Durchfluss: Gibt den Durchfluss bei

-
17 spritzventil bildet sich eine Strahlgeometrie, die von einer Ansteuerzeit der Spule von 2,5 ms an.
der Geometrie des Einspritzventils nach dem Zumess- Linearer Durchflussbereich: „Linear Flow Range“
18 ringspalt (vor allem Nadelsitz- und Lochplattengeome- (LFR) ist das Verhältnis von maximalem und

19 -
trie) abhängt. Man unterscheidet zwischen:
Schnurstrahlventil („Pencil Stream“): Der
Einspritzstrahl hat einen kleinen Strahlwinkel
minimalem Durchfluss bei maximal 5 % Abwei-
chung von der Linearitätsgeraden (Gerade durch
die Kennlinie von Einspritzmenge über Ansteu-

20
von maximal 8°. Diese Art von Injektor wird vor
allem bei Applikationen benutzt, bei denen das
Einspritzventil relativ weit entfernt vom Einlass-
ventil eingebaut ist.
- erzeit der Spule).
Tropfengröße: Sie charakterisiert die Zerstäu-
bungsgüte des Einspritzventils. Die Tropfengröße
eines Tropenschwarms wird meist mit Hilfe des
12.3  •  Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung)
647 12

Sauterdurchmessers angegeben, der das Verhält-


nis von mittlerem Tropfenvolumen zur mittleren
Tropfenoberfläche in einem abgegrenzten Mess-
volumen angibt. Neben der mittleren Tropfen-
größe hat jedoch auch die Tropfengrößenvertei-
lung im Einspritzstrahl einen großen Einfluss auf
das Emissionsverhalten des Verbrennungsmotors.
Daneben ist die Tropfengeschwindigkeit wichtig,
da sie zum einen die Eindringtiefe des Kraftstoff-
strahls bei Einspritzen in Luft und zum anderen
den sekundären Strahlzerfall beim Auftreffen der

- Tropfen auf eine Oberfläche charakterisiert.


Dichtigkeit („Leak Rate“): Auf Grund der gelten-
den Gesetzgebung bezüglich Verdunstungsemis-
sionen gelten hohe Anforderungen. Da es schwie-
rig ist, die Dichtigkeit mit flüssigen Medien zu
bestimmen, wird sie mit Stickstoff ermittelt. Die
Leckmenge darf 1,5 cm3/min nicht überschreiten.

12.3.2.2 Direkteinspritzsysteme
Neben der beschriebenen Möglichkeit den Kraftstoff
in das Saugrohr des Ottomotors einzuspritzen, wurden
in den letzten Jahren Systeme für Direkteinspritzung
entwickelt. Dabei wird der Kraftstoff aus einer unter
hohem Druck stehenden zentralen Kraftstoffvertei-
lerleiste über elektronisch gesteuerte Einspritzventile
direkt in den Brennraum eingespritzt („Common-
Rail“-Prinzip). ..Abb. 12.5  Einspritzventil für die Saugrohreinsprit-
zung
Bei den ersten Direkteinspritzsystemen wurde
mittels Schichtung von Kraftstoff und Luft durch Kraftstoffs eine Innenkühlung der Zylinderladung, was
Einspritzung während der Kompressionsphase ein die Klopfneigung an der Volllast reduziert. Es besteht
relativ mageres Gemisch eingestellt mit einer fetten dadurch die Möglichkeit, die Verdichtung um circa
Gemischwolke in der Nähe der Zündkerze, die eine eine Einheit anzuheben. Das bewirkt einen niedrigeren
sichere Entflammung gewährleistet. Durch den Luft- spezifischen Kraftstoffverbrauch in der Teillast.
überschuss in dieser Betriebsart sinkt zum einen die Der geschichtete Betrieb ist nur in einem einge-
Ladungswechselarbeit und zum anderen der Wand- schränkten Betriebsbereich in der Teillast des Ottomo-
wärmeverlust in der Hochdruckphase der Verbren- tors sinnvoll. In den anderen Bereichen wird der Motor
nung, was in Summe zu niedrigeren spezifischen homogen mager, stöchiometrisch oder an der Volllast
Kraftstoffverbräuchen in der Teillast führt. Im übri- aus Motorschutzgründen teilweise fett betrieben.
gen Kennfeldbereich des Motors müssen allerdings Je nach Einbauort und Lage des Einspritzventils
wegen des Schichtbrennverfahrens Kompromisse und je nach Design der Lufteinströmung in die Zylin-
hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs eingegangen der unterscheidet man zwischen dem wandgeführten,
werden. dem luftgeführten und dem strahlgeführten Brennver-
Die Mehrzahl der heute in Serie befindlichen Di-
rekteinspritzsysteme werden stöchiometrisch betrie-
ben. Nur während des Hochdruckschichtstarts und
zum schnelleren Aufheizen des Katalysators erfolgt
-
fahren, . Abb. 12.6:
HPDI1 mit wandgeführtem Brennverfahren
(. Abb. 12.6 links):
Das Einspritzventil ist seitlich angeordnet
eine geschichtete Einspritzung. Die Ladungswechsel- und der Kraftstoff wird auf den Kolbenboden
verluste in der Teillast werden bei diesen Motorkon- gespritzt. Durch die Form der Kolbenmulde und
zepten durch frühes oder spätes Schließen der Einlass- die Art der Luftströmung wird der eingespritzte
ventile reduziert. Kraftstoff zur Zündkerze transportiert. Man un-
Die Direkteinspritzung von flüssigem Kraftstoff in
den Brennraum bewirkt durch die Verdampfung des 1 HPDI heißt: High Pressure Direct Injection.
648 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

..Abb. 12.6 Brennver-
1 fahren
reflection/ swirl
deflection tumble
2
3
wall guided charge motion guided spray guided
4 terscheidet je nach Geometrie der Ansaugkanäle zess. Speicherkatalysatoren neigen zur „Schwefelver-
bei der Lufteinströmung zwischen sogenannten giftung“ und sind daher auf Kraftstoff mit geringem
5 Reverse-Tumble-(„Umkehr-Rolle“) und Drallver- Schwefelgehalt angewiesen.

6 - fahren mit Kanalabschaltung.


HPDI mit luftgeführtem Brennverfahren
(. Abb. 12.6 Mitte):
Das Einspritzventil ist ebenfalls seitlich angeord-
Durch die Maßnahmen zur Abgasnachbehand-
lung sinkt die effektive Kraftstoffverbrauchseinsparung
strahlgeführter Brennverfahren.
Die Mehrzahl der heute in Serie befindlichen
7 net, aber der Kraftstoff wird im Gegensatz zum
wandgeführtem Brennverfahren in das Zentrum
Motoren werden daher mit einem stöchiometrischen
Brennverfahren betrieben. Das Einspritzventil kann
des Brennraums in die Luft gespritzt. Dazu ist dabei in seitlicher Lage wie in . Abb. 12.6 Mitte oder
8 eine hohe Luftbewegung notwendig, die durch in zentraler Lage wie in . Abb. 12.6 rechts angeordnet

9 - einen variablen Tumble erzeugt wird.


HPDI mit strahlgeführtem Brennverfahren
(. Abb. 12.6 rechts):
Dieses Brennverfahren hat das höchste Potenzial
sein.

Hochdruckeinspritzung
Bei heute in Serie befindlichen Direkteinspritzsyste-
10 bei mageren Motorbetrieb und damit das höchste
Verbrauchseinsparungspotenzial bei niederer
men erfolgt die Kraftstoffeinspritzung in die Zylinder
nach dem Common-Rail-Prinzip, (Kraftstoffeinsprit-
Teillast. Das Einspritzventil ist zentral im Brenn- zung aus gemeinsamer Druckleitung).
11 raum angeordnet und die Zündkerze ist dazu in Die . Abb. 12.7 zeigt die Systemübersicht für die
kurzem seitlichen Abstand positioniert. Dadurch Hochdruck-Benzineinspritzung.
wird ein Kontakt von Kraftstoff mit dem Kolben Der Ottomotor mit Direkteinspritzung erfor-
12 oder den Brennraumwänden vermieden. Dieses dert den Einsatz einer elektrisch gesteuerten Dros-
Brennverfahren stellt einen hohen Anspruch an selklappe für die verschiedenen Betriebsweisen. Um
13 die Strahlaufbereitung des Einspritzventils. Für den Katalysator nach dem Motorstart schnell auf Be-
eine sichere Entflammung und geringe Verru- triebstemperatur zu bringen, wird der Motor während
ßung der Zündkerze muss ein fein zerstäubter der Katalysatoraufheizphase mit Luftüberschuss und
14 Kraftstoff im Bereich der Zündkerze vorliegen, mit spätem Zündzeitpunkt betrieben. Um das Mo-
wobei sich das Strahlbild auch bei sich ändern- tormoment konstant zu halten, wird die Luftmasse
15 dem Brennraumdruck nicht wesentlich verän-
dern darf.
über die Drosselklappe erhöht. Auch bei Motoren
mit einer Umschaltung des Nockenwellenprofils wird
das Moment während des Umschaltvorganges mittels
16 Das in Summe magere Gemisch während der Ver- der elektrisch angesteuerten Drosselklappe konstant
brennung im geschichteten Betrieb stellt die Abgas- gehalten. Die Gemischregelung für die mageren Ge-
nachbehandlung vor das Problem, dass konventionelle mische benötigt einen linearen λ-Sensor, der diese
17 Dreiwegekatalysatoren die NOx-Emissionen nicht re- Funktion auch für den homogenen Betrieb mit λ = 1
duzieren können. Trotz einer abgesenkten NOx-Roh- sicherstellen kann.
18 emission durch Abgasrückführraten von bis zu 30 % Die Hochdruckpumpe wird aus dem Nieder-
ist zur Erfüllung der Abgasgrenzwerte eine spezielle drucksystem gespeist, welches einen Systemdruck von
Nachbehandlung der NOx-Rohemissionen durch ca. 5 bar aufweist. In der mechanisch angetriebenen
19 NOx-Speicherkatalysatoren notwendig. Die Speicher- Hochdruckpumpe wird der Kraftstoffdruck auf bis zu
katalysatoren nehmen die NOx-Emission im mageren 350 bar gesteigert. Erste Benzindirekteinspritzsysteme
20 Betrieb auf und konvertieren sie im unterstöchio-
metrischen Betrieb in N2 und CO2. Eine aufwändige
wurden mit Mehrzylinder Radial- oder Axialkolben-
pumpen ausgeführt. Der Druck in der Kraftstoffvertei-
Funktion im Motormanagement steuert diesen Pro- lerleiste wurde durch einen Druckregler in der Kraft-
12.3  •  Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung)
649 12

..Abb. 12.7 Benzindirekteinspritzung – Systemübersicht

stoffverteilerleiste oder durch eine Saugdrosselung im zunehmendem Kraftstoffdruck wird die Zerstäubungs-
Zulauf der Hochdruckpumpe eingeregelt. Heute wer- qualität verbessert. Um die Partikelemission von Di-
den fast ausschließlich Einkolbenpumpen eingesetzt, rekteinspritzmotoren zu reduzieren, wird daher der
welche im Vergleich zu Mehrkolbenpumpen wesent- Motor mit möglichst hohem Kraftstoffdruck betrieben.
lich kostengünstiger sind. In Verbindung mit einer Mehrlochdüse erreicht
Die Hochdruckregelung erfolgt über ein elektrisch man einen stabilen Strahlwinkel und eine gute Ver-
angesteuertes Druckregelventil. Der Rücklauf aus der dampfung beziehungsweise Gemischaufbereitung.
Hochdruckleitung mündet direkt aus dem Druckre- Damit können die Partikelemissionen während der
gelventil in den Zulauf der Hochdruckpumpe. Die Verbrennung reduziert werden.
Einkolbenpumpe fördert dabei nur so viel Kraftstoff, . Abb.  12.8 zeigt eine Einkolbenpumpe. Meist
wie der Motor verbraucht und was zur Gewährleistung wird die Hochdruckpumpe aus Reibungsgründen
des Kraftstoffsolldrucks in der Kraftstoffverteilerleiste über einen Rollenstößel direkt über einen zusätzli-
erforderlich ist. Das Druckregelventil und der Rück- chen Nocken von der Nockenwelle des Motors ange-
lauf können somit bei diesen Systemen entfallen. Zur trieben. Der Hochdruckkolben führt entsprechend
Druckerfassung dient ein Drucksensor. Aus Sicher- des Pumpennockens eine Hubbewegung aus. Die
heitsgründen ist in die Hochdruckpumpe ein Über- Spiralfeder verhindert ein Abheben des Rollenstößels
druckventil integriert, welches den maximalen Kraft- vom Pumpennocken. Das elektrisch angesteuerte Ein-
stoffdruck begrenzt. lassventil der Hochdruckpumpe ermöglicht während
Die Einspritzventile befinden sich direkt im Zy- des Förderhubs einen Rücklauf von Kraftstoff auf die
linderkopf. Auf Grund des hohen Kraftstoffdrucks Niederdruckseite, wodurch nur so viel Kraftstoff über
müssen die magnetischen Kräfte zum Öffnen der das Auslassventil gefördert wird, wie der Motor benö-
Ventilnadel sehr viel höher sein als bei Niederdruck- tigt. Damit wird die Leistungsaufnahme der Pumpe
Einspritzventilen, damit ein schnelles Öffnen und reduziert. Zur Dämpfung der Druckschwingungen
Schließen der Ventilnadel gewährleistet ist. im Niederdruckkreislauf ist in der Pumpe ein Nieder-
Die Kraftstoffzerstäubungsqualität hängt sehr stark druckdämpfer angeordnet. Auch die Kraftstoffleckage
vom Kraftstoffdruck, dem Gegendruck, der Durch- am Hochdruckkolben wird auf die Niederdruckseite
flusskalibrierung und dem Strahlkegelwinkel ab. Mit zurückgeführt. Eine Kolbendichtung dient zur Ab-
650 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1 - Für Magermotoren ist der Einsatz einer elek-


trischen Drosselklappe unumgänglich. Die
Steuerung dieser motorbetriebenen Drossel-
2 klappe gewährleistet eine völlige Unabhängigkeit

3 - zwischen Pedal- und Drosselklappenstellung.


Bei ungedrosseltem Motorbetrieb steht keine
Druckdifferenz für die Spülung des Aktivkoh-
lefilterbehälters zur Verfügung. Um die nötigen
Spülraten zu erreichen, ist bei Motorkonzepten
4 mit hohem Schichtladungsanteil eine Pumpe für
die Spülung des Aktivkohlebehälters erforderlich.
5
Im Gegensatz zum herkömmlichen Motor mit Saug-
rohreinspritzung, der in fast allen Betriebszuständen
6 mit homogenem stöchiometrischem Gemisch betrie-
ben wird (das heißt, das Gemisch wird nur bei beson-
7 deren Motorzuständen wie Kaltstart, Warmlauf und
Volllast angefettet), wird der Ottomotor mit Direkt-
einspritzung mit unterschiedlichen Einspritz- und
8 Verbrennungsstrategien betrieben.
Die Strategien zur Kraftstoffaufbereitung, die zu
den verschiedenen homogenen Betriebszuständen und
9 zur Schichtladung führen, werden nachstehend erläu-
..Abb. 12.8 Hochdruckkraftstoffpumpe tert, . Abb. 12.9.
10 dichtung des Niederdruckkreislaufs zum Motorölbe-
Das Ziel der Schichtladung ist die Konzentration von
gut aufbereitetem Kraftstoff-Luftgemisch im Bereich der
reich. Zusätzlich ist in der Hochdruckpumpe ein nicht Zündkerze, so dass dort ein lokal begrenztes, zündfähi-
11 dargestelltes Überdruckventil enthalten, welches bei ges Gemisch entsteht (λ ≈ 1), das trotz des insgesamt
Überschreiten eines Schwellwertes im Hochdruck- sehr mageren Gemisches gute Bedingungen für die
kreislaufs, z. B. bei einer Druckerhöhung durch eine Verbrennung ermöglicht. Auf Grund der lokalen Kon-
12 Kraftstofferwärmung bei stehenden Motor, den Druck zentration des Gemisches im Zentrum des Brennraums
im Hochdruckkreislauf begrenzt. erlaubt der Schichtladungsbetrieb auch hohe Abgasrück-
13 Für die Hochdruckdirekteinspritzung gibt es eine führungsraten. Die Schichtung des Gemisches um die
Vielzahl neuer Anforderungen an das Motorsteue- Zündkerze wird durch eine späte Einspritzung während

14
-
rungssystem:
Der Druck im Hochdruck-Kraftstoffsystem muss
des Verdichtungstaktes erreicht. Die Drosselklappe ist
für maximalen Lufteinlass in die Zylinder ganz geöffnet.

15 - geregelt werden.
Der Magerbetrieb bei Motoren mit strahlge-
führter Direkteinspritzung erfordert eine lineare
Lambda-Sonde, die den Magerbereich und den
Die Strahlrichtung, die Strahlform, die Strahlein-
dringtiefe und die Luftströmung im Zylinder sind die
entscheidenden Parameter für eine erfolgreiche Schich-
tung der eingespritzten Kraftstoffmenge im Bereich der
16
17
- Betriebsbereich λ = 1 abdeckt.
Die Hochdruckeinspritzventile erfordern eine
Ansteuerung, die an die besonderen Anforde-
rungen der Injektortechnologie angepasst ist. Der
Zündkerze. Zur Erzielung minimaler Partikelemission
des Motors dürfen weder die Brennraumwände noch
die Zündkerze mit flüssigem Kraftstoff benetzt werden.
Die Strahlrichtung kann während des Motorbetrie-
hohe Kraftstoffdruck und die höheren Anforde- bes nicht verändert werden. Die Eindringtiefe hängt
18 rungen an Linearität und Reproduzierbarkeit von von der Differenz zwischen der Kraftstoffstrahlge-
Einspritzung zu Einspritzung stellen hohe An- schwindigkeit und der Luftströmungsgeschwindigkeit
forderungen an die Ansteuerung der Einspritz- im Zylinder ab. Die Strahlgeschwindigkeit kann durch
19 ventile. Für schnelles Öffnen der Einspritzventile den Einspritzdruck beeinflusst werden. Um eine ziel-
ist eine Spannungs- und Stromüberhöhung auf gerichtete Bewegung der Luftströmung im Brennraum
20 65 V/12 A erforderlich. Bei der Integration der
Endstufen in das Steuergerät ist die höhere Ver-
mit Turbulenz im Bereich der Zündkerze (für eine gute
Gemischaufbereitung) zu erreichen, muss die Ausle-
lustleistung der Endstufen zu berücksichtigen. gung des Einlasskanals und der Verbrennungskammer
12.3  •  Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung)
651 12

homogen geschichtet

• gedrosselter Betrieb • ungedrosselter Betrieb


• frühe Einspritzung • späte Einspritzung im
während Ansaugtakt Verdichtungstakt
• homogene • Ladungsschichtung an
Gemischverteilung der Zündkerze

..Abb. 12.9  Motorbetrieb mit homogener und geschichteter Ladung

(eine Schlüsselkompetenz des Motorenherstellers) an- Die Anforderungen an die Gemischaufbereitung,


gepasst und optimiert werden. Die gegenwärtigen Ein- die Fahrbarkeit und vor allem die Abgasemissionen be-
lasssysteme sind meist als Tumblekonzepte teilweise einträchtigen eine umfassende Anwendung der Schicht-
auch als Drallkonzepte ausgeführt. ladung im gesamten Betriebsbereich des Motors.
Wenn der Betriebszustand des Motors bei glei- Die Anwendung der verschiedenen Betriebszustände
cher Motorleistung von Schichtladung zu homogener über den Arbeitsbereich des Motors sind in . Abb. 12.10
Ladung geändert werden soll, muss die angesaugte für einen Saugmotor dargestellt. Das Beispiel berücksich-
Luftmasse durch Schließen der Drosselklappe redu- tigt auch die Kühlwassertemperatur, um den Einfluss ver-
ziert werden; und gleichzeitig muss die eingespritzte schiedener Umgebungszustände zu verdeutlichen.
Kraftstoffmenge in den Zylinder erhöht werden, um
die höheren Drosselverluste zu kompensieren. Für ein
-- Es existieren die folgenden Verbrennungszustände:
homogen fett,
homogenes Gemisch im Brennraum wird der Kraft-
stoff während des Einlasstaktes zu dem Zeitpunkt ein-
gespritzt, bei dem die Luftgeschwindigkeit maximal ist. -- homogen λ = 1 mit/ohne Abgasrückführung,
homogen mager mit Abgasrückführung,
Schichtladung mit hoher Abgasrückführrate.

warm homogen, λ < 1

homogen, λ = 1, AGR
homogen, mager, AGR
Motorkühlwassertemperatur

geschichtet, AGR

kalt

homogen, λ < 1 geschichtet,


gedrosselt, AGR

homogen, λ = 1, AGR
Last

homogen,
λ =1,05
..Abb. 12.10 Betriebs-
strategien im Motor-
kennfeld Drehzahl
652 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Bei niedrigen und mittleren Lasten- und Drehzahlen Wegen der weltweit immer niedrigeren NOx-Emis-
1 wird der Motor mit Schichtladung und hoher Abgas- sionsanforderungen und dem damit einhergehenden
rückführrate betrieben. Dadurch wird ein niedriger Aufwand für die Abgasnachbehandlung bei strahlge-
2 Kraftstoffverbrauch erzielt. Die Abgastemperatur be-
stimmt den Betriebsbereich zu niedrigen Lasten, bei
führten Brennverfahren werden heute überwiegend
Motoren mit stöchiometrischem Brennverfahren an-
dem der Motor ungedrosselt betrieben werden kann. gewendet. Bei diesen Motoren wird der Schichtbetrieb
3 Damit der Katalysator die Schadstoffe konvertiert, darf nur während der Katalysatoraufheizphase genutzt.
die Katalysatortemperatur nicht unter 250 °C fallen. Die Anfettung an der Volllast zwecks Bauteilschutz
Ein vollständig ungedrosselter Betrieb im Leerlauf ist kann durch im Zylinderkopf integrierte Abgaskrüm-
4 daher nicht möglich. Auch beim Kaltstart und wäh- mer deutlich reduziert werden. Für Motoren mit stö-
rend des Warmlaufs läuft der Motor mit homogenem chiometrischer Gemischzusammensetzung wird der
5 leicht magerem Gemisch, um ein schnelles Anspringen Motor im gesamten Kennfeld homogen λ = 1 mit/ohne
des Katalysators zu erreichen. Der warme Motor kann Abgasrückführung betrieben. Zur Erhöhung des Wir-
mit einer gedrosselten Schichtladung arbeiten. kungsgrades des Motors wird das Verdichtungsverhält-
6 Bei niedriger Teillast und hohen Drehzahlen ist nis angehoben und durch frühes oder spätes Schließen
eine gute Gemischaufbereitung mit einer Schichtla- der Einlassventile die Verdichtungsendtemperatur ge-
7 dung auf Grund der kurzen Zeitspanne für die Ge-
mischaufbereitung und der Gefahr von Rußbildung
senkt, damit keine klopfende Verbrennung stattfindet.
Die gleichzeitige Erhöhung des Expansionsverhältnis-
nur schwer zu erreichen. Daher ist ein homogenes ses gegenüber der Kompressionserhöhung führt zu ei-
8 Gemisch mit AGR vorzuziehen. ner Verbesserung des Kraftstoffverbrauchs und einer
Die NOx-Emission und die Gefahr von Rußbildung Absenkung der Abgastemperatur.
stellt die Grenze für eine Schichtladung im oberen Teil- In Europa wird mit der Einführung der EU6c Ab-
9 lastbereich dar. In diesem Bereich hat der Betrieb mit gasgesetzgebung zusätzlich zur Partikelmasse die Par-
homogener Ladung und AGR im Vergleich zur Schicht- tikelanzahl (PN) begrenzt.
10 ladung mit AGR nur einen geringen negativen Effekt
auf den Kraftstoffverbrauch, jedoch geringere NOx-
Für die Erreichung der EU6c PN Anforderungen
darf das Verbrennungssystem keine Gemischinhomoge-
Emissionen und keine Gefahr von Rußbildung. nitäten mit lokalem Brennraumluftverhältnis kleiner als
11 Der homogene Magerbetrieb wird durch die Lambda = 0,7 aufweisen. Fettes Brennraumluftverhält-
Abgastemperatur begrenzt. Bei Temperaturen über nis führt in Kombination mit hohen Verbrennungstem-
500 °C ist der Speicherkatalysator nicht mehr in der peraturen zu hohen PN-Emissionen. Gemischinhomo-
12 Lage, die Stickoxide zu speichern, weshalb der Motor genitäten entstehen durch Benetzung von Oberflächen
mit stöchiometrischem Gemisch und hohen AGR- im Brennraum mit flüssigem Kraftstoff und durch unge-
13 Raten betrieben wird, um die NOx-Emissionen und nügende Aufbereitung des Kraftstoff Luft Gemischs. Die
den Kraftstoffverbrauch zu verringern. Benetzung der Kolbenoberfläche, der Einspritzventile
Der Betrieb bei Volllast erlaubt keine Abgasrück- und der Zylinderwand, wie in . Abb. 12.11 dargestellt,
14 führung. Der Motor wird in der gleichen Weise ge- müssen durch geeignete Einspritzstrahlauslegung und
steuert wie Motoren mit Saugrohreinspritzung, das Einspritzstrategie reduziert werden. Eine Benetzung der
15 heißt mit einem Gemisch für maximale Leistung und
optimalen Katalysatorschutz.
Einlassventile führt zu einer Ablenkung des Kraftstoff-
strahls mit der Erzeugung von großen Kraftstofftrop-
Zusätzlich zum Wechsel des Betriebszustands fen zum Ende des Ansaugtaktes. Wie bei sehr später
16 während der Übergänge zwischen verschiedenen Last- Einspritzung im Zyklus werden dadurch Gemischin-
zuständen (zum Beispiel der Übergang von Schicht- homogenitäten erzeugt, die zu einer Erhöhung der PN-
ladung bei Teillast zu homogenem angereicherten Emission führen. Auch eine Kraftstoffanlagerung an die
17 Gemisch bei Volllast während einer Beschleunigung) Zylinderwand kann dadurch hervorgerufen werden.
kann aus Gründen der Abgasnachbehandlung ein Die Einspritzventilspitze ist ebenfalls eine PN-Quelle.
18 Wechsel zwischen zwei Betriebszuständen auch bei Bei einem Einspritzventil mit nach innen öffnender
gleich bleibendem Lastzustand erforderlich sein. Die Ventilnadel wird die Ventilspitze Prinzip bedingt mit
Hauptanforderung liegt in einem Übergang ohne flüssigem Kraftstoff benetzt. Wenn der Kraftstoff nicht
19 Drehmomentänderungen, da diese vom Fahrer wahr- schnell genug von der Ventilspitze abdampft, führt dies
genommen würden. vor allem bei Motoren mit zentraler Einspritzventillage
20 Für die Katalysatorregenerierung während des
mageren Motorbetriebs ist mit einem Kraftstoffmehr-
zu einer deutlichen Erhöhung der PN-Emission.
Ein erhöhter Kraftstoffdruck führt sowohl bei kal-
verbrauch von bis zu 3 % zu rechnen. tem als auch bei warmen Motor zu einer Verminde-
12.3  •  Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung)
653 12

Areas of Soot Formation

Pool fire Intake valve Liner sooting Tip sooting Inhomogeneity


interaction
Injection strategy to avoid fuel agglomeration:

Wet piston bowl > Pool fire


Wet valve discs > Valve coking
Wet cylinder liner > Liner sooting and oil dilution
Injector coking > PN increase
Inhomogeneity > High PN

..Abb. 12.11  Entstehung der Partikelemission

rung der Partikelemission. Das erhöhte Strahlmoment Einspritzmengenzumessung und


steigert die Luftausnutzung, so dass sich die Verdamp- Einspritzventile für die
fungsneigung des Kraftstoffes deutlich verbessert. Benzindirekteinspritzung
Folglich führt eine Drucksteigerung trotz Eindring- Bei den Direkteinspritzventilen unterscheidet man
tiefenerhöhung zu der gewünschten Verringerung zwischen nach innen und nach außen öffnenden Ein-
der Bauteilbenetzung, die sich bei kaltem und war- spritzventilen. Dazu werden entweder elektromagne-
mem Motorbetrieb nachweisen lässt. Entsprechende tisch oder piezoelektrisch angetriebene Einspritzventile
Messergebnisse sind in . Abb. 12.12 dargestellt. Die eingesetzt. Prinzipiell ist der Aufbau der elektromagne-
Kraftstoffdruckerhöhung führt außerdem zu einer Er- tisch angetriebenen Einspritzventile für Saugrohr- und
höhung der Gasbewegung entlang der Längsachse des Direkteinspritzung gleich. Unterschiede bestehen in
Sprays. Dadurch wird die Kraftstoffverdampfung an der Druckfestigkeit, der Auslegung des Magnetkreises
der Injektorspitze nach Ende der Einspritzung deutlich und im maximalen Durchfluss. Bei der Direkteinsprit-
gefördert. Dieser Effekt führt zu einer signifikanten Re- zung von Kraftstoff in den Brennraum steht wesentlich
duktion und Stabilisierung der PN-Emission in einem weniger Zeit für die Einspritzung zur Verfügung, da
erweiterten Kennfeldbereich. Bei Kraftstoffdrücken der Kraftstoff nicht wie bei der Saugrohreinspritzung
größer als 350 bar wird das PN-Verbesserungspoten- während des Arbeits- und Ausschiebetaktes vorge-
zial kleiner. lagert werden kann. Eine Einspritzung während des

..Abb. 12.12  Einfluss des Kraftstoffdrucks auf die Partikelanzahlemission


654 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

und ist vom Differenzdruck zwischen der Kraftstoff-


1 verteilerleiste und dem Brennraum abhängig. Um ein
Prellen der Ventilnadel beim Schließen des Einspritz-
2 ventils und damit einen Nachspritzer von Kraftstoff
zu verhindern, ist die Ventilnadel vom Anker über
eine Feder entkoppelt.
3 Die Kraftstoffzerstäubung erfolgte bei den Ma-
gnetventilen zu Beginn der Benzindirekteinsprit-
zung Ende des letzten Jahrtausends mittels einer
4 Dralldüse. Dabei wird der Kraftstoff mit Hilfe eines
Dralleinsatzes in Inneren des Injektors in Rotation
5 versetzt. Damit ist der axialen Bewegung des Kraft-
stoffes beim Austritt aus der Düse eine tangentiale
Bewegung überlagert. Der Drall bestimmt die Auf-
6 weitung des Kegelstrahls. Durch eine Schiefstellung
der Austrittsbohrung relativ zur Injektorachse kann
7 auch ein Knickwinkel des Einspritzstrahles gegenüber
der Injektorachse erzeugt werden. Diese Kraftstoff-
aufbereitung ermöglicht kleine Tropfendurchmesser
8 mit geringer Strahleindringtiefe bereits bei niedri-
gem Einspritzdruck. Der Nachteil dieser Kraftstoff-
zerstäubungmethode ist die starke Abhängigkeit des
9 Strahlkegelwinkels vom Brennraumdruck. Darum
werden bei den heute in Serie befindlichen Bezindi-
10 rekteinspritzventilen ähnlich wie bei Dieselmotoren
Mehrlochdüsen verwendet. Die Anzahl und die An-
ordnung der Einspritzstrahlen ist sehr flexibel. Damit
11 ..Abb. 12.13  Nach innen öffnendes Einspritzventil
für die Benzindirekteinspritzung mit Magnetantrieb
kann die Strahlform sehr gut an die Bedürfnisse des
Brennverfahrens sowohl für zentrale als auch die seit-
liche Injektorlage im Brennraum angepasst werden.
12 Ausschiebetaktes würde nicht zur Erhöhung der me- Zur Vermeidung von erhöhten Partikelemissionen
chanischen Leistung führen und die Abgasemissionen dürfen weder die Zylinderwand, noch das Brenn-
13 verschlechtern. raumdach oder die Kolbenoberfläche mit flüssigem
Bei dem nach innen öffnenden Einspritzventil in Kraftstoff während des Einspritzvorganges benetzt
. Abb. 12.13 erfolgt nach der Bestromung der au- werden. Auch die Einlassventile sollen nicht durch
14 ßen angeordneten Spule die Bewegung des Ankers, die Einspritzstrahlen getroffen werden, um Gemi-
wenn die Magnetkraft größer als die schließende schinhomogenitäten zu vermeiden.
15 Druck- und Federkraft ist. Die Ventilnadel folgt der
Bewegung des Magnetankers. Zum schnellen Mag-
Zur Verringerung der Partikelemission werden die
Einspritzventile mit einem Einspritzdruck von bis zu
netkraftaufbau wird das Einspritzventil mit einer Peak 350 bar betrieben. Eine kostengünstige Verbindungs-
16 and Hold-Endstufe angesteuert. Bis zum Erreichen technik mittels eines O-Rings zwischen Injektor und
des Maximalstroms von ca. 12 A wird der Strom von Kraftstoffverteilerleiste ist wegen der Gefahr einer
einem DC/DC Konverter im Steuergerät mit ca. 60 V Kraftstoffleckage bei niedrigen Temperaturen nur bis
17 versorgt. Danach erfolgt die Spannungs- und Ener- 350 bar Kraftstoffdruck möglich.
gieversorgung der Einspritzventile aus der Batterie- Für strahlgeführte Brennverfahren werden nach
18 spannung. Um kleine Einspritzmengen bei hohem außen öffnende Einspritzventile mit direkter Betäti-
Kraftstoffdruck mit kleinen Toleranzen einspritzen gung der Ventilnadel zur Darstellung des Nadelhubs
zu können, wird mittels eines mechatronischen An- mittels Piezoantrieb angewendet, . Abb. 12.14; [2].
19 satzes die Bewegung des Magnetankers im Steuergerät Der Piezo-Aktuator selbst ist als Vielschicht-Ke-
ermittelt [1]. Damit können Toleranzen bei den Ein- ramikelement mit einzelnen zwischen den Keramik-
20 spritzventilen und der Ansteuerung über die Lebens-
dauer kompensiert werden. Die Einspritzmenge ist
schichten liegenden Kontaktierungen aufgebaut, die
in den beiden Anschlussfahnen am oberen Ende des
proportional der Ansteuerdauer der Einspritzventile Aktuators zusammengeführt sind. Durch Anlegung
12.3  •  Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung)
655 12

..Abb. 12.14  Nach außen öffnendes Einspritzventil für die Benzindirekteinspritzung mit Piezoaktuator

eines elektrischen Feldes wird durch den piezokera- Der Piezo-Antrieb erlaubt aber auch die Durch-
mischen Effekt eine Verlängerung bzw. Verkürzung führung eines Teilhubs. Dieser Teilhub kann je nach
des Aktuatorelementes erzielt, welches für die Öff- Anforderung so ausgeführt werden, dass von der
nung bzw. Schließung der Injektornadel verwendet Öffnungsrampe direkt in den Schließvorgang über-
wird. Um eine Zerstörung des Aktuatorelementes gegangen wird, oder aber der Schließvorgang erst
durch Zugspannungen in der Keramik zu vermei- nach einer definierten Haltezeit bei einem gewünsch-
den, ist die gesamte Piezo-Keramik über eine äußere ten Hub erfolgt. Die Einspritzmenge ist daher neben
Feder vorgespannt, so dass im ausgelenkten Zustand dem Kraftstoffdruck vom eingestellten Hub der Ven-
des Aktuators keine Zugspannungen auftreten kön- tilnadel und deren Öffnungsdauer abhängig. Die Ge-
nen. Die insgesamt erzielbare Auslenkung ist direkt nauigkeit und Reproduzierbarkeit des Öffnungsvor-
proportional zur Baulänge des Aktuators und der ganges ermöglicht hohe Wiederholgenauigkeiten der
elektrischen Spannung. Einspritzmengen selbst bei kurzen Einspritzimpulsen.
Der prinzipielle Aufbau des Injektors ist derart Die nach außen öffnende Injektordüse erzeugt ei-
gestaltet, dass die drei wesentlichen Funktionsgrup- nen Kegelstrahl in der Injektorachse. Eine Anpassung
pen, Injektordüse, Piezo-Aktuator und Kompensa- des Strahlbildes an die Brennraumform ist daher nur
tionselement in Reihe hintereinander angeordnet über den Kegelwinkel möglich. Damit ist die Anwen-
sind. Durch den Direktantrieb der Düsennadel dung dieses Injektors auf Brennverfahren mit zentral
über den Piezo-Aktuator kann eine unmittelbare im Brennraum angeordnetem Injektor begrenzt. Eine
und verzögerungsfreie Bewegungsumsetzung er- Benetzung der Einlassventile mit flüssigem Kraftstoff
zielt werden. Da die thermischen Ausdehnungsei- während des Einspritzvorganges ist damit nicht immer
genschaften der Piezo-Keramik signifikant niedriger vermeidbar.
sind als die des umgebenden Edelstahlgehäuses, ist Die Unabhängigkeit des Strahlkegelwinkels vom
oberhalb des Piezo-Aktuators ein Kompensations- Zylinderinnendruck ist eine Grundvoraussetzung für
element angeordnet. Die Aufgabe dieses Kompen- strahlgeführte Brennverfahren, welche von diesem In-
sationselementes ist es, den Nadelhub des Injektors jektorkonzept erfüllt werden.
über den gesamten Temperaturbereich des Motor- Durch die enge Lage zwischen Zündkerze und
betriebes konstant zu halten und somit einen gleich Einspritzventil bei strahlgeführten Brennverfahren
bleibenden Durchflusswert sicherzustellen. Dazu ist eine ausgezeichnete Gemischaufbereitung erfor-
wird ein geschlossener hydraulischer Kompensa- derlich, damit die Kraftstofftropfen in der sehr kurzen
tor eingesetzt, der so ausgelegt ist, dass eine ausrei- Zeit verdampfen können. Der Kraftstoff muss nach
chende Steifigkeit besteht.
656 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

einer freien Strahllänge von etwa 13 mm vollständig eingespritzten Kraftstoffmenge erforderliche Luftmasse
1 aufbereitet sein. bewegt sich bei praktisch ausgeführten Dieselmotoren
Der Piezo-Injektor erreicht Kraftstofftropfen mit zwischen etwa 1,1 und 7.
2 einem mittleren Sauterdurchmesser kleiner 15 µm
ohne dass große Kraftstofftropfen beim Öffnungs- oder
Für die Gemischbildung steht beim Dieselmotor
nur eine extrem kurze Zeit zur Verfügung. Geht man
Schließvorgang entstehen. von einer Kraftstoffeinspritzdauer von circa 36° Kur-
3 Der homogene Einspritzstrahl der Kegelstrahldüse belwinkel aus, so steht bei einer Drehzahl von zum
ist auch vorteilhaft für die Positionierung der Zünd- Beispiel 4000 min−1 lediglich eine Zeit von 1,5 ms
kerze. Einerseits dürfen die Zündkerzenelektroden zur Verfügung. Im Vergleich dazu beträgt für einen
4 weder im homogenen noch im geschichteten Motor- konventionellen Ottomotor mit Saugrohreinspritzung
betrieb direkt mit flüssigem Kraftstoff benetzt werden. bei vergleichbarer Drehzahl die Gemischbildungszeit
5 Andererseits muss die Zündkerze sehr nahe am Strahl- circa  15 ms. Die Zeit vom Einspritzbeginn bis zur
rand direkt im Rezirkulationsgebiet angeordnet wer- ersten Zündung eines Luft-Kraftstoff-Gemisches ist
den, damit eine sichere Entflammung des Kraftstoff/ nochmals erheblich kürzer. Diese als Zündverzug be-
6 Luftgemisches möglich ist. zeichnete Zeit ist etwa 0,3 bis 2 ms lang. Sie ist stark ab-
hängig von den Temperatur- und Druckbedingungen
7 12.4 Gemischbildung
im Brennraum und der Zerstäubungsgüte des Kraft-
stoffes. Nach der ersten Entflammung wird die weitere
bei Dieselmotoren Gemischbildung der noch unverbrannten Kohlenwas-
8 serstoffe mit dem vorhandenen Luftsauerstoff durch
Dieselmotoren arbeiten mit innerer Gemischbil- die beginnende Verbrennung und die damit einherge-
dung, vergleiche ▶ Abschn.  12.1. Am Ende des hende Temperaturerhöhung sowie die entstehenden
9 Verdichtungstaktes wird im Bereich des Zünd-OT Turbulenzen beschleunigt. Die für die Gemischbildung
flüssiger Kraftstoff in die hochverdichtete Luft einge- erforderliche Energie kommt entweder aus dem Ein-
10 spritzt. Unmittelbar nach Eindringen der Kraftstoff-
tröpfchen, deren mittlerer Sauterdurchmesser (ab-
spritzsystem oder aus der Luftbewegung und aus der
beginnenden Verbrennung selbst.
hängig von Druck und Messabstand) etwa zwischen Bei den Motoren mit unterteiltem Brennraum
11 5 und 15 µm beträgt (Primärzerfall) [3, 4], beginnt (Vorkammer- oder Wirbelkammermotoren) steuert
die physikalische und chemische Aufbereitung eines vor allem die in der Nebenkammer beginnende fette
zündfähigen Luft-Kraftstoff-Gemisches. Die Vor- Verbrennung die Hauptenergie für die Gemischbil-
12 gänge der Kraftstoffverdampfung, der Vermischung dung im Hauptbrennraum bei. An das Einspritzsys-
mit der Luft und der anschließenden Entzündung tem werden hierbei geringe Anforderungen gestellt;
13 und nachfolgenden Verbrennung laufen parallel abhängig vom Nebenkammerverfahren ist die Luft-
ab. Das Ziel der Gemischbildung ist einerseits eine bewegung unterschiedlich stark beteiligt, siehe ▶ Ab-
möglichst rasche Entzündung des Luft-Kraftstoff- schn. 15.1.2.1. Bei den heute eingesetzten Direktein-
14 Gemischs und andererseits eine möglichst komplette spritzverfahren ohne unterteilten Brennraum liefert
Verbrennung der gesamten eingespritzten Kraftstoff- das Einspritzsystem den Hauptenergiebeitrag. Bei
15 menge unter Vermeidung hoher Verbrennungsspit-
zentemperaturen. Wenn diese beiden Grundbedin-
Motoren mit großer Drehzahl-Spreizung oder Ein-
spritzsystemen mit vergleichsweise niedrigem Ein-
gungen erfüllt sind, ist die Verbrennung weitgehend spritzdruck wird die Luftführung so gesteuert, dass
16 schadstoffarm, bei gleichzeitiger Vermeidung extre- im Brennraum ein Drall entsteht, der die Gemisch-
mer Druckspitzen und damit eines hohen Verbren- bildung unterstützt. Je höher der Anteil der Luftbe-
nungsgeräusches und einer hohen mechanischen wegung an der Gemischbildung ist, desto geringer
17 und thermischen Belastung, vergleiche auch ▶ Ab- kann der Einspritzdruck sein. Dabei ist jedoch zu
schn. 14.3 und 15.1. beachten, dass die Luftdrallerzeugung mit erhöhten
18 Das Luft-Kraftstoff-Gemisch im Brennraum ist Verlusten beim Ladungswechsel verbunden ist. Die
örtlich und zeitlich stark unterschiedlich, das heißt Kraftstoffeinspritzung in den Brennraum ist deshalb
inhomogen. Das sogenannte lokale Luftverhältnis im für die Gemischbildung beim Dieselmotor von zen-
19 Brennraum reicht von  0 (im Kraftstofftropfen, d. h. traler Bedeutung. Dabei spielt neben anderen Funk-
nur Kraftstoff liegt vor) bis zu unendlich (Zonen reiner tionen insbesondere die Höhe des Einspritzdruckes
20 Luft). Das globale Luftverhältnis, also das Verhältnis
der tatsächlich im Brennraum befindlichen Luftmasse
die wesentliche Rolle.
Während für Nebenkammermotoren, deren Ent-
bezogen auf die für die vollständige Verbrennung der wicklung in den 1990er-Jahren eingestellt wurde, das
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
657 12

Einspritzdruckniveau in etwa bei 300 bis 400 bar


konstant geblieben ist, sind für Motoren mit Di-
rekteinspritzung die Einspritzdrücke in den letzten
20 Jahren kontinuierlich angestiegen, . Abb. 12.15.
Dies hängt im Wesentlichen auch mit der Entwick-
lung von schnelllaufenden Dieselmotoren mit Di-
rekteinspritzung für Personenkraftwagen zusammen.
Da dort, bedingt durch die hohen Drehzahlen, die
verfügbare Zeit sehr kurz ist, ist eine entsprechend
hohe Gemischbildungsenergie über einen hohen
Einspritzdruck zur Verfügung zu stellen. In Verbin-
dung mit effizienten Abgasnachbehandlungssyste-
men und der Nutzung der Mehrfacheinspritzung lie-
gen die maximalen Einspritzdrücke bei etwa 2500 bis
2700 bar, um die Anforderungen der nächsten Jahre
..Abb. 12.15  Entwicklung des maximalen Einspritz-
zu erfüllen. Trotzdem werden 3000 bar-Systeme in- druckes in den letzten Jahrzehnten
tensiv entwickelt.
Bei der Einspritzung des flüssigen Kraftstoffes in 45
den Brennraum ist es wichtig, dass der Kraftstoff sich 5 x 0,165 mm

in viele, sehr kleine Tröpfchen verteilt und damit eine 40

große Oberfläche für die Verdampfung zur Verfügung 35


stellt und möglichst die gesamte Luft im Brennraum
erreicht, um starke Rußbildung durch örtlichen Sau- 30
Eindringtiefe [mm]

erstoffmangel zu vermeiden. Dies gelingt durch eine 25


sorgfältige Abstimmung des Einspritzdruckes, der 300 bar
Düsenlochgeometrie der Brennraummulde und der 20 500 bar
Luftbewegung sowie des richtigen Einspritzzeitpunk- 15
800 bar
tes. Es ist zu vermeiden, dass Kraftstofftröpfchen über 1350 bar
10 1800 bar
die Brennraummulde hinaus an die Zylinderwand
gelangen und sich im Feuerstegbereich zwischen 5 Gemisch
Kolben und Zylinder ansammeln. Sie würden sich Flüssig
der Verbrennung entziehen, anschließend verdamp- 0
200 400 600 800 1000 1200 1400 1600
fen und als unverbrannte Kohlenwasserstoffe in den
Zeit nach ASB [µs]
Auspuff gelangen.
. Abb. 12.16 zeigt die Eindringtiefe des flüssi- ..Abb. 12.16  Eindringtiefe des flüssigen und dampf-
gen und dampfförmigen Kraftstoffes über der Zeit förmigen Kraftstoffes, gemessen in einer Einspritzkam-
nach dem Einspritzbeginn in Abhängigkeit vom Ein- mer, in Abhängigkeit vom Einspritzdruck [5]
spritzdruck [5]. Dabei ist deutlich zu sehen, dass die
Eindringtiefe des flüssigen Strahles unabhängig vom zu) so stark steigen kann, dass die Eindringtiefe bei
Druck ist. Jüngere Untersuchungen zeigten, dass größeren Löchern wieder sinkt. Hier ist also eine
Eindringtiefen bei 3300 bar nach ca. 1 ms etwa dop- Optimierung zwischen Düsenaustrittsquerschnitt
pelt so weit sind wie mit 1200 bar [4]. Die Geschwin- und Einspritzdruck sowie Luftbewegung erforder-
digkeit der Strahlspitze ist jedoch beim höchsten lich, siehe auch [3, 6].
Einspritzdruck deutlich größer. Der höhere Impuls Neben dieser klassischen inneren Gemischbil-
sorgt für ein stärkeres Air-Entrainment im Ein- dung beim Dieselmotor mit flüssigen Kraftstoffen gibt
spritzstrahl und damit für eine schnellere Verdamp- es verschiedene Sonderformen der dieselmotorischen
fung. Bei gleichem Einspritzdruck lässt sich mit Gemischbildung, wie zum Beispiel bei Diesel-Gas-
einem größeren Düsenloch ein tieferes Eindringen Motoren und der teilhomogenen und der nach wie
des flüssigen Kraftstoffes erreichen. Dabei ist jedoch vor im Forschungsstadium befindlichen homogenen
zu beachten, dass mit zunehmender Tröpfchengröße Dieselverbrennung, vergleiche ▶ Abschn.  15.1.2.4.
bei steigendem Düsenlochdurchmesser der aerody- Eine detaillierte Beschreibung der Gemischbildung in
namische Widerstand (nimmt quadratisch mit dem Verbindung mit der dieselmotorischen Verbrennung
Tröpfchendurchmesser und der Geschwindigkeit erfolgt in ▶ Abschn. 15.1.1.
658 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

12.4.1 Einspritzsysteme – Überblick cken- beziehungsweise Kolbengeschwindigkeit in der


1 Hochdruckeinspritzpumpe umsetzen. Eine Druck-
Aufgaben  Das Einspritzsystem ist maßgeblich dafür modulation während der Einspritzung bei Speicher
2 verantwortlich, dass Dieselmotoren eine hohe Ab-
gasqualität, geringen Kraftstoffverbrauch, schnelles
einspritzsystemen (entweder über direkte Druckän-
derung im Injektor oder über nadelhubabhängigen
Ansprechverhalten und komfortable Laufruhe bei ge- Druckverlust) ist eine angewandte Lösungsmöglich-
3 ringem Geräusch erreichen. Je nach Einsatzgebiet des keit. Aber auch durch Druckstufen im Düsenhalter
Dieselmotors können diese genannten Zielsetzungen lassen sich in gewissem Umfang Einspritzraten ver-
unterschiedliche Gewichte haben. Entsprechend ist ändern. . Abb. 12.17 zeigt veränderte Einspritzraten
4 das Einspritzsystem zusammen mit dem Dieselmotor während der Spritzdauer für eine Haupteinspritzung
anzupassen. Die Hauptaufgaben des Einspritzsystems [11, 12].
5 sind [7–10]: Generell gilt, dass eine hohe Einspritzrate und da-
mit zusammenhängend eine große Einspritzmenge am
zz Exakte Zumessung der Kraftstoffmasse Beginn der Einspritzung zu einem starken Verbren-
6 pro Arbeitsspiel nungsstoß mit hoher örtlicher Temperatur und damit
Infolge der Lastregelung des Dieselmotors durch die hoher NOx-Bildung sowie hohen Zylinderdruckgra-
7 Zumessung und Einspritzung einer variablen Kraft-
stoffmasse (Qualitätsregelung) muss diese für das
dienten führt.

Erreichen einer rußfreien Volllast möglichst exakt zz Mehrfacheinspritzungen


8 sein. Je präziser und langzeitstabiler die Kraftstoff- Die Formung der Einspritzrate während einer Einsprit-
zumessung an der Volllastkurve ist, desto geringer zung reicht häufig nicht aus, um die gestellten Anfor-
kann der Sicherheitsabstand zur Rauchgrenze sein, derungen zu erfüllen. Deshalb werden Mehrfachein-
9 das heißt der Motor kann in seinem Leistungsver- spritzungen mit unterschiedlichem Mengenniveau und
mögen ausgereizt werden. Die Kraftstoffmengentole- abhängig vom Betriebspunkt im Kennfeld benötigt.
10 ranzen sollten bei Volllast so klein wie möglich sein
und etwa ±2,5 % nicht überschreiten. Im Leerlauf
. Abb. 12.18 zeigt ein Beispiel von Einspritzmustern.
Heute werden unter Einschluss später Nacheinsprit-
und im Teillastbereich, insbesondere bei stationä- zungen für die Partikelfilterregeneration bis zu acht
11 rer Betriebsweise, das heißt wenn keine bewussten Einspritzungen appliziert.
Regeleingriffe eingeleitet werden, sind hohe Anfor- In . Abb. 12.19 sind beispielhaft die betriebspunkt
derungen an die Stabilität der Kraftstoffzumessung optimalen Einspritzmuster mit dem sog. Digital Rate
12 von Zylinder zu Zylinder sowie von Einspritzung zu Shaping im Kennfeld dargestellt.
Einspritzung zu stellen. Die Abweichungen sollten Eine kleine abgesetzte Voreinspritzung verkürzt
13 kleiner 1 mg/Einspritzung betragen. Gegebenenfalls die Zündverzugszeit für die nachfolgende Hauptein-
ist eine zylinderindividuelle Anpassung der Ein- spritzung erheblich und kann somit den Verbren-
spritzmenge erforderlich, um eine gewünschte Lauf- nungsverlauf weich gestalten, was zu einem niedrigen
14 ruhe zu erreichen. Verbrennungsgeräusch führt. Die Nacheinspritzung
unmittelbar nach der Haupteinspritzung ermöglicht
15 zz Anpassung der Einspritzrate
an die Betriebsbedingungen
den während der vorhergehenden Verbrennung er-
zeugten Ruß zu oxidieren oder bei entsprechenden
Die während des Einspritzvorganges pro Zeiteinheit Abgasnachbehandlungskonzepten die Abgastempe-
16 eingespritzte Kraftstoffmasse (Einspritzrate und ihr ratur, zum Beispiel zur Regeneration der Partikel-
Verlauf: dm/dt = f(t)) ist von entscheidender Bedeu- filter, zu erhöhen. Die Bereitstellung unverbrannter
tung für Abgasemission, Laufruhe und Verbrauch. Kohlenwasserstoffe deren Oxidation im Katalysator
17 Prinzipiell kann die Einspritzrate durch Verände- zur Erzeugung einer ausreichenden Temperatur für
rung des Spritzloch-Querschnittes an der Düse und die anschließende Abgasnachbehandlung erfolgt,
18 durch Veränderung des Einspritzdruckes beeinflusst kann mit einer „späten“ Nacheinspritzung erfolgen
werden. Trotz erheblicher Anstrengungen ist es bis [13].
heute noch nicht gelungen, eine betriebssichere Düse
19 mit veränderlichem Spritzloch-Querschnitt darzustel- zz Kleinstmengenfähigkeit
len, so dass nur die Druckmodulation übrig bleibt. In Verbindung mit Mehrfacheinspritzungen, insbe-
20 Vergleichsweise einfach, jedoch mit geringem Varia-
tionsgrad, lässt sich dies bei nockengesteuerten Sys-
sondere wenn es sich um Vor- und Nacheinspritzung
im Mengenbereich von circa 1 bis 5 mg pro Einsprit-
temen über die Nockenform und damit über die No- zung bei zum Beispiel Pkw-Motoren handelt, werden
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
659 12
6 1-Zyl.-Aggregat, Vh ≈ 1,0 l
mm3
°KW 5 n = 1.400 min–1
Volllast
4
Einspritzrate

3 rechteckig
dreieckig
2 „boot“-förmig

0
–20 –10 0 10 20 30 40 50
a [v. OT] Kurbelwinkel φ [n. OT]

Motordrehzahl: 2.000 min –1 Motordrehzahl: 4.200 min –1


mm3 mm3
Radialkolbenpumpe
°KW °KW
Pumpe-Düse
Common Rail
Einspritzrate

Einspritzrate

0 10 20 30 40 0 10 20 30 40
b Spritzdauer ∆φ [°KW] Spritzdauer ∆φ [°KW]

..Abb. 12.17  Verschiedene Einspritzverläufe (Einspritzrate = f(t)) für die Haupteinspritzung, a [11], b [12]

..Abb. 12.18  Beispiel für verschiedene Einspritzmuster abhängig vom Kennfeldbereich (inklusive DPF-Regene-
ration) [13]

die Anforderungen an die präzise Zumessung dieser listischen Bereich bewegen, das heißt sie erreichen
Kleinstmengen dramatisch erhöht. Die Einspritz- nicht einen mechanischen Festanschlag, wirken sich
mengentoleranzen sollten dabei kleiner 0,5 mg pro sämtliche fertigungsbedingten Toleranzen stark auf
Einspritzung sein. Da sich die Einspritzventilnadeln die Mengenqualität aus. Die Folge sind deutlich ge-
für diese Kleinstmengen immer im sogenannten bal- stiegene Anforderungen an die Bauteilqualität und
660 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1
2
3
4
5
6
7
8
..Abb. 12.19  Beispiel für bertiebspunktoptimale Einspritzmuster mit dem sog. Digital Rate Shaping (DRS)
9 (Quelle: © Robert Bosch GmbH)

10 Langzeitstabilität des Einspritzventils insbesondere


was die Düsennadel, den Nadelsitz und das Spritz-
Bei Erreichen der Motornenndrehzahl ist ent-
sprechend dem Einsatzgebiet des Motors die Menge
loch betrifft. so zurückzunehmen, dass der Dieselmotor vor Über-
11 drehzahl geschützt wird (Endabregelung). Im unteren
zz Anpassung des Einspritzzeitpunkts Betriebsbereich ist der Motor bei möglichst niedri-
Die rein drehzahlbedingte Anpassung des Förderbe- ger Drehzahl stabil und nahezu lastunabhängig zu
12 ginns bei Systemen mit langen Einspritzleitungen ist, betreiben. Der jeweilige Mengenbedarf ist außerdem
wie bekannt, nicht mehr ausreichend. Auch Systeme abhängig von der Umgebungs- und Kraftstofftempe-
13 ohne Einspritzleitung oder mit elektronisch gesteuer- ratur so anzupassen, dass eine schnelle Motorerwär-
ten Injektoren benötigen einen frei einstellbaren Spritz- mung erreicht wird. Abhängig von der geodätischen
beginn von früh, zum Beispiel im Falle des Kaltstarts, Höhe ist die Kraftstoffmenge anzupassen. So ist bei
14 bis spät in bestimmten Bereichen des Kennfeldes zur großer Höhe über dem Meeresspiegel infolge der
Stickoxidreduzierung. In anderen Betriebsbereichen geringeren Luftdichte die Volllastmenge zurückzu-
15 ist eine verbrauchsoptimale Einstellung gewünscht.
Außerdem sind bei Mehrfacheinspritzungen indivi-
nehmen, damit die zulässige Rauchgrenze nicht über-
schritten wird. Bei Schiebebetrieb ist mit fallender
duelle Spritzbeginnabstände zwischen diesen einzel- Drehzahl bei Unterschreitung der Leerlaufdrehzahl
16 nen Einspritzungen zu realisieren. Die Genauigkeit, ein rampenartiger Anstieg der Einspritzmenge zum
mit der der Spritzbeginn zu realisieren ist, sollte < ±1° „Auffangen“ des Motors im Leerlauf erforderlich. Ab-
Kurbelwinkel sein. hängig von Ladedruck und Abgasrückführung sind
17 die Einspritzmassen an die jeweiligen Betriebsbedin-
zz Flexible Anpassung an Betriebs- gungen anzupassen.
18 und Umgebungsbedingungen Diese vielseitigen und zum Teil von einander
Neben den bisher genannten Hauptaufgaben sollte ein abhängigen Aufgaben und Anforderungen an ein
modernes Einspritzsystem voll flexibel und luftmas- Einspritzsystem können nur noch von elektronisch
19 senabhängig auf dynamische Vorgänge reagieren. So gesteuerten beziehungsweise geregelten Systemen
darf im Falle der Volllastbeschleunigung zur Vermei- übernommen werden [7]. Mechanisch geregelte Sys-
20 dung einer unerwünschten Rauchemission die Menge
nur entsprechend der dynamisch erfassten Luftmasse
teme mit kantengesteuerter Mengenzumessung kön-
nen die Forderungen entweder überhaupt nicht oder
angepasst werden. nur bei Akzeptanz grober Kompromisse erfüllen. In
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
661 12

HW Hochdrucksystem
• Pumpe
• Kantengesteuert
• Zeitgesteuert
• Einspritzverlauf

HW Regelung/Steuerung
HW
• Sensorik • Ruckeln Einspritzventil
Niederdrucksystem • Menge, Last • Diagnose, OBD
• Düsenhalter
• Pumpe • Spritzbeginn • Fahrgeschwindigkeit
• Injektor
• Filter • AGR • ABS Solenoid/Piezo
• Druckregelung • Ladedruck • ASR
• Einspritzverlauf
• Volumenregelung • Leerlauf • ESP • Lochgeometrie
• Drehzahl • Getriebe

HW/SW

Einspritzzeitpunkt
• SV-Vorrichtung
• Aktuator
• Winkel-Zeit-Erfassung
HW/SW

..Abb. 12.20  Die Teilsysteme eines Diesel-Einspritzsystem

Anwendungsbereichen, wo die vorgenannten erhöh- kann zwischen 1  und 15 bar, je nach Einspritz-
ten Forderungen, insbesondere an das dynamische system und Drehzahl, betragen. Bei Common-
Verhalten, nicht im Vordergrund stehen, können Rail-Systemen bietet sich zur Reduzierung der
diese mechanischen, robusten Systeme jedoch wei- Leistungsaufnahme der Hochdruckpumpe eine
terhin eingesetzt werden. Bei Fahrzeugmotoren des raildruckabhängige, niederdruckseitige Regelung an.
Pkw- und Nfz-Bereiches sowie für Marine- und Sta- Bei der Auslegung der Niederdruckpumpen ist zu
tionärmotor-Anwendungen, die eine strenge Abgas- beachten, dass in vielen Fällen ein erheblicher Kraft-
gesetzgebung erfüllen müssen und gleichzeitig mög- stoffvolumenstrom für Steuermengen, Spülmengen
lichst wenig Kraftstoff bei dynamischem Verhalten zur Kühlung der Einspritzkomponenten sowie auch
verbrauchen dürfen, sind die mechanisch geregelten zur Kompensation von Leckagen erforderlich sein
und kantengesteuerten Systeme nahezu vollständig kann. Die eingesetzten Filter sind sowohl großporige
abgelöst worden. Vorfilter als auch Feinfilter [7]. Der Filter hat außer-
dem die Aufgabe, das möglicherweise im Kraftstoff
Aufbau und Einteilung  In einem modernen Diesel vorhandene Wasser abzuscheiden, um Korrosion an
einspritzsystem wirken Mechanik, Hydraulik, Elektrik den Einspritzkomponenten zu vermeiden. Um den
und Elektronik zusammen. Das Gesamtsystem kann in Betrieb auch bei extrem niedrigen Temperaturen si-
fünf Teilsysteme zerlegt werden, . Abb. 12.20. cherzustellen, wird häufig der Filter durch eine elek-
trische Kraftstoffheizung ergänzt beziehungsweise
zz Niederdrucksystem wird durch Rückführung des erwärmten Kraftstoffes
Das Niederdrucksystem sorgt dafür, dass der Kraft- aus dem Hochdruckbereich der Kraftstoff vor dem
stoff vom Tank zur eigentlichen Hochdruckeinsprit- Filter erwärmt, so dass eine Blockierung des Filters
zung gefördert wird. Die erforderliche Pumpe kann durch Paraffinausscheidung aus dem Kraftstoff ver-
entweder als Tankmodul den Kraftstoff vom Tank hindert wird.
zum Motor fördern oder als integrierte Pumpe in
der Hochdruckpumpe den Kraftstoff aus dem Tank zz Hochdrucksystem
ansaugen und innerhalb der Hochdruckpumpe auf Das Hochdrucksystem ist im Wesentlichen durch die
den erforderlichen Versorgungsdruck für die Hoch- eigentliche Hochdruckpumpe charakterisiert. Der er-
druckeinheiten bringen. Dieser Versorgungsdruck forderliche Hochdruck und damit die Einspritzleistung
662 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

werden ausschließlich durch Kolbenpumpen erzeugt. Stahlleitungen mit Innendurchmessern von etwa 1,5
1 Es kommen dabei innen- oder außenabgestützte Ra- bis 2,5 mm.
dialkolbenpumpen und einzylindrige Axialkolben- Zur Erhöhung der Dauerfestigkeit ist es wichtig,
2 pumpen zum Einsatz. Nur diese Pumpen sind in der
Lage, Drücke von mehr als 1000 bar langzeitstabil zu
dass die Rohre innen möglichst glatt ohne Rautiefen,
Überlappungen und Fehlstellen ausgeführt werden.
erzeugen und gegebenenfalls auch die erforderlichen Hierzu sind besondere Verfahren, zum Beispiel die
3 Mengen zu dosieren. sogenannte Autofrettage, das heißt eine unter extrem
Bei konventionellen Systemen, den sogenann- hohem Druck stattfindende plastische Glättung und
ten kantengesteuerten Systemen, hat das eigentliche Eigenspannungserzeugung an der Innenseite der
4 Pumpenelement neben der Aufgabe der Volumenför- Rohre, erforderlich.
derung und Druckerhöhung auch die Funktion der
5 exakten Mengenzumessung. Bei modernen Systemen zz Regelung/Steuerung
mit elektronisch gesteuerten Ventilen dient die Hoch- Die vorgenannten vier Teilsysteme werden durch ein Re-
druckpumpe ausschließlich dazu, den Einspritzdruck gelungs- und Steuerungssystem koordiniert. Während
6 zu erzeugen und die Kraftstoffmenge zu fördern. Die bei konventionellen Systemen der Eingriff überwiegend
exakte Mengenzumessung übernimmt das elektronisch mechanisch/hydraulisch erfolgt, sind bei modernen
7 ansteuerbare Ventil (üblicherweise Magnetventil oder
Piezoaktuator).
Einspritzsystemen elektronische Informationserfas-
sung und -verarbeitungssysteme und elektrisch betätigte
Aktuatoren im Einsatz. Dabei können die elektrischen
8 zz Spritzverstellersystem Aktuatoren direkt wirken oder nur zur Steuerung hy-
Um den Kraftstoff zum richtigen Zeitpunkt dem draulischer oder pneumatischer Verstelleinrichtungen.
Motor zuzuführen, ist ein sogenanntes Spritzverstel- Das elektronische Steuerungs- und Regelsystem ist
9 lersystem erforderlich. Generell sind zwei Grund- eingebunden in das gesamte Motor- und Fahrzeugma-
systeme zu unterscheiden. Bei konventionellen nagement und damit mit allen Subsystemen verbun-
10 Systemen wird durch mechanische oder hydrauli-
sche Kräfte eine Phasenverschiebung zwischen der
den, aus denen ein Eingriff auf das Motordrehmoment
beziehungsweise die Motordrehzahl erfolgen muss.
Pumpenantriebswelle und damit der Nockenwelle Hinzu kommt die Onboard-Diagnose für die emissi-
11 oder Verteilerwelle der Hochdruckpumpe und der onsrelevanten Komponenten.
Kurbelwelle des Verbrennungsmotors bewirkt. Bei . Abb. 12.21 zeigt schematisch die in den letzten
Systemen, bei denen die Zumessung durch elektro- Jahrzehnten eingesetzten, durch die Pumpen charak-
12 nisch ansteuerbare Ventile geschieht, kann durch terisierten Einspritzsysteme. In der oberen Reihe die
Veränderung des Schaltzeitpunktes der Ventile oder konventionellen kanten- bzw. hubgesteuerten Systeme.
13 durch Kombination des Schaltzeitpunktes mit der Dabei kann der Regel- und Steuerungseingriff sowohl
Phasenverstellung die erforderliche Einspritzzeit- mechanisch als auch elektrisch sein.
punktanpassung erfolgen. Heute dominiert die Ver- In der mittleren und unteren Reihe sind die mo-
14 stellung des Einspritzzeitpunktes über die elektrische dernen Systeme dargestellt, die seit Mitte der 90iger
Ansteuerung der Aktuatoren in Injektor. Jahre eingesetzt werden. Mit Ausnahme der Speicher-
15 zz Einspritzventil (Einspritzdüse)
einspritzsysteme (CRS) kann der Einspritzvorgang bei
den anderen Systemen nur während der Volumenför-
Der von der Hochdruckpumpe geförderte Kraftstoff derung und Druckerzeugung, das heißt während der
16 wird über das Einspritzventil dem Brennraum des Pumpenkolbenbewegung erfolgen.
Motors zugeführt. Dabei ist neben dem Zeitpunkt Generell können die Einspritzsysteme in drei Ka-
und der genauen Mengenzumessung auch die Strahl- tegorien eingeteilt werden: in sogenannte nockenkan-
17 aufbereitung für die anschließende Gemischbildung tengesteuerte, nockenzeitgesteuerte und speicherzeit-
und Verbrennung Hauptaufgabe dieses Ventils. Das gesteuerte Systeme, . Abb. 12.22.
18 Einspritzventil kann entweder direkt druckgesteuert Bei den nockenkantengesteuerten Systemen ist die
sein, entsprechend der Druckerzeugung durch die Stellgröße der Förderwinkel der Nockenwelle bezie-
Hochdruckpumpe, oder, wie zum Beispiel bei Com- hungsweise der Förderhub des Kolbens. Auf Grund der
19 monRail-Systemen, hydraulisch durch ein elektronisch mit steigender Drehzahl steigenden Kolbengeschwin-
ansteuerbares Ventil, siehe ▶ Abschn. 12.4.3. digkeit und dem damit ebenfalls steigenden Druck
20 Die Verbindung zwischen Hochdrucksystem und
Einspritzventil erfolgt bei den sogenannten Leitungs-
(und im Falle der Kantensteuerung zusätzlich durch
Vor- und Nachfördereffekte) und geringerer Leckage
systemen mit Hilfe von Hochdruckleitungen. Dies sind ist der Förderwinkel bei hohen Drehzahlen unter der
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
663 12
Reihenpumpe Steckpumpe
mech./elektr. Verteilerpumpe Radialkolbenpumpe
mech.
kantengesteuert
kantengesteuert
mech./elektr. mech./elektr.
kantengesteuert hubgesteuert

N-K N-K N-K N-H


Hubschieberpumpe Verteilerpumpe Radialkolbenpumpe
elektr., kantengesteuert Magnetventil Magnetventil

VP29/30 VP44

N-K: Nocken-Kanten-gesteuert
N-K N-Z N-Z
N-H: Nocken-Hub-gesteuert
N-Z: Nocken-Zeit-gesteuert
Pumpe-Düse-Einheit
N- Pumpe - Leitung - Düse Common - Rail
CRS
Magnetventil / Piezo Magnetventil Magnetventil / Piezo

Z: rein Zeit-gesteuert
UIS UPS

N-Z N-Z Z

..Abb. 12.21  Dieseleinspritzsysteme (Prinzipdarstellung), die in den letzten Jahrzehnten eingesetzt wurden für
sämtliche Motorgrößen

φ
mE = konst.; t ~
nM

p = f(n) p = f(n) p = konst.


Förder-/Ansteuer-Dauer t

φ t
t
Förderwinkel φ

t
φ
φ

2.000 4.000 min –1 2.000 4.000 min –1 2.000 4.000 min –1


Drehzahl nM
Nockenkantengesteuert Nockenzeitgesteuert Speicherzeitgesteuert

..Abb. 12.22  Einteilung der Dieseleinspritzsysteme bezüglich der Druckerzeugung und Zumessstellgröße

Annahme einer konstanten Menge kleiner als bei nied-


rigen Drehzahlen. 12.4.2 Systeme mit
Bei den nockenzeitgesteuerten Systemen ist die einspritzsynchroner
Stellgröße die Ansteuerdauer. Auch hier ist auf Grund Druckerzeugung
des drehzahlabhängigen Druckes und der geringeren
Leckage die Ansteuerdauer bei höherer Drehzahl gerin- Einspritzsysteme mit einspritzsynchroner Druck-
ger als bei niedriger Drehzahl. Im Falle der (speicher-) erzeugung sind dadurch gekennzeichnet, dass die
zeitgesteuerten Systeme ist der Druck über der Drehzahl Druckerzeugung und die Förderung beziehungsweise
konstant einstellbar und damit auch die Ansteuerdauer. Einspritzung des Kraftstoffes individuell für jeden Mo-
Der Förderwinkel verdoppelt sich deshalb bei Verdopp- torzylinder zeitgerecht abläuft, das heißt die Drucker-
lung der Drehzahl. Für Neuapplikationen und für An- zeugung erfolgt im gleichen zeitlichen Rhythmus der
wendungen mit strengen Abgasvorschriften werden Zündfolge des Motors. Einzelpumpensysteme, Reihen-
praktisch nur noch zeitgesteuerte Systeme eingesetzt. einspritzpumpen, Verteilereinspritzpumpen und lei-
664 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

tungslose Pumpe-Düse-Systeme arbeiten nach diesem Mechanisch geregelte Steckpumpensysteme und Unit-
1 Prinzip. Die Zumessung kann dabei durch reine Kan- Pump-Systeme werden zunehmend durch CR-Systeme
tensteuerung (mechanisch oder elektronisch gesteuert) abgelöst.
2 oder über elektrisch betätigte Steuerventile erfolgen,
vergleiche auch ▶ Abschn. 12.4.1. 12.4.2.2 Reiheneinspritzpumpe
In der Reiheneinspritzpumpe [10] sind die Pum-
3 12.4.2.1 Einzelpumpensysteme penelemente, bestehend aus Pumpenzylinder und
mit Leitung Pumpenkolben, entsprechend der Anzahl der vor-
Das Einzeleinspritzpumpensystem mit mechanischer handenen Motorzylinder in einem eigenen Gehäuse,
4 Regelung [10] gehört neben der Reiheneinspritzpumpe für schnelllaufende Motoren aus Aluminium, zusam-
zu den ältesten Dieseleinspritzsystemen. Kennzeich- mengefasst. Die Pumpenkolben werden durch eine
5 nend für dieses System ist, dass der Antrieb für die pumpeneigene Nockenwelle bewegt, die ihrerseits
Pumpenkolben durch spezielle Nocken, die auf der durch den Steuerrädertrieb des Motors angetrieben
Nockenwelle für die Ventilsteuerung des Motors an- wird. Die Mengenzumessung erfolgt ausschließlich
6 geordnet sind, erfolgt. Diese konstruktive Bauart er- über Kantensteuerung durch Verdrehung der Pum-
laubt die Anwendung dieses Einzeleinspritzpumpen- penkolben. Jeder Pumpenkolben trägt eine schräge
7 systems (auch häufig als „Steckpumpe“ bezeichnet) nur
für Motoren mit unten liegender Nockenwelle. Damit
Steuerkante, so dass in Verbindung mit der zylin-
derseitigen, ortsfesten Steuerbohrung, abhängig von
ist der Einsatz dieses Systems für moderne, schnell- der Winkelposition des Pumpenkolbens, ein unter-
8 laufende Pkw-Diesel-Motoren, deren Ventilsteuerung schiedlicher Förderhub und damit eine unterschied-
ausschließlich mit oben liegenden Nockenwellen rea- liche Einspritzmenge gefördert beziehungsweise
lisiert wird, nicht geeignet. Hauptanwendungsgebiete eingestellt werden kann. Der Gesamtkolbenhub ist
9 der mechanisch geregelten Einzelpumpensysteme sind dabei jeweils konstant und entspricht der Nocken-
deshalb einfache Kleinmotoren, Motoren für Bauma- erhebung. Die Verdrehung des Kolbens erfolgt über
10 schinen und Stationärmotoren sowie Großmotoren für
z. B. für Schiffsmotoren.
eine sogenannte Regulierhülse, die mit einer längs-
beweglichen Regelstange formschlüssig verbunden
Die erzielbaren Einspritzdrücke liegen für Groß- ist. Die Regelstange selbst wird durch den mit der
11 motoren bei circa  2000 bar. Für die Anwendung in Einspritzpumpe verbundenen Regler bewegt. Der
Schiffsmotoren sind Sonderbauarten für Schwerölbe- Regler kann entweder ein mechanischer Fliehkraft-
trieb verfügbar. Die in diesen Einsatzfällen geforderte regler sein, der in erster Linie die Regelstange dreh-
12 hohe Lebensdauer und Zuverlässigkeit führt zu einer zahlabhängig verschiebt und damit insbesondere
sehr robusten Konstruktion mit einseitig geschlosse- eine Endabregelung realisiert oder ein elektronischer
13 nen Pumpenzylindern, sogenannten Sacklochelemen- Regler, der über ein elektromagnetisches Stellwerk
ten. auf die Regelstange wirkt. Zur Anpassung der Ein-
Die freie Anpassung des Förder- und damit spritzmenge an die unterschiedlichsten Betriebsbe-
14 Spritzbeginnes ist nur mit großem Aufwand reali- dingungen sind bei mechanisch geregelten Pumpen
sierbar. Deshalb führte die Weiterentwicklung zum sogenannte Aufschaltgeräte erforderlich, zum Bei-
15 magnetventilgesteuerten Einzelpumpensystem, dem
sogenannten Pumpe-Leitung-Düse-System (PLD),
spiel ein ladedruckabhängiger Volllastanschlag und
eine temperatur- und höhenabhängige Verstellung
auch Unit-Pump-System (UPS) beziehungsweise der Einspritzmenge.
16 Electronic-Unit-Pump (EUP) genannt. Als Folge Zur sicheren Versorgung der Pumpenelemente
einer kurzen Einspritzleitung zwischen der Einzel- mit Kraftstoff ist in der Regel eine Niederdruckför-
pumpe und der Düsenhalterkombination ist der Be- derpumpe (ca.  3 bar) an der Reiheneinspritzpumpe
17 darf der Förderbeginnverstellung gering und kann angebaut, die durch einen speziellen Nocken auf der
durch den Ansteuerbeginn für das Magnetventil auf pumpeneigenen Nockenwelle betätigt wird.
18 dem Fördernocken flexibel eingestellt werden. Da- Ähnlich wie bei den mechanisch geregelten
durch sind diese Systeme auch für schnelllaufende Einzeleinspritzpumpen ist es auch bei der Reihen-
Nutzfahrzeugmotoren mit seitlicher Nockenwelle einspritzpumpe nur mit vergleichsweise großem
19 interessant, . Abb. 12.23. Allerdings steigt auch bei Aufwand möglich, den Förderbeginn frei anzupas-
Großmotoren der Bedarf an einem frei verstellbaren sen. Die drehzahlabhängige Förderbeginnsteuerung
20 Spritzbeginn [14–16].
Unit-Pump-Systeme für Nutzfahrzeuge erreichen
kann durch einen sogenannten Vorbau-Fliehgewicht-
Spritzversteller erreicht werden. Eine einfache lastab-
heute maximale Einspritzdrücke von circa 2000 bar. hängige Förderbeginnsteuerung wird gelegentlich
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
665 12

1 2 3

4 14

15
5 16
6 17
7 18

19
8
20
9

10
21

22
11
23

24

25

26
12

27

13

..Abb. 12.23  Pumpe-Leitung-Düse (PLD) oder Unit-Pump-System (UPS) für Nutzfahrzeugmotoren [8] Bauart
Bosch. 1 Einspritzdüsenhalter, 2 Druckstutzen, 3 Hochdruckleitung, 4 Anschluss, 5 Hubanschlag, 6 Magnetventil-
nadel, 7 Platte, 8 Pumpengehäuse, 9 Hochdruckraum (Elementraum), 10 Pumpenkolben, 11 Motorblock, 12 Rol-
lenstößelbolzen, 13 Nocken, 14 Federteller, 15 Magnetventilfeder, 16 Ventilgehäuse mit Spule und Magnetkern,
17 Ankerplatte, 18 Zwischenplatte, 19 Dichtung, 20 Kraftstoffzulauf (Niederdruck), 21 Kraftstoffrücklauf, 22 Pum-
penkolben-Rückhalteeinrichtung, 23 Stößelfeder, 24 Stößelkörper, 25 Federteller, 26 Rollenstößel, 27 Stößelrolle
666 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1 Schieber Steuerbohrung
im Schieber 6

Kolbensteuer-

2 ∆h1,2 kante 1
7
Förderbeginn Förderende
2 8

3 3
Nocken-Kolbenhub

Gesamtnocken-/Kolbenhub
Nutzhub ∆h 2 4

4 h2
obere Schieberlage 5 9
10

5
Nutzhub ∆h1
h1 11
6
a Nockenwinkel b
7
..Abb. 12.24  Hubschieber-Reiheneinspritzpumpe [7, 8, 10] Bauart Bosch. a Funktionsprinzip der Förderbeginn-
verstellung, b Pumpe mit elektromagnetischen Stellwerken: 1 Pumpenzylinder, 2 Hubschieber, 3 Regelstange,
8 4 Pumpenkolben, 5 Nockenwelle, 6 Förderbeginn-Stellmagnet, 7 Hubschieber-Verstellwelle, 8 Regelweg-Stellma-
gnet, 9 induktiver Regelstangenweggeber, 10 Steckanschluss, 11 Scheibe für Förderbeginnblockierung und Teil
der Ölrückförderpumpe
9
durch eine oben liegende Steuerkante am Pumpen- der damit verbundenen erhöhten Anforderung an das
10 kolben ermöglicht. Diese fehlende freie Einstellung
des Förderbeginns führte zur Konstruktion der Hub-
Einspritzsystem bezüglich maximalem Einspritzdruck,
Mehrfacheinspritzungen und freier Wahl des Spritzbe-
schieberpumpe. ginnes wird das Reiheneinspritzpumpensystem heute
11 Die . Abb.  12.24 zeigt ein aufgeschnittenes praktisch nicht mehr appliziert.
Pumpenelement einer Hubschieber-Reiheneinspritz-
pumpe. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass im Be- 12.4.2.3 Verteilereinspritzpumpe
12 reich der Kolbensteuerkanten der Pumpenzylinder Neben der Reiheneinspritzpumpe ist die Verteilerein-
verschiebbar ist (Hubschieber). Damit kann der spritzpumpe [10] die zweite Kompaktpumpenbauart.
13 Vorhub, das heißt der Kolbenweg bis zum Verschlie- Sie besteht aus Niederdruckförderpumpe, Hoch-
ßen der Zulaufbohrung für den Kraftstoff verstellt druckförderpumpe, Spritzverstellereinheit, Drehzahl-/
werden. Ein kleiner Vorhub entspricht einem frühen Mengen-Regler und verschiedenen mechanisch/elek-
14 Förderbeginn, ein großer Vorhub einem späten För- trischen Funktionsgruppen. Die Hochdruckpumpe
derbeginn. Die Hubschieber der einzelnen Pumpen- kann entweder als Axialkolben- oder als Radialkol-
15 elemente werden über eine gemeinsame Stellwelle
in ihrer Höhenlage verändert. Die Stellwelle, wie
benpumpe ausgeführt sein.
. Abb. 12.25 zeigt eine Axialkolbenpumpe mit
auch die für die Mengenzumessung erforderliche kantengesteuerter Mengenzumessung und elektro-
16 Regelstange werden durch zwei getrennte, elektro- magnetischem Stellwerk. An Stelle des elektroma-
magnetische Stellwerke aktiviert. Die Mengenzumes- gnetischen Stellwerkes übernahm bei der älteren,
sung bei der Hubschieberpumpe erfolgt analog der konventionellen Ausführung eine fliehkraftunter-
17 konventionellen Reiheneinspritzpumpe beziehungs- stützte mechanische Regelung die Verstellung des
weise den konventionellen Einzelpumpensystemen. Regelschiebers und damit die Mengenzumessung.
18 Die Förderbeginnverstellung durch Veränderung Die Pumpe ist dadurch gekennzeichnet, dass – im Ge-
des Vorhubes erfordert im Vergleich zur Standard- gensatz zur Reihenpumpe – nur ein Pumpenelement
Reiheneinspritzpumpe einen höheren Nocken. Diese für alle Motorzylinder erforderlich ist. Dies wird da-
19 Pumpenbauart wird deshalb und wegen der notwen- durch möglich, weil die Frequenz der Hubbewegung
digen beiden Stellwerke nur für Nutzfahrzeugmoto- des Pumpenkolbens der Zündfrequenz des Verbren-
20 ren eingesetzt.
Auf Grund steigenden Forderungen nach gerin-
nungsmotors entspricht und nicht der eines einzelnen
Motorzylinders. Gleichzeitig dreht sich der Pumpen-
geren Abgasemissionen und geringem Verbrauch und kolben mit Nockenwellendrehzahl. Durch die Hub-
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
667 12
7 8 9 10

6 11 5 4 3 2 1

..Abb. 12.25 Axialkolben-Verteilereinspritzpumpe, kantengesteuert mit elektro-magnetischem Stellwerk [8],


Bauart Bosch. 1 Verteilerkolben, 2 Magnetventil für Spritzverstellung, 3 Regelschieber, 4 Hubscheibe, 5 Spritzver-
steller, 6 Förderpumpe, 7 elektrisches Mengenstellwerk mit Rückmeldesensor, 8 Stellwelle, 9 elektrische Abstell-
vorrichtung, 10 Druckventilhalter, 11 Rollenring

bewegung des Kolbens wird die Kraftstoffmenge den reich der Pumpe lassen sich Einspritzdrücke von
Motorzylindern zugeführt. Durch die Drehbewegung circa  1600 bar mit dieser Variante erreichen. Auf
wird der Kraftstoff entsprechend der Zündfolge auf dem Pumpengehäuse ist ein elektronisches Steuer-
die Motorzylinder verteilt. Diese Doppelfunktion gerät angeordnet, das die Pumpensteuerfunktionen,
des Kolbens erlaubt den Einsatz der Verteilerein- insbesondere die Aktivierung des Mengenmagnet-
spritzpumpe für Motoren mit bis zu sechs Zylindern. ventiles und des Magnetventiles für die Förderbe-
Der Einsatzbereich dieser Pumpe sind insbesondere ginnverstellung übernimmt.
schnelllaufende Dieselmotoren für Pkw und leichte Bei Verteilereinspritzpumpen mit Radialkolben-
Nutzfahrzeuge. In Einzelfällen können auch Motoren hochdruckpumpe sind die Druckerzeugungsfunktion
der Medium-Duty-Klasse bedient werden. Die düsen- und die Verteilungsfunktion getrennt. Wie der Name
seitigen Einspritzdrücke erreichen Werte von ca. 1200 sagt, sind die Druckerzeugungskolben radial angeord-
bis 1300 bar. net. Die Mengenzumessung kann entweder nocken-
Ein besonderer Vorteil der Verteilereinspritz- hubgesteuert oder nockenzeitgesteuert über Magnet-
pumpe ist die Integration einer magnetventilgesteuer- ventile – ähnlich wie bei der magnetventilgesteuerten
ten Förderbeginnverstelleinrichtung. Dadurch ist sie Axialkolbenverteilerpumpe – erfolgen [17, 18].
besonders für Motoren mit einer großen Drehzahl- Zur Erreichung hoher Einspritzdrücke wurde eine
spanne geeignet. Radialkolbenpumpe mit hoher Förderrate und Mag-
Eine weiterentwickelte Stufe dieser Axialkolben- netventilsteuerung entwickelt, . Abb. 12.26.
verteilerpumpe ist die nockenzeitgesteuerte Axial- Mit dieser Pumpe lassen sich Einspritzdrücke
kolbenverteilerpumpe, in deren Hochdruckbereich von nahezu 2000 bar erreichen. Ein Nockenring trägt
ein Magnetventil angeordnet ist, über das sowohl innenliegende radiale Nocken, deren Hub sich über
die Füllung des Pumpenelementes als auch der För- Rollen und Gleitschuhe auf die radial angeordneten
derbeginn und das Förderende und somit die För- Förderkolben überträgt, die die Kraftstoffförderung
dermenge gesteuert werden kann [10]. Auf Grund übernehmen und dadurch den Hochdruck erzeugen.
des geringeren Schadvolumens im Hochdruckbe- Die Zahl der Förderkolben und der Durchmesser der
668 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1
4
2 3

2
3
5

4 1
6
5
7

6
7 8

8
..Abb. 12.26 Radialkolbenpumpe, nockenzeitgesteuert mit Magnetventil [10, 18] Bauart Bosch. 1 Antriebswel-
9 le, 2 Flügelzellenförderpumpe, 3 Drehwinkelsensor, 4 Steuergerät, 5 Radialkolben-Hochdruckpumpe, 6 Verteiler-
welle, 7 Hochdruckmagnetventil, 8 Pumpenauslass

10 Förderkolben bestimmen die Förderrate. Durch den Während konventionelle Verteilereinspritzpumpen


kurzen, direkten Kraftfluss innerhalb des Nocken- mit Kantensteuerung nicht geeignet sind, Voreinsprit-
11 triebes ergeben sich geringe Nachgiebigkeiten und zungen durch Unterbrechung der Förderphasen zu er-
dadurch ein sehr steifes System, welches die hohen zeugen, ist dies mit magnetventilgesteuerten Systemen
Einspritzdrücke ermöglicht. vereinfacht möglich, wenn man sich in der Regel mit
12 Die Verteilung des Kraftstoffes auf die Motorzy- einer Voreinspritzung begnügt.
linder erfolgt über die rotierende Verteilerwelle, in Allen Verteilereinspritzpumpen gemeinsam ist,
13 der zentral die Magnetventilnadel angeordnet ist. dass das Triebwerk ausschließlich durch den Kraftstoff
Der krafterzeugende Stellmagnet sitzt stationär im geschmiert wird, im Gegensatz zu den Einzeleinspritz-
Verteilerkopf. Die Magnetkraft wird durch den äu- systemen und der Reiheneinspritzpumpe. Bei den letz-
14 ßeren Nadelteil auf diesen mitrotierenden Nadelteil ten beiden Systemen wird das Triebwerk, das heißt die
übertragen. Im stromlosen Zustand ist das Hoch- Paarung Nocken/Stößel durch das Motoröl geschmiert
15 druckventil durch Federkraft geöffnet; dadurch kann
der Pumpbereich der Radialkolben mit Kraftstoff
und ist damit tribologisch unempfindlich im Vergleich
zum kraftstoffgeschmierten Verteilerpumpentrieb-
über den Niederdruckkreislauf gefüllt werden. Nach werk. Diese Tatsache führt dazu, dass der eingesetzte
16 Bestromung schließt das Ventil und die Hochdruck- Dieselkraftstoff einen Mindeststandard an Schmierfä-
förderung beginnt. Die Mengenzumessung erfolgt higkeit erfüllen muss. Durch die in den 1990er-Jahren
über den Schließ- und Öffnungszeitpunkt des Ma- festgelegte neue Kraftstoffnorm DIN EN 590 [19] ist
17 gnetventils. dies gewährleistet.
Die Förderbeginnverstelleinrichtung ist prinzipi-
12.4.2.4 Pumpe-Düse-System
18 ell ähnlich aufgebaut wie die der Axialkolbenverteiler-
pumpe, jedoch in ihrer Dimensionierung den erhöh- Bei der sogenannten Pumpe-Düse-Einheit (PDE),
ten Anforderungen angepasst. Die Ansteuerung der auch als Unit-Injector-System (UIS) oder Electro-
19 Mengen- und Förderbeginn-Magnetventile erfolgt nic-Unit-Injector (EUI) bezeichnet [9], bilden das
analog der Axialkolbenverteilerpumpe über das Pum- hochdruckerzeugende Pumpenelement und das Ein-
20 pensteuergerät. Der Einsatzbereich dieser Radialkol-
benpumpe reicht vom Pkw-Motor bis zu den Heavy-
spritzventil eine Baueinheit. Der Antrieb des Pumpen-
kolbens erfolgt über die motoreigene, oben liegende
Duty-Motoren. Nockenwelle, auf der spezielle Einspritznocken ange-
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
669 12

28 2 cm

27
1

3
4

26 6
9

5
25
7

24 8
23
10
11
22 12

13

21 14

19
20 16

18
15

17

..Abb. 12.27  Pumpe-Düse-Einheit für Pkw-Motoren [8] Bauart Bosch. 1 Kugelbolzen, 2 Rückstellfeder, 3 Pum-
penkolben, 4 Pumpenkörper, 5 Steckkontakt, 6 Magnetkern, 7 Ausgleichsfeder, 8 Magnetventilnadel, 9 Anker,
10 Spule des Elektromagneten, 11 Kraftstoffrücklauf (Niederdruckteil), 12 Dichtung, 13 Zulaufbohrungen (cir-
ca 350 lasergebohrte Löcher als Filter), 14 hydraulischer Anschlag (Dämpfungseinheit), 15 Nadelsitz, 16 Dicht-
scheibe, 17 Brennraum des Motors, 18 Düsennadel, 19 Spannmutter, 20 integrierte Einspritzdüse, 21 Zylinderkopf
des Motors, 22 Druckfeder (Düsenfeder), 23 Speicherkolben, 24 Speicherraum, 25 Hochdruckraum (Element
raum), 26 Magnetventilfeder, 27 Antriebsnockenwelle, 28 Kipphebel

ordnet sind. . Abb. 12.27 zeigt das PDE-System im Zy- (Pkw) mit Potenzial bis über 2500 bar. Das System
linderkopf am Beispiel eines Pkw-Motors und dessen kommt inzwischen nur noch bei Nutzfahrzeugmoto-
Aufbau. Wegen der fehlenden Einspritzleitung ist das ren zum Einsatz. Voraussetzung sind jedoch Motoren
zu verdichtende Kraftstoffvolumen bei der Förderung mit oben liegenden Nockenwellen. Die Anordnung
(Schadvolumen) sehr gering. Dadurch ermöglicht die- der Pumpe-Düse-Einheit im Zylinderkopf erfordert
ses System sehr hohe Einspritzdrücke. Das applizierte eine völlige Neukonstruktion des Zylinderkopfes mit
Einspritzdruckniveau liegt bei knapp über 2000 bar integrierter Kraftstoffzu- und -abführung sowie ein
670 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Die Flexibilität, wesentliche Einspritzparameter


1 praktisch frei einstellen zu können, ist in der Diesel
einspritztechnologie eine schon immer gewünschte Ei-
2 genschaft und eröffnet dem Brennverfahrensentwick-
ler eine neue Dimension.
Neben der frei wählbaren Größe „Einspritzdruck“
3 besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Mehrfach-
einspritzung unabhängig von einer Nockenrampe
beziehungsweise -kontur, wie zum Beispiel bei Ver-
4 teilerpumpen und Pumpedüsesystemen. Physikalisch
ist beim CR-System somit eine Einspritzung zu jedem
5 beliebigen Zeitpunkt möglich. Die Anzahl der Ein-
spritzungen und deren Zeitpunkt sind im Wesentli-
..Abb. 12.28 Einspritzdrücke für verschiedene Ein- chen durch den Herstellungsaufwand für das benötigte
6 spritzsysteme Motorsteuergerät begrenzt.
Zusammen mit den Möglichkeiten einer guten
7 besonders steifer und belastungsfähiger Antrieb der
Nockenwelle. Während in der Vergangenheit Pumpe-
Motordesignintegration des Systems und dem deut-
lich entlasteten Pumpenantrieb, verglichen mit allen
Düse-Einheiten vereinzelt auch mit hydraulischer und anderen nockengesteuerten Systemen, wird das Com-
8 mechanischer Steuerung angewandt wurden, dominie- mon-Rail-System, . Abb. 12.29, in der Zukunft seinen
ren heute magnetventilgesteuerte Systeme. Für Pkw- Anteil an den Einspritzsystemen für Dieselmotoren
Anwendungen war auch kurzzeitig eine piezogesteu- weiter vergrößern.
9 erte Variante in Serie.
Bei dem in . Abb. 12.27 gezeigten System konnte 12.4.3.1 Hochdruckpumpe
10 durch einen kleinen hydraulisch betätigten Ausweich-
kolben in weiten Bereichen des Motorkennfeldes eine
Am Anfang der Entwicklung der Hochdruckpumpe
stand die 3-Kolben-Pumpe, . Abb. 12.30. Mittlerweile
Voreinspritzung realisiert werden. Nach dem ersten sind auch 2- und 1-Kolben-Pumpen im Einsatz. Da-
11 Öffnen der Düsennadel wird bei weiterer Druckstei- durch können Gewicht und Kosten optimiert werden.
gerung ein Ausweichkolben betätigt, der die Einsprit- Gegenwärtig werden zwei Kraftstoffzumesskon-

--
zung unterbricht und gleichzeitig den Düsennadelöff- zepte verfolgt:
12 nungsdruck für die Haupteinspritzung erhöht. Wird die Hochdruckabblasung,
durch den Förderkolben dieser erhöhte Öffnungsdruck das Volumenstromkonzept.
13 erreicht, beginnt die Haupteinspritzung. Im Zusam-
menhang mit der Abgasnachbehandlung, z. B. der Die- Die Volumenstromregelung weist gegenüber einem
selpartikelfilter-Regeneration wird eine zunehmende Hochdruckabblasekonzept zwei Vorteile auf.
14 Flexibilität für den Einspritzzeitpunkt gefordert, die von Zum einen ist es die geringere Antriebsleistung im
der PDE nicht zufriedenstellend erfüllt werden kann. Kennfeld mit einem geringeren Wärmeeintrag in das
15 . Abb.  12.28 zeigt zusammenfassend und qua-
litativ die erreichten Einspritzdruck-Niveaus für die
System über den Kraftstoffrücklauf in den Tank. Um
schnell auf transiente Druckänderungen reagieren zu
verschiedenen Einspritzsysteme. können, wird häufig im Hochdruckbereich des Systems
16 ein Ventil eingesetzt.
Zum zweiten weist die Volumenstromregelung
12.4.3 Systeme mit zentralem gegenüber der Hochdruckregelung im gesamten Ar-
17 Druckspeicher beitsbereich einen besseren energetischen Wirkungs-
grad auf. Über dem gesamten Pumpendrehzahlbereich
18 Einspritzsysteme mit zentralem Druckspeicher werden und dem Druckbereich von 200 bis 1800 bar liegt er
heute als Common-Rail (CR = gemeinsame Leitung)- zum Beispiel bei Vollförderung zwischen 70 und 90 %,
Einspritzsysteme bezeichnet. wobei weite Bereiche über 80 % energetischem Wir-
19 Das Common-Rail-Einspritzsystem ermöglicht kungsgrad liegen.
innerhalb gegebener Druckgrenzen einen frei wähl- Die Vorteile des Konzeptes werden besonders in der
20 baren Druck. Dies gibt dem Entwickler einen weiteren
Freiheitsgrad bei der Optimierung der Verbrennung
Teilförderung sichtbar. Im gesamten Arbeitsbereich von
Einspritzdruck und Förderrate liegen die Wirkungs-
gegenüber nockengesteuerten Einspritzsystemen. grade in der Regel bis zur niedrigsten Pumpendrehzahl
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
671 12
Kraftstoffrücklauf
Hochdruckanschluss
Hochdruck-
regelventil (PCV)

Kraftstoff-
vorförder-
pumpe (ITP)
Hochdruck-
pumpenelement

Volumenstrom-
regelventil (VCV)

..Abb. 12.30  Hochdruckpumpe. (Quelle: Conti)

..Abb. 12.29 Common-Rail-System

Vollförderung 50 % Förderung 25 % Förderung


25 Nm
20
500 15
bar 10
5
0
25
20
1500 15
bar 10
5
ms
0
0 20 40 60 80 0 20 40 60 80 0 20 40 60 80

..Abb. 12.31  Förderraten und Drehmomentschwankungen

über 50 %. Beim Hochdruckabblasekonzept kann dage- Ebenso wie bei den Drehmomentschwankungen
gen unter den gleichen Randbedingungen der energeti- im Antrieb zeigt sich beim Einfluss der Förderrate
sche Wirkungsgrad bis unter 20 % fallen. auf die Druckpulsationen im Rail, dass ein Einfluss
Bei volumenstromgeregelten Hochdruckpumpen praktisch nicht gegeben ist. Bei einem Raildruck von
ist der Einfluss der Förderrate auf die Drehmoment- 1500 bar und Vollförderung ergeben sich Pulsationen
schwankungen, . Abb. 12.31, des Antriebes der Pumpe im Bereich von 5 bar. Unter den Randbedingungen ei-
zu beachten. Dargestellt sind bei einer Pumpendrehzahl ner sehr geringen Förderrate von 25 % erhöht sich die
von 1000 min−1 die Raildrücke 500 bar und 1500 bar. Schwankungsbreite auf circa 15 bar.
Es zeigt sich stellvertretend für den gesamten Druckbe- Beispielhaft sei hier die Common-Rail-Hoch-
reich bei sinkender Förderrate ein sinkendes mittleres druckpumpe mit einer Druckregelung über Hoch-
Drehmoment verbunden mit einem moderaten Anstieg druckbypass und über Volumenstromregelventil
der Drehmomentschwankungen. Im Vergleich mit no- bezüglich des Verhaltens auf Druckschwingungen
ckengesteuerten Systemen ist der Antrieb der Com- miteinander verglichen. Beide Regelkonzepte erge-
mon-Rail-Hochdruckpumpe erheblich unkritischer. ben ähnliche Ergebnisse. Befürchtungen, dass ein Re-
. Abb. 12.32 verdeutlicht den Einfluss der Volu- gelkonzept mit Volumenstromregelventil unerlaubte
menstromregelung bei 1500 bar auf die Druckschwan- Druckschwingungen im Rail induzieren könnte, sind
kungen im Rail, die die Einspritzmengen der lnjekto- also nicht gegeben. Somit können die oben genannten
ren ungünstig beeinflussen könnten. Vorteile der Druckregelung über ein Volumenstrom-
672 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Vollförderung 50 % Förderung 25 % Förderung


1 1,6
1,2 kbar

2 0,8
0,4
0
3 1,52 kbar
1,51
4 1,50
1,49
ms
5 1,48
0 30 60 90 0 30 60 90 0 30 60 90

6 ..Abb. 12.32  Druckpulsationen im Rail bei unterschiedlicher Förderrate und Volumenstromregelung

Hochdruckbypassing Volumenstromregelung
7 1,6
1,2 kbar
0,8
8 0,4
0
9 1,52
1,51

10 1,50
1,49
ms
11 1,48
a
0 30 60 90
b
0 30 60 90

12 ..Abb. 12.33  Vergleich der Druckpulsationen im Rail bei Hochdruckbypassing a und Volumenstromregelung b

13 regelventil ohne Nachteile genutzt werden. Einen 12.4.3.2 Rail und Leitungen
Vergleich der Druckpulsationen im Rail bei Hoch- Das Rail, . Abb. 12.34, dient als Hochdruckspeicher
druckbypassing und Volumenstromregelung zeigt für den Kraftstoff, der von der Hochdruckpumpe
14 . Abb. 12.33. geliefert wird. Weiterhin versorgt es die Injekto-
Als Ventile finden Proportional-Wegeventile für ren mit der für alle Betriebsbedingungen nötigen
15 Volumenstromregelung und Proportional-Druckbe-
grenzungsventile für Hochdruckabblasung Verwen-
Kraftstoffmenge. Das Rail wird so ausgelegt, dass es
einerseits schnell auf den gewünschten Druck vorge-
dung. spannt werden kann und andererseits die durch den
16 Die Vorförderung des Kraftstoffes zur Hoch- Einspritzvorgang ausgelösten Schwingungen rasch
druckpumpe kann über eine elektrische Förder- gedämpft werden. Auch die Länge und der Durch-
pumpe (zum Beispiel im Kraftstofftank integriert), messer der Leitungen zwischen Rail und lnjektoren
17 eine separate oder eine in der Hochdruckpumpe sind dementsprechend zu wählen. Das Ziel einer sol-
integrierte mechanische Förderpumpe erfolgen. Der chen Auslegung ist, für jeden Zylinder am gleichen
18 Vorteil der ersten Lösung liegt darin, dass nach ei- Motorbetriebspunkt bei jeder Einspritzung ähnliche
nem Leerfahren des Kraftstofftanks die Wiederbefül- Druckverhältnisse zu erreichen, da sonst wegen der
lung des Systems sehr schnell möglich ist, während Zeitansteuerung die Injektor-zu-lnjektor-Streuung zu
19 die in das Hochdruckpumpengehäuse integrierte groß werden kann, was bei einem Fahrzeug zu Emis-
Vorförderpumpe den Vorteil hat, dass die Kompo- sions- und Fahrdynamikfehlern führen kann.
20 nentenanzahl des Einspritzsystems kleiner ist und
das Gesamtkraftstoffsystem kostengünstiger werden
Rails werden geschmiedet oder sind Schweißkons-
truktionen aus gezogenem Stahl. Hierbei ist besonders
kann. auf die Hochdruckwechselfestigkeit der Schweißver-
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
673 12

Hochdruckleitungen zu
den Injektoren

Hochdruckleitung
zur variablen
Hochdruckpumpe DCP

..Abb. 12.34 Hochdruck-Rail

bindungen zu achten. Die Verbindung mit den Leitun- die Ausdehnung des Gehäuses im Verhältnis zur Län-
gen ist so zu gestalten, dass in der Schweißnaht keine genausdehnung der Keramikplättchen bei Anlegen
Zugbelastung auftritt. einer Spannung groß. Eine Temperaturkompensation
Die Leitungen zwischen Pumpe und Rail und Rail erfolgt durch geeignete Werkstoffwahl des den Pie-
und Injektoren werden aus nahtlos gezogenem Stahl zostack umgebenden Einbaugehäuses zusammen mit
gefertigt. der Vorspannfeder, sowie einer geschickten Festlegung
des Leerhubes des Aktuators. Dabei darf es nicht zu
12.4.3.3 Injektor einem Offenstehen des lnjektors (Leerhub zu gering)
. Abb. 12.35 zeigt den prinzipiellen Aufbau des Com- kommen, was zu Motorschaden führen kann. Anderer-
mon-Rail-lnjektors am Beispiel eines servoventilbetä- seits darf bei sehr kleinen Ansteuerzeiten (Leerhub zu
tigten Piezo-lnjektors. Herzstück des Injektors ist ein groß) kein Nichtöffnen erfolgen, was bei ausbleibender
Piezoaktuator, der einerseits relativ niedrige elektrische Piloteinspritzung das Verbrennungsgeräusch merkbar
Spannungen zulässt, andererseits die automobilen An- erhöht. Eine weitere Besonderheit ist das Servoventil,
forderungen nach Temperatur und Vibration zuverläs- das im Gegensatz zu dem von einem Magneten betätig-
sig erfüllt. Der Aktuator ist in der Lage, das Servoventil ten nach innen zum Hochdruckraum statt nach außen
in weniger als 100 µs zu öffnen oder zu schließen. Ge- öffnet. Der Grund liegt darin, dass sich der Piezo bei
meinsam mit der aufeinander abgestimmten Zu- und Anlegen einer Spannung nicht nur ausdehnt, sondern
Ablaufdrosselkombination zum Steuerraum oberhalb auch eine große Kraft nach außen ausübt. Dadurch
des Steuerkolbens kann die Öffnungsgeschwindigkeit wird das Öffnen des Ventils gegen den Hochdruck
der Düse und damit der Einspritzverlauf und auch funktionsgerechter und die Konstruktion des lnjektors
die minimale Einspritzmenge, die durch die minimal einfacher als bei der Bewegungsumkehr, wenn man
mögliche Ansteuerzeit gegeben ist, beeinflusst werden. den Piezo beim Schließen des Servoventils bestromt.
Diese Vorgänge werden praktisch ohne Totzeit ausge- Insgesamt kann durch diese Aktuatorkonstruktion ein
löst. Damit wird deutlich, dass die Piezotechnologie Hub des Steuerventils von etwa 40 μm im gesamten
eine hohe Reproduzierbarkeit der Einspritzungen Temperaturbereich eines Fahrzeugmotors von −30 bis
möglich macht. +140 °C beibehalten werden.
Ein ausgeführtes Beispiel eines solchen Injektors Die Funktionsweise dieser Konstruktion geht aus
zeigt die vergrößerte . Abb. 12.36. Der Piezo-Aktua- . Abb. 12.37 hervor. Wenn der lnjektor nicht angesteu-
tor (4) ist ein Stack in sogenannter Multilayertechnik, ert wird (linke Bildhälfte), befindet sich Kraftstoff unter
bei dem eine Vielzahl von einzelnen Keramikplättchen Raildruck sowohl im lnjektor-Steuerraum (2) als auch
miteinander verbunden sind. Diese werden in einem in der Hochdruckkammer (3) der Düse. Die Bohrung
Gehäuse vorgespannt. Ein Problem, das dabei gelöst zum Kraftstoff-Rücklauf (5) ist durch den Ventilpilz (4)
werden muss, ist die Temperaturkompensation. Durch mittels Feder verschlossen. Die hydraulische Kraft, die
den großen Temperaturbereich in einem Fahrzeug ist durch den Kraftstoffhochdruck auf die Düsennadel (6)
674 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

3
1
2 4

3 5
1

4 2

5
5 6
1 1 Hochdruckanschluss
4 2 Kraftstoffrücklauf
6 3
2 7
3 Elektrischer Anschluss zum
Motorsteuergerät (ECU)
4 Piezo-Aktuator
7 6 5 Ventilkolben
6 Ventilpilz
7 Steuerkolben
8 1 Kraftstoffzulauf (Hochdruck) 8
8 Düsennadel
9 Hochdruckkammer Düse
2 Zulaufdrossel 10 Düsenspritzlöcher
3 Ablaufdrossel
9 4
5
Servoventil (2/2)
Kraftstoffrücklauf (Niederdruck) 9
6 Kraftstoffzulauf zur Düse
10 10

11 ..Abb. 12.35 Common-Rail-Piezo-Injektor ..Abb. 12.36  Schnittbild eines Piezo-Injektors

im Steuerraum (2) ausgeübt wird, (F1) ist größer als die reich niedriger Drücke sogar deutlich unter 1,0 mm3.
12 hydraulische Kraft, die an der Düsenspitze wirkt (F2), Gleichzeitig ist der Abstand der Spritzbeginne der ein-
da die Fläche des Steuerkolbens im Steuerraum grö- zelnen Teileinspritzungen sehr klein wählbar. Je nach
13 ßer ist als die freie Fläche unter der Düsennadel. Die Raildruck sind minimale Spritzpausen von 0 bis 250 µs
Düse des Injektors ist geschlossen. Wird der lnjektor möglich. Größere Spritzbeginnabstände unterliegen
angesteuert (rechte Bildhälfte), drückt der Piezo-Aktu- keiner Beschränkung. Vor- und Nacheinspritzungen
14 ator (7) auf den Ventilkolben (8) und der Ventilpilz (4) sind im gesamten Kennfeldbereich möglich, das heißt
öffnet die Bohrung, die den Steuerraum (2) mit dem sowohl im gesamten Druckbereich als auch im ganzen
15 Kraftstoffrücklauf verbindet. Dadurch kommt es zum
Druckabfall im Steuerraum und die hydraulische Kraft,
Drehzahlband.

die an der Düsennadelspitze wirkt (F2), ist größer als 12.4.3.4 Einspritzdüse


16 die Kraft auf den Steuerkolben (F1) im Steuerraum. Die Aufgabe der Einspritzdüse liegt in der Zerstäubung
Die Düsennadel (6) bewegt sich nach oben und der und der Verteilung des Kraftstoffes zur Erzielung des
Kraftstoff gelangt über die Spritzlöcher in den Brenn- gewünschten Mikro- und Makrogemisches. Als Ein-
17 raum des Motors. spritzdüsen finden beim Common-Rail-Einspritzsys-
Bei Motorstillstand sind das Ventil, das den Steu- tem Sitzloch- sowie Sacklochdüsen Verwendung (siehe
18 erraum mit dem Kraftstoffrücklauf verbindet und die ▶ Abschn. 12.4.4).
Düse des Injektors durch Federkraft verschlossen.
. Abb. 12.38 zeigt die Leistungsfähigkeit des Piezo- 12.4.3.5 Elektronik
19 Injektors. Für Motorgrößen mit einem Zylindervolu- Das folgende Systemblockschaltbild, . Abb.  12.39,
men von 0,5 l ergeben sich in einer sinnvollen Gesamt- zeigt die Sensorik und Aktuatorik. Hieraus wird der
20 abstimmung des lnjektors, das heißt mit ausreichend
schnellen Öffnungs- und Schließflanken, bis 1800 bar
volle Funktionsumfang des Common-Rail-Einspritz-
systems deutlich. In die Motorelektronik sind alle
minimale Einspritzmengen von unter 1,5 mm3, im Be- Endstufen inklusive der Energierückgewinnung inte-
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
675 12
Piezo-Aktuator nicht angesteuert Piezo-Aktuator angesteuert ..Abb. 12.37 Injektor-
Funktion
7
4
4
1

2 2

5
8

F1 F1x

3
6 F2x
F2
6

1 Hochdruckzulauf 7 Piezo-Aktuator
2 Steuerraum 8 Ventilkolben
3 Hochdruckkammer
4 Ventilpilz F1 Kraft auf den Steuerkolben
5 Kraftstoff-Rücklauf F2 Kraft, die auf die Düsennadel wirkt
6 Düsennadel

Minimale EInspritzmenge Fünffacheinspritzung


n = 2000 min–1 pRail = 1000 bar
2,0 150
Einspritzmenge [mm3/Hub]

1,6
Zylinderdruck [bar]

100

Nadelhub [µm ]
1,2
50 350
0,8 250
0 150
0,4 50

0,0
0 300 600 900 1200 1500 1800 –40 –30 –20 –10 0 10 20 30 40
Raildruck [bar] Kurbelwinkel [°KW]

..Abb. 12.38  Performance des CR-Injektors der 2. Generation mit Piezotechnologie

griert. Die Piezotechnologie erfordert gegenüber So- lichkeit. Grundsätzlich erwartet man auf Grund der
lenoidtechnologie ein völlig neues Endstufenkonzept. schnellen Schaltzeiten erhebliche Stromspannungs-
Während beim Solenoid während der gesamten Öff- spitzen. Da aber der Piezo-Aktuator mit einer Sinus-
nungsphase des Ventils Strom fließt, geregelt über Peak (beziehungsweise sinusähnlichen) Stromform gela-
and Hold, verhält sich der Piezo-Aktuator elektrisch den und entladen werden kann, erweist sich diese
ähnlich wie ein Kondensator. Der Piezo wird geladen Technologie bezüglich EMV als nicht kritischer als
und längt sich dabei, zum Ende wird er entladen und die Solenoidtechnologie mit getakteter Peak- und
geht auf seine Ausgangslänge zurück. Einen Vergleich Holdphase.
der elektrischen Eigenschaften von Solenoid- und Pie- Die Piezotechnologie hat das Potenzial zur Ener-
zotechnologie zeigt . Abb. 12.40. Bei der Ansteuerung gierückgewinnung. So kann selbst unter der Randbe-
geht der Trend von der Umschwingendstufe mit fester dingung extrem schneller Schaltvorgänge etwa 50 %
Stromform hin zu der sogenannten CC-Endstufe, bei der eingesetzten Energie zurückgewonnen werden.
der der Stromverlauf je nach Anforderung individuell Das Fehlen der magnetischen Remanenz ermög-
unterschiedlich geregelt werden kann (CC = Current licht beim Piezo-Aktuator nicht nur die gute Wieder-
Control). holgenauigkeit von Shot to Shot, sondern auch ein sehr
Ein weiterer Aspekt in Verbindung mit der Pie- enges Zusammenbringen einzelner Einspritzungen zu
zotechnologie ist die Elektro-Magnetische-Verträg- einer Spritzreihe, wodurch die Verbrennung gezielt
676 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1
Kurbelwelle
Nockenwelle
Fahrpedal
2 Raildruck Injektoren
Ladedruck Charge air cooler Druckregelventil

3 Umgebungsdruck
Lufttemperatur
Saugdrosselventil

Abgasrück-
4
Luftmasse
EPC führung
Kühlwassertemperatur EPC VTG
Rail
5
Klemme 15 Elektrische
+ Relais
Kupplung Kraftstoffpumpe

FGR-Bedienteil Relais Glührelais

6 Automatikgetriebe +
Diagnoselampe
ABS/ASR

7 Klimakompressor Fuel tank M


Servicetester

Fahrgeschwindigkeit weitere Endstufen


8
..Abb. 12.39  Systemblockschaltbild für CR
9 Solenoid Piezo

10
11
12
13
..Abb. 12.40  Vergleich der elektrischen Eigenschaften von Solenoid- und Piezotechnologie
14
gesteuert werden kann. Die zeitlichen Abstände zwi- Piezotechnologie bietet unter anderem wegen der ho-
15 schen den Einspritzungen werden nur begrenzt durch
die Schnelligkeit der Endstufe.
hen Schaltgeschwindigkeit optimale Voraussetzungen
für eine flexible Einspritzratenregelung, die zur Erfül-
lung zukünftiger Emissionsforderungen verstärkt zum
16 12.4.3.6 Entwicklungstrends Einsatz kommen wird.
Allgemeine Entwicklungstrends auch für die Com- Für eine optimale Gemischaufbereitung im gan-

17
--
mon-Rail-Einspritzsysteme der Zukunft sind:
Steigerung des Einspritzdruckes,
zen Motorkennfeldbereich werden Einspritzdüsen mit
variabler Spritzlochgeometrie (zum Beispiel Two Stage

18 --
flexible Einspritzratenregelung,
veränderbare Düsenspritzlochgeometrie,
verstärkter Einsatz von Closed-loop-Regelstrate-
Nozzle, TSN) entwickelt. Des Weiteren werden verstärkt
Closed-loop-Strategien auch am Injektor eingesetzt wer-
den. Ein Beispiel ist der durch den Piezo-Aktuator direkt

19
20
- gien,
Verkleinerung der Toleranzen.

An erster Stelle ist mit Sicherheit eine weitere Steige-


betätigte Injektor mit Bewegungsumkehr, bei dem einer-
seits Öffnung und Schließen der Düsennadel über Feed-
backsignale des als Sensor benutzten Piezo-Aktuators
geregelt werden können und bei dem andererseits auch
rung des Einspritzdruckes für eine verbesserte Kraft- die Steilheit der Flanken sowie der Nadelhub in seiner
stoffaufbereitung und Verbrennung zu nennen. Die Höhe gezielt verändert und geregelt werden können.
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
677 12
250
Nadelhub [µm]

200

150

100

50

Zeit [ms]
0
0 1 2 3 4

..Abb. 12.41  Strahlsymmetrie über Nadelhub bei 1000 bar

Hauptsächlich zur Erfüllung der hohen Emissi-


-- Verrundung am Spritzlocheinlauf
onsvorgaben werden die Anforderungen an die Bau-
teiltoleranzen und die Kleinstmengenfähigkeit weiter
ansteigen (. Abb.  12.41). Mit der Piezotechnologie
sind, bei angepassten Spritzlöchern, Voreinspritzmen-
- Einspritzdauer,
Einspritzrate.

. Abb.  12.42 zeigt einige Grundausführungen von


gen < 0,8 mm3 machbar. Zapfendüsen (für IDI-Motoren) und Lochdüsen (für
DI-Motoren). In allen Fällen handelt es sich um nach
innen öffnende Düsen. Nach außen öffnende Düsen
12.4.4 Einspritzdüsen sind heute für Dieselmotoren als Serienlösungen nicht
und Düsenhalter mehr im Einsatz. Durch die konstruktive Gestaltung
des Spritzzapfenprofils bei Zapfendüsen kann der dü-
Der vom Pumpenelement geförderte oder unter Druck senhubabhängige Öffnungsquerschnitt und damit der
gespeicherte Kraftstoff wird über das Einspritzventil Mengendurchfluss beziehungsweise der Einspritzver-
durch die Einspritzdüse mit hohem Druck in den lauf den Motorerfordernissen angepasst werden.
Brennraum des Dieselmotors eingespritzt und mög- Aus Festigkeitsgründen kommt der Gestaltung der
lichst fein verteilt. Die Düse selbst ist in einem Dü- Düsenkuppenform bei Lochdüsen große Bedeutung zu.
senhalter montiert, der seinerseits in den Zylinderkopf Außerdem ist die Größe des Restvolumens zwischen der
dichtend eingeschraubt oder eingesteckt ist. Im Falle Spitze der Düsennadel und der Innenkontur des Düsen-
der Pumpe-Düse-Einheit bilden Hochdruckelement, körpers zwischen Düsennadelsitz und den Spritzlöchern
Düsenhalter und Düse eine Baueinheit. Bei Common- wegen des darin befindlichen Kraftstoffvolumens, das
Rail-Systemen übernimmt der Injektor als Steuerele- an der Verbrennung nicht teilnimmt, wichtig. Je kleiner
ment auch die Funktion des Düsenhalters. dieses Volumen ist, desto geringer sind die aus diesem
Die Hauptaufgaben der Düse in Kombination mit Volumen ausdampfenden Kohlenwasserstoffe, die dann
dem Düsenhalter sind, das Zerstäuben und Verteilen im Abgas als unverbrannte HC-Emission auftreten kön-
des Kraftstoffes im Brennraum, die Formung des Ein- nen. Sogenannte Sacklochdüsen haben in der Regel eine
spritzverlaufes und das Abdichten des Hydrauliksystems höhere Kuppenfestigkeit und ein größeres Restvolumen
gegenüber dem Brennraum. Die Düsenkonstruktion als Sitzlochdüsen, bei denen das Spritzloch im Bereich
und Auslegung ist auf die unterschiedlichen Motorver- des Düsensitzes liegt. Dadurch ist das Restvolumen vom

--
hältnisse exakt abzustimmen [10]. Dies sind vor allem:
Verbrennungsverfahren (DI, IDI),
Brennraum abgekoppelt, und es können nur noch die in
den einzelnen Spritzlöchern verbleibenden Kraftstoff-

- Geometrie des Brennraumes,


Zahl der Einspritzstrahlen, Strahlform
volumina ausdampfen. Die Spritzlöcher selbst werden
elektroerosiv hergestellt.

- und Strahlrichtung,
Spritzlochkonizität
Mit steigendem Einspritzdruck und aus der Tat-
sache heraus, dass die Mengenverteilung pro Spritz-
678 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

..Abb. 12.42 Grund-
1 ausführungen von
Einspritzdüsen

2
3
Drosselzapfendüse
4 Flächenzapfendüse mit
konischem Anschliff

5
6
7
Lochdüse mit konischem Sackloch Lochdüse mit zylindrischem Sackloch
8
9
10
Sitzlochdüse
11
12 ..Abb. 12.43 Sitzloch-
und Mikrosacklochdüse

13
14
15
16 SItzlochdüse(VCO) Mikrosacklochdüse

17 loch (Strahlsymmetrie) bei einer Sacklochdüse gleich- Vor- und Nacheinspritzmengen (< 1 bis ca. 8 mm3 pro
mäßiger ist, als bei Sitzlochdüsen (VCO), kommen Einspritzung) auf Grund von fertigungsbedingten To-
18 heute üblicherweise schadvolumenreduzierte Sack- leranzen ein ungleiches Spritzbild entstehen. Wird der
lochdüsen (Mikrosacklochdüse) zur Anwendung. Sitz in Strömungsrichtung zurückverlagert, so wirken
. Abb. 12.43 zeigt beide Ausführungsarten im Ver- sich bei Einspritzungen, in denen die Sitzdrosselung
19 gleich. dominiert (Kleinsthübe), ungleiche Querschnittsver-
Das gleichmäßige Abspritzverhalten der Mikro- hältnisse im Sitzbereich und damit Druckverhältnisse
20 sacklochdüse ist besonders wichtig bei den Kleinst-
mengen für die Vor- und Nacheinspritzungen. Bei der
nicht mehr so stark aus, da das Spritzloch nicht direkt
im Sitzbereich beginnt. . Abb. 12.44 zeigt den Ver-
Sitzlochdüse kann im Falle von Kleinsthüben für die gleich der Einzeleinspritzmenge pro Spritzloch bei
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
679 12

kleiner und mittlerer Einspritzmenge, ermittelt mit Loch 1


120 % nP = 725 min–1
einem Messverfahren nach [20, 21].
Die Zahl der Spritzlöcher ist stark vom Verbren-
nungsverfahren und der Luftzirkulation (Drall) im 100 %
Brennraum abhängig. Generell gilt: Je höher der Drall, Loch 6 Loch 2
desto weniger Spritzlöcher sind erforderlich und um- 80 %
gekehrt. Üblicherweise werden heute bei Motoren mit
Direkteinspritzung Spritzlochzahlen von 6 bis 12 reali-
siert [6]. Bei den Pkw-Dieselmotoren liegt die Zahl bei
6 bis 8 Löchern. Die Dimensionierung der Spritzlöcher
stellt bei den heute in Serie befindlichen Einspritzdüsen
für Dieselmotoren einen Zielkonflikt dar. Im Teillast-
Loch 5 Loch 3
bereich beziehungsweise für Vor- oder Nacheinsprit-
zungen werden relativ geringe Einspritzmengen benö-
tigt, die durch möglichst kleine Spritzlöcher zerstäubt
werden sollen, um eine Reduzierung der Abgaswerte Loch 4 Qges = 7 mm3/E
zu erreichen. Dabei wird die beste Kraftstoffzerstäubung Qges = 40 mm3/E
dann erreicht, wenn der gesamte Druckabbau und so-
mit die Umwandlung in kinetische Energie möglichst ..Abb. 12.44  Einzeleinspritzmengen pro Spritzloch
für eine Sacklochdüse bei zwei verschiedenen Men-
ausschließlich in den Spritzlöchern stattfindet. Die klei-
genniveaus
nen Spritzlöcher haben jedoch zur Folge, dass die für
Volllast erforderliche Kraftstoffmenge nicht in einem
vorgegebenen, optimalen Zeitfenster eingespritzt wer- Hierbei ist die Düsenkuppe mit zwei Spritzloch-
den kann. Somit muss für die Auslegung der Spritzloch- reihen versehen, die jeweils separat von einer inneren
durchmesser ein Kompromiss gefunden werden, der und einer äußeren Nadel angesteuert werden. Die für
zum einen die Forderungen bezüglich der Abgasemis- Vor- und Nacheinspritzung geforderten Minimal-
sionen erfüllt und zum anderen ausreichend ist, um die mengen können gezielt durch wenige und/oder kleine
maximale Motorleistung zu erreichen. Die geforderten Spritzlöcher in der ersten Spritzlochebene dargestellt
minimalen Einspritzmengen werden daher in bestimm- werden. Für den Volllastbereich wird zusätzlich die
ten Bereichen des Kennfeldes dadurch erreicht, dass die zweite Spritzlochreihe geöffnet, die mit mehreren oder
Düsenadel nicht vollständig geöffnet wird und somit der größeren Spritzlöchern versehen ist. Bisher sind diese
Durchfluss im Nadelsitzbereich begrenzt wird. Dies Düsenkonzepte ausschließlich in der Forschung un-
bedeutet aber eine Drosselung und somit Druckverlust tersucht worden.
vor den Spritzlöchern, weil nicht mehr die komplette Der minimale Lochdurchmesser, der heute serien-
Druckenergie zur Umwandlung in kinetische Energie mäßig dargestellt wird, beträgt etwa 0,10 mm. Wich-
zur Verfügung steht. Um diesen Konflikt zu lösen, gab tiger als der Durchmesser ist jedoch der Durchfluss
es Entwicklungen für Düsen, die variable oder gestufte durch die Düsenlöcher. Die Düsenlöcher sind nach
Einspritzquerschnitte aufweisen. Unter verschiedenen dem Erodieren am Lochanfang, das heißt an der In-
konstruktiven Lösungsansätzen für Vario-/Registerdü- nenseite der Düse, scharfkantig. Durch Verrunden der
sen ist nachstehend die Koaxial-Vario-Düse (KVD), die Einlaufkanten wird ein sich einstellender Verschleiß an
auch als Two Stage Nozzle (TSN) bezeichnet wird, als den Kanten vorweggenommen und dadurch ein lang-
Entwicklungsprojekt bekannt geworden, . Abb. 12.45. zeitstabiler hydraulischer Durchflusses erreicht. Sind

äußere und innere innere Nadel geöffnet; äußere und innere


Nadel geschlossen äußere Nadel geschlossen Nadel geöffnet

..Abb. 12.45  Koaxial-Vario-Düse (KVD) (Quelle: © Robert Bosch GmbH)


680 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1 a b c

2
3
zylindrisches Spritzloch konisches Spritzloch konisches Spritzloch

4
mit 10 % HE-Verrundung mit 10 % HE-Verrundung mit 20 % HE-Verrundung
(CF = 0; HE = 10 %) (CF = 1,5; HE = 10 %) (CF = 1,5; HE = 20 %)

..Abb. 12.46  Düsenloch-Einlauf mit und ohne hydroerosiver Verrundung (Quelle: © Robert Bosch GmbH)
5
die Spritzbohrungen zusätzlich noch konisch ausge- zz Düsenhalter
führt, wird ein gleichmäßiges Geschwindigkeitsprofil Die Düse ist, wie bereits erwähnt, in den Düsenhalter
6 erzeugt und Kavitationszonen vermieden. eingebaut. Durch die Vorspannkraft der Druckfeder
. Abb.  12.46 zeigt zylindrische und konische im Düsenhalter ist die Düsennadel geschlossen. Über-
7 Spritzlochausführungen mit unterschiedlichen Ver-
rundungsgraden, wie sie serienmäßig zum Einsatz
steigt die hydraulische Kraft (proportional Druck und
(dNadel
2
 − dSitz
2
)) die Vorspannkraft, so öffnet die Düse.
kommen, siehe auch [6]. Prinzipiell muss der Kraftstoff zwei Drosselstellen
8 Eine andere Möglichkeit der Vergleichmäßigung überwinden. Zunächst die hubabhängige Sitzdrossel
der Einspritzstrahlen pro Düsenloch ist die verbesserte (veränderliche Drossel) und anschließend die durch
Führung der Düsennadel durch eine doppelte Nadel- die Spritzlochgeometrie definierte Festdrossel. Bei klei-
9 führung, . Abb. 12.47. nen Hüben dominiert die Sitzdrossel. Ist die Düse voll
geöffnet oder liegt die Düsennadel am mechanischen
10 Anschlag an, so bestimmt die Spritzlochgeometrie den
Durchflussquerschnitt. . Abb. 12.48 zeigt den charak-
teristischen Verlauf des Düsendurchflusses einer Loch-
11 düse. Im Bereich kleinster Hübe bestimmt die Sitzdros-
sel den Durchfluss. Dieser nimmt steil mit dem Hub
zu. In diesem Bereich, dem sogenannten ballistischen
12
Düsenkörper
Bereich der Düsennadelbewegung, spielen Fertigungs-
und Einstelltoleranzen eine besonders große Rolle.
13 Zur einfachen Formung des Einspritzverlaufes,
insbesondere bei den konventionellen kantengesteuer-
ten Einspritzsystemen, kann der Zweifederdüsenhalter
14 eingesetzt werden, . Abb. 12.49.
Hierbei wird zunächst die Vorspannkraft der im
Düsenadel
15 oberen Teil des Düsenhalters angeordneten Feder
überwunden. Der Öffnungsdruck liegt bei circa 120
bis 180 bar und nach Durchlaufen des einige wenige
16 hundertstel Millimeter betragenden Vorhubes wird
zusätzlich die Vorspannkraft der zweiten (unteren)
doppelte Nadelführung
Feder überwunden. Der Öffnungsdruck dieser zwei-
17 ten Stufe liegt dann bei 250 bis über 300 bar. Dadurch
wird es möglich, im unteren Drehzahlbereich eine „an-
18 gelagerte Voreinspritzung“ oder „Boot-Einspritzung“
zu erreichen. Bei höheren Drehzahlen ist der Druck-
aufbau so stark und schnell, dass die erste Stufe sofort
19 überwunden wird und ein normaler, stufenfreier Na-
delhubverlauf entsteht.
20 ..Abb. 12.47  Doppelte Nadelführung einer Sitzloch-
Bei den heute ausgeführten CommonRail-Injek-
toren wird die Düsennadel durch rein hydraulische
düse (Quelle: © Robert Bosch GmbH) Kräfte oder direkte mechanische Verbindung zwischen
12.4  •  Gemischbildung bei Dieselmotoren
681 12
800 15
Begrenzung durch 1
Pumpenleistung 14
700

600
Durchfluss [cm3/30 s]

1 13
500
12
400

300 11 2
200 100 bar
500 bar 10
100 1000 bar 2
3
0
9
0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30
Nadelhub [mm] 4
3
5
..Abb. 12.48  Volumendurchfluss einer Düsenhal- 4
8 6
terkombination (Sitzlochdüse) in Abhängigkeit vom 5
Düsennadelhub für drei verschiedene Drücke 7

6
Aktuator und Düsennadel geöffnet und geschlossen, 7
vergleiche ▶ Abschn.  12.4.3. Auch sind Systeme im
Einsatz (Nfz), bei denen durch Druckmodulation wäh-
rend des Einspritzvorganges Einspritzverlaufsformun- a b
gen mit Common-Rail-Injektoren möglich werden. ..Abb. 12.49  Konventionelle Düsenhalterkombi-
nation a und Zweifeder-Düsenhalterkombination
mit integriertem Nadelbewegungsfühler zur Bestim-
12.4.5 Anpassung des mung des Spritzbeginns b [10, 18]. a: 1 Spaltfilter,
Einspritzsystems an den Motor 2 Zulaufbohrung, 3 Druckbolzen, 4 Zwischenscheibe,
5 Düsenspannmutter, 6 Bodenstärke, 7 Düse, 8 Fixier-
Damit der Dieselmotor in allen Betriebspunkten ent- stifte, 9 Druckfeder, 10 Ausgleichsscheibe, 11 Leck-
kraftstoffbohrung, 12 Leckkraftstoffanschlussgewinde,
sprechend den Anforderungen die besten Ergebnisse
13 Haltekörper, 14 Anschlussgewinde, 15 Dichtkegel;
liefert, muss das gesamte Einspritzsystem exakt an den b: 1 Haltekörper, 2 Nadelbewegungssensor, 3 Druckfe-
Motor angepasst werden. Man spricht von der Appli- der 1, 4 Führungsscheibe, 5 Druckfeder 2, 6 Druckstift,
kation des Einspritzsystems an den Motor. 7 Düsenspannmutter
Um die in ▶ Abschn. 12.4.1 definierten Aufgaben
individuell und optimal zu lösen, müssen eine Viel- Pe  b e  2
VK =
zahl von geometrischen Parametern der Bauteile des z  n M  K  (12.3)
Einspritzsystems, aber auch betriebspunktabhängige
Eingangsgrößen vom Einspritzsystem erfasst und Pe = effektive Leistung des Motors
entsprechend den Zielwerten umgesetzt werden. Die be = spezifischer Kraftstoffverbrauch des Mo-
elektronisch gesteuerten Systeme bieten dabei eine tors (Masse/Leistung und Zeit)
wesentlich größere Zahl von Freiheitsgraden und z = Zylinderzahl
Möglichkeiten der Optimierung als die konventionel- nM = Motordrehzahl
len, mechanisch geregelten Systeme. So müssen zum ρK = Kraftstoffdichte
Beispiel bei der Festlegung der einzuspritzenden Kraft-
stoffmasse folgende wichtigen motor- und fahrzeugbe- Das Umsetzen dieses Bedarfs durch das Einspritzsys-

--
dingten Grenzen beachtet werden:
Rauchgrenze (insbesondere an der Volllastlinie),
tem hängt vom Prinzip der Mengenzumessung ab. Bei
konventionellen kantengesteuerten oder direkt hubge-

-- maximal zulässiger Zylinderdruck,


Abgastemperatur,
steuerten Pumpen hängt das von der Pumpe pro Hub
geförderte Volumen VHub nur vom Querschnitt des

- Drehzahl des Motors,


Drehmoment- und Drehzahlobergrenzen.

Das für den Viertakt-Motor erforderliche Einspritzvo-


Kolbens und von der Größe des Nutzhubes ab:

VHub = AKolben  hNutz (12.4)

lumen pro Arbeitszyklus und Zylinder errechnet sich AKolben = Querschnittsfläche des Pumpenkolbens
aus folgendem Zusammenhang: hNutz = wirksamer Förderhub des Pumpenkolbens
682 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Bei nockenzeitgesteuerten Systemen dagegen ist die . Abb. 12.50 gibt einen groben Überblick über die
1 geförderte Menge pro Einspritzung abhängig von der hardwareseitigen Anpassungsparameter des Einspritz-
Schließdauer des Aktuators, dem Kolbenquerschnitt systems für die Motorapplikation für nockengetriebene
2 und der Kolbengeschwindigkeit: Einspritzsysteme und für ein Common Rail-System.
Zusätzlich kommen noch die Betriebsparameter wie
VHub = AKolben  vKolben  tSD (12.5) Temperatur, Ladedruck, Luftdruck, Abgasrückführung
3 sowie Informationen von weiteren Fahrzeugsystemen,
AKolben = Querschnittsfläche des Pumpenkolbens wie zum Beispiel ESP oder ASR, sowie Fahrerwunsch
vKolben = mittlere Geschwindigkeit des Pumpenkol- (Fahrpedalstellung, Fahrgeschwindigkeitsregelung)
4 bens während der Förderdauer und Informationen aus der Sensorik der Abgasnach-
∆tSD = Schließdauer (= Förderdauer) des Steuer- behandlungssysteme hinzu.
5 ventiles Früher stand zur Erfüllung all dieser Aufgaben
nur ein „mechanisches Motormanagement“ in Form
Die Vor- und Nachfördereffekte sowie die Förderung der mechanischen Regelung der Dieseleinspritzung
6 während des Öffnungs- und Schließvorganges der zur Verfügung. Dabei konnten all diese Forderungen
Hochdruckmagnetventile sind dabei vernachlässigt. aus dem Fahrzeug- und Motorbetrieb und des Fahrer-
7 Das an der Düse austretende Kraftstoffvolumen ist
vereinfacht durch die Formel
wunsches nicht umgesetzt werden. Die mechanische
Regelung musste sich auf die Grundfunktionen des
Betriebes des Motors beschränken, wie zum Beispiel
8 s
2
Leerlaufregelung, Enddrehzahlregelung, Volllastan-
VAus = AD  t  ˛   p gleichung, ladedruckabhängige Mengenanpassung,
K  (12.6) atmosphärendruckabhängige Volllastanpassung,
9 temperaturabhängige Mengenanpassung (zum Bei-
AD = geometrischer Düsenlochquerschnitt spiel beim Start). Erst durch die Einführung der elek-
10 ∆t
α
= Einspritzdauer
= Durchflusswert
tronischen Dieselregelung konnten die vorgenann-
ten Anforderungen umfassend bei der Applikation
ρ = Kraftstoffdichte berücksichtigt werden. Heute werden bis zu 40.000
11 ∆p = Differenzdruck (Kraftstoffseite – Brenn- Parameter (Kennwerte, Kennlinien, Kennfelder) bei
raumseite) der Applikation von Motor und Fahrzeug berücksich-
tigt [7].
12 bestimmbar. Die Einspritzdauer kann angenähert Die elektronische Dieselregelung (EDC = Electro-
aus dem Nadelhubsignal oder der Ansteuerdauer nic Diesel Control) kann in drei Systemblöcke aufge-
13 des injektorseitigen, elektrisch betätigten Ventiles teilt werden [8–10].
bei Common Rail-Systemen ermittelt werden. Zu
beachten ist, dass der Zumessquerschnitt an der Düse zz Sensoren und Sollwertgeber
14 und der Differenzdruck zwischen Düseninnenraum Sie erfassen die Betriebsbedingungen des Motors und
und Brennraum während der Einspritzphase nicht die Sollwerte und wandeln physikalische Größen in
15 konstant sind. Gleiches gilt auch für den Durchfluss-
beiwert. Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der
elektrische Signale um, so dass diese im zweiten Block,
dem Steuergerät, verarbeitet werden können.
Auslegung der Hochdruckpumpe der Kraftstoff bei Im Steuergerät werden diese Informationen nach
16 den hohen Drücken von über 1000 bar nicht mehr mathematischen Rechenvorschriften (Steuer- und
als inkompressibel angenommen werden darf. Die Regelalgorithmen) verarbeitet. Das Steuergerät stellt
Hochdruckpumpe muss deshalb bezüglich ihrer außerdem die elektrischen Ausgangssignale für die
17 Förderleistung in Abhängigkeit von Schadvolumen Stellglieder zur Verfügung und ist die Schnittstelle zu
und dem vorhandenen Druck- und Temperaturni- anderen Systemen und zur Diagnose.
18 veau größer ausgelegt werden, um das „Speicher- Der dritte Block sind die Aktuatoren (Stellglie-
verhalten“ des zu verdichtenden Kraftstoffvolumens der). Sie setzen die elektrischen Ausgangssignale des
zu berücksichtigen. Zur numerischen Simulation Steuergerätes wiederum in mechanische Größen um,
19 von Einspritzsystemen und zur Bestimmung von zum Beispiel die Ansteuerung des Magnetventils für
messtechnisch nicht oder nur schwer zugänglichen die Mengenzumessung.
20 Vorgängen in Pumpe, Leitung, Düse, Magnetventil
und Injektor stehen leistungsfähige Werkzeuge zur
. Abb.  12.51 zeigt wichtige Motor- und Abgas-
funktionen, die bei der Applikation zu berücksichti-
Verfügung [7, 14–16, 22]. gen sind.
12.5 • Kraftstoffversorgungssystem
683 12
a) NockengetriebeneEinspritzsysteme
Nockengeschwindigkeit
Element-∅
ggf.Zeitverhalten des Magnetventils
Einspritzverlauf Druckventil/Entlastungsgrad
Spritzdauer Druckventilfeder Anzahl
Einspritzdruck Totvolumina (Gesamtausrüstung)
Druckleitungslänge und - ∅ Spritzloch ∅
/Konizität
Nadelhub Länge
Tröpfchengröße Öffnungsdruck

Verteilung im Druckstufe (Schließdruck)


Brennraum Spritzlochgestaltung
Einspritzdruck

b) Common-Rail-System
Hochdruckpumpe
Railvolumen
Raildruck
Zulaufdrossel im Injektor
Einspritzverlauf Ablaufdrossel im Injektor
Spritzdauer Zeitverhalten des Aktuators
Einspritzdruck Druckschwingungen im Injektor Anzahl
Totvolumina (Gesamtausrüstung)
Druckleitungslänge und - ∅ Spritzloch ∅
/Konizität
Tröpfchengröße Nadelhub Länge
Düsendruckstufe
Verteilung im Spritzlochanordnung
Brennraum Sacklochgestaltung
Einspritzdruck

..Abb. 12.50  Wichtige konstruktive Auslegungs- und Anpassungsparameter von Einspritzsystemen [7, 10]

Der prinzipielle Aufbau einer elektronischen Die- mit einer Vielzahl von Funktionen. Zu diesen gehören
selregelung ist in . Abb. 12.52 dargestellt. Streng ge- die Kraftstoffbefüllung, Füllstandsbegrenzung, Kraft-
nommen handelt es sich bei der Dieselregelung sowohl stoffspeicherung, Kraftstoffversorgung des Motors
um eine Steuerung, als auch um eine Regelung, da in und die Be- und Entlüftung des Kraftstoffbehälters
vielen Fällen die Stellglieder auf der Basis von Eingangs- während der Betankung sowie während des Betriebs.
größen durch vorgegebene Datenkennfelder oder Kenn- Das Kraftstoffversorgungssystem stellt dem Motor den
linien aktiviert werden, ohne dass die Reaktion darauf Kraftstoff über die Vorlaufleitung innerhalb eines vor-
direkt überprüft wird. Andererseits wird in einer Reihe gegebenen Druckbereiches in ausreichender definier-
von Fällen die Reaktion erfasst, zum Beispiel die Dreh- ter Menge zur Verfügung.
zahl des Motors bei der Leerlaufdrehzahlregelung oder
die Düsennadelbewegung bei der Spritzbeginnregelung.
Das Steuergerät der elektronischen Dieselregelung 12.5.1 Kraftstoffbehälter
ist somit ein Steuer- und Regelgerät. Weitere Details
des elektronischen Motormanagements vergleiche Kraftstoffbehälter werden zum größten Teil aus Kunst-
▶ Kap. 16. stoff (PE-HD mit verschiedenen Sperrschichten) oder
Metall (Edelstahl, feueraluminiertes Blech oder Alu-
minium) hergestellt. In der Regel handelt es sich bei
12.5 Kraftstoffversorgungssystem Kunststofftanks um einen 6-Layer-Tank. Diese sechs
Schichten setzen sich unter anderen aus Neumaterial,
Die Versorgung eines Pkw-Motors mit Kraftstoff er- Haftvermittler, Sperrschicht und Regenerat zusammen.
fordert einen Kraftstoffbehälter, der sich in der Regel Die Sperrschicht dient dazu, dass die aus dem Kraft-
im Bereich der Hinterachse eines Fahrzeuges befindet. stoff austretenden Kohlenwasserstoffe nicht durch das
Der Tank ist ein Teil des Kraftstoffversorgungssystems Material diffundieren können.
684 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Glühkontrolle
1 Hauptrelaissteuerung

Startsystemsteuerung
2 Einspritzausgabesystem
– Aueilung in Vor-, Haupt-, Nacheinspritzung

3 – Ausgabe motorsynchron in Echtzeit


Motorkoordinator
– Motorstatus

4 – Nachlaufsteuerung
– Abschaltkoordinator
– Motormomentberechnung
5 – Drehmomentbegrenzung
– Momentgradientenbegrenzung
– Krastoffverbrauchsberechnung
6 – Koordinator für Schubbetrieb
– Zylinderabschaltung
Leerlaufregler
7 – Ruckeldämpfer
– Lastschlagdämpfer
Einspritzregelung
8 – Einspritzmengenkoordinator
– Nullmengenadap…on

9
– Druckwellenkorrektur
– Mengenbegrenzung (Komponentenschutz)
– Mengenausgleichsregelung

10
– Laufruheregelung
– Umrechnung Moment in Menge
– Rauchbegrenzungsmenge

11 – Höhenadap…on
– Raildruckregelung
Motordrehzahl- u. Winkelerfassung

12 – Überdrehzahlschutz
– Fehlzündungserkennung
Motorkühlung

13 – Lüerregelung
– Wasser- u. Öltemperaturüberwachung
Lusystem

14 – Abgasrückführregelung
– Ladedruckregelung
– Steuerung der Drallklappe im Ansaugtrakt

15 – Steuerung der Luregelklappe


– Lumassenerfassung (per Heißfilmlumassensensor)
Fahrgeschwindigkeitsregelung

16 Wegfahrsperre
Diagnose-System
Motorbremse (NKW)

17 Kommunika…on über serielle Bussysteme (CAN, TTCAN, Flexray)

– Diesel Par…kel Filter (DFP)


18 – NOx Speicher Katalysator (NSC)
– Lambda Regelung
– Verbrennungserkennung über Zylinderdruck
19 – Selek…ve kataly…sche Reduk…on (SCR)
– Abgastemperaturmodell
20 ..Abb. 12.51  Wichtige Motor- und Abgasfunktionen für die Applikation eines Dieselfahrzeugs (Quelle: [7],
© Robert Bosch GmbH)
12.5 • Kraftstoffversorgungssystem
685 12

..Abb. 12.52  Blockdiagramm eines Diesel-Steuergerätes (Quelle: [7, 23], © Robert Bosch GmbH)

Um den steigenden Emissionsanforderungen und den Kraftstoff aus dem Tank verdrängt wird. Die Gase
einer Lebensdauer von 15  Jahren beziehungsweise werden über eine Entlüftungsleitung direkt an die
150.000 Meilen gerecht zu werden, wurden in den Umgebung abgegeben. Proportional zum Volumen
letzten Jahren vereinzelt Edelstahltanks hergestellt. des verbrauchten Dieselkraftstoffs strömt während
Infolge der hohen Herstellkosten und der Weiterent- des Fahrbetriebs Umgebungsluft in den Tank. Durch
wicklung bei den Herstellverfahren von Kunststoff- die höhere Dichte des Dieselkraftstoffes kann mit hö-
tanks sind die Stückzahlen der Edelstahltanks aber herer Füllrate (bis 60 l/min) betankt werden, was sich
wieder rückläufig. in einem Vergleich zum Ottokraftstoffsystem im grö-
Kraftstoffversorgungssysteme werden für verschie- ßeren Strömungsquerschnitt des Dieseleinfüllrohres
dene Kraftstoffe – Ottokraftstoffe, Dieselkraftstoffe widerspiegelt.
oder auch Flüssiggas – ausgelegt. Je nach Absatzmarkt
und geltender Emissionsgesetzgebung unterscheiden 12.5.1.2 Ottokraftstofftank
sich die Kraftstoffsysteme in der Strömungsführung Bei Kraftstofftanks für Ottokraftstoff unterscheidet
während der Kraftstoffbefüllung und des im Betrieb man mehrere Varianten. Ein erstes Unterscheidungs-
entstehenden Gases. merkmal ist die Kraftstoffart – verbleiter oder bleifreier
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Tank- Kraftstoff. Die Unterschiede bei den Kraftstoffsystemen
systemen für Diesel- und für Ottokraftstoff. Durch die finden sich im Einfüllstutzen wieder. Zapfventile für
unterschiedlichen Eigenschaften dieser Kraftstoffe un- verbleiten Kraftstoff haben einen größeren Durch-
terscheiden sich die Systeme im Entlüftungssystem, bei messer (∅ 23,6 mm) gegenüber denen für unverblei-
der Betankung und bei der Fördertechnik. ten (∅ 21,3 mm). Der Zapfventildurchmesser wurde
verkleinert, damit bei einem mit bleifreiem Kraftstoff
12.5.1.1 Dieselkraftstofftank betriebenem Fahrzeug kein verbleiter Kraftstoff ein-
Dieselkraftstoff besitzt nahezu keine Neigung zur gefüllt werden kann. Kraftstoffsysteme, die noch mit
Kraftstoffausgasung. Bei den Emissionen, die wäh- verbleitem Kraftstoff betrieben werden, besitzen in der
rend der Betankung eines Dieselkraftstofftanks ent- Regel auch keinen Aktivkohlefilter. Das Aktivkohlefil-
stehen, handelt es sich um den Gasinhalt, der durch ter verhindert, dass Kohlenwasserstoffe ungehindert in
686 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1
Ausgleichsbehälter
2
3
4
5 Füllstandsbegrenzungsventil

6 ..Abb. 12.54  Tank mit internem Entlüftungssystem

7 tivkohlefilter zu minimieren, wird häufig das Prin-


zip der Rezirkulation angewendet. Dabei wird ein
Teil der Dämpfe über eine zusätzliche Leitung vom
8 Kraftstofftank zum Einfüllrohr gesaugt und mit der
..Abb. 12.53  Tank mit externem Entlüftungssystem aus der Atmosphäre angesaugten Luft wieder in den
Kraftstofftank gefördert. Dieser Kreislauf reduziert die
9 (oben Mitte)
Kraftstoffdampfmenge, die bei der Betankung zum Ak-
die Atmosphäre treten können. Während des Betriebs tivkohlefilter gelangt.
10 des Fahrzeugs wird das Aktivkohlefilter, geregelt durch
das Motormanagement, regeneriert.
Beim Mechanical-Seal-System (mechanische Ab-
dichtung) wird der Spalt zwischen Zapfventil und Ver-
Bei bleifreien Kraftstoffen unterscheidet sich das schlussstutzen abgedichtet. Durch die unterschiedliche
11 Kraftstoffversorgungssystem noch nach Absatzmarkt Gasmenge, die bei der Betankung anfällt, bestimmt
und der dort geltenden Emissionsgesetzgebung. So sich das Volumen des Aktivkohlefilters. Für einen
dürfen über das Einfüllrohr so gut wie keine Koh- ECE-Tank reicht ein „Kohlevolumen“ von 0,8 bis 1 l
12 lenwasserstoffe während der Betankung in die Atmo- aus. Dagegen kann das Volumen für einen ORVR-Tank
sphäre gelangen. In Europa wird dies dadurch erreicht, bis zu 4 l betragen.
13 dass die bei der Betankung entstehenden Gase im Gas- Ein weiterer Unterschied besteht in dem Diagnose-
pendelverfahren über das Zapfventil abgesaugt wer- verfahren. Bei ORVR-Tanks ist zusätzlich eine Leckdi-
den. In den USA müssen alle entstehenden Gase über agnosefunktion für das Kraftstoffversorgungssystem in
14 das Fahrzeug gereinigt werden. Durch diese verschie- das Diagnosesystem des Fahrzeugs implementiert. Die
denen Verfahren unterscheiden sich die europäischen Leckdiagnosefunktion soll feststellen, ob der Tankde-
15 Tanksysteme von denen in den USA durch die Gestal-
tung des Einfüllrohres, der Größe des Aktivkohlefilters
ckel aufgeschraubt ist und ob sich ein Leck im Kraft-
stoffversorgungssystem befindet. Die Leckdiagnose
und im Diagnoseverfahren. kann im Unterdruck- oder Überdruckverfahren durch-
16 Den in Europa zum Einsatz kommenden Kraft- geführt werden. Beim Unterdruckverfahren wird im Di-
stofftank bezeichnet man als ECE-Tank (Economic agnosezeitraum mit Hilfe des Unterdrucks im Saugrohr
Commission for Europe), den in den USA als ORVR- des Motors ein Unterdruck im Tank erzeugt und über
17 Tank (onboard refueling vapor recovery). einen Drucksensor der Tankdruck überwacht. Beim
Bei einem ORVR-Tank unterscheidet man zusätz- Überdrucksystem wird durch eine externe Pumpe ein
18 lich Verfahren, die den Austritt von Kohlenwasserstof- Überdruck im Tank erzeugt; über die Stromaufnahme
fen aus dem Einfüllrohr vermeiden in „liquid seal“ und der Pumpe kann dann ein Leck detektiert werden.
„mechanical seal“.
19 Beim Liquid-Seal-System (fluidische Abdichtung)
entsteht bei der Betankung durch die Kraftstoffströ- 12.5.2 Das Tankentlüftungssystem
20 mung im Einfüllrohr ein Unterdruck. Auf diese Weise
wird Luft aus der Atmosphäre in das Tanksystem Der Kraftstoffbehälter muss in allen Betriebszuständen
gesaugt. Um den Gasvolumenstrom durch den Ak- (Stand, Fahrbetrieb, Betankung) immer be- und ent-
12.5 • Kraftstoffversorgungssystem
687 12

lüftbar sein. Um zu vermeiden, dass flüssiger Kraftstoff jedem Kraftstofffördersystem die Füllstandsmessung
aus dem Tanksystem austritt, können verschiedene enthalten. Es wird zwischen Diesel- und Ottokraftstoff-
Maßnahmen angewendet werden. Die Entlüftungs- fördersystemen unterschieden.
punkte auf dem Tank müssen so gewählt werden, dass
der Tank unter allen Schräglagen immer über einen 12.5.3.1 Dieselfördersystem
Punkt entlüftbar ist, wobei gleichzeitig über die ande- Bei Dieselfördersystemen wird zwischen der Dieselför-
ren Entlüftungspunkte kein Kraftstoff austreten darf dereinheit und der Dieselabsaugeinheit unterschieden.
(siehe . Abb. 12.53). Die Entlüftungsleitungen können Der Einsatz einer Förder- oder Absaugeinheit
entweder mit Schwimmerventilen verschlossen wer- hängt von den zahlreichen Motorvarianten und un-
den, oder sie werden in einem externen Ausgleichsbe- terschiedlichen Anforderungen ab, die an das System
hälter zusammengeführt. Bei neueren Tanksystemen gestellt werden.
wird dieser Ausgleichsbehälter in den Tank integriert, Die Dieselansaugeinheit ist im Gegensatz zur Die-
um so das Permeationsverhalten der Tanks zu optimie- selfördereinheit aufgrund der fehlenden Dieselintank-
ren (siehe . Abb. 12.54). pumpe kostengünstiger.
Neben der Entlüftung des Tanksystems spielt auch Für den Einsatz einer Dieselansaugeinheit ist es
die Füllstandsbegrenzung eine große Rolle. Da sich Ot- notwendig, dass die Hochdruckpumpe am Motor ge-
tokraftstoff unter Temperatureinfluss ausdehnt, muss nügend Unterdruck aufbauen kann, um den Diesel-
der Flüssigkeitsspiegel beim Beenden des Füllvorgangs kraftstoff aus dem Dieselkraftstofftank anzusaugen.
wesentlich unterhalb der Entlüftungspunkte liegen. Der dadurch entstehende hohe Unterdruck kann
Die Füllstandsbegrenzung kann über ein Tauchrohr – jedoch in der Hochdruckpumpe erhebliche Kavita-
ein Rohr am Ende der Betankungsentlüftungsleitung, tionen erzeugen, die letztendlich zu einem erhöhten
welches durch ansteigenden Kraftstoff verschlossen Verschleiß der Hochdruckpumpe führen kann. Dies
wird – durch ein Schwimmerventil in der Betankungs- ist von der Ausführung und Qualität der Hochdruck-
entlüftungsleitung oder durch ein Schwimmer-Klap- pumpe abhängig.
pensystem am Einfüllrohr erfolgen. Bei neueren Dieselfördersystemen erfolgt daher
der Einsatz einer Dieselfördereinheit, welche die Hoch-
druckpumpe am Motor mit einem geringen Überdruck
12.5.3 Anforderungen an ein versorgt (siehe . Abb. 12.55).
Kraftstofffördersystem
Dieselabsaugeinheit
Das Kraftstofffördersystem hat die Aufgabe, den Die Dieselabsaugeinheit besteht im einfachsten Fall aus
Motor während aller möglichen Fahrsituationen mit einem Flansch, von dem ein Saugrohr zum Tankboden
ausreichend Kraftstoff aus dem Tank zu versorgen. reicht. An das Ende des Saugrohres ist zur Filterung ein
Hierzu gehören vom Fahrzeughersteller definierte grober Kraftstofffilter angeschlossen.
statische und dynamische Fahrzustände wie Stand, Für ein besseres Verhalten bei Kurven- und Berg-
Kurvenfahrt, Bergauffahrt und Bergabfahrt. Weitere fahrten wird diese Bauart durch einen Schwalltopf und
typische Anforderungen sind die Erstansaughöhe eine hydraulisch betriebene Saugstrahlpumpe erwei-
beim Erstbefüllen des Tanks, die Wiederbefüllhöhe tert (siehe . Abb. 12.56). An dem Schwalltopf befindet
des Tanks sowie die Restabsaughöhe im Stand oder sich ein Niveaugeber zur Füllstandsmessung.
während der Fahrt. Dieselabsaugeinheiten haben im Gegensatz zu
Die Erstansaughöhe beschreibt die erforderli- Dieselfördereinheiten keine elektrische Dieselintank-
che Kraftstoffhöhe nach Erstbefüllung des Tanks mit pumpe. Der Dieselkraftstoff wird von einer am Mo-
Kraftstoff, die notwendig ist, damit das Kraftstoff- tor angebrachten Hochdruckpumpe direkt aus dem
fördersystem problemlos anläuft und den Motor mit Schwalltopf im Tank abgesaugt. Die Kraftstoffmenge,
ausreichend Kraftstoff versorgt. Die Wiederbefüllhöhe die hierbei nicht vom Motor verbraucht wird, fließt in
beschreibt das erforderliche Kraftstoffniveau durch Be- die Absaugeinheit zurück.
tankung für ein sicheres Starten des Motors nach dem Durch die Absaugung des Dieselkraftstoffes und
Leerfahren des Tanks. Die Restabsaughöhe gibt an, des Druckabfalls vom Tank bis zur Hochdruckpumpe
wie viel Kraftstoff in dem Tank nach dem Leerfahren entsteht am Eingang der Pumpe ein Unterdruck, der
verbleiben darf. in Verbindung mit hohen Temperaturen zu Blasen-
Bei Mehrkammertanks muss das Kraftstoffför- bildung führen kann. Die Blasenbildung führt zur
dersystem alle Kammern des Tanks bis auf die gefor- Kavitation in der Hochdruckpumpe. Dies hat einen
derten Restabsaughöhen entleeren. Außerdem ist in erhöhten Verschleiß der Pumpe zur Folge. Ein weite-
688 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Rücklauf Kühler Common Rail ..Abb. 12.55  Prinzip ei-


1 nes Dieselfördersystems
für Common-Rail

2 Feinfilter Vorlauf

3
Hochdruck-
pumpe
4
Motor
5 Kraftstoff-
pumpe
Tank

Saugstrahlpumpe
6
7 rer Nachteil von Dieselabsaugeinheiten sind Probleme
beim Motorstart nach kompletter Entleerung des
hydraulisch betriebene Saugstrahlpumpen befüllt und
dient als Reservoir, um auch bei geringen Kraftstoff-
Tanks, falls das Dieseleinspritzsystem nicht selbst- mengen im Tank und allen Fahrsituationen die Förde-
8 entlüftend ist. rung von Kraftstoff zum Motor zu gewährleisten.
In Mehrkammertanks sorgen zusätzliche hydrau-
Dieselfördereinheit lisch betriebene Saugstrahlpumpen für die Entleerung
9 Bei der Dieselfördereinheit ist im Schwalltopf eine aller Kammern.
Dieselintankpumpe mit einem Filter vor der Pumpe Dieselfördereinheiten haben die Aufgabe, den Diesel-
10 integriert. Die elektrischen Schnittstellen (Steckver-
bindungen zur Pumpe) sind im Flansch vorhanden.
kraftstoff unter allen auftretenden Last- und Motordreh-
zahlzuständen in einem vorgegebenen Druckfenster aus
. Abb.  12.57 zeigt eine Dieselfördereinheit. Der dem Dieselkraftstofftank zur Einspritzanlage zu fördern.
11 Schwalltopf wird permanent durch eine oder mehrere Die Menge, die hierbei nicht vom Motor ver-
braucht wird fließt als Rücklauf zurück in die Diesel-
fördereinheit.
12 Eine Vorfilterung des Dieselkraftstoffs erfolgt be-
reits in der Dieselfördereinheit, die Feinfilterung au-
13 ßerhalb des Tanks.
Im Gegensatz zu Ottokraftstofffördersystemen
für Saugrohreinspritzung liefert die Dieselförderein-
14 heit nicht den erforderlichen Einspritzdruck, sondern
speist lediglich eine am Motor angebrachte Hoch-
15 druckpumpe, die den Einspritzdruck je nach Einspritz-
system aufbringt.
Eine hochpräzise Druckregelung wie bei Ottokraft-
16 stofffördereinheiten ist somit nicht erforderlich.

Dieselintankpumpen
17 Die Dieselintankpumpe hat die Aufgabe, den Mo-
tor unter allen Betriebszuständen mit ausreichend
18 Dieselkraftstoff zu versorgen. Sie ist Teil des Nieder-
druckbereiches der Diesel-Einspritzeinlage und der
(Hochdruck-)Einspritzpumpe vorgeschaltet. Übliche
19 Systemdrücke von Intankpumpen liegen zwischen 0,5
bis 1 bar (bei Verteilerpumpen-Einspritzsystemen)
20 und 1,5 bis 5 bar (bei Common-Rail- und Pumpe-
Düse-Einspritzsystemen). Die Fördermengen betragen
..Abb. 12.56  Darstellung einer Dieselabsaugeinheit 100 bis 300 l/h bei 12 V Nennspannung.
12.5 • Kraftstoffversorgungssystem
689 12

..Abb. 12.58  Exzentrisch zum Außenläufer orientier-


tes Innenläuferzahnrad einer G-Rotorpumpe
..Abb. 12.57  Darstellung einer Dieselfördereinheit
pen kommen zum Einsatz, bei denen die Abdichtung
der sich verändernden Raumvolumina über Rollen
Heutige Dieselintankpumpen bestehen im Wesent- beziehungsweise radial beweglicher Flügel erfolgt.
lichen aus einem Anschlussstück, dem Elektromotor Verdrängerpumpen werden besonders bei höheren
und der Pumpenstufe. Systemdrücken (> 3,5 bar) verwendet, da sich dieses
Das Anschlussstück verbindet die elektrischen Prinzip dort als besonders vorteilhaft erweist. So kön-
und hydraulischen Kontakte. Darin sind üblicher- nen Wirkungsgrade von bis zu 25 % erreicht werden.
weise ein Rückschlagventil und ein Druckbegren- Strömungspumpen finden in Dieselfördersyste-
zungsventil integriert. Ersteres dient der Drucker- men vor allem für geringere Systemdrücke (< 3,5 bar)
haltung im Kraftstoffsystem bei ausgeschalteter Anwendung. Ein Turbinenrad, das einen oder meh-
Pumpe und verhindert somit auch ein Auslaufen rere konzentrische Kränze von Flügeln trägt, rotiert in
des Kraftstoffsystems, was zu kurzen Startzeiten des einer feststehenden Pumpenkammer. In den beiden
Fahrzeuges führt. Das Druckbegrenzungsventil ist die Pumpenkammer bildenden Gehäuseteilen befin-
ein Sicherheitsventil und öffnet bei unzulässig hohen det sich jeweils ein Kanal. Zwischen Kanalanfang und
Drücken im Kraftstoffsystem. Des Weiteren enthält Ende befindet sich zur Abdichtung vom Druck- zum
das Anschlussstück je nach Anforderung der Fahr- Saugbereich ein sogenannter Abstreifer. Durch den Im-
zeughersteller auch eine Funkentstörung bestehend pulsaustausch der Laufradflügel mit dem Kraftstoffteil-
aus Drosselspulen und einem Kondensator. chen findet längs des Kanals ein Druckaufbau statt. Je
Die Intankpumpe wird mit Hilfe eines Gleich- nach Position der Kanäle spricht man vom Seitenkanal
strom-Elektromotors angetrieben. Dieser besteht aus (seitliche Anordnung der Kanäle und Flügel) oder Pe-
einem Anker, dem Rückschlusskörper mit Permanent- ripheralradprinzip (Position Kanäle und Flügel radial
magneten und einem Kommutierungssystem aus Koh- außen). Vorteile der Strömungspumpen sind der na-
lebürsten und Kommutator. hezu pulsationsfreie Druckaufbau und der gegenüber
Die Pumpenstufen folgen je nach Einsatzgebiet Verdrängerpumpen relativ einfache und damit kosten-
dem hydrostatischen (Verdrängerpumpen) oder dem günstige konstruktive Aufbau.
hydrodynamischen (Strömungspumpen) Prinzip. Bei
den Verdrängerpumpen erfolgt prinzipiell in einem 12.5.3.2 Ottokraftstofffördersystem
sich vergrößernden Raum die Ansaugung des Kraft- Aktuelle Ottokraftstofffördersysteme bestehen aus
stoffes. Nach dem Verlassen des Einlassbereiches er- einem Schwalltopf mit einer Ottokraftstoffintank-
folgt dann die Verdrängung durch einen sich wieder pumpe, einem Kraftstoffdruckregler, einem Pum-
verkleinernden Raum in den Auslass. Als Verdränger- penvor- und Kraftstofffeinfilter sowie einer oder
pumpen werden derzeit vor allen G-Rotorpumpen mit mehreren Saugstrahlpumpen und einem Niveauge-
einen exzentrisch zum Außenläufer orientierten In- ber zur Füllstandsmessung, die in einer Baueinheit
nenläuferzahnrad eingesetzt (vergleiche . Abb. 12.58). zusammengefasst sind (siehe . Abb.  12.59). Diese
Auch Rollenzellen- beziehungsweise Flügelzellenpum- Baueinheit verschließt mittels Flansch die Service-
690 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Bedarfsgeregelte Systeme
1 Bei herkömmlichen Kraftstofffördersystemen in Fahr-
zeugen mit Einspritzmotoren sorgt eine elektrische
2 Ottokraftstoffintankpumpe für die Förderung des
Kraftstoffs zum Motor. Zur Bereitstellung des nöti-
gen Systemdrucks werden mechanische Druckreg-
3 ler eingesetzt, die den nicht benötigten Kraftstoff in
den Tank zurückleiten, wobei die Pumpe immer bei
Volllast betrieben wird. Das bedeutet einerseits einen
4 unnötigen Energieverbrauch, andererseits, durch die
Verlustleistung der Ottokraftstoffintankpumpe, einen
5 zusätzlichen Wärmeeintrag in den Tank, der vor al-
lem in kompakten und leistungsstarken Fahrzeugen
zu einer unzulässigen Schadstoffemission führen kann.
6 Abhilfe bieten bedarfsgeregelte Systeme. Diese be-
stehen aus einer Kraftstofffördereinheit, einem in die
7 Kraftstoffleitung eingefügten Drucksensor und einer
Elektronik, die die Kraftstoffpumpe so in ihrer Leis-
..Abb. 12.59  Darstellung eines Ottokraftstoffförder- tung regelt, dass unabhängig vom Verbrauch ein kons-
8 systems mit Kraftstofffeinfilter tanter Systemdruck erreicht wird (siehe . Abb. 12.62).
Fahrversuche zeigen im Mittel eine Reduzierung
öffnung des Kraftstofftanks. Der Flansch enthält alle der Leistungsaufnahme auf circa 50 % im Vergleich
9 hydraulischen und elektrischen Schnittstellen zum mitherkömmlichen Systemen. Vorteil ist zudem eine
Tank. Der Schwalltopf wird permanent über die deutliche Geräuschminderung vor allem im Leerlauf.
10 Saugstrahlpumpe(n) befüllt und dient als Reservoir,
um auch bei geringen Kraftstoffmengen im Tank und
Durch die Leistungsreduzierung wird die Lebensdauer
der Ottokraftstoffintankpumpe erhöht.
allen Fahrsituationen die Förderung von Kraftstoff Die Verwendung einer Elektronik im Kraftstoffför-
11 zum Motor zu gewährleisten. In Mehrkammertanks dersystem erlaubt zudem den Einsatz einer Pumpe mit
sorgen zusätzliche Saugstrahlpumpen für die Entlee- elektronisch kommutiertem (EC) Gleichstrommotor,
rung aller Kammern. die als Lifetime-Komponente auch für kritische Kraft-
12 Bei Ottokraftstofffördersystemen werden konven- stoffe wie Ethanol oder Flüssiggas geeignet ist, da der
tionelle und rücklauflose Systeme unterschieden. Verschleiß des mechanischen Kommutators entfällt.
13 Konventionelle Systeme haben einen Rücklauf. Die Durch den Einsatz einer Elektronik ergeben sich
Ottokraftstoffintankpumpe fördert durch eine Vorlauf- weitere Vorteile, wie die Vorgabe unterschiedlicher
leitung und den außerhalb des Tanks liegenden Kraft- Systemdrücke, zum Beispiel bei Motoren mit Direkt-
14 stofffilter eine konstante Kraftstoffmenge zum Kraft- einspritzung oder eine zusätzliche Möglichkeit der
stoffdruckregler am Motor (siehe . Abb. 12.60). Da Wegfahrsperre.
15 der Motor nicht immer die gesamte Menge verbraucht,
wird überschüssiger Kraftstoff über eine Rücklauflei- Filterung
tung in den Tank und damit wieder in den Kraftstoff- Die Vorfilterung erfolgt durch einen Pumpenvor-
16 kreislauf geführt. filter, der den angesaugten Kraftstoff vor Eintritt in
Neuere, rücklauflose Systeme integrieren auch die Ottokraftstoffintankpumpe filtert. Hier werden
den Kraftstofffeinfilter und den Kraftstoffdruckregler Schmutzpartikel im Größenbereich von ≥ 30 bis 60 µm
17 in die Fördereinheit und damit in den Kraftstofftank herausgefiltert, um die Ottokraftstoffintankpumpe und
(siehe . Abb. 12.61). Sie erfüllen die hohen Ansprü- den Kraftstoffdruckregler vor Verschleiß zu schützen.
18 che an die Emissionsdichtigkeit von Tanksystemen. Filterwerkstoffe sind Vliesstoffe oder Gewebe aus Ther-
So entfällt die Kraftstoffrücklaufleitung und somit moplasten.
der heiße Rücklauf vom Motor zum Tank. Durch die Das Kraftstofffeinfilter dient zur Feinfilterung des
19 niedrigere Kraftstofftemperatur, weniger Dichtstellen Kraftstoffs, um wichtige Bauteile des Motors, wie zum
sowie dem Umstand, dass nur die Oberfläche einer Beispiel Einspritzventile, vor Schmutzpartikeln und
20 Kraftstoffleitung zur Kohlenwasserstoffemission bei-
trägt, können die hohen Anforderungen bezüglich
dem daraus resultierenden Verschleiß zu schützen.
Das Kraftstofffeinfilter befindet sich zwischen der
Emission erfüllt werden. Ottokraftstoffintankpumpe und dem Motor.
12.5 • Kraftstoffversorgungssystem
691 12
Rücklauf
Druckregler

Vorlauf

Kraftstoff-
pumpe
Kraftstoff-
Filter

Motor
Tank
Saugstrahlpumpe

..Abb. 12.60  Prinzip eines konventionellen Ottokraftstofffördersystems


Druckregler Vorlauf

Motor

Kraftstoff- Tank
pumpe

Saugstrahlpumpe

..Abb. 12.61  Prinzip eines rücklauflosen Ottokraftstofffördersystems

Engine
control unit

Electronic Fuel
Control Unit

Fuel pump with


EC-Motor

..Abb. 12.62  Prinzip eines bedarfsgeregelten Ottokraftstofffördersystems


692 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

Ist der Filter im Ottokraftstofffördersystem inte- kurzen Startzeiten des Fahrzeuges führt. Das Druck-
1 griert, muss er seine Funktion über die Fahrzeugle- begrenzungsventil ist ein Sicherheitsventil und öffnet
bensdauer erfüllen (Lifetime-Komponente). bei unzulässig hohen Drücken im Ottokraftstoffför-
2 Neben dem klassischen Filterpapier werden immer
häufiger neu entwickelte Hochleistungskunststoffe, be-
dersystem. Des Weiteren enthält das Anschlussstück
je nach Anforderung der Fahrzeughersteller auch eine
sonders bei Motoren mit Ottokraftstoffdirekteinsprit- Funkentstörung bestehend aus Drosselspulen und ei-
3 zung, eingesetzt. nem Kondensator.
Diese werden mehrschichtig auf das ursprüngli- Der Antrieb der Intankpumpe erfolgt bei heutigen
che Filterpapier laminiert und sorgen für entsprechend Systemen mit Hilfe eines Gleichstrom-Elektromotors.
4 hohe Schmutzaufnahmefähigkeit bei gleichzeitig ho- Dieser besteht aus einem Anker, dem Rückschlusskör-
hem Anfangsabscheidegrad von über 90 % bei Parti- per mit Permanentmagneten und einen Kommutie-
5 kelgrößen zwischen 3 bis 5 µm. rungssystem aus Kohlebürsten und Kommutator. In
der Entwicklung befinden sich ebenfalls elektronisch
Druckregelung kommutierte Elektromotoren, die Lebensdauer-Vor-
6 Zur Sicherstellung eines konstanten Einspritzdruckes teile besonders bei Verwendung von für das Kohle-
in der Vorlaufleitung zum Motor wird in rücklauflosen Kommutatorsystem kritischen Kraftstoffen haben.
7 Ottokraftstofffördersystemen nach der Ottokraftstoff-
intankpumpe ein Kraftstoffdruckregler als Bypassven-
Die Pumpenstufen folgen entweder dem hydro-
statischen (Verdrängerpumpen) oder dem hydro-
til eingebaut. Das Arbeitsprinzip entspricht dem eines dynamischen (Strömungspumpen) Prinzip. Bei den
8 Proportionalreglers. Verdrängerpumpen wird der Kraftstoff in einem sich
Je nach Verbrauch des Motors wird die aus der ge- vergrößernden Raum angesaugt. Nach dem Verlassen
samten Fördermenge der Ottokraftstoffintankpumpe des Einlassbereiches erfolgt dann die Verdrängung
9 resultierende überschüssige Menge abgeregelt und dem durch einen sich wieder verkleinernden Raum in den
Ottokraftstofffördersystem wieder zur Verfügung ge- Auslass. Als Verdrängerpumpen werden derzeit vor al-
10 stellt.
Für Motoren mit MPI-Einspritzung liegen die
len G-Rotorpumpen mit einem exzentrisch zum Au-
ßenläufer orientierten Innenläuferzahnrad eingesetzt.
Drücke bei 3,0 bis 4,3 bar. Bei Motoren mit Direktein- Auch Rollenzellen- beziehungsweise Flügelzellenpum-
11 spritzung bis zu 8,0 bar. pen, bei denen die Abdichtung der sich verändernden
Raumvolumina über Rollen beziehungsweise radial
Ottokraftstoffintankpumpen beweglicher Flügel erfolgt, kommen zum Einsatz.
12 Aufgabe der Ottokraftstoffintankpumpe ist es, den Mo- Nachteilig bei den Verdrängerpumpen bei Ottokraft-
tor unter allen Betriebszuständen mit ausreichendem stoffanwendung ist der Fördermengenabfall bei höhe-
13 Kraftstoff zu versorgen. Hierzu stellt sie dem Ottokraft- ren Kraftstofftemperaturen aufgrund von Gasblasen-
stoff-Einspritzsystem, anders als bei Dieseleinspritz- förderung. Aufgrund dessen weisen Anwendungen für
systemen, den benötigten Systemdruck ohne weitere Ottokraftstoffbetrieb üblicherweise eine hydrodynami-
14 Hochdruckpumpe zur Verfügung. Übliche Systemdrü- sche Vorstufe auf, deren Aufgabe zum einen die Sepa-
cke liegen hierbei, je nach Einspritzsystem, zwischen ration der Gasbläschen durch die im Kanal befindliche
15 3 bis 4,3 bar für Multi Point Systeme, bei 4,7 bis 5,2 bar
bei aufgeladenen Ottokraftstoffmotoren und zwischen
Entgasungsbohrung ist und zum anderen die Neigung
der Gasblasenbildung in der Verdrängerstufe aufgrund
5 und 8 bar bei Ottokraftstoff-Direkteinspritzsystemen. des Vordruckes mindert. Dies führt jedoch konstruktiv
16 Die Fördermengen liegen bei circa 80 bis 200 l/h bei zu relativ aufwändigen Lösungen.
12 V Nennspannung. Aufgrund dieser Nachteile haben sich Strömungs-
Heutige Ottokraftstoffintankpumpen bestehen pumpen weitestgehend bei Ottokraftstoff-Anwen-
17 (ebenso wie Dieselintankpumpen) im Wesentlichen dungen durchgesetzt. Ein Turbinenrad, das wie in
aus einem Anschlussstück, dem Elektromotor und der . Abb. 12.63 gezeigt, einen oder mehrere konzentri-
18 Pumpenstufe. sche Kränze von Flügeln trägt, rotiert in einer fest-
Das Anschlussstück dient der elektrischen und stehenden Pumpenkammer. In den beiden die Pum-
hydraulischen Kontaktierung. Im Anschlussstück penkammer bildenden Gehäuseteilen befindet sich
19 integriert sind üblicherweise ein Rückschlagventil jeweils ein Kanal. Zwischen Kanalanfang und Ende
und ein Druckbegrenzungsventil. Ersteres dient der ist zur Abdichtung vom Druck- zum Saugbereich ein
20 Druckerhaltung im Ottokraftstofffördersystem bei
ausgeschalteter Pumpe und verhindert somit auch
sogenannter Abstreifer vorhanden. Durch den Im-
pulsaustausch der Laufradflügel mit dem Kraftstoff-
ein Auslaufen des Ottokraftstofffördersystems, was zu teilchen und der Ausbildung einer wendelförmigen
12.5 • Kraftstoffversorgungssystem
693 12

Umlaufströmung im Kanal-Flügelbereich findet längs


des Kanals ein Druckaufbau statt. Je nach Position
der Kanäle spricht man vom Seitenkanal (seitliche
Anordnung der Kanäle und Flügel) oder Peripheral-
radprinzip (Position Kanäle und Flügel radial außen).
Durch eine im Kanal befindliche Entgasungsbohrung
kann hierbei durch den Austritt der Gasblasen aus
dem Kanalbereich eine relativ konstante Fördermenge
auch bei hohen Kraftstofftemperaturen erreicht wer-
den. Weitere Vorteile der Strömungspumpen sind der
nahezu pulsationsfreie Druckaufbau und der kosten-
günstige Aufbau. Weitestgehend durchgesetzt haben
sich hierbei die Seitenkanalpumpen. Diese erreichen
derzeit bei kompakter Bauweise Systemdrücke bis
circa 4,5 bar pro Stufe und Wirkungsgrade von über
20 %. Durch das Hintereinanderschalten von 2 Pum- ..Abb. 12.63  Turbinenrad einer Ottokraftstoffintank-
penstufen können auch Systemdrücke bis circa 9 bar pumpe
erreicht werden.
Die Füllstandsanzeige hat so zu erfolgen, dass un-
Elektronik bedarfsgeregelter Systeme abhängig von der dynamischen Fahrsituation – wie sie
Die Elektronik bedarfsgeregelter Systeme (Electronic sich beispielsweise bei Kurvenfahrten und Beschleu-
Fuel Control Unit) regelt die Ottokraftstoffintank- nigungsphasen ergibt – kein übermäßiges Schwan-
pumpe und mit Hilfe eines in die Kraftstoffleitung ken der Anzeige auftritt. Dieses Verhalten wird durch
eingefügten Drucksensors auf einen konstanten Sys- geeignete Dämpfungsalgorithmen in der Auswerte-
temdruck. Die Elektronik muss den Istwert des Druck- elektronik erreicht. Ist der Füllstandssensor jedoch
sensors mit dem Sollwert vergleichen und die daraus von vornherein an einer geeigneten Position im Tank
ermittelte Ansteuerleistung für die Pumpe bereitstel- platziert, werden diese Schwankungen, hervorgerufen
len. Das geschieht aus Gründen der Verlustleistungs- durch Schwappbewegungen, minimiert. Auf Grund
reduzierung durch ein pulsweitenmoduliertes (PWM-) komplizierter Tankgeometrien ist das allerdings nicht
Signal. Die PWM-Frequenz sollte oberhalb 15 kHz immer möglich. Verzweigte Geometrien, zum Beispiel
liegen, da sonst hörbare Geräusche entstehen. Ande- bei Mehrkammertanks, machen den Einsatz mehrerer
rerseits muss die Frequenz zur Vermeidung elektro- Füllstandssensoren notwendig.
magnetischer Störungen so niedrig wie möglich liegen
– üblich sind circa 20 kHz. 12.5.4.1 Anforderung an die
Wird eine Pumpe mit elektronisch kommutiertem Füllstandsmessung
(EC) Gleichstrommotor benutzt, so müssen von der In erster Linie soll eine zuverlässige Füllstandsmessung
Elektronik auch die Kommutierungssignale erzeugt erreicht werden. Insbesondere bei geringen Kraftstoff-
werden. mengen im Tank muss eine genaue Messung realisiert
Da die Elektronik aus EMV-Gründen in der Nähe werden. Die Füllstandsanzeige im Fahrzeug ist pri-
der Pumpe und damit des Tanks platziert werden muss, mär von der Messgenauigkeit im Tank abhängig. Eine
um die Zuleitungen kurz zu halten, bietet sich an, wei- Anzeigeabweichung von mehreren Litern kann im
tere Möglichkeiten zu implementieren, wie die Erfas- Extremfall zum Liegenbleiben des Fahrzeugs führen.
sung und Verarbeitung der Signale der Füllstandsgeber Hiervon wird auch die Diagnosefähigkeit des Sensors
oder eine Emissionsüberwachung des Tanks. Auch ein beeinflusst. Bei einer Fehlfunktion muss gewährleistet
zusätzlicher Wegfahrschutz ist denkbar. Dafür sind sein, dass die Füllstandsanzeige auf „Min“ oder „Null“
weitere Kommunikationsmöglichkeiten vorzusehen. springt. Neben der Anzeigegenauigkeit des Füllstan-
des sind besondere Anforderungen an mechanische
Robustheit und Medienbeständigkeit gestellt. Der
12.5.4 Die Füllstandsmessung Füllstandssensor ist auf ein Kraftfahrzeugleben ausge-
legt. Ein Austausch eines defekten Sensors ist, abhängig
Die Überwachung des Kraftstoffvorrates erfolgt nicht vom Tankherstellverfahren, oft nicht möglich.
Komfort bedingt, sondern ist aus Sicherheitsgründen Die mechanische Belastung folgt aus Vibrationen
vielmehr eine Notwendigkeit. und Stößen, wie sie üblicherweise im Tank durch den
694 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

1
2
3
4
..Abb. 12.65  MAgnetic Passive Position Sensor
5 (MAPPS) für die Füllstandsanzeige

setzern oder Kabelbruch wird somit der kleinstmög-


6 liche Füllstand angezeigt. Neuere Generationen von
Hebelgebern werden mit Kontaktfedern mit mehr
7 als einer Kontaktzunge ausgeführt. Hierdurch wird
eine verbesserte Resistenz gegenüber Belagsbildung
..Abb. 12.64  Hebelgeber für die Füllstandsanzeige in Kraftstoffen erzielt. Der redundante Abgriff führt
8 zu einem optimierten Verhalten bei Schwingungsbe-
Fahrbetrieb vorherrschen und aus Schwappbewegun- lastung und zu einer erhöhten Abriebfestigkeit. Zur
gen des Kraftstoffs. Eine korrekte Messung des Füll- Vermeidung elektrochemischer Effekte werden diese
9 standes muss unter allen Bedingungen gegeben sein. offenen Sensorelemente mit gepulstem Gleichstrom
Es darf zu keinen Kontaktaussetzern kommen. betrieben.
10 Besonderes Augenmerk liegt auch auf der Medien-
beständigkeit. Insbesondere in Brasilien und den USA 12.5.4.3 MAgnetic Passive Position
kommen neben den üblichen Ottokraftstoffen auch Sensor
11 Flex-Fuels, also Gemische aus Ethanol beziehungs- Der MAPPS (MAgnetic Passive Position Sensor) be-
weise Methanol mit Ottokraftstoff zum Einsatz. Ein steht ebenfalls aus einem Keramiksubstrat mit 52 in
wesentlicher Unterschied besteht unter anderen in der Reihe geschalteten Schichtwiderständen. Jeder Wi-
12 größeren Leitfähigkeit der Kraftstoffe. derstand hat einen einzelnen Abgriff. In geringem
Neben herkömmlichen Dieselkraftstoffen wird Abstand zu den Abgriffen ist eine weichmagnetische
13 auch vermehrt Fettsäuremethylester (FAME) in reiner Kontaktfeder platziert. Durch einen umlaufend ver-
Form und bis zu 5 % Beimengung zum Dieselkraft- löteten Deckel ist das System hermetisch gegen die,
stoff eingesetzt. Bei Dieselkraftstoffen ist zu bedenken, den MAPPS umgebenden Kraftstoffe abgedichtet. Die
14 dass sie häufig in Schichtung mit Wasser auftreten. Kontaktgabe einzelner Schaltzungen der Feder erfolgt
Ein besonderer Korrosionsschutz ist deshalb unum- durch einen Magneten, der anstelle eines Schleifers auf
15 gänglich. der Rückseite des MAPPS auf der Keramik entlang-
läuft. Die Schnittstelle zum umgebenen Medium bil-
12.5.4.2 Hebelgeber det auch hier der Hebel mit angesetztem Schwimmer.
16 Am meisten verbreitet sind für die Füllstandserfassung Der Verstellweg des Magneten entspricht somit einem
Hebelgeber, implementiert in die Fördereinheit. Er be- Bahnradius mit einem zulässigen Winkelbereich von
steht aus einem in der Regel auf einem Keramiksubstrat circa 90°. Das elektrische Ausgangssignal wird in Ab-
17 aufgebrachten Dickschichtnetzwerk (DSN) und einer hängigkeit der Magnetposition proportional variiert.
als Schleifer ausgeführten Kontaktfeder, die über einen Der Widerstandsbereich erstreckt sich von 100 bis 0 %
18 Hebel mit Schwimmer (. Abb. 12.64) füllstandsabhän- Füllstand. Für Diagnosezwecke ist ein weiterer Serien-
gig in Reihe geschaltete Schichtwiderstände abgreift. widerstand eingeführt, so dass sich im Fehlerfall (zum
Der resultierende Gesamtwiderstand ist dem Füll- Beispiel Magnet außerhalb des zulässigen Winkelbe-
19 stand proportional. Das nicht lineare Füllvolumen des reichs) ein definierter Gesamtwiderstand ergibt.
Tanks kann durch geeignete Auslegung des DSN line- Durch das vollständig geschlossene System unter-
20 arisiert zur Anzeige gebracht werden. Die Auslegung
des Netzwerks erfolgt derart, dass bei sinkenden Füll-
liegen die Mikrokontakte, auch bei extremen Umge-
bungsbedingungen, keiner Verschmutzung oder Ein-
ständen der Widerstandswert steigt. Bei Kontaktaus- wirkung durch unterschiedlichste Kraftstoffe (siehe
Literatur
695 12

. Abb.  12.65). Die Kontaktflächen werden mecha- [16] Tschöke, H. (Hrsg.): Diesel- und Benzindirekteinspritzung.
Renningen-Malmsheim: expert-Verlag 2005, 2007, 2009,
nisch erheblich weniger belastet als bei herkömmli-
2011, 2013 und Springer Vieweg, Wiesbaden 2014 und
chen Schleifersystemen. Dieses verschleißarme Kon-
2017
taktsystem garantiert eine erhöhte Lebensdauer des [17] Lewis, G.R.: Das EPIC-System von Lucas. MTZ 53(5), 224–
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696 Kapitel 12  •  Gemischbildungsverfahren und -systeme

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17
18
19
20
697 13

Zündung
Dr. rer. Nat. Dipl.-Phys. Manfred Adolf, Dipl.-Ing. Heinz-Georg Schmitz

13.1 Zündung – Ottomotor  –  698


13.1.1 Einleitung der Zündung  –  698
13.1.2 Anforderungen an das Zündsystem  –  698
13.1.3 Mindestzündenergien – 698
13.1.4 Grundlagen der Funkenzündung  –  698
13.1.5 Spulenzündsystem (induktiv) – 699
13.1.6 Weitere Zündsysteme – 702
13.1.7 Gasmotoren – 702
13.1.8 Zusammenfassung/Ausblick – 702

13.2 Zündkerzen – 703
13.2.1 Anforderungen an Zündkerzen  –  703
13.2.2 Aufbau – 703
13.2.3 Wärmewert – 704
13.2.4 Zündspannungsbedarf – 705
13.2.5 Zündeigenschaft (und Gemischentflammung)  –  706
13.2.6 Verschleiß – 707
13.2.7 Applikation – 708

13.3 Zündung – Dieselmotor  –  709


13.3.1 Selbstzündung und Verbrennung – 709
13.3.2 Kaltstart Dieselmotor – 710
13.3.3 Komponenten zur Kaltstartunterstützung  –  712
13.3.4 Ausblick – 718

Literatur – 719

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_13
698 Kapitel 13 • Zündung

13.1 Zündung – Ottomotor tragungs- und Wärmeverluste an Zuleitungen und


1 Elektroden, steigt der Energiebedarf weiter deutlich
13.1.1 Einleitung der Zündung an. Konventionelle Zündsysteme stellen circa 40 mJ
2 In fremdgezündeten Verbrennungskraftmaschinen
mit einer Funkendauer von 1 ms an der Zündkerze
zur Verfügung, um die Entflammung sicherzustellen.
(Ottomotoren) wird der Verbrennungsprozess durch
3 eine elektrische Entladung im Brennraum gegen Ende
des Verdichtungstraktes ausgelöst. Die dazu notwen- 13.1.4 Grundlagen
digen Komponenten sind dabei eine Zündspule als der Funkenzündung
4 Hochspannungsquelle und eine Zündkerze als Elek-
trode im Brennraum. Durch den Funken entsteht 13.1.4.1 Phasen des Funkens
5 zwischen den Zündkerzenelektroden ein Hochtempe- Der sich an der Zündkerze ausbildende Funke kann
raturplasmakanal. In einer dünnen Reaktionsschicht in drei zeitlich aufeinander folgende Entladungsfor-
um diesen Kanal findet eine exotherme chemische men mit deutlich unterschiedlichen energetischen und
6 Reaktion statt. Diese entwickelt sich zu einer selbst- plasmaphysikalischen Eigenschaften unterteilt werden
erhaltenden und sich ausbreitenden Flammfront [1]. (. Abb. 13.1; [3–5]).
7 Zunächst wächst die Spannung an der Zündkerze
steil an. Sobald die sich im Feld ausbildende Streamer-
13.1.2 Anforderungen ladung die gegenüberliegende Elektrode erreicht hat,
8 an das Zündsystem erfolgt der Durchbruch (breakdown) innerhalb weni-
ger Nanosekunden.
Das Zündsystem muss diesen Entflammungsprozess Die Impedanz der Elektrodenstrecke sinkt dras-
9 über alle denkbaren Veränderungen und dynamischen tisch ab und der Strom steigt durch die Entladung der
Schwankungen der motorischen Betriebszustände re- Streukapazitäten der Zündkerze schnell an. Der Über-
10 produzierbar sicherstellen. Damit der Funke an den
Zündkerzenelektroden überspringen kann, muss das
schlag erfolgt dabei wegen der hohen Spannungsan-
stiegsgeschwindigkeit der Zündspule nicht bei der
Zündsystem ein ausreichendes Hochspannungsan- statischen Durchbruchspannung, sondern wegen der
11 gebot zur Verfügung stellen. Druck, Temperatur und Zündverzugszeit bei Überspannung. Im leitfähigen Ka-
Dichte des Gemisches an und zwischen den Zünd­ nal entstehen durch die vollständige Dissoziation und
elektroden zum Zündzeitpunkt beeinflussen den Span- Ionisation der Atome und Moleküle sehr hohe Tempe-
12 nungsbedarf. Diese Parameter variieren deutlich über raturen von 60.000 K. Die Ausbreitung der Druckwelle
Drehzahl und Last. Nach Paschen nimmt der Zünd- beginnt mit Überschallgeschwindigkeit.
13 spannungsbedarf linear mit Druck und Elektrodenab- Danach geht der Funke in die Bogenphase (arc
stand zu. Die durch den Funken an das Gemisch über- phase) mit sehr kleinen Spannungen über, in der der
tragene Energie muss ausreichen die selbsterhaltende Strom durch die Entladung der hochspannungsseiti-
14 Verbrennung auszulösen. Der optimale Zündzeitpunkt gen Kapazitäten bestimmt ist. An der Kathode ent-
ist dabei von zentraler Bedeutung und wird während steht wegen der starken Elektronenemission ein hei-
15 der Applikationsphase am Motor ermittelt und in ei-
nem Kennfeld im Motorsteuergerät als Funktion von
ßer Fleck (Brennfleck), Kathodenmaterial verdampft
und bewirkt eine starke Erosion der Elektroden. Die
Drehzahl und Last abgelegt. Temperatur im Kanal geht auf circa 6000 K zurück.
16 Das Plasma expandiert nun durch Wärmeleitung und
Diffusionsprozesse und die exotherme Reaktion, die
13.1.3 Mindestzündenergien zu einer fortschreitenden Flammfront führt, beginnt.
17 Bei Strömen unter 100 mA erfolgt der Übergang
Homogene stöchiometrisch zusammengesetzte zur Glimmentladung (glow discharge). Ein Wechsel
18 Kraftstoff-Luft-Gemische benötigen ruhend für die zwischen Bogen- und Glimmentladung ist dabei in ei-
Entflammung eine Energie von weniger als 1 mJ. In nem Übergangsbereich abhängig von Veränderungen
fetteren oder abgemagerten Gemischen erhöht sich der und Gemischbewegungen zwischen den Elektroden
19 Energiebedarf auf 3 mJ [2]. Im realen Motor sind die mehrfach möglich. In der Phase der Glimmentla-
Bedingungen wesentlich ungünstiger. Durch inhomo- dung steigt die Spannung – der Elektronenstrom wird
20 gene Verteilung von Luft, Kraftstoff, zurückgeführtem
Abgas etc. sowohl zwischen den Zylindern als auch
nun durch auftreffende Ionen unterstützt – wieder
an, die Temperatur im Kanal beträgt nun nur noch
durch inhomogene Zylinderfüllung, sowie die Über- circa  3000 K. Die Schmelztemperatur wird unter-
13.1  •  Zündung – Ottomotor
699 13
Predischarge phase Durchbruch, % Bogen, % Glimm, %
Breakdown phase

Transition region
Transition phase

Glow discharge
Strahlungsverlust <1 5 <1

Arc phase
Wärmeableitung 5 45 70
an den Elektroden

105 Gesamtverluste 6 50 70

Plasmaenergie 94 50 30
104
15kV 50 V 300 mV
1 mJ 1 mJ 30 mJ ..Abb. 13.2  Energiebilanz der drei Entladungsformen
Voltage, V

103
[3]
102
zugeführte Energie. Bei der heute üblichen TSZ ist im
101
Wesentlichen die Glimmphase entflammungswirksam,
100 wobei die Zündsicherheit mit der Höhe des Spitzen-
10–9 10–6 10–3 stromes und der Entladedauer zunimmt [7].
Eine lange Funkenbrenndauer begünstigt eine si-
103 chere Entflammung. Selbst bei mageren Gemischen
(λ = 1,5) und hohen Strömungsgeschwindigkeiten
102 (> 30 m/s) reicht allein die langanhaltende Glimment-
101
ladung einer TSZ aus, um brennbares Gemisch, welches
Current, A

durch das Strömungsfeld in den Elektrodenbereich hi-


100 neingetragen wird, kontinuierlich zu entflammen [8].
10–1

10–2 13.1.5 Spulenzündsystem (induktiv)


10–9 10–6 10–3
Time. s
Bei den in verteilerlosen, mit Transistoren geschalteten
..Abb. 13.1  Zeitlicher Verlauf von Strom und Zündsystemen eingesetzten Spulen, handelt es sich um
Spannung einer Transistor-Spulen-Zündung (TSZ) [4]. mit Epoxidharz vergossene Trockenzündspulen, die
Typische Werte für auftretende Spannungen und Ener- aus einem magnetisch geschlossenen Kreis aus lamel-
gieübertragung in den einzelnen Funkenphasen liertem verlustarmen Elektroblech mit konzentrisch
übereinander liegenden Primär- und Sekundärwick-
schritten, die Elektroden nun überwiegend durch lungen gebildet werden, . Abb. 13.3.
auftreffende Ladungsträger zerstäubt [6]. Der Ener- Mit dem Einschalten des Primärstromes wird da-
giespeicher Spule entlädt sich dabei vollständig in den bei Energie induktiv im Luftspalt des Magnetkreises
Entladekanal. Beim Unterschreiten der notwendigen gespeichert. Nach der Unterbrechung des Primär-
Schwellspannung zur Aufrechterhaltung des Kanals stromes durch den Transistor, . Abb. 13.4, baut sich
reißt der Funke ab. Die Restenergie schwingt in der sekundärseitig in der Spule eine Spannung bis zum
Sekundärwicklung der Zündspule aus. Durchbruch an der Zündkerze auf. Die maximal er-
reichbare Spannung hängt im Wesentlichen von der
13.1.4.2 Energieübertragungs­ Abschaltspannung und dem Übersetzungsverhältnis
wirkungsgrad sekundär-/primär in der Spule ab.
Die Energieanteile, die in den beschriebenen Phasen Nach dem Überschlag entlädt sich die Energie über
des Funkens an das Gemisch abgegeben werden kön- die Sekundärwicklung der Spule im Funken. Während
nen, zeigt . Abb. 13.2. dieser Glimmphase (Brenndauer) kann die Funken-
Die Durchbruchsphase weist dabei den höchsten strecke an der Zündkerze elektrisch als durch eine Ze-
Zündwirkungsgrad auf und bewirkt eine schnellere nerdiodenstrecke ersetzt betrachtet werden, welche die
Energieumsetzung in der Anfangsphase des Brenn- Sekundärspannung auf den Wert der Brennspannung
prozesses. Durch Vergrößern des Funkenplasmas und begrenzt und bis zum Funkenabriss konstant hält.
dessen Ausbreitungsgeschwindigkeit kann die Ent- Die Definition der Eigenschaften einer solchen
flammungssicherheit verbessert werden [4]. Zündspule werden in der ISO 6518 einheitlich gere-
Wegen der erheblichen Wärmeverluste über die gelt. Das Spannungsangebot wird dabei als maximal
Elektroden ist die im Funkenplasma vorhandene Ener- erreichbare Spannung an einem der Verbausituation
gie deutlich kleiner als die an die Zündkerze elektrisch entsprechenden elektrischen Ersatzwiderstand defi-
700 Kapitel 13 • Zündung

Sekundärwicklung 60 3,0
1
50 2,5

Brenndauer [ms]
Energie [mJ]
2 Kernblechpaket
40 2,0
Energie
Brenndauer
3 Primärwicklung 30 1,5

Hochspannungsdiode
20 1,0
4 400 600 800 1000
Brennspannung [V]
1200
Entstörwiderstand

5 ..Abb. 13.5  Brennspannungseinfluss auf Energie und


Funkendauer
Druckfeder
6 elektrisch im Primärstromkreis gespeicherten Energie
kommen durch die Übertragungsverluste und die Wi-
7 derstände im Kreis nur circa 50 % an der Zündkerze
an. Die Bedingungen im Brennraum (Druck, Tempe-
ratur, Gemischbewegung etc.) bestimmen zusammen
8 mit dem Elektrodenabstand die Brennspannung wäh-
rend der Funkendauer. Den Einfluss auf Energie und
Funkendauer zeigt . Abb. 13.5.
9 ..Abb. 13.3  Aufbau Zündspule Weit verbreitet sind Doppelfunkenzündspulen, bei
denen beide Enden der Sekundärwicklung in Reihe über
10 UBatt. Diode REntst.
Zündleitungen mit Zündkerzen verbunden sind, die zu
Zylindern gehören, deren Zündfolge um 360 °KW ver-
Rprim Rsek schoben ist. Beim 4-Zylinder sind dies die Zylinder 1
11 Lprim Lsek
und 4, sowie die Zylinder 2 und 3, die jeweils mit ei-
UZener ner Spule verbunden sind. Durch die Reihenschaltung
zünden somit zwei Zündkerzen gleichzeitig, eine im mit
12
Zündkerze

Kraftstoff-Luft-Gemisch gefüllten Zylinder, die andere


in den im Auslasstakt befindlichen Zylinder, bei dem
13 durch den drucklosen Zustand ein Stützfunke mit nur
..Abb. 13.4  Schematischer Aufbau einer Transistor- kleinem zusätzlichen Spannungsbedarf entsteht.
spulenzündung (TSZ) Durch die Reihenschaltung zündet eine der beiden
14 Zündkerzen mit positiver Hochspannung, die andere
niert. So entsprechen zum Beispiel 1 MΩ//25 pF der mit negativer. Beim Zünden mit negativer Hochspan-
15 elektrischen Belastung einer direkt auf die Zündkerze
gesteckten Zündspule und 1 MΩ//50 pF der einer
nung ist der Spannungsbedarf, wegen der im Betrieb
des Motors höheren Temperatur der Mittelelektrode der
Zündspule, die über eine Zündleitung mit der Zünd- Zündkerze und der damit erniedrigten Austrittsarbeit
16 kerze verbunden ist. der Elektronen, geringfügig (1 bis 2 kV) niedriger als
Die Ausgangs- oder Brennenergie wird durch eine mit positiver Spannung. Gleichzeitig ist der Elektro-
Messung der Entladedauer der mit einer Zener-Dio- denabbrand an den Zündkerzen durch die verschiede-
17 denschaltung mit 1000 V abgeschlossenen Zündspule nen Polaritäten der Zündspannung stark asymmetrisch.
ermittelt. Mit dem Übersetzungsverhältnis und dem Für die Zündung mit Doppelfunkenspulen sind
18 Abschaltstrom der Spule wird der maximale Funken- verschiedene Anordnungen möglich. Einerseits das
strom (Glimmstrom) auf der Sekundärseite der Zünd- Zusammenlegen der Doppelfunkenspulen zu einem
spule festgelegt. Die Funkenbrenndauer kann dabei Block oder Paket und die Verbindung zu den Zünd-
19 über die Festlegung der Speicherinduktivität und den kerzen über Zündleitungen und andererseits, alterna-
Arbeitspunkt des Magnetkreises in weiten Grenzen tiv dazu, das direkte Stecken oder Kontaktieren einer
20 variiert werden.
Die Kopplung zwischen Primär- und Sekundär-
Zündspule auf eine Zündkerze und das Verbinden
zur Zündkerze im korrelierenden Zylinder mit einer
seite der Zündspule beträgt mehr als 90 %. Von der Zündleitung.
13.1  •  Zündung – Ottomotor
701 13
34

32

30

Usek [kV]
28
1MOhm/25pF
1MOhm/50pF
26

24

22

20
50 60 70 80 90 100 110 120
Übersetzungsverhältnis

..Abb. 13.7  Einfluss der äußeren Belastung der Zünd-


spule auf das optimale Übersetzungsverhältnis

..Abb. 13.6  Direkt auf die Zündkerze steckbare


Einzelfunkenzündspule mit 70 mJ, 35 kV Ausgangs-
spannung und 2 ms Brenndauer

In höherwertigen Fahrzeugen kommen wegen der


besseren Steuerbarkeit der Zündung, Problemen mit
Ventilüberschneidungen etc. Einzelfunkenspulen zum
Einsatz, mit denen somit jeder Zylinder mit einer eige-
nen Zündspule gezündet wird, . Abb. 13.6.
Dabei werden die Spulen auf dem Zylinderkopf
montiert und direkt mit der Zündkerze kontaktiert
oder in Blocks mit mehreren Einzelfunkenspulen
zusammengefasst und über Zündleitungen mit den
Zündkerzen verbunden. ..Abb. 13.8  Kerzenschachtzündspule (pencil coil) mit
Bei den Einzelfunkenzündspulen ist eine Hoch- Durchmesser 22 mm, 32 kV Ausgangsspannung und
spannungsdiode im Sekundärkreis zur Unterdrückung 60 mJ
des Spannungspulses, der durch das Einschalten des
Stromes an der Induktivität entsteht, erforderlich, da Belastung das optimale Übersetzungsverhältnis, mit
zu diesem Zeitpunkt bei kleinen Drücken und damit dem die Spule die maximale Ausgangsspannung liefern
kleinem Zündspannungsbedarf sich schon zündfähiges kann, . Abb. 13.7.
Gemisch im Zylinder befinden kann. Zunehmend Bedeutung gewinnt der Einsatz von
Durch die direkte Verbindung dieser Spulen zur sogenannten „pencil coils“ (. Abb. 13.8), bei denen
Zündkerze und damit dem Entfall der entstörten es durch den Aufbau mit einem offenen, lang gezoge-
Zündleitungen muss die Zündspule selbst die Entstör­ nen Magnetkreis möglich wird, die Baugröße und den
elemente zum Beispiel den gewickelten, induktiven Durchmesser der Zündspule weiter zu verkleinern und
Widerstand zur Unterdrückung von hochfrequenten die Spule somit direkt in den Kerzenschacht zu mon-
Störaussendungen, die durch den Funkenüberschlag tieren. Verbunden damit sind erhöhte Anforderungen
an der Zündkerze entstehen, aufnehmen. an die Temperaturbeständigkeit und Isolationsfestig-
Der Einsatz von Zündspulen mit oder ohne Zünd- keit der Bauteile.
leitungen (weggebaut oder direkt gesteckt) bestimmt Welches System letztendlich zum Einsatz kommt,
durch die dadurch unterschiedliche äußere kapazitive hängt vom Anwendungsfall, der spezifischen Einbausi-
702 Kapitel 13 • Zündung

tuation, den speziellen Anforderungen und den Kosten densatoren und Netzteile (100 bis 800 V) für die Er-
1 ab. Gleiches gilt für die Integration weiterer Bauteile zeugung der notwendigen Ladespannungen, was die
und intelligenter Funktionen in der Zündspule, wie Kosten erhöht und die Akzeptanz und Verbreitung
2 zum Beispiel den Einbau des elektronischen Halblei-
terzündschalters und/oder der Integration von Diag-
solcher Zündanlagen behindert.

nose- und Selbstschutzaufgaben.


3 13.1.7 Gasmotoren

13.1.6 Weitere Zündsysteme Interessant sind Gasmotoren für mobile Anwendungen


4 vor allem wegen der gegenüber Benzin um 25 % re-
Trotz immer wiederkehrender Bemühungen alterna- duzierten CO2-Emissionen. Verwendet werden dabei
5 tive Zündsysteme (Plasma-, Laserzündung und viele Benzinmotoren, die für einen Bi-fuel-Betrieb (Gas/
andere mehr) einzuführen, hat sich die traditionelle Benzin) ausgerüstet sind. Betrieb mit Benzin erfolgt
Spulenzündung wegen ihres hohen Nutzen-Kosten- im Kaltstart, nach dem Betanken bis zur Erkennung
6 Verhältnisses allgemein durchgesetzt [7]. der Gasqualität und zur Reichweitenabsicherung bis
Nur in Ausnahmefällen (zum Beispiel Rennsport- zur nächsten Gastankstelle [10].
7 motoren) wird die Hochspannungskondensatorzün-
dung (HKZ) verwendet. Bei der HKZ wird die Energie
Gegenüber dem Benzinbetrieb treten etwa 2 bis
3 kV höhere Zündspannungsbedarfe auf. Dies kann
in einem Kondensator zwischengespeichert und die mit speziellen Zündkerzen mit etwas kleinerem Elek-
8 notwendige Hochspannung wird beim Schalten über trodenabstand und feineren Mittelelektroden kom-
einen schnellen verlustarmen Zündtransformator er- pensiert werden. Gleichzeitig wird wegen der höheren
zeugt. Diese Zündanlagen verfügen über einen extrem Verbrennungstemperaturen auf Zündkerzen mit ge-
9 schnellen Spannungsanstieg (einige kV/µs) und sind ringeren Wärmewerten und Ir-Elektroden umgestellt.
damit sehr nebenschlussfest gegenüber Belägen auf den Um die vollen Potenziale von Gasmotoren heben
10 Zündkerzen. Nachteilig sind die mit circa 100 µs sehr
kurze Brenndauer, die bei inhomogenen Gemischen zu
zu können muss der Motor monovalent, speziell nur
auf den Betrieb mit Gas, adaptiert sein. Dem Zünd-
Zündaussetzern führen kann, sowie der große Funken- spannungsanstieg bei höherer Aufladung kann dann
11 strom, der zu erhöhtem Zündkerzenabbrand führt. mit kleineren Elektrodenabständen begegnet werden,
Eine weitere Verbesserung dazu ist die „Wechsel- da mit gasförmigen Kraftstoffen kein Quenching an
spannungszündung“ wie sie beim Mercedes 12-Zy- den Elektroden auftritt. Die Verwendung von gekühl-
12 linder (V12) eingesetzt wird [9]. Dabei wird ein tem AGR führt zu ähnlichen Problemen wie im Betrieb
Kondensator als Energiespeicher mit einem schwach mit Benzin.
13 gekoppelten Zündtransformator zu einem Schwing-
kreis mit einer Resonanzfrequenz von circa  20 kHz
verbunden. Nach dem Funkendurchbruch wird von 13.1.8 Zusammenfassung/Ausblick
14 der Sekundärseite der Spule Energie in den Funken ge-
liefert, während der Kondensator wieder geladen wird Zur Erhöhung der Betriebssicherheit sollen Zündsys-
15 (Sperrwandlerprinzip). Im Gegensatz zur HKZ reißt
hierbei der Funke nicht ab, da genug Energie im Sys-
teme über eine kleine Quellimpedanz und/oder über
einen steilen Spannungsanstieg verfügen (Neben-
tem bleibt, um die Oszillation aufrecht zu erhalten. Die schlussfestigkeit).
16 Gefahr von Zündaussetzern bei inhomogenen Gemi- Weiterhin müssen Zündsysteme ausreichend
schen ist damit gegenüber der HKZ deutlich reduziert. Hochspannung liefern. Für künftige Zündsysteme
Mit dieser Wechselspannungszündung erhält muss mit einem weiteren Anstieg der Spannungsan-
17 man eine Zündung, bei der im Gegensatz zur TSZ die gebotsforderungen (Magerbetrieb, hohe AGR-Raten,
Brenndauer unabhängig vom Zündspannungsangebot Turboaufladung, Otto-DE), gerechnet werden. So gilt
18 frei einstellbar wird. Mit einer solchen bedarfsgerecht speziell, dass der Zündspannungsbedarf bei einem ma-
gesteuerten Brenndauer (energy controlled ignition) gerbetriebenen Motor mit Direkteinspritzung, der un-
reduziert sich der Zündkerzenverschleiß und nach ter Teillast im Schichtladebetrieb betrieben wird, höher
19 dem kontrollierten Funkenende können an den Zünd- ist als bei einem vergleichbaren Motor im stöchiomet-
kerzen zum Beispiel Ionenstrommessungen zur Zünd- rischen Betrieb, weil Ladungsverdünnung durch Luft-
20 aussetzerkennung durchgeführt werden [9].
Alle hier neben der TSZ betrachteten Zündungen
überschuss und/oder Abgasrückführung die Gasdichte
im Zylinder erhöht und deshalb die Durchbruchspan-
benötigen neben der Spule weitere Bauteile wie Kon- nung zum Zündzeitpunkt steigt.
13.2 • Zündkerzen
703 13
..Abb. 13.9  Aufbau einer Zünd- Vernickelter
Kerzenkörper
kerze Unverlierbarer
Außendichtring
Fünffach-Kriechstrombarriere
Anschluss für mit Rillenprofil Innerer Dichtring
den Kerzenstecker
Einführungsansatz
Atmungsraum

Isolatorfuß
Masse-
elektrode
Mittelelektrode

Zündstift
Isolator aus Aluminiumoxid Elektrisch leitende Glasschmelze

Die höchsten Zündspannungen jedoch, die typi- 13.2 Zündkerzen


scherweise unter Volllast, im Homogenbetrieb erreicht
werden, sind bei beiden vergleichbar, so dass die An- 13.2.1 Anforderungen an Zündkerzen
forderungen eines Motors mit Direkteinspritzung be-
züglich der maximalen elektrischen Isolationsfestigkeit Die Zündkerze stellt die zur Zündung notwendigen
an Zündspule, Leitung und Zündkerze, im Vergleich zu Elektroden im Brennraum zur Verfügung und muss
denen eines Motors mit Multipointeinspritzung unver- damit den schnell wechselnden motorischen Anfor-
ändert bleiben [11]. Nur ein hohes Energiespeicher- derungen genügen.
vermögen der Zündanlage ermöglicht die Erzeugung Elektrisch muss die Zündkerze die Hochspan-
eines ausreichend großen Plasmakanals. nungsübertragung sicherstellen und die erforderlichen
Bemühungen den Kraftstoffverbrauch weiter Zündspannungen von über 30 kV isolieren, Durch-
deutlich zu reduzieren führen über Downsizing und und Überschläge vermeiden, und diese Fähigkeit zur
Aufladung der Motoren, sowie der Zufuhr gekühlter Beständigkeit gegen dielektrischen Belastungen durch
AGR. hohe Feldstärken und schnell wechselnde Felder über
Aufgrund der Ladungsverdünnung mit Luftüber- Lebensdauer unverändert beibehalten.
schuss oder AGR muss mehr Energie ans Gemisch (70 Mechanisch soll die Zündkerze den Brennraum
bis 120 mJ) geliefert werden, um wiederholbare ausrei- druck- und gasdicht abschließen sowie die mechani-
chende Flammkernentwicklung sicherzustellen. schen Kräfte beim Verschrauben der Kerze aufnehmen.
Trotz dieser Verbrennungsunterstützung durch Thermisch gutes Wärmeleitvermögen schützt die
induktive Zündsysteme mit höherer Ausgangsenergie Zündkerze gegen die Belastungen der kleinen thermi-
destabilisiert sich mit wachsendem AGR-Anteil die schen Schocks in jedem Verbrennungszyklus und hält
Schwerpunktlage der Verbrennung. Gleichzeitig muss die Temperatur der Zündkerze niedrig.
wegen der zunehmenden Klopfneigung der Zündwin- Elektrochemisch muss die Zündkerze sowohl den
kel zurückgenommen werden, was die mögliche Ver- Angriffen durch Funkenerosion als auch denen durch
brauchreduzierung begrenzt. Verbrennungsgase und -rückstände, wie Heißgaskor-
Weiteres Potenzial bietet der Einsatz einer rosion, Oxidation und Vergiftungen durch Schwefel im
„Korona“-Zündung [12], bei der es keinen direkten Kraftstoff widerstehen und die Bildung von Ablagerun-
Funkenüberschlag sondern nur eine Koronaent- gen auf dem Isolator vermeiden helfen.
ladung ausgehend von den Elektrodenspitzen im
Brennraum gibt. Durch die entstehende Raumzün-
dung kann die Schwerpunktlage der Verbrennung 13.2.2 Aufbau
auch für höhere AGR-Raten konstant gehalten wer-
den. Gleichzeitig wird mit diesem Zündsystem der Den obigen Anforderungen entsprechend hat sich
druckabhängige Anstieg des Zündspannungsbedarfes der prinzipielle Aufbau der Zündkerze im Lauf der
bei weiterer Aufladung begrenzt, da die Spannung für motortechnischen Entwicklung kaum verändert,
einen Funkendurchbruch im Gas nicht mehr erreicht . Abb. 13.9. Gleichwohl sind vor allem in den letzten
werden muss. 20 Jahren durch die gestiegenen Anforderungen zur
Anpassung der Zündkerze an für jeden Motor spezi-
fische Erfordernisse Veränderungen in Form konst-
ruktiver Details und verbesserten Werkstoffen erfolgt,
704 Kapitel 13 • Zündung

1 Luftfunkenstrecke ..Abb. 13.10  Verschiedene Funken­


1 2 Luft/Gleitfunkenstrecke
3 Gleitfunkenstrecke wege
2 1 2 1
3
2 1
3

3
4 „Heiße Kerze“ „Kalte Kerze“

5
6
7
..Abb. 13.11 Normale und vorgezogene Funkenlage
8
womit unter anderen die Wechselintervalle deutlich
9 verlängert wurden. Gleitfunkenkonzepte wurden ..Abb. 13.12  Warme beziehungsweise kalte Zünd-
durch den Einsatz unverbleiten Kraftstoffes überhaupt kerzen

10 erst möglich.
Der Isolator der Zündkerze besteht aus einer Alu- kkGleitfunken
miniumoxid-Keramik, die für die hohe elektrische Gleitet der Funke beim Überschlag über den Isolator,
11 Durchschlagfestigkeit sorgt und in der Regel mit einer ist ein Freibrennen von Ablagerungen und Verbren-
rippenförmigen Kriechstrombarriere am Isolatorhals nungsrückständen möglich. Elektrische Nebenschlüsse
versehen ist. Im Isolator eingebettet sind Mittelelektrode werden vermieden, jedoch muss der Zündfunke ener-
12 und Zündstift gasdicht mit einer speziellen elektrisch lei- giereicher sein, damit das Abkühlen beim Gleiten über
tenden Glasschmelze verbunden. Durch entsprechende den Isolator kompensiert wird. Gleichzeitig ist oftmals
13 Beimischungen kann diese Glasschmelze mit einem de- durch den kleineren Spannungsbedarf ein verlängerter
finierten Widerstand ausgestattet werden, um Abbrand- Funkenweg realisierbar und damit eine größere Ge-
festigkeit und Entstöreigenschaften zu verbessern. mischzugänglichkeit möglich.
14 Die gasdichte Verbindung zwischen Isolator und
metallischem Körper wird mittels eines Innendichtrin- kkHalbgleitfunken
15 ges hergestellt, wobei die mechanische Vorspannkraft
auf den Dichtring durch den Zündkerzenkörper er-
Durch die Anordnung der Elektroden lassen sich Fun-
kenwege einstellen, die teilweise in Luft und teilweise
folgt, der zuerst an den Isolator gebördelt und anschlie- über den Isolator laufen. Durch Kombinationen von-
16 ßend durch einen speziellen Erwärmungsvorgang elek- einander unabhängiger Luft- und Gleitfunkenstrecken
trogestaucht wird. lässt sich der Zündspannungsbedarfsanstieg durch
Am Zündkerzenkörper sind eine oder mehrere Elektrodenabbrand verringern, was zu einer deutlichen
17 Masseelektroden angeschweißt, die mit der Mittel- Verlängerung der Lebensdauer der Zündkerzen führt.
elektrode die Gasentladungsstrecke bilden. Man unter- Die Elektrodenposition legt die Funkenlage im
18 scheidet verschiedene Zündkerzentypen entsprechend Brennraum fest, . Abb. 13.11.
der Anordnung ihrer Elektroden, beziehungsweise des
Funkenweges, . Abb. 13.10.
19 13.2.3 Wärmewert
kkLuftfunken
20 Bei Zündkerzen mit Hakenelektrode (J-type) ist durch
den offenen Funkenweg durch den Gasraum („Luft“)
Der Wärmewert ist ein Maß für die thermische Be-
lastbarkeit einer Zündkerze und beschreibt die maxi-
gute, bis optimale Gemischzugänglichkeit gegeben. male Betriebstemperatur, die sich an der Zündkerze im
13.2 • Zündkerzen
705 13
..Abb. 13.13  Spannungsbedarf (min, 35000
Uz [V] Zündkerze
max) und Spannungsangebot 60.000 km
30000
Zündkerze
neu
25000 Spannungs-
angebot
20000

15000

10000

5000

0
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
n [1/min]

Gleichgewicht zwischen Wärmeaufnahme und -abgabe mischen Belastung an den Elektroden führen. Um
einstellt. Schwingungsbrüche zu vermeiden, wird der Gewin-
Die Zündkerze soll nach dem Motorstart mög- deeinführungsansatz verlängert. Dadurch sind ver-
lichst schnell die „Freibrenntemperatur“ von > 400 °C kürzte und damit kältere Masseelektroden möglich.
erreichen um Ablagerungen auf dem Isolator oxidie- Alle Elektroden werden zudem noch mit Kupferkern
ren (freibrennen) zu können, um so elektrische Ne- ausgestattet.
benschlüsse zu vermeiden. Gleichzeitig muss aber die
Wärmeleitfähigkeit so gut sein, dass die stationäre End-
temperatur an keinem Punkt der Zündkerze 900 °C 13.2.4 Zündspannungsbedarf
überschreitet und es nicht zu unkontrollierten Glüh-
zündungen kommen kann. Konstruktiv wird der Wär- Die Differenz zwischen dem von der Zündspule zur
mewert der Zündkerze über die geometrische Form Verfügung gestellten Hochspannungsangebot und
des Isolatorfußes und des Atmungsraumes, sowie der der notwendigen Zündspannung (. Abb. 13.13) de-
Anordnung, Geometrie und Wärmeleitfähigkeit der finiert die Spannungsreserve. Der auftretende Elek-
Elektroden eingestellt, . Abb. 13.12. Zündkerzen mit trodenabbrand vergrößert den Elektrodenabstand
langen Isolatorwegen bis zur inneren Dichtung und und damit den Spannungsbedarf (. Abb. 13.14) und
offenen Atmungsräumen bilden große wärmeaufneh- bestimmt mit der Spannungsreserve die maximal
mende Flächen mit schlechter Wärmeableitung. Diese mögliche Lebensdauer (Einsatzdauer) der Zündkerze.
Kerzen werden „heiß“, Kerzen mit kurzen Isolatorfü- Eine einseitige Erhöhung des Spannungsangebotes
ßen entsprechend „kalt“ genannt. der Zündspule, um die Zündkerze länger betreiben zu
Durch den Einsatz von Verbundelektroden, wie können führt zu Problemen mit der Hochspannungs-
zum Beispiel Ni-Elektroden mit Kupferkern – Kupfer belastbarkeit der Zuleitungen und auf Grund der hö-
ist für den direkten Einsatz im Brennraum ungeeignet, heren Zündenergie zu erhöhtem Elektrodenabbrand
verfügt aber über eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit – und ist somit kontraproduktiv.
lässt sich die Wärmeabfuhr an den Elektroden erheb- Die in den . Abb. 13.13 und  13.14 dargestellten
lich verbessern. Zündspannungsbedarfe in Höhe und Häufigkeit des
Bei extrem weit in den Brennraum vorgezogenen Auftretens werden in einem Mix aus Überlandfahrt
Funkenlagen kann durch spezielle Anpassung des und Kreisbahntest mit hohem Beschleunigungsanteil
Querschnitts und der wärmeaufnehmenden Ober- ermittelt. An den Zündkerzen mit zwei seitlich ange-
fläche der Isolatorfußspitze ein rasches Erreichen der stellten Cr-Ni-Elektroden ist ein deutlicher Anstieg
Freibrenntemperatur und ein quasi selbst abregeln der des Spannungsbedarfes über der Laufzeit zu erken-
oberen Temperatur am Isolator unter 900 °C eingestellt nen.
werden. Damit eignet sich diese Zündkerze sowohl für Eine der Aufgaben der Zündkerze ist es, sowohl
den Einsatz in Brennräumen mit relativ niedrigen als die Zündspannung selbst, als auch den weiteren An-
auch mit sehr hohen Temperaturen [13]. stieg der Zündspannung über die Betriebsdauer klein
Schichtbrennverfahren benötigen in der Regel zu halten. Der Verkleinerung der Elektrodenabstände
weit in den Brennraum ragende Zündkerzen [14]. zur Reduzierung des Zündspannungsbedarfes sind
Dies kann zu einer erhöhten mechanischen und ther- aufgrund der erforderlichen Gemischzugänglichkeit,
706 Kapitel 13 • Zündung

5000 ..Abb. 13.14 Häufigkeitsverteilung
1 4500
Zündkerze 60.000 km
Zündkerze neu
Zündspannungsbedarf
4000

2 3500

3000
Häufigkeit

3 2500

2000

4 1500

1000

5 500

0
–3 kV

–5 kV

–7 kV

–9 kV

–11 kV

–13 kV

–15 kV

–17 kV

–19 kV

–21 kV

–23 kV

–25 kV

–27 kV

–29 kV
6
Zündspannungsklassierung

7 6000 ..Abb. 13.15  Schmelz- und Siedepunkte


verschiedener Metalle
5000

8
Temperatur [°C]

4000

Schmelzpunkt
3000
9 2000
Siedepunkt

10
1000

0
W Re Ir Ru Pt Rh Pd Au Co Ni Cr Ag

11 Elemente

insbesondere bei mageren Gemischen, sowie dem Auf- 13.2.5 Zündeigenschaft


12 treten von Quenching etc. enge Grenzen gesetzt. Bei (und Gemischentflammung)
zu kleinen Abständen gibt es Zündaussetzer durch die
13 Entflammung eines für die Initialzündung zu kleinen Neben den genannten Eigenschaften wird die Zünd-
Volumens oder durch die schlechte Gemischzugäng- kerze auch noch bezüglich ihrer Möglichkeiten zur
lichkeit. Reduzierung zyklischer Verbrennungsschwankungen
14 Die Verkleinerung der Elektrodenquerschnitte be- sowie der Verschiebung der Magergrenze beurteilt, um
wirkt eine Erhöhung der elektrischen Feldstärke durch die Laufruhe des Motors sowie Abgas und Verbrauch
15 Spitzenwirkung mit reduziertem Zündspannungsbe-
darf. Dies erfordert den Einsatz von Edelmetallelekt-
beeinflussen zu können.
Optimal geeignet scheinen Zündkerzen mit klei-
roden, bei denen auf Grund erhöhter Elektronenaus- nen Elektroden sowohl zur Reduzierung des Zünd-
16 trittsarbeit und erhöhtem Schmelz- beziehungsweise spannungsbedarfes als auch zur Reduzierung der
Siedepunkt des Materials die Elektrodenerosion re- Kontaktfläche der Flamme zu den Elektroden, um
duziert wird, . Abb. 13.15. Gleichzeitig wird auch die Wärmeverluste zu vermeiden. Vorteilhaft sind große
17 wärmeaufnehmende Oberfläche verringert. Zündspalte mit guter Gemischzugänglichkeit even-
Die Polarität der Zündspannung soll wegen der tuell realisiert durch Zündkerzen nach dem Gleit-
18 Temperatur der Elektroden vorzugsweise negativ ge- funkenprinzip, die den Spannungsanstieg durch
wählt werden, da die heißere Mittelelektrode den Elek- Elektrodenabbrand begrenzen, sowie eine geeignete
tronenaustritt erleichtert und damit den Spannungs- Elektrodenorientierung bei mittleren Strömungsge-
19 bedarf senkt. schwindigkeiten von 2 bis 5 m/s, bei denen sich die
Flamme von den Elektroden zwar wegbewegt, aber
20 nicht ausgeblasen wird [15]. Hierbei wird der Ein-
fluss dieser Maßnahmen auf den Elektrodenverschleiß
nicht mit betrachtet.
13.2 • Zündkerzen
707 13

Gleitfunkenkerzen (auch die mit mehreren Elek- welche Applikation optimal eignet. Es ist immer die
troden) eignen sich nach einigen Untersuchungen bestmögliche Anpassung an die Randbedingungen be-
nicht zur Entflammung magerer Gemische, da die züglich des thermischen Verhaltens, der Funkengeo-
Wärmeverluste am Isolator und die Gemischzu- metrie und des Zündspannungsbedarfes erforderlich.
gänglichkeit schlecht sind [16, 17], jedoch kann die Gleichzeitig soll die Zündkerze am Ort der günstigs-
Schlagweite auf Kosten größerer Zündspannungs- ten Strömungsverhältnisse (vorgezogene Funkenlage
bedarfe deutlich vergrößert werden, womit sich die – Otto-DE) liegen, was weitere Anforderungen an die
Gemischzugänglichkeit verbessert und die Neben- Materialauswahl der Elektroden und die Gestaltung
schlussunempfindlichkeit dieser Kerzentype besser des Isolatorfußes stellt.
zur Geltung kommt.
In modernen Motoren treten üblicherweise Strö-
mungsgeschwindigkeiten von über 10 m/s auf, im 13.2.6 Verschleiß
Otto-DE bis 30 m/s. Dies bewirkt, dass die Orientie-
rung der Elektroden im Brennraum durch Turbulen- Die Zündkerzenelektroden unterliegen mehreren Ver-
zen überdeckt wird und keinen Einfluss auf das Ent- schleißmechanismen.
flammungsverhalten hat, der Einfluss der Funkenlage 1. Die durch innermotorische Vorgänge ausgelöste
jedoch deutlich erkennbar ist [18]. Nach diesen Unter- thermische Beanspruchung durch Verdichtung und
suchungen ist die Zündkerze mit extrem weit in den Entflammung führt zu Materialabnutzung der in
Brennraum vorgezogener Funkenlage (Luftfunken- den Brennraum ragenden Elektroden durch Heiß-
strecke) im Motor mit Saugrohreinspritzung besser, im gaskorrosion und Verzunderung.
Motor mit Schichtladungsbetrieb (FSI von VW), [18] 2. Eine weitere Ursache für den Verschleiß sind che-
zeigt jedoch die Gleitfunkenkerze insgesamt besseres mische Reaktionen wie die Oxidation der Elektro-
Verhalten. Dabei spielt wohl das Freibrennverhalten den, ausgelöst durch Kraftstoff, Additive und Ver-
auf dem Isolator die entscheidende Rolle. brennungsgase. Bei hohen Temperaturen tritt in
Eine optimale Flammkernbildung erhöht die Verbindung mit aggressiven Gasen ein deutlicher
Durchbrenngeschwindigkeit, jedoch ist durch die Verschleiß am Elektrodenmaterial auf.
höheren Brennraumtemperaturen eine vermehrte Bil- 3. Der funkenerosive Angriff auf die Elektroden
dung von NOX möglich. bewirkt durch die hohen Temperaturen im Plas-
Eine besondere Herausforderung an die Zünd- makanal eine partielle Aufschmelzung und Ver-
kerze stellt der Kaltstart dar, bei dem die Zündkerze dampfung der Werkstoffe. Daraus ergibt sich die
ohne Nebenschlüsse einen aussetzerfreien Start und Forderung nach Werkstoffen mit hohen Schmelz-
insbesondere einen störungsfreien Motorhochlauf und Siedepunkten.
(Lastannahme) gewährleisten soll. Zum Beschleuni-
gen ist ein erhöhter Spannungsbedarf erforderlich, Überwiegend als Elektrodenmaterial eingesetzt wird
der bei Belägen auf den Zündkerzen zu elektrischen Nickel, dem zur Verbesserung der chemischen Be-
Nebenschlüssen und damit Fehlzündungen führen ständigkeit Aluminium und Chrom als Oxidbildner
kann. Ähnliche Probleme treten bei Wiederholstarts, sowie Mangan und Silizium gegen Schwefel in Öl und
bei dauerndem Kurzstreckenbetrieb oder Langsam- Kraftstoff zulegiert sind, . Abb.  13.16. Mit einem
fahrten auf, bei denen die Zündkerze nicht richtig Schmelzpunkt von nur circa  1450 °C erweist sich
heiß wird. Abhilfe wird technisch dadurch möglich, das Material als nicht resistent gegen Heißgasangriffe
dass die Zündkerzen mit Gleitfunkenstrecken auf und Funkenerosion, . Abb. 13.17. Gleichwohl sind
dem Isolator (Reinigung durch gleitenden Funken) mit optimierten Legierungen und geeigneten geome-
oder zum Isolator weisenden Koronakanten an der trischem Aufbau Laufleistungen von 60.000 km und
Hochspannung führenden Mittelelektrode (Reinigung mehr möglich.
durch Zusatzionisation) ausgestattet sind. Scharfkan- Platin erfüllt die Forderungen nach hoher Tempe-
tige oder spitze Elektroden am Überschlagspfad ver- ratur- und Oxidationsstabilität. Chemische Angriffe an
ringern den Spannungsbedarf und reduzieren so die den Korngrenzen durch die Platingifte Schwefel und
Nebenschlussneigung. Silizium bewirken einen erhöhten Verschleiß. Der
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Lichtbogen des Funkens führt zu partiellen Anschmel-
Zündkerze an jeden Motor und an jede Motorvari- zungen der Elektrodenoberfläche, die dann leichter mit
ante (Aufladung, AGR-Rate etc.) neu speziell ad- Verbrennungsgasen reagieren kann.
aptiert werden muss. Es ist keine generelle Aussage Noch höhere Schmelz- und Siedepunkte weist
darüber möglich, welcher Zündkerzentyp sich für Iridium auf, das aber als reines Material als Elektro-
708 Kapitel 13 • Zündung

Prüftemperatur: 1000 °C Funkenphase Dauer Energie Funkenerosion


1 1
2
NiCr2 Mn
NiMn3 Si Anstieg 60 µs
3 NiMn2
4 NiCr5 Mn Durchbruch 2 ns 0,5 mJ 12 · 10 –12 g/mJ
2 +500
5
6
NiCr2 MnSI
NiCr2 MnSiCe Bogen 1 µs 1 mJ 210 · 10 –12 g/mJ
4 7 NiCr 7615
8 NiAl 11 (15398) Glimmen 2 ms 60 mJ 3,5 · 10 –12 g/mJ

3 ±0
7 8
..Abb. 13.17  Verschleiß durch verschiedene Funken-
Gewichtsverdrängung [g/m2]

phasen [7]
4 –500
3
2 3
–1000
5
–1500
6
6 1

–2000 1 2

7 –2500
5

24 48 72 96 120 144 168 192 216 3


5
Glühdauer [h]
8 4
..Abb. 13.16  Heißgasbeständigkeit verschiedener
Ni-Legierungen
9
..Abb. 13.18  Prinzip der Stromlenkung [7]
denwerkstoff ungeeignet ist. Um seine hohe Tempera-
10 turbeständigkeit zu nutzen werden Platin, Palladium,
oder Rhodium zulegiert, die Oxide bilden und damit (. Abb. 13.19a, b) wird auf vordefinierte Bereiche der
die Oberfläche des Iridiums schützen [19]. Grundelektroden verlagert; die effektive Funkenlänge
11 In Zündkerzen für hohe Laufleistungen eignen steigt mit der Zeit an und begünstigt dadurch sogar
sich damit vor allem Edelmetallelektroden. Wegen der die Entflammungsfähigkeit [7]. Da die Zündspan-
hohen Kosten für die Edelmetalle reduziert man den nung durch den verringerten Elektrodenabbrand
12 Materialeinsatz und setzt Chrom-Nickelelektroden über die Kerzenlebensdauer nahezu konstant bleibt,
ein, bei denen nur die den Überschlagsweg bestim- kann ein größerer Elektrodenabstand und eine güns-
13 menden Bereiche mit Edelmetall armiert sind. Durch tigere Elektrodengeometrie gewählt werden, was die
geeigneten Aufbau können die Forderungen nach ho- Entflammungsfähigkeit und die Leerlaufstabilität
hen Kilometerlaufleistungen (Langlebensdauer) mit verbessert. Eine Einschränkung der Lebensdauer
14 nahezu unverändertem Zündspannungsbedarf, guter durch eventuelle Ablagerungen (4) auf dem Isolator
Gemischzugänglichkeit und Leerlaufstabilität sowie wird durch eine Hilfsfunkenstrecke (5) verhindert, die
15 geringer Nebenschlussempfindlichkeit und gutem
Kaltstartverhalten kombiniert werden.
diese Beläge über gelegentliche Gleitentladungen be-
seitigt. Gleichzeitig begünstigt diese zusätzliche Gleit-
Im . Abb.  13.18 ist das Prinzip der Stromlen- funkenstrecke das Kaltstartverhalten und vermeidet
16 kung durch Zweistoffelektroden dargestellt. Klein- Zündaussetzer in Betriebszuständen mit sehr hohem
flächige Ankerstellen (1) aus Werkstoffen mit hohen Spannungsbedarf.
Austrittsarbeiten und niedrigen Verdampfungsraten
17 (zum Beispiel Pt) sitzen auf beiden Elektroden mit
inversen Eigenschaften (zum Beispiel Cr-Ni) und 13.2.7 Applikation
18 bestimmen Zündspannungsbedarf und Überschlags-
ort. Diese Geometrie und die Materialauswahl er- Prinzipiell müssen Zündkerzen an jeden Motor neu
zwingen, dass der erste Funkenüberschlag über die appliziert werden, da sich die Anforderungen durch
19 Ankerstellen erfolgt, die Entladung aber sofort auf die Art der Gemischführung, die AGR-Rate, die Lage
die als Opferbereiche (3) ausgebildeten Bezirke der der Zündkerze etc. sehr stark unterscheiden. Die Be-
20 Trägerelektroden übergeht. Dadurch ist der Abbrand
der Ankerstellen minimal, Elektrodenabstand (2) und
urteilung der thermischen Eignung einer Zündkerze
erfolgt idealerweise im Originalaggregat. Dazu wird
Zündspannungsbedarf bleiben konstant. Der Abbrand die Wärmewertanpassung mittels Ionenstrommes-
13.3  •  Zündung – Dieselmotor
709 13
a b

..Abb. 13.19  a Abbrandverhalten Cr-Ni-Elektroden, Standardkerze nach 28.000 km, Änderung des Elektroden-


abstandes von 0,7 auf 1,1 mm, b Abbrandverhalten platinarmierter Elektroden, Langlebensdauerkerze nach
105.000 km, Änderung des Elektrodenabstandes von 1,00 auf 1,05 mm

sung vorgenommen, bei der man Veränderungen im Die Zündung ist dabei abhängig von den Aus-
Verbrennungsablauf beobachtet und durch Austasten
einzelner Zündungen Vor- und Nachentflammung
(Selbstentflammung) beobachten kann. Die Nachent-
flammung selbst ist für den Motor unkritisch.
--
gangsbedingungen der Gemischbildung wie:
dem Druck und der Temperatur der Ladung,
der Temperatur, der Viskosität, den Verdamp-
fungseigenschaften und der Zündwilligkeit des
Zusätzlich werden durch Thermoelemente an
den Zündkerzen im Motor unter verschiedenen
Drehzahl-/Last-Kollektiven Untersuchungen durch-
geführt, um den heißesten Zylinder und die maxima-
- Kraftstoffs,
dem Druck, dem Zeitpunkt und dem Verlauf
der Einspritzung, sowie der Düsengeometrie, die
die Spraybildung (Größe, Verteilung, Impuls der
len Elektroden- und übrigen Bauteiltemperaturen zu
ermitteln.
Dabei ist die Zündkerze so zu dimensionieren, dass
auch unter Volllast keine Vorentflammung auftreten
-- Tröpfchen) bestimmt,
der Ladungsbewegung,
der Ladungszusammensetzung, also dem Sauer-
stoffanteil und den Änderungen der spezifischen
kann.
Über Messungen an speziellen „Wärmewertmess-
motoren“ kann auf dem Prüfstand durch Frühverstel-
lung der Zündwinkel die Temperatur der Zündkerze
- Wärmekapazität durch AGR etc,
der Brennraumgeometrie.

Die Selbstzündung setzt lokal in den Bereichen mit be-


deutlich erhöht und mit einem optischem Zugang zum reits vollständig verdampftem, mit ausreichend Luft-
Zylinder die Temperatur der einzelnen Zündkerzen- sauerstoff gemischtem Kraftstoff ein. Während dieser
bauteile pyrometrisch ermittelt und die Vorentflam- Phase wird typischerweise noch weiter eingespritzt,
mungsneigung überprüft werden. Die Wärmewertre- Verbrennung und Gemischaufbereitung laufen zeitlich
serve kann dann in °KW angegeben werden, um den parallel ab. Der Entflammungsprozess ist stark inho-
die Zündung nach früh verstellt werden kann, ohne mogen, da gleichzeitig flüssige und gasförmige Phasen
dass Vorentflammung auftritt. mit komplexer dynamischer Interaktion vorliegen. Für
den Zündverzug und die dabei ablaufenden Vorgänge
ist die lokal vorliegende Temperatur entscheidend.
13.3 Zündung – Dieselmotor Das während der Zündverzugszeit aufbereitete
Kraftstoff-Luft-Gemisch verbrennt bei einsetzender
13.3.1 Selbstzündung Zündung mit hoher Geschwindigkeit. Die Verbren-
und Verbrennung nung des im weiteren Verlauf aufbereiteten Kraftstoffs
erfolgt hingegen mit einer langsameren Diffusions-
Kennzeichnend für den dieselmotorischen Verbren- verbrennung. Durch die zunehmende Energiefreiset-
nungsprozess ist die Selbstzündung. Zündwilliger zung wird die Aufbereitung weiter beschleunigt. Hohe
Kraftstoff wird gegen Ende des Kompressionstaktes in Umsatzraten bedeuten bei der Selbstzündung hohe
die heiße komprimierte Zylinderladung eingespritzt, Druckgradienten und damit in der Regel auch eine
mischt sich mit dieser und zündet. In der Zündver- hohe Geräuschemission. Um dies zu vermeiden, wird
zugszeit (zwischen Einspritzung und beginnender zum Beispiel durch die Einführung einer Voreinsprit-
Selbstentflammung) finden eine Reihe komplexer zung die Verbrennung vorgemischter Anteile so weit
physikalischer und chemischer Teilprozesse wie Spray- wie möglich begrenzt.
bildung, Verdampfung, Mischung und Kettenverzwei- Der Verbrennungsbeginn beziehungsweise der
gung (chemische Vorreaktionen) ohne nennenswerte Zündzeitpunkt muss hinsichtlich der Abgasemission,
Energieumsetzung statt. dem Verbrauch, der Leistung und der Geräuschent-
710 Kapitel 13 • Zündung

..Abb. 13.20  Wichtige Einfluss-


1 Außentemperatur/Luftdruck
parameter beim Kaltstart [22]

2 Batteriezustand
Ölviskosität
Triebwerksreibung

3 Kraftstoff Starterdrehzahl Kaltstartkomponenten

4 Ladeverluste Wärmeverluste
aus dem Zylinder der Zylinderladung

5 Druck/Temperatur der Ladung


Einspritzapplikation

6 Gemischbildung/Zündung

7
Start

8
wicklung optimiert werden. Dazu sind Kompromisse terstützung durch Änderung der Einspritzzeiten und
erforderlich, da sich die innermotorischen Maßnah- -mengen vorgenommen. Damit wird im Warmlauf des
9 men wechselseitig beeinflussen. Motors eine Verbesserung der Laufruhe, der Gas- be-
Im Pkw-Bereich setzten sich in den vergangenen ziehungsweise Lastannahme und eine Reduzierung der
10 Jahren Motoren mit Direkteinspritzung gegenüber
Konzepten mit geteilter Brennkammer durch [20]. Die
Schadstoffemission erreicht.
Tiefgreifendere Maßnahmen müssen bei Tempe-
Einspritztechnik sowie die Ausrüstung zur Kaltstart- raturen unterhalb des Gefrierpunktes vorgesehen wer-
11 unterstützung wurden beträchtlich weiterentwickelt. den, da sich mit weiter abnehmenden Temperaturen
Mehrere Einspritzungen je Arbeitsspiel bei höherem die Startqualität überproportional bis zu dem Punkt
maximalem Einspritzdruck und eine weitgehend freie verschlechtert, an dem sich der Motor überhaupt nicht
12 Lage der Einspritzzeitpunkte und -mengen zur Ver- mehr starten lässt.
besserung von Verbrauch und Laufruhe sind mög-
13 lich. Komponenten zur Kaltstartunterstützung wie 13.3.2.1 Wichtige Einflussparameter
die Glühkerzen wurden hinsichtlich der zuverlässigen Die dieselmotorische Verbrennung ist auf den Betrieb
Unterstützung bei extrem tiefen Starttemperaturen, ih- des Motors im betriebswarmen Zustand optimiert. Die
14 rer Aufheizgeschwindigkeit, ihres Energiebedarfs und dabei getroffene Wahl folgender äußerer Parameter hat

15
ihrer Lebensdauer verbessert.
Pkw-Dieselmotoren sind mit Elektromotor-Star-
--
maßgeblich Einfluss auf die Kaltstartqualität:
die Motorbauart (DI/IDI),
teranlagen ausgerüstet, deren Auslegung sich an der
Kaltstartgrenztemperatur orientiert, bis zu der der Mo-
- die Zylinderzahl,
das Hubvolumen beziehungsweise das Oberflä-
16 tor zuverlässig starten muss [21].
Die Zündung ist in starkem Maße abhängig von
-- chen-Volumen-Verhältnis,
das Verdichtungsverhältnis,

17 den Ausgangsbedingungen. Insbesondere im Kaltstart


sind diese Ausgangsbedingungen soweit verschlech-
--
die Starterausrüstung (Starterleistung, Batterie),
das Einspritzsystem,

18
tert, dass eine zufriedenstellende Zündung nicht ohne
zusätzliche Maßnahmen gegeben ist.
-
die Luftführung und -aufladung,
die inneren Verluste (Ölviskosität, Getriebe,
Nebenaggregate …).

19 13.3.2 Kaltstart Dieselmotor Gegenüber der Verbrennung im betriebswarmen Mo-


tor sind die Bedingungen beim Kaltstart und dem
20 Kaltstart sind alle Startvorgänge, bei denen Motor und
Medien nicht Betriebstemperatur haben. So wird be-
anschließenden Warmlauf des Motors für eine Selbst-
zündung und die anschließende vollständige Verbren-
reits bei Temperaturen unter +60 °C eine Kaltstartun- nung des Kraftstoffs deutlich schlechter. Die wichtigs-
13.3  •  Zündung – Dieselmotor
711 13
..Abb. 13.21 Mindeststart-
drehzahl [21] min–1
Kreiskolben-Ottomotoren
200
Dir. Dieselmotor
ohne Starthilfe

160

120
Drehzahl n

Dieselmotor mit
80
Starthilfe

40
Einspritz-Ottomotoren
Vergaser-Ottomotoren

0
°C –25 –20 –15 –10 –5 0
Temperatur ϑ

ten Einflussparameter auf das Startverhalten und die Kaltstartgrenztemperatur enorm gesenkt werden, wo-
Verknüpfungen der Parameter untereinander sind im mit überhaupt erst Starts bei Temperaturen um −20 °C
folgenden Diagramm dargestellt, . Abb. 13.20. Dabei und darunter ermöglich werden, . Abb. 13.21. Das
wurde der Weiterentwicklung von Kaltstartkomponen- Leistungsvermögen von Anlasser und Batterie wird
ten und Einspritzsystemen mit mehr Freiheitsgraden auf die geforderte Kaltstartgrenztemperatur ausgelegt,
Rechnung getragen. Auf die Darstellung weiterer Ver- wobei von einer vollgeladenen Batterie ausgegangen
knüpfungen wie den direkten Einfluss der Temperatur wird. Ist die Batterie nur zu Hälfte geladen verschiebt
auf die Ladungsverluste (Spaltmaße/Ölfilm) oder die sich die Grenztemperatur von zum Beispiel −24 auf
Kompressionsendtemperatur wurde der Übersichtlich- −20 °C [21].
keit wegen verzichtet. Eine wichtige Größe in diesem Zusammenhang
Niedrige Temperaturen verringern die Batterie- ist der Zündverzug, der die Zeit vom Beginn der Ein-
leistung und erhöhen die Triebwerksreibung, so dass spritzung bis zur Zündung beschreibt. Der Beginn
sich auf Grund des höheren Momentenbedarfs eine der Einspritzung wird über Nadelhubsignale, den
geringere erreichbare Starterdrehzahl ergibt. Diese Magnetventil- beziehungsweise Injektorstrom oder
führt zu höheren Ladungs- und Wärmeverlusten auf bei optisch zugänglichen Aggregaten mit dem Aus-
Grund der verlängerten Endphase der Kompression. tritt des Kraftstoffs aus dem Düsenloch bestimmt. Der
Die Drehgeschwindigkeit des Motors nimmt bei sehr Verbrennungsbeginn kann aus dem Zylinderdrucksi-
tiefen Umgebungstemperaturen im Bereich des Kom- gnal, einem Ionenstromsignal oder optisch aus Licht-
pressions- oder Zündtotpunkt so stark ab, dass die signalen gewonnen werden. Der Zündverzug nimmt
lange Verweildauer der heißen komprimierten La- mit abnehmender Ladungstemperatur exponentiell zu
dung im Brennraum zu einer deutlichen Abnahme [25] und hat bei einer mittleren Startdrehzahl von etwa
der Temperatur und des Ladungsdruckes führt [22]. 200 min−1 ein Minimum ([22]; . Abb. 13.22).
Dabei verschlechtern sich die Bedingungen für die Dies wird mit der Überlagerung des physikalischen
Gemischbildung und die Zündung dramatisch, wo- Zündverzuges mit dem chemischen Zündverzug er-
bei die Temperatur gegenüber dem Druck einen we- klärt. Während der physikalische Zündverzug mit
sentlich größeren Einfluss auf die Startqualität hat zunehmender Startdrehzahl auf Grund der besseren
[22–24]. Gemischaufbereitung abnimmt, nimmt der chemi-
Mit abnehmender Temperatur werden höhere sche Zündverzug zu [26]. Der Grund hierfür ist die
Starterdrehzahlen benötigt, um einen sicheren Kalt- Kinetik der Vorreaktionen, deren Dauer zeitlich an-
start zu gewährleisten. Durch eine Starthilfe kann die nähernd konstant ist. Im gezeigten Beispiel beträgt
erforderliche Mindeststartdrehzahl und damit die der chemische Zündverzug bei ϑ0 = −20 °C oberhalb
712 Kapitel 13 • Zündung

100
zahlzunahme als Antwort auf einen Einspritzmengen-
1 °KW ϑ0 = –20 °C
sprung beurteilen, . Abb. 13.23.
10 Trotz der messtechnischen Möglichkeiten, den
Zündverzug [°KW]

2 1
ϑ0 = +20 °C Kaltstart zu bewerten, ist letztendlich der subjektive
Eindruck des Fahrers entscheidend, der wesentlich
chemischer Zündverzug komplexer ist und die absolut gemessenen Größen
3 0,1
physikalischer Zündverzug
völlig unterschiedlich gewichtet.

4 0,01
0 100 200 300 400 500 13.3.3 Komponenten
Drehzahl [min–1] zur Kaltstartunterstützung
5 ..Abb. 13.22 Zündverzug [22]
Mit abnehmender Temperatur verschlechtern sich die
Bedingungen für eine rasche Zündung und vollstän-
6 von 200 min−1 etwa konstant 6 ms. Der chemische dige Verbrennung selbst bei sonst günstigsten Vor-
Zündverzug in Grad Kurbelwinkel steigt damit also aussetzungen. Ohne Kaltstarthilfsmittel nimmt die
7 proportional zur Drehzahl an. Gegenüber der in der
zitierten Untersuchung verwendeten Reiheneinspritz-
Startqualität soweit ab, dass bei Temperaturen unter
−10 °C der Start für den Fahrer unzumutbar lang oder
pumpe wird durch modernere Einspritztechniken der sogar unmöglich wird. Hilfsmittel zur Kaltstartunter-
8 physikalische Zündverzug weiter reduziert und die Ge- stützung haben die Aufgabe, die Zündbedingungen so
mischbildung deutlich verbessert. Bei höheren Star- weit zu verbessern, dass die Verbrennung im Zylinder
terdrehzahlen dominiert jedoch der chemische Zünd- innerhalb der zeitlich verfügbaren Grenzen möglichst
9 verzug so deutlich, dass hier die gezeigten Ergebnisse effektiv ablaufen kann. Die Grenzen werden durch den
weiter gelten. motorischen Ablauf im Arbeitstakt gesetzt und beste-
10 Der verlängerte Zündverzug unter Kaltstartbe-
dingungen kann durch Vorverlegung der Einsprit-
hen zum einen aus einem möglichst optimalen Beginn
der Einspritzung, so dass der eingespritzte Kraftstoff
zung nicht beliebig kompensiert werden. Viel zu früh zünden kann, bevor er sich an der Brennraumwand
11 eingespritzter Kraftstoff mischt sich in der noch wenig niederschlägt oder sich so stark durchmischt hat, dass
komprimierten Ladung bis zur Unterschreitung der die Zündgrenzen unterschritten werden, und zum an-
Zündgrenze oder lagert sich an den Brennraumwän- deren aus der maximal für die vollständige Verbren-
12 den ab und steht dann der Verbrennung, wenn die not- nung zur Verfügung stehenden Zeit. Weiterhin muss
wendigen Druck- und Temperaturverhältnisse für die eine ausreichende Menge des Kraftstoffs umgesetzt
13 Selbstzündung durch die fortschreitende Kompression werden, um durch eine die inneren Verluste überstei-
erreicht sind, nicht mehr zur Verfügung. gende Energiefreisetzung den Motor immer weiter
beschleunigen zu können. Zur Erfüllung dieser An-
14 13.3.2.2 Startbewertungskriterien forderungen sollte der Brennbeginn beziehungsweise
Im Pkw ist ein zuverlässiger, selbstständiger Start so- der maximale Druckanstieg um den oberen Totpunkt
15 wie ein anschließender stabiler und ruhiger Motorlauf
erforderlich. Eine Reglementierung der Abgasemissi-
liegen. Typischerweise ist die Verbrennung im Kalt-
start starken zyklischen Schwankungen unterworfen,
onen bei Kaltstarts unterhalb des Gefrierpunktes exis- so dass erhebliche Instabilitäten bis zu Zündaussetzern
16 tiert beim Pkw-Dieselmotor heute noch nicht. Daher auftreten [27]. Die Aufgabe der Kaltstarthilfe ist die
wird bei der Bewertung der Startgüte vor allem auf die Verschlechterung der Startbedingungen insbesondere
vom Fahrer empfundene Beeinträchtigung des Kom- in der verzögerten Gemischaufbereitung zu kompen-
17 forts geachtet. Diese beruht auf der Wahrnehmung sieren und die rechtzeitige und gleichmäßige Zündung
von Geräuschen oder Geruchsemissionen, sichtbaren für eine stabile Verbrennung einzuleiten.
18 Abgaswolken (Ruß, Blau- und Weißrauch), Vibratio- Dies geschieht bei der Glühkerze durch elektrisch
nen, Wartezeit bis zum Start, die Startzeit selbst und erzeugte und direkt in den Brennraum eingebrachte
eventuell einer unbefriedigenden Reaktion des Motors Wärmeenergie, die die Gemischbildung und die Zün-
19 auf einen Beschleunigungsvorgang. Die Qualität von dung lokal fördert. Ein anderer Ansatz insbesondere
Kaltstarts lässt sich somit durch Messung des Schall- für Motoren mit größeren Hubvolumina besteht in der
20 pegels, der Rauchdichte und weiterer Abgasemissionen
– dabei insbesondere HC – sowie der Bewertung der
Erwärmung der Ansaugluft durch Flammglühkerzen
oder elektrische Heizflansche, welche die gesamte Luft-
Drehzahlschwankungen im Leerlauf und der Dreh- ladung schon im Ansaugtrakt auf ein wesentlich höhe-
13.3  •  Zündung – Dieselmotor
713 13

2400 2,4

2200 2,2
Drehzahl ∆n = 980 min–1
2000 2

1800 1,8
Temperatur, Drehzahl [°C; min–1]

∆n = 37 min–1
1600 12,6

Extinktion [m–1]
1400 1,4
∆t = 1 s 1,2
1200

1000 1

800 Glühkerzentemperatur 0,8


s
∫ Edt = 17 m
600 0,6
s
∫ Edt = 0,4 m 0,4
400

200 0,2

0 0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22
Zeit [s]

..Abb. 13.23 Startbewertungskriterien

res Niveau anheben, so dass der eingespritzte Kraftstoff Glühstiftspitze durch die beschleunigte Verdampfung
Bedingungen vorfindet, wie sie im betriebswarmen der Kraftstofftröpfchen und der durch die bei höheren
Motor vorkommen. Temperaturen schneller ablaufenden chemischen Vor-
reaktionen [28] verringert. Im weiteren Verlauf muss
13.3.3.1 Glühsystem die lokal einsetzende Verbrennung genügend Energie
Ein Glühsystem mit Glühkerzen als aktiven Heiz- zur Selbsterhaltung der Flamme sowie zur Zündung
elementen im Brennraum und einer elektronischen des eingespritzten und wegen der niedrigen Tempera-
Ansteuerung interpretiert die Befehle der Motorsteu- turen nur teilweise aufbereiteten Kraftstoffs der nicht
erung, bereitet Informationen über den Zustand des in der Nähe der Glühkerze liegenden Einspritzstrah-
Systems auf und sendet diese ans Steuergerät zurück. len zur Verfügung stellen, so dass in der verbleiben-
Die Glühkerze ist bei modernen Pkw-Dieselmotoren den Zeit möglichst der gesamte eingebrachte Kraftstoff
zum Standardbauteil geworden. Für Motoren mit vollständig verbrennt. Die Glühkerze wirkt somit als
geteiltem Brennraum ist sie als Kaltstarthilfe unab- indirekte, lokale Anzündhilfe; die Energie zur Zün-
dingbar, um den Start auch im häufig auftretenden dung des Großteils des Kraftstoffs stammt aus dem
Temperaturbereich von 10 bis 30 °C sicherzustellen. Kraftstoff selbst.
Durch die drastische Verschlechterung der Startqua- Die Glühkerze wird in Abhängigkeit von der
lität unterhalb des Gefrierpunktes wird die Glühkerze Motortemperatur noch bis zu drei Minuten nach dem
als Kaltstarthilfe auch für den Dieselmotor mit Direkt- Start weiter bestromt (nachgeglüht), um günstige und
einspritzung eingesetzt [23]. gleichbleibende Zündbedingungen auch in der Warm-
laufphase des Motors sicherzustellen.
Prinzip  Die Glühkerze befindet sich typischerweise Die in den Brennraum eingebrachte Energiemenge
nahe an der Einspritzdüse, jedoch nicht direkt im Ein- während des Vorglühens durch die Aufheizung der La-
spritzstrahl positioniert und ragt etwa 3 bis 8 mm in dung oder der Brennraumwände ist für die Funktion
den Brennraum hinein. Sie stellt eine vergleichsweise nicht entscheidend, wenn nicht gar vernachlässigbar.
geringe Wärmeleistung in Form einer heißen Ober- Gute Startqualitäten können mit schnell aufheizenden
fläche direkt im Brennraum zur Verfügung. Die Leis- Glühkerzen auch gänzlich ohne zusätzliches Vorglü-
tungsaufnahme beträgt je nach Bauart und Größe 30 hen erreicht werden. Überdies ist die thermische Masse
bis 150 W im Gleichgewichtszustand. Damit erreicht der metallischen Brennraumwände so hoch, dass es
die Glühkerze an ihrer Oberfläche Temperaturen um im genannten Leistungsbereich innerhalb von 3 bis
800 bis 1100 °C. Der physikalische sowie der chemi- 15 s nicht zu einer signifikanten Temperaturerhöhung
sche Zündverzug wird in der Umgebung der heißen kommen kann. Eine eventuelle Erwärmung der Luftla-
714 Kapitel 13 • Zündung

Dichtsitz
Steckanschluss Innenpol Körper
1 Glührohr
Wendel-
kombination

2
3
..Abb. 13.24  Aufbau Glühkerze

4 dung während des Vorglühvorgangs ist mit dem ersten Zwischenglühen, also dem erneuten Einschalten der
Gaswechsel verloren. Die Erfahrung, dass mit längeren Glühkerzen bei durch Schubbetrieb ausgekühlten
5 Vorglühzeiten bessere Startqualitäten erreicht werden, Aggregaten, wird eine kontrollierte Verbrennung mit
beruht auf der Tatsache, dass sich eine selbstregelnde minimaler Emission sichergestellt.
Glühkerze mit wachsender Glühdauer über einen grö-
6 ßeren Bereich aufheizt und somit mehr Wärmeenergie Aufbau  Glühkerzen bestehen aus einem metallischen
gespeichert hat. Dadurch kühlt die Glühkerze während zu einer Wendel gewickelten Widerstandsheizelement,
7 des Startereingriffes weniger stark aus, wie dies mit
kürzeren Vorglühzeiten der Fall ist.
das durch eine heißgaskorrosionsbeständige Metall-
hülle gegenüber den Brennraumgasen geschützt ist.
Vielfach wird angenommen, dass ein „hot spot“, In diesem Glührohr ist die Wendel in verdichtetem
8 also ein vergleichsweise sehr kleiner, heißer Punkt zur Magnesiumoxid-Pulver eingebettet, das für elektrische
Zündung ausreicht. Da die Orte mit guten Zündbe- Isolation, gute Wärmeübertragungseigenschaften und
dingungen insbesondere im Kaltstart von Zyklus zu die mechanische Stabilität sorgt. Zusammen mit der
9 Zyklus stark schwanken und mit einer größeren ther- Stromzuführung zur Heizwendel bildet dieses Bauteil
mischen Masse auch Temperaturschwankungen am den Heizstab.
10 Glühelement reduziert werden, ist in der praktischen
Anwendung aber eher eine „hot area“ oder ein „hot
Dieser ist in einen Körper mit Dichtsitz, Gewinde
und Sechskant eingepresst, mit dem die Glühkerze in
volume“ notwendig. den Zylinderkopf eingeschraubt wird und den Masse-
11 kontakt herstellt. Die Stromzuführung zum Heizstab
Anforderungen  Die Glühkerze soll in einer möglichst besteht aus einem Gewinde- oder Steckanschluss. Stan-
kurzen Zeit eine ausreichend hohe Temperatur zur dardgröße für eine Glühkerze ist ein M10-Gewinde
12 Zündunterstützung bereitstellen und diese Temperatur und ein Heizstab mit 5 mm Durchmesser. Die Länge
unabhängig von den momentanen Randbedingungen und die Kopfform variieren je nach den Erfordernis-
13 halten oder sogar in Abhängigkeit von diesen anpassen. sen, . Abb. 13.24.
Der für die Glühkerze zur Verfügung stehende
Bauraum ist speziell bei modernen Motoren in Vier- a) Selbstregelnde Glühkerze  Bei der selbstregelnden
14 ventiltechnik, mit Pumpe-Düse-Elementen oder Injek- Glühkerze besteht die Wendel aus der Kombination ei-
toren, sehr begrenzt, so dass die Glühkerzen möglichst ner Heizwendel und einer Regelwendel. Die Heizwen-
15 schlank ausgeführt werden, andererseits aber über eine
gewisse Robustheit verfügen muss [29]. Hiermit ver-
del besteht aus einem hochtemperaturfesten Material,
dessen elektrischer Widerstand weitgehend tempera-
bunden ist oft eine Einbausituation, die hohe Kosten turunabhängig ist, wohingegen der Widerstand der
16 für das Wechseln der Glühkerzen verursacht, so dass Regelwendel einen großen positiven Temperaturkoef-
die Glühkerzen ein „Motorleben“ lang halten sollen. fizienten hat. Bei kalter Glühkerze stellt sich zunächst
Da die Bordnetzbelastung insbesondere im Kalt- ein hoher Strom ein, der zu einem schnellen Aufheizen
17 start kritisch ist, wird von den Glühkerzen eine mög- der Heizwendel führt. Durch Wärmeleitung und durch
lichst geringe Leistungsaufnahme gefordert. Eigenerwärmung wird im weiteren Verlauf auch die
18 Im Rahmen der Gesetzgebung wird für emissions- Regelwendel zunehmend heiß, so dass der Gesamtwi-
relevante Bauteile eine permanente Überwachung, die derstand zu- und der Strom damit abnimmt. Damit
On-Board-Diagnose (OBD), gefordert, die bei Glüh- ist ein schnelles Aufheizen mit selbsttätigem Regeln
19 systemen durch die Überwachung jeder einzelnen auf einer oberen Beharrungstemperatur kombiniert.
Glühkerze und die Rückmeldung an das Motorsteu- Durch die Wahl des Regelmaterials und der Wider-
20 ergerät sichergestellt wird. Mit elektronischen Glüh-
systemen verfügt man über weitere Möglichkeiten, in-
standsteilung zwischen Heiz- und Regelwendel sind
verschiedene Charakteristika im Temperaturverlauf
nermotorisch die Emissionen zu beeinflussen. Durch darstellbar.
13.3  •  Zündung – Dieselmotor
715 13
..Abb. 13.25  Start mit selbstre- 1200 5000
gelnder Glühkerze
Glühkerzentemperatur
1000 5000

Glühkerzentemperatur [°C]
800 4000

Drehzahl [min–1]
600 3000

Drehzahl
400 2000

200 1000

0 0
–15 –10 –5 0 5 10 15 20 25 30 35
Zeit [s]

Die Glühkerze wird über ein Relais oder einen sionsphase gekühlt. Die Temperatur der Glühkerze
elektronischen Schalter angesteuert und ist mit ih- nimmt mit zunehmender Drehzahl bei konstanter
rer Nominalspannung auf die bei stehendem Motor Glühkerzenspannung und Einspritzmenge ab, wäh-
durch das Bordnetz bereitgestellte Spannung aus- rend die Temperatur bei zunehmender Einspritzmenge
gelegt. Während des Starts und des Motorlaufs wird und konstanter Glühkerzenspannung und Drehzahl
die Glühkerze durch die Luftbewegung gekühlt. Dies zunimmt. Mit Hilfe des elektronischen Steuergerätes
wird jedoch durch die höhere zur Verfügung stehende können diese Effekte nun kompensiert werden, in dem
Bordnetzspannung kompensiert, so dass im Nachglü- immer die für den jeweiligen Betriebspunkt optimale
hen die gewünschten Temperaturen gehalten werden, Effektivspannung an die Glühkerzen ausgegeben wird.
. Abb. 13.25. Die Kompensation weiterer Einflussgrößen geschieht
analog. Damit ist die Glühkerzentemperatur in Abhän-
b) Glühsystem-ISS (Instant Start System)  Ein Schnell- gigkeit vom Betriebszustand applizierbar.
startglühsystem besteht aus einem elektronischen Steu- Weiterhin wird die Kombination einer Niedervolt-
ergerät und einer Schnellstart-Glühkerze [30]. Der Glühkerze mit einem elektronischen Steuergerät dazu
Aufbau ist ähnlich dem der selbstregelnden Glühkerze, genutzt, die Glühkerze extrem schnell aufzuheizen, in-
wobei die Wendelkombination jedoch erheblich ver- dem die volle Bordnetzspannung für eine vordefinierte
kürzt und der glühende Bereich auf etwa ein Drittel Zeit an die Glühkerze gelegt wird und erst anschlie-
reduziert ist. Dies entspricht bei Dieselmotoren mit ßend mit der notwendigen Effektivspannung getaktet
Direkteinspritzung dem in den Brennraum hineinra- gefahren wird. Die bisher übliche Vorglühzeit wird bis
genden Teil des Heizstabes. Als Nebeneffekt ergibt sich hin zu tiefsten Temperaturen auf maximal 2 s redu-
ein zwei- bis dreimal geringerer Leistungsbedarf, was ziert. Damit werden Startzeiten wie beim Ottomotor
insbesondere bei Motoren mit 8 oder mehr Zylindern ermöglicht.
eine wichtige Rolle spielt. Durch die hohe Dynamik des Glühsystems ist ein
Die Glühkerze ist für den Betrieb mit einer ge- Start auch ohne Vorglühen möglich. Bei tiefen Tempe-
genüber der Bordnetzspannung verringerten No- raturen ist es dennoch sinnvoll, kurze Vorglühzeiten
minalspannung von zum Beispiel 5 V ausgelegt, mit einzustellen, die mit notwendigen Initialisierungen,
der diese Glühkerze eine Beharrungstemperatur von Checks und so weiter zeitlich zusammenfallen kön-
circa 1000 °C erreicht. Durch das elektronische Steu- nen. Durch eine bereits heiße Glühkerze sind schon
ergerät wird die Bordnetzspannung getaktet und so die von Beginn an wesentlich bessere Zündvoraussetzun-
an die Glühkerze anstehende Spannung auf effektiv 5 V gen gegeben.
reduziert. Damit kann die Wunschtemperatur an der Die Elektronik übernimmt zusätzlich noch
Glühkerze gehalten werden, sobald eine Bordnetz- Schutzfunktionen für die Glühkerze und kommuni-
spannung von mehr als 5 V zur Verfügung steht. Die ziert mit dem Motorsteuergerät (wegen OBD). Mit
Glühkerzentemperatur ist dadurch unabhängig von seinen erweiterten Freiheitsgraden wird zukünftig das
der Bordnetzspannung, die insbesondere während des Glühsystem in die Applikationsphase zur Optimie-
Startereingriffs oftmals nur 7 bis 9 V beträgt. rung der innermotorischen Verbrennungsvorgänge
Bei laufendem Motor wird die Glühkerze durch und der Lebensdauer der Glühkerzen herangezogen
Ladungswechsel und Luftbewegung in der Kompres- werden.
716 Kapitel 13 • Zündung

300 Rahmen Masseanschluss


1 n = 1,37 ε = 18,5
250
Heizband
ε = 21

2 200 ε = 16 Träger für


Keramikisolation
∆T2 [K]

3
150

100

4 50 Versorgungsanschluss

5 0
0 20 40 60 80 100 ..Abb. 13.27 Heizflansch
∆T1 [K]

6 ..Abb. 13.26 Kompressionsendtemperaturzunahme Prinzip  Der Heizflansch mit einer Anschlussleistung


mit Ansaugluftvorwärmung von 0,5 bis 2 kW wird vor oder im Ansaugrohr einge-
7 c) Keramikglühkerzen   Um bei modernen niedrig ver-
baut. Die elektrische Leistung wird im Heizflansch in
Wärme umgesetzt und an die Ansaugluft abgegeben.
dichteten Dieselmotoren eine gute Laufkultur, nied- Üblich sind metallische Heizelemente ohne tem-
8 rige Emissionswerte und ein sauberes Startverhalten peraturabhängigen Widerstand. Darüber hinaus gibt
zu gewährleisten, bietet sich der Einsatz von Si3N4- es Heizflansche mit PTC-Charakteristik, die mit me-
Keramikglühkerzen an. tallischen oder keramischen Elementen realisiert sind
9 Damit sind hohe Dauerbetriebs- beziehungsweise [31]. Die für gute Starteigenschaften optimale Cha-
Maximaltemperaturen (1200 °C) und gegenüber Stahl- rakteristik kann durch eine entsprechende regelbare
10 glühkerzen deutlich längere Lebensdauern möglich.
Mit elektronischer Ansteuerung ergeben sich schnelle
Leistungselektronik unterstützt werden.
Durch den Heizflansch sollte die Ansauglufttem-
Temperaturanstiegszeiten (< 3 s). peratur um mindestens 30 K angehoben werden kön-
11 Mit diesen Eigenschaften lassen sich auch kom- nen. In . Abb. 13.26 ist die nach der Beziehung für die
plexe Regelstrategien mit Vor-, Zwischen- und Lang- polytrope Kompression T2 = T1 ∙ εn−1 gerechnete the-
zeitglühen realisieren, um zum Beispiel der starken oretische Zunahme der Kompressionsendtemperatur
12 Auskühlung des Brennraumes im Schubbetrieb und T2 über der Ansauglufttemperatur T1 für verschiedene
der damit verbundenen höheren Emissionen zu be- Verdichtungsverhältnisse und einen Polytropenexpo-
13 gegnen. nenten von n = 1,37 aufgetragen.
Es gibt dazu verschiedene technische Realisierun- Daraus ergibt sich, dass beispielsweise bei einem
gen zum Beispiel mit in der Keramik eingesinterten Verdichtungsverhältnis von ε = 18,5 eine Erhöhung
14 WC-Heizleitern oder der Dotierung der Keramik der Ansauglufttemperatur um ∆T1 = 50 K zu ei-
mit MoSi2 zur Einstellung des Heiz- beziehungsweise ner Erhöhung der Kompressionsendtemperatur um
15 Leiterwiderstandes. Bei der Keramik mit der MoSi2-
Dotierung lässt sich der Heizleiter an der Außenseite
∆T2 = 147 K führt.
In der Literatur werden häufig Polytropenexpo-
des Glühstiftes platzieren, was zu deutlich schnelleren nenten von n = 1,2 bis 1,3 zur Berechnung des ther-
16 Aufheizzeiten führt, da nicht zunächst die ganze Kera- modynamischen Zustandes im Kaltstart verwendet.
mik aufgeheizt werden muss. Diese Exponenten resultieren aus Druckmessungen
unter Berücksichtigung der Wärme- und Ladungsver-
17 13.3.3.2 Heizflansch luste. Rau [22] zeigte jedoch mit einer integrierenden
Elektrische Heizflansche werden heute vorwiegend bei Brennraumtemperaturmessung, dass der Exponent
18 Nutzfahrzeugmotoren mit Hubräumen größer 0,8 l pro für die Berechnung der Temperatur nahe bei dem
Zylinder eingesetzt. Sie ermöglichen einen zuverläs- theoretischen Exponent liegt, der in dem interessie-
sigen Start bei tiefen Temperaturen und eine Verrin- renden Bereich (250 K < T1 < 830 K) n = 1,38 beträgt
19 gerung der Rauchemissionen [31]. Mit wachsenden [22].
Anforderungen zur Reduzierung der Emissionen im Der Heizflansch verbessert durch die global höhere
20 Kaltstart und der Verbesserung des Fahrkomforts wer-
den entsprechend angepasste elektrische Heizflansche
Ladungstemperatur die Gemischaufbereitung und re-
duziert den Zündverzug erheblich.
auch für Pkw-Anwendungen interessant.
13.3  •  Zündung – Dieselmotor
717 13
..Abb. 13.28 Aufheizverhalten 1000 50
Heizflansch
Heizbandtemperatur
800 40

Heizbandtemperatur [°C]

Ansauglufttemperatur [°C]
600 30

400 Ansauglufttemperatur 20
Start

200 10

0 0
0 10 20 30 40 50 60
Zeit [s]

..Abb. 13.29  Opazität 30 s nach 100


dem Start [31]
80
ohne Starthilfe

60
Opazität [%]

40

2,2 kW Heizflansch
20

0
–25 –20 –15 –10 –5 0 5 10 15
Temperatur [°C]

Anforderungen  Für den elektrischen Heizflansch wird weise mäanderförmig mit etwa fünf Windungen in
eine kurze Aufheizzeit und ein guter Wärmeübergang einer keramischen Isolation geführt und einseitig mit
vom Heizelement an die Luft, bei gleichzeitig möglichst dem Rahmen zur Masseanbindung verbunden sind,
geringem Strömungswiderstand im Ansaugluftkanal, . Abb. 13.27.
gefordert. Die elektrische Anschlussleistung muss,
ohne das Bordnetz übermäßig zu belasten, die höchst- Funktion  Mit der Bestromung des Heizflansches er-
mögliche Ansauglufterwärmung gewährleisten. Der reicht das Heizelement 900 bis 1100 °C und erwärmt
verfügbare Bauraum ist durch den Ansaugluftquer- die ruhende umgebende Luft. Mit der Aktivierung des
schnitt vorgegeben. Die dynamischen Änderungen der Anlassers wird bereits vorgewärmte Luft angesaugt
Ansaugluftströmungsgeschwindigkeit erfordern eine und komprimiert. Die höheren globalen Ladungstem-
ausreichende thermische Masse des Heizflansches, um peraturen verbessern die Bedingungen zur Zündung.
sowohl eine schnelle Auskühlung als auch eine Über- Der Heizflansch erwärmt die nun strömende Luft im
hitzung des Elementes zu verhindern. Ansaugtrakt um circa 50 °C und wird dadurch selbst
Für die OBD kann mit Hilfe eines elektronischen auf 500 bis 600 °C abgekühlt, . Abb. 13.28.
Steuergerätes die Funktion des Heizflansches über- Die thermische Masse des Heizelementes puffert
wacht und an das Motorsteuergerät übermittelt werden. schnelle Änderungen der Luftströmung, langsame
Änderungen werden durch das Selbstregelverhalten
Aufbau  Der elektrische Heizflansch besteht aus ei- des Heizbandes oder eine elektronische Ansteuerung
nem etwa 20 mm breiten Rahmen oder Flansch in der kompensiert. Durch die gegenüber einer Glühkerze
Ansaugluftführung. Er übernimmt Dichtungsfunkti- wesentlich höhere Wärmeleistung des Heizflansches
onen, Stromanschluss und -durchführung, nimmt werden im gesamten Brennraum schnell Zündbedin-
Leistungselektronik und das Heizelement inklusive gungen erreicht, die zusammen mit einer Anpassung
Isolation auf. Das Heizelement besteht aus einem der Einspritzung die Rauchemissionen im Warmlauf
oder mehreren metallischen Bändern, die typischer- erheblich reduzieren ([31]; . Abb. 13.29).
718 Kapitel 13 • Zündung

Isolation I unterworfen [33]. Dies führt dazu, dass dem am Ort


1 der Glühkerze gemessenen Ionenstromsignal im Ge-
Zylinderkopf
gensatz zum integrierenden Zylinderdrucksignal ther-
2 modynamische Informationen wie Brennfunktion, die

Hilfsspannung
Lage des Verbrennungsschwerpunktes etc. zum Teil
nur indirekt mit erhöhtem mathematischem Aufwand
3 entnommen werden können.
RM Die Ionenstrommessung über die Glühkerze ist je-
doch im Vergleich zur Zylinderdruckindizierung mit
4 Ionenstrom
geringen Kosten realisierbar und stellt einen robusten
Messspannung innermotorisch dauernd auswertbaren Sensor dar. Po-
5 tenzielle Anwendungsgebiete der Ionenstrommessung

--
sind beispielsweise
..Abb. 13.30  Prinzip Ionenstrommessung Erkennung von Verbrennungsaussetzern,
6 Zylindergleichstellung in Bezug auf Brennbeginn,
Ausgleich von Toleranzen im Einspritz- und

-
13.3.4 Ausblick
7 Ansaugsystem etc,
Erfüllung von OBD-Anforderungen durch di-

-
13.3.4.1 Kombinierte Systeme rekte Rückmeldung aus dem Brennraum,
8 Das Glühsystem ist für den Dieselmotor im Pkw die Kompensation von unterschiedlicher Brenn-
geeignete Kaltstarthilfe, um einen möglichst schnellen stoffqualität.
Start bei minimaler Belastung des Bordnetzes sicherzu-
9 stellen. Demgegenüber bieten elektrische Heizflansche Zur Realisierung eines „Ionenstromgeregelten Diesel-
Potenzial zur weiteren Verminderung der Warmlauf- motors“ werden zurzeit erhebliche Anstrengungen un-
10 emissionen, der Verbesserung des Motorruhiglaufes
und der Lastannahme. Somit ist es besonders im Hin-
ternommen, entsprechende Auswertealgorithmen und
Reglerstrukturen aufzubauen, um eine Korrelation der
blick auf die sich verschärfende Abgasgesetzgebung gemessenen Signale mit den Vorgängen im Brennraum
11 naheliegend, beide Systeme zu kombinieren, um einen darzustellen. Weiterhin muss die Position des Sensors
schnellen Start mit minimalen Emissionen bei maxi- und sein Aufbau für den dauerhaften Einsatz opti-
maler Laufkultur zu ermöglichen. Diese Lösung bietet miert werden. Durch die für die Ionenstrommessung
12 sich insbesondere auch mit zunehmender Zylinderzahl notwendige Isolation des Heizstabes gegenüber dem
beziehungsweise Hubvolumen an. Zylinderkopf ist eine separate Masseverbindung des
13 13.3.4.2 Ionenstrommessung
Heizstabes zum Zylinderkopf notwendig, die für die
Ionenstrommessung unterbrochen werden kann. Ein
Im ottomotorischen Bereich wird die Ionenstrom- Schaltkreis, der dies realisiert, wird in die Glühkerze
14 messung bereits genutzt, um Informationen über die integriert, so dass sich am äußeren Aufbau der Glüh-
Verbrennung direkt aus dem Brennraum zu gewinnen kerze nichts ändert.
15 [9]. Damit keine zusätzliche Sonde in den Brennraum
eingebracht werden muss, bietet sich beim Dieselmo- 13.3.4.3 Geregelte Glühsysteme
tor die Glühkerze mit ihrer günstigen Position [32] Die heute vielfach eingesetzten selbstregelnden Glüh-
16 und der Möglichkeit zur Rußoxidation auf den Elek- kerzen werden künftig zunehmend von elektronisch
troden an. Wird der Heizstab vom Glühkerzenkörper gesteuerten Systemen abgelöst werden. Nächste Ziele
isoliert und eine Spannung angelegt, so bildet sich ein sind die Entwicklung geregelter Systeme, die keine
17 elektrisches Feld im Brennraum um die Glühkerzen- komplexe Berechnung der Ansteuerleistung in Ab-
spitze aus. Die Ladungen der im Feld befindlichen hängigkeit motorischer Parameter benötigen. Viel-
18 geladenen Teilchen fließen über die Elektroden ab. mehr soll vom übergeordneten Motorsteuergerät nur
Der Strom in der Größenordnung einiger Mikro- der Glühbedarf in Form eines Sollwertes an das Glüh-
ampere bis Milliampere kann durch eine geeignete steuergerät übermittelt werden, das diesen interpretiert
19 Schaltung gemessen, verstärkt und gegebenenfalls und die erforderliche Spannung an der Glühkerze ent-
aufbereitet an das Motorsteuergerät übermittelt wer- sprechend regelt. Um dieses Ziel zu erreichen müssen
20 den, . Abb. 13.30.
Die dieselmotorische Verbrennung ist, vor allem
Glühkerzen entwickelt werden, die ein gut auswertba-
res und stabiles Temperatursignal an das Glühsteuer-
lokal, signifikanten stochastischen Schwankungen gerät zurückmelden können.
Literatur
719 13
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721 14

Verbrennung
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker, Dr.-Ing. Peter Eckert

14.1 Kraftstoffe und Kraftstoffchemie  –  722


14.2 Oxidation von Kohlenwasserstoffen  –  723
14.3 Selbstzündung – 726
14.3.1 Das H2-O2-System – 726
14.3.2 Zündung von Kohlenwasserstoffen  –  727
14.3.3 Schnelle Kompressionsmaschine – 728
14.3.4 Dieselmotor – 728
14.3.5 HCCI-Motor – 728
14.3.6 Motorklopfen – 729
14.3.7 Modellierung der Selbstzündung  –  729

14.4 Flammenausbreitung – 730
14.4.1 Turbulente Skalen – 730
14.4.2 Flammentypen – 731

14.5 Modellbildung und Simulation  –  733


14.5.1 Klassifizierung von Verbrennungsmodellen – 734
14.5.2 Nulldimensionale Modelle – 735
14.5.3 Phänomenologische Modelle – 738
14.5.4 3D-CFD-Modelle – 739

Literatur – 741

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_14
722 Kapitel 14 • Verbrennung

Verbrennungsmotoren basieren auf der Nutzung von (Olefine), Alkine (Acetylene), Zyklo-Alkane (Naph-
1 chemisch gebundener Energie durch die Verbrennung then) und Aromaten.
von Brennstoff und Sauerstoff. Motorische Verbren- Alkane (Paraffine) sind kettenförmig aufgebaute
2 nungsprozesse können nach verschiedenen Kategorien
eingeteilt werden, zum Beispiel nach dem Brennstoff
Kohlenwasserstoffe mit ausschließlich Einfach-Bin-
dungen, wobei man zwischen Normal-Alkanen mit
(flüssig, gasförmig, leicht-, schwersiedend, Entflamm- gerad-kettenförmiger und Iso-Alkanen mit verzweigt-
3 barkeit), nach der Art der Gemischbildung (innere und kettenförmiger Struktur unterscheidet. Alkene (Ole-
äußere, homogen, heterogen) sowie nach der Art der fine) sind kettenförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe
Zündung (Fremdzündung, Selbstzündung). mit einer oder zwei Doppelbindungen, wobei Alkene
4 In diesem Kapitel werden zunächst die Brenn- (Monoolefine) eine und Alkadiene (Diolefine) zwei
stoffe beschrieben (▶ Abschn. 14.1) Danach werden Doppelbindungen aufweisen. Alkine (Acetylene) sind
5 die Grundlagen der Oxidation von Kohlenwasser- ebenfalls kettenförmig aufgebaut und weisen eine
stoffen (▶ Abschn. 14.2) sowie die Selbstzündung Dreifachbindung auf. In . Abb. 14.1 sind die Struk-
von Wasserstoff und Kohlenwasserstoffen dargestellt turformeln dieser aliphatischen Kohlenwasserstoffe
6 (▶ Abschn. 14.3). ▶ Abschnitt 14.4 beschreibt die Klas- angegeben.
sifizierung von Flammen. Abschließend gibt ▶ Ab- Die Strukturformeln der ringförmig aufgebauten
7 schn. 14.5 eine kurze Einführung in die Modellierung
von motorischen Verbrennungsprozessen. Details zur
Zyklo-Alkane (Naphthene) mit ausschließlich Einfach-
Bindungen und die der ringförmig aufgebauten Aro-
diesel- und ottomotorischen Verbrennung sind in den maten mit Doppelbindungen, deren Grundbaustein
8 ▶ Abschn. 15.1 und 15.2 zu finden. der Benzolring ist, sind in . Abb. 14.2 dargestellt.
Sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe sind ket-
tenförmig aufgebaute Verbindungen, bei denen man
9 14.1 Kraftstoffe zwischen Alkoholen, Ethern, Ketonen und Aldehyden
und Kraftstoffchemie unterscheidet.
10 Kraftstoffe für Otto- und Dieselmotoren werden
Alkohole enthalten eine Hydroxylgruppe (R–OH).
Die einfachsten Alkohole sind der Methylalkohol
üblicherweise durch Destillation aus Mineralöl ge- (Methanol: C3H–OH) und der Ethylalkohol (Ethanol:
11 wonnen und bestehen aus Hunderten von einzelnen C2H5–OH). Ether sind über eine Sauerstoffbrücke
Komponenten. Diese Zusammensetzung bestimmt (R1–O–R2) und Ketone über eine Carbonylgruppe
ganz entscheidend die physikalischen und chemi- (R1–CO–R2) miteinander verbundene Kohlenwasser-
12 schen und damit die motorischen Eigenschaften. stoff-Reste. Aldehyde enthalten eine CHO-Gruppe,
Neben Kraftstoffen auf fossiler Basis gewinnen alter- zum Beispiel Formaldehyd HCHO. Die Strukturfor-
13 native Kraftstoffe insbesondere in der Beimischung meln der sauerstoffhaltigen Kohlenwasserstoffe sind in
zunehmend an Bedeutung. So kann in Europa dem . Abb. 14.3 angegeben, wobei man die CHO-Gruppe
Dieselkraftstoff beispielsweise bis zu 7 % Biodiesel nicht mit der am Kohlenstoff hängenden OH-Gruppe
14 basierend auf veresterten Pflanzenölen beigemischt (–COH) verwechseln sollte.
werden. Ethanol aus nicht fossilen Quellen (zum Bei- Zur Feststellung der Zündwilligkeit von Otto- und
15 spiel Biomasse) wird in Europa dem konventionellem Diesel-Kraftstoffen verwendet man Zweikomponen-
Benzin zu 10 % beigemischt (E10). In den USA und
Schwellenländern, z. B. Brasilien, sind Brennstoffe
-
ten-Ersatzbrennstoffe und zwar den aus:
n-Heptan (C7H16) mit der Oktan-Zahl OZ = 0
16 mit einem Ethanolgehalt von über 70 % erhältlich.
Darüber hinaus gewinnen gasförmige Brennstoffe,
zum Beispiel in Form von komprimiertem Erdgas - und
Iso-Oktan (C8H18) mit der Oktan-Zahl OZ = 100

-
17 (Compressed Natural Gas – CNG) oder verflüssigtem bestehenden Ersatzbrennstoff für Benzin und den aus:
Erdgas (Liquified Natural Gas – LNG) zunehmend an α-Methylnaphtalin (C11H10) mit der Cetan-Zahl
18
19
Bedeutung.
Im Folgenden wird die Einteilung und der che-
mische Aufbau von einfachen Kohlenwasserstoffen,
sogenannte CxHyOz-Verbindungen soweit erläutert,
- CZ = 0 und
n-Hexadekan (Cetan: C16H34) mit der Cetan-
Zahl CZ = 100.

wie es für das Verständnis der Oxidation von Kohlen- bestehenden Ersatzkraftstoff für den Dieselkraftstoff,
20 wasserstoffen erforderlich ist.
Kohlenwasserstoffverbindungen werden üblicher-
wobei die Oktan-Zahl definiert ist als der Iso-Oktan-
Anteil und die Cetan-Zahl als der Cetan-Anteil des
weise unterteilt in Alkane (früher: Paraffine), Alkene Zweikomponenten-Ersatzbrennstoffes. Die Struktur-
14.2  •  Oxidation von Kohlenwasserstoffen
723 14

Zyklo-Alkane CnH2n (früher Naphtene)


Kettenförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit nur Ringförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit
Einfach-Bindungen
Einfach-Bindungen H H
Normal-Paraffine Iso-Paraffine
H H C
gerad-kettenförmig verzweigt-kettenförmig H H
C C H
H H H CH3 H H C H H
C C H C C H
H C C H H C C C H H H
H H C
H H H CH3 H
Ethan 2,2 Dimethylpropan H H
Zyklopropan Zyklohexan
Kettenförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit Aromaten
Doppel-Bindung (DB) Ringförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit
Alkene (Monoolefine) Alkadiene (Diolefine)
konjungierten Doppel-Bindungen
kettenförmig, eine DB kettenförmig, zwei DB
Grundbaustein ist der Benzolring
H H CnH2n-2 H H
H CH3
C C C C C
C C
H H H H
H C C H H C C H
Ethen Propadien (Allen)
H C C H H C C CH3
Kettenförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit C C
einer Dreifach-Bindung
H H
H C C H Ethin
Benzol 1,3 Dimethylbenzol
..Abb. 14.1  Aliphatische Kohlenwasserstoffverbin-
..Abb. 14.2  Azyklische und aromatische Kohlenwas-
dungen
serstoffverbindungen

formeln der Komponenten der beiden Ersatzbrenn-


stoffe sind in . Abb. 14.4 dargestellt. 14.2 Oxidation
Während für Otto-Kraftstoffe eine geringere von Kohlenwasserstoffen
Zündwilligkeit und damit eine hohe Klopffestigkeit
erwünscht sind, ist es bei Dieselbrennstoffen gerade Bei vollkommener Verbrennung werden Kohlenwas-
umgekehrt. Die Oktan-Zahl nimmt mit steigender An- serstoffverbindungen CxHy in Kohlendioxid CO2 und
zahl der Kohlenwasserstoffatome bei n-Alkanen und Wasserdampf H2O umgesetzt. Diese Reaktion kann
Alkenen ab und steigt mit der Zahl der Verzweigungen pauschal durch die Bruttoreaktionsgleichung
bei Iso-Alkanen und der Zahl der Komponenten mit
Doppelbindungen an. y y

Cx Hy + x + O2 ! x  CO2 + H2 O + R H
Der untere Heizwert bei Verbrennungen von Koh- 4 2
lenwasserstoffverbindungen liegt im Bereich:  (14.1)

40;2 MJ=kg (Benzol) < Hu < 55;5 MJ=kg (Methan) beschrieben werden, wobei die Reaktionsenthalpie
R H die durch die Verbrennung freigesetzte Wärme
Die maximale laminare Flammengeschwindigkeit der darstellt. Tatsächlich läuft die Verbrennung jedoch
flüssigen Kraftstoffkomponenten in Luft bei 1 bar liegt nicht nach dieser Bruttoreaktionsgleichung, sondern
bei nur etwa 2 m/s, bei der Verbrennung dieser Kom- nach einem sehr komplexen und auf Elementarreak-
ponenten im Motor treten dabei turbulente Flammen- tionen basierendem Reaktionsschema ab, das heute
geschwindigkeiten von bis zu 25 m/s auf. in groben Zügen verstanden und schematisch in
. Abb. 14.5 dargestellt ist.
724 Kapitel 14 • Verbrennung

Alkohole, R - OH
1 enthalten eine Hydroxylgruppe -OH
Methanol Ethanol
2 (Methylalkohol) (Ethylalkohol)
CH3 OH H C2 H5 OH H H
3 H C OH H C C OH

4 H
Ether, R1 - O - R2
H H

sind über eine O-Brücke miteinander verbundene


5 Kohlenwasserstoff-Reste (R1,R2)
H H H H
6 H C C O C C H
Diethylether
C2 H5 O C2 H5
7 H H H H

Ketone, R1 - CO - R2
8 sind über eine Karbonylgruppe -CO- miteinander
verbundene Kohlenwasserstoff-Reste
9 H H Aceton
H C C C H CH3 C CH3 ..Abb. 14.4  Strukturformeln der Komponenten der
10 H O H O
Ersatzbrennstoffe für den Otto- und den Dieselmotor

Aldehyde, R - CHO der heißen Flamme, schließlich CO2 und H2O gebildet.
11 enthalten eine -CHO- Gruppe
Bei der Oxidation der Kohlenwasserstoffe zum CO wer-
den etwa 40 % und bei der Oxidation des CO zum CO2
Formaldehyd H schließlich die restlichen 45 % der im Kraftstoff gespei-
12 H C cherten thermischen Energie freigesetzt. Die wesent-
O liche Wärmefreisetzung erfolgt also erst am Ende des
13 Reaktionsschemas bei der Oxidation von CO zu CO2.
..Abb. 14.3  Sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffver- . Abb. 14.6 zeigt qualitativ den zeitlichen Konzen­
bindungen trations- und Temperaturverlauf bei der Kohlenwas-
14 serstoffverbrennung.
Bei niedrigen Temperaturen entstehen Kohlenwas- Zur Berechnung der Temperatur und der Konzen-
15 serstoffperoxide (ROOH), die durch Dehydrierung in
kleine Alkane zerfallen. Diese Reaktionen sind für Zünd-
trationen in der Flammenfront kann angenommen
werden, dass die acht Komponenten H, H2, O, O2,
prozesse in motorischen Anwendungen von entschei- OH, CO, CO2 und H2O in der Flammenfront wegen
16 dender Bedeutung und werden in ▶ Abschn. 14.3 aus- der dort herrschenden hohen Temperatur im partiel-
führlich behandelt. Durch nachfolgende Reaktionen mit len Gleichgewicht sind. Dieses sogenannte OHC-Sys-
den Radikalen H, O und OH (Kettenträger) entstehen tem wird damit durch die fünf Reaktionsgleichungen
17 zunächst leichte Alkene und Alkadiene und schließlich
Aldehyde, wie Acetaldehyd CH3CHO und Formaldehyd H2 = 2 H (14.2)
18 HCHO. Bei hohen Temperaturen wird die Bildung von
O2 = 2 O (14.3)
Wasserstoffperoxiden umgangen, stattdessen werden
Alkene direkt aus dem Kraftstoff über einen β-Zerfall
19 gebildet [1]. Die Bildung der Aldehyde, bei der nur etwa
H2 O =
1
H2 + OH
10 % der insgesamt freigesetzten Wärme entsteht, wird 2 (14.4)
20 durch das Auftreten einer kalten Flamme begleitet.
In der daran anschließenden blauen Flamme wer- 1
H2 O = O 2 + H2
den CO, H2 und bereits H2O und in der letzten Stufe, 2 (14.5)
14.2  •  Oxidation von Kohlenwasserstoffen
725 14
..Abb. 14.5 Kohlen-
wasserstoff-Oxidations-
schema

ci 16 4
Temperatur
CxHy, O2 14 CO 2
H, O, OH

C O , O 2, O H , H 2, O , H [ % ]
CO2
C2H4, C3H6, C2H2 12 H 2O 3
HCHO, CH3CHO, H2
H2O
C O 2, H 2O [ % ]

10
CO CO
8 2

t 6
O2
..Abb. 14.6  Zeitlicher Temperatur- und Konzentrati- 4 1
onsverlauf bei der Kohlenwasserstoffverbrennung OH
2 H2
1 O H
CO2 = CO + O2
2 (14.6) 0 0
1500 2000 2500 3000
beschrieben, wobei für die fünf Gleichgewichtskons- Temperatur [K]
tanten gilt:
..Abb. 14.7  Partielles Gleichgewicht der OHC-Kom-
2 ponenten in Abhängigkeit der Temperatur für den
K1 = ŒH ŒH2  (14.7)
−1
Gesamtdruck 1 bar

K2 = ŒO2 ŒO2 −1 (14.8) Zusammen mit den Atombilanzen für die Atome O,
H und C (besser CO) und der Bedingung, dass die
1 Summe der Partialdrücke aller Komponenten gleich
K3 = ŒH2  2 ŒOH ŒH2 O−1 (14.9) dem Gesamtdruck sein muss, erhält man schließlich
ein nicht lineares Gleichungssystem, das mit bekann-
1 ten numerischen Integrationsverfahren, zum Beispiel
K4 = ŒO2  2 ŒH2 ŒH2 O−1 (14.10) dem Newton-Kantorowitsch-Verfahren, eindeutig
lösbar ist. In . Abb. 14.7 ist beispielhaft die Konzen-
1 trationsverteilung der OHC-Komponenten in Abhän-
K5 = ŒCO ŒO2  2 ŒCO2 −1 (14.11) gigkeit der Temperatur für den Gesamtdruck 1 bar
dargestellt.
726 Kapitel 14 • Verbrennung

Wird für eine nachgeschaltete Berechnung der In Abbruchreaktionen wird die Anzahl radikaler Spe-
1 thermischen Stickoxid-Bildung lediglich die Sauer- zies verringert, zum Beispiel bei der Rekombinations-
stoffatom-Konzentration benötigt, so kann diese auch reaktion von Methylradikalen:
2 näherungsweise mit der Beziehung
  CH3 + CH3 ! C2 H6 (14.16)
1 29:468
ŒO = 130ŒO2  exp − (14.12)
3
2
T Kettenabbrüche können auch durch Kollision von Ra-
dikalen mit den Brennraumwänden erfolgen, ein Me-
berechnet werden. Für weitere Details wird auf [2] chanismus der insbesondere bei niedrigen Drücken
4 verwiesen. von Bedeutung ist.

5 14.3 Selbstzündung 14.3.1 Das H2-O2-System

6 Zündung ist der Übergang eines nichtreaktiven Das H2-O2-System besitzt einen verhältnismäßig
Kraftstoff-Luft-Gemisches in eine Verbrennung. einfachen Zündmechanismus und ist sowohl bei der
7 Zündvorgänge können in die Kategorien thermale
Explosion und Kettenexplosion unterteilt werden.
Untersuchung der Wasserstoffverbrennung als auch
als Untermenge in Reaktionsmechanismen komple-
Nach Semenov’s Analyse [3] findet eine thermale xerer Kraftstoffe von Bedeutung. Trotz der einfachen
8 Explosion statt, wenn die chemische Wärmeproduk- Beschaffenheit des Kraftstoffs werden bei der Wasser-
tion die Wärmeverluste an den Brennraumwänden stoffverbrennung bereits circa 25 Reaktionen zwischen
übersteigt. Bei dieser Form der Zündung liegt ein di- acht unterschiedlichen Spezies, H2, O2, OH·, H2O, H·,
9 rekter Temperaturanstieg ohne Verzögerung vor. Bei O·, HO2· und H2O2, betrachtet. Die wichtigsten Reak-
Kettenexplosionen wird dagegen üblicherweise eine tionen in Bezug auf die Zündung sind [1]:
10 Zündverzugszeit mit konstanter Temperatur durch-
laufen. In dieser Zeit werden erste, als Kettenträger H2 + O2  HO2 + H (14.17)
dienende Radikale gebildet. Erst wenn eine gewisse
11 Menge dieser Radikale im System vorliegen, findet H2 + OH  H2 O + H (14.18)
eine ausreichende Wärmefreisetzung für eine Tem-
peraturerhöhung und eine nachfolgende Explosion H + O2  O + OH (14.19)
12 statt. Die Reaktionen einer Kettenexplosion werden
in Start-, Fortpflanzungs-, Verzweigungs- und Ab- O + H2  H + OH (14.20)
13 bruchsreaktionen unterteilt. Wichtige Radikale sind
beispielsweise die Atome O· und H· sowie das Hy­ H ! 0;5 H2 (14.21)
droxylradikal (OH·), das Hydroperoxyradikal (HO2·)
14 und das Methylradikal (CH3·). H + O2 + M  HO2 + M (14.22)
Startreaktionen bilden Radikale aus stabilen Spe-
Die Reaktion in ▶ Gl. 14.21 stellt dabei einen Wandab-
15 zies, wie zum Beispiel in der Reaktion zwischen Me-
than und molekularem Sauerstoff: bruch dar, die trimolekulare Reaktion in ▶ Gl. 14.22
ist zwar formell eine Fortpflanzungsreaktion, sie kann
16 CH4 + O2 ! CH3 + HO2 (14.13) jedoch als Kettenabbruch angesehen werden, da das
entstehende HO2·-Radikal relativ inert ist.
Fortpflanzungsreaktionen erhalten die Anzahl radika- Der Einfluss der unterschiedlichen Reaktionen
17 ler Spezies: auf die Zündung kann anhand eines Explosionsdia-
gramms erklärt werden, . Abb. 14.8. Bei konstan-
18 CH4 + OH ! CH3 + H2 O (14.14) ter Temperatur und sehr niedrigen Drücken findet
keine Zündung statt, da gebildete Radikale zu den
In Verzweigungsreaktion werden mehr Radikale gebil- Brennraumwänden diffundieren und in der Reak-
19 det als verbraucht: tionsgleichung  14.21 rekombinieren. Bei Erhöhung
des Druckes wird die Diffusion langsamer, sodass die
Kettenverzweigung in ▶ Gl. 14.19 überwiegt und eine
20
CH4 + O ! CH3 + OH (14.15)
erste Explosionsgrenze erreicht wird. Bei weiterer Er-
höhung des Drucks wird die zweite Reaktionsgrenze
14.3 • Selbstzündung
727 14

3.
Ex Explosion
p los
ion
sg
re
nz
e
Druck p

langsame Reaktion

ze
s gren ..Abb. 14.9  Schematische Darstellung des negativen
sion
xplo Temperaturkoeffizienten (NTC)
2. E

Explosion fen, insbesondere bei Alkanen, zusätzliche, komplexere


1. Explo Zündmechanismen auf. Die Verzweigungsreaktion in
sionsgre
nze ▶ Gl. 14.19 ist stark temperaturabhängig und verliert
bei T < 1100 K schnell an Bedeutung.
Temperatur T Die Zündung im niederen und mittleren Tempe-
raturbereich ist durch das Auftreten der sogenannten
..Abb. 14.8 H2-O2-Explosions-Diagramm Zweistufen-Zündung charakterisiert. Hierbei steigt die
Wärmefreisetzung zunächst durch eine erste Zünd-
erreicht. In diesem Bereich gewinnt die stark druckab- phase an und geht dann oberhalb von ungefähr 900 K
hängige Reaktion in ▶ Gl. 14.22 an Bedeutung und das wieder zurück. Nach Überschreiten von etwa 1000 K
H2–O2 Gemisch ist erneut stabil. An der dritten Ex- schließt sich eine zweite Zündphase an, die zur voll-
plosionsgrenze wird eine weitere Kettenverzweigung ständigen Oxidation des Kraftstoffs führt. Die exakten
über die vorher inerten HO2·-Radikale wichtig, zu- Temperaturen sind dabei stark vom Druck abhängig.
sammen mit einer durch den höheren Druck steigen- Die Zweistufen-Zündung erklärt das Auftreten
den Wärmefreisetzung pro Volumeneinheit kommt es des in . Abb. 14.9 schematisch dargestellten negativen
wieder zur Zündung. Temperaturkoeffizienten (NTC), der die Tatsache be-
schreibt, dass die Zündverzugszeit mit steigender Aus-
gangstemperatur innerhalb des NTC-Regimes größer
14.3.2 Zündung wird.
von Kohlenwasserstoffen Im Niedertemperaturbereich bei T < 900 K liegt
ein komplexer Kettenverzweigungsmechanismus vor
Die Zündung von Kohlenwasserstoffen kann wie die [4]. In einem ersten Schritt wird ein Wasserstoffatom
Wasserstoffzündung als Kettenprozess angesehen vom Kraftstoffmolekül RH abgespalten. An das ge-
werden. Kohlenwasserstoffe besitzen jedoch deutlich bildete Alkylradikal R· findet dann eine O2 Addition
komplexere Zündmechanismen mit wesentlich mehr statt:
beteiligten Spezies und Reaktionen. Wie bei der Was-
serstoffverbrennung liegen bei Kohlenwasserstoffen RH + OH  R + H2 O (14.23)
drei Explosionsgrenzen im Explosionsdiagramm vor.
Bei hohen Temperaturen und Drücken oberhalb RH + O2  R + HO2 (14.24)
circa 1100 K ist bei Kohlenwasserstoffen die Reaktion
dargestellt in ▶ Gl. 14.19 die dominierende Kettenver- R + O2  RO2 (14.25)
zweigung. In diesem Bereich läuft die Oxidation des
Kraftstoffs nach dem in ▶ Abschn. 14.2 diskutierten Die Gleichgewichtskonstante der Reaktion in
Schema ab. ▶ Gl. 14.25 ist stark temperaturabhängig. Bei nied-
In motorischen Anwendungen liegt die Tempe- rigen Temperaturen liegt das Gleichgewicht auf der
ratur nach der Kompression üblicherweise unterhalb rechten Seite, bei steigender Temperatur verschiebt
1000 K. In diesem Bereich treten bei Kohlenwasserstof- sich das Gleichgewicht nach links. Die entstehenden
728 Kapitel 14 • Verbrennung

10 serstoffperoxid werden große Mengen OH·-Radikale


1 produziert, die die Zündung beschleunigen und zu
8 2. Zündphase einer zweiten Wärmefreisetzung führen, die einen
2 Hochtemperaturmechanismus einleitet.
Druck [MPa]

6 1. Zündphase
Der negative Temperaturkoeffizient ist bei langket-
4 tigen Alkanen am stärksten ausgeprägt. Demgegenüber
3 zeigen Alkene und Aromate nur ein schwaches bezie-
2 hungsweise kein NTC-Verhalten [5].
Der vorgestellte Reaktionsablauf ist der maßgebli-
4 0
che Mechanismus für die Selbstzündung in Diesel- und
0.000 0.010 0.020 0.030
HCCI-Motoren, schnellen Kompressionsmaschinen
5 Zeit [s] sowie für die zum Motorklopfen führende Selbstzün-
dung im Ottomotor.
..Abb. 14.10  Druckverlauf in einer schnellen Kom-
6 pressionsmaschine

RO2·-Radikale durchlaufen eine interne Wasserstoff- 14.3.3 Schnelle


Kompressionsmaschine
7 abstraktion:

RO2  QOOH (14.26) Die Zwei-Stufen-Zündung ist in Versuchen mit einer


8 schnellen Kompressionsmaschine sehr gut erkennbar.
Durch weitere Reaktionen mit einer erneuten Sauer- Bei einer Kompressionsmaschine wird ein homogenes
stoffaddition und einer internen Wasserstoffabstrak- Kraftstoff-Luft Gemisch durch einen einzelnen Kom-
9 tion entstehen drei Radikale, darunter zwei OH·-Radi- pressionshub verdichtet und der Kolben am oberen
kale, sodass insgesamt eine starke Kettenverzweigung Totpunkt festgehalten. . Abb. 14.10 stellt den Druck-
10 vorliegt, die zu einer ersten bedeutenden Wärmefrei-
setzung führt.
verlauf in einem solchen Apparat über der Versuchszeit
dar. Nach Ende der Kompression bei circa 9,3 ms liegt
Die Niedertemperaturoxidation hält solange an, eine erste Zündverzugszeit vor. In der ersten Zünd-
11 bis sich das Gleichgewicht der Reaktion in ▶ Gl. 14.25 stufe steigen Druck und Temperatur stark an, bis der
bei einer Temperatur von circa 900 K verschiebt. Durch mittlere Temperaturbereich mit den Reaktionen in
diese Verschiebung wird die Kettenverzweigung über den ▶ Gln. 14.27 und 14.28 erreicht wird. Nach einer
12 die Isomerisierungsreaktion in ▶ Gl. 14.26 unterbro- zweiten, längeren Zündverzugszeit beginnt die zweite
chen, stattdessen werden in diesem mittleren Tem- Zündstufe mit der nachfolgenden Verbrennung.
13 peraturbereich verstärkt Alkene und HO2·- Radikale
gebildet. Die HO2·-Radikale reagieren weiter zu Was-
serstoffperoxid, H2O2, das zunächst relativ inert ist. 14.3.4 Dieselmotor
14
R + O2  Alken + HO2 (14.27) Die dieselmotorische Verbrennung besteht aus einer
15 HO2 + HO2  H2 O2 + O2 (14.28)
Vielzahl von Teilprozessen, unter anderem: Einsprit-
zung, Tropfenzerfall, Tropfenverdampfung, Selbst-
zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung. Die
16 Im Folgenden steigt die Temperatur langsam an, bis einzelnen Teilprozesse laufen weitgehend simultan ab
schließlich oberhalb von circa  1000 K Wasserstoff- und stehen in Wechselwirkung miteinander. Die ers-
peroxid extrem schnell zersetzt wird und die zweite ten Zündprozesse erfolgen in Dieselmotoren bei einem
17 Zündphase einleitet: lokalen fetten Luftverhältnis mit λ < 0,8. Da die Ein-
spritzung bei Dieselmotoren mit Direkteinspritzung
18 H2 O2 + M ! 2 OH + M (14.29) in der Nähe des oberen Totpunktes erfolgt, sind die
Zündverzugszeiten relativ kurz.
Dieser Prozess wird als degenerierte Kettenverzwei-
19 gung bezeichnet und ist die Ursache für den negati-
ven Temperaturkoeffizienten. Nach Verschiebung des 14.3.5 HCCI-Motor
Gleichgewichts der Reaktion in ▶ Gl. 14.25 werden
20 nicht mehr genug Radikale gebildet um den Zündpro- Beim HCCI-Prozess (Homogenous Charge Com-
zess fortzuführen. Erst mit der Zersetzung von Was- pression Ignition) wird ein mageres, homogenes
14.3 • Selbstzündung
729 14
80 70

70 2. Zündphase 60

gefeuert

Z ü n d z e itp u n k t
60 50

1. Zündphase

D ru c k [b a r]
50 40
Zylinderdruck [bar]

40 30

30 20

20 10
geschleppt Klopfbeginn
10 0
330 345 ZOT 375 390 405 420
0 Kurbelwinkel [°KW]
-40 -20 0 20 40
Kurbelwinkel [° KW] ..Abb. 14.12  Druckverlauf bei klopfender Verbren-
nung
..Abb. 14.11  Druckverlauf bei einer HCCI-Verbren-
nung
Brennstoff Spezies Reaktionen
Kraftstoff-Luft-Gemisch komprimiert. In der Nähe des H2 8 25
oberen Totpunktes zündet ein Großteil des Gemisches CH 4 30 200
homogen. . Abb. 14.11 zeigt einen typischen Druck-
C 3H 8 100 400
verlauf einer HCCI Verbrennung (Kraftstoff: Diesel).
C 6H 14 450 1.500
Deutlich zu erkennen sind die beiden abgesetzten
Zündstufen. Durch die frühe Mischung von Kraftstoff C 16H 34 1.200 7.000
und Luft liegen in diesem Prozess sehr lange Zündver-
..Abb. 14.13  Typische Größen vollständiger Reakti-
zugszeiten vor. Da die Wärmefreisetzung darüber hin-
onsmechanismen
aus überwiegend während der Zündung erfolgt ist die
HCCI-Verbrennung zu einem großen Teil durch die
oben beschriebenen kinetischen Vorgänge dominiert. Für eine detaillierte Beschreibung der klopfenden
Verbrennung sei auf ▶ Abschn. 15.2 verwiesen.

14.3.6 Motorklopfen
14.3.7 Modellierung
Motorklopfen ist ein ungewünschtes Phänomen in Ot- der Selbstzündung
tomotoren. Nach Einleitung der Verbrennung durch
die Zündfunken wird das unverbrannte Gemisch Wie in den vorangegangenen Abschnitten erläutert,
durch die Flammenfront weiter komprimiert und sind die kinetischen Vorgänge bei der Selbstzündung
dadurch zusätzlich aufgeheizt. Sind Temperatur und in Verbrennungsmotoren sehr komplex. . Abb. 14.13
Druck dabei hoch genug und steht ausreichend Zeit zur stellt typische Größen einiger Reaktionsmechanismen
Verfügung, setzt eine Selbstzündung nach dem in den von Kohlenwasserstoffen dar. Diese Mechanismen
Reaktionsgleichungen 14.23 bis 14.29 beschriebenen enthalten alle bekannten Prozesse und werden daher
Mechanismus ein. Diese dann fast isochor ablaufende auch als vollständige Mechanismen bezeichnet. Es ist
Restgasverbrennung führt zu steilen Druckgradienten, zu erkennen, dass die Komplexität der Mechanismen
die sich in Form von Druckwellen im Brennraum aus- stark mit der Komplexität des Kraftstoffs zunimmt,
breiten und das bekannte klopfende oder klingelnde so werden für Cetan ca. 1200 Spezies verwendet. Es
Geräusch hervorrufen. In . Abb. 14.12 ist qualitativ ist offenkundig, dass derart komplexe Modelle nur
der Druckverlauf einer klopfenden Verbrennung skiz- in einfachen Anwendungen verwendbar sind. Dies
ziert, wobei der Klopfbeginn eingezeichnet ist. Durch ist insbesondere bei der Betrachtung von realen, aus
die beim Klopfen auftretenden Druckwellen kann es einer Vielzahl von unterschiedlichen Kohlenwasser-
zu mechanischen Materialschäden und durch die er- stoffen bestehenden Kraftstoffen der Fall. Aus die-
höhte thermische Belastung auch zu Anschmelzungen sem Grund wurde eine Vielzahl von vereinfachten
am Kolben und am Zylinder kommen. Modellen zur Beschreibung der Selbstzündung ent-
wickelt.
730 Kapitel 14 • Verbrennung

14.3.7.1 Einschritt-Mechanismus
1 Die einfachste Modellierung der Selbstzündung stellt vi
die Verwendung einer globalen Einschrittreaktion dar,
2 wobei die Reaktionsrate über eine Arrhenius Glei-
chung beschrieben wird. Oft wird direkt die Zünd-
vi = vi' + vi

verzugszeit aus den Größen Druck, Temperatur und vi'


3 Luftverhältnis berechnet:



−E
 vi
4 tZV = A 2 exp
p RT (14.30)

5 Hierbei sind Nachkalibrierungen der Modellkonstan-


ten A und E notwendig, wenn sich z. B. der Tempe-
raturbereich, in dem es zur Selbstzündung kommt,
6 deutlich ändert. Das einfache Einschrittmodell kann je t
nach Aufgabenstellung in der Praxis oft mit gutem Er-
7 folg eingesetzt werden, der auf komplexen kinetischen
Vorgängen beruhende NTC-Bereich kann jedoch nicht
..Abb. 14.14  Reynolds’sche Mittelwertbildung einer
im Mittel stationärer, turbulenten Strömung
reproduziert werden.
8 handlung der die kinetischen Abläufe beschreibenden
14.3.7.2 Shell-Modell steifen Differentialgleichungen werden in den letzten
Um eine realistischere Darstellung der Zündung zu Jahren zunehmend detailliertere Reaktionsmecha-
9 erreichen, wurden eine Reihe von semi-empirischen nismen in komplexen Simulationsanwendungen ein-
Mehrschrittmodellen entwickelt. Das wahrscheinlich gesetzt. Diese ermöglichen auch eine durchgehende
10 am weitesten verbreitete Modell dieser Art ist das
Shell-Modell [6], das ursprünglich zur Vorhersage von
Beschreibung der chemischen Reaktionen von der
Zündung bis in den Hochtemperaurverbrennung mit-
Klopfen in Ottomotoren entwickelt und später für die samt der Berechnung von für die Schadstoffbildung
11 Modellierung der Dieselzündung erweitert wurde [7]. relevanten Vorläuferspezies.
Das Modell umfasst acht Reaktionen zwischen fünf
generischen Spezies und ist in der Lage den negativen
12 Temperaturkoeffizienten darzustellen. Darüber hinaus 14.4 Flammenausbreitung
werden Zündverzugszeiten unter verschiedenen Be-
13 dingungen gut vorhergesagt. 14.4.1 Turbulente Skalen
Einfache Ein- und Mehrschrittmodelle sind auch
heute in Simulationsanwendungen noch weit ver- Die Strömung in einem Verbrennungsmotor ist in der
14 breitet. Insbesondere existiert zunehmend die An- Regel turbulent und beeinflusst maßgeblich den Ver-
forderung ganze Fahrzyklen in der Gesamtsystemsi- brennungsprozess. Um unterschiedliche Flammenty-
15 mulation mit prädiktiven Vebrennungsmodellen zu
berechnen.
pen zu klassifizieren, ist es zunächst sinnvoll, einige
typische Kennzahlen und Skalen für Strömungen zu
definieren. Eine ausführliche Einleitung in die Strö-
16 14.3.7.3 Reduzierte und detaillierte mungslehre und Turbulenz findet sich beispielsweise
kinetische Mechanismen in [10] und [11].
Während das Shell-Modell bei der konventionellen Turbulente Strömungungen entstehen, wenn In-
17 dieselmotorischen Verbrennung und bei Motor- stabilitäten in der Strömung nicht ausreichend durch
klopfen in Ottomotoren zufriedenstellende Ergeb- Viskosität gedämpft werden. Gekennzeichnet ist Tur-
18 nisse zeigt, sind bei der Berechnung von Selbstzün- bulenz durch chaotisch variierende Strömungsgrößen
dungsprozessen mit langen Zündverzugszeiten wie und dreidimensionale Wirbelstrukturen. Eine de-
beispielsweise der HCCI-Verbrennung in der Regel taillierte Beschreibung aller einzelnen Wirbel ist für
19 detailliertere Mechanismen notwendig. Beispiele un- technische Aufgabenstellungen selbst mit moderne
terschiedlich komplexer Mechanismen sind in [8] und Großrechenanlagen nicht durchführbar, stattdessen
20 [9] zu finden.
Durch die kontinuierlich verbesserte Rechner-
ist eine statistische Beschreibung des turbulenten Strö-
mungsfeldes üblich. Dabei spaltet man entsprechend
leistung sowie Fortschritte in der numerischen Be- dem Reynoldsschen Ansatz die Momentanwerte u, v,
14.4 • Flammenausbreitung
731 14

Parameter Größe Turbulente


Vormischflamme
Turbulenzintensität urms 2 m/s
Ottomotor
Turbulente Reynoldzahl Ret 300
Integrales Längenmaß 2 mm
Kolmogorovlänge 0,03 mm DE-Ottomotor klopfender
(Schichtladung) Ottomotor
Integrales Zeitmaß 1 ms
Kolmogorov-Zeit 0,06 ms
Gasbrenner HCCI - Motor
DI - Diesel
..Abb. 14.15  Typische turbulente Kenngrößen in Turbulente Homogene
einem Ottomotor, λ = 1,0; n = 1500 min−1 [12] Diffusionsflamme Verbrennung

w der turbulenten Geschwindigkeitskomponenten in ..Abb. 14.16  Flammentypen in motorischen Anwen-


dungen [13]
die Mittelwerte u; v; w und die Schwankungswerte
u′, v′, w′ auf. Diese Zerlegung wird anschaulich
in . Abb. 14.14 für die an einem festen Ort gemessene 14.4.2 Flammentypen
Geschwindigkeit vi erläutert. Ein Maß für die Turbu-
lenzintensität stellt der „Root-Mean-Square“-Wert der Verbrennungsprozesse können eingeteilt werden in
Schwankungsgröße dar: Prozesse bei denen die Wärmefreisetzung in einer
Flamme erfolgt und in flammenlose. Flammen kön-
nen in vorgemischte und nicht-vorgemischte Flam-
q
urms = .u0 .t//2 (14.31) men unterteilt werden. Bei vorgemischten Flammen
sind Kraftstoff und Oxidationsmittel vor Beginn der
Bei der Betrachtung von turbulenten Strömungen Verbrennung homogen durchmischt, bei nicht-vorge-
sind insbesondere zwei Längenskalen von Bedeutung. mischten Flammen laufen Mischungs- und Verbren-
Die integrale Längenskala lI repräsentiert die mittlere nungsvorgänge gleichzeitig ab. Ein weiteres wichtiges
Ausdehnung der größten im Strömungsfeld vorkom- Unterscheidungsmerkmal bei der Betrachtung von
menden Wirbel. Die Kolmogorovlänge lK ist mit den Verbrennungsbereichen erfolgt nach der Art der vor-
kleinsten vorhandenen Wirbeln verbunden. liegenden Strömung in laminare und turbulente Flam-
In dieser Größenordnung ist die molekulare Vis- men. Turbulenz beschleunigt die Kraftstoffumsetzung
kosität von Bedeutung und es findet eine Dissipation sowohl bei der vorgemischten Verbrennung durch Ver-
von turbulenter kinetischer Energie in innere Energie größerung der Reaktionszone, als auch bei der nicht-
des Fluids statt. Mit der integralen Länge und der Tur- vorgemischten Verbrennung durch Verbesserung der
bulenzintensität kann eine turbulente Reynoldszahl Mischung.
definiert werden: . Abb. 14.16 stellt vereinfacht motorische An-
wendungen dar, in denen die genannten Verbren-
urms lI nungsprozesse auftreten. In Brennkammern von
Ret  (14.32)
 Verbrennungsmotoren liegen in der Regel hohe Tur-
bulenzintensitäten vor, sodass besonders die turbulen-
Aus den Längenskalen können Zeitskalen abgeleitet ten Flammen Bedeutung haben. Ein Beispiel für eine
werden. Die integrale Zeit und die Kolmogorov-Zeit turbulente Vormischflamme stellt der Ottomotor mit
beschreiben die Umdrehungszeit der entsprechenden Saugrohreinspritzung dar. Die Wärmefreisetzung in ei-
Wirbel und sind definiert als nem Ottomotor mit Direkteinspritzung liegt zwischen
den beiden Extremen vorgemischte und nicht-vorge-
lI mischte Verbrennung und wird daher als partiell vor-
l = und (14.33)
urms gemischte Verbrennung bezeichnet. Eine flammenlose
Verbrennung liegt in einem idealen HCCI-Prozess vor.
lK
K =
uK (14.34) 14.4.2.1 Vorgemischte Flammen
Eine laminare Vormischflamme kann in die drei Ge-
. Abb. 14.15 gibt typische turbulente Kenngrößen für biete Vorheizzone, Reaktionszone und Nach-Oxidati-
das Strömungsfeld in einem Ottomotor an. onszone unterteilt werden [14]. In der Vorheizzone,
732 Kapitel 14 • Verbrennung

. Abb. 14.17. Unterschiedliche Bereiche werden in


1 10 6
Da < 1 diesem Diagramm mit Hilfe der drei dimensionslo-
sen Kennzahlen turbulente Reynolds-, Karlovitz- und
u'
2 sl Da = 1
Damköhlerzahl identifiziert.
Die Damköhlerzahl beschreibt das Verhältnis der
4 Da > 1
10 turbulenten, integralen Zeitskala, die als Maß für die
3 Mischungszeit verwendet werden kann und der Zeit-
Ka > 1 skala der laminaren Flamme
5
4 10 2
Kai = 1
Ka = 1
l
4
Da =
F (14.36)
Ret = 1 Ka < 1
5 1
3
1 Die Karlovitzzahl ist das Verhältnis der laminaren Zeit-
Ret < 1 2 skala und der Kolmogorov-Zeit
6 lI
1 102 104 106 l
 2
F ıL
7 ..Abb. 14.17  Darstellung der vorgemischten Ver-
brennung im Borghi-Diagramm [15]
Ka =
l
=
lK
(14.37)

8 die den größten Teil der Flamme einnimmt, finden . Abb. 14.18 stellt die unterschiedlichen, im Borghi-
Wärmeleitung und Stoffdiffusion sowie erste Vorreak- Diagramm auftauchenden Verbrennungsbereiche
tionen statt. schematisch dar. Die Linie mit Re = 1 trennt den la-
9 Die eigentliche Reaktionszone, in der der Großteil minaren Flammenbereich (Re < 1) in der linken unte-
der schnellen Radikalkettenreaktion stattfindet, ist sehr ren Ecke von dem turbulenten Bereich (Re > 1) ab. In
10 dünn. In der Nach-Oxidationszone dominieren lang-
samere Reaktionen, zum Beispiel die Oxidation von
Bereich 2 des turbulenten Gebietes ist die Turbulenz­
intensität niedriger als die laminare Brenngeschwin-
CO zu CO2. Zur Charakterisierung einer laminaren digkeit, sodass eine nur leicht gewellte Flamme vor-
11 Flamme wird üblicherweise die laminare Brennge- liegt. Diese Flamme weist noch die Charakteristik von
schwindigkeit sL, eine mithilfe der Brenngeschwindig- laminaren Flammen auf und die Brenngeschwindigkeit
keit definierte theoretische Flammendicke  δL sowie wird in erster Linie von der laminaren Geschwindig-
12 die Dicke der inneren Reaktionszone  δi verwendet. keit vorgegeben. Im englischen Sprachgebrauch wer-
Die charakteristische Zeitskala der laminaren Flamme den Flammen mit laminar-ähnlicher Charakteristik
13 kann dann als als Flamelets bezeichnet. Oberhalb des Bereichs der
gewellten Flammen liegen stärker gefaltete Flammen
ıL vor und es kann vereinzelt zu Inselbildung kommen
14 F =
sL (14.35)
(Bereich  3). Die Flamme selbst ist lokal allerdings
weiter laminar. An der Grenzlinie Ka = 1, die als Kli-
15 definiert werden.
Turbulente vorgemischte Flammen nehmen je
mov-Williams Kriterium bezeichnet wird, besitzen die
kleinsten Turbulenzstrukturen die gleiche Größenord-
nach Randbedingungen unterschiedliche Formen an. nung wie die laminare Flamme. Nach klassischen Vor-
16 Eine Einteilung in verschiedene Regime kann mit- stellungen treten kleine Wirbel in die Flamme ein, was
hilfe des Borghi-Diagramms erfolgen [14, 15], siehe einerseits zu lokalen Verdickungen, andererseits aber

17
Regime 1 Regime 2 Regime 3 Regime 4a Regime 4b Regime 5
Ret < 1 Ret > 1, Ka < 1, Ret > 1, Ka < 1, Ret > 1, Ka > 1, Ret > 1, Ka > 1, Ret > 1, Ka > 1,
18 planare Da > 1, u'/sl < 1 Da > 1 Da > 1, Kai < 1 Da < 1
laminare gewellte laminare gefaltete Flamme verteilte dünne „Rührreaktor“
Flammenfront Flammenfront „Inselbildung“ Reaktionszone Reaktionszone
19
20
..Abb. 14.18  Schematische Darstellung verschiedener Flammentypen der vorgemischten Verbrennung
14.5  •  Modellbildung und Simulation
733 14

auch zu lokal verzerrten Flammen und lokaler Verlö- vorgemischte


schung führen kann. Dieses Regime wird daher auch y Flammenfront
als verteilter Reaktionsbereich bezeichnet. Oberhalb
der Linie Da = 1 in Bereich 5 werden die Reaktionen λ =1
im Vergleich zur Turbulenz sehr langsam (Da ≪ 1), so λ >1
dass eine vollständige, turbulente Mischung der Reak- magere
tanten vor den Reaktionen angenommen werden kann. Vormischflamme
Das Borghi-Diagramm wurde von Peters [16]
um eine zweite Karlovitzzahl Kai erweitert. Diese Diffusions-
beschreibt das Verhältnis der Größe der inneren Re- flamme
aktionszone der laminaren Flamme und der Kolmo-
gorov-Wirbel. In dem Bereich zwischen Ka = 1 und
Kai = 1 dringen die kleinen Wirbelstrukturen zwar in
die Vorheizzone ein, die eigentliche Reaktionszone Tripelpunkt
λ <1
bleibt jedoch unbeeinflusst. Daher kann angenom-
men werden, dass in diesem Bereich weiterhin ein fette
laminar-ähnliches Verhalten vorliegt. Untersuchungen Vormischflamme
von Dinkelacker [17] weisen ebenfalls daraufhin, das x
eine Verdickung der Vorheizzone in diesem Bereich ..Abb. 14.19  Schematische Darstellung einer partiell
nur bei relativ großen turbulenten Reynoldszahlen vorgemischten Flamme [18]
auftritt. Dies führt der Autor unter anderem darauf
zurück, dass die in die Vorheizzone eindringenden Verbrennungsart ist der Ottomotor mit Direkteinsprit-
Kolmogorovwirbel aufgrund der höheren Temperatur zung mit Schichtladebetrieb. Aufgrund des mageren
dissipiert werden. globalen Luftverhältnisses (λ > 1) muss im Brennraum
eine Schichtung der eingespritzten Zylinderladung
14.4.2.2 Nicht-vorgemischte Flammen erfolgen, um zum Zündzeitpunkt ein zündfähiges Ge-
Nicht-vorgemischte Flammen, die beispielsweise in misch an der Zündkerze bereitzustellen [2].
Dieselmotoren mit Direkteinspritzung auftreten, wer- Die charakteristische Flammenform einer partiell-
den üblicherweise als Diffusionsflammen bezeichnet. vorgemischten Flamme ist schematisch in . Abb. 14.19
Diese Bezeichnung bringt zum Ausdruck, dass die Ver- dargestellt. Da die Brenngeschwindigkeit neben der
brennung durch Mischungsvorgänge und damit durch Temperatur und dem Druck insbesondere von dem
molekulare und turbulente Diffusion dominiert wird. Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ abhängig ist, breitet sich
Es sollte jedoch beachtet werden, dass Diffusionspro- die Flamme entlang einer Linie mit λ = 1 am schnells-
zesse auch in vorgemischten Flammen von zentraler ten aus. An der mageren Seite bildet sich eine magere
Bedeutung sind. Da bei Diffusionsflammen die Zeit­ Vormischflamme, an der fetten Seite entsteht eine fette
skalen der Mischung im Allgemeinen deutlich größer Vormischflamme. Zwischen diesen Flammen findet
sind als die Zeitskalen der Reaktion, wird häufig die ein diffusiver Austausch zwischen unverbranntem
Annahme einer unendlich schnellen Chemie getroffen. Brennstoff der fetten Seite und überschüssigem Sau-
Allerdings liegen in realen Prozessen immer auch lo- erstoff der mageren Seite statt, so dass sich an dieser
kale Bereiche vor in denen diese Annahme nicht erfüllt Stelle eine Diffusionsflamme bildet. Das Auftreten von
ist. Die Geschwindigkeit der chemischen Reaktionen drei unterschiedlichen Flammen führt zu dem Begriff
ist insbesondere bei der Schadstoffentstehung von Be- Tripelflamme, der Punkt an dem die drei Flammen
deutung. So findet der motorisch gewünschte Abbrand aufeinandertreffen wird Tripelpunkt genannt.
von Ruß erst bei ausreichend hohen Temperaturen
statt, die jedoch gleichzeitig zu einer verstärkten Bil-
dung von Stickoxiden führen. 14.5 Modellbildung und Simulation
14.4.2.3 Partiell-vorgemischte Voraussetzung für die numerische Simulation ist die
Flammen Erstellung des den technischen Prozess beschreiben-
Zwischen den beiden Extremen der vollständigen Mi- den Modells. Unter Modellbildung versteht man eine
schung und der vollständigen Trennung von Brenn- zielorientierte Vereinfachung der Realität durch Ab­
stoff und Luft vor der Reaktion liegt der Bereich der straktion. Voraussetzung dafür ist, dass der reale Pro-
partiell-vorgemischten Flamme. Ein Beispiel für diese zess in einzelne Prozessabschnitte zerlegt und damit in
734 Kapitel 14 • Verbrennung

Thermodynamisch Phänomenologisch CFD ..Abb. 14.20 Klassifi-


1 (0-dimensional) (Quasi-dimensional) (Multi-dimensional) zierung von Verbren-
nungsmodellen [19]
· empirischer · quasi-dimensionale · turb. Strömungsfeld
2 Brennverlauf Ortsauflösung (Navier-Stokes-Gl.)
· keine Schadstoffbildung · physikalische und · detaillierte physik. und
chemische chem. Untermodelle
3 Untermodelle
· keine turb. Strömung

4
dU

5 dm p, T,

6
· partielle DGL's (t ,x ,y ,z )
7 · gewöhnliche DGL’s ( t) · gewöhnliche DGL's ( t) · Rechenzeit: Std.-Tage

8 Teilprobleme aufgespalten werden kann. An das resul- Die numerische Simulation ist in den letzten Jahren
tierende Modell müssen eine Reihe von Forderungen zu einem wesentlichen Werkzeug bei der Entwicklung

9
-
gestellt werden, siehe dazu [2]:
Das Modell muss formal richtig, das heißt wider-
von Motoren, Antriebsaggregaten und Fahrzeugen ge-
worden. Im Hinblick auf die zunehmende Komplexität

10 - spruchsfrei sein.
Das Modell muss die Realität möglichst genau
beschreiben. Ein Modell ist aber immer nur eine
Näherung und kann deshalb mit der Realität
bei weiterer Reduzierung der Entwicklungszeiten von
Motoren und Fahrzeugen wird ihre Bedeutung in der
Zukunft noch ganz erheblich zunehmen.

11
- niemals vollkommen übereinstimmen.
Der für die numerische Lösung erforderliche
Aufwand muss im Rahmen der Aufgabenstellung
14.5.1 Klassifizierung
von Verbrennungsmodellen

-
12 vertretbar sein.
Das Modell soll so einfach wie möglich und so Verbrennungsmodelle werden üblicherweise in drei
13
14
komplex wie nötig sein.

Erst mithilfe von Modellvorstellungen sind wir in der


Lage, physikalische und chemische Prozessabläufe
-
unterschiedliche Kategorien eingeteilt, nämlich in:
Null-Dimensionale oder thermodynamische
Modelle, bei denen sowohl die Wärmefreisetzung
durch die Verbrennung als auch die Wärme-
wirklich zu verstehen. übertragung zwischen der Zylinderladung und
15 Für die Erstellung mathematischer Modelle zur Si-
mulation zeitlich- und räumlich veränderlicher Strö-
den brennraumabgrenzenden Wänden mittels
halbempirischer Modelle, zum Beispiel Vibe-
mungs-, Temperatur- und Konzentrationsfelder mit Ersatzbrennverläufen beziehungsweise Woschnis
16
17
chemischen Reaktionen ist die Kenntnis der Grundla-
gen der Thermodynamik, der Fluiddynamik und der
Verbrennungstechnik wesentliche Voraussetzung. Bei
der Simulation von Strömungsfeldern mit chemischen
- Wärmeübergangsmodell beschrieben werden.
Phänomenologische Modelle, bei denen die
Wärmefreisetzung durch die Verbrennung mittels
physikalischer und chemischer Ansätze model-

18
Reaktionen ist zu beachten, dass physikalische und
chemische Prozesse auf sehr unterschiedlichen Zeit-
und Längenskalen ablaufen können. Die Beschrei-
bung dieser Prozessabläufe ist meist einfacher, wenn
- liert werden, und
3D-Computational-Fluid-Dynamics (CFD)
Modelle, bei denen die Erhaltungsgleichungen
für Masse, Energie und Impuls mittels Turbu-
19 die Zeitskalen sehr unterschiedlich sind, weil dann lenzmodellen und weiterer physikalischer und
für den physikalischen beziehungsweise chemischen chemischer Untermodelle gelöst werden.
20 Prozess vereinfachende Annahmen getroffen werden
können, und sie ist in der Regel sehr komplex, wenn Die wesentlichen Unterschiede dieser Modelle sind in
die Zeitskalen von gleicher Größenordnung sind. . Abb. 14.20 dargestellt.
14.5  •  Modellbildung und Simulation
735 14
..Abb. 14.21 Brennver-
lauf und Durchbrenn-
funktion nach Vibe [20]

Nulldimensionale Modelle bilden die Grundlage mit


für die Gesamtprozessanalyse, das heißt die Simula-
tion des stationären und transienten Verhaltens von EB; ges = mB  HU (14.39)
Motoren, Antriebsaggregaten und kompletten Fahr-
zeugen. Phänomenologische Modelle werden für die für die maximal freisetzbare Wärmemenge und
Simulation der Vorgänge im Brennraum, das heißt die
Gemischbildung, Zündung, Verbrennung und Schad- y = .' − 'BB /  'BD (14.40)
stoffbildung eingesetzt. 3D-CFD-Modelle eignen sich
insbesondere wegen der benötigten langen Rechenzei- für den dimensionslosen Kurbelwinkel mit der Brenn-
ten nur für spezielle und sehr detaillierte Aufgaben- dauer
stellungen.
'BD = 'BE − 'BB (14.41)

14.5.2 Nulldimensionale Modelle aufgestellt, mit 'BE = Brennende und 'BB = Brennbe-


ginn. In . Abb. 14.21 ist der Brennverlauf
14.5.2.1 Ersatzbrennverläufe
Der Brennverlauf beschreibt den zeitlichen Verlauf der dEB
= f .'; m/ (14.42)
Wärmefreisetzung durch die Verbrennung. Das Inte- d'
gral des Brennverlaufs bezeichnet man als Summen-
brennverlauf beziehungsweise als Durchbrennfunk- in Abhängigkeit des dimensionslosen Kurbelwinkels
tion. Zur Modellierung der Verbrennung bedient man für verschiedene Formparameter m aufgetragen. Für
sich unterschiedlicher Ansätze beziehungsweise ma- den Summenbrennverlauf beziehungsweise die Durch-
thematischer Modellierungen, die alle das Ziel haben, brennfunktion ergibts sich:
die reale Wärmefreisetzung durch die Verbrennung Z
mittels sogenannter Ersatzbrennverläufe möglichst EB = f .'; m/  d' = F .'; m/ (14.43)
genau zu beschreiben. Die bekanntesten sind Ein-
fach- und Doppel-Vibe-Funktion, Polygon-Hyperbel-
Funktion und neuronale Netze. Im Folgenden sei der Am Ende der Brenndauer, das heißt bei ' = 'BE bezie-
einfache Vibe-Ersatzbrennverlauf kurz erläutert, für hungsweise bei y = 1 sollen U; ges-Prozent der insge-
weitere Informationen sei auf [2] und [19] verwiesen. samt mit dem Brennstoff zugeführten Energie freige-
Ausgehend von „Dreiecksbrennverläufen“ hat [20] setzt sein. Damit folgt die Beziehung
anhand von reaktionskinetischen Überlegungen die
EB
Beziehung = U; ges = 1 − exp.−a/ (14.44)
EB; ges
EB  
= 1 − exp −a  y m+1 (14.38) und daraus die Zahlenwerte:
EB; ges
U;ges 0;999 0;990 0;980 0;950
˛ 6;908 4;605 3;912 2;995
736 Kapitel 14 • Verbrennung

Die Bestimmung des Umsetzungsgrads erfolgt üb- mit dem Förderbeginn 'FB und dem Einspritzverzug
1 licherweise auf Basis von Messungen der Abgas­ 'EV;0.
zusammensetzung. Alternativ haben [21] für Diesel-
14.5.2.2 Wärmeübergangsmodelle
2 motoren die empirische Beziehung
Die Wärmeübertragung vom heißen Rauchgas im
Brennraum erfolgt durch konvektive Wärmeüber-

3 <1  > RB
tragung und durch Temperaturstrahlung glühender
U; ges = a    exp.c  / − b 1    RB (14.45)
Rußpartikel. Durch die Bildung von Rußschichten bei
0;95   + d 1 Schwachlast und deren Abbrand bei Volllast wird die Be-

4 schreibung des Wärmetransports zusätzlich erschwert.
angegeben, mit Ein Überblick findet sich in [2]. Das im Folgenden dar-
5 gestellte Wärmeübergangsmodell geht auf Woschni [22]
c = −1=RB ; zurück und ist heute immer noch Stand der Technik.
Aus einer Dimensionsanalyse folgt für den di-
6 d = −0;0375 − .RB − 1;17/=15;
a = .0;05 − d /= ŒRB  exp.−1/ − exp.c/ ;
(14.46) mensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten, die
Nußelt-Zahl, für eine stationäre und vollturbulente

7 Rohrströmung
b = a  exp.c/ − 0;95 − d ;

wobei RB das Luft-Kraftstoff-Verhältnis ist, bei dem Nu = C Re0;8 Pr0;4 (14.51)
8 eine Abgasschwärzung mit der Rußziffer nach Bosch
RB = 3,5 erreicht wird. Als Gültigkeitsbereich wird das mit der Nußelt-Zahl
Intervall 1,17 < RB < 2,05 angegeben.
9 Der Vibe-Ersatzbrennverlauf wird durch die drei ˛D
Nu = ; (14.52)
Vibe-Parameter: Brennbeginn 'BB, Brenndauer 'BD 
10 und Formparameter m festgelegt. Für einen bestimm-
ten Betriebspunkt können damit lediglich drei Kenn- der Reynolds-Zahl
größen angepasst werden. Die Anpassung erfolgt dabei
11 so, dass der Brennbeginn 'BB, der Zünddruck pz und Re =
wD
(14.53)
der Mitteldruck pm;i mit denen des realen Motorpro- 
zesses übereinstimmen.
12 Die Umrechnung der Vibe-Parameter auf beliebige und der Prandtl-Zahl
Betriebspunkte erfolgt mithilfe halbempirischer Funk-
13 tionen und in Abhängigkeit der Haupteinflussgrößen:
Pr =
v
(14.54)
Luft-Kraftstoff-Verhältnis , Drehzahl  n, Leistung, a
Zündverzug 'ZV und Brennbeginn 'BB entsprechend:
14 Betrachtet man das Gemisch im Brennraum als ideales
   0;5 Gas mit der thermischen Zustandsgleichung
'BD 0 n
15 'BD;0
=


n0
 0;6
U; ges

(14.47)
p
=
RT (14.55)
16 m

'ZV;0
0;5
pT0

n0
0;3
=  (14.48) und nimmt des Weiteren für die Temperaturabhängig-
m0 'ZV p0 T n keit die Korrelation
17  x  y
 T  T
T0 (14.56)
'ZV =6  n  10−3 Pr = 0;74I I
18
= =
     0 T0 0
7800 0;135 4;8
 0;5 + exp  +
2T p 0;7 p 1;8 an, dann erhält man schließlich
(14.49)
19 
˛ = C  D −0;2 p 0;8 cm
0;8 −r
T (14.57)
20
n
'BB = 'FB + 'EV;0 + 'ZV (14.50)
n0 mit r = 0;8.1 + y/ − x und der Annahme, dass die
charakteristische Geschwindigkeit w im Motor gleich
14.5  •  Modellbildung und Simulation
737 14
..Abb. 14.22 Verlauf 3000 3000 .
q [ kW ]
von Gastemperatur, m2
Wärmestromdichte und T[K] 4-Takt-Ottomotor α i[ W ]
m2K
Wärmeübergangskoeffi- Vollast
zient für einen Ottomo- n = 2200 min–1
2000 2000
tor bei Volllast

TG
1000 1000
.
q


0 0
0 180 360 540 720
.
q = α (T-T W) [°KW]

der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm ist. Durch vorgeschlagen und empfohlen, den jeweils größten
Vergleich mit Messwerten wird der Exponent für die Zahlenwert zu verwenden. Für Dieselmotoren mit Di-
Temperaturabhängigkeit zu r = 0,53 und die Konstante rekteinspritzung muss die Konstante C2 bei höheren
C  = 127;93 bestimmt. Für gefeuerte Motoren muss Wandtemperaturen entsprechend
eine Modifikation der charakteristischen Geschwin-
digkeit entsprechend

−3
<3;24  10 m=.s  K/ Tw < 550 K
V h  T1 C2 = 5;0  10−3 m=.s  K/ + 2;3  10−3
w = C 1  c m + C2 .p − p0 / (14.58) .Tw − 550 K/ m=.s  K2 / TW >(14.62
550 K )


p1  V1

eingeführt werden, weil die Verbrennung die Turbulenz
und damit den Wärmeübergang drastisch erhöht. Der korrigiert werden. Für weitere Details sei auf die ange-
zweite Term in Gl. (14.58) ist das sogenannte „Verbren- gebene Literatur verwiesen.
nungsglied“, mit dem Druckverlauf p.'/ im gefeuerten Der Energietransport durch Wärmeleitung in Fest-
und p0 .'/ im geschleppten Betrieb. V1, p1 und T1 sind körpern wird durch die Fouriersche Differenzialglei-
die Werte bei „Einlass schließt“. Für die Konstanten C1 chung
und C2 erhält man durch Anpassung an Messwerte
@T @2 T
a 2 (14.63)
( @t @x
6;18 + 0;417  cu =cm W Ladungswechsel
C1 =
2;28 + 0;308  cu =cm W Verdichtung/Expansion mit der Temperaturleitfähigkeit
(14.59)


(
a=
cp (14.64)
6;22  10−3 m=.s  K/W Vorkammer-Motor
C2 =
3;24  10−3 m=.s  K/W DI-Motor beschrieben.
(14.60)
 . Abb. 14.22 zeigt den Verlauf von Gastemperatur,
Wärmestromdichte und Wärmeübergangskoeffizient
wobei für den Einlassdrall cu =cm der Gültigkeitsbe- für einen Ottomotor bei Volllast. Infolge der zeitlichen
reich 0 < cu =cm < 3 angegeben wird. Die mit dem Schwankungen der Gastemperatur im Brennraum und
„Verbrennungsglied“ korrigierte Geschwindigkeit lie- des Wärmeübergangskoeffizienten ergeben sich ent-
fert für geschleppte Motoren und im unteren Lastbe- sprechende Temperaturschwingungen in den brenn-
reich zu geringe Werte. Deshalb wurde für die charak- raumbegrenzenden Wänden.
teristische Geschwindigkeit die Beziehung Für weitere Details sei auf die angegebene Literatur
verwiesen.
"  2 #
Vc −0;2
w = C1  c m 1 + 2
V
 pmi (14.61)

738 Kapitel 14 • Verbrennung

14.5.3 Phänomenologische Modelle weg und Maly vorgestellt [26]. Hier wird die effektive
1 Brenngeschwindigkeit in der Entflammungsphase als
Phänomenologische Verbrennungsmodelle stehen be- Summe der turbulenten Brenngeschwindigkeit st und
2 züglich Komplexität und Detailliertheit zwischen null-
dimensionalen Brennfunktionen und Verbrennungs-
einer Plasmageschwindigkeit spl beschrieben. Dabei
wird die Plasmageschwindigkeit unter der Annahme
modellen, die in 3D-CFD Berechnungen eingesetzt berechnet, dass das Kraftstoff-Luft Gemisch im Flam-
3 werden. Im Gegensatz zu nulldimensionalen Model- menkern durch die Zündenergie auf die adiabate Flam-
len bieten phänomenologische Modelle in der Regel mentemperatur aufgeheizt wird.
eine quasi-dimensionale Auflösung und chemisch Wird statt der vorgemischten Verbrennung in
4 und physikalisch fundierte Untermodelle, so dass der konventionellen ottomotorischen Anwendungen die
Brennverlauf vorausberechnet und nicht nur empirisch partiell vorgemischte Verbrennung in Ottomotoren
5 abgebildet werden kann. Verglichen mit Modellen für mit Direkteinspritzung und heterogenem Betrieb be-
die 3D-CFD Simulation sind die eingesetzten Unter- trachtet, ist eine nochmals komplexere Beschreibung
modelle in der Regel jedoch stärker vereinfacht. Bei notwendig. Ein Ansatz für eine solche Verbrennung
6 phänomenologischen Modellen werden üblicherweise ist zum Beispiel bei Koch zu finden [27].
gewöhnliche Differentialgleichungen gelöst. Insgesamt
14.5.3.2 Dieselmotorische
7 weisen phänomenologische Modelle dadurch deutlich
kürzere Rechenzeiten auf als 3D-CFD Modelle. Aller- Verbrennung
dings können aufgrund der fehlenden dreidimensio- Bei der konventionellen dieselmotorischen Verbren-
8 nalen Auflösung die turbulenten Strömungsstrukturen nung hat die Einspritzung den dominierenden Einfluss
im Brennraum nicht dargestellt werden. auf die Wärmefreisetzung. Da die Einspritzung phä-
nomenologisch recht gut beschrieben werden kann,
9 14.5.3.1 Ottomotorische Verbrennung wurden in der Vergangenheit eine Reihe von phäno-
Modelle für die turbulente vorgemischte Verbrennung menologischen Modellen für die dieselmotorische Ver-
10 in Ottomotoren beruhen überwiegend auf dem soge-
nannten Entrainmentmodell von Blizard und Keck
brennung entwickelt und erfolgreich eingesetzt [19].
Beispielhaft sollen hier zwei Modelle kurz be-
[23]. Hierbei wird angenommen, das sich die Flam- schrieben werden, für alternative Ansätze und weitere
11 menfront ausgehend von der Zündkerze kugelförmig Details sei auf [2] und die angegebene Literatur ver-
ausbreitet, so dass die Fläche und Lage der Flammen- wiesen.
front aus der turbulenten Brenngeschwindigkeit und Das Paketmodell wurde ursprünglich von Hiro-
12 einer geometrischen Betrachtung des Brennraums yasu [28] vorgeschlagen und später von anderen Au-
berechnet werden kann. toren, beispielsweise Stiesch [29], weiterentwickelt.
13 Zur Berechnung der turbulenten Brenngeschwin- Vor der Einspritzung wird der Brennraum wie bei
digkeit muss zunächst die laminare Brenngeschwin- den nulldimensionalen Modellen nur mit einer Zone
digkeit sl, beispielsweise über die empirischen Bezie- aufgelöst. Während der Einspritzung und danach
14 hungen von Metghalchi und Keck [24] und Rhodes wird der Einspritzstrahl dann in mehrere Zonen oder
und Keck [25], ermittelt werden. Zur Berechnung der Pakete aufgeteilt, siehe die schematische Darstellung
15 turbulenten Brenngeschwindigkeit st wurden vielfältige
Korrelationen entwickelt. Eine einfache, auf einer Kor-
des Paketmodells in . Abb. 14.22 (Mitte). Dabei wird
davon ausgegangen, dass der Einspritzstrahl rotations-
relation von Damköhler basierende Formulierung mit symmetrisch ist, so dass eine Beschreibung in axia-
16 zwei empirischen Konstanten C und n lautet: ler und radialer Richtung erfolgt und die Pakete eine
 0 n Ringform aufweisen. Eine Interaktion zwischen ein-
st u zelnen Paketen wird in der Regel vernachlässigt. Nach-
17 sl
=1+C
sl (14.65)
dem die Pakete in den Brennraum eingebracht werden
enthalten sie zunächst nur flüssigen Brennstoff. Die
18 Neben der Unsicherheit der Korrelation an sich ist Paketgeschwindigkeit nimmt mit zunehmender Di-
insbesondere die Bestimmung der für die Korrela- stanz zur Düse beziehungsweise mit zunehmender
tion notwendigen turbulenten Eigenschaften, wie der Lebensdauer ab und wird empirisch folgendermaßen
19 Schwankungsgeschwindigkeit ut, im Rahmen von phä- beschrieben:
nomenologischen Modellen problematisch.
20 Eine weitere Schwierigkeit stellt die Beschreibung   2!
pinj − pzyl DD
der Zündung und Entflammungsphase dar. Ein An- ax = 1;48  tm (14.66)
L
satz zur Beschreibung der Zündphase wurde von Her-
14.5  •  Modellbildung und Simulation
739 14

In Gl. (14.66) sind pini und pzyl der Einspritz- und Zy- Bedeutung für die Qualität der Berechnung ist insbe-
linderdruck, DD ist der Düsendurchmesser und pL die sondere die Qualität des eingesetzten Einspritzverlaufs.
Kraftstoffdichte. Es wird angenommen, dass die in das Obwohl es sich streng genommen nicht um phäno-
Paket eingezogene Luftmasse über die Impulserhaltung menologische Modelle handelt, sollen an dieser Stelle
im Paket berechnet werden kann. Dieses sogenannte auch die sogenannten Stochastischen Reaktormodelle
Entrainment besitzt einen maßgeblichen Einfluss auf (SRM) erwähnt werden, siehe zum Beispiel [33, 34].
die durch das Paketmodell berechnete Brennrate. In diesen Modellen wird Zündung und Verbrennung
In den einzelnen Paketen werden Untermodelle zur über Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen beschrie-
Berechnung des Strahl- und Tropfenzerfalls, der Ver- ben, wobei insbesondere detaillierte kinetische Reak-
dunstung, der Zündung und Verbrennung eingesetzt. tionsmechanismen zum Einsatz kommen.
Durch die quasi-dimensionale Auflösung können Ge-
mischzusammensetzungs- und Temperaturgradienten
im Einspritzstrahl dargestellt werden, was auch die 14.5.4 3D-CFD-Modelle
Berechnung von Schadstoffemissionen wie Ruß und
Stickoxide ermöglicht. Mehrdimensionale Strömungsprobleme werden über
Ein weiteres Modell für die dieselmotorische Ver- Erhaltungsgleichungen für Masse, Impuls und Ener-
brennung stellt das Modell von Barba dar [30]. Bei der gie in Form von partiellen Differentialgleichungen,
Beschreibung der Wärmefreisetzung wird zwischen den Navier-Stokes-Gleichungen, beschrieben. Mit
der vorgemischten Verbrennung einer Piloteinsprit- Ausnahme von Modellproblemen, für die gewisse Ver-
zung und vorgemischten und mischungskontrollierte einfachungen möglich sind, sind diese Gleichungen zu
Verbrennung der Haupteinspritzung unterschieden. komplex um analytisch gelöst zu werden, so dass eine
Dabei wird der in der Voreinspritzung eingebrachte numerische Lösung erforderlich ist. Dabei wird das
Kraftstoff als einzelne Zone beschrieben, die sich mit durchströmte Bauteil, in diesem Fall der Brennraum,
Luft mischt. Nach einer über eine Einschrittreaktion mit einem Rechengitter diskretisiert. Prinzipiell sind
berechneten Zündverzugszeit (vgl. ▶ Gl. 14.30) breiten die Navier-Stokes-Gleichungen sowohl für laminare
sich turbulente Flammen von zunächst einem einzigen, als auch turbulente Strömungen gültig. Die kleinsten,
im folgenden Verlauf von mehreren Zündorten aus, in einer turbulenten Strömung auftretenden Struktu-
wobei die turbulente Brenngeschwindigkeit in ähnli- ren können durch die Kolmogorovlänge beschrieben
cher Weise wie bei Modellen für die ottomotorische werden (vergleiche ▶ Abschn. 14.4.1). Eine Auflösung
Verbrennung über eine empirische Beziehung für die dieser Struktur, die sogenannte direkte numerische Si-
laminare Brenngeschwindigkeit und eine Damköhler- mulation (DNS) resultiert bei industriellen Fragestel-
Beziehung für die turbulente Brenngeschwindigkeit lungen in einer zu hohen Zellenanzahl des Rechengit-
(Gl. 14.14–14.65) beschrieben wird. ters und daraus resultierend zu langen Rechenzeiten.
Im Gegensatz zum Paketmodell wird im Modell In der Regel werden daher die Erhaltungsgleichungen
nach Barba der Einspritzstrahl der Haupteinsprit- für die Reynolds-gemittelten (beziehungsweise Favre-
zung lediglich in axiale Segmente diskretisiert, wobei gemittelten) Variablen (vergleiche ▶ Abschn. 14.4.1)
die Eindringtiefe ebenfalls auf empirische Weise be- gelöst, wobei die Information über die Schwankungs-
schrieben wird. Die Umsetzung des Kraftstoffs der bis größen verloren geht. Um die Erhaltungsgleichungen
zum Erreichen der Zündverzugszeit eingebracht wird, zu schließen sind daher Turbulenzmodelle notwendig,
wird wie die Voreinspritzung über das Modell der die allerdings nicht allgemeingültig sind und im Prin-
Vormischverbrennung beschrieben, die Umsetzung zip an die jeweiligen Strömungsbedingungen ange-
des danach eingebrachten Kraftstoffs wird über ein passt werden müssen. In den letzten Jahren gewinnt
Diffusionsmodell dargestellt. Dabei ist die Reaktions- daher die sogenannte Large-Eddy Simulation (LES)
rate umgekehrt proportional zur turbulenten Zeitskala, an Bedeutung. Bei LES werden die großen turbulenten
die die über weitere Beziehungen hergeleitet wird. Bei- Wirbel aufgelöst und nur für die kleineren Strömungs-
spiele für weitere Modellansätze sind in [31] und [32] strukturen wird eine Modellierung vorgenommen.
zu finden. Dieser Ansatz hat den Vorteil, das eine Verfeinerung
Phänomenologische Modelle bieten die Möglich- des Rechengitters automatisch zu einem Informations-
keit, den Brennverlauf der dieselmotorischen Ver- gewinn führt, was bei Reynolds-gemittelten Ansätzen
brennung recht gut vorherzusagen, wobei allerdings nicht der Fall ist. . Abb. 14.23 zeigt beispielhaft Simu-
bei Einsatz der Modelle bei unterschiedlichen Motoren lationsergebnisse einer mit LNS und DNS berechneten
in der Regel eine Anpassung von empirischen Para- Scherschicht.
metern vorgenommen werden muss. Von besonderer
740 Kapitel 14 • Verbrennung

abgeschlossen) annimmt. Zum anderen wird eine


1 Transportgleichung für die Flammenflächendichte
(Flammenfläche pro Volumeneinheit) gelöst, wobei
2 die Flammenflächendichte als Quellterm in der Glei-
chung für die Fortschrittsvariable auftritt. Im zweiten
Modellansatz wird die Flammenfront mit der soge-
3 nannten G-Gleichung [14] beschrieben, die auf dem
Level-Set Ansatz, einer Methode zur Beschreibung von
sich bewegenden Oberflächen, beruht.
4 In der Hauptphase der dieselmotorischen Verbren-
nung wird die Wärmefreisetzung durch die turbulente
5 Mischung zwischen Luft und Brennstoff bestimmt.
Eine wesentliche Rolle nimmt daher in den meisten
Modellen die turbulente Zeitskala
6
turb = k=" (14.67)

7 ..Abb. 14.23  Zweidimensionale Schnitte durch einen ein, wobei k die turbulente kinetische Energie und ε
mit LES und DNS berechnete Scherschicht [35] ihre Dissipationsrate beschreibt.
8 Ein einfaches, aber in der Vergangenheit oft er-
Aufgrund des großen Einflusses der Turbulenz folgreich eingesetztes Modell für die dieselmotorische
auf die Abläufe während der Verbrennung besitzen Verbrennung ist das Characteristic-Timescale Modell,
9 Turbulenzmodelle einen wesentlichen Einfluss auf die bei dem die Reaktionsrate einer Spezies i basierend auf
Gesamtgüte einer Verbrennungsrechnung. Daher sind der Differenz der tatsächlichen Speziesdichte ρi und
10 zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich von be-
sonderer Bedeutung.
der lokalen, augenblicklichen Gleichgewichtsdichte ρi*
berechnet wird [38]:
Bei Motoren mit Direkteinspritzung spielt die In-
11 teraktion zwischen den Prozessen Strahlentwicklung, di
=
i − i
(14.68)
Tropfenzerfall und -koaleszenz, Tropfenverdunstung, dt c
Zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung eine
12 wesentliche Rolle. Eine gute Beschreibung der Ge- Dabei ist τc die charakteristische Zeit zum Erreichen
mischbildungsprozesse ist daher Voraussetzung für des Gleichgewichts. Es wird angenommen, dass die
13 die Modellierung der Verbrennung. charakteristische Zeit τc für alle betrachteten Spezies
Für Modelle zur Beschreibung der Gemischbil- gleich ist. τc setzt sich dabei aus einem laminaren An-
dung sei an dieser Stelle auf [2] und [36] verwiesen. teil τlam, der den Einfluss der Reaktionskinetik in Ab-
14 Zur Beschreibung der Verbrennung im Rahmen hängigkeit der Temperatur und des Luftverhältnisses
der dreidimensionalen Strömungsmechanik wurden in beschreibt und dem turbulenten Anteil τturb zusam-
15 der Vergangenheit eine große Vielzahl unterschiedli-
cher Modelle entwickelt. Die Mehrzahl der Modelle zur
men:

Beschreibung der vorgemischten Verbrennung, wie sie c = lam + f  turb (14.69)


16 in konventionellen Ottomotoren auftritt, basiert auf der
sogenannten Flamelet-Annahme [16], die besagt, das Der turbulente Anteil berücksichtigt, dass die Edukte
die durch Turbulenz aufgefächerte Flammenfront lokal vor der Reaktion auf mikroskopischer Ebene durch
17 wie eine laminare Flamme behandelt werden kann. Turbulenz gemischt werden müssen. Der Verzöge-
Die grundlegende Schwierigkeit bei der Beschrei- rungsfaktor f strebt mit fortlaufender Verbrennung von
18 bung turbulenter, vorgemischter Flammen liegt in null nach eins und kennzeichnet so den Übergang von
der Erfassung der Flammenfront. Hierbei wurden in vorgemischter zu mischungskontrollierter Verbren-
praktischen Anwendungen in den letzten Jahren ins- nung. Durch die direkte Einbeziehung der turbulenten
19 besondere zwei unterschiedliche Modellansätze ver- Zeitskala besteht eine sehr starke Abhängigkeit der Er-
folgt. In Flammenflächenmodelle (Coherent Flamelet gebnisse des Verbrennungsmodells vom eingesetzten
20 Models) [37] wird zum einen eine Transportgleichung
für eine Fortschrittsvariable gelöst, die Werte zwischen
Turbulenzmodell, da sich eine fehlerhafte Berechnung
der turbulenten Kenngrößen direkt auf die Wärmefrei-
0 (kein Stoffumsatz) und 1 (Stoffumsatz vollständig setzungsrate auswirkt.
Literatur
741 14
arapid compression machine. Comb. Flame 133, 467–481
Ein weiteres, weit verbreitetes Modell zur Berech-
(2003)
nung der dieselmotorischen Verbrennung ist das Fla-
[9] Ogink, R.; Golovitchev, R.:Gasoline HCCI modelling: Com-
melet-Modell [16]. Hierbei wird angenommen, dass puter program combining detailed chemistry and gas ex-
die turbulente Flamme aus einem Ensemble lamina- change processes. SAE Paper 2001-01-3614, 2001
rer Diffusionsflammen (Flamelets) zusammengesetzt [10] Merker, G.P., Baumgarten, C.: Fluid- und Wärmetransport:
ist. Diese Annahme ermöglicht eine Transformation Strömungslehre. Teubner, Wiebaden (2000)
der dreidimensionalen Verbrennungsstruktur auf [11] Pope, S.B.: Turbulent Flows. Cambridge University Press,
eine Dimension in Richtung des Mischungsbruchs, Cambridge (2000)
einem zwischen 0 und 1 normiertem Kraftstoff-Luft- [12] Heywood, J.B.: Combustion and its Modeling in Spark-
Verhältnis. Durch Überführung der ursprünglich Ignition Engines 3rd Int Symp COMODIA 94. (1988)
[13] Otto, F.: Strömungsmechanische Simulation zur Berech-
dreidimensionalen Erhaltungsgleichungen auf ein ein-
nung motorischer Prozesse. Vorlesungsskript, Universität
dimensionales Problem können auch sehr komplexe
Hannover
Reaktionsmechanismen mit vertretbarem Rechenauf- [14] Peters, N.: Laminar Flamelet Concepts in Turbulent Com-
wand gelöst werden. bustion. Proc. of the Combustion Institute 21, 1231–1250
Da sich moderne Brennverfahren, beispielsweise (1986)
bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung und strahl- [15] Borghi, R.: On the Structure and Morphology of Turbulent
geführtem Verfahren oder bei der homogenisierten Premixed Flames. In: Casci, C. (Hrsg.) Recent Advances in
dieselmotorischen Verbrennung nicht mehr klar in Aeronautical Science. Pergamon, London (1985)
vorgemischte und nicht-vorgemischte Verbrennungs- [16] Peters, N.: Turbulent Combustion. Cambridge University
formen trennen lassen, wächst der Bedarf an Verbren- Press, Cambridge (2000)
[17] Dinkelacker, F.: Struktur turbulenter Vormischflammen. In:
nungsmodellen, die mehrere unterschiedliche Regime
Leipertz, (Hrsg.) Berichte zur Verfahrenstechnik, Bd. 1.4.
abdecken können. Ein Beispiel für ein solches Modell
(2001)
ist das in letzter Zeit häufig eingesetzte ECFM-3Z [18] Kech, J. M.; Reissing, J.; Gindel, J.; Spicher, U.:Analyses of the
Modell [39]. Für eine detaillierte Behandlung der hier Combustion Process in a Direct Injection Gasoline. 4th Int.
vorgestellten und weiterer Verbrennungsmodelle sei Symp. COMODIA 98
auf die angegebene Literatur und [2, 16, 19] und [37] [19] Stiesch, G.: Modeling Engine Spray and Combustion Pro-
verwiesen. cesses. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg (2003)
[20] Vibe, R.R.: Brennverlauf und Kreisprozess von Verbren-
nungsmotoren. VEB-Verlag Technik, Berlin (1970)
Literatur [21] Betz, A.:Rechnerische Untersuchung des stationären und
transienten Betriebsverhaltens ein- und zweistufig auf-
geladener Viertakt-Dieselmotoren, Dissertation. TU-Mün-
Literatur chen, 1985
[22] Woschni, G.: Die Berechnung der Wandwärmeverluste und
[1] Glassmann, I.: Combustion. Academic Press, New York
der thermischen Belastung der Bauteile von Dieselmoto-
(1996)
ren. MTZ 31, 491–499 (1970)
[2] Merker, G.P., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren-
[23] Blizard N. C., Keck, J. C.: Experimental and Theoretical Inves-
nungsmotoren – Funktionsweise, Simulation, Messtechnik,
tigation of Turbulent Burning Model for Internal Combus-
7. Aufl. Springer Verlag, Wiesbaden (2014)
tion Engines. SAE Paper 740191
[3] Semenov, N.: Chemical Kinetics and Chain Reactions. Ox-
[24] Metghalchi, M., Keck, J.C.: Burning Velocities of Mixtures if
ford University Press, London (1935)
Air with Methanol, Iso-octane and Indolene at High Pres-
[4] Curran, H.J., Gaffuri, P., Pitz, W.J., Westbrook, C.K.: A Compre-
sure and Temperature. Comb. Flame 38, 143–154 (1982)
hensive Modeling Study of n-Heptane Oxidation. Comb.
[25] Rhodes, D. B.; Keck, J. C.: Laminar Burning Speed Measure-
Flame 114, 149–177 (1998)
ments of Indolene-Air Diluent Mixtures at High Pressures
[5] Leppard, W. R.: The Chemical Origin of Fuel Octane Sensi-
and Temperatures. SAE Paper, 850047, 1985
tivity. SAE paper 902137, 1990
[26] Herweg, R.; Maly, R. R.: A Fundamental Model for Flame
[6] Halstead, M., Kirsch, L., Quinn, C.: The Autoignition of Hy-
Kernel Formation in SI Engines, SAE Paper 922243, 1992
drocarbon Fuels at High Temperatures and Pressures –
[27] Koch, T.: Numerischer Beitrag zur Charakterisierung und
Fitting of a Mathematical Model. Comb. Flame 30, 45–60
Vorausberechnung der Gemischbildung und Verbrennung
(1977)
in einem direkteingespritzten, strahlgeführten Ottomotor,
[7] Kong, S.-C.; Han, Z.; Reitz, R. D.: The Developement and Ap-
Dissertation. ETH Zürich, 2002
plication of a Diesel Ignition and Combustion Model for
[28] Hiroyasu, H., Kadota, T., Arai, M.: Development and Use of
Multidimensional Engine Simulations. SAE Paper 950278,
a Spray Combustion Model to predict Diesel Engine Effici-
1995
ency and Pollutant Emissions, Part 1: Combustion Mode-
[8] Tanaka, S., Ayala, F., Keck, J.C.: A reduced chemical kinetic
ling. Bull JSME 26(214), 569–575 (1992)
model for HCCI combustion of primary reference fuels in
742 Kapitel 14 • Verbrennung

[29] Stiesch, G.: Phänomenologisches Multi-Zonen-Modell


1 der Verbrennung und Schadtstoffbildung im Dieselmo-
tor Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 12, Bd. 399. VDI-Verlag,
Düsseldorf (1999)
2 [30] Barba, C.; Burkhardt, C.; Boulochos, K.; Bargende, M.: A Phe-
nomenological Combustion Model for Heat Release Rate
Prediction in High Speed DI Diesel Engines with Common
3 Rail Injection. SAE Paper 2000-01-2933
[31] Grill, M.; Bargende, M.; Rether, D.; Schmid, A.: Quasi-dimen-
sional and Empirical Modeling of Compression-Ignition
4 Engine Combustion and Emissions. SAE Technical Paper
2010-01-0151, 2010

5 [32] Rezaei, R.; Eckert, P.; Seebode, J.; Behnk, K.: Zero-Dimensi-
onal Modeling of Combustion and Heat Release Rate in DI
Diesel Engines. SAE Int. J. Engines 5(3): 874–885, SAE Paper

6 2012-01-1065, 2012
[33] Su, H.; Mosbach, S.; Kraft, M.; Bhave, A.; Kook, S.; Bae, C.:Two
Stage Fuel Direct Injection in a Diesel Fuelled HCCI Engine.
7 SAE Paper. 2007-01-1880, 2007
[34] Pasternak, M.; Mauss, F.; Janiga, G.; Thévenin, D.: Self-Calib-
rating Model for Diesel Engine Simulations. SAE Technical
8 Paper 2012-01-1072, 2012
[35] Chumakov, S.: Large-Eddy Simulation for Subgrid Scalar
Transport, M.Sc. Thesis. University of Wisconsin, 2001
9 [36] Baumgarten, C.: Heat and Mass Transfer in Sprays. Mixture
Formation in Internal Combustion Engines (Heat and Mass
Transfer. Springer, Berlin, London, New York (2006)
10 [37] Poinsot, T., Veynante, D.: Theoretical and Numerical Com-
bustion, 2. Aufl. RT Edwards, Cambridge (2005)
[38] Kong, S. C.; Han, Z.; Reitz, R. D.: The Development and Ap-
11 plication of a Diesel Ignition and Combustion Model for
Multidimensional Engine Simulations. SAE Paper 950278,
1995
12 [39] Colin, O., Benkenida, A.: The 3-Zones Extended Coherent
Flame Model (Ecfm3z) for Computing Premixed/Diffusion

13 Combustion. Oil & Gas Science and Technology – Rev. IFP


59(6), 593–609 (2004)

14
15
16
17
18
19
20
743 15

Verbrennungsverfahren
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke, Prof. Dr.-Ing. Detlef Hieber,
Dipl.-Ing. Marc Sens, Dipl.-Ing. Reinhold Bals, Dipl.-Ing. Ralf Waschek,
Dipl.-Ing. Michael Riess, Dr.-Ing. Uwe Meinig
1.1 Ipsum Quia Dolor Sit Amet  –  16
1.1.1 Minima Veniam – 16
15.1 Dieselmotoren – 744
1.2 Ut Perspiciatis Unde Omnis Iste Natus Error  –  21
15.1.1 Dieselverbrennung – 744
1.2.1 Minima Veniam – 21
15.1.2 Diesel-Viertakt-Verbrennungsverfahren – 750

15.2 Ottomotoren – 762
15.2.1 Brennverfahren von Port-Fuel-Injection-(PFI)-Motoren  –  762
15.2.2 Brennverfahren von Direct-Injection-Spark-
Ignition-(DISI)-Motoren – 773

15.3 Zweitakt-Dieselmotor – 792
15.4 Zweitakt-Ottomotor – 793
Literatur – 797

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_15
744 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

15.1 Dieselmotoren thermischen Zustand der Zylinderladung und den


1 brennraumbegrenzenden Wänden die Gemischbil-
15.1.1 Dieselverbrennung dung. Diese erfolgt beim Dieselmotor bei den üblichen
2 zz Allgemeine Übersicht
Gemischbildungs- und Brennverfahren im Brennraum
selbst. Deshalb wird die Gemischbildung beim Diesel-
Unter Verbrennung werden chemische Reaktionen motor im Gegensatz zum klassischen Ottomotor (Ge-
3 verstanden, bei denen sich ein Stoff unter Wärme- mischbildung im Saugrohr) auch als innere Gemisch-
freisetzung (exotherm) mit molekularem Sauerstoff bildung bezeichnet. Der Grad der Homogenität des sich
verbindet (Oxidation). Die Einleitung einer Verbren- während der Kraftstoffeinspritzung im Brennraum her-
4 nung erfolgt durch die Zündung. Diese ist nur unter ausbildenden, örtlich und zeitlich veränderlichen Kon-
bestimmten Voraussetzungen möglich und wird ver- zentrationsfeldes von Sauerstoff und Kraftstoff (flüssig
5
6
-
einfacht wie folgt dargestellt:
Die Reaktionspartner müssen ein Mindestener-
gieniveau besitzen, die sogenannte Aktivierungs-
energie. Nur die Moleküle, die dieses Energie-
und dampfförmig) ist ein Maß für die erreichte Qualität
der Gemischbildung. Von dieser hängt maßgeblich der
örtliche und zeitliche Ablauf sowie die Vollständigkeit
und Vollkommenheit (Schadstoffbildung) der Verbren-
niveau erreicht haben, können miteinander nung im Dieselmotor ab. Die im Abgas eines Motors
7 reagieren. Der Anteil der Moleküle in einem
Gemisch von Reaktionspartnern mit ausreichend
messbaren Schadstoffemissionen stellen sich auf Grund
des Wechselspiels zwischen Schadstoffbildung und
hohem Energieniveau nimmt exponentiell mit Schadstoffabbau im Brennraum und im Abgassystem
8
9
- ansteigender Gemischtemperatur zu.
Das Reaktionsgemisch muss eine bestimmte
Zusammensetzung aufweisen. Bei zu hohem
Anteil des einen oder anderen Reaktionspartners
ein. Dies trifft insbesondere für die Ruß-, die Kohlen-
wasserstoff- und die Kohlenmonoxidemissionen zu.
Die nach der Zündung durch die Verbrennung
freigesetzte Wärmemenge bestimmt zusammen mit
reichen die möglichen Molekülkollisionen nicht dem Wärmeaustausch zwischen Arbeitsstoff, brenn-
10 aus, um eine stabile, sich selbst tragende Reaktion
auszulösen. Daraus folgt, dass eine sichere Zün-
raumbegrenzenden Wänden sowie dem flüssigen
Kraftstoff den Gasdruck- und -temperaturverlauf im
dung nur innerhalb der sogenannten Zündgren- Brennraum. Damit werden auch der angestrebte Erfolg
11 zen (Luft-Kraftstoff-Verhältnis circa 0,6 bis 1,0) der Energieumwandlung (Mitteldruck und Kraftstoff-
möglich ist. Diese Zündgrenzen erweitern sich verbrauch) und die mechanischen und thermischen
mit steigender Gemischtemperatur (circa 0,3 bis Belastungen der Motorenbauteile festgelegt. Außerdem
12 1,5). Inertgasanteile im Reaktionsgemisch (zum ist der zeitliche Verlauf des Gasdruckes an der Ge­
Beispiel Abgas) setzen die Reaktionsgeschwin- räuschentwicklung eines Verbrennungsmotors (Ver-
13 digkeit, ähnlich wie bei einer Verschiebung der brennungsgeräusch) maßgeblich beteiligt.
Gemischzusammensetzung in Richtung „magere“ Die Einspritzung des Kraftstoffes, der Zerfall des
Zündgrenze, herab. Kraftstoffstrahles in eine Tropfenschar (Spray), die
14 Verdampfung des Kraftstoffes, die Vermischung des
Das Arbeitsverfahren der Dieselmotoren beruht auf Kraftstoffes mit der Luft, der Wärmeübergang zwi-
15 der Selbstzündung des in den Brennraum eingebrach-
ten Kraftstoffes. Die Zuführung des Kraftstoffes zum
schen Arbeitsstoff, Brennraumwänden und Kraftstoff
sowie die durch die Kolbenbewegung erzeugte Luft-
Brennraum erfolgt durch Einspritzung mit einem ge- bewegung (Drallkanäle, Quetschströmung) als physi-
16 eigneten Einspritzsystem (vergleiche ▶ Abschn. 12.4.1). kalische Vorgänge und die Verbrennung (Oxidation)
Für eine sichere Selbstzündung des Kraftstoffes ist eine des Kraftstoffes als chemischer Vorgang laufen dabei
ausreichend hohe Lufttemperatur im Brennraum erfor- teilweise gleichzeitig, sich gegenseitig beeinflussend
17 derlich. Diese wird wesentlich durch ein entsprechend und unter sich ständig ändernden Bedingungen ab.
hohes Verdichtungsverhältnis des Motors erreicht. Die Deshalb müssen diese Vorgänge in ihrem Zusammen-
18 Vermischung des Kraftstoffes mit der vorhandenen wirken betrachtet werden. . Abb. 15.1 zeigt schema-
Luft und damit die Schaffung möglichst optimaler tisch die wesentlichen Zusammenhänge und Wech-
Bedingungen für die Zündung dieses Luft-Kraftstoff- selwirkungen der im Brennraum eines Dieselmotors
19 Gemisches ist notwendige Voraussetzung für die sich ablaufenden Prozesse.
anschließende Verbrennung. Diese Komplexität der dieselmotorischen Ge-
20 Die Art der Kraftstoffeinspritzung und der Kraft-
stoff selbst bestimmen neben der Ladungsbewegung
mischbildung und Verbrennung ist Grund dafür,
dass bis heute noch erheblicher Forschungsbedarf zur
im Brennraum, der Brennraumgeometrie und dem Aufklärung dieser Prozesse und ihrer Verknüpfungen
15.1 • Dieselmotoren
745 15

Motorisches Verhalten
Geräusch, Verbrauch,
Emissionen, Dynamik

Wärmefreisetzung Schadstoffbildung Schadstoffabbau


CO, NOx, Ruß, HC

Zündung

Gemischbildung
Verdampfungsverhalten,
λ , Länge der Flüssigphase

Strahlausbreitung Strahl-/Wandwechselwirkung Strömung, Turbulenz


Eindringtiefe, Strahlkegelwinkel,
Tropfengrößenverteilung

Primärer Strahlzerfall
Düseninnenströmung, Kavitation

Einspritzsystem Einspritzdüse Kolbenbewegung Einlasskanalgeometrie Muldengeometrie


Einspritzverlauf, Einspritz Lochgeometrie, HE-Rundungsgrad Drall, Tumble, Squish K-Faktor
druck, Einspritzmuster Konizität

..Abb. 15.1  Vorgänge bei der Gemischbildung und Verbrennung im Dieselmotor nach [1]

besteht. Erschwerend kommt hinzu, dass die üblichen zz Gemischbildung


Motorenkraftstoffe keine reinen Stoffe, sondern Ge- Ziel der Gemischbildung ist die Erzeugung einer zur
mische verschiedener Kohlenwasserstoffe sind. Die Zündung geeigneten lokalen Mischung von Kraftstoff
Ermittlung der physikalischen und chemischen Eigen- und Luft (Mikrogemischbildung) und die optimale
schaften und der chemischen Reaktionsabläufe unter Verteilung des Luft-Kraftstoff-Gemisches auf das
motorischen Verbrennungsbedingungen ist dadurch Brennraumvolumen (Makrogemischbildung). Das
schwierig und teilweise nur näherungsweise möglich. Optimierungsziel ist dabei das Erreichen einer ma-
ximalen Motorarbeit bei minimalem Kraftstoffver-
zz Kraftstoffeinspritzung brauch und gleichzeitig minimalen Abgasemissionen.
Das Einspritzsystem, einschließlich der Einspritzdüse Dabei sind Grenzen für die Motorgeräusche sowie die
und der Regelung und Steuerung, bestimmt durch mechanischen und thermischen Bauteilbelastungen
seine Auslegung und Konstruktion die Art der Kraft- einzuhalten. Da einige der formulierten Ziele durch
stoffzufuhr zum Brennraum. Die Einspritzung selbst einfache motorische Maßnahmen nur gegenläufig be-
kann im Wesentlichen einflussbar sind, ist eine Optimierung zwischen diesen

-
a) bei einmaliger Einspritzung pro Arbeitsspiel durch einzelnen Forderungen nur durch die Abstimmung
den Zeitpunkt des Einspritzbeginns, die mehrerer Parameter möglich (z. B. Einspritzdruck,
Einspritzdauer und den zeitlichen Verlauf der Einspritzzeitpunkt, AGR). Als markantes Beispiel ist
Kraftstoffzufuhr (Einspritzrate), hier das gegenläufige Verhalten der Stickoxidemission

-
b) bei mehrfacher Einspritzung durch und des spezifischen Kraftstoffverbrauches bzw. der
den Zeitpunkt und die Dauer der Einzelein- Rußemission zu nennen. Werden die unterschied-

-
spritzungen sowie lichen Randbedingungen (zum Beispiel Abgasge-
durch den zeitlichen Verlauf der Kraftstoffzu- setzgebung, Verbrauch) beim Betrieb der einzelnen
fuhr (Einspritzrate, meist nur bei Hauptein- Motorenarten wie beispielsweise eines Großdiesel-
spritzung) und motors für den Schiffsantrieb im Vergleich zu einem
Pkw-Dieselmotor berücksichtigt, wird deutlich, dass
generell durch die geometrische Form, die Anzahl und es keine allgemeine quantitative Formulierung der
die räumliche Ausrichtung der Düsenöffnungen zum optimalen Gemischbildungsbedingungen für alle
Brennraum charakterisiert werden, vergleiche ▶ Ab- Dieselmotoren geben kann. Unabhängig davon gibt
schn. 12.4.1. es aber einige grundsätzliche Erkenntnisse, die bei der
746 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

Kavitationsblasen Oberflächen- Gasblasen Tropfen 25


1 und Turbulenzwinkel wellen
CFD-Simulation
20

Anzahlver teilung [%]


Messung Hohmann

2 15
z = 30 mm

10
3
5

4 0
0 5 10 15 20 25
intakter Kern hohlraumarmer Bänder Anhäufung Durchmesser [µm]
5 Kern
..Abb. 15.3 Tropfengrößenverteilung in einem Kraft-
Störungen durch Strahlaufbruch infolge stoffstrahl im Abstand 30 mm von der Düse [6]
6 Kavitationsblasen
und Turbulenzwirbel
aerodynamischer Interaktionen

ist. Zusätzliche Luftbewegung im Brennraum erhöht


7 ..Abb. 15.2 Zwei-Phasen-Spraymodell [2, 3] die Relativbewegung zwischen Kraftstoff und Luft und
somit die Zerstäubungsgüte, die Mikro- und Makroge-
Auslegung und Optimierung aller Dieselmotoren be- mischbildung, siehe auch [4, 5].
8 rücksichtigt werden müssen. Eine typische Verteilung der Tropfengrößen im
Für die üblicherweise eingesetzte Lochdüse (DI- Kraftstoffstrahl zeigt . Abb. 15.3.
Motoren) stellt sich der Gemischbildungsvorgang aus Da die Einspritzung des Kraftstoffes zum Ende des
9 heutiger Sicht folgendermaßen dar: Kompressionshubes erfolgt, werden die Kraftstofftrop-
Die Gemischbildung wird unmittelbar mit der fen im Einspritzstrahl sofort der zu diesem Zeitpunkt
10 Kraftstoffeinspritzung eingeleitet. In Abhängigkeit der
Einspritzanlage tritt der Kraftstoffstrahl mit unter-
im Brennraum vorliegenden hohen Gastemperatur
ausgesetzt. Dies führt zu einem intensiven Wärme-
schiedlich hoher Geschwindigkeit (>100 m/s) aus der transport von der erhitzten Brennraumluft zu den
11 Einspritzdüse aus. Durch die große Relativgeschwin- relativ kalten Kraftstofftropfen. Mit fortschreitendem
digkeit des austretenden Kraftstoffes zur umgebenden Temperaturausgleich zwischen Luft und Kraftstoff setzt
Luft und durch die Implosion der in den Spritzlöchern an der Tropfenoberfläche eine zunehmende Verdamp-
12 entstandenen Kavitationsblasen unmittelbar nach dem fung ein. Der sich so bildende Kraftstoffdampf mischt
Düsenaustritt bricht der Kraftstoffstrahl nahezu ohne sich mit der umgebenden Luft.
13 Verzögerung direkt am Düsenaustritt auf. . Abb. 15.2 Auf diese Weise bilden sich in der Tropfenum-
zeigt eine auf Messungen beruhende Modellvorstel- gebung (siehe . Abb. 15.4 oben) und damit auch im
lung dieses Vorgangs. gesamten Kraftstoffstrahl Konzentrations- und Tem-
14 Der sich dabei bildende Kraftstoffstrahl besteht peraturunterschiede (heterogenes Gemisch) aus, die
aus einer Vielzahl einzelner Kraftstofftropfen un- in ihrer Folge Diffusionsvorgänge im Bereich der ein-
15 terschiedlicher Größe (1  bis 10 µm) und Form. In
Abhängigkeit der Randbedingungen seitens der Ein-
zelnen Kraftstofftropfen und im Strahl auslösen [7].
. Abb. 15.4 Mitte zeigt für drei verschiedene Einspritz-
spritzanlage und des Gaszustandes im Brennraum drücke die zeitliche Veränderung des Luftverhältnisses
16 hat jeder Kraftstoffstrahl seine eigene charakteris- am Rand eines Kraftstoffstrahles circa 26,5 mm vom
tische statistische Verteilung der Tröpfchengrößen. Düsenaustritt entfernt [2]. Im . Abb. 15.4 unten ist die
Die Tropfengröße ist im Wesentlichen von folgenden Verteilung des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses in einem
17 Einflüssen abhängig: Die entstehenden Tropfen sind Kraftstoffstrahl als Momentaufnahme dargestellt [8].

18 --
umso kleiner,
je kleiner der Düsenbohrungsdurchmesser,
Es wird deutlich, dass in einem Dieseleinspritzstrahl
nach einer gewissen Zeitspanne (Zündverzug) immer

--
je größer die Austrittsgeschwindigkeit aus der
Düse,
-
die Zündbedingungen
Gemischzusammensetzung innerhalb der Zünd-

-
19 je größer die Luftdichte im Brennraum, grenzen,

20 - je kleiner die Kraftstoffviskosität und


je kleiner die Oberflächenspannung des Kraft-
stoffes
ausreichend hohe Gemischtemperatur

erreicht werden können.


15.1 • Dieselmotoren
747 15
..Abb. 15.4  a Sauerstoff-, Kraftstoff-, Rußkonzen-
pK pK
tration und Temperatur in der Umgebung eines
p02
brennenden Einzeltropfens; b zeitliche Veränderung p02
des Luftverhältnisses an einem Ort im Einspritzstrahl T
bis zum Beginn der Kaltflammenreaktionen und
Tropfen
Erreichung der Zündbedingungen für verschiedene
Einspritzdrücke; c momentane örtliche Verteilung des xz
Ruß x
Luftverhältnisses in einem Kraftstoffstrahl

Die Haupteinflussparameter auf die Entwicklung Brennzone


eines Kraftstoffstrahles im Dieselmotor sind schema- a Ruß
tisch in . Abb. 15.5 zusammengestellt.
Minisacklochdüse
zz Zündverzug, Zündung und Verbrennung 1.0

[4, 5] 0.9

kalte
Die mit Beginn der Kraftstoffeinspritzung im Brenn- 0.8 60 MPa Verbrennung
Luftverhältnis

Flam
90 MPa
raum einsetzenden physikalischen und chemischen 0.7 120 MPa
Vorgänge benötigen Zeit bis zum Erreichen der Zünd-

me
0.6
bedingungen. Diese von Einspritzbeginn bis zur ersten 0.5
Zündung vergehende Zeitspanne, der Zündverzug, ist 0.4
für den nachfolgenden Verbrennungsablauf von her-
0.3
ausragender Bedeutung. Der Zündverzug liegt je nach
den bei der Kraftstoffeinspritzung im Motor vorliegen- 100 300 500 700 900 1100 1300

den Bedingungen in einer Größenordnung von 0,3 bis b Zeit nach Einspritzbeginn [µs]

zu 2 ms.
Bei kurzem Zündverzug wird bis zum Verbren-
nungsbeginn relativ wenig Kraftstoff eingespritzt
und physikalisch und chemisch optimal aufbereitet. 0
Das führt nach der Zündung zu einem moderaten
Druck- und Temperaturanstieg im Brennraum. Da
der Druckanstieg im Brennraum wesentliche Ur-
sache für das Verbrennungsgeräusch ist, wird sich ∆
dieses ebenfalls auf relativ niedrigem Niveau einstel- 20 0,6
len. Mit dem niedrigen Maximaldruck fallen auch
0,8
die mechanischen Bauteilbelastungen geringer aus.
Abstand zur Düse [mm]

Die maximale Gastemperatur und die an hohe Gas- 1,0


temperaturen gebundene Stickoxidentstehung sowie
die thermische Bauteilbelastung sind relativ niedrig. 40
1,6
Andererseits läuft dann aber auch die Verbrennung
3,2
bei vergleichsweise niedrigen Drücken und Tempe-
raturen ab, was zu einem höheren spezifischen Kraft-
stoffverbrauch und zu verstärkter Rußbildung führt.
Letzteres wird auf die relativ große Kraftstoffmenge,
60
die nach der Zündung in die sich entwickelnde heiße
Flamme gespritzt wird, und die zu langsame Vermi-
schung des sich bildenden Kraftstoffdampfes mit der
Luft zurückgeführt. Örtlicher Luftmangel und hohe
Temperaturen begünstigen rußbildende Crackreak-
tionen. Ein vergleichsweise langer Zündverzug führt 80
–10 0 10
zu entsprechend entgegengesetzten Wirkungen. Die c Radius [mm]
genannten physikalischen und chemischen Ursachen
748 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

..Abb. 15.5 Einflüsse
1 Strahlentwicklung auf die Einspritzstrahl-
entwicklung nach [9]

2 Ladung Brennraumwand
– Druck – Geometrie
– Temperatur – Temperatur
3 –

Zähigkeit
Geschwindigkeit
(Drall, Turbulenz) nach
Betrag und Richtung
4
5 Strahlcharakteristik

6 Geometrie der Einspritzdüse Dynamik der Kraftstoffströmung Kraftstoffeigenschaften


– Nadelhub – Einpritzdruck – Zusammensetzung
– Nadelsitzgeometrie – Dynamik der Druckwellen im – Viskosität
7 –

Aufteilung der Einlaufbereiche
Einlaufbedingungen ins
Injektor
– Mehrfacheinspritzung


Kompressibilität
Oberflächenspannung
Spritzloch (Sack-/Sitzlochdüse) – Querschnittsänderung mit – Siedeverhalten
– Rundungsradien des Strömungseinschnürung und
8 –
Spritzlocheintritts
Höhenwinkel des Spritzlochs
Kavitation
– Nadeldynamik
– I/d-Verhältnis des Spritzlochs – Strömungsgeschwindigkeit
– Bohrbild der Spritzlochwand – Instationäre Erscheinungen
9 –
(Drallzüge)
Rauhigkeit der Spritzlochwand
– Turbulenz
– Temperatur
– Rundungsradien des – Brennraumdruck

10 –
Spritzlochaustritts
K-Faktor

11 für den Zündverzug weisen auch den Weg zu seiner Die Zerstäubungsgüte des Kraftstoffes wird hauptsächlich
zielgerichteten Beeinflussung. durch die Wahl des Einspritzsystems, aber auch durch
Zu einem kurzen Zündverzug führen: den Einspritzzeitpunkt (Gaszustand) sowie die tempera-
12 turabhängigen Kraftstoffeigenschaften bestimmt.

13 -
zz a) physikalische Einflüsse
hohe Gastemperatur und hoher Gasdruck bei
Die Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff
und Luft kann durch die konstruktive Gestaltung und

14 -- Einspritzbeginn,
hohe Zerstäubungsgüte des Kraftstoffes sowie
hohe Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff
und Luft.
Abstimmung von Einspritzsystem, Brennraumform
und Einlasskanal beeinflusst werden. Die verschie-
denen Ansätze zur Lösung dieser Aufgabe machen
die wesentlichen Unterschiede der dieselmotorischen
15 Diese Einflüsse bewirken eine schnelle Verdampfung
Brennverfahren aus.

16
des Kraftstoffes, was wiederum eine schnelle Vertei-
lung und Mischung des Kraftstoffes mit der Luft im
-
zz b) chemische Einflüsse
hohe Zündwilligkeit des Kraftstoffes (hohe

17
Brennraum ermöglicht.
Gasdruck und Gastemperatur bei Einspritzbeginn
können durch folgende konstruktive Maßnahmen an- - Cetan-Zahl),
hohe Kraftstofftemperatur, hoher Gasdruck und
hohe Gastemperatur bei Einspritzbeginn.

18 --
gehoben werden:
hohes Verdichtungsverhältnis, Sie sorgen für eine schnelle chemische Aufbereitung

19 -- später Einspritzzeitpunkt (vor OT),


Aufladung,
hohe Kühlmitteltemperatur und geeignete Kühl-
des Kraftstoffes.
Die eigentliche Verbrennung im Dieselmotor stellt
sich aus heutiger Sicht folgendermaßen dar:

20 -- kanalführung,
Brennraumgestaltung (Wandtemperatureinfluss),
Einsatz von Zündhilfen (Glühstifte, Ansaugluft-
vorwärmung).
Die jeweils langsamsten Vorgänge kontrollieren
den Verbrennungsablauf. Unmittelbar nach der Zün-
dung verbrennt der während des Zündverzuges physi-
kalisch und chemisch gut aufbereitete Kraftstoff schnell
15.1 • Dieselmotoren
749 15
Spritzbeginn Spritzende

1. Phase 2. Phase 3. Phase


mK ZV
q
Spritzdauer

mK

–20 φ EB ZOT φ EE 20 40 60
φ °KW

..Abb. 15.6  Qualitativer Verlauf der Kraftstoffeinspritzung und der Wärmefreisetzung [7]

und mit hohem Energieumsatz. Diese 1. Phase wird nität der Zylinderladung führt wegen der dadurch
auch als vorgemischte Verbrennung bezeichnet und ist schlechteren Luftausnutzung (Rauchgrenze) zu ge-
hauptsächlich durch die noch relativ langsam ablaufen- ringeren Mitteldrücken. Beides ergibt für den Diesel-
den chemischen Vorgänge (niedrige Temperatur) kon- motor geringere Hubraumleistungen, weshalb heute
trolliert. Anschließend geht die Verbrennung in eine nahezu alle Dieselmotoren aufgeladen werden.
2. Phase über, die durch die weitere Kraftstoffeinsprit-
zung in die bereits vorhandene Flamme und deshalb zz Schadstoffbildung
durch starke Inhomogenität von Ladungszusammen- Für die Brennverfahrensentwicklung der Dieselmoto-
setzung und -temperatur gekennzeichnet ist. In dieser ren sind die Partikel- und die Stickoxidemissionen von
Phase wird der Verbrennungsablauf wiederum durch zentraler Bedeutung. Die Abgaspartikel bestehen zum
den jetzt langsamsten Vorgang, die Gemischbildung großen Teil aus Ruß, an dem sich Kohlenwasserstoff-
(Diffusion) kontrolliert. Die Geschwindigkeit der che- und/oder Schwefelverbindungen angelagert haben.
mischen Reaktionen hat durch den schnellen Tempera- Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissio-
turanstieg in der 1. Phase stark an Dynamik gewonnen. nen spielen bei der dieselmotorischen Verbrennung
Mit fortschreitender Verbrennung, 3. Phase, nimmt prinzipiell eine eher untergeordnete Rolle, können je-
die Umsatzrate wieder ab, weil örtlich zunehmender doch bei teilhomogenen Verfahren und hohen AGR-
Sauerstoffmangel und die infolge fortschreitender Ex- Raten kritisch werden. Die Schadstoffbildung steht in
pansion allmählich sinkende Gastemperatur die Reak- unmittelbarem Zusammenhang mit den örtlich im
tionsgeschwindigkeit herabsetzt. Zusätzlich verringert Brennraum vorliegenden Zünd-, Gemischbildungs-
sich in dieser Phase die durch den Einlassvorgang in- und Verbrennungsbedingungen.
itiierte Ladungsbewegung, so dass diese Phase sowohl Nach [5, 10] sind die Ruß- und Stickoxidbildung
durch die gebremsten Gemischbildungsvorgänge als stark reaktionskinetisch geprägt. Nach wie vor sind die
auch durch die abnehmende Reaktionsgeschwindig- Vorgänge aber noch nicht vollkommen geklärt. Auf
keit kontrolliert wird. Dies führt zu einer thermody- Grund einer Vielzahl von Untersuchungen an Flam-
namisch ungünstigen Verschleppung der Verbrennung men und Stoßwellenrohren besteht hierzu folgende
weit in den Expansionshub hinein [4]. . Abb.  15.6 Vorstellung, . Abb. 15.7.
zeigt qualitativ den typischen Verlauf von Einspritz- Die Rußbildung ist abhängig von der Temperatur
und Verbrennungsrate für einen Dieselmotor mit Di- und dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis. Bei Temperaturen
rekteinspritzung. von circa 1600 bis 1800 K und Luft-Kraftstoff-Verhält-
Bei der inneren Gemischbildung im Dieselmotor nissen < 0,6 erreicht der Rußertrag (Rußmasse/Gesamt-
steht im Vergleich zum klassischen (homogenes Ge- kohlenstoffmasse) einem Maximalwert. Für viele Koh-
misch) Ottomotor wesentlich weniger Zeit zur Ver- lenwasserstoffe verlaufen diese Rußbildungsgrenzen
fügung. Außerdem liegt der Siedeverlauf des Diesel- sehr ähnlich, so dass diese Betrachtungsweise auf Die-
kraftstoffs deutlich höher. Dadurch ist der Dieselmotor selmotoren übertragbar erscheint. Die oben beschrie-
gegenüber dem Ottomotor beim Fahrzeugeinsatz im bene heterogene Gemischbildung im Dieselmotor be-
Nachteil. Mit zunehmender Drehzahl verschärft sich dingt, dass trotz der Gesamtluft-Kraftstoff-Verhältnisse
das Zeitproblem. Die nicht vermeidbare Inhomoge- > 1 örtlich Luft-Kraftstoff-Verhältnisse < 0,6 auftreten
750 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

mogenisierung), verringern die Rußpartikelbildung und


1 erlauben damit eine höhere AGR-Rate, um die Tempe-
raturen und damit die Stickoxidbildung zu reduzieren.
2 50
Neben der Rußbildung ist der Rußoxidationsprozess
in der 3. Phase des Verbrennungsablaufs gezielt zu be-
einflussen, zum Beispiel durch eine Nacheinspritzung
3
40
unmittelbar nach der Haupteinspritzung, um ein ge-
Rußer trag

30 eignetes Temperaturniveau für die Rußoxidation zur


Verfügung zu stellen.
4 20

10
15.1.2 Diesel-Viertakt-
5 0 Verbrennungsverfahren
00
0,4 20
6 Lu
ftv 0,5 18
00
K
r
Auf Basis der oben dargelegten Vorgänge im Brenn-
t u
erh
0 era raum lassen sich die im Laufe der Dieselmotorenent-
ält
nis 160 mp
Te
7 ∆ 0,6
14
00
wicklung entstandenen Brennverfahren erklären und
verstehen.
Rudolf Diesel hatte seinerzeit keine Möglichkeit,
..Abb. 15.7  Rußertrag in Abhängigkeit von Tempera-
8 tur und Luftverhältnis [10]
auf industriell gefertigte, hoch entwickelte Einspritz-
techniken zurückzugreifen. So scheiterte zunächst sein
können. Solange die Gemischtemperatur dabei unter Versuch, die heute selbstverständliche Hochdruckein-
9 circa  1450 K bleibt, ist eine Rußbildung weitgehend spritzung des Kraftstoffes einzusetzen, an den damaligen
ausgeschlossen. Bei der Abkühlung eines brennenden, technischen Möglichkeiten. Als „Notlösung“ entwickelte
10 relativ „fetten“ Gemisches (zum Beispiel in Wandnähe)
oder Aufheizung noch nicht ausreichend mit Luft ver-
er ein Verfahren, bei dem der flüssige Kraftstoff mittels
Druckluft in den Brennraum des Motors eingeblasen
mischten Kraftstoffes kommt es aber zu einer intensiven wurde. Nach [11] zeichnete sich dieses Brennverfahren
11 Rußbildung. Durch Wandeinflüsse (quenching) und die durch einen äußerst ruhigen und „weichen“ Motorlauf
Kraftstoffzusammensetzung muss im Dieselmotor be- aus. Der Auspuff war rußfrei und geruchlos. Dieses Er-
12 reits bei einem Luft-Kraftstoff-Verhältnis < 0,8 mit dem
Beginn der Rußbildung gerechnet werden.
-
gebnis kann heute folgendermaßen erklärt werden:
die Lufteinblasung ergibt eine sehr feine Zerstäu-

13
. Abb. 15.8 zeigt ein Temperatur-Luft-Kraftstoff-
Verhältnis-Diagramm, in das neben dem Rußbildungs-
bereich die Zustände von Gemisch und Verbranntem in - bung des Kraftstoffes,
vor der eigentlichen Verbrennungsphase findet
eine intensive Mischung von Kraftstoff und Luft

14
15
Zünd-OT-Nähe eingetragen sind. Außerdem ist der Be-
reich intensiver Stickoxidbildung (innerhalb von 0,5 ms
gebildete Anteile) dargestellt. Bekanntlich entstehen die
höchsten Stickoxid-Bildungsraten bei einem Luft-Kraft-
- bereits in der Düse statt,
infolge der Kühlung der Einblaseluft und der
weiteren Abkühlung beim Einströmen in den
Zylinder (Expansion) wird die Rußbildung wei-
stoff-Verhältnis um 1,1. In diesem Bereich kann auch testgehend verhindert.
ein Teil des zuvor gebildeten Rußes wieder verbrennen,
16 wie die Reaktionszeit von Rußteilchen (d = 40 nm) in Der für die späteren Entwicklungen entscheidende
diesem Gebiet zeigt. Bei weiterer Zunahme des Luft- Nachteil des Verfahrens war der hohe Arbeitsaufwand
Kraftstoff-Verhältnisses bis auf den brennraumgemittel- für den Antrieb des benötigten Luftkompressors, der
17 ten Wert sinkt die Verbrennungstemperatur und damit einen entsprechend hohen Kraftstoffverbrauch zur
die Stickoxidbildung. Die Darstellung gibt auch die Er- Folge hatte. Wegen der direkten Einbringung des
18 klärung für das beim Dieselmotor typische gegenläufige Kraftstoffes in den Brennraum kann dieses Verfahren
Verhalten der Ruß- und Stickoxidemissionen. Relativ zu den Verfahren mit direkter Einspritzung (DI) ge-
niedrige Temperaturen und Luftmangel fördern die rechnet werden, obwohl es sich grundlegend von den
19 Rußbildung und mindern die Stickoxidbildung. Hohe heutigen Hochdruckeinspritzverfahren unterscheidet.
Temperaturen und Luftüberschuss haben eine entge- Die Direkteinspritzung des Kraftstoffes ist somit das
20 gengesetzte Wirkung. Eine deutliche Absenkung bei-
der Emissionen ist nur eingeschränkt möglich. Hohe
historisch älteste Diesel-Verbrennungsverfahren. In
der beschriebenen Form war es aber nur Motoren
Einspritzdrücke verbessern die Gemischbildung (Ho- mit relativ niedrigen Drehzahlen, das heißt Motoren
15.1 • Dieselmotoren
751 15
Rußoxidationszeit
Temperatur [K] τ = 1,0 0,4 ms
3000
Verbranntes
Rußbildung ppm
NO
5000
2500
3000
1000
500

2000

1500

1,0 1,5 2,0 4,0 λ mittl. Luft-Kraftstoff-Verhältnis

1000

Gemisch
500
Zielbereich

0
0 0,5 1,0 1,5 2,0
örtliches Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ ö

..Abb. 15.8  Zustände von Gemisch und Verbranntem bei der dieselmotorischen Verbrennung [8]

mit größeren Brennraumabmessungen, vorbehalten. Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff und Luft


Das Dieselverfahren auch für schnelllaufende Mo- sowie der Einfluss der Brennraumwand auf die Ge-
toren und den Fahrzeugeinsatz nutzbar zu machen, schwindigkeit der Gemischbildungsvorgänge erkannt.
erforderte weitere Entwicklungsschritte. Wichtige Die Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff und
Voraussetzung war die zu Beginn der Zwanziger-
jahre des vorigen Jahrhunderts technisch möglich
-
Luft kann am wirksamsten durch:
die Kraftstoffgeschwindigkeit im Brennraum
gewordene und zugleich kostengünstigere und bes-
ser dosierende Hochdruckeinspritzung. Der Nachteil
der Hochdruckeinspritzung gegenüber der Luftein-
blasung war, dass ohne zusätzliche Maßnahmen die
- (Höhe des Einspritzdruckes) und
die Luftgeschwindigkeit im Brennraum (Brenn-
raum- und Einlasskanalgestaltung)

Gemischbildung ausschließlich durch die Einspritz- beeinflusst werden. Beste motorische Ergebnisse wer-
düse (ohne Luftunterstützung) erfolgt. Bis zu einem den durch die optimale Abstimmung von Kraftstoff­
gewissen Grade reicht die mit zunehmender Drehzahl einspritzung und Luftbewegung im Brennraum er-
im Brennraum ansteigende Ladungsturbulenz aus, reicht.
um die eintretende Zeitverkürzung durch erhöhte Vor diesem Hintergrund entstanden weiter diesel-
Mischungs- und damit auch zunehmende Verbren- motorische Verbrennungsverfahren.
nungsgeschwindigkeit auszugleichen. Bei Dreh-
zahlsteigerungen in Bereiche, wie sie heute von den 15.1.2.1 Verfahren mit indirekter
mittelschnelllaufenden und schnelllaufenden Moto- Kraftstoffeinspritzung (IDI)
ren abgedeckt werden, mussten Lösungen gefunden Bei Motoren, die mit einem solchen Verfahren arbei-
werden, die eine entsprechende Beschleunigung der ten, ist der Brennraum unterteilt. Er besteht aus einem
Gemischbildungs- und Verbrennungsvorgänge er- Hauptbrennraum und einem Nebenbrennraum. Der
möglichten. Als wichtige Einflussgrößen wurden die Nebenbrennraum ist als Kammer ausgebildet und
752 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

nach der Zündung steigen Druck und Temperatur in der


1 Kammer schnell über die Werte im Hauptbrennraum an.
Der höhere Kammerdruck bewirkt ein intensives Aus-
2 strömen des sich in der Kammer bildenden und teilweise
bereits brennenden Luft-Kraftstoff-Gemisches in den
Hauptbrennraum. Dabei kommt es zu einer intensiven
3 Mischung des ausströmenden Gemischstromes mit der
im Hauptbrennraum ausreichend vorhandenen Luft.
Die Brennverfahren mit indirekter Einspritzung
4 neigen zu erhöhter Rußbildung. Die Ursache hierfür
ist der Luftmangel bei relativ hohen Temperaturen im
5 Nebenbrennraum nach der Zündung. Bei hohen Motor-
lasten kann ein Teil des in dieser Phase gebildeten Rußes
im Hauptbrennraum wieder oxidieren. Bei Teillast sind
6 aber die Temperaturen für eine wirksame Nachverbren-
nung zu niedrig. Die Stickoxidbildung ist bei den Kam-
7 merverfahren weitgehend unterdrückt. Der Luftmangel
in der Kammer ist hierbei von Vorteil. Beim Ausbla-
sen des Gemisches aus der Kammer wird das Gemisch
8 schnell verdünnt, so dass hohe örtliche Temperaturen
und gleichzeitig für die Stickoxidbildung günstige Luft-
verhältnisse weitgehend vermieden werden können. Die
9 intensive Gemischbildung bei den Kammerbrennver-
fahren führt auch zu günstigen Kohlenwasserstoff- und
10 Kohlenmonoxidemissionen dieser Motoren. Ein weite-
rer Vorteil der intensiven Gemischbildung ist der daraus
resultierende relativ geringe Zylinderdruckanstieg, der
11 ..Abb. 15.9  Brennraumanordnung eines Vierventil-
Vorkammermotors (DaimlerChrysler AG)
zu einer entsprechend niedrigen Geräuschentwicklung
führt. Diese Brennverfahren ermöglichen außerdem
eine hohe Luftausnutzung (nahe der stöchiometrischen
12 befindet sich im Zylinderkopf. Der Hauptbrennraum Gemischzusammensetzung) bei Volllast und gleichzei-
wird durch den Zylinder und eine im Kolbenboden be- tig hohen Motordrehzahlen.
13 findliche an die Lage der Kammermündung angepasste Die geschilderten Eigenschaften der Kammer-
Kolbenmulde gebildet. Diese Motoren werden des- brennverfahren sicherten den Kammermotoren lange
halb auch als Kammer- oder Nebenkammermotoren Zeit die Vormachtstellung im Bereich der schnelllau-
14 bezeichnet. Haupt- und Nebenbrennraum sind durch fenden Motoren, insbesondere der Pkw-Dieselmoto-
einen beziehungsweise mehrere Kanäle miteinander ren. Selbst in der Gruppe der mittelschnelllaufenden
15 verbunden. Der Nebenbrennraum wird konstruktiv als
Wirbel- oder Vorkammer ausgeführt. Beide Verfahren
Motoren waren Kammermotoren im oberen Drehzahl-
bereich vertreten. Inzwischen sind die Kammermoto-
haben Folgendes gemeinsam: ren wegen ihres deutlich höheren Verbrauches durch
16 Der Kraftstoff wird unter mäßigem Druck die Motoren mit Direkteinspritzung abgelöst worden.
(< 400 bar) mittels Steck-, Reihen- oder Verteilerein-
spritzpumpe in die Nebenkammer eingespritzt. Als zz Vorkammerverfahren [12]
17 Einspritzdüsen werden Drosselzapfendüsen (geringe Dieses Verfahren entstand schon in den Zwanzigerjah-
Einspritzmenge während des Zündverzuges) eingesetzt. ren des vorigen Jahrhunderts. . Abb. 15.9 zeigt eine
18 Nach schneller Mischung der ersten Kraftstoffteilmenge Vorkammer nach [13].
mit der Luft und relativ kurzem Zündverzug (hohe Die hier dargestellte Ausführung in einem Vierven-
Wandtemperatur der Kammer) erfolgt die Zündung til-Motor hat wegen der symmetrischen und zentralen
19 in der Nebenkammer. Die infolge der Verdrängerwir- Anordnung der Vorkammer zum Hauptbrennraum ge-
kung des Kolbens während der Kompressionsphase genüber einer Zwei-Ventilausführung das größere Poten-
20 vom Hauptbrennraum mit hoher Geschwindigkeit in
die Kammer überströmende Luft unterstützt die Ge-
zial hinsichtlich der erreichbaren Kraftstoffverbrauchs-
werte und Abgasemissionen. Die Kammer ist mit einem
mischbildung in der Kammer maßgeblich. Unmittelbar Schusskanal, der in mehreren Brennlöchern endet, mit
15.1 • Dieselmotoren
753 15

Bereiche des Kolbenbodens transportiert wird und dort


Einspritzdüse zu verstärkter Rußbildung führt. Die optimale Größe
Glühstift
des Kammervolumens beträgt etwa 50 % des Kom-
pressionsvolumens betragen. Die Einspritzdüse ist im
oberen Teil der Kammer angeordnet, so dass der Kraft-
stoffstrahl tangential zur Kammer entgegen der einströ-
menden Luft auf eine heiße gegenüberliegende Kam-
merwand gerichtet ist und so vom Luftwirbel in der
Kammer senkrecht durchdrungen wird. Der größte Teil
der eingespritzten Kraftstoffmenge gelangt zunächst auf
die bis zu 900 K heiße Kammerwand. Dort dampft er
relativ langsam ab. Die Zündung beschleunigt diesen
Vorgang stark. Der sich bildende Kraftstoffdampf wird
..Abb. 15.10  Wirbelkammer mit Einspritzdüse und durch die Wirbelbewegung der Luft in der Kammer
Glühstift (Opel Omega 2,3 D) [14] schnell und intensiv vermischt. Der weitere Verbren-
nungsablauf läuft ähnlich dem im Vorkammermotor
dem Hauptbrennraum verbunden. Die Größe des Kam- ab. Das Verdichtungsverhältnis dieser Motoren beträgt
mervolumens beträgt etwa 40 bis 50 % des Kompressi- zwischen 22:1 und 23:1. Das Wirbelkammerverfahren
onsvolumens. Dieses Verhältnis beeinflusst die Ruß- und ist bis zu Drehzahlen von etwa 5000 1/min (etwas höher
Stickoxidbildung stark und ist entsprechend zu optimie- als beim Vorkammerverfahren) anwendbar und damit
ren. Der optimale Querschnitt aller Brennlöcher liegt bei besonders für den Pkw-Einsatz geeignet. Die Verbren-
0,5 % des Kolbenquerschnitts. Eine größere Lochanzahl nungseigenschaften und erreichbaren Mitteldrücke an
verringert die Rußemission. Das Verdichtungsverhältnis der Rußgrenze sind vergleichbar mit denen der Vor-
dieser Motoren liegt zwischen 21:1 und 22:1. Das Vor- kammermotoren. Das Wirbelkammerverfahren kommt
kammerverfahren ist für kleine Zylinder-Hubvolumina ebenfalls nicht ohne Zündhilfe (Glühkerze) aus.
weniger gut geeignet. Die Gemischbildung in der Kam-
mer kann durch einen in Geometrie und Lage an die 15.1.2.2 Verfahren mit direkter
Kammer angepassten Kugelstift (siehe . Abb. 15.9) op- Kraftstoffeinspritzung (DI)
timiert werden. Dieser Stift ist quer zur Einspritzstrahl- Bei den Verfahren mit direkter Kraftstoffeinspritzung ist
richtung angeordnet und unterstützt die Aufbereitung der Brennraum ungeteilt ([4, 5, 15–17]; . Abb. 15.11).
des auftreffenden Kraftstoffstrahls, die Kraftstoffvertei- Der eigentliche Brennraum wird dabei von einer im
lung und die Luftbewegung in der Kammer. Trotz des Kolbenboden angeordneten Mulde gebildet. Bis zu
relativ hohen Verdichtungsverhältnisses kommt das Ver- 80 % des Kompressionsvolumens können so in dieser
fahren nicht ohne Zündhilfe (Glühkerze) aus. Kolbenmulde untergebracht werden. Dieselmotoren mit
einem Zylinderdurchmesser größer circa 300 mm kom-
zz Wirbelkammerverfahren [14] men dabei gewöhnlich ohne eine zusätzliche Luftbewe-
Hauptbrennraum und Kammer sind über einen Kanal gung im Brennraum aus. Die Gemischbildung erfolgt
mit relativ großem Strömungsquerschnitt miteinander ausschließlich durch das Einspritzsystem, insbesondere
verbunden, . Abb. 15.10. Der Überströmkanal mündet durch die Auslegung der Einspritzdüse. Als Einspritz-
tangential in die eigentliche Brennkammer ein, so dass düsen werden Mehrlochdüsen mit je nach Motorgröße
bei der Aufwärtsbewegung des Kolbens die in die Kam- bis zu zwölf Düsenbohrungen eingesetzt. Eine Mo-
mer überströmende Luft in eine kräftige Drehbewegung torausführung mit vier Ventilen ermöglicht durch die
versetzt wird. Das Verhältnis von Wirbeldrehzahl zu zentral angeordnete und in Zylinderachse ausgerichtete
Motordrehzahl ist insbesondere von der Drehzahl des Einspritzdüse eine für Gemischbildung und thermische
Motors abhängig und liegt zwischen 20. und 50. Kam- Belastung des Brennraumes vorteilhafte symmetrische
mergröße sowie Lage und Geometrie des Überströmka- Gestaltung des Brennraumes. . Abb. 15.11 zeigt die un-
nals sind mit der Düsenanordnung in der Kammer und symmetrische Gestaltung mit zwei Ventilen.
der am Kolbenboden gegenüber dem Kanalaustritt vor- Der maximale Einspritzdruck (1600 bis etwa
zusehenden, meist brillenförmigen Brennraummulde 2700 bar) und der Düsenbohrungsdurchmesser be-
optimal aufeinander abzustimmen. Die Kolbenmulde stimmen die Größe der Kraftstofftropfen und die Re-
bewirkt eine Abbremsung der brennenden Fackel am lativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff und Luft im
Muldenrand und verringert so die Gefahr, dass noch Einspritzstrahl. Der Brennraum ist weitestgehend offen
nicht vollkommen verbrannter Kraftstoff auf kältere und der Form und Lage der Einspritzstrahlen angepasst.
754 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

gentialkanal entsteht beim Einströmvorgang in den


1 Brennraum eine intensive Drehbewegung der Luft um
die Zylinderachse (Drall). Diese überlagert sich der
2 ohnehin im Brennraum vorhandenen Turbulenz und
bewirkt eine schnelle Verteilung und Vermischung des
unmittelbar mit der Kraftstoffeinspritzung im Einspritz-
3 strahlbereich entstehenden Kraftstoffdampfes mit der
im Brennraum vorhandenen Luft (Makrogemischbil-
dung). Eine weitere Möglichkeit, die Relativgeschwin-
4 digkeit zwischen Kraftstoff und Luft im Brennraum zu
erhöhen, besteht in der Einschnürung der Kolbenmulde
5 im Bereich des Kolbenbodens.
Dadurch wird während des Kompressionshubes
die oberhalb des Kolbenbodens befindliche Luft in
6 Richtung Kolbenmulde verdrängt. Beim Einströmen
der Luft in die Mulde entsteht eine intensive Wirbelbe-
7 wegung, der sogenannte Quetschwirbel, . Abb. 15.12.
Der Quetschwirbel hat gegenüber dem Drall den
Vorteil, dass er mit Annäherung des Kolbens an den
8 oberen Totpunkt (Phase der Kraftstoffeinspritzung) an
Intensität noch zunimmt, während der beim Ansaug-
vorgang erzeugte Drall bereits abklingt. Mit zuneh-
9 mender Schnellläufigkeit der Motoren wird die Kom-
bination beider Verfahren angewendet. Um Bestwerte
10 für den Kraftstoffverbrauch und die Abgasemissionen
zu erzielen, sind die Einlasskanäle, die Brennraum-
..Abb. 15.11  Anordnung einer zentralen Einspritzdü- geometrie und die Kraftstoffeinspritzung optimal zu
11 se bei 4-Ventiltechnik gestalten und aufeinander abzustimmen, . Abb. 15.13.
Jüngste Entwicklungen zur optimalen Kolbenmulde
Bei kleineren Motoren und damit steigender Drehzahl werden in [19, 20] vorgestellt.
12 reicht die durch den Ansaugvorgang, die Kraftstoffein- Eine Reduzierung der Anzahl an Düsenbohrungen
spritzung und die Kolbenbewegung angefachte Luftbe- erfordert die Anhebung des Dralls und umgekehrt. Bei
13 wegung für eine gute Gemischbildung oft nicht mehr zu hohem Drall und einer hohen Anzahl von Spritzlö-
aus. Um die Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff chern überlagern sich die einzelnen Kraftstoffstrahlen
und Luft im Brennraum zu erhöhen, sind besondere (Strahlverwehung). Dies führt zu örtlichen „Über-
14 Maßnahmen erforderlich. Durch die Gestaltung zum fettungen“ des Gemisches mit der Folge schlechter
Beispiel der Einlasskanäle als Drall- und/oder Tan- Luftausnutzung und hoher Abgasemissionen. Bei Fahr-
15 Zylinderkopf

16 Quetsch-
strömung

17
4-Loch-
Drallströmung
Einspritzdüse
18 Strahlausbreitung
ohne Luftdrall

19 Strahlausbreitung
mit Luftdrall

20 ..Abb. 15.12  Strömungsvorgänge im Brennraum eines Dieselmotors mit Direkteinspritzung und vorwiegend


luftverteiltem Kraftstoff [18]
15.1 • Dieselmotoren
755 15
8 2000 4,5

4,0

3,5
6 1500
3,0

Integrale Drallzahl [-]


Streuband verschiedener
2,5
Serienmotoren

Einspritzdruck
Drall Einspritzdruck
Drallzahl

2,0

bar
4 1000
1,5

1,0

2 500 0,5

0
50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150
Zylinderdurchmesser [mm]
0 0
0 2 4 6 8 ..Abb. 15.15  Typische Abhängigkeit der erforderli-
Düsenlochanzahl chen Drallzahl vom Zylinderdurchmesser [21]

..Abb. 15.13  Typischer Zusammenhang zwischen Verdichtungsverhältnisse zwischen 11:1 und 16:1 rea-
Einspritzdruck, Drallzahl und Düsenlochzahl [17]
lisiert. Es werden heute effektive Wirkungsgrade von
knapp über 50 % erreicht. Der geschilderte Zusammen-
zeugmotoren ist die optimale Abstimmung der Ge- hang zwischen Motordrehzahl (Motorgröße), Luftbe-
mischbildung im gesamten Betriebsbereich besonders wegung und Brennraumform zeigt sich auch deutlich
schwierig. Simulationsverfahren (3D) und verbesserte in der Gegenüberstellung typischer Brennraumformen
experimentelle Möglichkeiten (Transparentmotor) hel- von Motoren mit Direkteinspritzung mit zunehmender
fen, die Aufgaben erfolgreich zu lösen. Last- und dreh- Drehzahl, . Abb. 15.14. Links in . Abb. 15.14 ist der
zahlabhängige Anpassung des Dralls ist für optimalen typische Brennraum eines mittelschnelllaufenden Mo-
Motorbetrieb erforderlich. Schnelllaufende Motoren tors, rechts der eines Pkw-Motors dargestellt. Deutlich
benötigen Verdichtungsverhältnisse zwischen 15:1 und ist die zunehmende Einschnürung und Vertiefung der
19:1 und wie bei den Motoren mit indirekter Kraftstof- Kolbenmulde mit zunehmender Drehzahl (kleinerem
feinspritzung sind zur Gewährleistung eines sicheren Kolbendurchmesser) zu erkennen. Dadurch wird die
Kaltstarts und Warmlaufs Glühstifte vorzusehen. Diese Quetschwirkung erhöht und der Drall bleibt bis in den
Motoren erreichen heute Maximaldrehzahlen von Expansionshub erhalten. Im gleichen Sinne erhöht sich
bis zu 5000 1/min und mit Abgasturboaufladung im der erforderliche Drall, . Abb. 15.15.
Bestpunkt effektive Wirkungsgrade um 43 %. Bei den Von der Tendenz her verringert sich dabei gleich-
Großmotoren sind in Abhängigkeit des Aufladegrades zeitig die Anzahl der Düsenbohrungen. Die optimale

Zylinderdurchmesser nimmt ab / Drehzahl steigt


erforderliche Drallzahl steigt

..Abb. 15.14  Einfluss von Motorgröße (Drehzahl) auf Brennraummuldenform und erforderliche Luftbewegung
bei Dieselmotoren mit direkter Einspritzung (In Anlehnung an [18])
756 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

Bosch 5 ..Abb. 15.16 Vergleich
1 3
NFZ-DI-Motoren
PKW-DI-Motoren
g
kWh 15
g
der Abgasemissionen
4 verschiedener Brenn-
Kammermotoren kWh
verfahren, ohne AGR
2
Schwärzungszahl

HC-Emission
[10]

NOx-Emission
2 3 10

3
2
1 5
1

4 0 0 0
0 25 50 75 % 100 0 25 50 75 % 100 0 25 50 75 % 100
Last
5
Abstimmung des Brennverfahrens wird mit steigender Direkteinspritzung zusätzlich noch durch die größeren
6 Motordrehzahl schwieriger, weil das System empfindli- Brennraumoberflächen erhöht werden. Wegen der grö-
cher gegenüber der Brennraumgeometrie wird. Bei den ßeren Strömungs- und Wärmeübergangsverluste sowie
7 Pkw-Brennräumen ist besondere Aufmerksamkeit auf
die Feinformgebung des Muldenrandes (Turbulenz-
der längeren Brenndauer haben die Verbrennungs-
verfahren mit indirekter Kraftstoffeinspritzung einen
ring) zu legen [20, 21]. Zunehmend setzt sich auch die circa 15 % höheren Kraftstoffverbrauch als die Moto-
8 Ausführung mit vier Ventilen und zentraler Einspritz- ren mit Direkteinspritzung. Wegen des ungünstigeren
düse bei den kleineren Zylindergrößen durch. Durch Oberflächen-Volumen-Verhältnisses (um 30 bis 40 %
die heute möglichen hohen Einspritzdrücke kann die größer gegenüber DI) der Brennräume weisen die Mo-
9 Spritzlochanzahl erhöht und deren Durchmesser kleiner toren mit indirekter Kraftstoffeinspritzung ein schlech-
gewählt und in deren Folge der Drall verringert werden. teres Kaltstartverhalten auf, welches nicht vollständig
10 15.1.2.3 Gegenüberstellung der
durch ein höheres Verdichtungsverhältnis ausgeglichen
werden kann. Die bei den Motoren mit Direkteinsprit-
Verbrennungsverfahren zung notwendig höheren Einspritzdrücke führen zu
11 Die oben betrachteten Verbrennungsverfahren werden höher belasteten, teureren Einspritzanlagen und einer
hier vorrangig hinsichtlich des spezifischen Kraftstoff- höheren Leistungsaufnahme der Hochdruckpumpe.
verbrauchs, der Abgasemissionen und des Verbren- Die höheren Ladungsgeschwindigkeiten bei den
12 nungsgeräuschs gegenübergestellt [5, 22]. Grundsätzlich Kammerverfahren bewirken eine bessere Luftausnut-
unterscheiden sie sich in der Art der Erzeugung der für zung. Damit können niedrigere Luft-Kraftstoff-Ver-
13 die Gemischbildung erforderlichen Relativgeschwin- hältnisse an der Rauchgrenze erreicht werden. Dies
digkeit zwischen Kraftstoff und Luft. Kammerverfah- kompensiert die gegenüber den Motoren mit Direkt-
ren arbeiten mit geringen Einspritzdrücken, also relativ einspritzung schlechteren Liefergrade und Kraftstoff-
14 geringen Kraftstoffgeschwindigkeiten, und benötigen verbräuche, so dass etwa gleich hohe Volllastmitteldrü-
deshalb hohe Luftgeschwindigkeiten. Bei den Verfah- cke bei Saugmotoren erreichbar sind.
15 ren mit Direkteinspritzung werden hohe Kraftstoffge-
schwindigkeiten durch hohe Einspritzdrücke erzielt. Sie
Die Schwarzrauchemission ist bei den Kammer-
verfahren besonders im unteren Lastbereich gegenüber
kommen deshalb mit geringeren Luftgeschwindigkeiten den Verfahren mit Direkteinspritzung ungünstiger. Bei
16 aus. Die bei den Motoren mit Direkteinspritzung zur Er- den Stickoxidemissionen nimmt der Vorteil der Kam-
zeugung der Luftbewegung erforderlichen Drallkanäle merverfahren gegenüber der Direkteinspritzung mit
begrenzen aber bei hohen Drehzahlen die Zylinderfül- der Motorlast zu. Auch bei den HC-Emissionen haben
17 lung und erhöhen die Ladungswechselverluste. Die er- die Kammerverfahren Vorteile gegenüber der Direkt-
forderlichen Strömungsgeschwindigkeiten im Bereich einspritzung, . Abb. 15.16.
18 des oberen Totpunktes nehmen von der Direktein- Die enormen Fortschritte bei der Entwicklung der
spritzung, über das Wirbelkammerverfahren hin zum Einspritztechnik, insbesondere durch die Steigerung der
Vorkammerverfahren tendenziell zu. Mit ansteigenden Einspritzdrücke und die Mehrfacheinspritzungen, haben
19 Strömungsgeschwindigkeiten im Brennraum wachsen die Emissionsvorteile der Kammerverfahren inzwischen
aber die Strömungsverluste an. Außerdem bewirken hö- überkompensiert. Grundsätzlich haben die Verfahren
20 here Strömungsgeschwindigkeiten größere Wärmeüber-
gangszahlen und damit höhere Wandwärmeverluste, die
mit Direkteinspritzung bei den Stickoxiden wegen des
höheren Gleichraumanteils bei der Wärmefreisetzung,
bei den Kammermotoren gegenüber den Motoren mit der auch Ursache für das lautere Verbrennungs­geräusch
15.1 • Dieselmotoren
757 15
220 heutigem Stand des Wissens die Schadstoffgrenzwerte
Zylinderdruck-Anregungspegel Lpz

dB n = 2500 min–1 ohne hocheffiziente Abgasnachbehandlung für die meis-


200 Vollast
Ottomotor ten Anwendungen nicht erreichbar.
DI-Dieselmotor
180 IDI-Dieselmotor
zz Grundlage
hierzu bildet die weitgehende Gemischhomogenisie-
160
rung vor Einsetzen der Verbrennung. Durch Kompres-
sion des homogenen Gemisches erfolgt die Zündung
140
gleichzeitig an vielen Orten im Brennraum (Raum-
zündung). Der Brennbeginn und Verbrennungsablauf
120
100 1000 Hz 10000 werden dabei maßgeblich durch die chemische Kinetik
Frequenz f gesteuert. Der Reaktionsablauf des Dieselkraftstoffes
erfolgt in zwei Stufen. Er beginnt mit der sogenannten
..Abb. 15.17 Zylinderdruck-Anregungsspektren
verschiedener Diesel-Verbrennungsverfahren im Kaltflammenreaktion (unter circa 900 K) und setzt sich
Vergleich zum Ottomotor [18] dann nach kurzer Phase mit einer Reaktion mit negati-
vem Temperaturkoeffizienten als Heißflammenreaktion
ist, . Abb. 15.17, höhere Werte. Da sie jedoch infolge der (über circa 1000 K) bei stark erhöhter Intensität fort.
höheren Einspritzdrücke eine wesentlich höhere Abgas- Dabei treten hohe Verbrennungsgeschwindigkeiten auf
rückführrate als Kammermotoren vertragen, kann dieser (kurze Brenndauer), die zu steilen Druckanstiegen im
Emissionsnachteil ausgeglichen werden. Zylinder führen. Kann ein optimaler Verbrennungs-
Die CommonRail-Einspritzsysteme erlauben die schwerpunkt beibehalten werden, wird sich auch der
Realisierung einer flexiblen Teilung der Kraftstoffein- thermische Wirkungsgrad verbessern. Um die Verbren-
spritzung. Wegen des deutlichen Vorteils des DI-Mo- nungsgeschwindigkeit auf normale Werte zu dämpfen,
tors beim Kraftstoffverbrauch und der Beherrschung ist eine Ladungsverdünnung erforderlich, die durch Ab-
der Schadstoffe hat sich dieses Verbrennungsverfahren magerung des Gemisches (hohe λ-Werte) oder zweck-
inzwischen bei allen Dieselmotoren durchgesetzt. mäßigerweise durch Abgasrückführung erreicht werden
Die Motoren mit Direkteinspritzung sind zunächst kann. Infolge der Gemischhomogenisierung und da-
thermisch niedriger belastet. Dadurch sind sie beson- durch, dass der verbrennende Kraftstoff gleichzeitig die
ders für die Anwendung der Abgasturboaufladung, gesamte Zylinderladung aufheizen muss, werden örtlich
die ihrerseits für eine positive Beeinflussung der Ab- hohe Temperaturspitzen vermieden. Dieselkraftstoff hat
gasemissionen genutzt werden kann, geeignet. Die in aber wegen seiner hohen Siedelage (mäßiges Verdamp-
den letzten 20 Jahren erreichten Fortschritte bei der fungsverhalten) und seiner hohen Cetan-Zahl (früher
Turboladerentwicklung (zum Beispiel variable Turbi- Verbrennungsbeginn) ungünstigere Voraussetzungen
nengeometrie, Stufen-/Registeraufladung, e-Booster) für die Erzeugung beziehungsweise Verbrennung eines
machen den schnelllaufenden Turbodieselmotor mit homogenen Gemisches als beispielsweise Benzin.
Direkteinspritzung zu einem attraktiven Wettbewerber
des Ottomotors im Pkw-Einsatz. In Europa beträgt der zz Möglichkeiten der
Anteil von Pkw mit Dieselmotoren bei den Neuzulas- Gemischhomogenisierung
sungen seit vielen Jahren etwa 50 %. Grundsätzlich kann ein homogenes Luft-Kraftstoff-
Gemisch durch Einbringen des Kraftstoffes (flüssig oder
15.1.2.4 Entwicklungsrichtungen gas- beziehungsweise dampfförmig) in das Saugrohr
zz Homogene Kompressionszündung [4, 5, oder direkt in den Brennraum erreicht werden. Die Ver-
23–30] dampfung des Kraftstoffes erfordert einen zusätzlichen
Die ständig zunehmende Verschärfung der Abgasgesetz- Energie- und Systemaufwand, hat aber den Vorteil, dass
gebung belebt auch die Suche nach verbesserten Verbren- verdampfter Kraftstoff wesentlich schneller und gleich-
nungsverfahren für den Dieselmotor. Insbesondere sind mäßiger mit Luft gemischt werden kann als flüssiger. Bei
die Aktivitäten auf die Lösung beziehungsweise Entschär- der Zufuhr des Kraftstoffes in das Saugrohr ist gegenüber
fung des NOx/Partikel-Problems mit innermotorischen dem konventionellen Dieselmotor ein zusätzliches und/
Maßnahmen gerichtet (siehe ▶ Abschn.  15.1.1 Schad- oder völlig anderes Gemischbildungssystem erforderlich.
stoffbildung). Der Kraftstoffverbrauch soll dabei nicht Außerdem besteht die Gefahr einer verstärkten Wand-
oder nur geringfügig ansteigen. Eine Möglichkeit wird in anlagerung von Kraftstoff im Saugrohr beziehungsweise
der Selbstzündung von stark homogenisierten Luft-Die- Eintrag von flüssigem Kraftstoff über das Einlassventil in
selkraftstoff-Gemischen gesehen. Allerdings sind nach den Brennraum mit der Gefahr der Schmierölverdün-
758 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

1
nung. Deshalb werden für die Entwicklung der homoge-
nen Dieselverbrennung Verfahren mit innerer Gemisch- - Die Motordrehzahl ist nach oben hin begrenzt,
weil die Gemischbildung (Homogenisierung)

2 -
bildung (Direkt-Einspritzung) bevorzugt:
Homogenisierung durch frühe Einspritzung
während des Saug- beziehungsweise Kompressi-
onshubes (langer Zündverzug; mehr Zeit für die
- zeitkontrolliert ist.
Die HC- und CO-Emissionen steigen infolge
hoher AGR-Raten, verstärkter Wandeinflüsse
(Wandbenetzung und Flammenauslöschung)
3 Gemischbildung, aber Gefahr der Wandbenet- und einer unvollständigen Umsetzung beider

4 - zung und Schmierölverdünnung),


Homogenisierung durch späte Einspritzung
während der Expansionsphase (langer Zünd-
verzug; mehr Zeit für die Gemischbildung, aber
Komponenten durch die abgesenkten Temperatu-
ren an (Gegenmaßnahme: Oxidationskatalysator;
aber steigender Aufwand und Light-Off-Problem
wegen geringerer Abgastemperatur durch die
5
- thermodynamisch ungünstig),
Mehrfacheinspritzungen (bessere örtliche Vertei-
lung des Kraftstoffes im Brennraum; Vermeidung - hohe Ladungsverdünnung).
Durch die Gemischhomogenisierung und kom-
plizierte Prozesssteuerung steigt der notwendige

- -
6 von Wandbenetzung), Aufwand erheblich an.
Einsatz von Einspritzdüsen mit zum Beispiel bis Die Wandbenetzung durch den eingespritzten
7 zu vierzig Löchern (zum Beispiel lasergebohrt,
Durchmesser < 0,1 mm); Einspritzdüsen mit
Kraftstoff (besonders bei Zuführung des Kraft-
stoffes ins Saugrohr oder bei früher Einspritzung
verschiedenen Spritzlochquerschnitten (Ausbil- in den Brennraum während des Kompressions-
8 dung kleinerer Kraftstofftropfen mit schnellerer
Verdampfung); lastabhängige Anpassung des
Spritzlochquerschnitts (z. B. Vario-Stufen-Düse - hubes) muss möglichst vermieden werden.
Der Kaltstart wird wegen des abgesenkten Ver-
dichtungsverhältnisses zur Vermeidung vorzeiti-

- -
9 mit zwei Düsennadeln), ger Selbstzündung schwieriger.
Einblasen von Kraftstoffdampf in das Saugrohr Die Steuerung des Prozessablaufes ist besonders
10 oder den Zylinder (Dampf kann schnell mit Luft bei transienten Betriebszuständen sehr kompli-

11 - vermischt werden, höherer Aufwand),


die Homogenisierung kann durch optimierte
Anpassung der Ladungsbewegung und Vor-
wärmung der Verbrennungsluft (fördert die
ziert.

Schlussfolgerungen  Ideal bezüglich geringer Schad-


stoffemissionen wäre die Verbrennung eines bis zum
Kraftstoffverdampfung, kann aber zu thermo- Einsetzen der Kompressionszündung vollständig
12 dynamisch ungünstigem frühen Zündzeitpunkt homogenisierten Gemisches. Dieses ideale Verfah-
führen) unterstützt werden. ren wird als HCCI-Verfahren (Homogeneous Charge
13 Compression Ignition) bezeichnet. Aus heutiger Sicht
scheint der Betrieb des Dieselmotors mit homogener

-
zz Probleme der homogenen
Dieselverbrennung Verbrennung aber nur im unteren Last- und Drehzahl-
14 Brennbeginn und Verbrennungsablauf (Ver- bereich möglich zu sein. . Abb. 15.18 zeigt das Poten-
brennungsgeräusch, Brenndauer) sind wegen zial, dieses Verbrennungsverfahrens.
15 des langen Zündverzuges nicht mehr über den
Einspritzbeginn steuerbar, sondern durch den
Zu hohen Mitteldrücken hin ist der Motorbetrieb
durch die sogenannte „Knock-Grenze“ beschränkt,
Zustand der Zylinderladung bei Einlassschluss die grundsätzlich durch die notwendige Ladungsver-
16 und während der Kompression sowie durch die dünnung durch Abmagerung (λmin) gegeben ist. Diese
Ladungszusammensetzung (zum Beispiel vari- Grenze kann durch zunehmende AGR-Rate bis an die
able Ansauglufttemperatur, variables Verdich- jeweilige Zündgrenze erweitert werden. Der maximale

-
17 tungsverhältnis, variable AGR-Rate). Mitteldruck wird dann mit λ ≈ 1 und hohen AGR-Ra-
Tendenz zur vorzeitigen Zündung wegen hoher ten erreicht. Nach unten ist der Mitteldruck durch die
18 Cetan-Zahl des Dieselkraftstoffes (Absenkung kleinstmögliche Kraftstoffmenge gegeben. Die maxi-
des Verdichtungsverhältnisses und Ladungsver- male Drehzahl wird von der notwendigen Zeit zur Bil-

19
- dünnung erforderlich).
Erzeugung eines optimalen Zündfensters (λ-T-
dung eines homogenen Gemisches bestimmt. Durch
Aufladung kann die obere Grenze für den Mitteldruck

20 - Bereich).
Erreichen hoher Mitteldrücke ist durch klopfähn-
liche Erscheinungen und/oder λ > 1 beziehungs-
weise hohe AGR-Raten begrenzt.
noch erweitert werden. Aufgrund der so gegebenen
relativ engen Grenzen für Mitteldruck und Drehzahl,
sowie der Probleme, die mit den oben genannten Ei-
genschaften des Dieselkraftstoffes verbunden sind,
15.1 • Dieselmotoren
759 15
20

16
effektiver Mitteldruck [bar]

500
% Rohemissionen
487
12 400
DE-Diesel
348
300

8
Kompressions- 200
zündung
(homogen) 100
4 7,4 5,6
0
NOx Ruß HC CO
(aus FSN)
0
500 1500 2500 3500 4500
Drehzahl [1/min]

..Abb. 15.18  Potenzial der homogenen Kompressionszündung beim DI-Dieselmotor [23]

muss der Motor im oberen Last- und Drehzahlbereich etwa 10 bar bei sehr niedrigen Emissionswerten für
konventionell mit heterogenem Gemisch betrieben NOx und Ruß erreicht. Die HC-Emissionen sind
werden. Um beide Gemischbildungsverfahren in ei- stark erhöht. Der indizierte Wirkungsgrad ist stark
nem Motor zu realisieren, sind wegen der extrem abgesenkt.
unterschiedlichen Einspritzzeitpunkte hohe Anfor- Das von Nissan vorgestellte MK-Verfahren (Mo-
derungen an die optimale Brennraumgestaltung, das dulated Kinetics) arbeitet mit einer Teilhomogeni-
Einspritzsystem und die AGR-Regelung erforderlich. sierung durch späte Einspritzung nach dem oberen
Eine große Herausforderung stellt hierbei die Rege- Totpunkt. Die Verlängerung des Zündverzuges durch
lung des transienten Motorbetriebs und des nahtlosen die sinkende Arbeitsstofftemperatur wird durch eine
Übergangs von der homogenen Kompressionszündung AGR-Rate von etwa 40 % unterstützt. Zur Verhinde-
zum konventionellen Dieselbetrieb dar (zum Beispiel rung der Rußbildung ist die strikte zeitliche Trennung
Einsatz von Brennraumdrucksensoren). Damit kom- der Einspritz- und Verbrennungsphase wichtig. Der
men aus praktischen Gründen nur Verfahren in Frage, erreichbare indizierte Mitteldruck des Hochdruck-
die in der Lage sind, im gesamten Kennfeld des Motors prozesses liegt bei circa 8 bar. Er ist durch die mit der
durch die Steuerung des Prozesses (insbesondere der Motorlast zunehmende Einspritzdauer und die infolge
Kraftstoffeinspritzung, der Abgasrückführung – intern der gleichzeitig ansteigenden Prozesstemperaturen
und extern, der Aufladung – Ladeluftdruck und -tem- eintretende Verkürzung des Zündverzuges begrenzt.
peratur) den Homogenisierungsgrad der Zylinderla- Wirkungsgrad, HC- und CO-Emissionen entsprechen
dung hinsichtlich NOx- und Partikelemissionen sowie etwa denen der konventionellen Dieselmotoren. Dieses
Kraftstoffverbrauch zu optimieren. Es kommt darauf Verfahren ist auch unter der Bezeichnung HPLI (Highly
an, unter Einhaltung der genannten Grenzen in einem Premixed Late Injection) bekannt geworden.
möglichst großen Teillast- und Drehzahlbereich eine Werden die Merkmale Teilhomogenisierung und
weitgehende Gemisch-Homogenisierung zu erreichen hohe AGR-Rate zusammengeführt, kommt man zum
und darüber hinaus den Homogenisierungsgrad (Teil- sogenannten HCLI-Verfahren (Homogeneous Charge
homogenisierung) der Ladung optimal an die motori- Late Injection). Dieses Verfahren ist durch eine ver-
schen Betriebsbedingungen anzupassen. gleichsweise frühe Einspritzung gekennzeichnet. Der
zeitliche Abstand zwischen dem Einspritzende und
Bekannte Verfahren (Auswahl)  Die Betriebsweise des dem Verbrennungsbeginn ist wesentlich größer als
DCCS (Dilution Controlled Combustion System) von beim HPLI-Verfahren. Es wird Rußfreiheit bei sehr
Toyota ist die eines konventionellen Dieselmotors, bis niedrigem NOx-Niveau und Wirkungsgraden nahe
auf die erforderlichen sehr hohen AGR-Raten von etwa denen des konventionellen Dieselmotors möglich. Die
75 %. Durch diese hohe Ladungsverdünnung werden HC- und CO-Emissionen liegen in der Größenord-
die Arbeitsstofftemperaturen unter die Schwellwerte nung heutiger Ottomotoren mit Direkteinspritzung.
für eine intensive NOx- und Rußbildung gesenkt. Es Das Verfahren ist gegenüber den Einstellparametern
werden Mitteldrücke des Hochdruckprozesses von weitgehend unempfindlich. Es können indizierte Mit-
760 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

1
10
- darüber hinaus bis zu einem effektiven Mittel-
druck von etwa 6 bis 8 bar Einsatz des HPLI-

2
DCCS NOx

- Verfahrens,
darüber bis zur Volllast konventionelle Dieselver-
ör tliches Luftverhältnis [-]

HPLI
brennung.
HCCI

3 1
HCLI An einem so umgerüsteten und stationär betriebenen
DI-Diesel
Pkw-Dieselmotor mit 2,2 l Hubraum gewonnene Er-
gebnisse zeigen:
4 Für ein Fahrzeugtestgewicht von 1590 kg ergeben
Alternative sich auf den NEDC (New European Driving Cycle)
5 Verbrennungs-
verfahren
hochgerechnet gegenüber der Euro 4-Emissionsvor-
Ruß schrift Reduktionspotenziale von circa 60 % für NOx-
0,1 und 70 % für Partikelemissionen.
6 1000 1500 2000 2500
örtliche Flammentemperatur in K
3000

Ausblick  Die zukünftigen Entwicklungen sind auf die


7 ..Abb. 15.19  Arbeitsbereiche für homogene bezie-
hungsweise teilhomogene Diesel-Verbrennungsver-
Erhöhung der Lastgrenzen für das HCLI-Verfahren
ausgerichtet, um auf das HPLI-Verfahren verzichten zu
fahren [23] können. Hierzu sind weitere Untersuchungen zur Ver-
8 besserung der Ladungsverdünnung durch Aufteilung der
teldrücke des Hochdruckprozesses bis circa 6 bar er- notwendigen AGR-Menge zwischen interner und exter-
reicht werden. ner AGR durchzuführen. Die Mehrfacheinspritzungen
9 . Abb. 15.19 zeigt die Arbeitsbereiche der genann- während des Kompressionshubes zur Erzeugung eines
ten Verbrennungsverfahren im λ-T-Schaubild. Ergän- homogenisierten Teilgemisches und dessen definierte
10 zend hierzu sind in . Abb. 15.20 die jeweilige Lage der
Kraftstoffeinspritzung und der Energieumsetzung im
Zündung durch eine Hauteinspritzung sind eine Mög-
lichkeit. Die Wechselwirkung der veränderten Verbren-
Kurbelwinkelbereich dargestellt. nungsverfahren mit den Erfordernissen der Abgastur-
11 boaufladung und die betriebspunktabhängige Steuerung
Anwendungen  Für den praktischen Einsatz ist eine beziehungsweise Regelung der Prozesse sind weiter zu
Kombination verschiedener sich ergänzender Verfah- erforschen und zu optimieren. Obwohl eine vollkom-

-
12 ren sinnvoll: men homogene Dieselverbrennung (HCCI) im gesamten
bis zu einem effektiven Mitteldruck von etwa Motorenkennfeld als unrealistisch eingeschätzt werden
13 4 bis 6 bar Einsatz des HCLI-Verfahrens, muss, wird eine optimierte teilhomogene Dieselverbren-
HCCI HCLI DI-Diesel DCCS HPLI
Nadelhub

100%
14
0%

15 300
HCLI HCCI DI-Diesel HPLI DCCS
250

16
Brennrate dQB [J/°KW]

200

150
17 100

18 50

19 –50
–120 –100 –80 –60 –40 –20 0 20 40 60 80 100 120
Kurbelwinkel [°KW]
20 ..Abb. 15.20  Energieumsetzung für homogene beziehungsweise teilhomogene Diesel-Verbrennungsverfahren
[24]
15.1 • Dieselmotoren
761 15

nung die Weiterentwicklung der Verbrennungsverfahren Deshalb ist dieses Verfahren nicht gut für die Aufladung
für die Dieselmotoren beeinflussen. Weitere Verbesse- geeignet. Im Teillastbereich verschlechtert sich wegen
rungen sind in begrenztem Umfang durch die Anpas- der sinkenden Temperaturen die Gemischbildung, was
sung des Kraftstoffes an das Verbrennungsverfahren zu erhöhten Kohlenwasserstoffemissionen führt. Diese
zu erwarten. Die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe Nachteile sind der Grund dafür, dass es heute nicht mehr
erschließt hierzu möglicherweise ein weiteres Potenzial. eingesetzt wird. Das M-Verfahren wurde vorrangig im
Allerdings ist für solche teilhomogenen Verfahren eine Nfz-Bereich genutzt, siehe auch [7, 32].
Verbrennungsregelung über zum Beispiel Brennraum-
drucksensoren [31] notwendig oder zumindest sinnvoll. zz FM-Verfahren
Nach wie vor müssen die innermotorischen Maßnahmen Bei der Entwicklung des M-Verfahrens zeigte sich,
mit den Abgasnachbehandlungsverfahren kombiniert dass es auch gut für die Verbrennung niedrigsieden-
werden, um die gesetzlichen Grenzwerte auch im realen der Kraftstoffe geeignet ist (Vielstoffeignung). Daraus
Fahrbetrieb (RDE) zu erfüllen [5]. wurde das FM-Verfahren entwickelt. Innere Gemisch-
bildung, Brennraumform und Lastregelung wurden
15.1.2.5 Sonderverfahren und vom M-Verfahren übernommen. Die Zündung erfolgt
Besonderheiten mit Hilfe einer Zündkerze (F = Fremdzündung) wie
zz MAN-M-Verfahren beim Ottomotor. Der Prozessablauf entspricht na-
Bei diesem Verfahren wurde ein völlig anderer Weg hezu dem des Gleichdruckprozesses. Das Verhalten
beschritten. Während bislang galt, den Kraftstoff mög- der Abgasemissionen ist etwas günstiger als beim M-
lichst von der Brennraumwand fern zu halten, wurde Verfahren. Wegen der Kombination von Merkmalen
hier der Kraftstoff bewusst auf die Wand aufgetragen. des klassischen Diesel- und Ottoverfahrens wird das
Der Brennraum ist kugelförmig zentral im Kolbenbo- FM-Verfahren zu den hybriden Verbrennungsverfah-
den angeordnet. Diese Anordnung gab dem Verfahren ren gezählt.
auch den Namen – Mittenkugelverfahren.
Der Kraftstoff wird mit Ein- oder Zweilochdüse und zz Diesel-/Gas-Motoren
relativ niedrigem Druck tangential zur Brennraumwand Beim sogenannten Zündstrahlverfahren wird eine
eingespritzt, wo er sich zunächst als Film ausbreitet. Nur kleine Dieselkraftstoffmenge (bis zu 5 % des Voll-
ein geringer Teil des Kraftstoffes wird zur Einleitung der lastverbrauchs) zur Zündung eines meist außerhalb
Zündung luftverteilt. Beim MAN-M-Verfahren wird des Motorzylinders homogen vorgemischten Luft-
durch die Wandauftragung des Kraftstoffes erreicht, dass Brennstoff-Gemisches eingespritzt. Die homogen,
die Kraftstoffgeschwindigkeit fast zu Null wird und der vorgemischten Gemische sind überwiegend magere
flüssige Kraftstoff nicht der hohen Brennraumtempera- Gemische aus gasförmigen Kraftstoffen. Praktische
tur (Wandtemperatur circa 340 °C bei Volllast) ausgesetzt Anwendung hat dieses Verfahren hauptsächlich als
wird. Zur Erreichung einer hohen Relativgeschwindigkeit Zündstrahl-Gas-Dieselmotor im Großmotorenbe-
zwischen Kraftstoff und Luft bedarf es einer hohen Luft- reich gefunden. Bei entsprechender Auslegung, ins-
geschwindigkeit im Brennraum, die mittels Drallkanälen besondere des Einspritzsystems, können diese Mo-
erreicht wird. Während des Zündverzuges dampft wenig toren auch als Dual-Fuel-Motoren [5, 33] betrieben
Kraftstoff von der Brennraumwand ab. Es wird entspre- werden, das heißt die Dieselkraftstoffmenge kann von
chend wenig Kraftstoff für die Verbrennung aufbereitet, der Zündmenge bis auf Volllastmenge bei gleichzei-
was zu einem besonders niedrigen Druckanstieg und tiger entsprechender Verringerung der Gasmenge
Verbrennungsgeräusch führt. Nach der Zündung kommt erhöht werden. Der Motor arbeitet dann im reinen
es durch die hohe Gastemperatur zu einer intensiven Dieselbetrieb.
Abdampfung des Kraftstofffilmes von der Wand. Der Das hat den Vorteil, dass derartige Motoren auch
intensive Luftwirbel sorgt für eine schnelle Vermischung betrieben werden können, wenn eine kontinuierliche
von Luft und Kraftstoff. Dadurch, dass der Kraftstoff zu- Gasversorgung nicht in vollem Umfang gesichert wer-
nächst der hohen Gastemperatur entzogen wird, ist die den kann und/oder wenn bei Bedarf, zum Beispiel beim
Rußemission relativ niedrig. Deshalb zeichnet sich dieses Einsatz von Schwachgasen, die volle Dieselmotorleis-
Verbrennungsverfahren durch eine gute Luftausnutzung tung verfügbar sein soll. In reinem Gasbetrieb mit einer
aus und erreicht hohe Mitteldrücke an der Rauchgrenze. Diesel-Fremdzündung sind besonders die Emissionen
Nachteilig sind die hohen Strömungs- und Wärmeüber- niedrig, zum Beispiel können die CO2-Emissionen um
gangsverluste, die zu einem höheren Kraftstoffverbrauch bis zu 25 % reduziert werden. Zukünftig werden auch
und zu einer höheren thermischen Belastung, insbe- im mobilen Bereich solche Motoren eingesetzt, betrie-
sondere des Kolbens und des Zylinderkopfes, führen. ben mit Erdgas (CNG und LNG) und Biogas.
762 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

zz Besonderheiten des Schwerölbetriebes sonderheiten von DISI-Motoren werden im anschlie-


1 Der Schwerölbetrieb, der nicht nur bei Großdiesel- ßenden Kapitel erörtert.
motoren im Marinebereich üblich ist, sondern auch
2 für mittelschnelllaufende Viertaktdieselmotoren mit
Kolbendurchmessern von circa 200 bis 600 mm und 15.2.1 Brennverfahren von Port-Fuel-
Drehzahlen zwischen circa 400 bis 800 1/min gefor- Injection-(PFI)-Motoren
3 dert wird, ist hinsichtlich der Verbrennung mit eini-
gen Besonderheiten verbunden. Der Vanadium- und Verbrennung von Kohlenwasserstoffen  Üblicher-
Natriumgehalt des Schweröles kann bei der Verbren- weise bestehen Ottomotorenkraftstoffe aus einem
4 nung zu Ablagerungen im Brennraum führen. Folge Gemisch von circa 200 verschiedenen Kohlenwasser-
davon ist die sogenannte Hochtemperaturkorrosion. stoffen (Alkane, Alkene, Alkohole und Aromate). Bei
5 Diese schränkt den Dauerbetrieb eines Motors in un- PFI-Motoren liegt am Ende des Verdichtungsvorgan-
zulässiger Weise ein beziehungsweise macht ihn sogar ges ein weitgehend homogenes Luft-Kraftstoff-Verhält-
unmöglich. nis vor, welches kurz vor dem oberen Totpunkt durch
6 Der Schwefelgehalt des Schweröles hat bei Tau- einen elektrischen Zündfunken entflammt wird. Im
punktunterschreitung in Verbindung mit dem bei der Bereich des Zündfunkens muss ein zündfähiges Ge-
7 Verbrennung entstehenden Wasser die Bildung von
Schwefelsäure und schwefliger Säure und damit die so-
misch vorliegen. Hierzu ist ein Luft-Kraftstoff-Verhält-
nis in Bereich von 0,8 ≤ λ ≤ 1,2 erforderlich. Damit im
genannte Niedertemperaturkorrosion zur Folge. Dies Luft-Kraftstoff-Gemisch chemische Reaktionen und
8 macht es erforderlich, insbesondere die Kühlung der damit Verbrennungen ablaufen können, müssen die
brennraumbildenden Bauteile so auszulegen, dass im Reaktionspartner eine Aktivierungsenergie besitzen,
gesamten Betriebsbereich des Motors die kritischen die durch den Zündfunken bereitgestellt wird. Diese
9 Temperaturen nicht erreicht werden. Zukünftig ist erforderliche Zündenergie liegt bei 30 bis 150 mJ je
damit zu rechnen, dass in weiteren Emission Control Verbrennung. Durch den Zündfunken werden lokal
10 Areas (ECA) der Betrieb mit Schweröl wegen der ho-
hen Schadstoffemissionen nicht mehr möglich wird [5].
Temperaturen von 3000 bis 6000 K erreicht. Für eine
sichere Entflammung ist eine Zündspannung an der
Zündkerze von 15 bis 25 kV mit einer Funkendauer
11 von 0,3 bis 1 ms (abhängig von Umgebungszustand
15.2 Ottomotoren und Ladungsbewegung) erforderlich. Damit eine si-
chere Flammenausbreitung erfolgen kann, muss die
12 Die Verbrennung im Ottomotor erfolgt durch Fremd- Energiefreisetzung aus der Verbrennung größer sein
zündung mittels Zündkerze. Die Aufbereitung von da- als der Wärmetransport an den verdampfenden Kraft-
13 für erforderlichen Luft-Kraftstoff-Gemischen kann auf stoff und die brennraumbegrenzenden Wände. Die

-
verschiedene Arten erfolgen:
homogene Gemischaufbereitung durch äußere
Wärmefreisetzung erfolgt durch Verbrennung von
Kohlenwasserstoffen mit Sauerstoff gemäß folgender

-
14 Gemischbildung (Port-Fuel-Injection PFI), Bruttoreaktionsgleichung:
homogene Gemischaufbereitung durch direkt
15 in den Brennraum, während der Ansaugphase
eingespritzten Kraftstoff (Direct-Injection-Spark-
Cx Hy + .x + y=4/ O2 ! x CO2 + y=2 H2 O:

16
17
- Ignition DISI-homogen),
geschichtete Gemischaufbereitung durch direkt
in den Brennraum gegen Ende der Verdichtung
eingespritzten Kraftstoff (Direct-Injection-Spark-
Da die Wahrscheinlichkeit zum gleichzeitigen Zu-
sammentreffen aller erforderlichen Reaktionspartner
gering ist, läuft die Oxidation von Kohlenwasserstof-
fen über eine Vielzahl von Elementarreaktionen ab
Ignition DISI-geschichtet). [34], bei denen in einer ersten Reaktionsphase über
Dehydrierung von Kohlenwasserstoffperoxid Alkane
18 Bei homogener Gemischaufbereitung wird die Leis- entstehen, die durch Reaktionen mit H-, O- oder OH-
tungseinstellung mittels Füllungsveränderung (Quan- Radikalen schließlich Aldehyde bilden. Die Bildung
titätsregelung) realisiert. Bei geschichteter Gemischbil- der Aldehyde benötigt etwa 10 % der insgesamt frei-
19 dung erfolgt die Leistungseinstellung durch Variation zusetzenden Energie und wird durch das Auftreten von
des Luftverhältnisses (Qualitätsregelung), wodurch die kalten Flammen begleitet. In der sich anschließenden
20 drosselfreie Laststeuerung ermöglicht wird. Im Folgen-
den wird zunächst das Brennverfahren mit homogener
blauen Flamme werden CO, H2 und H2O (30 % Bedarf
der gespeicherten Energie) gebildet. In der abschlie-
Gemischbildung von PFI-Motoren behandelt. Die Be- ßenden heißen Flamme entstehen CO2 und H2O,
15.2 • Ottomotoren
763 15
..Abb. 15.21 Druckver- 35
lauf und Druckverlaufs­ 30 n = 2000 1/min

Zylinderdruck [bar]
analysen 25
pme = 4 bar
ZZP = 26 °KW v. OT
20
Zündung
15
10
5
0

120
100
Brennfunktion [%]

80
60
50 %
40 Zündung
20
0
–20

0.010 0.50
η i inkrementell [-]

0.008 0.40

η i kumulativ [-]
0.006 0.30
0.004 0.20
0.002 0.10
0.000 0.00
–0.002 –0.10
–0.004 –0.20
0 90 180 270 360 450 540 630 720
Kurbelwinkel [°KW]

wobei 60 % der im Kraftstoff gespeicherten Energie die effektive Brenndauer beträgt je nach Betriebspunkt
freigesetzt werden. und Brennverfahren 30 bis 50 Grad Kurbelwinkel.
Die detaillierten Auswirkungen von geänderten
Zylinderdruckverlauf, Innenwirkungsgrad und Flam- motorischen Parametern (zum Beispiel Steuerzeiten-
menausbreitung  Die bei der Verbrennung freigesetzte variation, geänderte Ladungsbewegung) ist auf Grund
Energie führt zu einem Temperatur- und Druckan- der oben genannten Simulationsmodelle nur einge-
stieg der Zylinderladung im Brennraum, welche je- schränkt möglich. Für diese Analyse eignet sich die
doch nach der Zündeinleitung erst mit Verzögerung DDA-Methode (Differenzierte Druckverlauf-Analyse,
in der Zylinderdruckverlaufsanalyse detektiert wird [36]), die auf Basis des gemessenen Druckverlaufs zu
(. Abb. 15.21). Dies ist durch die lokale Aufheizung jedem Grad Kurbelwinkel die indizierte Arbeit bewertet
des unmittelbar im Zündkerzenbereich befindlichen (. Abb. 15.21, unten). Mit Hilfe der eingesetzten Kraft-
Gemischs auf Zündtemperatur bedingt und beträgt stoffmasse und einiger einfachen Umrechnungen lassen
unabhängig von der Drehzahl etwa eine ms. Die Brenn- sich Wirkungsgradvor- und -nachteile verschiedener
dauer kann mithilfe physikalischer Modelle für die Motorkonfigurationen vergleichen und optimieren.
Energieumsetzung und Wärmeabfuhr aus dem Brenn- Die von der Zündkerze ausgehende Flammenfront
raum berechnet werden [35]. Als Ergebnis folgt die ist dünn und breitet sich bei normaler Verbrennung mit
Brennfunktion, die das Verhältnis von verbrannter zu etwa 20 bis 25 m/s aus. Die Verkürzung der Brenndauer
eingesetzter Kraftstoffmasse als Funktion des Kurbel- ermöglicht durch die Annäherung an die isochore Ener-
winkels angibt. Hierdurch kann die Lage und Dauer der gieumsetzung Wirkungsgradvorteile und kann durch
Verbrennung sowie ihre thermodynamische Wirkung
bewertet werden. Für homogene, gut umgesetzte Gemi-
sche liegt die Schwerpunktlage der Verbrennung wir-
kungsgradoptimal bei 8° Kurbelwinkel nach OT, und
-
folgende Maßnahmen erreicht werden:
schnelle Flammenfrontgeschwindigkeit durch
höhere Ladungsbewegung (Drall-, Tumble- oder
Quetschströmungen),
764 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

40 ..Abb. 15.22 Zyklische
1 Zyklische Schwankungen im Spitzendruck
in 10 aufeinanderfolgenden Arbeitsspielen
Zylinderdruck-Schwan-
35 kungen

2 30

n = 2000 min–1
3
Zylinderdruck [bar]

25 pme = 2 bar

20
4
15

5 10

6 5

7 270 300 330 OT 390 420


Kurbelstellung [°KW]
450 480 510 540

..Abb. 15.23 Zünd-
8 40
Variation des Zündzeitpunkts winkeleinfluss auf den
35 Zylinderdruckverlauf
Zylinderdruck [bar]

20 °KW vor OT

9 30
24 °KW vor OT
27 °KW vor OT
n = 2000 min–1
pme = 2 bar
29 °KW vor OT
25
10 20

11 15
20
Zylinderdruck [bar]

12 15

13 10
–30 –20 –10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
5 Kurbelstellung [°KW]

14 –30 –20 –10 0

-
Kurbelstellung [°KW]

15 kürzere Flammenwege durch kompakte Brenn-


raumgestaltung mit zentral angeordneter Zünd-
Zyklische Schwankungen und Zündwinkelein-
fluss  Die Schwankungen des Zylinderdruckverlaufs

16
17
- kerzenlage oder mehrerer Zündorte,
höhere Ladungsdichte durch höheres Verdich-
tungsverhältnis.
von Arbeitsspiel zu Arbeitsspiel (. Abb. 15.22) sind
typisch für die ottomotorische Verbrennung und ha-
ben ihre Ursachen in den Schwankungen des turbu-
lenten Geschwindigkeitsfeldes und der örtlichen La-
Bei Doppelzündung brennt die Zylinderladung auf- dungszusammensetzung, wodurch die Ausbreitung
grund der kürzeren Brennwege schneller durch und der Flammenfront und damit die Energieumsetzung
18 die Brennraumwände werden von der Flamme eher beeinflusst wird. In . Abb. 15.23 ist der bedeutsame
erreicht. Hierdurch wird die Neigung zur Flammen- Einfluss des Zündzeitpunktes auf den maximalen
erlöschung vor der Zylinderwand (flame quenching) Zylinderdruck und dessen wirkungsgradbeeinflus-
19 vermindert und die Anteile der unverbrannten Koh- sende Lage, bezogen auf wden oberen Totpunkt,
lenwasserstoffe im Abgas werden deutlich reduziert. dargestellt.
20 Die schnelle Energieumsetzung reduziert zusätzlich die
zyklischen Schwankungen der ottomotorischen Ver- Einfluss Verdichtungsverhältnis  Durch Erhöhung
brennung. des Verdichtungsverhältnisses kann bei Teillast der
15.2 • Ottomotoren
765 15
φ = 0°
m = 2, s = 1
n = 2000 min–1
p

B
+7 % pme = 2 bar

λ = 1,0 0° φ = 360°
be [g/kWH]

A B

A
–6 %
..Abb. 15.26  Berechnete Druckverteilung einer Reso-
nanzschwingung im Zylinder
und Ladungszustand (Zusammensetzung, Strömungs-
feld) als wichtige Randbedingungen zu nennen. Die in
6 8 10 12 14 16 [38] bevorzugte Theorie zur Entstehung des Motorklop-
Verdichtungsverhältnis ε fens geht von einer Sekundärzündung im unverbrann-
ten Gemisch aus. Der weitere Verlauf des Motorklopfens
..Abb. 15.24  Einfluss des Verdichtungsverhältnisses wird durch die Ausbreitung der von diesen Selbstzün-
auf den Teilllastverbrauch [37] dungsherden eingeleiteten sekundären Reaktionsfron-
verbrennungshemmende Einfluss der niedrigen Zy- ten bestimmt. Durch eine extrem schnelle Energieum-
linderdrücke teilweise kompensiert werden, der zur setzung können lokale Druckänderungen entstehen, die
Leistungseinstellung durch Ansaugluftdrosselung ent- Druckoszillationen der Zylinderladung im Bereich von
steht. . Abb. 15.24 zeigt den Verbrauchsgewinn und 5 bis 20 kHz verursachen und im Zylinderdrucksignal
-verlust, der sich durch Änderung des Verdichtungs- detektiert werden können (. Abb. 15.25). Die hochfre-
verhältnisses, ausgehend von ε = 10, ergibt. quenten Schwingungen klingen asymptotisch ab und
haben eine Dauer von bis zu 60 Grad Kurbelwinkel.
Klopfende Verbrennung  Die Erhöhung der Verdich- Durch die Druckwellen bei klopfender Verbren-
tung sowie die Frühverstellung der Zündung werden mit nung wird die Zylinderladung zu charakteristischen
zunehmender Last durch die Selbstentzündungsneigung Resonanzschwingungen angeregt, die mit Hilfe der all-
von unverbrannten Gemischresten der Zylinderladung gemeinen Wellengleichung, angewandt für den Hohlzy-
begrenzt. Neben der Verdichtung und dem Zündzeit- linder, und Verwendung der Besselfunktion berechnet
punkt sind Kraftstoffeigenschaften, Temperatur der Ver- werden können [39]. . Abb. 15.26 zeigt eine typische
brennungsluft, Brennraumform, Bauteiltemperaturen berechnete Schwingform für eine Resonanzschwin-

80 2

bar bar

60 1
pgefilter t (5 kHz Hochpass)

40 0
p

20 –1

0 –2
–40 –20 ZOT 20 40 60 °KW 80
α

..Abb. 15.25  Zylinderdruckverlauf und gefilterter Zylinderdruck bei klopfender Verbrennung


766 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

25 25
1 Mode 5 a = 900 m/s
20
Mode 4
2
Frequenz [kHz]

20

mittlere Flammengeschwindigkeit wF [m/s]


15 Mode 3

3 10
Mode 2

15
Mode 1
4 5

0
5 65 70 75 80 85 90 95
Zylinderdurchmesser [mm]
100 105 10

n = 32 s–1
6 ..Abb. 15.27  Zylinderdruck-Resonanzfrequenzen in
Abhängigkeit vom Zylinderdurchmesser 5

7 gung in einem Hohlzylinder. Die Resonanzschwin-


gungen sind abhängig vom Zylinderdurchmesser. In
. Abb. 15.27 ist deren Einfluss auf die Frequenzlage 0
8 der wichtigsten Schwingungsmoden dargestellt. 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
Das spontane Ausbreitungsverhalten der Reakti- Luftverhältnis λ
onsfronten erfolgt häufig äußerst inhomogen durch
9 sequentielle, scheinbar regellose Zündung benachbar- ..Abb. 15.29  Mittlere Flammengeschwindigkeit in
ter Gemischteile mit Ausbreitungsgeschwindigkeiten Abhängigkeit vom Luft-Kraftstoff-Verhältnis

10 der Stoßwellen von bis zu 600 m/s, die damit im Be-


reich der Schallgeschwindigkeit des Endgases liegen der Addition von Brenngeschwindigkeit und Trans-
und thermische Explosionen auslösen und die Motor- portgeschwindigkeit des örtlichen Frischgases. Die
11 schäden zur Folge haben können. Falls der Ausbrand Brenngeschwindigkeit wird stark durch die örtliche La-
des Endgases durch Wärmeleitungs- und Diffusions- dungszusammensetzung bestiwmmt und steigt mit der
vorgänge erfolgt, treten viele isolierte, über das Endgas Ladungsturbulenz im Brennraum. Die Transportge-
12 verteilte Selbstzündungsherde auf, wobei Druckwellen schwindigkeit ist abhängig von der Kolbenbewegung,
völlig ausbleiben [38]. . Abb. 15.28 zeigt eine typische von Quetschströmungen und vom Einlassvorgang aus-
13 Flammenausbreitung bei klopfender Verbrennung. gelösten Ladungsbewegungen (Drall, Tumble).
. Abb.  15.29 zeigt die mittlere Flammenge-
Flammengeschwindigkeit  Die Flammengeschwin- schwindigkeit in Abhängigkeit vom Luft-Kraft-
14 digkeit der normalen Verbrennung ergibt sich aus stoff-Verhältnis. Offenbar ist bei λ = 0,8 bis 0,9 die
Wahrscheinlichkeit, dass Reaktionspartner aufeinan-
192,7° 192,6°
15 192,8° 192,5°
192,4°
dertreffen, am größten. Auf Grund der schnellen Ver-
brennung wird bei λ = 0,8 bis 0,9 die maximale Arbeit
192,8°
191,9°
192,7° erzielt. Bei fetteren und mageren Gemischen nimmt
16 192,6°
192,5°
192,6°
die Flammengeschwindigkeit stark ab und muss
192,5° durch Zündwinkelfrühverstellung korrigiert werden.
192,4° p1
Magere Gemische senken auf Grund ihrer geringeren
17 191,8° Wärmekapazität und der aus der Ladungsverdünnung
resultierenden geringeren Verbrennungsendtempera-
18 p3 A E p2 tur die im Abgas verbleibende Energie [41]. Dadurch
steigt bei Ladungsverdünnung der Wirkungsgrad des
Verbrennungsmotors. Da Flammengeschwindigkeit
19 pme = 8,5 bar
n = 2400 min–1 und Ladungsverdünnung einen gegenläufigen Ein-
a Z = 162 °KW n. UT fluss auf das Wirkungsgradverhalten realer Brennver-
20 ..Abb. 15.28  Flammenausbreitung bei klopfender
fahren zeigen, bildet sich bei konventionellen PFI-
Ottomotoren mit homogener Gemischverteilung ein
Verbrennung (Lichtleiter-Messtechnik) [40] Wirkungsgradoptimum bei λ = 1,1 bis 1,3.
15.2 • Ottomotoren
767 15

Zylinderladungsverdünnung  Die Ladungsverdün- ponenten können zur besseren Vergleichbarkeit des


nung kann mit Umgebungsluft oder rückgeführtem Einflusses von Abgasrückführung und überstöchio-
Abgas erfolgen. Durch die Zunahme des Luft-Kraft- metrischer Füllung zur Kenngröße Inertgasanteil IG
stoff-Verhältnisses oder des Restgasanteils wird der zusammengefasst werden [42]:
Anteil der nicht an der chemischen Umsetzung betei-
ligten Komponenten gesteigert. Diese inerten Kom- mIG = mN2 + mRG + mO2; .>1/ + mH2 O; L ;(15.1)

240

umgesetzte
λ -Variation (xRG = 20 %) Kraftstoffenergie
AGR-Variation (λ V = 1,0)
220

90 %

200
Kurbelwinkel [°KW n. UT]

50 %

180

5%

160

140
n = 2000 1/min ZZP
pme = 2 bar
ohne Drall

120

40

η IHD

35
η i,HD [%]

ηI
30

25
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

externe AGR %

1.00 1.05 1.10 1.15 1.20 1.25 1.30


λV

..Abb. 15.30  Verbrennungsverlauf und Wirkungsgrad in Abhängigkeit von der Ladungsverdünnung [43]


768 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

14
1 12 Aö: 230 °KW vor OTLW
40°
Einlass

10 Aö: 190 °KW vor OTLW


Ventilhub [mm]

2 8
Auslass
6
3 4
2

4 0

35
5 30
Zylinderdruck [bar]

25

6 20
15

7 10
5

8 0

0.50

9 0.40
0.30
η i kumulativ [–]

10 0.20
0.10

11 0.00
–0.10

12 –0.20

13
Differenz η i kumulativ [%]

4 Aö 190° – Aö 230°
+4 %
0

14 –4

–8
15 –12

–16
16 0 90 180 270 360 450 540 630 720
Kurbelwinkel [°KW]

17 ..Abb. 15.31  Innere Abgasrückführung durch Variation der Auslass-Steuerzeit. ZZP Verbrauchsoptimal, Druck-


verlaufsanalyse
18 mIG
IG = : sowie für den Gesamtprozess in einem Teillastbetriebs-
mB  LSt (15.2) punkt [43]. Die Skalierung der Achsen für Restgasan-
19 teil und Luft-Kraftstoff-Verhältnis ist mit der Bedin-
gung „gleicher Inertgasanteil“ erfolgt.
20 . Abb. 15.30 zeigt den Einfluss der Ladungsverdün-
nung auf die Verbrennungsgeschwindigkeit und das
Eine Verdünnung der Ladung verlängert die
Entflammungsphase. Die Brenndauer bleibt dabei
Innenwirkungsgradverhalten in der Hochdruckphase zunächst konstant und eine Wirkungsgradsteigerung
15.2 • Ottomotoren
769 15
..Abb. 15.32 Ver- 410
brauchs-Emissions- 4V-Ventilabschaltung
Tradeoff bei Variation 405 Basis: AGR = 0,0
der Ladungsverdün- Var iation λ = 1,0
AGR-
nung [43] 400
10,0 5,0
395
–4 %
12,5 20,0
390
1,1
15,0
385
17,5
be [g/gWh]

380
1,5
1,2
375 ion
ariat
–9 % λ-V
370
1,3
1,4
365
–40 %

360
–50 %
n = 2000 1/min
355 pme = 2 bar

350
5 10 15 20 25 30 35
HC + NOx [g/kWh]

stellt sich ein. Mit zunehmender Ladungsverdünnung kann die Abgasrückführrate intern über variable Ventil-
begrenzt der für die Entflammung erforderliche Zy- steuerzeiten gesteuert werden. . Abb. 15.31 verdeutlicht,
linderdruck die Zündwinkelfrühverstellung, wodurch wie durch Variation der Auslassnockenwellenposition
die Umsetzungsphase länger wird; die zyklischen um 40° KW die Ventilüberschneidung bei Spätverstel-
Schwankungen steigen und der Wirkungsgrad sinkt. lung zunimmt und sich das Wirkungsgradverhalten
Bei gleichem Inertgasanteil IG dauert die Entflam- ändert. Die differenzierte Druckverlaufsanalyse zeigt,
mungsphase bei Abgaszumischung länger als bei Luft- dass bei gleichem Betriebspunkt die Verdichtungsar-
zumischung, wodurch sich bei Abgaszumischung eine beit bei größerer Ventilüberschneidung steigt. Ursache
Begrenzung der Zündwinkelfrühverstellung und damit hierfür ist die größere Zylinderladung bei zunehmender
eine Verschlechterung des Wirkungsgrades eher zeigt. Abgasrückführung. Während der Expansion kommt es
Bei Abgasrückführung wird der Sauerstoffpartialdruck bei höherem Restgasanteil zu längeren Brenndauern
erniedrigt und dadurch die Flammenausbreitung ver- und zu geringeren Zylinderspitzendrücken. Auf Grund
langsamt. der günstigeren Ladungseigenschaften und späterem
Bei externer Abgasrückführung sinkt der Innen- Auslass-Öffnen ergeben sich jedoch Wirkungsgradvor-
wirkungsgrad ηi mit zunehmender Verdünnung nicht teile. Die mit steigender Abgasrückführung einherge-
so stark wie der indizierte Hochdruck-Wirkungsgrad hende Entdrosselung in der Ansaugphase reduziert die
ηi,HD. Ursache hierfür ist eine thermische Entdros- Ladungswechselverluste und erhöht somit weiter den
selung infolge der hohen Ansauglufttemperatur im Wirkungsgradvorteil der Variante mit größerer Ventil-
Saugrohr, wodurch die Ladungswechselverluste sin- überschneidung auf insgesamt 4 %.
ken. Trotz geringerer Ladungswechselverluste können Neben dem Wirkungsgradverhalten ist für die Be-
abgasverdünnte Verbrennungsgemische nicht die In- urteilung eines Brennverfahrens das Niveau der Roh­
nenwirkungsgrade luftverdünnter Gemische erzielen, emissionen von Bedeutung. . Abb.  15.32 zeigt den
da diese höhere Ladungsverdünnungen ermöglichen. Verbrauchs-Emissions-Tradeoff eines 4 V-Motors mit
Die Abgasrückführung wird zur Verbrauchssenkung Einlass-Ventilabschaltung bei Variation der Ladungsver-
bei λ = 1-Konzepten eingesetzt, da damit der Drei-Wege- dünnung in einem stationären Betriebspunkt. Gegenüber
Katalysator bei der Abgasnachbehandlung beibehalten der Ausgangsbasis (λ = 1,0, keine AGR) wird durch Er-
werden kann. Neben der externen Abgasrückführung höhung der Abgasrückführrate auf 17,5 % der Verbrauch
770 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

220
1
90 %

2 200

3
Kurbelwinkel [Grd. n. UTH]

50 %
180
4
10 %
5 160
Umgesetzte
6 Kraftstoffenergie

140
7
ZZP
8 120
0 4 8 12 16 20
9 externe AGR [%]

0.4
10 Drall – 1 EV, Ventilabschaltung (hv,sek = 0,66 mm)
0.3
Tumble – 2 EV, Zweiventilbetrieb (hv = 8,40 mm)
11
σ pmi [bar]

0.2

12 0.1

0.0
13 0 4 8 12 16 20
AGR [%]

14 420
n = 2000 1/min
15 410 pme = 2 bar, λ = 1,0
ZZP = be-optimal
be [g/kWh]

400
16
390

17 380

18 370
0 4 8 12 16 20
externe AGR [%]
19 ..Abb. 15.33  Verbrennungsverlauf von Drall- und Tumble-Strömungen am 4 V-Motor [43]

20
15.2 • Ottomotoren
771 15
..Abb. 15.34  4 V-
Brennraum eines Serien-
Ottomotors
A1–A1
A E
A1 A1

A E

um 4 % und die HC + NOx-Emissionen um 50 % gesenkt. Rate für die Drallvariante deutlich niedriger. Die bessere
Die alternative Ladungsverdünnung durch Abmagerung Verbrennungsstabilität sowie die kurze Brenndauer
ermöglicht ein maximales Luftverhältnis von λ = 1,4. ermöglichen den Verbrauchsvorteil der Drallvariante.
Hierbei sinkt der Verbrauch gegenüber der Basisvariante
um 9 % und die HC-NOx-Emissionen um 40 %. Brennraumform  Die Brennraumform beeinflusst un-

Ladungsbewegung  Zur Verbesserung der Abmage-


--
ter anderen folgende ottomotorischen Eigenschaften:
das Einströmen der Zylinderfüllung,
rungsfähigkeit kommt im Wesentlichen die Steigerung
der Ladungsbewegung in Betracht. Dies kann zum ei-
-- die Ladungsbewegung im Zylinder,
die Geschwindigkeit der Energieumsetzung,
nen beim Einströmen der Zylinderfrischladung durch
spezielle Formgebung der Einlasskanäle erreicht wer-
den. Drallkanäle oder eine Einlasskanalabschaltung
beim 4 V-Motor erzeugen einen Rotationswirbel, des-
- das Rohemissionsniveau,
das Klopfverhalten.

Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an die


sen Achse parallel zur Zylinderachse verläuft. Drall-
strömungen bleiben während der Ansaugung und
-
Brennraumgestaltung:
möglichst ungehindertes Einströmverhalten an
Kompression erhalten und lösen sich erst während
der Expansion auf. Turbulenzkanäle erzeugen einen
- den Ventilsitzen,
hohe Strömungsgeschwindigkeiten der Zylinder-
Wirbel im Zylinder, dessen Achse senkrecht zur Zy-
linderachse liegt und der durch einseitiges Einströmen
- ladung im Zünd-OT,
kurze Flammenwege durch zentrale Zündkerzen-
am Einlassventil infolge Strömungsabrisses im Einlass-
kanal entsteht. Tumble-Strömungen bleiben bis zur
- lage und kompakte Brennraumgeometrie,
Minimierung von Toträumen (Feuersteghöhe,
Kompression weitgehend erhalten und zerfallen nahe
dem oberen Zünd-Totpunkt in Mikroturbulenzen.
. Abb.  15.33 zeigt beispielhaft das motorische
Verhalten bei externer Abgasrückführung von Drall-
- Ventiltaschen),
Vermeidung heißer Bauteile.

Diese Vorgaben erfüllen dachförmige Brennräume mit


und Tumble-Strömungen an einem 4 V-Motor. Der in V-Winkel angeordneten Ventilen gut. Wegen Fül-
Ladungsdrall wurde durch Abschaltung eines Einlass- lungsvorteilen dominieren 4-Ventil-Motoren mit zwei
ventils erzeugt. Gegenüber dem Tumble-Konzept weist Einlass- und zwei Auslassventilen bei aktuellen Moto-
die Drall-Variante bei diesem Motor einen wesentlich ren. . Abb. 15.34 zeigt beispielhaft einen 4 V-Serien-
geringeren Entflammungsverzug auf. Durch die großflä- brennraum. Auf Grund von Kostenvorteilen kommen
chige Ladungsbewegung gelingt es dem Flammenkern auch 2-Ventilmotoren mit parallel hängenden Ventilen
nach Zündeinleitung einen größeren Gemischbereich und einer Nockenwelle zum Einsatz.
schneller zu erfassen und eine spürbare Energieumset-
zung einzuleiten. Auch die Verbrennungsphase verläuft Lasteinfluss und Verlustanalyse  Die Leistungsein-
beim Drallkonzept schneller als beim Tumblekonzept. stellung von PFI-Motoren erfolgt durch Drosselung
Die schnellere Energieumsetzung bei Drall hat einen der Ansaugluft. Die dadurch sinkende Dichte der
deutlich geringeren Vorzündungsbedarf zur Folge und angesaugten Fischladung führt zu reduzierten Zy-
ermöglicht dadurch günstigere Entflammungsbedin- linderdrücken, die die Flammengeschwindigkeit
gungen zum Zündzeitpunkt. Die zyklischen Schwan- verringern. Wie . Abb. 15.35 zeigt, steigen dadurch
kungen (σpmi) sind hierdurch bei Zunahme der AGR- die Wirkungsgradverluste in der Hochdruckphase bei
772 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

50 ..Abb. 15.35 Wirkungs-
1 ηv gradverhalten von PFI-
Motoren in Abhängig-
keit von der Last [43]
2 ∆ η i,HD
η i,HD
3
Wirkungsgrad η [%]

ηe
30
4
5 ∆ η i,LW + ∆η r

6
10 ohne Drall, AGR = 0
7 n = 2000 1/min

8 0 1 2 3 4 5
pme [bar]
6 7 8 9 10

9 Teillast Volllast ..Abb. 15.36 Verlust-


(pme = 1,5 bar) (pme = 9,5 bar) analyse eines 4-Zylinder-
PFI-Motors (1,6 l-Hub-
10 Abgasenergie
bei Idealprozess
Abgasenergie
bei Idealprozess
raum) [43]
52,7 %

55,3 %

nicht ideale nicht ideale


11 Reibung
Verbrennung Verbrennung
Reibung
Undichtigkeit Undichtigkeit
1,8 %
12 4,9 % 0,9 % 0,9
% 3,6 %
12,5 %
15,2 %

Verlust-
Verlust-
13 8,9 % energie 1,8 %
33,0 %

energie
7,1 % Ladungs-
5,8 % wechsel
Kühlung
29,5 %

14 Ladungs-
14,3 %

Nutz- Nutz- Kühlung


wechsel arbeit arbeit
15
niedrigen Lasten deutlich an. Der effektive Wirkungs-
16 grad des Motors im Teillastbetrieb wird neben den
Verlusten in der Hochdruckphase durch die Zunahme
der Ladungswechselverluste infolge der Ansaugluft-
17 drosselung und der lastunabhängigen Motorreibung
verschlechtert.
18 . Abb. 15.36 zeigt die Energieverlustteilung für ei-
nen PFI-Motor bei Teil- und Volllast. Während bei Voll-
last circa 30 % der eingesetzten Energie als Nutzarbeit
19 zur Verfügung stehen, kann bei Teillast nur circa 15 %
genutzt werden. Mit über 50 % geht der größte Anteil
20 der eingesetzten Energie auf Grund der gewählten Pro-
zessparameter (Verdichtungsverhältnis, homogene Zy-
..Abb. 15.37  Kraftstoffeinsparung, Teillastbetrieb [44] linderladung mit λ = 1, Brennraumform) als Abgasener-
15.2 • Ottomotoren
773 15

gie verloren. Bei Teillast steigen zudem die Verlustanteile


durch Motorreibung, Drosselung und zu langsame Ver-
brennung auf etwa das Doppelte des Volllastbetriebes.

15.2.2 Brennverfahren von Direct-


Injection-Spark-Ignition-(DISI)-
Motoren

Im Vergleich zu einem hubraumgleichen Ottomotor mit


Saugrohreinspritzung (PFI) bietet der Ottomotor mit Di-
rekteinspritzung (DISI) eine theoretische Reduzierung des
Kraftstoffverbrauchs von 5 bis 20 % im Teillastbereich, je
nach Betriebspunkt und Betriebsart, . Abb. 15.37.
Unter Betrachtung der Wirkungsgradkette
i = V − VB − WW − LW − Leck ;
1 ..Abb. 15.38 Verlustteilung, n = 2000 min−1,
V = 1 − k −1 pme = 2 bar [45]
" eff

-
sind als Gründe
die Erhöhung des Wirkungsgrades des vollkom-
menen Motors ηV durch ein höheres effektives
und geometrisches Verdichtungsverhältnis,
hung der Reibungsarbeit (Kolbengruppe, Hochdruck-
pumpe) mindern die bisher aufgezeigten Vorteile des
geschichteten DISI-Konzepts. In Summe jedoch bleibt
ein Kraftstoffverbrauchsvorteil von circa 13 %.
ermöglicht durch innere Gemischkühlung und Das vorteilhafte Kraftstoffverbrauchsverhalten
entsprechendem Klopfverhalten, sowie einer Er- von Ottomotoren mit Direkteinspritzung wird aller-
höhung des Isentropenexponent k bei Auslegung dings durch ein leicht schlechteres Emissionsverhal-
eines DISI-Brennverfahrens mit überstöchiomet- ten erkauft. Sowohl im Schicht- wie im Homogenbe-

-- rischem Verbrennungsluftverhältnis,
die Verringerung der Drosselverluste ∆ηLW,
die Reduzierung der Wandwärmeverlustes ∆ηWW
trieb steht weniger Zeit zur Gemischaufbereitung zur
Verfügung, was grundsätzlich die Schadstoffentste-
hung begünstigt. Weiterhin stellt die Auslegung der

- bei geschichteten Brennverfahren,


ηVB = Verbrennungswirkungsgrad, ∆η = Le-
ckageverluste für den theoretischen Wirkungs-
gradvorteil des Ottomotors mit Direkteinsprit-
Kraftstoffspray/Brennraumwandinteraktion große
Herausforderungen an die Entwickler, denn jegliche
Wandbenetzung führt ebenfalls zu einer Erhöhung des
Schadstoffniveaus. In folgender . Abb. 15.39 ist das
zung zu nennen. Emissionsverhalten eines Ottomotors mit Direktein-
spritzung dem eines mit Saugrohreinspritzung gegen-
Ein Vergleich der beiden Konzepte, PFI- und geschich- über gestellt. Dabei sei angemerkt, dass es sich hier um
teter DISI-Motor, zeigt die Verlustteilung im Betriebs- denselben Motor handelt, welcher einmal als Motor
punkt Drehzahl n = 2000 min−1 und effektivem Mittel- mit Saugrohreinspritzung und einmal in Direktein-
druck pme = 2,0 bar in . Abb. 15.38. spritzkonfiguration betrieben wurde.
Durch die Qualitätsregelung, bei der theoretisch Eindeutig ist das leicht erhöhte Niveau aller dar-
keine Drosselung des in den Brennraum strömenden gestellten Emissionswerte des Ottomotors mit Direkt-
Luftstroms erforderlich ist, wird beim DISI-Motor mit einspritzung gegenüber dem mit Saugrohreinspritzung
Schichtbrennverfahren die Ladungswechselarbeit im erkennbar. Sowohl die Standardemissionswerte wie
Vergleich zum PFI-Motor auf ein Drittel reduziert. Die Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und die Stick-
vergleichsweise geringe Temperaturdifferenz zwischen oxide als auch die Indikatoren für die Ruß- bezie-
Brennraumwand und wandnahen Prozessmedien senkt hungsweise Partikelemissionen, ausgedrückt durch den
die Wärmeverluste beim geschichteten DISI-Brennver- Rauchwert und die Partikelanzahlkonzentration unter-
fahren deutlich – ein um bis zu 60 % geringerer Wär- streichen die Schwierigkeit eine Gemischaufbereitung
meeintrag in das Kühlmittel ist die Folge. zu erreichen, wie sie mit PFI Konzepten erzielbar ist.
Der höhere Abgasmassenstrom mit einem leicht Da das leicht erhöhte Potenzial der Standardemissi-
erhöhten Anteil chemischer Energie und die Erhö- onswerte aufgrund der Nutzung von Dreiwegekataly-
774 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

1
Linker Balken: Saugrohreinspritzung - Rechter Balken: DISI Motor
1.00 1500 3500 0.5 3.60·1013
Homogenbetrieb
n = 3000 min-1
0.90 1400 3400 pmi = 6 bar 0.4 3.24·1013

2 0.80 1300 3300 0.4 2.88·1013

3 0.70 1200 3200 0.3 2.52·1013

Partikel Anzahl in 1/cm3


Rauchwert in FSN
0.60 1100 3100 0.3 2.16·1013
CO in Vol-%

NOx in ppm
HC in ppm

4 0.50 1000 3000 0.3 1.80·1013

5
0.40 900 2900 0.2 1.44·1013

0.30 800 2800 0.2 1.08·1013

6 0.20 700 2700 0.1 7.20·1012

0.10 600 2600 0.1 3.60·1012

7 0.00 500 2500 0.0 2.00·109


CO HC NOx Rauchwert Partikel Anzahl

8 ..Abb. 15.39  Vergleich des Rohemissionsprofils eines Ottomotors mit strahlgeführter Direkteinspritzung (Ho-
mogenbetrieb) und Saugrohreinspritzung

9 satoren jedoch kein unlösbares Problem darstellt, tritt tern als auch intern erfolgen [46]. Die vom Kunden als
das Kraftstoffverbrauchspotenzial maßgeblich in den Selbstverständlichkeit vorausgesetzte Langzeitstabilität
10 Vordergrund. Nur das Problem der erhöhten Ruß- be-
ziehungsweise Partikelemissionen gilt es zu lösen.
des Fahrzeugantriebs hat beim Konzept mit Direktein-
spritzung eine weitere Aufgabenstellung bekommen.
Wie beschrieben, gilt als wesentliche Motivation Da im Saugrohr kein Kraftstofffilm eingebracht wird,
11 zur Entwicklung eines DISI-Motors das Potenzial der können Ablagerungen, wie sie zum Beispiel in den
Verringerung des Kraftstoffverbrauchs. Dieses Poten- Einlasskanälen, an den Einspritzventilen und den Ein-
zial wird im Gesamtfahrzeug häufig durch Anforde- lassventilen durch Abgasrückführung und durch die

-
12 rungen wie zum Beispiel Kurbelgehäuseentlüftung entstehen, nicht durch ent-
Abgasnachbehandlung mit aktuellen Emissions- sprechende Kraftstoffadditive abgebaut werden.
13
-- standards,
Warmlaufverhalten,
Die für die Brennverfahrensentwicklung notwen-
digen Umfänge werden durch einige Rahmenbedin-

14
-- Diagnose,
Systemkosten,
gungen, die zum Teil schon oben skizziert worden
sind, bestimmt. Als wesentliche und beispielhaft dar-

15
Langzeitstabilität

reduziert. Für die Bewertung eines Brennverfahrens -


gestellte Entwicklungsaufgaben gelten [37]:
Generierung der Ladungsbewegung bei luftge-
führten und wandgeführten Verfahren, auch für

16
sollten jedoch auch diese Rahmenbedingungen be-
rücksichtigt werden, da sie zum Teil direkt auf das
- den Schichtbetrieb,
Sicherstellung einer zu Konzepten mit Saugrohrein-

17
Brennverfahren einwirken. Als Bespiel sei hier das
NOx-Emissionsverhalten im Magerbetrieb in Ver-
bindung mit NOx-Speicherkatalysatoren dargestellt:
Durch den Eintrag der NOx-Rohemissionen in das
- spritzung vergleichbaren Gemischaufbereitung,
Sicherstellung der Robustheit der Einspritzung
und Spraybildung insbesondere bei strahlgeführ-
ten Verfahren, sowohl für homogene wie auch
18 Katalysatorspeichersystem ist ein Regenerationsprozess
nötig. Dieser erfolgt in unterstöchiometrischem Motor-
betrieb. Durch die Häufigkeit dieses Prozesses wird das -- geschichtete Brennverfahren,
Begrenzung der Bauteilbenetzung mit Kraftstoff,
Erfüllung der Anforderungen der Abgasnachbe-

-
19 Kraftstoffverbrauchsverhalten mitbestimmt. Eine Min- handlung bei Schicht- und Magerbetrieb,
derung des NOx-Ausstoßes kann somit indirekt zum Darstellung einer geeigneten Abgasrückführung,
20 Kraftstoffverbrauchsverhalten beitragen. Als Mittel
zur NOx-Rohemissionsabsenkung kommt häufig eine
Abgasrückführung zum Einsatz. Diese kann sowohl ex- - gegebenenfalls auch Schicht-AGR,
Sicherstellung einer ausreichenden Stabilität des
Brennverfahrens,
15.2 • Ottomotoren
775 15

- Bereitstellung der notwendigen Steuergerätfunk-

-- tionen,
Schaffung einer ausreichenden Kaltstartfähigkeit,
Vermeidung von durchflussreduzierenden und
spraybildverfälschenden Ablagerungen an Ein-

- spritzventilen,
Einsatz eines robusten Zündsystems.

15.2.2.1 Betriebsarten eines


Ottomotors mit
Direkteinspritzung
Durch den Einsatz einer Direkteinspritzung sind im
Gegensatz zum System mit Saugrohreinspritzung mehr ..Abb. 15.40  Betriebsartenstrategie eines wandge-
Motorbetriebsarten möglich, die im Folgenden aufge- führten Brennverfahrens
führt und qualitativ betrachtet werden.
rie produzierten Motors beinhaltet ferner den Modus
Geschichteter Betrieb  Ein wesentlicher Parameter für des Magerbetriebs bei homogenem Gemisch, bei dem
die Gemischaufbereitung ist das Einspritztiming. Durch die Vorteile des Magerbetriebs genutzt werden können,
gezielte Einspritzung in den Kompressionshub ist eine andererseits aber keine Verkürzung der Gemischbil-
komplette Durchmischung des Gemisches im Brenn- dungszeit in Kauf genommen werden muss.
raum bis zum Zündzeitpunkt nicht mehr möglich, eine Um im überstöchiometrischen Motorbetrieb die
Schichtung der Frischladung ist die Folge. Bezogen auf im Vergleich zum PFI-Konzept erhöhten NOx-Roh­
die gesamte eingebrachte Luftmasse ist hier eine deutli- emissionen im Hinblick auf die Einhaltung der Emissi-
che Abmagerung darstellbar, bei ausgewählten Verfah- onsgrenzwerte und der Arbeitsweise des Abgasnachbe-
ren lassen sich hohe Werte des Luft-Kraftstoff-Verhält- handlungsverfahrens zu senken, ist es bei den meisten
niswerte (λ = 6) am Versuchsträger ermitteln [47]. DISI-Motoren notwendig, mit hohen Abgasrückführ-
raten zu arbeiten, die zudem die Kraftstoffverdamp-
Homogener Betrieb  Die Einspritzung in den Saughub fung unterstützen.
kennzeichnet den homogenen Betrieb. Das Kraftstoff-
verbrauchs- und Abmagerungsverhalten und auch der Vergleich der Betriebsarten „homogener und
Drosselverlust ist vergleichbar mit den Werten des Ot- geschichteter Betrieb“
tomotors mit Saugrohreinspritzung. Diese Betriebsart Neben der Messung des Kraftstoffverbrauchs und der
wird im Bereich der Volllast und in Abmagerung in Schadstoffemission dient die Analyse der Zylinder-
einem Bereich der Teillast angewendet. Die Vorteile druckverläufe als wichtiger Vergleichsindikator zwi-
zeigen sich im Klopfverhalten in der Volllast durch die schen der homogenen und der ladungsgeschichteten
höhere Innenkühlung des direkt eingebrachten Kraft- Betriebsart. Im Folgenden soll deshalb der Zylinder-
stoffs, und in der Abgasnachbehandlung mit stöchio- druckverlauf bei Drehzahl n = 2000 min–1 und effek-
metrischem Luft-Kraftstoff-Verhältnis durch den Ein- tivem Mitteldruck pme = 2,0 bar und die Entwicklung
satz eines herkömmlichen Katalysatorsystems [48]. Der des Innenwirkungsgrades im selben Lastpunkt be-
Vorteil der reduzierten Klopfneigung wird insbeson- trachtet werden. In . Abb. 15.41 sind die Zylinder-
dere bei DISI Konzepten mit Aufladung deutlich und druckverläufe beider Betriebsarten, wie sie für den
steht daher zurzeit bei vielen Entwicklern im Fokus, Teillastbetrieb typisch sind, dargestellt.
speziell für Hubraumkleine Ottomotoren. Im ladungsgeschichteten Betrieb sind die Ver-
dichtungs- und Verbrennungsspitzendrücke höher,
Betriebsartenstrategie zwischen Homogen- da durch den entdrosselten Betrieb wesentlich mehr
und Magerbetrieb Luftmasse verdichtet werden muss. Zudem zeigt der
Die für die Gemischbildung im Schichtbetrieb be- geschichtete Betrieb die deutlich geringere Ladungs-
nötigte Zeit ist bei höheren Drehzahlen nicht gege- wechselarbeit. In . Abb. 15.42 ist die Entwicklung des
ben; hier wird auf den Homogenbetrieb mit seinem Innenwirkungsgrades ηi dargestellt.
frühen Einspritztiming ausgewichen. Eine weitere Beginnend im Ladungswechsel OT mit dem An-
Begrenzung ist bei höherer Last die Gemischbildung saugen muss im homogenen Betrieb bis zum Beginn
mit ausgedehnten Zonen überfetten Gemischs. Die in des Verdichtungshubes infolge der Drosselung mehr
. Abb. 15.40 dargestellte Betriebsstrategie eines in Se- Arbeit aufgewendet werden als im Schichtbetrieb
776 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

1
2
3
4
5
6
7 ..Abb. 15.41  Zylinderdruckverlauf des homogenen und des ladungsgeschichteten Betriebs am DISI-Motor,
n = 2000 min−1, pme = 2 bar
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17 ..Abb. 15.42  Innenwirkungsgradverhalten für den homogenen und den ladungsgeschichteten Betrieb am DISI-
Motor, n = 2000 min−1, pme = 2 bar

18
(negativer Innenwirkungsgrad). Erst mit dem Beginn Kolbenhubes stellt sich wie in . Abb. 15.42 sichtbar
des Verdichtungshubes erfährt der Kolben im homo- ein größerer Zylinderdruck gegenüber Umgebung und
19 genen Betrieb aufgrund der größeren Druckdifferenz somit eine gegen den Kolbenhub wirkende Kraft ein.
zwischen Zylinderdruck und Druck im Kurbelgehäuse Die Steigung der Innenwirkungsgradkurve wird somit
20 eine Kraftkomponente in Richtung OT, sodass die Stei-
gung der Innenwirkungsgradkurve zunächst ein positi-
wieder negativ.
Gegen Ende des Verdichtungshubes ist im Schicht-
ves Vorzeichen aufweist. Erst nach etwa der Hälfte des betrieb die größere Luftmasse verdichtet und damit
15.2 • Ottomotoren
777 15

auch die größere Arbeit aufgewendet worden. Wäh- Luftspreizung darstellen können um einerseits bereits
rend des Arbeitstaktes zeigt die Kurve für den Schicht- in der Teillast eine hohe Luftmenge fördern zu können,
betrieb die größere positive Steigung und erzielt gegen andererseits soll es auch nicht zu einer Limitierung in
Ende des Arbeitstaktes einen größeren Innenwirkungs- der Nennleistung durch zum Beispiel ein Stopfen des
grad als der homogene Betrieb. Der aufgezeigte Vorteil Aufladesystems kommen. Die genannten Anforderun-
ist zum Teil durch die geringeren Wandwärmeverluste gen lassen Standard-Abgasturboladerkonzepte nach
als auch durch die ausgeprägten Ladungseigenschaf- heutigem Entwicklungsstand eher ausscheiden.
ten im Schichtbetrieb zu erklären. Diese positive Wir- Insgesamt ist es eine Vision für die Zukunft, den
kungsgraddifferenz kann aber bis zum Ende des Aus- Ottomotor in seinem kompletten Betriebskennfeld un-
stoßtaktes quantitativ nicht ganz konserviert werden, gedrosselt zu betreiben; dadurch ließen sich sehr große
da im Gegensatz zum homogenen Betrieb auch wieder Kraftstoffeinsparungen erzielen. Technikbausteinen wie
eine größere Abgasmasse ausgeschoben werden muss. der Aufladung und der Einspritzung sowie der Zün-
Die Innenwirkungsgradkurve des Schichtbetriebes dung kommen dabei Schlüsselrollen zu, so dass deren
weist daher hier die größere negative Steigung auf. Weiterentwicklung in Zukunft im Fokus stehen wird.

Ausweitung des schichtfähigen 15.2.2.2 Ausprägungen und Spezifika


Betriebsbereichs des ottomotorischen
Aufgrund ihres deutlichen Kraftstoffeinsparpotenzials Brennverfahrens mit
in überstöchiometrischem Motorbetrieb gilt die Direkt- Direkteinspritzung sowie
einspritzung als die Maßnahme mit dem größten Ein- dessen Technologiebausteine
zeleinsparpotenzial. Limitiert wird das Potenzial durch und
den eingeschränkten Kennfeldbereich sowie das nach Technologiekombinationen
wie vor zu hohe NOx-Rohemissionsniveau. Gelingt
es also in Zukunft, durch geeignete Maßnahmen das Beschreibung der unterschiedlichen
NOx-Rohemissionsniveau durch zum Beispiel eine hö- Brennverfahrenskonzepte
here AGR-Verträglichkeit des Brennverfahrens oder ein Die meisten heute in Serie befindlichen Direkteinspritz-
effizientes Nachbehandlungssystem weiter abzusenken systeme der 1. Generation, also diese mit seitlicher Injek-
und den Kennfeldbereich des überstöchiometrischen torlage, sind mittlerweile nicht mehr auf geschichteten
Betriebsbereichs durch eine optimale Schichtung von Betrieb ausgelegt. Einerseits kann dieser Umstand auf
Kraftstoff-Luft-Gemisch und umgebender Luft auszu- die eingeschränkten Kraftstoffverbrauchspotenziale in
weiten, kann ein weiteres enormes Kraftstoffredukti- Kundenhand sowie die mittlerweile verfügbaren Brenn-
onspotenzial erschlossen werden, ohne dass die Kosten verfahrenskonzepte der 2. Generation, also der strahl-
deutlich ansteigen. Eindeutig kommt dem Einspritzsys- geführten Gemischaufbereitung zurückgeführt werden.
tem hier eine Schlüsselrolle zu, weshalb später in diesem Gleichermaßen gilt allerdings für beide Generatio-
Kapitel darauf nochmals eingegangen wird. nen, dass der Schichtbetrieb, also die direkte Einsprit-
Heutige schichtbetriebene DISI Konzepte sind in zung des Kraftstoffes in den Verdichtungshub hohe
der Betriebsart wie erwähnt sowohl in der Drehzahl Anforderungen an das Brennverfahren bezüglich Ge-
wie in der Last nach oben begrenzt. Einerseits weil mischbildung, Gemischtransport, Entflammung und
nicht genügend Zeit zur Gemischaufbereitung zur
Verfügung steht, andererseits, weil nicht genügend
Frischluft in den Zylinder gelangt, um die hohe Menge
Kraftstoff bei höheren Lasten geschichtet aufzuberei-
-
Umsetzung stellt:
Die Gemischbildung hat in relativ kurzer Zeit
zu erfolgen; flüssiger Kraftstoff oder Zonen mit
überfettetem Gemisch sind bis zum Zeitpunkt
ten. Um die Limitierung in der Drehzahl nach oben zu
verschieben, kann es hilfreich sein, den Einspritzdruck
deutlich anzuheben. Die Limitierung in der Last kann - der Entflammung abzubauen.
Der Gemischtransport zur Zündkerze hat kont-
rolliert und von Zyklus zu Zyklus reproduzierbar
nur in Zusammenhang mit einer Erhöhung der in den
Zylinder eingebrachten Frischluftmenge ausgeweitet
werden. Hierzu kann ein solches Schichtbetriebs-
konzept zum Beispiel mit der Aufladung kombiniert
- zu erfolgen.
Eine deutliche Schichtung des zündfähigen
Gemisches sollte mit dem Ziel geringer Wand-
wärmeverluste mit Abgas oder Luft dargestellt
werden. Allerdings sei an dieser Stelle darauf hinge-
wiesen, dass dem Aufladesystem hier eine Schlüssel-
rolle zukommt, denn einerseits sollte es hocheffizient
arbeiten, andererseits muss das System eine sehr hohe
- werden.
Zonen mit nicht brennfähigem magerem Ge-
misch sind ebenso wie fette Zonen zu vermeiden,
insbesondere in der Nähe der Zündkerze.
778 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

..Abb. 15.43 Schema-
1 tische Darstellung der
Brennverfahrenskonzep-
te [35]
2
3
4 Diese Anforderungen sind nicht nur in einem mög-
lichst großen Kennfeldbereich zu erfüllen, sondern
sind auch betriebspunktbezogen derart einzuhalten,
- Zu höheren Lasten hin ist der schichtfähige
Kennfeldbereich durch zunehmende Nachteile
bei der Gemischbildung mit infolge auftretenden
5
6
dass ein ausreichendes Stabilitätsfenster darstellbar ist.
Die heute in der Entwicklung und in Serie be-
findlichen Schichtbrennverfahren lassen sich in drei
Brennverfahrenskonzepte klassifizieren und wie folgt
- erhöhten CO- und Rußemissionen begrenzt.
Brennraum- und Kolbenbenetzung sowie
Flammenerlöschen führt im Schichtbetrieb zu
erhöhten HC-Emissionen.
charakterisieren, . Abb. 15.43.
7 Luftgeführtes Brennverfahren  Der Kraftstoff wird
Durch den notwendigen Einsatz eines NOx-Speicher-
katalysators im Magerbetrieb sind die zulässigen NOx-
durch eine generierte Ladungsbewegung vom Ein- Massenströme in Abhängigkeit vom Abgaszyklus so-
8 bringungsort zur Zündkerze transportiert. Eine Be- wohl im Schicht- als auch im Homogen-Magerbetrieb
netzung von Brennraumwänden ist bei konsequenter begrenzt. Im normalen Fahrbetrieb ergibt sich daher
Umsetzung dieses Verfahrens ausgeschlossen. Das ge- durch den eingeschränkten, schichtfähigen Kennfeld-
9 naue Timing von Einspritzung und stabiler Ladungs- bereich, durch die Regenerierung des NOx-Speicher-
bewegung ist hier entscheidend für die Güte des Ver- katalysators sowie die zum Bauteilschutz notwendige
10 fahrens. Die durch die Ladungsbewegung unterstützte
Gemischbildung weist bei entsprechender Auslegung
Anfettung eine Verringerung des theoretischen Kraft-
stoffverbrauchspotenzials im Vergleich zum PFI-Mo-
eine hohe Gemischgüte auf. Allerdings hängt die Sta- tor.
11 bilität dieses Brennverfahrens stark von der Repro-
duzierbarkeit der Ladungsbewegung von Zyklus zu Strahlgeführtes Verfahren Unterschieden wird bei
Zyklus und von der Einhaltung der Toleranzen der diesem Brennverfahren je nach Positionierung von
12 luftführenden Bauteile ab. Injektor und Zündsystem in nahe und entfernte Lage.
Letztere bietet zwar den Vorteil einer längeren Ge­
13 Wandgeführtes Verfahren  Der Kraftstoff wird durch mischaufbereitungszeit, allerdings ist das Spray auf-
eine entsprechend ausgeformte Brennraumwand, hier tretenden Ladungsbewegungen stärker ausgesetzt.
der Kolben, dem Zündort zugeführt. Dieses Verfahren Die Einbringung des Kraftstoffs in die direkte Nähe
14 geht mit einem hohen Anteil an Kraftstoffanlagerun- des Zündortes hat im Vergleich der Verfahren the-
gen an Brennraumwänden einher, die Abdampfungs- oretisch das höchste Potenzial zur Schichtung; hier
15 erscheinungen bis zum Zündzeitpunkt können meis-
tens nicht den gesamten Kraftstofffilm abbauen. Da
werden Werte des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses von
bis zu acht erwartet. Dem entsprechenden Vorteil im
das Verfahren auf gleichmäßige Rahmenbedingungen Kraftstoffverbrauchsverhalten stehen jedoch große
16 aufbaut, ist jedoch ein stabiler Prozess gegeben. Die hö- Herausforderungen gegenüber, die im Folgenden mit

17
heren Rohemissionen und das vergleichsweise geringe
Kraftstoffverbrauchspotenzial lassen dieses Verfahren
jedoch nicht in den Vordergrund treten. Die Literatur
verweist allerdings teilweise auf Unzulänglichkeiten
-
möglichen Lösungsansätzen beschrieben werden:
Die Ausbildung von zündfähigem Gemisch
erfolgt nur in einem kleinen Teilbereich des
Kraftstoffstrahls/Sprays und es steht nur wenig
18 dieser beiden Brennverfahrenstypen und deren Misch- Zeit zur Gemischbildung zur Verfügung. Hier ist
formen bei der Darstellung der theoretisch erwarteten durch den Einsatz einer Hochdruckeinspritzung
Kraftstoffverbrauchsvorteile und auf weitere Nachteile, mit einem Einspritzdruck von ≥ 200 bar ein

- -
19 die im Folgenden aufgeführt sind [49]: Lösungsansatz zu sehen.
Eine unzureichende Stabilität im Schichtbetrieb Der Einsatz einer Ladungsbewegung zur
20 bei niedrigen Lasten begrenzt die maximal mög-
liche Abmagerung und erfordert gegebenenfalls
Unterstützung der Gemischaufbereitung ist
problematisch, da die Gefahr einer Verwehung
eine Drosselung. des Gemischs vom Zündort besteht. Frühere
15.2 • Ottomotoren
779 15

..Abb. 15.44  Temperaturfenster unterschiedlicher


NOx-Abgasnachbehandlungssysteme
..Abb. 15.45  Prozessverlauf verschiedener DISI-
Meinung war, dass die Kombination einer
Brennverfahren im Betriebspunkt n = 2000 l/min,
strahlgeführten Direkteinspritzung mit einer pmi = 2,8 bar [52]
ausgeprägten Ladungsbewegung Schwierigkeiten
bereitet. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, geringe Funktion des NOx-Speicherkatalysators
dass die strahlgeführte Direkteinspritzung auch
in Kombination mit hohen Tumbleniveaus im
Schichtbetrieb sehr gute Ergebnisse liefert. Aller-
dings muss hier besonderes Augenmerk auf die
- und auch des Dreiwegekatalysators möglich ist.
Die Ausweitung des Schichtbetriebs zu höheren
Lasten führt im Allgemeinen zu einer Erhöhung
des NOx-Massenstroms und entsprechendem
Auslegung der Brennraumgeometrie inklusive der Mehrverbrauch durch häufigeren Stickoxidabbau
Lage von Injektor und Zündkerze gelegt werden.
Insgesamt ist bei einer solchen Kombination
durchaus feststellbar, dass der stabile Betriebsbe-
reich im Schichtbetrieb kleiner wird, allerdings ist
- im Speicherkatalysator.
Heute wird insbesondere zur Etablierung des
vielversprechenden Schichtbetriebs bei strahl-
geführten Brennverfahren zunehmend der
in dem fahrbaren Kennfeldbereich eine sehr hohe Einsatz von SCR (Selective Catalytic Reduction)-
Effizienz und Stabilität des Verfahrens festzu- Systemen diskutiert. Aber auch dieses System
stellen. Weiterhin ermöglicht diese Kombination zur NOx-Abgasnachbehandlung benötigt ein
eine höhere Restgas- beziehungsweise AGR-Ver- bestimmtes Temperaturfenster, um eine volle
träglichkeit, wodurch eine weitere Reduktion der Funktion zu gewährleisten. Dieses Fenster liegt

- NOx-Emissionen erzielt werden kann.


Die Zündkerze muss unabhängig vom Betriebs-
punkt und zyklischen Schwankungen in einem
ausreichend großen Zündfenster von entflamm-
allerdings günstiger als das eines LNT (Lean NOx
Trap) Katalysators. Der SCR-Katalysator erreicht
je nach verwendetem Reduktionsmittel eine 90 %
NOx-Konvertierung in einem Temperaturfenster
barem Luft-Kraftstoff-Gemisch umgeben sein.
Durch den Einsatz von nach außen öffnenden
Injektoren, die bei Gegendruckerhöhung keine
Einschnürung zeigen, wird eine stabile Lage des
- von circa 150 bis circa 500 °C, siehe . Abb. 15.44.
Bei Entfall einer globalen Ladungsbewegung ist
die Restgasverträglichkeit deutlich herabgesetzt
und hat somit eine Erhöhung des NOx-Massen-

- Sprays erzielt.
Die Zündkerze ist durch Kraftstoffbenetzung
einer deutlichen thermischen Wechselbelastung
ausgesetzt. Hier kann neben einer Werkstoffop-
stromes zur Folge. Die Schichtung von Restgas
wird als eine Lösung neben der Kombination
eines schichtbetriebenen Brennverfahrens mit
Ladungsbewegung diskutiert [51].
timierung der Einsatz neuartiger Zündsysteme,
wie etwa die Laserzündung, eine Lösung darstel- Im Vergleich der Prozessführungen in . Abb. 15.45
len [50]. zeigt sich für das Einspritztiming, den Zündzeitpunkt
und die Brenndauer folgendes unterschiedliches Ver-
Bezüglich der Abgasnachbehandlung sind bei einem halten im geschichteten Betrieb ohne Abgasrückfüh-
strahlgeführten System im Vergleich zu wand- und rung bei gleichem Einspritzsystem.

-
luftgeführten Verfahren vier Punkte von Bedeutung:
Bei Schichtbetrieb mit hohem Luftüberschuss im
Niedriglast-Bereich können sich derart geringe
Abgastemperaturen ergeben, dass nur noch eine
Auffällig ist der zeitlich unterschiedliche Abstand
zwischen Einspritzende und Zündzeitpunkt. Diese Zeit-
spanne ist beim strahlgeführten Verfahren am kürzes-
ten, da nach Beendigung des Einspritzvorgangs die lokal
780 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

1 Performance Quantitative Bewertung Applikationsaufwand

Brennverfahren Emissionen
Verbrauch Kosten Verbrauch Partikel
2 HC NOx Partikel
Homogen,

3 stöchiometrisch und
mager, seitlicher + + O - + -2% +50% O
Einbau auch mit

4 Aufladung
Schicht,
wandgeführt,
++ - - --- ++ -8% +400% O/-
5
seitlicher Einbau,
Drallventil
Schicht,
strahlgeführt,
6 zentraler Einbau,
+++ - - -- O -13% +200% -
Mehrlochventil
Schicht,
7 strahlgeführt,
zentraler Einbau, A- +++ + -- - -- -15% +50% --/---
Düse, evt. mit
8 Aufladung
(+++ sehr gut (Aufwand gering) / O neutral (Aufwand neutral) / --- weniger gut (Aufwand hoch)

9 Vergleichsbasis ist ein homogen arbeitender Ottomotor mit Saugrohreinspritzung

..Abb. 15.46  Bewertung der verschiedenen Brennverfahren nach ihren spezifischen Vor- und Nachteilen [53]
10
nahe Zündung eingeleitet wird. Das wandgeführte Ver- und wegen der geringen Ladungsbewegung eine län-
11 fahren weist hingegen für diese Zeitspanne der Gemisch- gere Brenndauer. Ein Vorteil des wandgeführten Ver-
bildung die größten Werte auf, da das Gemisch den rela- fahrens ist die relativ späte und wirkungsgradgünstige
tiv langen Weg über die Kolbenoberfläche geführt wird. Lage der Verbrennung.
12 In der sich anschließenden Entflammungsphase (Zeit
zwischen Zündung und 5-%-Umsatzrate) ist die rela- Vor- und Nachteile der unterschiedlichen
13 tiv schlechte Gemischaufbereitung des strahlgeführten Konzepte (Benchmark der Konzepte)
Verfahrens mit einer langen Verzugszeit zu erkennen, Jedes der vorgenannten Brennverfahrenskonzepte hat
was auf eine notwendige Verbesserung der Gemischbil- Vor- und Nachteile, eine detaillierte Bewertung der
14 dung und damit des Einspritzsystems hinweist. Die gute Potenziale ist in . Abb. 15.46 dargestellt. Die quanti-
Gemischbildung bei den beiden anderen Verfahren sind tativen Angaben in dieser Bewertung genügen keinen
15 trotz unterschiedlicher Wirkungsweise (Dauer der Ge-
mischbildung bei dem wandgeführten Verfahren, inten-
quantitativen Ansprüchen, sollen aber durchaus realis-
tische Tendenzen wiedergeben.
sive Ladungsbewegung beim luftgeführten Verfahren) Insgesamt zeigt das strahlgeführte Verbrennungs-
16 auf einem ähnlichen Niveau für die Brennverzugsdauer. verfahren das größte Potenzial zur Verbrauchsverbes-
In der anschließenden Umsetzung wird der Zeit- serung, allerdings nur, wenn es mit Schicht- bezie-
raum bis zur 85-%-Umsatzrate betrachtet. Diese Be- hungsweise Magerbetrieb kombiniert wird. Wird die
17 trachtung nimmt auf die nicht vollständige Umsetzung Direkteinspritzung als Homogenkonzept, insbesondere
des wandgeführten Verfahrens Rücksicht. Hier wird in Verbindung mit Aufladung umgesetzt, kann auch
18 durch den nicht aufbereiteten Kraftstoff auf der Kol- die seitliche Injektorlage ein ausreichendes Potenzial
benoberfläche die maximale Umsetzung auf 88 % be- bieten. Welche Brennverfahrensausprägung in einem
grenzt. Die kürzeste Brenndauer zeigt das luftgeführte Entwicklungsfall letztlich zur Umsetzung kommt, muss
19 Verfahren infolge der guten Gemischgüte und der von Fall zu Fall entschieden werden und hängt neben
hohen Ladungsbewegungsintensität auf. Diese relativ der rein technischen Bewertung auch von weiteren
20 schnelle Umsetzung bleibt bis Brennende erhalten. Die
beiden anderen Verfahren haben in der Verbrennung
Faktoren ab. Diese können die Marktdurchdringung
(notwendige Kraftstoffverfügbarkeit), Kombination mit
aufgrund der unbefriedigenden lokalen Gemischgüte weiteren Technologiebausteinen, Kosten, usw. sein.
15.2 • Ottomotoren
781 15

..Abb. 15.47  Einfluss Wirkungsgrad des vollkommenen Motors mit Gleichraumverbrennung [53]

Ausprägungen der Direkteinspritzung – metrischen Verdichtung, welche aufgrund des Effektes


Kombination mit weiteren der Innenkühlung bei saugsynchroner Einspritzung
Technologiebausteinen und damit geringerer Klopfneigung bei höheren Lasten
Wie bereits vorstehend erläutert birgt die Direktein- umgesetzt werden kann, . Abb. 15.48.
spritzung ein nicht unerhebliches Potenzial zur Verbes- Die . Abb. 15.48 beschreibt den Vorteil, welcher
serung des Kraftstoffverbrauchs bei Ottomotoren. Das aus der Direkteinspritzung zur Erhöhung der Verdich-
größte Potenzial liefert der Schicht- beziehungsweise tung resultiert. Wird ausgehend von einem Motor mit
Magerbetrieb, wie anhand des Wirkungsgrads des voll- Saugrohreinspritzung und einer Verdichtung von 10,5
kommenen Motors in . Abb. 15.47 zu erkennen ist. ein Motor mit derselben Verdichtung und Direktein-
Bei Betrachtung des theoretischen Wirkungs- spritzung betrieben, so steigt einerseits der Liefergrad
grads bei Luftansaugung und einer Verdichtung und andererseits nimmt die Klopfneigung ab. Beide
von 11 ergibt sich bei stöchiometrischen Gemisch von Phänomene sind auf die Ladungsabkühlung durch
Lambda = 1, repräsentativ für einen Ottomotor mit die direkte Einbringung des Kraftstoffs während des
Saugrohreinspritzung, ein thermischer Wirkungsgrad Saughubs zurück zu führen. Während der anschließen-
von 47 %. Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass die den polytropen Kompression wirkt sich die erfolgte La-
Verdichtung eines Ottomotors mit Direkteinspritzung dungsabkühlung überproportional auf den Tempera-
aufgrund der Innenkühlung des im Zylinder verdamp- turverlauf im Zylinder aus, wodurch die Klopfneigung
fenden Kraftstoffs zu einer niedrigeren Klopfneigung deutlich verringert wird, was im Bild an der größeren
führt, kann die Verdichtung um circa 1 bis 2 Einheiten Vorzündung deutlich wird.
angehoben werden, hier im Beispiel um 1,5 Einheiten Die erfolgte Reduktion der Klopfneigung kann
auf 12,5, wodurch ein thermischer Wirkungsgrad von nun wirkungsgradsteigernd eingesetzt werden, in
circa 50 % resultiert. Wird ein solches Konzept nun mit dem die Verdichtung so weit angehoben wird, bis bei
dem Magerbetrieb kombiniert, so kann bei realistisch gleicher Schwerpunktlage der Verbrennung ein ähnli-
anzunehmenden Luftverhältnissen von zum Beispiel ches Klopfverhalten erzielt wird, was in . Abb. 15.47
Lambda = 4 bei gleicher Verdichtung ein thermischer deutlich wird. Es reduziert sich die Vorzündung wie-
Wirkungsgrad von circa 58 % erreicht werden. Dies der. Allerdings bleibt der Wirkungsgradvorteil des
bedeutet eine Wirkungsgradsteigerung von circa 22 % DISI Brennverfahrens im gesamten Kennfeldbereich
gegenüber dem Motor mit Saugrohreinspritzung. infolge der angehobenen Verdichtung erhalten. Zusätz-
Wie dargelegt, ist auch im Homogenbetrieb ein lich bleibt auch der Liefergradvorteil im gesamten Be-
Wirkungsgradsteigerungspotenzial von einigen Pro- triebsbereich bestehen, was einen durchschnittlichen
zenten im Vergleich zu einem sonst baugleichen Ot- Leistungsgewinn von circa 2 bis 5 % bedeutet.
tomotor mit Saugrohreinspritzung gegeben. Dieser Basierend auf den dargestellten Vorteilen gibt es
Vorteil beruht, wie beschrieben, auf der höheren geo- zwei grundsätzliche Ausprägungen von DISI-Brenn-
782 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

1 Direkteinspritzung
ε = 12

2 Anhebung

Verbesserung 2-5%
Leistung / Drehmoment

Verdichtungsverhältnis

3
Direkteinspritzung Erhöhung Liefergrad
4 ε = 10,5 und Ladungskühlung

5 ε = 10,5

Saugrohreinspritzung Klopfgrenze
6
Vorzündung in °KW vor OT
7 ..Abb. 15.48  Einfluss der Direkteinspritzung auf Leistung und Klopfgrenze [53]

8 verfahren, die sich im Markt durchgesetzt haben. gegenüber saugmotorischen DISI Homogenbetrieb.
Den sehr kraftstoffeffizienten überstöchiometrischen Das häufig umgesetzte sogenannte Downsizing, die
Schichtbetrieb sowie den stöchiometrischen Homo- Verkleinerung des Hubvolumens bei Beibehaltung der
9 genbetrieb in Verbindung mit Aufladung. Aufgrund Leistung des hubraumgrößeren Motors, ermöglicht eine
der anfälligen und noch in Entwicklung befindlichen Reduktion des Kraftstoffverbrauchs von circa  15 bis
10 NOx-Nachbehandlungssysteme, welche zwingend
erforderlich sind, um die tendenziell höheren NOx-
20 % gegenüber dem hubraumgrößeren Motor je nach
Downsizing- und Downspeedinggrad, . Abb. 15.49.
Rohemissionen, speziell den NOx-Massenstrom des Ohne die Kombination mit Direkteinspritzung
11 Magerbetriebs zu reduzieren, sowie der Tendenz zu wären die genannten Kraftstoffverbrauchsreduktio-
hubraumkleineren und damit den Downsizingansatz nen keinesfalls erzielbar, denn ohne die Vorteile der
nutzenden Motorkonzepten, zeigt sich momentan eine Liefergradanhebung, der möglichen Anhebung der
12 klare Tendenz zu aufgeladenen DISI Motoren, welche geometrischen Verdichtung sowie der Nutzung von
stöchiometrisch betrieben werden. Variabilitäten im Einspritz- und Ladungswechselsys-
13 Eine Kombination von Aufladung und Direktein- tem wären die Downsizing und Downspeeding Motor-
spritzung mit ihren spezifischen Vorteilen, auch im konzepte nicht in diesem Maße umsetzbar.
stöchiometrischen Homogenbetrieb, führt zu einer Als grundlegender Baustein in weiteren Technologie-
14 weiteren deutlichen Anhebung der Kraftstoffeffizienz kombinationen wird die Direkteinspritzung ihre Markt-
durchdringung weiter ausbauen. Sie eröffnet schließlich
15 für viele weitere Technologien das Erreichen deutlich
größerer Kraftstoffeffizienzen, so zum Beispiel der homo-
genen Selbstzündung, als Baustein in Hybridkonzepten
16 durch Direktstartmöglichkeiten, und so weiter.

Partikelemissionen – eine Herausforderung für


17 die Direkteinspritzung
Die Direkteinspritzung führt sowohl bei Diesel- wie
18 auch Ottomotoren zu einer Verkürzung der Gemisch-
bildungszeit, so dass Gemischbildung und Verbren-
nung teilweise gleichzeitig ablaufen. Als Folge steigen
19 einerseits die Emissionen von unverbrannten Kohlen-
wasserstoffen und von Kohlenmonoxid an.
20 ..Abb. 15.49  Downsizing und Downspeeding (Hub-
Darüber hinaus muss der Partikelausstoß (Ruß) als
ein für die ottomotorische Verbrennung bislang nicht
raumabsenkung und Drehzahlabsenkung) [54] relevanter Schadstoff berücksichtigt werden [55].
15.2 • Ottomotoren
783 15

..Abb. 15.50  Unterschiedliche Düsenlayouts von Injektoren, verwendet bei Ottomotoren mit Direkteinsprit-
zung

Für die kommenden Abgasgesetzgebungen Einschnürung des Kraftstoffsprays in Abhängigkeit des


EURO 5 und EURO 6 sind deshalb Grenzwerte für die Gegendrucks. Im Falle einer Kompressionshubeinsprit-
Partikelmasse sowie Partikelanzahl eingeführt worden zung liegen bei jedem veränderten Einspritztiming, also
beziehungsweise in Diskussion. Bereits ab der Stufe auch Druckniveau im Zylinder, andere Spraykegelwinkel
EURO 5 ist ein Grenzwert für die Partikelmasse von vor. So eignet sich diese Düse insbesondere nicht für die
4,5 mg/km beschlossen worden. Darüber hinaus ist strahlgeführte Direkteinspritzung mit Schichtbetrieb, da
ab EURO 6 auch eine Limitierung der Partikelanzahl bei diesem Verfahren die Reproduzierbarkeit des Sprays
im Gespräch; hier liegt der diskutierte Grenzwert bei direkt die Stabilität des Verfahrens beeinflusst. Im Ho-
6 × 1011/km. Nach aktuellem Entwicklungsstand ist mogenbetrieb, also der Saughubeinspritzung, ist dieses
die Partikelmasse beherrschbar, während die Parti- Verhalten nicht maßgeblich, so dass dieses Konzept im
kelanzahl-Limitierung alle Ottomotoren mit Direktein- Homogenbetrieb auch heute noch Anwendung findet,
spritzung vor große Probleme stellt. Die Beherrschung denn aus Kostensicht stellt diese Düse eine sehr inter-
des diskutierten Grenzwertes ist nur mit einem sehr essante Lösung dar.
großen Entwicklungsaufwand möglich. Dabei müssen Eine inzwischen deutlich häufiger diskutierte
vor allem Maßnahmen zur Rohemissionsminderung Düsenlayout-Variante ist die Mehrlochdüse. Diese
angewandt werden. Dieses sind Optimierungen an kann aufgrund ihres Sprayverhaltens sowohl für Di-
Einspritzsystem und Brennraumgeometrie sowie ap- rekteinspritzkonzepte mit seitlicher sowie zentraler
plikative Maßnahmen, wie der Zündzeitpunkt, das Ein- Injektorlage zum Einsatz kommen. Wie der Name be-
spritztiming, die Steuerzeiten, die Kraftstofftemperatur, reits vermuten lässt, zeigt die Mehrlochdüse, wie nicht
die Einlasstemperatur, und so weiter. nur ein Loch im Ventilsitz, wie die Dralldüse, sondern
Auch eine Anhebung des Einspritzdruckes kann mehrere. Die gebräuchlichsten Lochanzahlen liegen
eine Maßnahme zur Minderung der Partikelanzahl zwischen 5  und 8  Löchern. Allerdings kann diese
darstellen, auf den grundsätzlichen Einfluss dieser Zahl sowohl nach unten wie nach oben variieren. Die
Maßnahme wird weiter unten eingegangen, da dieser Mehrlochdüse ermöglicht sehr flexible Strahlformen,
Parameter einen maßgeblichen Einfluss an alle DISI- da die Anordnung und Anzahl der einzelnen Einspritz-
Konzepte hat. strahlen auf den Brennraum und die Anforderungen
des Brennverfahrens abgestimmt werden können. So
Einfluss des Einspritzsystems auf die können auch asymmetrische Spraykonturen realisiert
Direkteinspritzung – Layout und Druckniveau werden, um zum Beispiel eine Einlassventilbenetzung
Layout  Bis heute werden hauptsächlich drei grund- oder Zündkerzenbenetzung zu vermeiden.
sätzlich verschiedene Injektoren beziehungsweise Dü- Bauartbedingt hat die Mehrlochdüse allerdings ei-
senvarianten verwendet. Die . Abb.  15.50 zeigt die nen Nachteil, welcher über die Laufzeit eines solchen
Unterschiede im Spray-Bild dieser Düsenlayouts. Düsenlayouts immer wieder zu Problemen führen
Aufgrund ihrer Einfachheit fand die Dralldüse be- kann. Das in der Düse vorhandene Totvolumen führt
reits in den ersten Konzepten mit Direkteinspritzung nach einem Einspritzvorgang zu einem Abdampfen
und Schichtbetrieb ihren Einsatz. Der in der Düse be- des verbliebenen Kraftstoffs und fördert darüber die
findliche Drallerzeuger sorgt für eine Zerstäubung des Verkokung der Düsenspitze. Bei entsprechender Aus-
Kraftstoffs. Der Kraftstoff tritt axial in die Düse ein und legung der Düsenlochgeometrie und Applikation der
erfährt im Drallerzeuger eine tangentiale Ablenkung, Düse in den Zylinderkopf kann dieses negative Verhal-
wodurch die kinetische Energie der Kraftstofftropfen in ten allerdings weitestgehend beherrscht werden.
axialer Richtung abnimmt und die Eindringtiefe verrin- Die dritte in . Abb. 15.50 dargestellte Düse ist die
gert wird. Ein Nachteil dieser Düse ist die stattfindende nach außen öffnende Düse, welche einen ringförmigen
784 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

5
1

mittlere Verdampfungsrate
3
Verdampfungsrate in mg/°KW

Dralldüse
4
2 Mehrlochdüse

in mg/°KW
2 A-Düse 3
3
2 Dralldüse
Dralldüse
4 1 Mehrlochdüse
Mehrlochdüse
1
A-Düse
A-D
Düse
5
0 0

6 0 5 10 15
Winkel in °KW nach ESB
20 25 0 200 400 600
Einspritzdruck in bar
800 1000

7 ..Abb. 15.51  Verdampfungsrate für unterschiedliche


Einspritzdüsenkonzepte
..Abb. 15.52  Extrapolierte mittlere Verdampfungs-
rate einer Dralldüse und Mehrlochdüse in Abhängig-
keit des Einspritzdrucks zwischen 0 und 1000 bar im
8 Spalt freigibt, weshalb sie auch Ringspaltdüse genannt Vergleich zu einer A-Düse bis 200 bar
wird. Es tritt ein dünner Kraftstofffilm mit hoher Ge-
schwindigkeit aus diesem Spalt aus. Durch das spezi- Alle vorgenannten Düsen werden bis heute mit
9 fische Layout, also die Geometrie von Nadel und Ven- Einspritzdrücken von maximal 200 bar betrieben, al-
tilsitz, entsteht ein gleichmäßiges Hohlkegelspray, ohne lerdings lässt sich aufgrund verschiedener weiterfüh-
10 Vorspray und mit einer sehr hohen Zerstäubungsgüte,
repräsentiert durch Sauterdurchmesser kleiner 15 µm.
render Untersuchungen vermuten, dass eine Anhe-
bung des Einspritzdrucks, über die üblichen Werte von
Der Spraykegelwinkel bleibt sehr stabil, unabhän- 200 bar hinaus, zu sehr positiven Effekten hinsichtlich
11 gig vom Brennraumgegendruck, weshalb sich diese der Gemischbildung und schließlich des motorischen
Düsenbauform insbesondere für die Verwendung in Verhaltens führen wird.
strahlgeführten Brennverfahren eignet.
12 Infolge der bei dieser Düsenbauart sehr großen Einfluss einer Anhebung des Einspritzdrucks Wird
freigegebenen Fläche tritt eine große Menge Kraftstoff eine Anhebung des Einspritzdrucks diskutiert, so stellt
13 in kurzer Zeit aus, weshalb die Düse die mit Abstand sich die Frage, ob sich diese Maßnahme für jeden In-
beste Verdampfungsrate, also Kraftstoffmenge pro jektortyp gleichermaßen lohnt. Grundsätzlich erreicht
Zeiteinheit ausgedrückt über Grad Kurbelwinkel, er- die Verdampfungsrate einer A-Düse bereits sehr hohe
14 reicht, siehe . Abb. 15.51. Werte, siehe . Abb.  15.51, während für Drall- und
Im Vergleich zu Drall- und Mehrlochdüsen wird Mehrlochinjektoren durchaus eine Erhöhung der Ver-
15 eine zwei- bis dreimal höhere Verdampfungsrate er-
reicht. Der Antrieb einer solchen Düse kann elekt-
dampfungsrate erstrebenswert scheint. Dieses kann
erreicht werden, wenn der Einspritzdruck deutlich
romagnetisch oder durch einen Piezoaktuator erfol- gesteigert wird. Die . Abb. 15.52 zeigt genau diesen
16 gen. Eine piezoaktuierte Düsennadel hat den großen Umstand, nämlich das Verhalten der mittleren Ver-
Vorteil der hohen Ventilhub-Reproduzierbarkeit, was dampfungsrate in Abhängigkeit des Einspritzdrucks,
seinerseits zu einer hohen Reproduzierbarkeit der für die bereits vorstehend genannten Düsentypen.
17 eingespritzten Kraftstoffmenge (< 2 % Mengenab- Soll mit einer Drall- oder Mehrlochdüse das glei-
weichung) führt. Weiterhin lassen sich extrem kurze che Verdampfungsverhalten wie mit einer A-Düse bei
18 Schaltzeiten realisieren (< 0,2 ms), was sich insbeson- 200 bar erzielt werden, so muss der Einspritzdruck bis
dere für die Realisierung von Mehrfacheinspritzun- auf circa 800 bar gesteigert werden. Da es sich hier um
gen eignet. einen linearen Zusammenhang handelt, wird bei einer
19 Da die Düsenspitze ist aufgrund ihrer Bauform weiteren Erhöhung des Einspritzdrucks die Verdamp-
deutlich höheren Temperaturschwankungen ausgesetzt fungsrate weiter gesteigert.
20 ist, als die Düsenspitze von Drall- und Mehrlochinjek-
toren, reagiert die A-Düse wesentlich unkritischer auf
Auch wenn die Verdampfungsrate von nach außen
öffnenden Düsen bereits sehr hoch ist, so kann durch
Verkokungen. eine Drucksteigerung auch deren Verdampfungsrate wei-
15.2 • Ottomotoren
785 15

..Abb. 15.53  Druckkammerergebnisse einer Mehrlochdüse bei unterschiedlichen Einspritzdrücken unter kons-


tanten Kammerbedingungen – Konstante Einspritzmasse für alle Drücke

ter erhöht werden. Allerdings würde eine deutliche Erhö- um Ottomotoren mit Direkteinspritzung bei zentraler
hung des Einspritzdrucks bei einer A-Düse zu Problemen Injektorlage und sehr kleinen Bohrungen zu kombi-
beim Schließen und Zuhalten der Düse führen, da dieses nieren, was aufgrund des Risikos der Wandbenetzung
gegen den anliegenden Einspritzdruck erfolgen müsste. grundsätzlich kritisch gesehen wird.
Neben der Ratenerhöhung ist natürlich zu klären, Einen weiteren Hinweis zum positiven Einfluss
wie sich das Spray einer Mehrlochdüse bei unterschied- einer Drucksteigerung auf das Gemischbildungsver-
lichen Einspritzdrücken zwischen 200 und 1000 bar halten liefert die Betrachtung der mittleren Tropfen-
entwickelt. Dieses Verhalten zeigt das folgende größe in einem Kraftstoffspray bei unterschiedlichen
. Abb. 15.53. Zu sehen sind optische Aufnahmen des Einspritzdrücken in Abhängigkeit des Gegendrucks,
Kraftstoffsprays bei Injektion in eine Druckkammer siehe . Abb. 15.54; [56].
unter konstanten Randbedingungen für alle Einspritz- Aufgrund der abnehmenden Tropfengröße bei
drücke. Bei Injektion der gleichen Kraftstoffmasse ist einer Steigerung des Einspritzdrucks kann erwartet
die Einspritzung bei 1000 bar als erstes abgeschlossen. werden, dass sich ein positiver Effekt auf das generelle
Dieser Moment repräsentiert auch den Zeitpunkt der Gemischbildungsverhalten einstellen wird. Die kleine-
Aufnahmen für alle Düsentypen.
Durchschnittliche Tropfengröße in µ -meter

Anhand der Farben der Flächen dieser Schlieren- 14


Einspritzdruck 200bar
Aufnahmen ist der flüssige (schwarz) und dampfför- 13
Einspritzdruck 300bar
Einspritzdruck 500bar
mige (grau) Kraftstoffanteil bei jeder Einspritzung zu
12
unterscheiden. Deutlich ist der größere Anteil an be-
reits dampfförmig vorliegendem Kraftstoff bei 1000 bar 11
Einspritzdruck im Vergleich zu 200 bar zu erkennen. 10
Weiterhin zeigt sich eine deutlich größere erfasste Flä-
9
che (orange unterlegt) des dampfförmigen Kraftstoffan-
teils, was gleichbedeutend mit einer deutlich höheren 8

Lufterfassung und damit verbesserten Gemischaufbe- 7


reitung ist. Die Aufnahmen bestätigen weiterhin, dass 6
die Eindringtiefe des flüssigen Kraftstoffanteils bei einer 2 4 6 8 10 12 14 16 18
Kammerdruck in bar
Einspritzdruckerhöhung nicht vergrößert, sondern ver-
ringert wird, was insbesondere hinsichtlich einer Re- ..Abb. 15.54  Verhalten der Kraftstofftropfengröße
duktion der Wandbenetzung interessant ist. Damit kann über dem Gegendruck in der Einspritzkammer und für
die Einspritzdruckerhöhung eine Maßnahme darstellen, verschiedene Einspritzdrücke [56]
786 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

260
1 250
b i [g/k W h]

240

2 230
220
210 0.30
3 0.25

σpmi [bar ]
0.20
0.15
4 0.10
0.05
20 0.00
5
H Ci [g/k W h]

18
16

6
14
12
10 0.25

7 0.20

FSN [-]
0.15

8
0.10
0.05
30 0.00

9 26
C O [g/k W h]

22
18
10 14
10 15

11
NOxi [g/k W h]

13
11
9
12 7
5

13
200 400 600 800 1000
Einspritzdruck [bar]

..Abb. 15.55  Verhalten motorspezifischer Parameter bei Variation des Einspritzdruckes zwischen 200 und
14 1000 bar in einem Schichtbetriebspunkt pmi = 3 bar und n = 2000 min−1 [54]

15 ren Tropfen führen insgesamt zu einer Vergrößerung


der Oberfläche des eingespritzten Kraftstoffs und er-
zu den in . Abb.  15.53 gezeigten Druckkammerer-
gebnissen. Die bereits vorstehend erörterte verbesserte
lauben es damit, schneller Wärme aufzunehmen, was Gemischaufbereitung beziehungsweise Homogeni-
16 nachfolgend zu einer schnelleren Verdampfung des sierung bei einer Steigerung des Einspritzdrucks ist
Kraftstoffs führt. deutlich an einer 6-%igen Absenkung des Kraftstoff-
Welche Auswirkung eine Anhebung des Einspritz- verbrauchs erkennbar. Auch der deutliche Abfall aller
17 drucks schließlich auf den Motorbetrieb hat, ist exem- dargestellten Emissionen unterstreicht die verbesserte
plarisch für einen Betriebspunkt im Schichtbetrieb in Gemischaufbereitung und resultierend die effizientere
18 . Abb. 15.55 dargestellt. Verbrennung. Die zwischen 500 und 800 bar wieder an-
Für den Betriebspunkt pmi = 3 bar und steigenden CO-Emissionen lassen auf lokal überfettete
n = 2000 min−1 im Schichtbetrieb zeigt das Bild ver- Bereich schließen, was verschiedene Ursachen, wie zum
19 schiedene motorrelevante Kennwerte bei unterschied- Beispiel einer Wandbenetzung aufgrund nicht optimal
lichen Einspritzdrücken. Der Startpunkt der Einspritz- abgestimmten Düsenlayouts auf den Brennraum, ha-
20 druckvariation liegt bei 200 bar und endet bei 1000 bar,
dazwischen sind alle relevanten Parameter noch bei
ben kann. Da diese Werte jedoch unterhalb der Aus-
gangswerte bei 200 bar liegen, während der Vorteil im
Drücken von 500 und 800 bar dargestellt, äquivalent Kraftstoffverbrauch beziehungsweise der sehr große
15.2 • Ottomotoren
787 15

Vorteil einer nahezu 40-%igen Absenkung der NOx- Mehrfacheinspritzung bei geschichtetem Motorbe-
Emissionen vollständig erhalten bleibt, ist der deutli- trieb Um im gesamten Motorbetriebskennfeld die
che Vorteil einer Einspritzdruckerhöhung auch beim optimalen Einstellungen für die Kraftstoffzufuhr in
Ottomotor eine durchaus interessante Technologie für Bezug auf das Emissionsverhalten und die Stabilität des
die Zukunft. Aufgrund des deutlichen NOx-Vorteils, Brennverfahrens darstellen zu können, ist die Mehr-
welcher auf eine bessere Homogenisierung und weni- facheinspritzung insbesondere bei strahlgeführten
ger lokal ausgemagerte und überfettete Bereiche zurück Brennverfahren unverzichtbar. Sie ermöglicht die Dar-
zu führen ist, kann die Einspritzdruckanhebung auch stellung sehr kompakter Gemischwolken sowie breite-
ein zentraler Ansatz für zukünftige schichtbetriebene rer Übergangsbereiche von fettem Einspritzstrahl bis
Magerkonzepte sein. zur Umgebungsluft innerhalb des Zylinders. Zusätzlich
Der vorstehend aufgrund verbesserter Ge­ ist es möglich, den Bereich stöchiometrischen Luft-
mischaufbereitung herausgearbeitete Vorteil für den Kraftstoff-Verhältnisses stabiler an der Zündkerze zu
Schichtbetrieb kann generell auch auf den Homogen- halten und gleichzeitig zu vergrößern, was insbeson-
betrieb übertragen werden. Je homogener das Grund- dere für schichtbetriebene Brennverfahren von großer
gemisch, desto effizienter erfolgt die Umsetzung des Bedeutung ist. Verschärft wird die Anforderung an das
Kraftstoffs. Insbesondere für hoch aufgeladene Mo- Brennverfahren und damit die Einspritzstrategie bei
torkonzepte ist hier ein großer Vorteil vorhanden, einer Kombination von Schichtbetrieb und Aufladung,
denn je weniger zyklische Schwankungen aufgrund also einer Vergrößerung des Kennfeldes in Bezug auf
unzureichender Homogenisierung des Kraftstoff- die Motorlast und damit die Spreizungsfähigkeit der
Luft-Gemischs auftreten, desto geringer neigt die Kraftstoffzumessung. Die . Abb. 15.56 unterstreicht
Zylinderladung bei hohen Lasten zum Klopfen. den Vorteil der Mehrfacheinspritzung in Bezug auf
Folglich muss der Zündzeitpunkt zur Vermeidung Gemischbildung und Verbrennung im Schichtbetrieb.
des Klopfens weniger stark nach spät verstellt wer- Im linken Bereich des Bildes sind die Kraftstoff-
den, relativ zum wirkungsgradoptimalen Punkt, was tropfen und die Lambdaverteilung an der Zündkerze
seinerseits einen deutlichen Wirkungsgradvorteil mit bei unterschiedlichen Einspritzstrategien erkennbar.
sich bringt. Direkt daneben ist die Flammenausbreitung, repräsen-
Insofern stellt eine Erhöhung des Einspritzdrucks tiert durch die Temperaturentwicklung in Zündker-
auch für homogene, insbesondere hochaufgeladene zennähe, dargestellt. Die Analyse beider Bilderreihen
Motorkonzepte einen sehr interessanten Lösungsan- lässt für die Mehrfacheinspritzung einen klaren Vorteil
satz dar. gegenüber der Einfacheinspritzung erkennen. Bestätigt
Neben den deutlichen Vorteilen in Bezug auf die wird das Ergebnis dieser Bilder durch die Analyse des
Gemischaufbereitung birgt die Einspritzdruckanhe- Entflammungsverhalten, was im rechten unteren Teil
bung aufgrund der deutlich verkürzten Einspritzzeiten des Bildes dargestellt ist. Nicht nur, dass bei Mehrfach-
auch ein großes Potenzial hinsichtlich der Mehrfach- einspritzung eine schnellere Zündungseinleitung ge-
einspritzung, sowohl im Homogen- wie auch geschich- währleistet wird, zusätzlich vergrößert sich das Zünd-
teten Magerbetrieb. Das grundsätzliche Prinzip der fenster bei Mehrfacheinspritzung deutlich.
Mehrfacheinspritzung wird im kommenden Absatz
erläutert. Mehrfacheinspritzung bei homogenen Motorbe-
trieb Im Homogenbetrieb wird die Mehrfachein-
Betriebsarten von Ottomotoren mit spritzung vor allem bei Kombination mit Aufladung
Direkteinspritzung erfolgreich eingesetzt. So kann die Doppeleinspritzung
Unter dem Begriff Mehrfacheinspritzung wird die beispielsweise in der Form eingesetzt werden, dass
Aufteilung des Einspritzereignisses auf mehrere Zeit- eine Aufteilung der Kraftstoffmasse in ein homogenes
punkte verstanden. Dieses Verfahren kann zur Opti- Grundgemisch und einen geschichteten Anteil erfolgt
mierung verschiedener Motorbetriebszustände bei um die Klopfneigung an der Volllast zu reduzieren,
einem Ottomotor mit Direkteinspritzung verwendet siehe . Abb. 15.57.
werden, sowohl im Homogen- wie auch im Schicht- Das Bild zeigt das Verhalten des 50 % Kraftstoff-
betrieb. In jedem Fall soll es zur Verbesserung der umsatzzeitpunktes bei einer Variation des Einspritz-
Gemischbildung beziehungsweise des Motorlaufver- zeitpunktes der Zweiteinspritzung sowie der Auftei-
haltens beitragen, denn grundsätzlich stellt die im lungsmenge von erster und zweiter Einspritzung bei
Vergleich zu Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung Verwendung von Doppeleinspritzung im Volllastbe-
deutlich verkürzte Zeit zur Gemischaufbereitung bei trieb. Im Verlauf der Variation wurde die Last konstant
DISI-Konzepten eine große Herausforderung dar. gehalten und der Zündzeitpunkt an die Klopfgrenze
788 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

1
2
3
4
5
6
7
8
9 ..Abb. 15.56  Mehrfacheinspritzung im Schichtbetrieb bei 2000 min−1, pmi = 3,0 bar (Simulationsergebnisse) [57]

1. Injection 2. Injection
10
11 -360 TDCFiring 360
35
Anteil der Zweiteinspritzung an der Gesamtmenge in %

Einfacheinspritzung: 33 °KW
12 28.37 26.99 26.36 26.97 28.38
30

13 27.00
25

14 30.07 29.24 27.81 28.04 28.59


20
28.00
15 28.40

15 28.90

16
31.98 30.09 30.30 30.36 33.08
10
17 50% Umsatzpunkt / °KW nach OTHD
5
18 80 70 60 50 40 30 20 10 0
Zeitpunkt der zweiten Einspritzung / °KW vor OTHD

19 ..Abb. 15.57  Entwicklung des 50 % Krafstoffumsatzpunktes bei Variation der Aufteilung der Kraftstoffmasse in
einen homogenen und einen geschichteten Anteil sowie Variation des Einspritzzeitpunktes der geschichteten
Einspritzung bei konstanter Volllast (n = 1500 min−1, pme = 19,5 bar, Zündung immer an der Klopfgrenze)
20
15.2 • Ottomotoren
789 15

..Abb. 15.58  Einspritzstrategien beim Aufheizen von Abgaskatalysatoren [57]

nachgeführt. Eindeutig ist der positive Einfluss der Katalysatoraufheizung Während bei Ottomotoren
Doppeleinspritzung auf das Klopfverhalten erkennbar. mit Saugrohreinspritzung sehr häufig der Einsatz von
Während der 50 % Kraftstoffumsatzpunkt mit Einfach- zum Beispiel Sekundärluftpumpen zur Katalysatorauf-
einspritzung bei circa 33° KW nach OT liegt, kann die- heizung erfolgt, so liefern Ottomotoren mit Direktein-
ser Punkt bei der Anwendung der Doppeleinspritzung spritzung neue Freiheitsgrade in dieser Disziplin, ins-
unter der Maßgabe konstanter Last um circa 6° KW besondere durch Mehrfacheinspritzstrategien.
nach früh verstellt werden. Das nach Absetzen der Nach dem Absetzen einer ersten saugsynchronen
saugsynchronen Ersteinspritzung sehr magere Grund- Einspritzung ist ein relativ mageres Grundgemisch
gemisch neigt weniger stark zu Klopfereignissen und vorhanden, welches durchgängig erhalten bleibt und in
nach Absetzen der geschichteten Zweiteinspritzung Verbindung mit einer oder mehreren Einspritzungen
wird das Zeitfenster zwischen Ende der Einspritzung nahe dem Zündzeitpunkt, welche die sichere Zündung
und Einleitung der Zündung derartig verkürzt, dass und Entflammung gewährleisten, für eine Erhöhung
auch das vollständige Gemisch erst unter deutlich ver- der Abgastemperatur im Vergleich zu Einfacheinsprit-
schärften Bedingungen im Brennraum zum Klopfen zung sorgen, . Abb. 15.58. Diese führt schließlich zu
neigt. Wird der Anteil der geschichteten Einspritzung einem schnelleren Anspringen des Katalysators nach
über die dargestellten 30 % hinaus erhöht, so kann die einem Kaltstart.
Last nicht mehr konstant gehalten werden und die
HC- sowie CO-Emissionen nehmen aufgrund unvoll- Schichtstart  Der Motorstart eines DISI-Motors erfolgt
ständiger Gemischaufbereitung beziehungsweise Ver- bei den meisten der heute in Serie produzierten Moto-
brennung stark zu, so dass hier die Grenze der sinnvol- ren mit einem relativ geringen Druck im Kraftstoffrail,
len Nutzung der Doppeleinspritzung im homogenen der durch die elektrische Kraftstoffpumpe aufgebracht
Volllastbetrieb gegeben ist. wird. Zur Anhebung dieses Druckniveaus in der Kraft-
Eine weitere Möglichkeit stellt die zusätzliche stoffversorgung und der entsprechenden Gemischbil-
Einspritzung eines homogenen Kraftstoffanteiles im dungsgüte ist der Einsatz von Hochdruckspeichern im
Bereich des Ladungswechsels dar, um eine Verbesse- Kraftstoffsystem denkbar. Ein deutlich verbessertes
rung der Homogenisierung zu erreichen [58]. Dies Start- und Emissionsverhalten wird erwartet.
führt außerdem über eine Reduzierung der Verdich- Eine weitere Möglichkeit, das Startverhalten zu
tungsendtemperatur ebenfalls zu einer Reduzierung optimieren, bildet der sogenannte Direktstart: Nahezu
der Klopfneigung. ohne Unterstützung einer Starthilfe, wie zum Beispiel
790 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

Zündkerze, unabhängig vom Betriebspunkt, das heißt


1 Last, Drehzahl, Einspritzzeitpunkt, Zündzeitpunkt,
und so weiter. Zündfähiges Gemisch muss im Bereich
2 zwischen ungefähr Lambda = 0,7 und Lambda = 1,3
liegen. Innerhalb dieses Bereichs kann die Entflam-
mung und Ausbildung einer Flammenfront durch die
3 Zündung gewährleistet werden. Sollte die Gemisch-
qualität stärkeren zyklischen Schwankungen unterlie-
gen, so kann nicht für jeden Zyklus eine Entflammung
4 sicher gestellt werden, was zu einem schlechten Lauf-
verhalten des Motors mit einem Anstieg der Emissi-
5 onen und einer Zunahme des Kraftstoffverbrauchs
führt.
Ein erster Schritt die Entflammung trotz Inhomo-
6 genitäten beziehungsweise zyklischer Schwankungen
der Gemischqualität an der Zündkerze zu gewährleis-
7 ten, ist die Anhebung der Zündenergie der konven-
tionellen Zündanlage, von circa 40 mJ auf Werte um
80 bis 120 mJ. Ein ruhendes homogen stöchiometrisch
8 zusammengesetztes Kraftstoff-Luft-Gemisch benötigt
ungefähr 1 mJ Zündenergie, ein wiederrum ruhendes
..Abb. 15.59  Entwicklungswerkzeug [61] aber mageres oder fettes Gemisch circa 3 mJ [60]. In-
9 folge von Inhomogenitäten, Verdünnung durch rück-
einem Anlasser, ist mit einer genau abgestimmten Ein- geführtes Abgas sowie Übertragungs- und Wärme-
10 spritzung und Zündung, mit der ersten Umdrehung
des Kurbeltriebs der Motorstart zu realisieren [59].
verlusten an Zuleitungen und Elektroden steigt dieser
Bedarf deutlich an, hinzu kommt auch die bei nicht
Diese Funktionalitäten und das entsprechend verbes- ruhenden Gemischen erhöhte Gefahr von Zündfun-
11 serte Startverhalten bedingen jedoch den Einsatz von kenverwehungen. Einige dieser vorgenannten Punkte
Zusatzkomponenten wie zum Beispiel Druckspeicher werden bei der Direkteinspritzung deutlich verschärft,
und/oder Kurbelwinkelmarkengeber höherer Güte. so zum Beispiel die Auslenkung des Zündfunkens in-
12 folge des Strahlimpulses bei strahlgeführten Brenn-
Einfluss des Zündsystems auf die verfahren und später Kompressionshubeinspritzung,
13 Direkteinspritzung was zu einer deutlichen Erhöhung der Strömungsge-
Direkteinspritzende Ottomotoren stellen hohe An- schwindigkeit an der Zündkerze und speziell zwischen
forderungen an das Zündsystem, insbesondere im den Elektroden derselben führt. Alles zusammen ge-
14 Schichtbetrieb. Einerseits ist die Zündkerze zum nommen führt zu einer deutlichen Anhebung des
Beispiel bei der strahlgeführten Direkteinspritzung Zündspannungsbedarfs.
15 infolge von Kraftstoffbenetzung gegebenenfalls sehr
großen Temperaturfluktuationen beziehungsweise
Um eine sichere Entflammung auch unter den
verschärften Bedingungen der Direkteinspritzung
Thermoschockbelastungen ausgesetzt und neigt zum zu gewährleisten, wurden in der Vergangenheit im-
16 Aufbau von Ablagerungen, andererseits muss sie die mer wieder neue Zündsysteme auf ihre Tauglichkeit
der Direkteinspritzung typischen Gegebenheiten von hin überprüft, wie zum Beispiel Plasmazündsysteme,
Inhomogenitäten in der Nähe der Zündkerze kom- Laserzündsysteme, und so weiter, keines wusste bis-
17 pensieren und trotzdem eine sichere Entflammung her aber so zu überzeugen, dass es das hohe Nutzen-
gewährleisten. Kosten-Verhältnis der konventionellen Zündung er-
18 Grundsätzlich soll im Schichtbetrieb nur ein ört- reichte. Dennoch wird weiter intensiv an immer neuen
lich sehr begrenzter Bereich mit zündfähigem Luft- Systemen entwickelt, denn schließlich ließe sich ein
Kraftstoff-Gemisch, bei aufgrund der Schichtung glo- weiterer deutlicher Emissions- und Verbrauchsvorteil
19 bal magerem Gemisch, um die Zündkerze herum zur erschließen. So wäre es zum Beispiel ein großer Vorteil,
Verfügung stehen. Hier liegt einer der Schwerpunkte wenn die Zündgrenze ins magere ausgeweitet werden
20 bei der Entwicklung von Brennverfahren mit Direkt-
einspritzung, die Gewährleistung der Bereitstellung
könnte und damit zum Beispiel bei einer Schichtung
nicht mehr der möglichst stöchiometrische Kraftstoff-
zündfähigen Gemischs im Bereich der Elektroden der Luft-Kern um den Zündort herum generiert werden
15.2 • Ottomotoren
791 15
..Abb. 15.60 Übersicht
optischer Untersu-
chungsmethoden [61]

müsste, sondern deutlich überstöchiometrisch liegen besondere bei der Brennverfahrensoptimierung eine
könnte. Bei einer deutlich überstöchiometrischen Fülle von Variationen und Möglichkeiten gegenüber.
Gemischwolke könnte das NOx-Rohemissionsni- Um den experimentellen Umfang noch in einem ver-
veau deutlich abgesenkt werden, denn das NOx-Bil- tretbaren Rahmen zu halten, müssen zum Beispiel
dungspotenzial innerhalb der stöchiometrischen Ge- statistische Modelle und CFD-Berechnungen (Com-
mischwolke würde stark reduziert werden. Wäre hier putational Fluid Dynamics) diese Vielfalt eingrenzen,
ein wirklich großer Sprung möglich, könnte neben . Abb. 15.59.
dem Emissionsvorteil sowie der erhöhten Restgasver- Als Vorgehensweise zur Darstellung und Bewer-
träglichkeit auch ein weiterer Kraftstoffverbrauchsvor- tung der innermotorischen Vorgänge werden optische
teil erschlossen werden, denn damit wäre es möglich Untersuchungsmethoden verwendet.
den Magerbetrieb und/oder den Schichtbetrieb über So ist zum Beispiel die Doppler-Global-Velocimetry
seine bisherigen Grenzen hinaus auszuweiten. Alles in (DGV) in der Lage, die komplexen dreidimensionalen
allem würde ein weiterentwickeltes Zündsystem einen Vorgänge der Ladungsbewegung stationär und im ge-
deutlichen Schub für die Direkteinspritzung bedeuten. schleppten Motor zu visualisieren und mit geeigneten
Selbstverständlich würde eine solche Zündsystem Kennzahlen in relativ kurzer Zeit zu bewerten [62].
Weiterentwicklung nicht nur für den Schichtbetrieb Eine beispielhafte Übersicht weiterer optischer Unter-
von Vorteil sein, sondern auch den hoch aufgeladenen suchungsmethoden ist in . Abb. 15.60 aufgelistet.
homogen betriebenen DISI-Brennverfahren entgegen Die zeitnahe Verknüpfung dieser Methoden stellt
kommen. Denn auch diese benötigen zur Zündung der den Entwickler neben technischen Anforderungen
aufgrund der Aufladung hoch verdichteten Zylinderla- vor organisatorische Aufgaben. Daher werden bei
dungen hohe Zündspannungen, um eine schnelle und den Einzeluntersuchungen im Bereich der CFD- und
sichere Entflammung zu gewährleisten, damit dem optischen Methoden gezielt Werkzeuge eingesetzt,
Gemisch nicht zu viel Zeit für Vorreaktionen bleibt, die üblicherweise zeitintensive Untersuchung auf die
welche zum klopfenden Motorbetrieb führen könnten. wesentlichen Aussagen und einen deutlich kürzeren
Zeitraum beschränken. Die Ergebnisse aus diesen Un-
Entwicklungsprozess/-werkzeuge tersuchungen dienen zum großen Teil dem Abgleich
Entwicklunswerkzeuge  Zur Beantwortung der mit den CFD-Berechnungen.
komplexen Fragestellungen bei der Entwicklung Die im weiteren Entwicklungsprozess eingesetz-
von Konzepten mit Direkteinspritzung werden die ten Werkzeuge zur Abstimmung der Motorsteuerge-
notwendigen Werkzeuge für die jeweiligen Entwick- rätfunktionen sind ebenfalls zum Teil modellgestützt.
lungsschritte eingesetzt, welche sich von der Analyse Die momentenbasierte Funktionsstruktur der ECU
bekannter Brennverfahren und erster Simulationen erfordert zur effizienten Applikation zum Beispiel den
bis zur Darstellung eines Konzeptfahrzeuges erstre- Einsatz statistischer Versuchsplanung [63].
cken. Dem üblicherweise für die Entwicklung von Den meisten Modellierungen ist jedoch zum
Ottomotoren anberaumten kurzen Zeitraum steht bei Thema stochastisches Verhalten, wie zum Beispiel
der Entwicklung der Direkteinspritzung und hier ins- zyklische Schwankungen im Brennverlauf, nicht mit
792 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

der gewünschten Genauigkeit nachzukommen. Daher die Gestaltung der Spülkanäle beziehungsweise der
1 ist für die Prüfung der thermodynamischen Größen Einlassschlitze verhältnismäßig einfach eine Drall-
bei der Brennverfahrensentwicklung die Darstellung strömung im Zylinder generieren und gegebenenfalls
2 am Vollmotor erforderlich. Das tatsächlich darstell-
bare Kraftstoffverbrauchspotenzial des Ottomotors
durch Klappen vor den Spülschlitzen in Abhängigkeit
von Last und Drehzahl des Motors beeinflussen. Aus
mit Direkteinspritzung ist somit nur durch eine enge diesem Grunde lassen sich, verglichen mit den heute
3 Vernetzung der Entwicklung von Brennverfahren, Ab- überwiegend eingesetzten Viertakt-Dieselmotoren
gasnachbehandlung und Betriebsstrategie in Kombina- mit Direkteinspritzung, ähnliche Gemischbildungs-
tion mit umfangreichen Modellierungen umzusetzen bedingungen erzeugen und entsprechend vergleich-
4 [47, 48]. bare Brennverfahren einsetzen. In ▶ Abschn.  7.25
ist ein für den Einsatz im Pkw konzipierter gleich-
5 15.3 Zweitakt-Dieselmotor
stromgespülter Dreizylinder-Zweitakt-Dieselmotor
der Fa. AVL abgebildet (siehe hierzu auch [67]). Bei
Verwendung nockenbetätigter Einspritzpumpen (Ver-
6 Trotz einer gewissen Verbreitung von Zweitakt-Diesel- teilereinspritzpumpe, Pumpe-Düse) muss die gegen-
motoren in den 1950er und 1960er-Jahren als Antrieb über Viertaktmotoren verdoppelte Einspritzfrequenz
7 von kleinen Stationär- und Schleppermotoren (Lanz,
Hanomag, F&S, ILO, Stihl, O & K, Hirth) sowie als
bei der Auslegung der Pumpe und des Nockens be-
rücksichtigt werden. Insbesondere der Einsatz einer
Lkw-Antrieb (Krupp, Ford) (siehe hierzu auch [64] Common-Rail-Einspritzung bietet die Option, den
8 und [65]) hat der Zweitakt-Dieselmotor als Pkw- und Motor gegebenenfalls in bestimmten Kennfeldberei-
Lkw-Antrieb derzeit keine Bedeutung. Die Gründe chen (zum Beispiel bei hohen Drehzahlen) im Vier-
für die Bedeutungslosigkeit des Zweitaktmotors in taktbetrieb zu betreiben. Unabhängig vom gewählten
9 diesem Segment sind die gestiegenen Anforderun- Einspritzsystem ist bei der Gestaltung des Zylinder-
gen bezüglich Lebensdauer, Schmierölverbrauch und kopfes einer wirksamen Kühlung des Düsenhalters
10 Emissionen, die mit einfach aufgebauten Motoren
konventioneller Bauart (Kurbelkammerspülpumpe,
beziehungsweise der Einspritzdüse eine wesentliche
Beachtung zu schenken.
symmetrisches Steuerdiagramm, Beschränkung auf Bei Zweitaktmotoren mit Umkehrspülung (Kopf-
11 nur drei bewegte Teile) nicht im ausreichenden Maße umkehrspülung beziehungsweise kolbengesteuerte
erfüllt werden konnten. Weitere Gründe lagen im Umkehrspülung zum Beispiel nach Schnürle) bildet
begrenzten Entwicklungsstand von zur Kurbelkam- sich um den OT im Brennraum keine Drallströmung
12 merspülpumpe alternativen Spülgebläsen sowie kühl-, sondern eine mehr oder weniger ausgeprägte Tumble-
schmierungs- und werkstofftechnischen Problemen. strömung aus. Aus diesem Grunde wurden umkehrge-
13 Daneben verringerte sich wegen der zunehmenden spülte Zweitakt-Dieselmotoren für den Fahrzeugein-
Anwendung der Abgasturboaufladung bei Viertakt- satz in der Vergangenheit praktisch ausnahmslos mit
Dieselmotoren auch der Leistungsvorteil der Zweitakt- Kammerbrennverfahren (Vorkammer, Wirbelkam-
14 Dieselmotoren. Vorteile des Zweitakt-Dieselmotors mer) ausgerüstet. Bei kleinen Stationärmotoren mit
unter anderen hinsichtlich der Anregung von An- Umkehrspülung (F & S, ILO [64]) wurde demgegen-
15 triebsstrangschwingungen bei Motoren mit niedriger
Zylinderzahl, der Drehmomentcharakteristik, des Leis-
über eine Direkteinspritzung, teilweise mit radialer
Anordnung des Düsenhalters, verwirklicht. Moderne
tungsgewichts, des Kaltstartverhaltens, der Motorer- Direkteinspritzsysteme mit Einspritzdrücken bis zu
16 wärmung nach dem Kaltstart, der NOx-Rohemission 2000 bar und einer größeren Zahl von Spritzlöchern
und der Abgasnachbehandlungsbedingungen machen erfordern für eine gute Gemischbildung nur einen
den Zweitakt-Dieselmotor insbesondere für Ein- bis vergleichsweise geringen Drall der Verbrennungsluft,
17 Dreizylindermotoren für kleine verbrauchsarme Pkw so dass eine DI-Brennverfahrensentwicklung für um-
interessant und haben in den 1990er-Jahren zu ent- kehrgespülten Zweitakt-Dieselmotoren, unter Umstän-
18 sprechenden Entwicklungsprojekten unter anderen den bei Erzeugung einer gegebenenfalls leicht radial
der Firmen Toyota [66], AVL [67], Yamaha [68], und gerichteten Quetschströmung im OT, nicht von vorn-
Daihatsu [69] geführt. herein als aussichtslos erscheint.
19 Bei Zweitakt-Dieselmotoren wird die Wahl des . Abb.  15.61 zeigt exemplarisch für einen Die-
Brennverfahrens im starken Maße von der Festle- selmotor mit Umkehrspülung den Längs- und Quer-
20 gung auf ein bestimmtes Spülkonzept bestimmt. Bei
gleichstromgespülten Zweitakt-Dieselmotoren mit
schnitt durch einen Zweizylinder-Zweitakt-Dieselmo-
tor mit 1,0 l Hubraum von Yamaha [68], der für den
Einlassschlitzen und Auslassventilen lässt sich durch Einsatz in einem Kleinwagen konzipiert wurde. Der
15.4 • Zweitakt-Ottomotor
793 15

..Abb. 15.61  Längs- und Querschnitt des 1,0-Liter- Zweitaktdieselmotors von Yamaha [68]

Hub beträgt 93 mm, die Bohrung 82 mm. Die Nenn-


leistung ist mit 33 kW bei 4000 1/min angegeben. Das
maximale Drehmoment von 80 Nm wird bei 2500 1/
min erreicht. Der Motor mit einem Gesamtgewicht
von 95 kg wurde für den Einsatz in Dreiliterfahrzeugen
ausgelegt und sollte die Euro-4-Grenzwerte erfüllen.
Das Zylinderkurbelgehäuse aus einer Aluminiumle-
gierung und Ni-P-SiC-beschichteter Zylinderlaufbahn
ist pro Zylinder mit vier Überströmkanälen versehen,
über die das Frischgas aus der Kurbelkammer in den
Zylinder gelangt. Die Zylinderlaufbahn und die wälz-
gelagerten Kurbelwellen- beziehungsweise Pleuellager ..Abb. 15.62  Darstellung der Wirbelkammer des
werden über eine kennfeldgesteuerte Frischölschmie- 1,0-Liter-Zweitakt-Dieselmotors von Yamaha [68]
rung gezielt mit Schmieröl versorgt, so dass ein mini-
maler Schmierölverbrauch ermöglicht wird. Der Aus-
lassbereich des umkehrgespülten Zylinders ist mit zwei 15.4 Zweitakt-Ottomotor
übereinander angeordneten Auslassschlitzen versehen.
Der obere Auslasskanal kann zur Verbesserung der Im Gegensatz zum Zweitakt-Dieselmotor besitzt der
Drehmomentencharakteristik mittels Drosselklappe Zweitakt-Ottomotor als Pkw-Antrieb eine lange Tra-
verschlossen werden, wodurch das Verdichtungsver- dition. Insbesondere die positiven Erfahrungen bei
hältnis im Motorbetrieb im Bereich zwischen 13:1 der Entwicklung und Produktion von Zweitaktmotor-
und 18:1 variiert wird. Offenbar vor dem Hintergrund radmotoren bildeten in den 1920er-Jahren des letzten
der Schwierigkeiten bei der Erzeugung eines für DI- Jahrhunderts die Voraussetzung für die Markteinfüh-
Brennverfahren charakteristischen Brennraumdralls rung von Pkw mit Zweitakt-Ottomotoren durch die
wurde auf ein Kammerbrennverfahren zurückgegrif- Firmen DKW, Aero, Jawa und Ceskoslovensko Zbro-
fen. Bei diesem Brennverfahren (. Abb. 15.62) wird jovka. Der große Bedarf an erschwinglichen Fahr-
über vier tangential gerichtete Blaskanäle nach dem zeugen im Zuge der Massenmotorisierung nach dem
Einleiten der Verbrennung in der Kammer bei ge- Zweiten Weltkrieg bildete insbesondere in Deutschland
ringen Überschiebeverlusten im Zylinder eine ausge- den Hintergrund für die Entwicklung und Produktion
prägte Drallströmung erzeugt. Auf diese Weise lassen zahlreicher Pkw mit Zweitakt-Ottomotoren. Neben der
sich nach Angaben von Yamaha [68] eine vollständige Auto Union (DKW) wurden unter anderen Zweitakt-
Verbrennung bei niedrigen Verbräuchen und Emissi- Pkw von Lloyd, Goliath, Gutbrod und Glas produ-
onen erreichen. ziert, wobei der Marktanteil von Zweitakt-Pkw Ende
der 1950er-Jahre in Westdeutschland bei circa 20 %
794 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

lag. In Ostdeutschland wurde bis zur Einstellung der takt-Ottomotoren verringert sich bei konventionellen
1 Produktion Anfang der 1990er-Jahre mit den Marken Zweitaktmotoren mit Kurbelkammerspülpumpe zur
Wartburg und Trabant sogar ein maximaler Marktan- Teillast hin die Ladungswechselarbeit (siehe hierzu
2 teil von Zweitakt-Pkw von über 60 % erreicht. Vor dem
Hintergrund einer zunehmenden Sensibilisierung der
auch [76]). Dieses Prinzip der Lastregelung bedingt
allerdings in der Teillast wegen des „offenen“ Gaswech-
Kunden beziehungsweise der Öffentlichkeit bezüglich sels einen hohen Abgasanteil im Zylinder, da beim
3 der unmittelbar wahrnehmbaren Kohlenwasserstoff­ Ladungswechsel nur so viel Abgas aus dem Zylinder
emission (Blaurauch), dem unkultivierten Leerlauf, gedrängt wird, wie – vom Maß der Ansaugkanaldros-
Lebensdauerproblemen und verhältnismäßig hohen selung bestimmt – Frischgas in den Zylinder gelangt.
4 Volllastkraftstoffverbräuchen wurde 1966 bei der Ein hoher Abgasanteil im Zylinder senkt die NOx-
Auto Union (DKW) in Ingolstadt und 1968 bei Saab in Emissionen und verbessert wegen der Erhöhung des
5 Schweden die Produktion von Pkw-Zweitaktmotoren Temperaturniveaus in der Teillast die physikalischen
eingestellt. Praktisch zeitgleich mit der Einstellung der Aufbereitungsbedingungen für den Kraftstoff. Ande-
Produktion von Pkw mit Zweitaktmotoren bei Wart- rerseits führt der hohe Inertgasanteil in der Teillast und
6 burg und Sachsenring Anfang der 1990er-Jahre haben besonders im Leerlauf zu drastisch verschlechterten
Veröffentlichungen beziehungsweise Präsentationen Entflammungsbedingungen. Ein hoher Restgasanteil,
7 unter anderen der Firmen Orbital [70, 71], AVL [72],
Subaru, [73] Toyota, GM und Ficht (siehe hierzu auch
in Verbindung mit einem hohen Verdichtungsend-
druck in der Teillast, begründet dabei die Forderung
[74] und [75]) das Interesse an Zweitakt-Ottomotoren nach dem Einsatz einer Zündanlage mit hoher Zünd-
8 erneut geweckt. Gemäß diesen Publikationen bestand energie. Gelingt es unter diesen Bedingungen nicht,
die Perspektive vor allem darin, durch Verbesserun- durch den Spülvorgang im Bereich der Zündkerze ein
gen bei der Gemischbildung (Direkteinspritzung), entflammungsfähiges Gemisch zu positionieren, so
9 aber auch durch den Einsatz alternativer Spülverfah- kommt es zu Entflammungsaussetzern. Beim darauf
ren, die spezifischen Nachteile traditioneller Pkw- folgenden Spülvorgang wird weiteres Luft-Kraftstoff-
10 Zweitaktantriebe zu überwinden und emissions- und
verbrauchsgünstige Antriebe insbesondere für kleine
Gemisch in den Zylinder gespült, wodurch sich die
Entflammungsbedingungen verbessern. Kommt es im
Pkw zu schaffen. Anschluss an einen oder mehrere Spülvorgänge dann
11 Wesentliches Merkmal des Zweitaktverfahrens ist zu einer Entflammung, ist die anschließende Verbren-
es, dass im Gegensatz zum Viertaktverfahren pro Um- nung als Folge der Vorreaktionen im Gemisch wäh-
drehung ein vollständiger Arbeitszyklus abläuft, wobei rend der vorangegangenen Verdichtungszyklen durch
12 das Entfernen der verbrannten Ladung und das Ein- hohe Energieumsatzraten, Druckgradienten und Spit-
führen des Frischgases (Spülvorgang) in den Zylinder zendrücke gekennzeichnet. Dieses Betriebsverhalten
13 zeitgleich in Kurbelwinkelbereichen um den unteren mischungsgespülter Zweitakt-Ottomotoren führt zu
Totpunkt (UT) erfolgt. Da das Gasvolumen über die einem unkultivierten Laufverhalten in der Teillast
geöffneten Auslassorgane mit der Atmosphäre kom- und besonders im Leerlauf. Weiterhin hat die Ausspü-
14 muniziert, beginnt der Verdichtungsvorgang nach dem lung unverbrannter Gemischanteile einen Anstieg des
Schließen der Ein- und Auslassorgane, abgesehen von Kraftstoffverbrauchs und hohe Kohlenwasserstoffe-
15 gasdynamischen Einflüssen und Auf- beziehungsweise
Nachladeeffekten – selbst bei Ansaugluftdrosselung in
missionen zur Folge. Durch den Einfluss der speziell
bei Zweitaktmotoren mit Kurbelkammerspülpumpe
der Teillast –, grundsätzlich bei einem Zylinderdruck, ausgeprägten Gasschwingungen im Ansaugsystem
16 der in etwa dem Atmosphärendruck entspricht. Hier- ändern sich mit der Drehzahl nicht nur die Füllung
durch ergeben sich im Gegensatz zum drosselgeregel- des Zylinders, sondern insbesondere bei äußerer Ge-
ten Viertakt-Ottomotor auch in der Teillast vergleichs- mischbildung (Vergaser) auch die Gemischzusammen-
17 weise hohe Verdichtungsenddrücke. setzung. Hierdurch ergeben sich neben dem Restgas-
Wie im ▶ Abschn. 10.3 dargestellt, stehen für den gehalt weitere Einflüsse auf die Entflammung, das
18 Ladungswechsel von Zweitaktmotoren verschiedene, Laufverhalten und die Emission. Bei Steigerung der
mit jeweiligen Vor- und Nachteilen behaftete Spülver- Last führt der steigende Frischgasanteil im Zylinder zu
fahren zur Verfügung. Wegen der einfachen und kom- einem gleichförmigeren Motorlauf. Erfahrungsgemäß
19 pakten Bauart und der Forderung nach vergleichsweise werden mit mischungsgespülten Zweitaktmotoren
hohen Nenndrehzahlen wurden Zweitakt-Ottomoto- bei mittlerer Teillast und mittleren Drehzahlen ver-
20 ren für den Pkw-Einsatz bisher praktisch ausnahmslos
mit Umkehrspülung und Kurbelkammerspülpumpe
gleichsweise günstige Kraftstoffverbräuche erzielt. Bei
Annäherung an die Volllast führt die steigende in den
ausgebildet. Im Gegensatz zu drosselgeregelten Vier- Zylinder gespülte Gemischmenge je nach Spülkonzept
15.4 • Zweitakt-Ottomotor
795 15

und gasdynamischer Auslegung des Ansaug- und Aus- lage/Frischluftvorlage) [77, 78] bei kleinen Stationär-
puffsystems zu einem mehr oder weniger ausgeprägten motoren, die Einführung von Oxidationskatalysatoren
Anstieg der Frischgasverluste und damit zu einem An- in Verbindung mit einer Optimierung der Umkehr-
stieg von Verbrauch und HC-Emissionen. spülung und einer „mageren“ Gemischabstimmung bei
Voraussetzung für die Einhaltung der strengen Mofas und Rollern, der Einsatz von Sekundärluftsyste-
aktuellen und zukünftigen Abgasschadstoffgrenzwerte men bei kleinen Zweirädern und die Serieneinführung
bei Pkw-Viertakt-Ottomotoren ist nach derzeitigem der elektronischen Direkteinspritzung [79, 80] bei
Stand der Technik zumindest in Teilkennfeldbereichen Außenbordmotoren und Zweirädern [79]. Vor allem
die Oxidation unverbrannter Kohlenwasserstoffe (HC) die strengen Schadstoffgrenzwerte auf den wichtigs-
und Kohlenmonoxid (CO) sowie die gleichzeitige Re- ten Märkten für Pkw sowie die hohen Komfort- und
duktion von Stickoxiden (NOx) im Dreiwegekatalysa- Lebensdauerforderungen, die wie in [81] dargestellt,
tor bei stöchiometrischem Luft-Kraftstoff-Verhältnis zumindest teilweise auch bei neueren Konzepten
(λ = 1-Regelung). Grundsätzliche Bedingung für eine nicht in ausreichendem Maße erfüllt werden, stellen
Funktion des Dreiwegekatalysators bei Zweitakt- gravierende Hürden für den Einsatz von Zweitakt-Ot-
Ottomotoren ist es, dass das unverbrannte Gemisch, tomotoren als Pkw-Antrieb dar. Für die erfolgreiche
welches beim Ladungswechsel den Zylinder verlässt, Markteinführung von Zweitakt-Ottomotoren als Au-
das gleiche (stöchiometrische) Luftverhältnis wie die tomobilantrieb seien dementsprechend im Folgenden
Frischladung aufweist. Dieser Zustand lässt sich bei die wichtigsten als zielführend anzusehenden Konzept­
Zweitakt-Ottomotoren mit äußerer Gemischbildung ansätze beziehungsweise die daran gekoppelten Ent-
im Grundsatz verwirklichen. Allerdings führen die
beschriebenen Entflammungsaussetzer in der Teillast
und die damit verbundene ausgeprägte zeitliche Verän-
derlichkeit der Abgaszusammensetzung zu regelungs-
-
wicklungsaufgaben angeführt (siehe hierzu auch [82]):
Einsatz beziehungsweise Optimierung von Spül-
verfahren welche, bei minimalen Frischgasver-
lusten auch in der Teillast an der Zündkerze ein
technischen Schwierigkeiten bei der Einhaltung eines
engen λ-„Fensters“.
Bei innerer Gemischbildung (Direkteinspritzung)
wird der Zylinder mit Luft gespült. Je nach Güte des
- sicher entflammbares Gemisch liefern.
Übergang von der äußeren Gemischbildung
(Vergaser/Saugrohreinspritzung) auf Direkt-
einspritzsysteme, welche, in den kurzen zur
Spülverfahrens, Mitteldruck (Last) und der gegebenen- Gemischbildung zur Verfügung stehenden
falls zur Zylinderkühlung durchgespülten Luftmenge Zeiträumen eine gute Gemischaufbereitung und
müsste für einen Betrieb bei λ = 1 der direkt in den die Positionierung eines sicher entflammbaren
Auspuff gespülte Sauerstoff durch „Anfettung“ des Gemisches an der Zündkerze auch in niedrigen
im Zylinder verbliebenen Gemisches (Erhöhung der Teillastbetriebspunkten gewährleistet. Luftun-
Einspritzmenge) kompensiert werden. Ein durch die terstütze Direkteinspritzsysteme ermöglichen in
„Anfettung“ des Gemisches im Zylinder verursachter den kurzen, für die Gemischbildung verfügbaren
Anstieg von oxidierbaren Abgasbestandteilen (HC, Zeiträumen eine gute Gemischaufbereitung,
CO) ist allerdings in Hinblick auf den Kraftstoffver- müssen jedoch noch im Hinblick auf die hohen
brauch, die thermische Belastung des Katalysators und Systemkosten und die hohe Leistungsaufnahme
das durch die Konvertierungsraten des Katalysators be-
grenzte Maß der Schadstoffreduzierung, unerwünscht.
Im Gegensatz zum Einsatz im Pkw haben vor al-
lem das niedrige Gewicht, der geringe Raumbedarf,
- optimiert werden.
Einsatz beziehungsweise Optimierung von Zünd-
einrichtungen beziehungsweise Zündverfahren,
die langzeitstabil im praktischen Fahrzeugbetrieb
die mechanische Robustheit und der wartungsarme auch schwer entflammbare Gemische in der
Betrieb von Zweitakt-Ottomotoren deren dominie-
rende Stellung bei Außenborder-, Jetski-, Snowmo-
bilmotoren und Antrieben für kleine Zweiräder und
Arbeitsgeräte zumindest teilweise gesichert. Die auch
- Teillast sicher entflammen.
Entwicklung beziehungsweise Einsatz von
Spül- beziehungsweise Aufladegebläsen, die bei
minimaler Leistungsaufnahme eine weitgehend
in diesen Marktsegmenten ansteigenden technischen freie Wahl des Zylinderspül- beziehungsweise
und umweltpolitischen Anforderungen haben zur Aufladegrades im gesamten Kennfeld des Motors
Entwicklung und Markteinführung zahlreicher tech- ermöglichen. Dabei bieten elektrisch unter-
nischer Verbesserungen geführt, mit denen die Kraft- stützte Turbolader gegebenenfalls mit variabler
stoffverbräuche und/oder die Schadstoffemissionen Turbinengeometrie die Option, einen Teil der
zum Teil drastisch reduziert werden konnten. Hierzu ansonsten ungenutzten Abgasenergie zu nutzen
zählen unter anderen die Spülvorlage (Frischgasvor- und gleichzeitig wegen des Rückstaus der Abgase
796 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

vor der Turbine die Nachteile von symmetrischen


1 Steuerdiagrammen (Umkehrspülung) zu kom-

2 - pensieren.
Der Verzicht auf die Kurbelkammer als Spül-
pumpe bietet die Möglichkeit zum Einsatz be-
züglich Akustik, Lebensdauer und Kosten güns-
3 tigen gleitgelagerten Kurbelwellen und einer
wirksamen Kühlung der thermisch hochbelaste-
ten, gegebenenfalls mit Kühlkanal zu versehenen
4 Kolben mittels Druckumlaufschmierung und
Ölspritzdüsen. Die Zylinder-Kolbenlaufpaarung
5 sowie die Kolbenringbestückung sind konse-
quent auf einen minimalen Schmierölbedarf
beziehungsweise eine maximale Ölabstreifwir-
6 kung der Kolbenringe sowie eine ausreichende
mechanische und thermische Standfestigkeit
7 dieser Triebwerkskomponenten hin zu opti-

8 - mieren.
Basierend auf dem technologischen Wis-
sen bezüglich der Abgasnachbehandlung bei
DI-Viertaktottomotoren sind Abgasnachbe-
..Abb. 15.63  Schnittdarstellung des 1,2-Liter-Dreizy-
linder-Zweitaktmotors der Firma Orbital [82]
handlungssysteme an die Anforderungen von
9 Zweitakt-Ottomotoren anzupassen, um auch indonesischen Pkw der Marke Maleo beziehungsweise
ohne einen Betrieb des Motors bei stöchiomet- Texmako vorgesehen.
10 rischem Luft-Kraftstoff-Verhältnis die strengen Das wassergekühlte Zylinderkurbelgehäuse aus ei-

11 - zukünftigen Schadstoffgrenzwerte zu erfüllen.


Ein interessanter Ansatz stellt der, im Grundsatz
auch für Dieselmotoren denkbare, kombinierte
Zweitakt- und Viertaktbetrieb bei Fahrzeug-
ner Aluminiumlegierung besitzt pro Zylinder mehrere
Überströmkanäle und ist in der Kurbelwellenmittel­
ebene geteilt. Die geschmiedete Kurbelwelle ist einteilig
ausgebildet und an den Zapfen für Haupt- und Pleuel-
Ottomotoren dar. Entsprechend den Ergebnissen lager mit geteilten Rollenlagern versehen. Bei aufwärts
12 von bei Ricardo durchgeführten Grundlagenun- gehendem Kolben wird über das Saugrohr Ansaugluft
tersuchungen [83, 84] lässt ein Zweitaktbetrieb in die jeweilige Kurbelkammer gesogen. Vor der Kur-
13 (Spülkonzept-Kopfumkehrspülung) in Kennfeld- belkammer angeordnete Lamellenventile (Reedvalves)
punkten hoher Last und niedriger Motordreh- verhindern während des Verdichtungsvorgangs in der
zahlen ein mit erheblichen Kraftstoffverbrauchs­ Kurbelkammer eine Rückströmung von Gas in den
14 einsparungen verbundenes weitreichendes Ansaugtrakt. Die Kurbelwellenlager und die Zylinder
Downsizing zu. Entwicklungsschwerpunkte werden über eine elektronisch gesteuerte Schmieröl-
15 liegen bei diesen Konzepten insbesondere in der
Verwirklichung serienfähiger Aufladekonzepte,
pumpe mit Frischöl versorgt. Das Kraftstoff-Öl-Mi-
schungsverhältnis liegt dabei üblicherweise zwischen
Spülkonzepte, Betriebsartwechselstrategien und 1:50 und 1:200. Um über dem gesamten Drehzahlbe-
16 Ventilsteuerzeit-Umschaltkonzepte. reich ein hohes Drehmoment zu erzielen, ist in den
Auspuffkanälen im Bereich der Auspuffschlitze eine
In . Abb.  15.63 ist exemplarisch die Ansicht eines Steuerwalze angeordnet, mit der die Auslasssteuerzeit
17 umkehrgespülten Dreizylinder-Zweitaktmotors der verändert werden kann. Die Steuerwalze wird über
Firma Orbital dargestellt. Der Motor hat einen Hub einen Gleichstrommotor verstellt. Besonderes Kenn-
18 von 72 mm und eine Bohrung von 84 mm. Die Nenn- zeichen des Motors ist die luftunterstützte Benzindi-
leistung ist mit 58 kW bei 4500 1/min angegeben. Das rekteinspritzung (siehe hierzu auch [80, 85]). Haupt­
maximale Drehmoment von 130 Nm wird bei 3500 1/ element dieses Einspritzsystems ist ein im Zylinderkopf
19 min erreicht. Das Gesamtgewicht des Motors beträgt angeordnetes elektromagnetisch gesteuertes Ventil
85 kg. Gemäß den in [80] gemachten Aussagen wer- zur Einspritzung einer Luft-Kraftstoff-„Emulsion“ in
20 den im Anschluss an einen 80.000 km-Dauerlauf mit
ausreichendem Sicherheitsabstand die Euro-3-Grenz-
den Brennraum. Der flüssige Kraftstoff wird dabei
exakt bemessen mittels eines Einspritzventils einer
werte eingehalten. Der Motor war für den Einsatz im konventionellen Saugrohreinspritzanlage in eine Ge-
Literatur
797 15

mischkammer eingespritzt. Durch Einspritzen von in [12] Armbruster, F.-J.: Einfluss der Kammergeometrie auf den
Energiehaushalt und die Prozesssimulation bei Kammer-
einem Hubkolbenverdichter verdichteter Luft in diese
dieselmotoren. Fortschrittberichte VDI, Reihe 12: Verkehrs-
Kammer bildet sich eine Luft-Kraftstoff-„Emulsion“,
technik/Fahrzeugtechnik, Bd. 149. VDI Verlag, Düsseldorf
die fein zerstäubt in den Brennraum geblasen wird. Ge- (1991)
mäß [80] wird dabei ein mittlerer Sauterdurchmesser [13] Fortnagel, M., Moser, P., Pütz, W.: Die neuen Vierventilmo-
(SDM) von weniger als 8 µm erreicht. Hierdurch wird toren von Mercedes-Benz. MTZ 54(9), 392–405 (1993)
beispielsweise bei 3000 U/min und Beendigung des [14] Sun, D.: Untersuchung der Strömungsverhältnisse in einer
Einspritzvorgangs im Bereich von 25 bis 30° KW vor Dieselmotor-Wirbelkammer mit Hilfe der Laser-Doppler-
OT im geschichteten Luft-Kraftstoff-Gemisch eine gute Anemometrie, Dissertation. Universität Stuttgart (1993)
Gemischqualität erreicht, die bei Teillast eine Abmage- [15] List, H., Cartellieri, W.P.: Dieseltechnik – Grundlagen, Stand
rung des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses bis zu 100:1 bei der Technik und Ausblick. Sept. MTZ Sonderausgabe
„10 Jahre TDI-Motor von Audi“. (1999)
stabiler Verbrennung zulässt.
[16] Spindler, S.: Beitrag zur Realisierung schadstoffoptimierter
Brennverfahren an schnelllaufenden Hochleistungsdiesel-
Literatur
motoren. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 6: Energieerzeu-
gung, Bd. 274. VDI Verlag, Düsseldorf (1992)
Verwendete Literatur [17] Dietrich, W. R.: Die Gemischbildung bei Gas- und Diesel-
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1988, Wolfsburg. VDI Berichte, Bd. 714. VDI Verlag, Düssel- chen. Bd. 1. VDI, (2004)
dorf (1988)
798 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

[27] Kahrstedt, J., Buschman, G., Predelli, O., Kirsten, K.: Ho- [44] Eichlseder, H., Hübner, W., Rubbert, S., Sallmann, M.: Beur-
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Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 12, Bd. 566. (2004) ren von Volkswagen. 22. Internationales Wiener Motoren-
[28] Kahrstedt, J., Manns, J., Sommer, A., Berlin, I.A.V.: Brennver- symposium, 26./27.04.2001. (2001)
3 fahrensseitige Ansatzpunkte für Pkw-Dieselmotoren zur [46] Dahle, U., Brandt, S., Velji, A.: Abgasnachbehandlungskon-
Erfüllung künftiger EU- und US-Abgasstandarts. 10. Inter- zepte für magerbetriebene Ottomotoren. In: Spicher, U.
nationales Stuttgarter Symposium. (2010) (Hrsg.) Direkteinspritzung im Ottomotor. expert Verlag.
4 [29] Tomoda, T., et al.: Verbesserung der Dieselverbrennung (1998)
bei ultra-niedriger Verdichtung. 19. Aachener Kolloquium, [47] Abthoff, K., Bargende, Kemmler, Kühn, Bubeck: Thermody-

5 4.–6. Oktober 2010. (2010)
[30] Haas, S.-F.: Experimentelle und theoretische Untersuchung
namische Analyse eines DI-Ottomotors. 17. Internationales
Wiener Motorensymposium. (1996)
homogener und teilhomogener Dieselbrennverfahren, [48] Zhang, H., Bayerle, K., Haft, G., Klawatsch, D., Entzmann, G.,

6 Dissertation. Universität Stuttgart (2007)


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Lenz, H.P.: Doppeleinspritzung am Otto-DI-Motor: Anwen-
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pfad von Verbrennungsmotoren unter Verwendung des nales Wiener Motorensymposium, 26./27.04.2001, (2001)
7 Zylinderdrucksignals einer Druckmessglühkerze. 9. Inter-
nationales Symposium für Verbrennungsdiagnostik, AVL,
[49] Fröhlich, K., Borgmann, K., Liebl, J.: Potenziale zukünftiger
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Liedl, G., Piock, W.F., Jetzinger, M., Kapus, P.: Laserzündung.
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Antriebskonzept-Anforderungen und Lösungsansätze. nationales Symposium für Verbrennungsdiagnostik, AVL,
Vortrag beim 10. Internationalen Wiener Motorensympo- 8./9. Juni 2010. (2010)
sium, 27.–28. April 1989. Fortschritt-Berichte VDI Reihe 12, [89] Hammer, J., et al.: Künftige Anforderungen und Systemlö-
Bd. 122. VDI-Verlag, Düsseldorf (1989) sungen für die Kraftstoffzumessung bei modernen Otto-
[73] N. N.: Neuer Subaru-Zweitaktmotor im Versuch. In: MTZ 52 motoren. TAE. 9. Symposium Ottomotorentechnik, 2. und
(1991) 1, S. 15 3. Dezember 2010. (2010)
[74] Appel, H. (Hrsg.): Der Zweitaktmotor im Kraftfahrzeug, [90] Pritze, S., et al.: GM’s HCCI – Erfahrungen mit einem zukünf-
Abgasemission, Kraftstoffverbrauch, neue Konzepte. Ta- tigen Verbrennungssystem im Fahrzeugeinsatz. 31. Inter-
gungsband gemeinschaftliches Kolloquium, Uni Berlin, nationales Wiener Motorensymposium, 29.–30. April 2010.
28. Februar 1990. (1990) (2010)
[75] N. N.: Fahrzeugmotoren im Vergleich: Tagung Dresden [91] Schaupp, U., et al.: Benzin-Direkteinspritzung der 2. Gene-
3.–4.  Juni  1993, VDI Gesellschaft Fahrzeugtechnik, VDI- ration: Kombination von Schicht- und homogenem Brenn-
Berichte 1066. VDI-Verlag, Düsseldorf: (1993) verfahren. 10. Internationales Stuttgarter Symposium, 16.
[76] Groth, K., Haasler, J.: Gaswechselarbeit und Ladungsend- und 17. März 2010. (2010)
zustand eines Zweitakt- und eines Viertaktottomotors bei [92] Dobes, T., et al.: Maßnahmen zum Erreichen künftiger
Teillast. ATZ 62(2), 51–53 (1962) Grenzwerte für Partikelanzahl beim direkteinspritzenden
[77] Mugele, M.: Numerische Analyse eines Spülvorlagenkon- Ottomotor. 32. Internationales Wiener Motorensympo-
zeptes zur Emissionsreduzierung bei kleinvolumigen Zwei- sium, 5. und 6. Mai 2011. (2011)
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sequenter Weg mit Zukunftspotenzialen. 32. Internationa-
les Wiener Motorensymposium, 5. und 6. Mai 2011. (2011)
800 Kapitel 15 • Verbrennungsverfahren

[94] Lückert, P., et al.: Potenziale strahlgeführter Brennverfahren


1 in Verbindung mit Downsizingkonzepten. 32. Internationa-
les Wiener Motorensymposium, 5. und 6. Mai 2011. (2011)
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3 Warrendale, PA, SAE (1999). ISBN 0768003237
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nes Publishing, Sparkford, UK (2005). ISBN 1844250458
4 [98] Kirchberger, R., et al.: Können umkehrgespülte Zweitakt-
motoren für Freizeitanwendungen die zukünftigen Emis-

5 sionsgrenzwerte erfüllen? 31. Internationales Wiener Mo-


torensymposium, 29.–30. April 2010. (2010)

6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
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17
18
19
20
801 16

Elektronik und Mechanik


für Motor- und
Getriebesteuerung
1.1 Ipsum Quia Dolor Sit Amet  –  16
Dr. rer. Nat.-Phys. Thomas Riepl,
1.1.1 Minima Veniam – 16 Dipl.-Ing. Karl Smirra,
Dr.-Ing. Andreas Plach, Prof. Dr. rer. Nat.-Phys. Matthias Wieczorek,
1.2 Ut Perspiciatis Unde Omnis Iste Natus Error  –  21
Dipl.-Ing. Gerwin Höreth, Dipl.-Ing. Rainer Riecke,
1.2.1 Minima Veniam – 21
Dipl.-Ing. Alexander Sedlmeier, Dipl.-Ing. Martin Götzenberger,
Dipl.-Ing. Gerhard Wirrer, Dipl.-Ing. Thomas Vogt,
Dipl.-Ing. Alfred Brandl, Dipl.-Ing. Martin Jehle,
Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer

16.1 Umweltanforderungen – 803
16.1.1 Einbauklassen – 803
16.1.2 Thermisches Management – 804

16.2 Standalone-Produkte – 807
16.3 Verbindungstechnik – 809
16.4 Getriebesteuergeräte – 810
16.4.1 Systembeschreibung – 811
16.4.2 Getriebesteuergerätetypen – 812
16.4.3 Anwendungsbeispiele für „Mechatronische
Transmission Modules“ – 815
16.4.4 Entscheidungskriterien für die Auswahl des
„richtigen“ Steuergeräte-Typen – 817

16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente  –  817


16.5.1 Grundstruktur – 817
16.5.2 Elektronische Bauelemente – 818

16.6 Steuergeräteelektronik – 825
16.6.1 Allgemeine Beschreibung – 825
16.6.2 Signalaufbereitung – 826

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_16
16.6.3 Signalauswertung – 828
16.6.4 Signalausgabe – 828
16.6.5 Spannungsversorgung – 830
16.6.6 Schnittstellen – 830
16.6.7 Elektronik für Getriebesteuergeräte  –  831

16.7 Software-Strukturen – 835
16.7.1 Aufgabe der Software bei der Steuerung von Motoren  –  835
16.7.2 Anforderungen an die Software  –  837
16.7.3 Das Architekturkonzept der Software  –  837
16.7.4 Der Software-Entwicklungsprozess – 839

16.8 Die Steuerung des Verbrennungsmotors  –  839


16.8.1 Fahrerwunsch und Fahrerassistenzsyssteme  –  839
16.8.2 Antriebsstrangmanagement – 839
16.8.3 Drehmomentbasierte Funktionsstruktur der Motorsteuerung  –  839
16.8.4 Modellbasierte Funktionen am Beispiel des
Saugrohrfüllungsmodells – 841

16.9 Funktionen – 844
16.9.1 l-Regelung – 844
16.9.2 Antiruckelfunktion – 846
16.9.3 Drosselklappenregelung – 848
16.9.4 Klopfregelung – 849
16.9.5 „On-Board“-Diagnose (OBD) – 851
16.9.6 Sicherheitskonzepte – 854

16.10 Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen  –  857


16.11 Motor- und Getriebesteuergeräte
im 48-Volt-Bordnetz – 860
16.11.1 Architektur-Anpassungen – 860
16.11.2 Normungsaktivitäten – 860

Literatur – 860
16.1 • Umweltanforderungen
803 16
16.1 Umweltanforderungen 16.1.1 Einbauklassen

Die Umweltanforderungen an Motor- und Getriebe- Die Umweltbedingungen ergeben sich in erster Linie
steuerungen werden hauptsächlich durch folgende durch den Anbauort (. Abb. 16.1) im Pkw und werden

--
Parameter bestimmt:
Temperatur,
--
in die folgenden Einbauklassen eingeteilt:
Fahrgastraum oder Elektronikbox (E-Box),

- Vibration,
Schutz gegen Medien (Gase, Flüssigkeiten druck-
los, unter Druck, Feststoffe …). -- Motorraum (Chassisanbau),
Aggregateanbau,
Integration ins Aggregat.

Für die thermische Auslegung der Steuerungen ist Die Definition der verschiedenen Klassen (. Abb. 16.2),
aufgrund der steigenden Funktion und damit Verlust- ermöglicht es, zugeordnete Gehäusekonzepte zu ent-
leistung immer stärker auch die Eigenerwärmung zu wickeln und somit durch Standardisierung projektspe-
berücksichtigen. Schlussendlich muss die Tauglichkeit zifische Entwicklungsaufwendungen zu reduzieren.
jedes Designs für die definierten Umweltanforderun- Standardisierung ermöglicht auch eine Vereinfachung
gen nachgewiesen werden. der Fertigungsstrukturen und unterstützt eine globale
Hierzu werden von Beginn der Entwicklung an Fertigungsstrategie.
Simulationen mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode Für die Auswahl des Anbauortes gibt es die unter-
(FEM) eingesetzt und abschließend wird eine Um-
welterprobung zum Nachweis der Tauglichkeit durch-
-
schiedlichsten Argumente wie:
Kosteneinsparung beim Kabelbaum (Motorraum,
geführt.

- Motor- und Getriebeanbau),


EMV-Verbesserung durch verkürzten Kabelbaum

- (Motorraum, Motor- und Getriebeanbau),


Verbau im Innenraum, Konzentration der Steuer-

- geräte (E-Box),
Motortest inkl. Steuergerät vor dem Verbau (Mo-
toranbau),

Integration ins Aggregat


(z. B. Einbau ins Getriebe)
Aggregateanbau (z. B. am Motor,
am Getriebe, am Luftfilter)
Motorraum

Elektronikbox

Fahrgastraum

..Abb. 16.1 Einbau-
räume
Fahrgastraum Motorraum Aggregateanbau Integration im
/Elektronikbox (z.B. am Motor, Aggregat
am Getriebe) (z.B. Getriebe)

Temperatur -40°C … 85°C -40°C … 105°C -40°C … 125°C -40°C … 150°C

Vibration Bis 5g Rauschen Bis 5g Rauschen Motor: Bis zu 35g Sinus


Bis zu 25g Sinus und Rauschen
und Rauschen

Getriebe:
Bis zu 35g Sinus
und Rauschen
Dichtheit Staubdicht Staubdicht, Staubdicht, Getriebeöldicht
..Abb. 16.2 Einbau-
Strahlwasserdicht Strahlwasserdicht
klassen
804 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

Moderne Antriebsstrangarchitektur
1 Vergleich: Standalone vs. Mechatronische Lösung

Standalone Steuergerät Mechatronisches Getriebemodul (MTM)

2 Sensoren/Aktuatoren
Sensoren/Aktuatoren

Interner Kabelbaum
3
4 Stecker Stecker
Getriebe Kabelbaum Getriebe

5 Getriebe-TCU

Fahrzeugkabelbaum
Stecker
TCU
6 Stecker

Fahrzeugkabelbaum

7
Fahrzeugsignale Fahrzeugsignale

8
-
..Abb. 16.3  Antriebsstrang: Darstellung von Standalone- und integrierten Produkten

Integrationsmöglichkeiten (Systemansatz) zum Pkw verbaut werden. Im Gegensatz dazu werden Inte-
9 Beispiel: Ansaugmodul (motornaher Anbau, grierte Produkte mit einer anderen Funktionseinheit
integrierte Getriebesteuerung). (zum Beispiel Getriebe) kombiniert. Diese beiden
10 Generell kann man seit einiger Zeit einen Trend bei
Konzepte werden in den nachstehenden Kapiteln de-
tailliert beschrieben. In . Abb. 16.3 wird am Beispiel
der Auswahl des Anbauortes weg vom Passagierraum einer Getriebesteuerung der Unterschied dieser beiden
11 hin zum motornahen beziehungsweise getriebenahen Konzepte verdeutlicht.
Anbau erkennen.
Bei den Einbauorten herrschen in der Regel die
12 in . Abb. 16.2 dargestellten Umweltbedingungen vor. 16.1.2 Thermisches Management
Die Umweltbedingungen werden mit zunehmen-
13 der Nähe zum Motor oder Getriebe für die Gehäuse In der Vergangenheit hatten die Gehäuse die haupt-
immer härter, was sich in der Konzeptionierung des sächliche Aufgabe, die innen liegende Elektronik vor
Gerätes niederschlägt (Auswahl der Materialien, der den Umweltbedingungen, wie Wasser, Staub und me-
14 Fertigungsprinzipien, Funktionsweisen …). chanischen Einwirkungen zu schützen. Bedingt durch
Bei Steuergeräten wird zwischen „Standalone-Pro- erhöhten Schaltungsumfang und zunehmende elek-
15 dukten“ und „Integrierten Produkten“ unterschieden.
Unter Standalone-Produkten versteht man Motor- und
trische Leistungsfähigkeit sowie erhöhte Umgebungs-
temperaturen gewinnt das thermische Management
Getriebesteuerungen, die als eigenständige Einheit im zunehmend an Bedeutung. So sind die thermischen
16
17
18
19
20
..Abb. 16.4  Maximaltemperaturen für verschiedene Einbauorte im Pkw
16.1 • Umweltanforderungen
805 16
..Abb. 16.5 Tempera- 25%
turverteilung im Betrieb
über Lebensdauer
20%

Häufigkeit (%)
15%

10%

5%

0%
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Temperatur am Einbauort (°C)

Rahmenbedingungen heute zu einem entscheidenden dabei typischerweise um 30 bis 40 °C unter den Maxi-
Faktor für die Konzeptauswahl geworden. maltemperaturen. Mit Hilfe üblicher Lebensdauerfor-
. Abb. 16.4 gibt einen Überblick der Maximaltem- meln (Arrhenius-Gesetz) und Beschleunigungsfaktoren
peraturen, die an verschiedenen Einbauorten im Pkw beträgt die Lebensdauer auf Basis des Temperaturprofils
auftreten. Während Elektronik in der Vergangenheit in etwa das Zehnfache der Lebensdauer unter Annahme
häufig im Fahrgastraum verbaut oder mittels einer E-Box eines permanenten Betriebs bei Maximaltemperatur.
thermisch geschützt wurde, verlagert sich der Einbau zu- Neben der Umgebungstemperatur muss wegen der
nehmend in den Motorraum. Dadurch überschreiten die steigenden Zunahme der Verlustleistung immer mehr
Umgebungstemperaturen inzwischen häufig die früher auch die Eigenerwärmung des Gerätes berücksich-
übliche Grenze von 85 °C. Auch innerhalb des Motor- tigt werden. Die Verlustleistung wird getrieben durch
raums werden die moderaten Zonen zunehmend durch Maßnahmen zur Kraftstoffeinsparung und Emissions-
andere Elektroniken besetzt, sodass Motor- und Getrie- kontrolle wie Direkteinspritzung oder variabler Ven-
besteuerungen vermehrt am oder im Aggregat verbaut tiltrieb. Lag die Verlustleistung in der Vergangenheit
werden. Im Inneren von Getrieben treten dabei Tempera- bei circa 15 W, so sind bei aktuellen Motorsteuerungen
turen bis zu 150 °C auf. Für Motorsteuerungen vermeidet 40 W und mehr an die Umgebungsluft abzuführen.
man Anbauorte in unmittelbarer Nähe zum Abgasstrang . Abb. 16.6 zeigt die Basiskonstruktion zur Ent-
und erreicht so eine Begrenzung der Maximaltemperatu- wärmung moderner Steuergeräte sowie ein vereinfach-
ren auf 125 °C. Diese Temperaturen treten überwiegend tes thermisches Widerstandsmodell.
in der Nachheizphase, dem sogenannten „hot soak“ auf. Während die Leiterplatte zur Optimierung der
Dabei wird das Fahrzeug mit maximal erwärmtem Mo- Packungsdichte grundsätzlich beidseitig bestückt ist,
tor an einem windgeschützten Ort abgestellt. Auf diese
Thermisches Pad TBE
Weise entfällt die Kühlung durch den Fahrtwind und die PBE
gesamte, in Motor und Kühlsystem gespeicherte Wärme- Thermisches Interface
menge heizt den Motorraum auf. Rth int
Die Maximaltemperaturen bestimmen den Bereich,
in dem die Funktionsfähigkeit der Motorsteuerung ge- TWärmesenke
währleistet sein muss. Bezüglich der Zuverlässigkeit PSG
über der Lebensdauer würde eine alleinige Betrach-
tung der Maximaltemperatur zu unerwünschten, weil Rth ext
Kosten treibenden Reserven führen. Zielführender ist
es, hierfür die Verteilung der Umgebungstemperaturen TUmgebung
Wärmesenke Kühlrippe
über Lebensdauer, das sogenannte thermische Last-
profil, heranzuziehen. . Abb. 16.5 zeigt ein derartiges ..Abb. 16.6  Thermisches Management – vereinfach-
Temperaturprofil. Der Schwerpunkt der Verteilung liegt tes Widerstandsmodell
806 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

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..Abb. 16.7  Virtuelle Validierung mittels Simulation – Analyse unterschiedlicher Lastzustände
7
werden Bauelemente mit hoher Verlustleistung nur convection) und typische Gehäusegrößen liegt er bei
8 einseitig bestückt und auf einer sogenannten ther- circa 1 K/W und nimmt dann mit zunehmender Luft-
mischen Bank platziert. Im Bereich der thermischen geschwindigkeit stark ab.
Bank ist die Leiterplatte über ein thermisches Inter- Während der Entwicklung eines Steuergerätes
9 face (Wärmeleitfolie oder -paste) mit der Wärmesenke wird die thermische Situation in regelmäßigen Ab-
verbunden. Das thermische Interface hat die Aufgabe ständen überprüft, um die Auslegung der Kühlrip-
10 elektrisch zu isolieren und gleichzeitig einen guten
thermischen Kontakt zu gewährleisten. Zur Verbes-
pen und der Schaltungsträger zu optimieren. Hierzu
werden zunächst thermische Simulationen eingesetzt.
serung des Wärmedurchgangs durch die Leiterplatte . Abb. 16.7 zeigt das Ergebnis einer solchen virtuel-
11 werden sogenannte thermische Via eingesetzt: Durch- len Validierung: Bei gleicher Umgebungstemperatur
kontaktierungen ohne elektrische Funktion, die auf- und Luftanströmung (hier: 90 °C und 0,5 m/s) stellt
grund ihres Kupferanteils den effektiven vertikalen die Drehzahl 4000/min den kritischsten Lastfall dar.
12 Wärmeleitwert der Leiterplatte erhöhen. Die Kombi- Die Temperaturen liegen um 20 bis 30 °C über dem
nation des Lötpads mit einer optimierten Anordnung Niveau bei Leerlaufdrehzahl. Dennoch bleiben auch
13 thermischer Via nennt man thermisches Pad. im kritischsten Lastfall die Komponenten unter 150 °C,
Die Wärmesenke wird üblicherweise aus Alumi- und die elektrische Funktion ist gewährleistet. Die Er-
nium-Druckguss gefertigt und gibt die Wärme über- gebnisse aus den anderen Lastfällen werden gewichtet
14 wiegend über Konvektion an die Umgebungsluft ab. und gehen in Lebensdauer-Betrachtungen ein.
Zur Verbesserung des Wärmeübergangs ist sie mit Durch den Einsatz von Simulationen ist es mög-
15 Kühlrippen versehen, welche hauptsächlich im Bereich
der thermischen Bänke platziert sind.
lich, die Thermik eines Steuergerätes zu überprüfen,
noch bevor erste Hardware vorliegt. Darüber hinaus
Vereinfacht kann der thermische Pfad folgender- können Designs in sehr kurzen Schleifen optimiert
16 maßen dargestellt werden: Das Bauelement gibt seine werden – ohne die üblichen, durch Musterbau verur-
Verlustleistung PBE über den internen thermischen sachten Wartezeiten. Zusätzlich ist es möglich, Effekte
Widerstand Rth int an die Wärmesenke ab. Die Wär- zu analysieren, welche mit üblichen Messmitteln nicht

--
17 mesenke leitet die Gesamtverlustleistung des Gerätes oder nur schwer zugänglich sind, zum Beispiel:
PSG über den externen thermischen Widerstand Rth ext Temperaturverteilung im geschlossenen Gerät,
18
19
an die Umgebungsluft weiter. Es gilt:

TBE = TUmgebung + PSG  Rth ext + PBE  Rth int : - lokale Erwärmung im Inneren der ICs,
transiente Zustände (kurze Verlustleistungs-
peaks).

Rth int liegt je nach Größe der Komponente typi- Thermische Simulationen stimmen inzwischen exzel-
20 scherweise zwischen 3 und 15 K/W. Rth ext hängt stark
von der Gehäusegröße und der Anströmgeschwindig-
lent mit Messergebnissen überein. Dennoch ist deren
Qualität sehr stark von der Qualität der Eingangsgrö-
keit der Luft ab. Für ruhende Umgebungsluft (natural ßen abhängig wie
16.2 • Standalone-Produkte
807 16

-- Verlustleistung der Bauelemente,


Annahmen zu Umgebungstemperatur und An-

- strömgeschwindigkeit,
Abweichungen realer Bauelemente und Steuerge-
rätedesigns vom Nenn-Design.

Deshalb wird im Laufe der Entwicklung eines Steuer-


gerätes die Simulation durch Messungen ergänzt bezie-
hungsweise ersetzt. Die abschließende Validierung er-
folgt ausschließlich anhand real aufgebauter Hardware.
..Abb. 16.8  Beispiel eines Gehäuses für den Einsatz
im Fahrgastraum
16.2 Standalone-Produkte
In den . Abb. 16.8 ff. werden die einzelnen Ge-
Die Kernfunktionen eines Gehäuses für Kfz-Elektronik häusetypen jeweils an einem Beispiel dargestellt und

-
sind:
Schutz der Elektronik vor Umwelteinflüssen
erläutert.
Bei dem Gehäuse in . Abb.  16.8 handelt es sich

- (Staub, Wasser, aggressive Flüssigkeiten),


Schutz der Elektronik vor mechanischen Belas-
tungen (Vibration, mechanischer Schock) sowie
um den inzwischen klassischen Vertreter eines Einbaus
unter gemäßigten Randbedingungen. Das thermische
Konzept besteht aus einer Leiterplatte mit einem spezi-

-- Stabilisierung des Aufbaus,


elektrische Schnittstelle zum Kabelstrang,
ellen Lagenaufbau, der die Weiterleitung der Abwärme
der elektrischen Bauteile zu den metallischen Gehäuse-

- thermische Schnittstelle zur Umgebung,


mechanische Schnittstelle zum Fahrzeug.

In zahlreichen Applikationen dient das Gehäuse zu-


teilen übernimmt. Um den Weg des Wärmetransportes
so gering wie möglich zu halten, sind die Leistungshalb-
leiter in der Regel am Rand der Leiterplatte platziert.
In . Abb.  16.9 werden der Gehäuse für Motor-
sätzlich als Schnittstelle für den Luftdruck, um so die raumeinbau dargestellt. Diese erfüllen die Randbedin-
Messung des Umgebungsdrucks durch einen innen gungen, wie sie von der Mehrzahl der Kunden heute
liegenden Sensor zu ermöglichen. Hierfür wird ein so- gefordert werden. Gezeigt sind drei Vertreter, welche
genanntes Druckausgleichselement eingesetzt, welches die Bandbreite darstellen von der Basis-Funktionalität
im Wesentlichen aus einer semipermeablen Membran über Standardgröße bis hin zu Sonderausführung für
besteht. harte Umgebungsbedingungen in Kombination mit
Die Gehäuse müssen vielfältige Befestigungsmög- senkrechtem Steckerabgang. Dabei variiert die Anzahl
lichkeiten (Einschub, Schrauben, Klemmen) bieten der Steckerpins um den Faktor  2 und die eingesetzte
und den Vibrationsbedingungen genügen. Auch hier Leiterplattenfläche beziehungsweise Bauelementezahl
wird die Entwicklung durch Festigkeitsberechnungen um den Faktor 5. Ebenso wird eine große Bandbreite an
unterstützt, mit dem Ziel der Gewichtsoptimierung Verlustleistung und Vibrationsanforderungen abgedeckt.
(Dimensionierung der Teile gemäß der Spannungs- Neben einer Skalierung von Länge und Breite ermöglicht
verteilung unter den unterschiedlichen Lastfällen). So der modulare Aufbau eine Adaption an verschiedene Be-
kann dem Trend zur Leichtbauweise im Automobilbau festigungsmöglichkeiten bis hin zum integrierten Anbau
Rechnung getragen werden. am Luftsaugtrakt (. Abb.  16.10). Die Variabilität des

..Abb. 16.9 Gehäusevarianten für den Motorraum. a Basis-Funktionalität, b Mainstream mit skalierbarer Länge,


c senkrechter Steckerabgang mit Flüsskeitskühlung und Vibrationsdämpfer
808 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

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-
..Abb. 16.10  Anpassung an den Einbauraum über Variation des Druckgussteils

8 Konzeptes wird überwiegend durch Anpassung der Wär- stärkere Differenzierung der Pinzahlen im Port-
mesenke erreicht, welche als Aluminium-Druckgussteil folio.
ausgeführt ist. Trotz der Vielzahl der kundenspezifischen
9 Gestaltungsmöglichkeiten ist der technische Aufbau und Während um 2000 noch 121 Steckerpins für eine Motor-
damit zusammenhängend der Fertigungsprozess nahezu steuerung ausreichten, wurde 2003 der aktuelle VDA-
10 unverändert.
Mit Möglichkeit, unterschiedliche Stiftleisten ein-
Stecker mit 154 Pins eingeführt. Derzeit sind Stiftleisten
mit bis zu 196 Pins als Standard verfügbar. Darüber hin-
zusetzen, erlaubt dieser Gehäusetyp die Anpassung für ausgehende Anforderungen werden über modulare De-
11 variable Funktionalität (entspricht der Anzahl und Art signs realisiert. Gleichzeitig gibt es zunehmende Nach-
der Steckerpins) und unterschiedliche Kabelbaumphi- frage nach Motorsteuerungen mit Basis-Funktionalität,
losophie (Anzahl der Steckmodule) (. Abb. 16.11). die mit circa 100 Steckerpins auskommen.
12 Bedingt durch verschärfte Abgasnormen und die Im Zuge der Bestrebungen, Fahrzeuggewicht und
Bestrebungen zur Kraftstoffeinsparung werden immer Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, gewinnt die Ge-
13 mehr Sensoren und Stellglieder an die Motorsteuerun- wichtsoptimierung der Wärmesenke zunehmend an

---
gen angeschlossen. Bedeutung. Hierfür gibt es folgende Möglichkeiten:

14
15
-- Dies führt zu folgenden Trends:
Zunahme der benötigten Pins,
zusätzliche hochstromfähige Pins,
Minimierung des Materialeinsatzes für Kühlrippen,
Reduktion der Wandstärke,
Einsatz alternativer Werkstoffe, zum Beispiel
Magnesium-Druckguss.

Eine vielversprechende Umsetzung dieses Gedankens ist


16 in . Abb. 16.12 dargestellt. Das neuartige Gehäusekon-
zept vereint die thermische Leistungsfähigkeit und das
Dichtkonzept des Baukastens für den Motorraum von
17 . Abb. 16.9 mit dem Gewichtsvorteil des älteren Kon-
zeptes für den Fahrgastraum (. Abb. 16.8). Es ist geeig-
18 net für den Einbau im Motorraum und bietet bereits bei
Basisfunktionalität einen Gewichtsvorteil von circa 100 g.
Das Gehäuse in . Abb. 16.13 ist eine Anpassung
19 der Standardkonstruktion für den motornahen Bereich
am Luftfilter oder Saugmodul. Hervorzuheben ist die
20 Widerstandsfähigkeit gegen Vibrationen auch als Lei-
terplattengerät. Diese wird erreicht, indem die Lei-
..Abb. 16.11  Modularität der Stiftleiste terplatte durch zusätzliche Schraubpunkte stabilisiert
16.3 • Verbindungstechnik
809 16

..Abb. 16.13  Beispiel eines Gehäuses für den Luftfil-


teranbau
..Abb. 16.12  Neuartiges Gehäusekonzept zur Ge-
wichtsreduktion bei gleichbleibend hoher Robustheit
nachteil der Standardtechnologie wird dabei durch
wird. Das Druckgussteil ist direkt dem Luftstrom im doppelseitige Bestückung sowie die bessere Anpas-
Luftfilter ausgesetzt. Damit wird ein leistungsstarkes sungsfähigkeit an die durch den Einbau vorgegebene
thermisches Management bewirkt. Außenkontur weitestgehend kompensiert. Durch den
Der Anbauort am Motor, . Abb. 16.14, stellt die Einsatz von hochtemperaturfähigen Leiterplatten, der
größte Herausforderung an Werkstoffe, Aufbau- und Pressfit-Technologie, sowie eines resonanzarmen De-
Fertigungskonzept dar. Bislang unterschieden sich die signs wurde ausreichende Robustheit für diesen Ein-
Lösungen (. Abb. 16.14 a) grundlegend von den vor- satzort erreicht.
genannten Prinzipien. Als Substrat wurden keramische
Werkstoffe benötigt, als elektrische Bauteile kommen
bei den ICs Bare Die in Betracht. Das Invest in der 16.3 Verbindungstechnik
Fertigung für diese Geräte ist beträchtlich.
Die Vorteile für den Kunden bei diesem Konzept sind Die Stiftleiste, oder auch der „Stecker“, ist das Ergeb-
in der möglichen Miniaturisierung und den Integrations- nis umfangreicher Abstimmungsarbeit mit den Kun-
möglichkeiten am Motor oder im Antriebsstrang (inte- den und den Zulieferern. In diesem Teil verbergen
grierte Getriebesteuerungen, smart actuator) zu sehen. sich Themen wie Motormanagement, Systemansatz
In den letzten Jahren wurde diese aufwändige Lö- des Kunden (Aufteilung in Motor und Chassis: Ka-
sung weitestgehend durch Geräte auf Leiterplattenbasis belbaumarchitektur), Kontaktsystem (Querschnitte,
(. Abb. 16.14 b) ersetzt. Der grundsätzliche Größen- Oberflächen), Dichtkonzepte (Einzelader- oder Sam-

..Abb. 16.14  Motorsteuerungen für den Motoranbau. a Keramiktechnologie mit ungehäusten ICs,


b Leiterplatten­technologie mit SMT-Bauelementen
810 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

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8 ..Abb. 16.15  Unterschiedliche Getriebetypen werden individuell mit unterschiedlichen Aufbaukonzepten und
Varianten der Getriebesteuergeräte bedient

9 meldichtung), Steckkräfte, Montagerichtung, Verrie- bessere Kontrolle der Fertigungsqualität ermöglicht,


gelungsstrategie, Diebstahlsicherung, Vibrationsfestig- wird sie zunehmend auch für Standard-Anforderun-
10 keit, Biegesteifigkeit, Montageverfahren (Schwalllöten,
Reflowlöten, Bonden) und Werkstoffauswahl und
gen eingesetzt.

-kombination, um die wichtigsten zu nennen.


11 Das Ergebnis ist dann ein Teil, das hauptsächlich 16.4 Getriebesteuergeräte

--
durch folgende Kriterien definiert wird:
Dichtheit, Der weltweite Anteil an Automatikgetrieben nimmt bei

--
12 Anzahl der Pins, Pkw Jahr für Jahr zu. Gleichzeitig steigen die Vielfalt
Anzahl der Module (Kammern), der Automatikgetriebearten und deren Varianten. Im
13 Abgangsrichtung des Steckers (senkrecht oder Wesentlichen gibt es neben konventionellen Stufenau-
parallel zur Leiterplatte). tomaten auch CVT-Getriebe (CVT = Continuous Va-
riable Transmission) und DCT-Getriebe (DCT = Dou-
14 Da die Entwicklungsaufwendungen beträchtlich sind, ble Clutch Transmission, Doppelkupplungsgetriebe)
gibt es heute in Arbeitskreisen der Automobilhersteller mit unterschiedlicher Gangzahl und in unterschied-
15 Bestrebungen, in Zusammenarbeit mit Zulieferern von
Steuergeräten und Steckerlieferanten Vereinheitlichun-
lichster Form und Technik.
Die Notwendigkeit, stetig an weiteren Maßnah-
gen bei den Anforderungsklassen und den Ausführun- men zur Kraftstoffeinsparung zu arbeiten, führt zu-
16 gen zu erzielen. dem in den verschiedenen Getriebearten zu einem
Die elektrische Verbindung zwischen Steckerleiste anhaltenden Trend zur Elektrifizierung. Dabei ist bei
und Leiterplatte im Inneren der Motorsteuerungen verschiedenen OEMs (OEM  =  Original Equipment
17 wurde traditionell mittels Löttechnik realisiert. Hier Manufacturer) und Getriebeherstellern der Grad der
gibt es mit der „press fit“-Technologie eine vielver- Elektrifizierung unterschiedlich stark ausgeprägt – bei-
18 sprechende Neuerung. Dabei werden die Messerleis- spielweise sind für die Schaltaktuatorik sowohl elektro-
tenstifte mit flexiblen Einpresszonen versehen, welche hydraulische als auch reine elektromotorische Lösun-
in eng tolerierte Bohrungen der Leiterplatte verpresst gen üblich. Dadurch erreichen die Getriebehersteller
19 werden. Es entsteht eine außerordentlich robuste, er- mit dem jeweiligen Getriebekonzept ein Leistungs-
müdungsfreie Verbindung. Bisher wird diese Technik und Funktionsoptimum für ihre Kunden. Dies erhöht
20 vor allem für Motor- und Getriebesteuerungen mit ho-
hen Umgebungsanfordungen (Temperatur, Vibration)
allerdings auch die Diversität der technischen Ansätze
der am Markt befindlichen Getriebe zusätzlich.
eingesetzt. Da die „Press-fit“-Technik zusätzlich eine
16.4 • Getriebesteuergeräte
811 16

..Abb. 16.16  Unterteilung der verschiedenen Getriebesteuergerät-Typen gemäß ihrer Einbausituation bezie-


hungsweise des Funktionsumfanges

Der Vielfalt an Getriebekonzepten müssen die Her- Integrierte Getriebesteuergeräte und Aktuator-Anbau-
steller von Getriebesteuergeräten (TCUs = Transmission Steuergeräte heute häufig unter der Bezeichnung Mecha-
Control Units) durch individuelle Lösungen gerecht wer- tronisches Getriebemodul (MTM = Mechatronic Trans-
den (. Abb. 16.15). Die Bezeichnungen der Getriebe- mission Module) zusammen gefasst. In . Abb. 16.16 sind
steuergerätegehäuse orientieren sich – in Anlehnung an zu den Einbausituationen und dem Funktionsumfang
die in ▶ Abschn. 16.1.1 dargestellten Einbauklassen – im Beispiele von Getriebesteuergeräten dargestellt.
Wesentlichen an der Einbausituation des Steuergeräts.
Steuergeräte im Motorraum oder im Passagierinnen-
raum, die nicht unmittelbar mit dem Getriebe in Kontakt 16.4.1 Systembeschreibung
stehen, heißen Wegbausteuergeräte (Standalone-TCU).
Steuergeräte, die von außen an der Getriebeglocke be- Für Automatikgetriebe besteht das elektrische Ge-
festigt werden, nennt man Anbausteuergeräte (Attached samtsystem nicht nur aus der eigentlichen elektrischen
to-TCU). Im Innenraum der Getriebeglocke befindliche Steuereinheit (ECU = Electronic Control Unit), sondern
Steuergeräte werden als integrierte Getriebesteuergeräte in den meisten Fällen aus zusätzlichen Komponenten.
bezeichnet. Für Anbausteuergeräte mit integriertem Hierzu zählen beispielsweise unterschiedliche Sensoren
Motor ist die Bezeichnung Aktuator-Anbausteuergerät oder Hydraulikkomponenten, wie Ventile oder Pum-
(Actuator attached to-TCU) üblich. Aufgrund des erhöh- penmotoren und verschiedene Kontaktierungselemente.
ten Funktionsumfangs und Komplexitätsgrades werden Exemplarisch ist in . Abb. 16.17 der entsprechende Sys-

..Abb. 16.17  Blockdiagramm des elektrischen Systemumfangs für ein Doppelkupplungsgetriebe


812 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

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..Abb. 16.18  Unterschiedliche Lösungsansätze zur Darstellung des gesamten elektrischen Systemumfangs am
8 Beispiel Doppelkupplungsgetriebe

Wegbau Getriebesteuergerät Anbau Getriebesteuergerät Integriertes Getriebesteuergerät

9 Temperatur-
(Motorraum)
-40°C bis 105 °C -40°C bis 125°C -40°C bis 150°C
bereich (erhöht: 125°C) (erhöht: 140 °C)
Vibraon
10
3g bis 1 0g Sinus Bis zu 28g Sinus Bis zu 35g Sinus
und Rauschen und Rauschen

Effekvwert der Effekvwert der

11
Beschleunigung 9,66g Beschleunigung 9,66g
Medien Alle Motorraum-Medien Alle Motorraum-Medien Aggressive Getriebeöle
(z.B. Diesel, Benzin, Motoröl, (z.B. Diesel, Benzin, Motoröl, (Dampf und Flüssigkeit)
Kaltreiniger; etc.) Kaltreiniger; etc.)

12 IP6K9K IP6K9K
Kein Wasser außer für
Steckerbereich

13 ..Abb. 16.19  Typische Anforderungsprofile für Getriebesteuergeräte bezüglich ihres Verbauortes

temumfang für ein typisches Doppelkupplungsgetriebe 16.4.2 Getriebesteuergerätetypen


14 in Form eines Blockdiagramms abgebildet.
Um diesen Systemumfang real umzusetzen, Im Folgenden wird die Aufbautechnologie der unter-
15 sind unterschiedliche Lösungsansätze möglich
(. Abb.  16.18). So gibt es Lösungen mit Wegbau-
schiedlichen TCU-Gehäuse beschrieben. Die jewei-
lige Aufbautechnologie wird dabei im Wesentlichen
oder Anbausteuergeräten bei denen alle, über die durch die am jeweiligen Einbauort herrschenden
16 reine elektronische Steuereinheit hinausgehenden Anforderungen an das Steuergerät bezüglich Tem-
Funktionalitäten durch zusätzliche Komponenten, peratur, Vibration und die umgebenden Medien
wie zum Beispiel Einzelsensoren, Kabelstränge, bestimmt. Typische Anforderungen für die ver-
17 Kontaktierungsmodule und Sensorcluster, umge- schiedenen Steuergeräteklassen sind in . Abb. 16.19
setzt werden. Bei integrierten Getriebesteuergeräten dargestellt.
18 werden dagegen weitestgehend alle Funktionalitäten
des elektrischen Systems in einem mechatronischen Wegbausteuergeräte  Für Wegbausteuergeräte ent-
Steuergerät zusammengefasst. spricht der Aufbau grundsätzlich den unter ▶ Ab-
19 schn. 16.2 beschriebenen Aufbautechnologien. Diese
externen Lösungen, die als separate Elektronikbox un-
20 ter relativ moderaten Umgebungsbedingungen (Tem-
peratur, Vibration) an dazu geeigneten Einbauräumen
im Fahrzeug untergebracht werden, sind meistens Lei-
16.4 • Getriebesteuergeräte
813 16

terplattenbaugruppen: Die elektronischen Bauteile mit


eigenem Gehäuse sind auf der Leiterplatte aufgelötet.
Üblicherweise werden bei Wegbausteuergeräten keine
Sensoren oder andere mechatronische Komponenten
integriert. Nachteilig ist die Begrenzung der realisier-
baren Verlustleistungsabführung durch den Einbau-
ort und die maximal mögliche Umgebungstemperatur
(< 125 °C), die komplexen Steckverbindungen und die
langen Leitungszuführungen zum Getriebeaggregat.
Auch die Robustheit gegenüber EMV-Einstrahlung
sinkt bei Karosserieanbauten aufgrund der Leitungs-
längen des Kabelbaums.

Anbausteuergeräte  Bei Anbausteuergeräten gibt es


im Wesentlichen zwei verschiedene Aufbautechnolo-
gien. Im unteren Anforderungsbereich kann mit eini-
gen Zusatzmaßnahmen eine ähnliche Aufbautechno- ..Abb. 16.20  Anbausteuergerät für erhöhte Anforde-
logie, wie für Wegbausteuergeräte verwendet werden. rungen
Um damit die in . Abb. 16.19 aufgeführten Maximal-
werte für Wegbausteuergeräte zu erreichen, müssen die Abschließend wird der Elektronikraum noch durch ei-
Gehäuse komplett aus Metall und entsprechend stabil nen Kunststoff- oder Metalldeckel, der auf das Gehäuse
ausgeführt werden. Kritische Komponenten müssen aufgeklebt wird, verschlossen. Ein typischer Aufbau ist
zusätzlich gesichert werden. Diese Aufbautechnologie in . Abb. 16.20 dargestellt.
kommt dabei hauptsächlich bei Anbaulösungen für Auch bei den Anbausteuergeräten werden Senso-
Pkw-Anwendungen zum Einsatz, bei denen die Um- rik und Aktoren im Regelfall über einen Kabelbaum
weltanforderungen systembedingt niedrig ausfallen. am Steuergerät angeschlossen. Vorteil gegenüber einer
In den meisten Fällen werden jedoch Anbaulö- Wegbaulösung besteht dabei allerdings in den deut-
sungen für Automatikgetriebe von Nutzfahrzeugen lich kürzeren Kabellängen und der Möglichkeit direkt
eingesetzt. Hier sind die Lebensdaueranforderungen durch die Getriebeglocke innen liegende Komponen-
höher. Um auch den höheren Vibrations- und Tempe- ten, wie Hydraulikventile oder Sensoren, zu kontak-
raturanforderungen gerecht zu werden, ist ein anderes tieren. Hierdurch wird auch die Anzahl an Kabel- und
Aufbaukonzept zu wählen. Als Schaltungsträger kom- Steckverbindungen gemindert. Neben einer Gewichts-
men Keramiksubstrate, wie Dickschichtkeramik oder reduktion ergibt sich daher auch eine Verbesserung der
bei niedrigen Temperaturen gesinterte keramische Sub- Zuverlässigkeit, da Steckverbindungen über Lebens-
strate (LTCC = Low Temperature Cofired Ceramics), dauer zur Anfälligkeit neigen.
und Leiterplatten (PCB = Printed Circuit Board) zum
Einsatz. Dabei werden ungehäuste Bauteile (Bare dice) Integrierte Steuergeräte  Integrierte Steuergeräte sind
auf den Schaltungsträger aufgeklebt und durch Gold- unmittelbar in der Getriebeglocke eingebaut. Dieser
beziehungsweise Aluminiumdraht mit den Leiterbah- Einbauort stellt die höchsten Anforderungen bezüglich
nen des Substrates verbunden. Als Verbindungstechno- Temperatur und Vibration an das Steuergerät. Partiell
logie kommt für die Drähte Bonden zum Einsatz. Das herrschen auf dem Substrat durch die entstehende Ver-
Substrat wird auf eine metallische Platte – üblicherweise lustleistung Temperaturen von bis zu 170 °C. Als Sub-
Aluminiumdruckguss, eventuell mit Kühlrippen, oder strattechnik müssen daher spezielle Schaltungsträger,
eine Aluminiumstanzplatte – mit einem Wärmeleit- in der Regel auf Basis von Keramik, eingesetzt werden.
kleber aufgeklebt. Ein Gehäuserahmen aus Kunststoff, Bei entsprechend hoher Anforderung befinden sich die
an dem die Steckverbindungen mit angespritzt sind, Elektronikkomponenten sogar auf verschiedenartigen
wird ebenfalls auf die Metallplatte aufgesetzt und mit Schaltungsträgern. Als Schaltungsträger kommen häu-
dieser verschraubt und verklebt. Zwischen Schaltungs- fig Dickschichtkeramik und bei niedrigen Temperaturen
träger und den Steckverbindungen am Gehäuserah- gesinterte keramische Substrate (LTCC) zum Einsatz.
men wird durch Aluminiumbondungen der elektrische Für Anwendungen mit höheren Nennleistungen, wie bei
Kontakt hergestellt. Um den Schaltungsträger und die elektrischen Motoransteuerungen, werden Direct Cop-
elektrischen Bauteile dauerhaft gegen Feuchtigkeit zu per Bonded-Substrate (DCB) verwendet. In letzter Zeit
schützen, werden diese noch mit Silikongel geschützt. werden auch vermehrt HDI-Leiterplatten (HDI = High
814 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
2
3
4
5
6
7
8 ..Abb. 16.21  Einbau eines integrierten Getriebesteuergerätes bei einem Doppelkupplungsgetriebe

9 Density Interconnect) genutzt. Auf allen Schaltungsträ- Für die Aufbautechnik stellen diese Randbedin-
gern werden die Halbleiterbauteile selbst ohne eigenes gungen große Herausforderungen insbesondere in
10 Gehäuse als Bare Die direkt auf solche Schaltungsträger
geklebt und durch Bonddrähte elektrisch mit den Lei-
Bezug auf die Entwärmung und Stromführung dar.
Auf immer kleinerer Fläche muss immer mehr Ver-
terbahnen verbunden. Bei den Bonddrähten handelt es lustleistung abgeführt werden.
11 sich üblicherweise um Goldbonddrähte mit einer Dicke Die Mechanik im Bereich des Schaltungsträger-
von 23 bis 50 µm und Aluminiumbonddrähte mit einer raums muss einen hinreichenden Schutz gegen die
Dicke von 125 bis 400 µm. sehr anspruchsvollen Umweltbedingungen gewähr-
12 Im Elektronikbereich führen neue Kundenanfor- leisten und ermöglicht durch spezifische Designmaß-
derungen wie die ISO 26262 (Functional Safety Ma- nahmen, wie Anbindung an Kühlflächen, Kühlrippen
13 nagement, ▶ Abschn. 16.9.6) oder die Verlagerung von oder aktiven Kühlern, eine ausreichende Entwär-
Mechanikfunktionen aus dem Getriebe in die Elektro- mung der Elektronik. Häufig sind in Zusammenarbeit
nik zu höheren Anforderungen an die Mikrocontroller. mit den Kunden zusätzlich konstruktive Maßnahmen
14 Aktuell werden im Seriendesign Single Core Controller notwendig, um die Temperatur auf der Elektronik zu
in einen Speicherbereich zwischen 1,5 MB und 2,5 MB beherrschen. Dabei kommen in vielen Fällen Ölküh-
15 Flash und einer maximalen Taktrate bis 180 Mhz ein-
gesetzt. Zukünftig werden neue Multicore Controller
ler zum Einsatz, die als Kühlmedium das warme Hy-
draulik- beziehungsweise Getriebeöl nutzen.
mit einen Speicherbereich bis 6 MB und Taktraten bis An den Elektronikraum sind üblicherweise mög-
16 300 Mhz in den nächsten Generationen von TCUs An- lichst kompakte Sensorcluster angeschlossen. Das
wendung finden. Cluster selbst und der Elektronikraum sind dabei
Um die Ölversorgung der Hydrauliksteuerung für innig miteinander verbunden, um möglichst wenige
17 das Getriebe bedarfsgerecht und damit kraftstoffsparend Verbindungsstellen zu erzeugen und die Anzahl an
zu realisieren, wird zunehmend die mechanisch betrie- Einzelkomponenten zu reduzieren. Häufig kommt
18 bene Ölpumpe durch eine mit einen bürstenlosen Gleich- hierbei eine Sandwichbauweise zum Einsatz. Im
strommotor (BLDC = Brushless DC) angetriebene er- Sensorcluster sind unterschiedliche Funktionen, wie
setzt. Damit können Funktionen, wie Start/Stopp, für das die Sensorik oder Aktorik, aber auch verschiedenste
19 Getriebe umgesetzt werden. Die Motoren bewegen sich je Steckverbindungen, wie Ventilkontaktierungen oder
nach Getriebetyp und Drehmoment des Getriebes in ei- der Fahrzeugstecker, implementiert. Es werden Dreh-
20 nem Leistungsbereich zwischen 150 und 1000 W. Damit
müssen auf dem Elektroniksubstrat Ströme bis zu 85 A
zahlsensoren mit und ohne Drehrichtungserkennung
und Positionssensoren für Gangsteller oder Kupp-
im kompletten Temperaturbereich beherrscht werden. lungsposition sowie Wählbereichssensorik eingebaut.
16.4 • Getriebesteuergeräte
815 16

Im Wesentlichen handelt es sich um HALL-Effekt-


Elemente oder PLCD-Sensoren (Permanentmagnetic
Linear Contactless Displacement) in unterschiedli-
cher Ausprägung. Bei diesen Komponenten stellt die
notwendige Positioniergenauigkeit eine zusätzliche
Herausforderung an den mechanischen Aufbau des
Steuergerätes dar. Drucksensoren müssen die ver-
schiedensten Druckbereiche abdecken. Bereiche
bis 20 beziehungsweise 70 bar sind dabei Standard.
Neben keramikbasierten Sensorelementen sind hier
auch entsprechende Messzellen auf MEMS-Basis
(MEMS = Micro-Electro-Mechanical-Systems) auf
dem Vormarsch. Integrierte Temperatursensoren, die ..Abb. 16.22  Integriertes Getriebesteuergerät für
sowohl die Elektroniktemperatur als auch die Umge- Daimler mit kompletter Sensorik und Ventilkontaktie-
bungstemperatur überwachen, dienen der optimier- rung
ten Regelung und Steuerung des Getriebes. Sie schüt-
zen aber auch das Gesamtsystem vor Überlastung. Eine ins Getriebe integrierte Steuerung wird sinn-
Die elektrische Verbindung zwischen den einzelnen vollerweise an die hydraulische Schaltplatte montiert.
Komponenten und dem Elektronikraum erfolgt mit fle- Bei längs eingebauten Stufenautomaten befinden sich
xiblen Leiterplatten auf Polyimidbasis und/oder Stanz- die Schaltplatten und Steuerungen in der Regel an
gitterverbundteilen. Dabei werden bevorzugt flexible der tiefsten Stelle des Getriebes im Ölsumpf, da hier
Leiterplatten für Signalleitungen oder niedrige Ströme, die Druckregelventile arbeiten und direkt kontaktiert
wie bei Ventilkontakten, eingesetzt. Für höhere Leistun- und angesteuert werden. Quer eingebaute Doppel-
gen, wie bei Motoransteuerungen oder Klemme-30/31- kupplungsgetriebe haben im Allgemeinen „stehend“
Anschlüssen, werden meist Stanzgitterverbundteile angeordnete Schaltplatten und Steuerungen, da hy-
verwendet. Kabellösungen werden aus Kosten- und draulische Schnittstellen und Positionserfassungen
Zuverlässigkeitsgründen nur untergeordnet genutzt. sich an der Anordnung der Schaltwellen orientieren.
Die Vielzahl dieser Komponenten und auch ihre . Abb. 16.21 zeigt ein Beispiel für den Verbau eines
Anbindung an die Umgebung macht die Abdichtung integrierten Getriebesteuergeräts bei einem Doppel-
und Medienverträglichkeit zu einer Herausforderung. kupplungsgetriebe.
Gleichzeitig bedeuten immer kompaktere Getriebe-
bauformen, Umgebungstemperaturen bis zu 150 °C,
Temperaturwechsel (−40 … +150 °C), aggressive Me- 16.4.3 Anwendungsbeispiele für
dien (Schmieröl und Hydrauliköle), Vibrationen und „Mechatronische Transmission
Stöße extrem widrige Einsatzbedingungen. Dafür bie- Modules“
tet diese Vollintegration technische und wirtschaftli-
che Vorteile: Neben gutem EMV-Verhalten und einem Im Folgenden werden einige Anwendungsbeispiele für
vereinfachten Kabelbaum entsteht eine vollständig auf „Mechatronische Transmission Modules“ vorgestellt. Ein
korrekte Funktion vorprüfbare und auf die mechani- typisches Beispiel für die erfolgreiche Integration von
schen Toleranzen applizierte Getriebeeinheit, die sich Sensorik und Elektronik für ein Automatikgetriebe ist das
effizient im Fahrzeug verbauen lässt. VGS3 NAG2 der Daimler AG (. Abb. 16.22). Die Elek-
Gegenüber Wegbau-Getriebesteuergeräten bie- tronik besteht aus einem 32 Bit Mikrocontroller, Flash,
ten ins Getriebe integrierte Steuergeräte höchstes EEPROM, Endstufen zur Ansteuerung der Regelmagnet-
Potenzial an mechatronischer Funktionalität, da alle ventile, CAN-Schnittstelle sowie drei Frequenz- und zwei
maßgeblichen Eingabe- und Ausgabekomponenten Analogeingängen. In dem Steuergerät sind daneben auch
direkt im Getriebe angeordnet sind. Werden das Ge- noch der fünfpolige Stecker, die Kontaktierung für die
triebe und die integrierte Steuerung bereits in der acht Ventile, zwei Schwimmer, der Wählbereichssensor
Konzeptionsphase mit dem Getriebeentwickler ent- und drei Drehzahlsensoren integriert [1]. Sensorik und
worfen, kann das Höchstmaß an Integration erreicht Stecker sind über Flex-Folien (FPC = Flexible Printed
werden, da die Anordnung aller erforderlichen Kom- Circuit) auf Polyimidbasis mit dem Schaltungsträger der
ponenten hinsichtlich Ort, Orientierung und Tech- Elektronik verbunden. Als Schaltungsträger kommt eine
nologie optimiert werden kann. Keramik auf LTCC Basis zum Einsatz.
816 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
2
3
4
5
6
7
8 ..Abb. 16.23  Integriertes Getriebesteuergerät für VW mit kompletter Sensorik, Ventilkontaktierung sowie integ-
rierter Pumpen-Motoransteuerung und dazugehörender Entstörung

9
10
11
12
13
..Abb. 16.24  Integriertes Getriebesteuergerät für GM ..Abb. 16.25  Getriebesteuergerät für Getrag mit zwei
14 mit einem On/Off- und sechs VBS-Ventilen und vier integrierten Motoren (geöffnetes Gehäuse)
Druckschaltern

15 Eine weitere integrierte Getriebesteuerung mit zum Motorraum ab. Sämtliche Verbindungen nach
besonders hoher Integrationsdichte ist das Produkt außen sind in einem elfpoligen Stecker zusammen-
16 DQ200: eine direkt im Getriebe eingebaute Steuerung gefasst [3].
für das 7-Gang-Trocken-Doppelkupplungsgetriebe des In einigen Produkten werden heute neben der
Kunden VW (. Abb. 16.23; [2]). Als Prozessor kommt Sensorik auch Aktorelemente direkt integriert. Hier
17 ein 32 Bit Mikrocontroller zum Einsatz. Im Steuergerät kann als Beispiel das T76, ein Steuergerät der Conti-
sind alle Getriebesensoren (zum Beispiel für Tempera- nental AG für GM, genannt werden. Diese Steuerung
18 tur, Drehzahl, Wegerkennung und Drucksensor) inte- wird von GM weltweit in 6-Gang-Stufenautomaten
griert. eingesetzt. Teil des Steuergerätes ist dabei ein Hydrau-
Es arbeitet im Einsatztemperaturbereich von −40 likverteilerblock aus PA6.6 GF35, in dem ein On/Off
19 bis +140 °C. Als Aktoren werden acht Ventile sowie und 6 VBS Ventile integriert sind (. Abb. 16.24). Der
ein bürstenlos angeregter Elektromotor für eine Öl- gesamte Abgleich der Ventileinheit und der Elektronik
20 pumpe angesteuert. Das Steuergerät dichtet zudem
den Hydraulikölbereich zum Getriebeölbereich sowie
erfolgt bei Continental.
16.5  •  Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente
817 16

Ein weiteres Beispiel, das die zunehmende In- einer Gesamtlösung auf Wegbaubasis machen die Tei-
tegration der Aktorik in das Steuergerät belegt, ist lekosten etwa 150 % und die Werkzeugkosten 130 %
das DKG250. Das Steuergerät bedient das 6-Gang- gegenüber einem integrierten System aus. Die Kosten
Trocken-Doppelkupplungsgetriebe der Firma Getrag der integrierten Lösung sind also deutlich geringer –
[4]. In diesem Fall handelt es sich um ein Actuator- insbesondere, wenn auch noch Zusatzaufwände beim
Attached-To-Steuergerät mit zwei integrierten Elek- Kunden durch Logistik und Montage mit einfließen.
tromotoren zum Schalten der Gänge (. Abb. 16.25). Im Detail spielen bei einer Gesamtkostenbetrach-
tung natürlich die erwarteten Stückzahlen ebenfalls
eine wichtige Rolle. Im System „Wegbaulösung“ ist
16.4.4 Entscheidungskriterien zudem mit deutlich höheren Qualitätsproblemen
für die Auswahl des „richtigen“ zu rechnen, da zusätzliche Komponenten, wie Kabel
Steuergeräte-Typen und insbesondere Steckverbinder, zu erhöhten Aus-
fallraten führen. Andere Vorteile für den Kunden,
Bei der Beantwortung der Frage, ob eine integrierte wie der Qualitätsverantwortung aus einer Hand oder
Lösung oder eher ein Wegbausteuergerät zum Einsatz technische Vorteile, wie der Abgleich des Steuerge-
kommen soll, sind neben Technik und Funktion im rätes beziehungsweise der gesamten Mechatronik,
Wesentlichen die Aspekte Kosten und Qualität zu be- sind schwer zu bewerten. Dies gilt auch für Parame-
rücksichtigen. Darüber hinaus sind aber auch zeitliche ter wie Diagnosefähigkeit und -abdeckung und der
Faktoren, wie Produktionsstarttermine, wichtige Ent- größere Umfang einer Prüfung am Linienende einer
scheidungselemente. integrierten Lösung; bei einer Wegbaulösung werden
Die richtige Antwort ist nicht einfach und nicht alle Einzelkomponenten erst beim Fahrzeughersteller
immer eindeutig. Auf dem ersten Blick sind auf Steu- im Verbund getestet.
ergeräteebene die Kosten eines Wegbausteuergerätes Ein weiterer Vorteil liegt in der Architektur einer
gegenüber eines integrierten Getriebesteuergeräts rela- integrierten Lösung, bei der zentrale Blöcke wie zum
tiv gering. Beim direkten Vergleich der reinen Kompo- Beispiel Spannungsversorgung, Entstörung, nicht-
nente „Steuergeräte“ machen die Entwicklungskosten flüchtiger Speicher und Überwachungseinheit vorge-
eines Wegbausteuergerätes nur circa 40 %, Teilekosten halten sind. Dadurch ist ein hohes Maß an Synergie
circa 40 bis 50 % und Werkzeugkosten etwa 25 % eines für die Einzelfunktionen vorhanden. Bei Wegbaulö-
integrierten Steuergerätes aus. Aufgrund der geringe- sungen muss jede Einzelkomponente die notwendige
ren Anzahl an Einzelkomponenten eines Wegbau- Infrastruktur mitbringen.
steuergerätes sind zudem weniger Qualitätsprobleme In der Regel gilt für das Gesamtsystem, dass inte-
für das Steuergerät selbst zu erwarten als bei einem grierte Getriebesteuergeräte ab Stückzahlen von mehr
deutlich komplexeren integrierten Getriebesteuergerät. als 150 Tausend Einheiten pro Jahr aus Kostengründen
Weiterhin dürfen für ein integriertes Steuergerät die die richtige Wahl darstellen. Sind jedoch kurze Ent-
notwendige Entwicklungszeit, der Abstimmungsauf- wicklungszeiten oder kleinere Stückzahlen von Inte-
wand und die notwendige Entwicklungsdisziplin auf resse, so sind Wegbausteuergeräte durchaus sinnvolle
Kunden- und Lieferantenseite nicht unterschätzt wer- Alternativen.
den. Die Entwicklungszeit bis zum Produktionsstart
bei Continental beträgt bei einem Wegbausteuergerät
etwa 2 bis 2,5 Jahre, während die integrierte Lösung 16.5 Elektronischer Aufbau,
etwa 3,5 Jahre dauert. Strukturen und Bauelemente
In der Systembetrachtung, die der gesamten
Funktionsdarstellung Rechnung trägt, relativiert sich 16.5.1 Grundstruktur
der Kostenvorteil eines Wegbausteuergerätes. Bei ei-
ner Wegbaulösung sind dann alle notwendigen zu- In . Abb. 16.26 sind der grundsätzliche Signalfluss
sätzlichen Einzelkomponenten, wie Steckverbinder, und die wesentlichen Funktionsblöcke in Form eines
Zusatzkabel, Sensoren etc., zu berücksichtigen. Die Blockdiagramms dargestellt. Die von der Sensorik er-
Gesamtkosten für den Entwicklungsaufwand einer fassten Signale werden über eine Eingangsfilterstruk-
Wegbaulösung steigen dann auf etwa 75 % gegen- tur zum Rechner geleitet. Hier findet die Umsetzung
über einer integrierten Lösung – und sind somit noch dieser Signale statt und es werden Signale generiert,
günstiger. Bei den Teilekosten und Werkzeugkosten die über die Endstufen zu der Aktuatorik geleitet
ändert sich allerdings das Verhältnis dramatisch: bei werden. Über digitale Schnittstellen kann Kontakt
818 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

Eingänge Signalverarbeitung Ausgänge


1
Micro-

2 Controller
(8/16/32bit)

Speicher-
3 einheiten
Eingangs-
Endstufen
Sensorik Signalfilter Aktuatorik
4
ggf. Über-
wachungs-

5 Diagnose
einheit
Diagnose

6 Kommuni-
kations-

7
schnitt-
ste llen

8 S pannungsversorgung, Reset-Logik

9 ..Abb. 16.26  Grundsätzlicher Signalfluss

10 zu anderen Steuergeräten oder zu Werkstattdiagno- krocontroller angesteuert und sind in der Lage, die
segeräten hergestellt werden. Ein Spannungsregler Aktuatoren anzusteuern. Eine aufwändige Diagnose
11 stellt die nötige Versorgung der Bauteile mit Span- überwacht die Ausgänge auf Fehlerzustände wie zum
nung und Strom sicher. Weiterhin ist eine aufwändige Beispiel Überstrom, Kurzschluss, Übertemperatur
Reset-Logik nötig, um die ordnungsgemäße Funktion oder Open Load (Leitungsbruch). Die für jeden Aus-
12 sicherzustellen. gang separat gespeicherten Fehlerbits können vom
Mikrocontroller über ein serielles Interface gelesen,
13 16.5.2 Elektronische Bauelemente
ausgewertet und gespeichert werden.
Für die Ansteuerung von Gleichstrommoto-
ren kommen H-Brückenschaltungen zum Einsatz,
14 Es seien exemplarisch einige typische in Motor- und entweder als integrierte Schaltungen oder für hohe
Getriebesteuerungen eingesetzte elektronische Bauteile Ströme mit Einzeltransistoren. Diese Bauteile er-
15 angeführt. möglichen sowohl die Änderung der Drehrichtung
Vorwärts/Rückwärts sowie der Drehzahl durch
16.5.2.1 Eingangsfilterbaustein Klopf-IC die Variation des Puls-Pausen-Verhältnisses (siehe
16 An diesen Baustein können bis zu zwei Klopfsensoren . Abb. 16.29c).
angeschlossen werden. Deren Signale werden durch den Peak-and-Hold-Schaltkreise benutzt man zur
Filter im Baustein aufbereitet und zur Auswertung an den Realisierung sehr schneller Öffnungszeiten bei Ven-
17 Mikrocontroller weitergeleitet. Dies erfolgt über eine seri- tilen. Dazu wird das Ventil zunächst mit einem hohen
elle Schnittstelle. Über diese werden auch die im Baustein Strom angesteuert, um es schnell zu öffnen. Anschlie-
18 einstellbaren Größen programmiert (. Abb. 16.27). ßend wird auf einen niedrigeren Stromwert, dem sog.
Haltestrom, zurückgeregelt, der das Ventil offenhält.
16.5.2.2 Endstufenbaustein Dieses Stromprofil zeigt beispielhaft . Abb.  16.30
19 Häufig werden Mehrfachbausteine verwendet. Die (Stromprofil einer Peak-and-Hold-Schaltung).
. Abb. 16.28 und 16.29a, b zeigen Beispiele für eine

20 Vierfach- und eine Sechzehnfachendstufe. Diese


Mehrfachendstufenbausteine werden direkt vom Mi-
16.5  •  Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente
819 16

FEATURES

- Supply voltage range 4.0 V .. 5.5 V


- Temperature range 40
- to 125 °C
- CMOS, TTL compatible inputs
- SPI Interface to the failure register
- microprozessor programmable
1 gain - switched capacitor technology
2 filter frequencies
- various extrenal clock capability (prescaler)
3 integrator time constant
4 clock prescaler - Package SO20
BLOCK DIAGRAM

differential channel
amplifier 1 select
+1 antialiasing bandpass full wave output buffer/
gain integrator
–1 filter filter rectifier converter

Out
+2
–2

differential logic block


amplifier 2 power midrail OSCin
supply generator control interface osc OSCout
clk
/CS
Data
/Data
Int/Hold
/Test

VCC GND Vmid

..Abb. 16.27  Filter für Klopf-IC

16.5.2.3 Mikrocontroller nachgeführten Regler zum Beispiel zur Versorgung


Es kommen Mikrocontroller zum Einsatz, die speziell von außerhalb des Steuergerätes untergebrachten Sen-
für Anwendungen in der Automobiltechnik konzipiert soren verwendet werden können. Weiterhin ist eine
wurden. Die Bausteine kombinieren hohe Rechenleis- Überwachereinheit und eine Freigabelogik mit auf
tung mit hoher Integration von Peripheriebausteinen, dem Baustein integriert (. Abb. 16.33).
die zur Auswertung der Eingangssignale und zur An-
steuerung der Endstufen nötig sind. Die . Abb. 16.31 16.5.2.5 DC/DC-Converter
und 16.32 zeigen je ein Beispiel für einen Mikrocont- Kürzere Einschaltzeiten von elektromagnetischen Ein-
roller mit Busbreiten von 16 Bit beziehungsweise 32 Bit spritzventilen oder bei Ventilen, die nach dem Piezo-
und ihren wesentlichen Funktionsblöcken. prinzip arbeiten, benötigen für die Bereitstellung der
erforderlichen elektrischen Energien Spannungen, die
16.5.2.4 Spannungsregler um ein Vielfaches über der im Fahrzeug zur Verfügung
Dieser Baustein stellt drei Versorgungen zur Verfü- stehenden Batteriespannung liegen.
gung: Den Hauptregler und zwei diesem nachgeführte Die Transformation der 14-V-Bordnetzspannung
Versorgungen mit deutlich geringerer Leistungsfähig- auf die Betriebsspannungen dieser Hochvoltlasten
keit. Der Hauptregler ist für die im Steuergerät unter- wird durch DC/DC-Converter-Schaltungen erreicht
gebrachten Bausteine zuständig, während die beiden (. Abb. 16.34).
820 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

FEATURES
1 - Supply voltage range 4.0 V .. 5.5 V
- Short current protection with current limit 3A
2 - Average current (for each output) 2.5 A PACKAGING
- On resistance (@ Tj = 150 °C ) ≤ 0.5 Ω

3 - Output clamping voltage 50 V typ.


- Temperature range –40 to 125 °C

4 - Slewrate-control
1 pos slewrate (rise-time) 10 .. 55 V/µs
2 neg. slewrate (fall-time) 5 .. 20 V/µs 20

5 - Individual thermal shutdown


- Undervoltage Reset and controlled power-up and down 1
- Controlled output voltage-slewrate
6 - SPI Interface to the failure register
PSO 20
Power-Package

- Destingtion between 3 kinds of failure for each powerstage


7 1 overcurrent (SCB) or overtemperature
2 short circuit to GND (SCG) at the off-state
3 open load (hot OL detection) at the on-state

8
BLOCK DIAGRAM
9 Vcc

charge
10 NON1
Trigger pump

S
OUT1
11
NON2 URES

RES R dV/dt
driver control OUT2
NON3 over-temp.
RES
detection OUT3
12
URES ON1
FR
NON4 VCC RESET I_SCB filter OUT4
IRES
t_ISCB

13 SDI VCC
ON1

I_OL fitler
failure
register t_IOL
shift
14 CLK VCC
register NON1

(FR)
SCG filter

15 NCS
t_SCG
V_REF

IRES

16
URES RES OSC

SDO under voltage


Reset Oscillator
RESET

17
GND NRES

18 ..Abb. 16.28 Vierfach-Endstufe

19
20
16.5  •  Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente
821 16

a
FEATURES PACKAGING
MULTIPLE LOWSIDE DRIVER
- Supply voltage range
4.5V .. 5.5V
- Short current protection:
for channel 1 and 2 8A
for channel 3 – 8 >3A
for channel 9 – 16 > 1A
- Average current
for channel 1 – 8 2.5A
2 .5A
for channel 9 – 16 0.7A
0 .7A
On resistance (@ Tj = 150°C )
for channel 1 – 8 0.4
0 .4
for channel 9 – 16 1.5
1 .5
- Output clamping voltage 50V typ.
- Temperature range
40 to 125C
- Slewrate-SPI
- programmable
voltage slewrate QuadPowerFlatpack
0.6 .. 7.2 V/s MO188
current slewrate
0.15 .. 2.3 A/s
- Individual thermal shutdown
- SPI Interface to the failure register
- Destingtion between 3 kinds of failure for each powerstage
:
overcurrent (OC) or overtemperature
short circuit to GND (LVT) at the off-state
open load (hot OL detection) at the on-state

b
BLOCK DIAGRAM

CP Vbat Vcc
Vcc
Over 4x8 out 9...16
Temperature 4x6 out 3...8
Latch l 4 out 1,2
o
g
SDI Failure i
SDO Latch c
CLK Slew Rate
NCS SPI Block Setting VSR_th ref
Charge (from SPI)
pump

control mode slew


rate dV/dt
Temp VLVT
high/low dl/dt OUT1
filter
ref
Vcc

OUT16

Temp.
Gate Sense
NON1 Drive Drive
Signal Temp
Control Threshold
S Over
(from SPI) Load Setting
R Latch (from SPI)

Ioc
NON16 filter
Iref ref
Iuc
filter CFB1
NDIS1 ref

NDIS4
Vcc

CFB2

reset OSC
NRES
NRES1 undervolt. internal
reset reset oscillator

GND

..Abb. 16.29  a Beispiel einer 16-fach Endstufe (Teil 1), b Beispiel einer 16-fach Endstufe (Teil 2), c Prinzipschalt-
bild einer H-Brücke
822 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

c Ubat
1
2
3 Vorwärts--
Bewegung
4 des Motors

5
OUT 1
M OUT2

6 Rückwärts--
Bewegung
des Motors
7
8
9 ..Abb. 16.29 (Fortsetzung)

10
IPeak
11
12
13
14
15
IHold
16
17 t Hold
tPeak

18 ..Abb. 16.30 Peak-and-Hold-Stromprofil

19
20
16.5  •  Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente
823 16
FEATURES

Microcontroller C167-Family of Infineon


– CPU: 16 bit „von Neumann“ register oriented architecture. PACKAGING
– CPU: 4 stage pipeline with 16bit ALU
– 4kRAM build of 2k Dual Port RAM and 2k XRAM

– PEC for fast data transfer from peripheral to RAM


– ADC unit with 10bit, 16 channel and channel injection
– 2 CAPCOM unit with 16 CAPCOM channels each
– PWM unit with 4 PWM channels
– General purpose timer unit with 5 Timers
– 2 serial interfaces (UART and SPI)
– watchdogtimer
– up to 61 digital I/O channels when external bus enabled
– fast interrupt inputs with min. 300ns response time at 20 MHz
– operation temperature range –40 °C ... 125 °C
– full CAN PQFP 144
– optional: 32 kByte ROM

BLOCK DIAGRAM

ROM
Dual
32kByte
Port
(optional)
Instruction Bus RAM
32 bit Data C167 - CPU Core
2kByte

PLL Watchdog
Oscillator Timer

PEC
CAN
module

Interrupt Controller
XRAM
2kByte Interrupt Bus

Port 6
External ADC USART SPI GPT 1 GPT 2 CAPCOM 1 + 2 PWM
8 Bit
Bus 10bit module module module module modules module
Port 0 32 channels 4 channels
Controller 16 channel
16 Bit

Port 4
8 Bit Port 1 Port 5 Port 3 Port 2 Port 7 Port 8
16 Bit 16 Bit 16 Bit 16 Bit 8 Bit 8 Bit

..Abb. 16.31  Mikrocontroller 16 Bit


824 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
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11
12
13
14
15
16
17
18
19
..Abb. 16.32  Blockschaltbild Funktionsblöcke eines 32 Bit-Mikrocontrollers
20
16.6 • Steuergeräteelektronik
825 16

MAIN
thermal
protection
VIN MAIN

TRACK1
thermal
protection
GND TRACK1

• positive 5V low drop voltage regulator for


DIV1
automotive purpose
• one ±2% main output, 450mA current
• one ±0.5% tracking output 1, 100mA current,
referenced to main output
TRACK2 • one ±0.5% tracking output 2, 50mA current,
referenced to main output
TR_EN DIV2 • on-chip tracking voltage dividers delivering
0.5*Vtrack for diagnosis purpose.
• 3 active high enable inputs for all outputs
• 1 active high enable input for tracking output 2
Pass-transistor control • reset generator with external timing capacitor
and startup circuit
• adjustable reset threshold
• watchdog input with external timing capacitor
E1 • very low quiescent current in off state
E2 OR
• wide input voltage range (up to 27V)
E3
• protected from -45V to +60V input voltage.
• short circuit protection
• main output to GND
• Tracking outputs to GND, battery voltage and
to the other tracking output
• Separate thermal overload protections for MAIN
RESET RESET
generator
and TRACK1 respectively
ADJUST CR
• -40°C to +125°C case temperature range
TRIGGER WATCHDOG
CW circuit

..Abb. 16.33  Beispiel für einen Spannungsregler

L CR
die Voraussetzungen für schnelles Öffnen elektromagne-
tischer oder piezoelektrischer Ventile liefert.
Q C
Vin out1 Die in Steuergeräten verwendeten DC/DC-Schal-
(14V) Vout tungen enthalten außerdem umfangreiche Beschaltun-
Rs
gen zum Schutz gegen Überspannung und Verpolung
sowie ausgangsseitigen Kurzschluss nach Masse oder
Versorgungsspannung.
PWM
CONTROL

..Abb. 16.34  Prinzip einer DC/DC-Converter-Schal-


16.6 Steuergeräteelektronik
tung
16.6.1 Allgemeine Beschreibung

Diese lassen sich elektrisch als strombegrenzte Span- Die Motorelektronik übernimmt die Aufgabe der
nungsquellen parallel zu einer Speicherkapazität am zentralen Steuerungseinheit für den Ablauf der Ver-
Ausgang beschreiben. Die elektrische Ladung, die in ei- brennung im Motor. In Abhängigkeit der motor- und
ner Induktivität gespeichert ist, fließt getaktet von einem fahrzeugseitigen Eingangssignale berechnet die inte-
Leistungsschalter über eine Diode in einen Speicherkon- grierte Rechnereinheit die Bedarfsgrößen der für die
densator und lädt diesen stufenweise bis zu einem defi- Motorfunktionen relevanten Stellglieder.
nierten Spannungswert Vout auf, der um ein Vielfaches Die elektronische Steuerung lässt sich mit den fol-
über der Eingangsspannung Vin liegen kann und damit genden Hauptfunktionsgruppen beschreiben.
826 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
2
3
4
5
6
7 ..Abb. 16.35  Klopfsignalerfassung durch schnelle Abtastung

16.6.2 Signalaufbereitung 16.6.2.2 Lambdasensorsignal


8 Die präzise und schnelle Messung der Abgas-Sauer-
Von Sensoren, Schaltern und anderen Steuereinheiten, stoff-Konzentration über einen weiten Messbereich ist
die im Motorraum und im Fahrzeuginnenraum verteilt ein wesentliches Element beim Betrieb emissionsarmer
9 sind, gelangen analoge und digitale Signale über den Verbrennungsmotoren. Neben der binären Lambda-
Kabelbaum ins Steuergerät. Hier erfolgt eine Umfor- sonde gewinnt die lineare Lambdasonde in moder-
10 mung der unterschiedlichen Signalformen und Signal-
größen in digitale Spannungen und Frequenzen, die
nen Motoren zunehmend an Bedeutung. Die Signal-
verarbeitung für einen linearen Lambdasensor folgt
jetzt für den Mikrocontroller lesbare Informationen hauptsächlich dem Konzept einer geschlossenen Re-
11 darstellen. gelschleife wie in . Abb. 16.36 dargestellt. Das grund-
legende Sensorelement eines linearen Sauerstoffsensors
16.6.2.1 Klopfsignal besteht aus einer Nernstzelle. Eine Elektrode wird dem
12 Besonders aufwändig gestalten sich die Adaptionen der Abgasstrom ausgesetzt, die andere einer Sauerstoffre-
Eingangssignale von Klopfsensor, Lambda-Sonde und ferenz. Das Sensorelement ist in einem Hohlraum un-
13 Induktivgeber an der Kurbelwelle. tergebracht, der im Inneren des Sensors liegt und mit
Beim stochastischen Signal vom Klopfsensor wird dem Abgas durch eine Gasdiffusionssperre verbunden
aus dem permanenten Pegel des Motorgeräusches das ist. Der Sensor ist mit einem weiteren Paar von Elekt-
14 überhöhte Signal des klopfenden Motors herausgefil- roden ausgestattet, die Sauerstoffionen aus dem Abgas
tert, verstärkt, gleichgerichtet und aufintegriert. Dies in den Hohlraum und umgekehrt befördern können
15 alles geschieht mit Hilfe eines integrierten Schaltkrei-
ses, der über ein programmierbares Register beliebige
(Pumpzelle). Zusätzlich enthält er ein Heizelement,
um eine konstante Betriebstemperatur einzustellen.
Voreinstellungen der Mittenfrequenz und der Ampli- Durch die Sauerstoffionendiffusion lässt sich an den
16 tude erlaubt. Letztendlich wird ein normiertes Signal Elektroden eine elektrische Spannung messen, die bei
während eines definierbaren Zeitfensters an den Ana- λ > 1 zwischen 0 und 150 mV, und bei λ < 1 zwischen
log/Digitalwandler des Rechners übertragen. Schnelle 800 und 1000 mV beträgt.
17 Mikrocontroller bieten heute die Voraussetzungen In einem schmalen Übergangsbereich um λ = 1
über speziell dafür geeignete Analog/Digitalwandler- ist die Übertragungsfunktion linear. Wird die Sauer-
18 Kanäle (Fast ADC Inputs) das mit einem Tiefpassfilter stoffkonzentration in der Kavität bei λ = 1 gehalten,
aufbereitete Klopfsignal durch eine hochfrequente Ab- können kleinste Abweichungen detektiert werden.
tastung im µs-Bereich zu detektieren und auszuwerten. Vergleicht man die Ausgangsspannung mit einer Re-
19 Die Ergebnisse werden mit mathematischen Software- ferenzspannung erhält man das nötige Fehlersignal um
Algorithmen weiterverarbeitet und der Applikations- einen Regelkreis für den Pumpstrom aufzubauen. Der
20 SW bereitgestellt (. Abb. 16.35). Pumpstrom, um Sauerstoffionen in und aus der Mess-
kavität zu transportieren, korreliert mit der Menge
an Sauerstoff, der durch die Diffusionsbarriere fließt.
16.6 • Steuergeräteelektronik
827 16

Current
Lambda
Sense
Output
Ampl.

Calibraon
Resistor
Current
Pump Exhaust Gas Sensing
Electrode Resistor

Diffusion Pump Cell Polarizaon


Barrier Current Source
Measurement
Cavity
Sensor
Nernst Cell
Ceramic
Control
Heater Element Loop
Ampl.

Reference
Baery

..Abb. 16.36  Lineare Lambdasonde: Grundaufbau und Analog-Signalverarbeitung mit Regelschleife

Dieser wiederum korreliert mit der Differenz der Sau- sen deshalb ergriffen werden, um die Genauigkeit der
erstoffkonzentration zwischen Abgas und Messkavität.
Da der Lambda-Wert innerhalb der Messkavität bei
--
Messungen zu verbessern:
Unterdrückung des Gleichtakt-Signals,
λ = 1 gehalten wird, ist es nun möglich, daraus die Sau-
erstoffkonzentration des Abgases aus dem Pumpstrom
abzuleiten. Toleranzen der Diffusionsbarriere werden
während der Herstellung gemessen. Anschließend
- Kompensation der Sensor Fertigungstoleranzen,
Low-Pass-Filter, um unerwünschte höher fre-
quente Signalanteile aus dem Ausgangssignal zu
eliminieren.
wird der Sensor mit einem individuellen Kalibrierwi-
derstand versehen. Das Auslesen des Widerstandswer- Die analoge Signalkonditionierung wird durch an-
tes ermöglicht entweder eine Anpassung des Verstär- schließende AD-Wandlung vervollständigt. Eine Kom-
kungsfaktors der Strommessung oder eine Korrektur munikation der Sonde mit dem Mikrocontroller wird
der Strommessung durch Software, sodass dadurch zum Beispiel über das Serial-Peripheral-Interface (SPI)
Fertigungstoleranzen kompensiert werden. Protokoll durchgeführt. Eine detailliertere Beschrei-
Die Diffusionsbarriere verändert ihren Widerstand bung der Sensoren, der analogen Signalverarbeitung
in Abhängigkeit der Temperatur aufgrund ihrer Kon- und auch die digitale Schnittstelle zu Mikrocontrollern
struktion. Die Temperatur-Impedanz-Charakteristik kann [5] entnommen werden.
des Sensors entspricht der eines NTC-Widerstandes,
wodurch dieser ideal zur Erfassung der Temperatur des 16.6.2.3 Kurbelwellensignal
Sensors geeignet ist. Eine Temperaturstabilisierung des Die Besonderheit des Kurbelwellensignals, generiert
Sensors kann nun durch Lesen der Sensorimpedanz und aus induktiven Sensoren, liegt in der Abhängigkeit
dem Vergleich mit einem Zielwert erreicht werden und der Signalamplitude von der Drehzahl. Sie reicht von
so die erforderliche Heizleistung exakt eingestellt werden. wenigen hundert Millivolt bei niedrigen Drehzahlen
Basierend auf obigen Maßnahmen, kann der bis hin zu mehreren hundert Volt. Die Signalumwand-
Pumpstrom proportional zum Sauerstoff-Partialdruck lung in die digitale Rechteckform gleicher Frequenz
des Abgases gehalten werden. Die Genauigkeit der gelingt durch Nulldurchgangsdetektion, wobei Störsi-
Pumpstrommessung bestimmt ebenso die Qualität gnale durch eine variable Gegenkopplung unterdrückt
des Sensors. Mehrere wesentliche Maßnahmen müs- werden.
828 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

Kommen Hallsensoren für die Auswertung des Ubat Ubat


Low-Side High-Side
1 Kurbelwellen- beziehungsweise des Nockenwellensi- Treiber Treiber
gnals zum Einsatz, wird die Spannung vom Sensorele-
Indukive/
2 ment, die im mV-Bereich liegt und deren Amplitude
unabhängig von der Drehgeschwindigkeit ist, im Hall-
Ohmsche
Last
IC zu einer Rechteckspannung mit der Amplitude der Strom-
3 Versorgungsspannung aufbereitet und in dieser Form fluss
dem Steuergerät zur Verfügung gestellt.

4 Strom-
fluss
16.6.3 Signalauswertung Indukive/
Ohmsche
5 Last
Die Rechnereinheit selbst umfasst den Hauptrechner,
den Festwertspeicher für Programmcode und Kenn-
6 feldgrößen, den variablen Datenspeicher und die ..Abb. 16.37  Prinzip einer Low- beziehungsweise
Überwachungseinheit für die Sicherheitsprüfungen High-Side-Treiberschaltung

7 bei E-Gas- bzw. Start-Stop-Systemen.


Die digital aufbereiteten Eingangssignale dienen Bei Brückenendstufen liegt der Verbraucher mit
als die veränderlichen Istwerte der in Binärcode darge- beiden Anschlusspolen am Steuergerät. Dieses An-
8 stellten Motorfunktionen. Kennfelder und Kennlinien schlussprinzip ist besonders für den Betrieb von
bilden dabei die variablen Stellgrößen für die program- Gleichstrommotoren vorgesehen, die eine kontinuier-
mierten Rechenoperationen. Die Ergebnisse aus der liche Verstellung von Vorwärts- und Rückwärtsbewe-
9 Vielzahl von Einzelberechnungen werden in Form ei- gung erfordern.
ner Pegel-/Zeitinformation an die Ausgangsports des Allen Endstufen gemeinsam ist die Selbstschutz-
10 Mikrocontrollers weitergeleitet.
Wegen des Drehmoment relevanten Einflus-
funktion, die verhindert, dass bei elektrischen Kurz-
schlüssen nach Batterie, Masse- oder Lastkurzschluss
ses des Steuergerätes kommt ein fest definiertes am Ausgang das Bauteil zerstört wird. Darüber hinaus
11 Sicherheitskonzept zum Einsatz (vergleiche ▶ Ab- werden diese Betriebsstörungen schaltungstechnisch
schn. 16.10). Dabei werden Rechenalgorithmen pa- detektiert und in einem Fehlerregister zwischengespei-
rallel in Hauptrechner und Überwachungseinheit chert. Die Recheneinheit hat nun die Möglichkeit über
12 abgearbeitet, die Ergebnisse über die serielle Schnitt- die vorhandene serielle Schnittstelle die Fehlercodes
stelle ausgetauscht und miteinander verglichen. Bei aus der Endstufe abzurufen und fest definierte Re-
13 Abweichungen wird die Sicherheitsfunktion wirk- aktionen, wie Notlauffunktionen, Ansteuerung einer
sam, die dann redundant Drosselklappe, Einspritz- Fehlerlampe sowie den Eintrag in den internen Feh-
ventile und Zündung abschaltet, um das Fahrzeug lerspeicher auszulösen.
14 stillzulegen.
16.6.4.1 Magnetventil-Einspritzsignal
für Direkteinspritzung
15 16.6.4 Signalausgabe Otto- und Dieselmotoren mit Direkteinspritzung stel-
len hohe Anforderungen an die Einzelkomponenten.
16 Der logische Pegel der Ausgangsporttreiber des Mikro- Bei Injektoren mit Magnetventil (Solenoid) wird eine
controllers wird direkt als Steuersignal der jeweiligen Stromregelung verwendet, um das Einspritzventil zu
Endstufe verwendet, die wiederum den im Fahrzeug betätigen. Zum Öffnen lässt man zunächst einen hohen
17 verbauten Aktuator betreibt. Die Endstufen lassen sich Strom fließen, indem man eine hohe Spannung anlegt,
in drei Kategorien einordnen. die von einem Spannungsübersetzer (DC/DC-Konver-
18 Low-Side-Treiber steuern induktive und ohmsche ter) geliefert wird. Nach einer vorgegebenen Zeit wird
Lasten, die gegen Batteriespannung angeschlossen der Strom dann auf einen Haltewert zurückgesetzt, der
sind, wie Ventile, Relais und Zündspulen sowie Heiz- aus der Batteriespannung gespeist wird.
19 widerstände und logische Schnittstellen anderer elek-
tronischer Steuerungen (. Abb. 16.37). 16.6.4.2 Einspritzsignal für Piezo-
Direkteinspritzung
20 High-Side-Treiber wiederum schalten den Strom-
fluss für Stellglieder die einseitig an Masse liegen. Piezogesteuerte Injektoren können aufgrund ihrer ho-
hen Schaltgeschwindigkeit für exakter zu bemessende
16.6 • Steuergeräteelektronik
829 16
Nadelhub [mm]

Voreinspritzung Haupteinspritzung

Kurbelwinkel [°]
Ansteuerstrom [A]

50

0
Kurbelwinkel [°]
Spannung [V]

100

0
Kurbelwinkel [°]

..Abb. 16.38  Prinzipieller Strom- und Spannungsverlauf und Nadelhub am Piezo-Injektor

Einspritzmengen angepasst werden und gewährleisten lichen Ansteuerelektronik sowie der Software, die für
eine hohe Wiederholbarkeit der eingespritzten Men- jeden Einspritzzyklus die Ansteuerparameter festlegt.
gen. Weiterhin sind aufgrund der kurzen Schaltzeiten Die Ansteuerelektronik wird je nach Typ mit einer
kleinere Minimaleinspritzmengen und zusätzliche Eingangsspannung von 60 bis 80 V, beziehungsweise 200
Vor- und Nacheinspritzungen möglich. bis 250 V betrieben, die von einem Spannungsüberset-
Das Aktuator-Element eines piezo-gesteuerten zer in der Motorsteuerung erzeugt wird. Dieser Wandler
Injektors besteht aus einem Stapel von mehreren hun- wird auf der Ausgangsseite durch die kurzen Schaltzeiten
dert übereinander geschichteten Piezo-Keramikfolien. mit hohen Leistungen um 500 W und durch den kapa-
Beim Aufbringen von Ladung dehnt sich dieser Aktua- zitiven Charakter der Aktoren mit großen Blindanteilen
tor innerhalb von 0,15 ms um einige 10 µm aus. Elekt- beaufschlagt. Er entnimmt aus dem Bordnetz dabei nur
risch verhält sich der Piezostapel wie ein nichtlinearer, die in Ansteuerelektronik und Aktor auftretende Wirk-
mit Hysterese behafteter Kondensator. und Verlustleistung von maximal 35 bis 50 W.
In . Abb. 16.38 ist ein typischer Strom- und Span- Bei der elektrischen Ansteuerung der Injektoren
nungsverlauf aufgezeichnet. Durch den Ansteuerstrom müssen diese gesteuert geladen und entladen werden.
fließt Ladung auf oder ab und verändert so die Span- Dafür stehen Ansteuerungen mit unterschiedlichen
nung und den gewünschten Nadelhub des Injektors. Topologien zur Verfügung. Bei einer ersten Variante
Eine genaue Steuerung der Zeitabläufe und der zuge- geschieht dies mit einer Schaltung nach dem Reso-
flossenen Ladung sind Voraussetzung für die exakte, nanzprinzip, wie in . Abb. 16.39 gezeigt. Dabei bilden
reproduzierbare Kraftstoffzumessung, die wiederum die im (Ent-)Ladekreis befindlichen Bauelemente Kon-
zum anforderungsgerechten Betrieb des Motors not- densator und Spule zusammen mit der Piezo-Kapazität
wendig ist. Die Ansteuerung des Piezo-Injektors be- ein schwingfähiges System. Die zur Piezo-Ansteuerung
steht aus einem Gleichspannungswandler, der eigent- notwendige Energie pendelt zwischen dem Steuergerät
und dem jeweiligen Injektor hin und her. Die im jewei-
ligen Kreis befindlichen Dioden erzwingen, dass der

..Abb. 16.39  Resonante Piezo-Ansteuerung ..Abb. 16.40  Ansteuerung mit Sperrwandler


830 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

Ladungstransport immer nur in der jeweils gewünsch-


1 ten Richtung erfolgt. Der Übersichtlichkeit halber sind
hier die Low-Side-Select-Schalter, mit denen der jewei-
2 lige Injektor ausgewählt wird, nicht dargestellt.
Für die Ladephase liefert der Gleichspannungs-
wandler eingangsseitig eine geglättete Spannung von
3 U1 ≈ 70 V. Mit dem Schließen des Schalters S1 fließt
Ladung auf den Piezo-Injektor, an dem schließlich eine
Spannung von rund 140 V anliegt. Die Ladediode D1
4 verhindert, dass während der Ladephase Ladung vom ..Abb. 16.41  Ansteuerung mit Aufwärts-/Abwärts-
Piezo-Injektor abfließt. Nach Abschluss der Ladephase wandler

5 öffnet S1 und die auf dem Piezo-Injektor befindliche


16.6.5 Spannungsversorgung
Ladung hält ihn geöffnet.
Die Entladephase beginnt durch Schließen des
6 Schalters S2. Die Ladung fließt nun vom Piezo-Injektor Dieser Schaltungsteil gewährleistet die Stromversor-
auf den Längskondensator C, dessen Spannung sich gung für das Steuergerät aus dem Bordspannungsnetz
7 erhöht. Die zwischengeschaltete Entladediode D2 ver-
hindert, dass dem Piezo-Injektor unmittelbar nach der
des Fahrzeugs. Dabei wird die im Spannungsbereich,
je nach Zustand und Belastung der Batterie (zum Bei-
Entladung erneut Strom zugeführt wird. spiel Anlasser), von 6 bis 18 V variable Größe, in eine
8 Bei anderen Ansteuerungen wird der Lade- und stabile Gleichspannung von 5,0 V (bei Systemen mit
Entladevorgang durch vielfach wiederholtes Übertra- modernen Mikrocontrollern zusätzlich auch weitere
gen kleiner Energiepakete realisiert. Die zweite darge- Spannungen wie zum Beispiel 3,3 und 1,8 V) für den
9 stellte Topologie (. Abb. 16.40) entspricht der eines Betrieb der Elektronik umgewandelt.
bidirektionalen Sperrwandlers. Sehr häufig werden dafür lineare Spannungsregler,
10 Auch sie kann mit Spannungen von circa 70 V be-
trieben werden. Zum Laden wird zunächst Schalter S1
sogenannte Längsregler, eingesetzt. Dabei wird die Aus-
gangsspannung mit einer intern erzeugten Referenz-
geschlossen, bis das gewünschte Energiepaket in dem spannung verglichen und bei Abweichungen durch
11 Transformator gespeichert ist. Nach dem Abschalten Ansteuerung des Transistors auf den Sollwert nachge-
des Schalters gelangt die Energie über die Diode D2 regelt. Die Spannungsdifferenz zwischen Eingang und
zum Aktor. Der Entladevorgang läuft spiegelverkehrt Ausgang wird im Transistor in Wärme umgewandelt.
12 ab. S2 wird geschlossen bis die gewünschte Energie Im Gegensatz dazu wird beim Prinzip des Schaltreg-
dem Aktor entnommen ist, anschließend wird S2 lers während der Einschaltphase die Energie im Mag-
13 geöffnet und die Energie wird über D1 in die Spei- netfeld einer Induktivität gespeichert, die während der
cherelemente des Gleichspannungswandlers zurück Abschaltphase an den Ausgang abgegeben wird. Schalt-
gespeist. frequenz, Tastverhältnis und Beschaltung beeinflussen
14 Die dritte dargestellte Topologie (. Abb.  16.41) maßgeblich die Eigenschaften und den Wirkungsgrad,
entspricht der eines Aufwärts-Abwärtswandlers. der in der Praxis zwischen 80 und 95 % liegt und damit
15 Sie benötigt einen Gleichspannungswandler
mit einer Ausgangsspannung, die größer als die
wesentlich über den Werten von Längsreglern.
Die Unterdrückung der Störspannungen vom
maximale Aktorspannung ist. Zum Laden wird S1 Bordnetz (bis zu ±150 V und 100 ms Pulsbreite) durch
16 geschlossen, bis ein bestimmter Stromwert erreicht Schutzmaßnahmen mit Halbleitern und Kondensato-
ist. Es folgt eine Phase, während der der Strom über ren trägt zum fehlerfreien Betrieb der Elektronik bei.
die Freilaufdiode D2 weiter fließt und abgebaut wird. Darüber hinaus stellt dieser Schaltungsblock bis zu
17 Zu einem geeigneten Zeitpunkt wird S1 erneut ein- drei stabile 5-V-Spannungen bereit, um externe Poten-
geschaltet. Dies wiederholt sich bis der Aktor gela- tiometer oder Sensoren mit Strom zu versorgen.
18 den ist. Der Entladevorgang läuft entsprechend ab.
Der Stromaufbau erfolgt durch S2, der Freilauf und
Stromabbau über D1. 16.6.6 Schnittstellen
19 Bei allen Ansteuerungen können die übertragene
Ladung sowie die erreichte Spannung bestimmt wer- 16.6.6.1 CAN-Bus-Schnittstelle

20 den. Diese Werte können zur Regelung und Diagnose


der Endstufe und der angeschlossenen Aktoren ver-
Das Controller Area Network (CAN) ist ein serielles
Bussystem. Es wurde insbesondere erstellt zur Ver-
wendet werden. knüpfung von intelligenten Sensoren, Aktuatoren und
16.6 • Steuergeräteelektronik
831 16

communication cycle

static segment dynamic segment


channel 1

1 2 3 4 5 6 7 8 9 12
A1 C1 D1 A2 E1 D2 C2 E2
t
channel 2

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
A4 B1 C1 B2 A2 E1 F1 C2 A3
t

..Abb. 16.42  Kommunikationszyklus des Datentransfers

elektronischen Motor/Getriebsteuerungen (ECU/ heitskritische Systeme im Fahrzeug erfüllt. Dieser Bus


TCU) im Fahrzeug. CAN ist ein serielles Bussystem definiert einen herstellerübergreifenden Standard mit
mit Multi-Master-Eigenschaften. Das CAN-Bus-Pro- einer Datenrate von bis zu zweimal 10 MBit/s, fest de-
tokoll wurde speziell für sicherheitskritische Anwen- finierten Latenzzeiten und Übertragungszyklen.
dungen in der Automobilindustrie entwickelt. Alle FlexRay arbeitet nach dem TDMA Prinzip (Time
CAN-Teilnehmer können Daten übertragen; mehrere Division Multiple Access). Den Teilnehmern bezie-
Knoten können simultan den Bus abfragen. Das seri- hungsweise Botschaften werden feste Zeitfenster zu-
elle Bussystem hat Echtzeiteigenschaften. Es wurde in geteilt, in denen ihnen ein exklusiver Buszugriff zuge-
der ISO 11898 zum internationalen Standard dekla- wiesen ist. Diese sogenannte „Time slots“ wiederholen
riert. Die objektorientierten Nachrichten beinhalten sich in bestimmten Abständen, das heißt die Perioden
Informationen wie Drehzahl, Temperatur und sind für während der sich die Information auf dem Bus befin-
alle Empfänger verfügbar. Jeder Empfänger entscheidet det, kann exakt vorbestimmt werden. Dem nachteili-
selbstständig auf Basis der mitgesendeten Identifier, ob gen Einfluss dieser fixen Zuordnung auf die Bandbreite
die Nachricht verarbeitet wird oder nicht. Die Arbitrie- wird durch die Unterteilung in statische und dynami-
rung der Bus-Teilnehmer ist durch die Identifier prio- sche Abschnitte begegnet, wobei die sehr kurzen dyna-
ritätsgesteuert. Die maximale Datenübertragungsrate mischen „Minislots“ nur bei Kommunikationsbedarf
beträgt 1 Mbit/s. prioritätsgesteuert genutzt werden. Die beiden Über-
tragungskanäle erlauben die fehlertolerante Übertra-
16.6.6.2 LIN-Bus-Schnittstelle gung der Information. Den Kommunikationszyklus
LIN (Local Interconnect Network) beschreibt einen kos- des Datentransfers zeigt . Abb. 16.42.
tengünstigen Kommunikationsstandard für Komfort-
elektronik, intelligente Sensoren und Aktuatoren und
nicht sicherheitskritische Motorsteuerungskomponen- 16.6.7 Elektronik für
ten. Die Kommunikation basiert auf einer bitseriellen Getriebesteuergeräte
Eindraht-Leitung nach dem SCI (UART) Datenformat.
Die maximale Übertragungsgeschwindigkeit beträgt Ein Getriebesteuergerät besteht typischerweise aus
20 kBit/s. Die Synchronisation der einzelnen Knoten er- einem Systembasis-Chip (Spannungsversorgung,
folgt ohne stabilisierte Zeitbasis. Die Spezifikation ist an- Kommunikationsschnittstellen und Sicherheitsfunk-
gelehnt an die ISO 9141. Durch eine Unterscheidung in tionen), einem Mikrocontroller, einem Interface zur
Master und einen bis mehrere Slaves wird eine Kollision Signalaufbereitung für die Sensorik sowie Endstufen
von Nachrichten auf der Datenleitung vermieden, weil für die Ansteuerung von Magnetventilen und/oder
nur der Master eine Kommunikation einleiten kann. Elektromotoren für diverse Steller.
Um den knappen Bauraumanforderungen Rech-
16.6.6.3 FlexRay-Bus-Schnittstelle nung zu tragen, werden die Hauptfunktionen in so-
Beim sehr schnellen FlexRay-Feldbus handelt es sich genannte ASICs (= Anwenderspezifische, integrierte
um eine zeitgesteuerte und fehlertolerante Kommuni- Schaltungen) integriert, was Bauteilanzahl und Her-
kationsschnittstelle, die die Anforderungen an sicher- stellkosten der Steuergeräte reduziert. Nachfolgend
832 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
..Abb. 16.43  Blockschaltbild Getriebesteuerung für ein hydraulisches Doppelkupplungsgetriebe mit elektri-
scher Ölpumpe
12
werden die realisierten Lösungsansätze für integrierte Gangstellerpositionssensoren durch zwei Hilfs-
13 Komponenten beschrieben. Die Module Signalaufbe- spannungen versorgt, um eine höhere Verfügbarkeit
reitung und Mikrocontroller sind im vorherigen Kapi- des Systems im Fehlerfall zu erreichen. Das ASIC
tel bereits hinlänglich beschrieben. enthält als weitere Komponente ein Kommunika-
14 Es gibt jedoch einige Funktionsmodule, die spe- tionsinterface mit einem CAN-Bus- und LIN-Bus-
zifisch für Getriebesteuerungen entwickelt wurden Treiber, wie in den ▶ Abschn. 16.6.6.1 und 16.6.6.2
15 (siehe . Abb. 16.43).
a) Transmission-Systembasis-Chip (TSBC)
beschrieben. Eine weitere Funktion stellt die intelli-
gente „Watchdog“-Einheit dar. Diese Einheit ist mit
(. Abb. 16.44) einem SPI-Interface an den Controller gekoppelt
16 Die Hauptfunktion des Systembasischips ist das und dient der Überwachung der Programmablauf-
Bereitstellen unterschiedlicher, stabilisierter Ver- steuerung. Dazu wird ein Parameter an den Rech-
sorgungsspannungen für den Mikrocontroller, ner übertragen, dieser berechnet anhand eines Al-
17 den Endstufen und den Sensormodulen. Moderne gorithmus ein Ergebnis und überträgt dies in einem
Mikrocontroller benötigen unterschiedliche, stabi- definierten Zeitraster zurück an das ASIC. Weicht
18 lisierte Versorgungsspannungen (Core, Digital I/O- das übertragene Ergebnis von dem erwarteten ab,
Pin, ADC-Wandler). Diese werden vom Systemchip liegt eine Störung vor. In diesem Fehlerfall wird das
mit der vom Hersteller geforderten Genauigkeit zur Steuergerät in einen sicheren Zustand versetzt und
19 Verfügung gestellt. Die Anforderung an die Ver- die Endstufen direkt ohne Zugriff über den Control-
sorgung der Sensorik hängt von der Art (Digital/ ler ausgeschaltet. Der angestiegene Stromverbrauch
20 Analog) und den Kundenanforderungen hinsicht-
lich des Sicherheitskonzeptes ab. In Doppelkupp-
der Mikrocontroller kann bei den bisher eingesetz-
ten Konzepten zu einer unzulässigen Temperaturer-
lungssteuergeräten werden zum Beispiel die zwei höhung im Steuergerät führen. Deshalb werden bei
16.6 • Steuergeräteelektronik
833 16

..Abb. 16.44  Blockschaltbild Getriebesystembasischip TSBC


Cp2
Cp1

Cp4
Cp3

VDDD VDD5 VDDA


Solenoid driver CPC
Charge pump
COMCUR SDS4

COMPOS
COMOUT
COMNEG

TEST
FAULTL
ogic
RSTn
Gate
Gate drivers
drivers PWMOUTx
PWMINx Gate
Gate drivers
for
driversPWM
forfor
PWMPWM
(slew rate PWMSRCx
for PWM
(slew rate
(slew
(slew rate
controlled)
rate
controlled) FWSRCx
controlled)
Vref controlled)
Bandgap Gate drivers
Gate
Gate drivers
drivers FWOUTx
Gate for
driversAFW
forfor
AFWAFW
for AFW

CURx POSx

NEGx

SPI Interface

DGND AGND
CSn
SI

SO

..Abb. 16.45  Blockschaltbild ASIC für 4-Kanal-Stromregler auf SW-Basis


834 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

NDRVxEN
1

SOURCEx
GATEx
x = 0 , 1 , ..., 7

RSHx

RSLx
2
N O U T D IS H ig h /L o w D ia g n o sis Com m on
PLL & O S C IN
s id e s w itc h and M ode
C lo ck fa il

3
c o n tro l p ro te c tio n S ta g e OSCOUT
d e te c tio n
V C C IO
VCCX
In v e rs e S in c
R e g u la tio n
VBATT d is tu rb a n ce F ilte r

4
+ D ith e r M o d u la to r
fe e d b a c k
GND
8 C h a n n e ls
NRESET

5 RBC
C h a rg e p u m p
u tp u t fo r re v e rs e
SDH8
6
ro te c tio n N -M O S
C h a rg e D ia g n o s is SPI B andgap
POR
Pum p re g is te r In te rfa ce R e fe re n ce

7
CP1C
CP2C

CP4C
CP3C

SDO

NCS
CLK
SDI
NFAULT

VREF_OUT
* M u ltip le x e d w ith N D R V 0 E N

8
..Abb. 16.46  Blockschaltbild ASIC für 8-Kanal-Stromregler auf HW-Basis

9 neuen Entwicklungen die bisherigen Linearregler (. Abb. 16.46). Für moderne Applikationen wur-
durch Schaltreglerkonzepte ersetzt. den ASIC-Entwicklungen mit dem Ziel optimiert,
10 b) Stromregler für elektromagnetische Ventile
Die Betätigung der Gang- und Kupplungssteller
Funktionalität und Diagnosefähigkeit weiter zu
verbessern. Die Überwachung der Endstufen
erfolgt über das Ein- und Ausschalten von elektro- (MOSFETs) und gegebenenfalls Auswertung der
11 magnetischen Proportionalventilen in der Steuer- möglichen Fehlerfälle wie Kurzschluss oder Lei-
hydraulik des Getriebes. Diese Funktionalität wird tungsbruch erfolgen nun ausschließlich im ASIC.
über die Regelung der Öffnungsquerschnitte der Dieser übermittelt die Auswertung am Mikrocon-
12 jeweils betroffenen Stromregelventile dargestellt; troller. Hier muss nur im Fehlerfall eingegriffen
diese Regelventile befinden sich in der Steuerhyd- und anhand des Systemzustandes über kritischen
13 raulik des Getriebes. Als Messgröße dient hier der oder unkritischen Zustand entschieden werden.
zum Öffnungsquerschnitt proportionale elektri- Im Fehlerfall (zum Beispiel Überstrom im MOS-
sche Strom durch das entsprechende Ventil. Dieser FET) werden direkt im ASIC die Endstufen ohne
14 wird mit Hilfe von sogenannten Messhunts und Eingriff des Mikrocontrollers abgeschaltet.
hochgenauen Operationsverstärkern bestimmt c) Ansteuerung von bürstenlosen Gleichstrommo-
15 und entsprechend dem Sollwert nachgeregelt.
Für die Stromregelung stehen zwei unterschied-
toren
In modernen, hydraulisch gesteuerten Getrieben,
liche Verfahren zur Verfügung. Zum einen kann wird der mechanische Antrieb der Ölpumpe durch
16 der Regelalgorithmus hardwaremäßig in einem einen Elektromotor ersetzt, um den Ölstrom be-
ASIC oder per Software im Mikrocontroller rea- darfsgerecht zu regeln und bei Start/Stop-Funktio-
lisiert werden (. Abb. 16.45). Typischerweise wer- nalität ein schnelles Starten des Verbrennungsmo-
17 den die Magnetventile mit einem PWM-Signal in tors zu ermöglichen. Wie bereits erwähnt, treten
einem Frequenzbereich zwischen 1 und 10 kHz hier Phasenströme bis 85 A auf.
18 angesteuert. Um ein Festsetzen der Ventile durch Eine weitere Getriebevariante stellt das sogenannte
Schmutz in der Hydraulik zu verhindern, wird trockene Doppelkupplungsgetriebe dar. Hier wird
dem Regelsignal ein niederfrequentes Dithersi- die hydraulische Steuerung des Getriebes (Gang-
19 gnal überlagert. Bei dem Softwareregler hat man steller, Kupplung) durch Elektromotoren abgelöst.
mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Ditherre- Diese Steuerung kann gleichzeitig vier Elektromo-
20 gelung (Sinus, Rechteck, Sägezahn etc.), während
es bei der HW-Regelung vorgegebene Formen
toren ansteuern.
Bei Getrieben für Allradapplikationen werden
gibt, die im ASIC als Digitalcode realisiert sind häufig Elektromotoren als Aktuator für die Akti-
16.7 • Software-Strukturen
835 16

Control circuit power supply


- Adjustable pre-regulator (linear)
with external MOSFET
ATIC106
- 5V main supply
2 Small signal low side outputs
1 x MOSFET - 2 sensor supplies (< 200mA) with diagnostic (fully
(5V and one adjustable) integrated)
- Window watchdog

Small signal HS output (< 2mA,


Commutation circuit for Brushless switched battery for battery
motors with 3 hall sensors measurement)

Configurable as Full Configurable as Half bridge


1 x MOSFT for
Reverse Battery or Half bridge or separate High/ Low-
Protection
Side-Output stages
Half bridge Half bridge
(Control circuit) (Control circuit) Half bridge
- Current sensing - Current sensing (Control circuit)
- MOSFET Driver - MOSFET Driver - MOSFET Driver
- Protection - Protection - Protection
- Diagnostic - Diagnostic - Diagnostic

2 x MOSFET 2 x MOSFET
2 x MOSFET
+ 1xShunt + 1 x Shunt

..Abb. 16.47  Blockschaltbild ASIC für BLDC-Motoransteuerung mit Systemfunktionen

vierung der Sperrfunktion des Differentials, für die der Halbbrücken sowie (gemeinsam mit dem Mi-
Zuschaltung der zweiten Antriebsachse (Vierrad- krocontroller) die exakte Stellung des Aktuators.
antrieb) oder auch zum Gangwechsel (zum Bei- Auch in diesem Baustein sind aus denselben Grün-
spiel Geländegang) eingesetzt. Eine Kombination den wie oben weitere Funktionen integriert (hier
dieser Funktionen ermöglicht die Momentenrege- Ansteuerung für Verpolschutz und Spannungsreg-
lung im Antrieb zur Verbesserung der Fahrdyna- ler, Watchdog und Treiber). Der Baustein ist auch
mik. Für den Betrieb dieser Elektromotoren sind für Bürstenmotoren konfigurierbar.
Spitzenströme bis weit über 25 A nötig.
Für derartige Belastungen sind integrierte H-Brü-
cken-Bausteine nicht mehr geeignet. In neueren 16.7 Software-Strukturen
Applikationen werden vielfach bürstenlose Gleich-
strommotoren Brushless-DC-Motor (BLDC-Moto- 16.7.1 Aufgabe der Software bei der
ren) eingesetzt. Hier wird die Drehung des Rotors Steuerung von Motoren
über ein elektromagnetisches Drehfeld erreicht.
Das Drehfeld wird über die geeignete Ansteuerung In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung der Soft-
von drei Halbbrücken erzeugt. Die komplizierte ware in der Kraftfahrzeugelektronik insgesamt und
wechselweise Ansteuerung der Halbbrücken sowie insbesondere bei der Motorsteuerung dramatisch und
die Überwachung der ordnungsgemäßen Funktion stetig zugenommen. Zum einen werden so Funktionali-
werden von für diesen Zweck entwickelten Baustei- täten preiswerter und besser realisiert, die bislang durch
nen durchgeführt. In der . Abb. 16.47 ist ein ASIC mechanische oder elektronische Lösungen erreicht wur-
dargestellt, der die Drehzahlvorgabe des Mikrocon- den, zum anderen erlauben die Möglichkeiten eines im
trollers in ein Drehfeld für den BLDC-Motor um- Prinzip frei programmierbaren Rechners aber auch, völ-
rechnet. Im ASIC erfolgt komplett die Erkennung lig neue und zuvor nicht realisierbare Funktionen hin-
der Drehrichtung des E-Motors, die Ansteuerung zuzufügen. Zu erwähnen sind hier die umfangreichen
836 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

a
1 2500 250

2 2000
Code [kByte]
200

Data [kByte]

3
1500 150

1000 100
4
500 50

5
0 0
1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014
6 Modelljahr

b
7 4500
Computing power

4000
8 3500

3000
9 2500

10
2000

1500

11 1000

500

12 0
1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014

..Abb. 16.48  a Software-Umfänge eines typischen Sechszylinder-Motorsteuerungsgerätes in kByte, b Entwick-


13 lung der Rechenleistung von Motorsteuerungsgeräten bezogen auf die der Saturn-V-Rakete

Eigendiagnosefähigkeiten moderner Steuergeräte oder Dabei dient ein wesentlicher Anteil der Software
14 auch die durch Software mögliche Feinstabstimmung (bis zu 50 %) in einer modernen Motorsteuerung nicht
des Verbrennungsprozesses, durch die Emission und der „eigentlichen“ Funktion (Steuerung des Motors),
15 Verbrauch minimiert werden.
Der Umfang der Software (. Abb. 16.48a) eines
sondern erledigt Aufgaben aus dem Umfeld wie Dia-
gnose von ECU und Peripherie, OBD II etc.
typischen Motorsteuerungsgerätes hat sich in der Ver- Die wachsenden Software-Umfänge bei gleichzeiti-
16 gangenheit anfangs etwa alle drei Jahre verdoppelt. Seit ger Verkürzung der Entwicklungszeiten führen auch zu
2002 nimmt der Umfang um 150 kByte pro Jahr zu. Ein einem starken Anstieg der Software-Teamgröße für ein
Trend, der sich wohl auch weiterhin fortsetzen wird. Projekt von zwei Entwicklern in 1990 zu mehr als zehn
17 Noch drastischer verhält es sich mit der Entwick- im Jahr 2000, was zur Notwendigkeit der Einführung
lung der Rechenleistung von Motorsteuerungsgeräten, eines strikten Entwicklungsprozesses mit umfangrei-
18 . Abb. 16.48b. Während 1990 die Rechenleistung ei- chen Qualitätskontrollen führte. Mittlerweile ergeben
ner Motorsteuerung 25-mal größer war als 1970 die sich durch die konsequente Wiederverwendung von
der Saturn-V Rakete, steht der Motorsteuerung heute SW Komponenten zum einen sogenannte „Off-the-
19 das 4000-fache zur Verfügung. Dies wird unter ande- shelf “-Projekte, die mit zwei Entwicklern in Serie
rem durch den Einsatz von Mehrkernprozessoren er- gebracht werden können, weil zuvor entwickelte und
20 reicht, die eine Steigerung der Prozessorleistung ohne
zusätzliche Kühlung ermöglichen.
getestete Funktionalität nur noch integriert und kon-
figuriert werden muss. Andererseits arbeiten bei der
Entwicklung und Erstanwendung neuer Technologien
16.7 • Software-Strukturen
837 16

manchmal mehr als 50 SW-Entwickler gleichzeitig an 16.7.3 Das Architekturkonzept


einem Projekt. der Software

Die Softwarearchitektur moderner Motorsteuerungen


16.7.2 Anforderungen basiert im Wesentlichen auf dem AUTOSAR-Standard
an die Software (. Abb. 16.49).
Der Großteil der Software (die „Applikationssoft-
Was sind nun die Anforderungen an die Software- ware“) ist hardwareunabhängig und enthält die eigent-
Struktur in einer elektronischen Steuerung des An- liche Funktionalität. Die Software ist in sogenannte

-
triebsstrangs?
Darstellung der benötigten Funktionalität: Motor-/
Getriebe/Hybridsteuerung, Abgaskontrolle/-reini-
gung, Komfortfunktionen, Komponentenschutz,
„SW-Komponenten“ unterteilt, das sind austauschbare
SW-Teile deren Verhalten und Schnittstelle in einem
maschinenlesbaren standardisierten Format (XML)
beschrieben sind. Dadurch können mit Hilfe von Inte-
Eigendiagnose mit extensiver Fehlerspeicherung grationstools sehr effizient Applikations-SW-Teile von
(EURO x, OBD), Notlauf, Reprogrammierbarkeit verschiedenen Zulieferern zu einer Gesamtsoftware
mit Zugriffskontrollen, Kommunikation zu ande- integriert werden.
ren Steuergeräten und Sicherheitsfunktionen. Darunter liegt die Basis-Software, die hardwareab-
Schnelle Reaktionen in Echtzeit: auf I/O-Ebene hängig ist, aber großteils anwendungsunabhängig (al-
im µsec-Bereich, auf Funktionsebene 2 msec bis lerdings hoch konfigurierbar).
1 sec zeitsynchron beziehungsweise 1,8 msec bis Durch dieses Design wird versucht, eine möglichst
1,5 sec kurbelwellensynchron möglichst weit- hohe Wiederverwendbarkeit zur erreichen. Identische
gehende Unabhängigkeit von der verwendeten Anwendungen können leicht auf andere HW verwen-
Hardware, insbesondere vom Mikrocontroller, det werden (es muss nur der entsprechende Teil der

- um eine Multi-Source-Strategie zu unterstützen.


Abdeckung verschiedener Aufgabenbereiche
(Benzin, Diesel, Automatikgetriebe, automatisch-
manuelles Getriebe, Integrierter Starter-Genera-
Basis-SW getauscht werden). Die Basis-SW kann leicht
an andere Anwendungen angepasst (umkonfiguriert)
werden.
Einen Spezialfall stellen die sogenannten „Complex
tor, Hybrid- und Elektroantrieb, …) mit hohem Driver“ dar. Diese Teile der Basis-SW sind HW- und
Grad an Wiederverwendung auch zwischen anwendungsspezifisch, also exakt auf das Steuergerät

- diesen Aufgabenbereichen.
Integrierbarkeit für beigestellte Software von
Kunden beziehungsweise Schlüsselkomponen-
tenherstellern.
abgestimmt. Diese Teile übernehmen hoch echtzeit-
kritische Funktionen, für die ein perfektes Zusammen-
spiel von HW und SW gewährleistet sein muss. Da in
der Motorsteuerung im Vergleich zu anderen Steuer-
geräten im Auto viele solcher Funktionen existieren
Nutzung von Standard-Software-Komponenten (AU- (zum Beispiel Zündung, Einspritzung, Zahnsignaler-
TOSAR Basic SW mit Betriebssystem, Kommunika- fassung), nehmen die Complex Driver einen großen
tions- und Netzwerkdiensten). Teil der Basis-SW ein.
Um derartige Anforderungen wirtschaftlich erfül- Die Applications-SW-Teile kommunizieren mit ih-
len zu können, ist eine weitgehende Entkopplung von rer Umwelt (das heißt anderen Komponenten und der
Funktion und Hardware zwingend erforderlich. Die Basis-SW) nur über das sogenannte „Runtime-Environ-
Lösung besteht in der Nutzung von Software-Schichten ment (RTE)“. Diese Zwischenschicht („Middleware“)
(Layer) mit definierten Zuständigkeiten, wie sie bei- wird auf Basis der Komponentenbeschreibungen bei der
spielsweise im AUTOSAR-Standard definiert wurden. Integration erzeugt und kümmert sich um die Weiter-
Darüber hinaus ist ein wohldefinierter Software-Ent- gabe von Signalen und Kontrollflüssen, Pufferung von
wicklungsprozess nötig, um Termintreue und Qualität Daten, die Kommunikation über Prozessorkerngren-
sicherzustellen. zen hinweg und abstrahiert zum Teil sogar, auf welchem
physikalischen Steuergerät eine SW-Komponente liegt
(nur geeignet für weniger echtzeitkritische Funktionen).
Dadurch ist es möglich, SW-Komponenten unabhän-
giger von ihren Nachbarkomponenten zu entwickeln,
was durch die Arbeitsteilung (Auto-, SW- und Steuerge-
rätehersteller entwickeln jeweils Teile der SW, die später
integriert werden) immer wichtiger wird.
838 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
2
3
4
5
6
7
8
..Abb. 16.49 AUTOSAR-Software-Architektur

9
SOFTWARE V-CYCLE

10 Management Process S1 Quality

Project Planning Assurance

11 Project Control
Process

12 Software Configuration Management


Q Q
U U

13 System
Development Process
Development Process
A
L
A
L
Requirements Delivery to
relevant for SW (internal)Customer I I

14 Software Software
Software
T T

S2 Requirements Validation S6 Y Y
Specification Plan Validation

15 Software
Requirements
(may be
combined
Integrated
Software
M C
Specification into one plan) E O
Software

16 Software Verification Software T N


S3 Integration S5
Design Plan R T

SW Design Verified I R
Modules
17 Document

Module Verification
C
S
O
L
Coding (Operation level & S4
Result /
Module level)
18 Code
Document

Activity

19 ..Abb. 16.50 Software-Entwicklungsprozess

20
16.8  •  Die Steuerung des Verbrennungsmotors
839 16

..Abb. 16.51  Energieflussbasierte Regelungsstruktur des Antriebsstranges

16.7.4 Der Software- 16.8.2 Antriebsstrangmanagement


Entwicklungsprozess
Spätestens durch die Einführung von Hybridsystemen
Effiziente und qualitätsbewusste Software-Entwicklung bei denen neben dem Verbrennungsmotor auch noch
in größeren Teams erfordert einen passenden, gut be- elektrische Motoren Antriebsmomente erzeugen kön-
schriebenen Entwicklungsprozess gemäß CMM (Capa- nen, wurde die Einführung einer separaten Antriebs-
bility Maturity Model) und SPICE. Weit verbreitet ist der strangmanagement-Ebene unerlässlich.
V-Zyklus (vergleiche . Abb. 16.50), der besonders gut Unabhängig von der Fahrzeugkonfiguration ist es
das Zusammenspiel von Analyse der Aufgabe über die die Aufgabe des Antriebsstrangmanagements, die ver-
Abstraktionsebenen und den zugehörigen Tests darstellt. schiedenen Energieflüsse im Antriebsstrang zu koordi-
Für jede Softwarelieferung, in der Regel mindestens fünf nieren. Hierbei handelt es sich um mechanische, elektri-
für ein Projekt, wird das V komplett durchlaufen. sche sowie thermische Energien. Aufgrund der hohen
Leistungsfähigkeit moderner Motorsteuerungen bietet
es sich an, dass die Motorsteuerung eine zentrale Rolle
16.8 Die Steuerung des im Bereich des Antriebsstrangmanagements übernimmt.
Verbrennungsmotors Das Antriebsstrangmanagement steuert hierbei
das Zusammenspiel von Verbrennungsmotor, elekt-
16.8.1 Fahrerwunsch und rischer Maschine(n), Batterie, Getriebe und thermi-
Fahrerassistenzsyssteme schem System (Kühlkreislauf etc.) (. Abb. 16.51).
Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit aktueller
Der Fahrerwunsch wird bei E-Gas-Systemen (Drive- Motorsteuerungen bietet es sich an, dass die Motor-
by-Wire) über einen Pedalwertgeber dem System steuerung eine zentrale Rolle im Bereich des Antriebs-
mitgeteilt und in der Momentenstruktur als Momen- strangmanagements übernimmt.
tenanforderung interpretiert. Dieser Momentwunsch
kann durch diverse Stelleingriffe wie zum Beispiel die
Fahrgeschwindigkeitsregelung (Cruise control), die 16.8.3 Drehmomentbasierte
Lastschlagdämpfung oder durch Getriebeeingriffe ver- Funktionsstruktur der
ändert werden. Moderne Fahrzeuge besitzen darüber Motorsteuerung
hinaus einen zunehmenden Umfang an fortschritt-
lichen Fahrerassistenzsystemen, wie beispielsweise Moderne Motorsteuerungen erfüllen heute nicht
Abstandsregelautomatik, die letztendlich Schritte in nur die immer weiter steigenden Anforderungen an
Richtung des vollautonomen Fahrens als Fernziel dar- Abgasemissionen und Verbrauch bei maximalem
stellen. Fahrkomfort, sondern erfüllen auch die strengen
gesetzlichen Anforderungen an Eigendiagnose und
Sicherheit. Damit geht die Aufgabe einer Motorsteu-
840 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

Frischgasfüllung
1 Zündwinkel
Moment aus
Verbrennung
Motor-
moment
Kupplungs-
moment
Kupplung Getriebe
Antriebs-
moment
Motor – –
Lambda
2 :
:

3 Ladungswechsel und Reibung

Nebenaggregate
4 Kupplungsverluste und -übersetzung

5 Getriebeverluste und -übersetzung

..Abb. 16.52 Drehmomentübertragung
6
erung für einen Verbrennungsmotor weit über die Zündungspfad übernimmt alle Eingriffe, die direkt auf
7 Steuerung der Einspritzung (und Zündung beim
Ottomotor) hinaus und beinhaltet die Steuerung ei-
den Verbrennungswirkungsgrad wirken und weist eine
drehzahlabhängige Zeitkonstante von 3 bis 30 ms auf.
ner großen Menge an Aktoren zur Beeinflussung der In ihm werden alle Stelleingriffe vorgenommen, die das
8 Verbrennung. Vor allem die Einführung von Drive- vom Motor abgegebene Moment unabhängig von der
by-Wire-Systemen (mechanische Entkopplung von Füllung beeinflussen, nämlich Zünd- und Einspritz-
Fahrpedal und Drosselklappe) in den 1990er-Jahren Timing.
9 hat die funktionalen Möglichkeiten wesentlich ge- Durch die Koordination der beiden Pfade be-
steigert. So ist es beispielsweise möglich, die Zylin- steht die Möglichkeit, durch Zündwinkelverstellun-
10 derfüllung unabhängig vom Fahrerwunsch einzu-
stellen.
gen auch schnelle Drehmomenterhöhungen zu errei-
chen. Dies ist wichtig für die Leerlaufregelung, den
In einer drehmomentbasierten Funktionsarchi- Start, Getriebeeingriffe und Antriebsschlupfrege-
11 tektur werden alle Anforderungen in den physika- lung. Eine gewollte Wirkungsgradverschlechterung
lischen Größen Drehmoment oder Wirkungsgrad durch Zündeingriffe, zum Beispiel Zündwinkelspät-
definiert. verstellung beim Kat-Heizen zur Abgasverbesserung
12 Da bei vielen Funktionen eine hohe zeitliche Dy- ist ebenfalls realisierbar. Zum schnellen Momen-
namik erforderlich ist, wird das geforderte Sollmoment tenpfad sind weiterhin der Lambda- und der Zy-
13 durch zwei Pfade realisiert. Der mit einer Zeitkons- linderabschaltpfad zuzurechnen, die im Bedarfsfall
tanten von größer 100 ms eher langsame Füllungspfad aktiviert werden können und ebenfalls mit dem
beeinflusst die Stellung der Drosselklappe beziehungs- Füllungspfad und/oder Zündungspfad koordiniert
14 weise des Wastegates und damit die Füllung des Zylin- werden.
ders mit Luft. Der schnellere kurbelwellensynchrone
15
TQI = TQ_CLU - TQ_LOSS
16
Induziertes Kupplungsmoment
17 Moment (positiv oder negativ)
(nur Hochdruck-
phase)
18
TQ = 0 TQ_LOSS = 0 [Nm]

19 Verlustmoment (negativ)
TQI = 0

20 [Nm]

..Abb. 16.53  Berechnung von TQI


16.8  •  Die Steuerung des Verbrennungsmotors
841 16
..Abb. 16.54 Modell Einlasssystem Abgassystem
des Luftpfads
Luftfilter . . .
mkgh mthr mcyl

pim pim pex


pamb
Tim, Vim Tex,
Vex
pthr
.
mcps,
Luftmassensensor

Ideale Gasgleichung und Massenbilanz:


. Rg . Tim . . . .
p im = (mthr + m cps + mcrcv – mcyl )
Vim

Aus den Haupteinflussgrößen wie Frischgas- Das Verlustmoment TQ_LOSS ist immer ein ne-
füllung, Zündwinkel und Lambda ergibt sich das gatives Moment. Es bezeichnet das Moment, das auf-
innere Moment TQI aus der Verbrennung, welches gewendet werden muss, um den unbefeuerten Motor
im Gegensatz zum indizierten Moment aber noch zu drehen (schleppen).
nicht den gesamten Ladungswechsel beinhaltet. Das
vom Motor abgegebene Moment, . Abb. 16.52, er-
gibt sich aus dem indizierten Moment abzüglich der 16.8.4 Modellbasierte Funktionen
Verlustmomente durch Reibung. Die Reibungs- und am Beispiel des
Ladungswechselverluste werden in dem Verlustmo- Saugrohrfüllungsmodells
ment TQ_LOSS zusammengefasst. Nach Abzug der
Verlustmomente durch die Nebenaggregate ergibt Aufgrund der sich stetig verschärfenden Bestimmun-
sich das Kupplungsmoment TQ_CLU. Das an den gen der Abgas- und Verbrauchsgesetzgebung erhö-
Rädern zur Verfügung stehende Antriebsmoment hen sich auch die Anforderungen an Genauigkeit und
ergibt sich nach Berücksichtigung der Verluste durch Stabilität des Kraftstoff-Luft-Gemisches. Während die
Kupplung und Getriebe. Kraftstoffzumessgenauigkeit ganz wesentlich vom In-
TQI, in . Abb. 16.53, errechnet sich folgenderma- jektordesign, der Ansteuerelektronik und den zugehö-
ßen: rigen Steuer- und Regelalgorithmen abhängt, ist auf der
Luftseite vor allem die aktuelle Gasdynamik im Saug-
TQI = TQ_CLU − TQ_LOSS: rohr sowie die daraus resultierende Zylinderfüllung in
Abhängigkeit von den Positionen der Luftpfad- und

..Abb. 16.55  Modell für den Luftmassenstrom durch die Drosselklappe


842 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

100 Beispiel Drücke und Temperaturen, Massenströme, …)


1 aufgrund von Befüll- oder Entleervorgängen gehen
NOx
durch sich verändernde Aktuatorpositionen oder Mo-
2 tordrehzahl so genau berechnen, dass die erforderliche
Präzision des Kraftstoff-Luft-Gemischs gewährleistet
80
ist. Gleichzeitig werden die Modelle aber so einfach wie
3 λ-Fenster
möglich gehalten, um Bedatungsaufwand, Speicherbe-
darf und Mikroprozessorbelastung zu begrenzen. Im
konkreten Fall eines geänderten Fahrerwunschs führt
Konver tierungsgrad

4 60
etwa Öffnen beziehungsweise Schließen der Drossel-
klappe zu einem schnellen Anstieg beziehungsweise
5 Abfall des in das Saugrohr einströmenden Luftstroms.
Durch dieses Befüllen beziehungsweise Entleeren steigt
40 beziehungsweise fällt der Druck im Saugrohr, wobei der
6 HC Änderungsgradient von dessen Volumen abhängt. Die
Zylinderfüllung selbst, das heißt der aus dem Saugrohr
7 20
ausströmende Luftmassenstrom, ändert sich bei an-
sonsten gleichen Bedingungen mit einer anderen Zeit-
konstante, nämlich proportional zum Druck im Saug-
8 CO
rohr. Ein vor dem Saugrohr sitzender Luftmassensensor
beobachtet daher stets eine wesentlich höhere Dynamik
des einfließenden Luftmassenstroms, als sie der durch
9 0
0,7 0,9 1,1 1,3 das Speicherverhalten des Saugrohrs gedämpfte, aber
Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ
für die Einspritzung maßgebliche ausfließende Luft-
10 massenstrom aufweist. Die Folge einer Bemessung des
Kraftstoffs auf Basis des Sensorsignals wäre zu viel ein-
..Abb. 16.57 Lambda-Fenster
gespritzter Kraftstoff beim Gas geben beziehungsweise
11 Gaswechselaktuatorik präzise zu beschreiben sowie Ausmagern beim Gas wegnehmen.
möglichst schnell und präzise den gewünschten Soll- Ein einfaches Saugrohrfüllungsmodell kann diese
werten nachzuführen. Dabei muss wegen der zuneh- Gemischfehler weitgehend eliminieren. Dazu wird auf
12 menden Variantenvielfalt in den Fahrzeugbaureihen Basis der allgemeinen Gasgleichung und der Massen-
der Kalibrationsaufwand minimiert, und gleichzeitig bilanz über das Saugrohr durch Aufsummierung der
13 ausreichend Robustheit gegen äußere Einflüsse sowie ein- und ausfließenden Gasmassenströme die Ände-
Serienstreuungen erzielt werden. Zu diesem Zweck rung des Saugrohrdrucks berechnet (. Abb. 16.54).
werden auch im Bereich der Lasterfassung und -steu- Dieser Saugrohrdruckgradient wird numerisch zum
14 erung physikalisch basierte Modellrechnungen ein- aktuellen Saugrohrdruck aufintegriert, mit dem dann
gesetzt, welche die relevanten Systemparameter (zum die Zylinderfüllung direkt ermittelt werden kann. Die
15
16
17
18
19
20
..Abb. 16.56  Modell des Luftmassenstroms in den Zylindern
16.8  •  Die Steuerung des Verbrennungsmotors
843 16
Korrekturwert
Sollwert Einspritzmenge Istwert
Regler Motor +
– PI Lambdasonde

..Abb. 16.58  Regelalgorithmus für binäre Lambda-Sonde

gemessenes λ

Kennlinienverschiebung Nachkatsonden-Signal
(PI-) Trimmregler

korrigiertes λ

1 / On/Off Stop Adjustierung Begrenzungsanzeige

Regelabweichung
Reglerausgang Begrenzung aufgrund Einspritzmengenkorrektur
(Richness)
– (PII2 D-) λ-Regler nicht-stationärer
Bedingungen
–1

1 / 1 /

Vorsteuerpfad On/Off
gefilterter
λ -Sollwert Berücksichtigung von
λ -Sollwert
Gaslaufzeit und des
Sensorverhaltens

λ -Fenster/Sollwert λ -Puls
evtl. Sekundär- Zwangsanregung
lufteinfluss

..Abb. 16.59 Lambda-Regelung für Linearsonde

ein- und ausfließenden Massenströme werden einzeln Dagegen wird der aus dem Saugrohr abfließende,
und separat modelliert. So fließt im einfachsten Fall das heißt in den Zylinder einfließende Luftmassen-
dem Saugrohr nur der von der Drosselklappe kont- strom in Form einer Geradenschar in Abhängigkeit
rollierte Luftmassenstrom zu. Dieser wird durch eine vom Saugrohrdruck und der Motordrehzahl abgelegt
kompressible Drosselströmung modelliert, welche als (. Abb.  16.56). Dieser oft auch „Schlucklinien“ ge-
Eingangsgrößen die freigegebene Drosselklappenflä- nannte Zusammenhang lässt sich motorindividuell
che, die Lufttemperatur, den Isentropenexponenten, leicht am Prüfstand vermessen.
die allgemeine Gaskonstante, den Druck vor sowie Um Serientoleranzen zu kompensieren, werden
das Druckverhältnis über der Drosselklappe aufweist Modellgrößen an vergleichbaren Positionen mit den
(. Abb. 16.55). Mit diesem Ansatz können auch wei- gemessenen Größen verglichen und gegebenenfalls
tere durch Drosselströmungen charakterisierte Luft- Modellannahmen solange adaptiert, bis Rechnung
massenströme, wie zum Beispiel der der Tankentlüf- und Messung übereinstimmen. So kann man das
tung, beschrieben werden. Saugrohrfüllungsmodell etwa dadurch abgleichen,
dass der vom Modell berechnete in das Saugrohr
λ -Puls

0
Zwangsanregung
λ -Puls

..Abb. 16.60 Zwangs-
anregung Zeit
844 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

..Abb. 16.61 Trimmer-
1 regelung

λ mess
Kennlinie ohne Korrektur

2
3 Trimmregelung
∆λ nominale Kennlinie

Kennlinienkorrektur
korrigierte Kennlinie

4
5 λ soll
λ -Fenster

-
(Betriebspunkt der Trimmregelung)
6
einfließende Luftmassenstrom mit dem von einem Invertierbarkeit zur Bestimmung der Sollwerte
7 Luftmassensensor an gleicher Stelle gemessenen
Wert verglichen wird. Ist der gemessene Luftmassen-
der Luftpfadaktuatorik bei gegebenem Sollluft-
massenstrom.
strom größer als der Modellwert, so wird die freige-
8 gebene Drosselklappenfläche inkrementell solange
um einen Korrekturfaktor größer angenommen, bis 16.9 Funktionen
der dadurch in den folgenden Rechenzyklen immer
9 größer berechnete Luftmassenstrom innerhalb eines 16.9.1 l-Regelung
akzeptierten Toleranzbands um den Messwert liegt.
10 Ein ähnlicher Adaptionsalgorithmus kann durch Ver-
gleich des gemessenen mit dem berechneten Saug-
Der Dreiwegekatalysator mit λ-Regelung hat sich als
Abgasnachbehandlungskonzept für Ottomotoren mit
rohrdruck aufgebaut werden. äußerer Gemischbildung durchgesetzt. Die λ-Regelung
11
- Die Vorteile dieses modellbasierten Ansatzes sind:
Abstimmung eines dynamischen Modells im We-
stellt dabei sicher, dass die Schadstoffkomponenten CO,
HC und NO optimal konvertiert werden. Dazu ist es
12
- sentlichen durch stationär bestimmbare Werte,
dynamisches Verhalten nur abhängig vom Saug-
notwendig, eine stöchiometrische Zusammensetzung
des Luft-Kraftstoff-Gemisches (λ = 1) in einem sehr

13 - rohrvolumen,
Nachvollziehbarkeit und Wiederholbarkeit der
Kalibration, da weitgehend auf physikalischen
engen λ-Bereich (λ-Fenster), . Abb. 16.57, einzuhalten.
Im geschlossenen Regelkreis wird das Luft-Kraft-
stoff-Verhältnis  λ durch die im Abgas positionierte

14
- Größen basiert,
Modellstruktur unabhängig von der Art der
λ-Sonde gemessen, das tatsächliche Luft-Kraftstoff-
Verhältnis mit dem Sollwert verglichen und falls er-

15 - Lastsensorik,
stationäre Genauigkeit der Sensorik verbunden
mit der dynamischen Korrektheit des Modells,
forderlich die Kraftstoffmenge korrigiert.

16
P-Anteil Begrenzung

17 Regelab-
weichung I-Anteil Regler-

18 (Richness)
Begrenzung
ausgang

2
I -Anteil
19
20 ..Abb. 16.62 Berech-
nung der Regelabwei-
D-Anteil Begrenzung

chung
16.9 • Funktionen
845 16
(Motorlager-Einfluss)
(Spiel)
Motormoment
TQ motor TQ 2 TQ rad

w1 Kupplung Getriebe w2 w3
C
m1 Gang m2

Feder

Trägheitsmoment J1: Trägheitsmoment J2:


• Masse bewegter Dämpfer • Fahrzeugmasse
Motorteile • Gelenkwelle
• Schwungrad D • Antriebswelle
• Getrieberäder
Gelenkwelle/Antriebswelle • Reifen

..Abb. 16.63  Antriebsstrang als Zweimassenschwinger

Es gibt binäre und lineare Lambda-Sonden. Die einen direkt als Vorsteuerung in die Kraftstoffmen-
Beschreibung dieser Sonden ist in ▶ Abschn.  18.4.1 genkorrektur ein; weiterhin wird das Signal eventuell
nachzulesen. mit einem Sekundärlufteinfluss beaufschlagt und un-
Um eine optimale Funktion des Dreiwegekataly- ter Berücksichtigung der Gaslaufzeit und des Verzö-
sators, das heißt eine bestmögliche Oxidation von CO gerungsverhaltens der linearen Sonde als gefilterter
und HC, sowie einen möglichst hohen Reduktionsgrad λ-Sollwert weiterverarbeitet.
von NOx, zu erzielen, muss das Luft-Kraftstoff-Gemisch Das Signal der linearen λ-Sonde wird über eine
vor dem Katalysator eine bestimmte Schwankung, das abgespeicherte Kennlinie in einen λ-Wert umgerech-
heißt ein gezielter Betrieb des Verbrennungsmotors so- net. Diese Kennlinie kann durch die Trimmregelung,
wohl im Luftüberschuss- als auch im Luftmangelgebiet . Abb. 16.61, korrigiert werden. Der Trimmregler ist
aufweisen. Dadurch wird ein Befüllen und Leeren des als PI-Regler ausgebildet, der das weniger Queremp-
Sauerstoffspeichers des Katalysators sichergestellt. Bei findlichkeiten ausgesetzte Nachkatsondensignal aus-
der O2-Einlagerung wird außerdem NOx reduziert, nutzt (vorzugsweise von einer binäre Sprungsonde).
während beim Entleeren die Oxidation unterstützt wird Aus dem korrigierten λ-Signal und dem gefilterten
und verhindert wird, dass angelagerte Sauerstoffmole- λ-Sollwert wird dann die Regelabweichung, . Abb. 16.62,
küle Teilbereiche des Katalysators deaktivieren. als Richness (= λ−1) berechnet, die als Eingang in den
Der Regelalgorithmus, . Abb. 16.58, für die binäre eigentlichen λ-Regler dient. Dieser ist als PII2D-Regler
λ-Regelung basiert auf einem PI-Regler, wobei die P- ausgelegt und in . Abb. 16.62 dargestellt. Der I2-Anteil
und I-Anteile in Kennfeldern über Motordrehzahl und dient zur Bilanzierung der Sauerstoffbeladung des Kata-
Last abgelegt sind. Bei der binären Regelung ergibt sich lysators. Der Reglerausgang kann unter nicht-stationären
die Anregung des Katalysators (λ-Schwankung) impli- Betriebsbedingungen zusätzlich begrenzt werden.
zit durch die Zweipunktregelung. Die Amplitude der Die so ermittelte Einspritzmengenkorrektur geht
λ-Schwankung wird auf etwa drei Prozent eingestellt. zusammen mit der Vorsteuerung in die Einspritzmen-
Zur besseren Einhaltung des λ-Fensters vor dem Kata- genberechnung ein.
lysator sorgt eine überlagerte Trimmregelung über eine Die lineare Lambda-Regelung bietet gegenüber der
binäre Nachkatsonde.
Bei der linearen Lambda-Regelung, . Abb. 16.59,
-
binären Lambda-Regelung folgende Vorteile:
Erhöhung der Regeldynamik und Reduktion der
ist zur Einstellung der λ-Schwankung eine Zwangsan-
regung erforderlich. Das Bild gibt einen Überblick über
die Struktur der linearen λ-Regelung einschließlich - transienten λ-Fehler,
erhöhter Katalysatorwirkungsgrad durch
einstellbare Zwangsanregung im geschlossenen
Zwangsanregung und Trimmregelung.
Auf den eigentlichen λ-Sollwert moduliert die
Zwangsanregung, . Abb. 16.60, eine periodische Ab-
weichung (λ-Puls) zur Optimierung des Katalysator-
- λ-Regelkreis,
Möglichkeit der Regelung von λ ≠ 1; dadurch
wird unter anderen geregelter Warmlauf oder
geregelter Katalysatorschutz ermöglicht.
wirkungsgrad auf. Das gewonnene Signal geht zum
846 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

Fahrzeug
Moment
1 Momenten- Momenten-
an der
Kupplung
(Zweimassen-Feder System)

anforderung
(Motorlager-Einfluss)
anforderung Motormoment
(Spiel)

v. Fahrer (gefiltert) TQ motor TQ 2 TQ rad


N
2 Last- w1 Kupplung Getriebe w2 w3
C
schlag- m1 Gang m2

dämpfung
Feder

Trägheitsmoment J1: Dämpfer Trägheitsmoment J2:


• Masse bewegter • Fahrzeugmasse
Motorteile D • Gelenkwelle

3
• Schwungrad

+
Gelenkwelle/Antriebswelle • Antriebswelle
• Getrieberäder
• Reifen

Antiruckel-
momenten-
4 korrektur
Antiruckel-
funktion

5
..Abb. 16.64 Momentenmodell

-
6
16.9.2 Antiruckelfunktion Antiruckelfunktion (Anti jerk controller) Prinzip:
7 Durch plötzliche Motormomentenänderungen, die
Regelkreis.

beispielsweise durch Gasgeben oder auch beim Gas- Der Antriebsstrang kann als Zweimassenschwinger,
8 wegnehmen entstehen, wird das Fahrzeug zu Schwin- . Abb. 16.63, dargestellt werden. Die Masse m1 stellt
gungen in der Fahrzeuglängsbewegung angeregt. Diese das Motorträgheitsmoment J1 = m1 · rrot2 (rotierende

fühlbaren Änderungen in der Beschleunigung werden Massen) dar: Kurbel- und Nockenwelle, Kolben und
9 von den Insassen als sehr unkomfortabel empfunden. Pleuel, Schwungrad und Nebenaggregate.
Der Effekt kann in nahezu allen Pkw beobachtet wer- Die Masse m2 fasst die Antriebsstrang-Massen
10 den; ihre Intensität hängt vom Konstruktionstyp des
Antriebsstranges und dessen Parametern ab (zum Bei-
(Zahnräder, Kardanwelle, Radmassen) und restliche
Fahrzeugmasse zusammen. Bei Momentenaufbau im
spiel Steifigkeit des Antriebsstranges). Die Reduzierung Motor erfolgt eine Torsion des Antriebsstranges, die
11 des Effekts durch die Motorsteuerung ist sehr wichtig, gespeicherte Energie wirkt dabei auf m1 zurück.
da das instationäre Fahrverhalten ein bedeutender Pa- Ist TQmotor eine Sprungfunktion, schwingt der An-
rameter bei der Kaufentscheidung für ein Fahrzeug ist. triebsstrang mit seiner Eigenfrequenz. Die Amplitude
12 Zur Entwicklung der Funktionen wird ein einfa- und Frequenz dieser Schwingung sowie ihre Abkling-
ches physikalisches Modell benutzt, das den „Ruckel- zeit sind gangabhängig. Mit niedrigem Gang ist die
13 Effekt“ ausreichend beschreibt. Zur Reduzierung von Amplitude und Frequenz größer, die Abklingzeit ist
Fahrzeuglängsschwingungen existieren in der Motor- länger als in einem hohen Gang.

14
15
-
steuerung zwei Funktionen:
Lastschlagdämpfung (Torque Transient) Prinzip:
Steuerung (Fahrerwunsch-Filter),
Zur Lastschlagdämpfung wird folgender physikali-
scher Hintergrund genutzt: Basierend auf dem Modell
des Zweimassenschwingers kann gezeigt werden, dass

Torque at phase range


Clutch
CONST INC CONST CONST
16
DEC

TQ_REQ_TRA_OLD_CLU
TQ_REQ_CLU
TQ_REQ_TRA_CLU 3

17
C_TQ_TRA_THD_UP_2

18 0
C_TQ_TRA_THD_UP_1
C_TQ_TRA_THD_DOWN_2

t 2
C_TQ_TRA_THD_DOWN_1

19 TQ_REQ_TRA_OLD_CLU
1

20 LV_TQ_TRA torque transient bit

..Abb. 16.65  Rampenanstieg des Drehmoments


16.9 • Funktionen
847 16
Reference engine speed calculation
Requested 1800 System traffic activation
I_REF_Al [rpm]
Torque
1400 Activation Initialization
1000 Condition request AJ torque
Gear request
600 200

I_DIF_Al [rpm]
correction
1 2 3 4 5 6 150
+ 100
time [sec] 50 Engine speed
0 deviation
– –50 1 2 3 4 5 6
–100
1800 –150 time [sec]
1400 Anti Jerk Controller
N [rpm]

1000
600
1 2 3 4 5 6
time [sec]
measured engine speed

..Abb. 16.66  Schema Antiruckelregelung

Saugrohrfüllungsmodell
Luftmassen-
Drosselklap-
strom in die
penwinkel
α /N Zylinder Momenten-
Drehzahl System Berechnung Aktuelles
Moment

Rege-
Lastsensor + lungs- Momenten-
einheit Management

Anpassung Sicherheits-
konzept
Drosselklappen-
Sollwert inverses Luftmassen-
Motor /N sollwert
System Luftmassen- Berechnug Momenten-
Sollwert Sollwert
inverses
Saugrohr-
füllungsmodell

..Abb. 16.67  Konsistenz von Vorwärts- und Rückwärts-Luftmassenpfad

Berechnung des: Als Funktion aus: abhängig von der Anregung des Systems eine Reduzie-
Momentensollwert Pedalwert, EGS, ASR, … rung der Schwingung erreicht werden kann. Besonders
eignen sich hierbei rampenförmige Signale.
Füllungssollwert Drehzahl, Moment
Die Schwingungsamplitude wird dann am
Saugrohrdrucksollwert volumetrischen Effizienz kleinsten, wenn die Rampenanstiegsdauer der Peri-
odendauer gleich beziehungsweise ein ganzzahliges
Druckquotient über Umgebungsdruck
Drosselklappe Vielfaches darstellt. Tatsächlich ist diese Theorie nur
anwendbar, wenn die Spontanität des Fahrzeugs nicht
Sollwert für Durchfluss Druckquotient
der Drosselklappe beeinträchtigt wird. Es muss also ein Kompromiss
zwischen Komfort und Dynamik gefunden werden,
Sollwert des reduzierten Luftmassensollwert,
Drosselklappenquerschnitts Durchfluss an der Drosselklappe
indem kürzere Anstiegsdauern zum Einsatz kommen.
Bei dieser Filterung des Fahrerwunsches verbleiben
Drosselklappenwinkel- red. Drosselklappenquerschnitt somit Schwingungen im Antriebsstrang, die durch die
Sollwert
Antiruckelfunktion kompensiert werden müssen.
..Abb. 16.68  Ermittlung des Drosselklappensollwer- Der Ausgabewert der Lastschlagdämpfung ist ein
tes aus dem Sollmoment durch eine Rampenfunktion gefilterter Drehmomen-
848 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1 ETC-Soll- PWM- ETC-Ist-


position + ETC - Signal ETC Position
Regel- mit Stellglied

2 algorithmus

3
4 ..Abb. 16.69  Struktur der elektronischen Positionsregelung der Drosselklappe (ETC)

5 tenwunsch des Fahrers beziehungsweise der Cruise anwenden, bei welchem der Momenteneingriff über
Control. Die Rampenanstiegsdauern werden hierbei die E-Maschine erfolgt. In diesem Fall kann derselbe
aus dem eingelegten Gang ermittelt, . Abb. 16.64. Regelalgorithmus, welcher in Motorsteuerungen zur
6 Da die Funktion nicht nur Schwingungen im An- Anwendung kommt, auf der Steuerung des Elektro-
triebsstrang dämpfen soll, sondern auch das Kippen motors (Inverter) implementiert werden, um für die
7 des Motors in seinen Lagern, wird zwischen verschie-
denen Drehmomentbereichen unterschieden.
Regelgüte schädliche Totzeiten durch Signalübertra-
gungen zu vermeiden.
Kern der Funktion ist eine variable Berechnung
8 des Rampenanstiegs. Mit dem Drehzahlgradienten
steht eine zusätzliche Bedingung für die Drehmoment- 16.9.3 Drosselklappenregelung
Bereichsumschaltung zur Verfügung, . Abb. 16.65.
9 Die Antiruckelfunktion und die Lastschlagdämp- Der Sollwert für die Stellung der elektronischen Dros-
fung arbeiten eng zusammen. Der Regelkreis bekämpft selklappe (ETC) ergibt sich bei einem momentenge-
10 hierbei die aus der Lastschlagdämpfung verbliebenen
Schwingungen. Die Lastschlagdämpfung kann somit
führten Motorsteuerungssystem aus dem Sollmoment
über ein sogenanntes „Inverses Saugrohrfüllungsmo-
auf eine hohe Spontanität appliziert werden, während dell“ oder auch Rückwärtspfad des Saugrohrfüllungs-
11 die Antiruckelfunktion für einen hohen Fahrkomfort modells, . Abb. 16.67.
sorgt. Dabei wird aus dem Momentenwunsch über di-
Der Grundgedanke liegt darin, aus einer Dreh- verse Schritte die Sollposition der Drosselklappe be-
12 zahlabweichung ein Korrektursignal zu ermitteln, das rechnet und diese dann durch den Drosselklappen-
in den Drehmoment-Sollwert phasenrichtig einfließt. Positionsregler eingestellt, . Abb. 16.68.
13 Da es sich um sehr dynamische Vorgänge handelt (ty- Ziel dieser Drosselklappenregelung ist es, die tatsäch-
pische Frequenzen für Antriebsstrangschwingungen liche Luftmasse genau mit der gewünschten Luftmasse
liegen bei 2 bis 10 Hz) ist eine schnelle Umsetzung des (aus dem Momentenmodell) in Einklang zu bringen. Im
14 Momentenwunsches über Zündung erforderlich. sogenannten Vorwärtszweig des Saugrohrfüllungsmo-
Schwingungen in der Fahrzeuglängsbeschleuni- dells ergibt sich die in den Motor fließende Luftmasse
15 gung lassen sich aus der Motordrehzahl detektieren,
die auf Grund ihrer Eigenschaften hinsichtlich Auflö-
aus der Drosselklappenstellung und der Drehzahl. Dieser
Zusammenhang muss exakt invertierbar sein, damit im
sung und Aktualisierung für eine Signalerfassung sehr Rückwärtspfad aus dem Füllungssollwert eine Drossel-
16 gut geeignet ist. klappensollstellung ermittelt werden kann.
Die Schwingungen im Antriebsstrang werden als . Abb. 16.69 zeigt die Struktur des Drosselklappenre-
Drehzahldifferenz ausgedrückt, basierend auf der Ab- gelkreises. Das Eingangssignal für den Positionsregler ist
17 weichung der Ist-Drehzahl zu einer Referenz-Dreh- die Differenz zwischen der tatsächlichen und gewünsch-
zahl. Aus dieser Differenz wird das Korrektursignal für ten Position der Klappe. In Abhängigkeit dieser Abwei-
18 den Momentenwunsch ermittelt. Über Parameter kann chung berechnet ein Regelalgorithmus ein Steuersignal
man die Phase und Amplitude des Korrektursignals (PWM-Signal), über das der Stellmotor an der Klappe so
beeinflussen. Das Korrektursignal ist nur innerhalb beeinflusst wird, dass die tatsächliche Drosselklappenpo-
19 eines applizierbaren Zeitrahmens aktiv. Die Antiru- sition auf die gewünschte Position einschwingt.
ckelfunktion, . Abb. 16.66, wird beim Auftreten von
20 Schwingungen in der Drehzahl getriggert.
Das dargestellte Funktionsprinzip lässt sich in
gleicher Weise auf einen Hybrid- oder Elektroantrieb
16.9 • Funktionen
849 16

110 16.9.4 Klopfregelung


90
Als Klopfen bezeichnet man eine unkontrollierte,
70 selbst eingeleitete Verbrennung, die im Bereich übli-
cher Inertgasanteile meistens mit hohen Flammenge-

Moment
50
Optimaler
Zündzeitpunkt 30
schwindigkeiten im Bereich der Schallgeschwindigkeit
einhergeht und außerdem hohe Druckspitzen bewirkt.
Bereich des Klopfens Klopf- 10
grenze Durch dauerhaft klopfende Verbrennung kommt es zu
–10 einer Schädigung des Motors, vor allem von Kolben,
55 45 35 25 15 5 Zylinderkopfdichtung und Zylinderkopf.
Zündzeitpunkt v. OT
Klopfen lässt sich hauptsächlich durch folgende
..Abb. 16.70  Motormoment in Abhängigkeit vom
Zündzeitpunkt
-
Maßnahmen verringern:
späterer Zündzeitpunkt,

Brennraum-Drucksignal ohne Klopfen Brennraum-Drucksignal mit Klopfen

30 30

25 25

20 20
0 50 °CRK 100 0 50 °CRK 100
2 2

0
0

–2 –2
0 50 Körperschallsignal – niedrige Motordrehzahl 50 100
2 2

0 0

–2 –2
0 50 Körperschallsignal – hohe Motordrehzahl 50 100

..Abb. 16.71  Druckverlauf und Körperschallerkennung

Klopf IC
Klopf-IC: Programmierungs-
parameter Klopf- Energie des Zündwinkel
Klopf- Klopf-
ereignis-
Sensor Roh- Formatiertes Klopf- korrektur Korrektur
Rohsignal- ermittlung
signal Klopfsignal ereignisses
formatierung

Funktionsunterbindung (wenn Fehler erkannt)

Bit für Fehlererkennung

Fehlererkennung
und
Ersatzwerte
Fehlerk orrekturwerte
(wenn Fehler erkannt)

..Abb. 16.72 Klopfsignal-Verarbeitung
850 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

5 Knock Detection & Correction 2.5


1 4.5
Correction line
2
Detection line

2 4 1.5

3.5 1
3
3 0.5

4 2.5 0
KNK_SLOW_COR °CRK KNK_FAST_COR °CRK
IGA_PROP_COR °CRK KNK_EGY
5
2 LV_KNK_DET –0.5

1.5 –1

6 1 –1.5

7 0.5 –2

0 –2.5

8 0:00 0:04 0:09 0:13 0:17 0:22 0:26 Time 0:30 0:35

..Abb. 16.73  Zeitlicher Verlauf der Klopfeingriffe

--
9
höhere Oktan-Zahl (ROZ) des Kraftstoffs, ziert dort eine Ladung, die proportional zur Höhe der
10
-- fetteres Gemisch,
geringerer Ladedruck,
Körperschallschwingung des Anbauorts ist. Das Ge-
räusch – typischerweise im Frequenzbereich von 5 bis

11
- niedrigere Ansauglufttemperatur,
Verringerung von Ablagerungen an Kolben und
15 kHz – entsteht als Resonanz der Motorstruktur auf
die hochfrequenten Anteile im Druckverlauf, die beim

12 - Ventilen,
geeignete Konstruktion des Brennraums.

Problematisch ist Klopfen für den Motorwirkungsgrad,


Klopfen auf Grund der turbulenten Flammgeschwin-
digkeiten im Brennraum auftreten.
In . Abb. 16.71 sind ein typischer Druckverlauf
und das Körperschallsignal jeweils für normale und
13 da bei heute üblichen Verdichtungsverhältnissen von klopfende Verbrennung dargestellt.
circa 10 bis 12 der wirkungsgradoptimale Zündzeit- Die Motorsteuerung detektiert Klopfen aus dem
punkt in einem klopfenden Bereich der Zündkennli- elektrischen Klopfsignal, indem zunächst das Rohsi-
14 nie (Mitteldruck in Abhängigkeit vom Zündzeitpunkt) gnal in einer integrierten Schaltung (IC) formatiert
liegt, . Abb. 16.70. wird, . Abb. 16.72.
15 Will man den Motor möglichst nah an diesem wir-
kungsgradoptimalen Bereich betreiben, dann ist eine
Das formatierte Rohsignal wird im Mikroprozessor
weiter verarbeitet. Das Klopfereignis liegt zylinderselek-
Klopfregelung notwendig. tiv dann vor, wenn das formatierte Rohsignal die zuvor
16 Ziel der Motorsteuerung ist es, den Motor in den applizierte und im Motorbetrieb adaptierte Klopfgrenze
für Klopfen kritischen Betriebsbereichen in einem ge- überschreitet. Diese Auswertung findet in einem zeitli-
schlossenen Regelkreis an der Klopfgrenze zu betrei- chen Klopffenster statt, das über der Kurbelwinkelstel-
17 ben, sofern diese „vor“ dem optimalen Zündzeitpunkt lung des Motors zylinderselektiv festgelegt ist. Die aus
liegt. Dazu greift sie bei nicht aufgeladenen Motoren in dem Klopfsignal ermittelte Energie bestimmt in einem
18 den Zündzeitpunkt und bei aufgeladenen Motoren in weiteren Block die Höhe der Zündwinkelkorrektur.
den Ladedruck und den Zündzeitpunkt ein. Im Fehlerfall, das heißt wenn die Klopfregelung
Bei der Klopfregelung macht man sich das Ge- zum Beispiel auf Grund eines Sensorfehlers nicht mehr
19 räuschphänomen infolge der Brennraumdruckschwin- ordnungsgemäß arbeiten kann, wird eine Sicherheits-
gungen zu Nutze, indem man die am Kurbelgehäuse spätverstellung des Zündwinkels vorgenommen, so
20 auftretenden Körperschallsignale mit Hilfe eines
Klopfsensors aufnimmt. Im Klopfsensor wirkt eine
dass der Motor unter allen Umständen sicher außer-
halb des Klopfbereichs arbeitet. Das . Abb. 16.73 zeigt
seismische Masse auf eine Piezo-Keramik und indu- den zeitlichen Verlauf der Klopfregeleingriffe.
16.9 • Funktionen
851 16

die Abgasreinigungssysteme für Fahrzeugmotoren im


Überwachung aller Laufe der letzten Jahrzehnte immer umfangreicher und
abgasbeeinflussenden Systeme komplexer wurden.
und Komponenten
Durch diese Maßnahmen wurde zwar eine deut-
nein
liche Reduzierung der Schadstoffemissionen von
Fehler Neufahrzeugen erzielt, gleichzeitig stieg jedoch der
Emissionsanteil von Fahrzeugen mit defektem Abgas-
ja
reinigungssystem deutlich an. Nach einer Schätzung
- Erkennung von Fehlerart und -ort der amerikanischen Umweltbehörde EPA wurden zum
- Speicherung von Fehlerinformationen Beispiel 1990 etwa 60 % der Fahrzeugemissionen an un-
- Information des Fahrers
verbrannten Kohlenwasserstoffen durch Fahrzeuge mit
- Aufrechterhaltung von Fahrsicherheit und Notlauf
fehlerhaftem Abgasreinigungssystem verursacht. Auf
- Vermeidung von Folgeschäden
- Unterstützung der Werkstatt bei der Reparatur
Grund dieser Problematik wurde von der amerikani-
schen Umweltbehörde gefordert, die Motorsteuerungen
der Fahrzeuge mit Eigendiagnosesystemen auszustatten,
..Abb. 16.74  Aufgaben der Eigendiagnose die alle abgasbeeinflussenden Systeme, Funktionen und
Bauteile überwachen und den Fahrer informieren, wenn
Wie in der Darstellung zu erkennen ist, existiert ein ein Fehlverhalten dieser Bauteile eintritt.
schneller und ein langsamer Zündwinkeleingriff. Grund Die wesentliche Komponente zur Abgasreinigung
dafür sind die verschiedenen, phänomenologischen Ein- ist der Dreiwegekatalysator. In diesem werden die bei
flüsse, die Klopfen bewirken. Zum Beispiel sind Ablage- der motorischen Verbrennung entstehenden Abgas-
rungen am Kolben oder die Kraftstoffqualität Einflüsse, komponenten Kohlenmonoxid und die unverbrannten
die sich nur langsam ändern; dagegen sind die Ansaug- Kohlenwasserstoffe zu Kohlendioxid und Wasser oxi-
lufttemperatur oder der Motorbetriebspunkt Einflüsse, diert. Gleichzeitig werden die Stickoxide zu Stickstoff
die sich von Arbeitsspiel zu Arbeitsspiel ändern können. reduziert. Die maximale Umsetzung aller drei Abgas-
Die Position des Klopfsensors sollte so festgelegt bestandteile setzt voraus, dass der Motor mit einem
werden, dass man Klopfen im Motorbetrieb gut erkennt stöchiometrischen Gemisch, das heißt mit einem Luft-
und deutlich von anderen Einflüssen wie zum Beispiel Kraftstoff-Verhältnis von λ = 1 betrieben wird. Hierzu
Ventiltriebsgeräuschen unterscheiden kann. Dazu er- ist eine präzise Gemischregelung erforderlich.
folgen in der Motorentwicklungsphase umfangreiche Zur Einstellung des Luft-Kraftstoff-Gemisches wer-
Untersuchungen am Motor. Man ermittelt dabei Klop- den die angesaugte Luftmasse und die Drehzahl des Mo-
fen mit Brennraumdrucksensoren und vergleicht das tors gemessen. Im Steuergerät wird aus diesen Signalen
Ergebnis mit dem des gemessenen Körperschallsignals. die Öffnungsdauer der elektrischen Einspritzventile und
Bei Vierzylindermotoren wird in der Regel ein somit die pro Arbeitsspiel eingespritzte Kraftstoffmasse
Klopfsensor einlassseitig auf dem Kurbelgehäuse zwi- so berechnet, dass sich ein stöchiometrisches Gemisch
schen Zylinder 2 und 3 angeordnet. Damit ist dann das einstellt. Um das Gemisch möglichst genau auf das erfor-
Klopfgeräusch aller vier Zylinder erkennbar. Bei Sechs- derliche Luft-Kraftstoff-Verhältnis von Eins einzustellen,
zylinder-Reihenmotoren werden zwei Klopfsensoren ist dieser Steuerung zusätzlich die sogenannte Lambda-
eingesetzt. Ebenso bei V6- und V8-Zylindermotoren Regelung überlagert. Mit der im Abgassystem angeord-
kommen zwei Klopfsensoren (ein Klopfsensor pro Zy- neten Lambda-Sonde wird dabei festgestellt, ob das Ge-
linderbank) zum Einsatz. misch zu fett oder zu mager eingestellt ist. Abhängig vom
Sondensignal wird im Steuergerät ein Korrekturfaktor
für die Einspritzdauer berechnet, so dass sich im Mittel
16.9.5 „On-Board“-Diagnose (OBD) ein Luft-Kraftstoff-Verhältnis von Eins einstellt.
Der Katalysator erreicht seinen Arbeitsbereich
Die Luftverschmutzung in Ballungsgebieten auf Grund erst, wenn seine Temperatur oberhalb der sogenannten
der hohen Verkehrsdichte führte in den Vereinigten Anspringtemperatur liegt. Bei heutigen Katalysatoren
Staaten von Amerika schon in den 1960er Jahren zu beträgt diese Temperatur etwa 350 °C. Eine schnelle
einer gesetzlichen Begrenzung der Emissionen von Aufheizung des Katalysators während der Warmlauf-
Kraftfahrzeugen. So gelten auch heute in den USA phase kann durch eine Einblasung von Sekundärluft
und hier insbesondere im Bundesstaat Kalifornien die in das Abgassystem unmittelbar vor die Auslassventile
weltweit schärfsten Emissionsgrenzwerte für Perso- erreicht werden. Das vom Motor angesaugte Luft-Kraft-
nenkraftwagen. Diese Entwicklung führte dazu, dass stoff-Gemisch wird hierbei fett abgestimmt. Der Sekun-
852 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
2 Auswertung
Signalamplitude
vor Katalysator
3 λ-Sonde
vor
Katalysator
A vor Kat.
4 Auswertung
Amplitudenverhältnis:
Katalysator
5 Auswertung
AV =
A hinter Kat.
A vor Kat.
Signalamplitude
6 λ-Sonde hinter Katalysator
hinter
Katalysator A hinter
7 Kat.

8 ..Abb. 16.75  Überwachung des Katalysators

därluftmassenstrom wird so eingestellt, dass das Luft- Desorption des gespeicherten Kraftstoffes. Das dabei
9 Kraftstoff-Verhältnis im Abgassystem leicht mager ist. gebildete Kraftstoffdampf-Luft-Gemisch strömt dabei
Hierdurch erfolgt im Abgassystem eine Oxidation der ins Saugrohr und wird im Motor verbrannt.
10 unverbrannten Kohlenwasserstoffe und des Kohlenmo-
noxids. Da diese Reaktion exotherm ist, ergibt sich hier- 16.9.5.1 Aufgaben der Eigendiagnose
bei ein Anstieg der Abgastemperatur. Dies wiederum Das Ziel der Eigendiagnose ist die Überwachung
11 führt zu einer schnellen Aufheizung des Katalysators. sämtlicher abgasrelevanter Fahrzeugkomponenten
Neben dem Dreiwegekatalysator wird zur Sen- und ‑systeme hinsichtlich ihrer Funktion während des
kung der Stickoxidemissionen häufig eine äußere Ab- normalen Fahrbetriebes. Wird ein Fehler erkannt, so
12 gasrückführung eingesetzt. Hierbei wird verbranntes soll die schadhafte Komponente möglichst genau loka-
Abgas der Verbrennungsluft zugemischt. Dies führt zu lisiert werden und Fehlerart, Fehlerort und Umweltbe-
13 einer Senkung der Verbrennungstemperatur und als dingungen sollen in einem Speicher abgelegt werden.
Folge davon zu einer Reduzierung der Stickoxidemis- Verursacht der Fehler eine Überschreitung vorge-
sionen. Die Dosierung der rückgeführten Abgasmenge gebener Abgasgrenzwerte, so muss der Fahrer über
14 erfolgt durch ein Ventil in der Rückführleitung. eine Signallampe im Armaturenbrett des Fahrzeuges
Neben den Abgasemissionen, die von der motori- informiert und aufgefordert werden, das Fahrzeug zu
15 schen Verbrennung herrühren, ergeben sich zusätzlich
Kohlenwasserstoffemissionen auf Grund der Verduns-
einer Werkstatt zu bringen. Zusätzlich sollen geeignete
Maßnahmen ergriffen werden, die die Fahrsicherheit
tung von Kraftstoff im Tank. Zur Reduzierung dieser aufrechterhalten, eine Weiterfahrt ermöglichen sowie
16 Emissionen werden Tankentlüftungssysteme eingesetzt. Folgeschäden vermeiden. In der Werkstatt muss die
Diese Systeme haben die Aufgabe, ein Austreten Möglichkeit bestehen, den Fehlerspeicher auszulesen,
der Kohlenwasserstoffdämpfe, die im Kraftstofftank um anhand der gespeicherten Daten eine schnelle Feh-
17 des Fahrzeuges entstehen, in die Atmosphäre zu ver- lerfindung und Reparatur zu ermöglichen.
hindern. Hierzu ist zwischen Tank und der Verbindung Aus dieser Zielsetzung entwickelte als Erstes die ka-
18 zur Umgebung ein Aktivkohlefilter angeordnet, in dem lifornische Umweltbehörde einen konkreten Gesetzes-
der gasförmige Kraftstoff adsorbiert wird. Dieser wird entwurf zur On-Board-Diagnose von Motorsteuerungs-
zur Vermeidung einer Überladung des Filters in be- systemen ab dem Modelljahr 1988. Hierbei mussten
19 stimmten Zeitabständen regeneriert. Hierzu wird in zunächst nur alle Komponenten überwacht werden, die
geeigneten Betriebspunkten das Tankentlüftungsventil, mit dem elektronischen Steuergerät der Motorsteue-
20 das zwischen Aktivkohlefilter und Saugrohr des Mo-
tors angeordnet ist, geöffnet. Die dadurch verursachte
rung in Verbindung stehen. Ab Modelljahr 1994 wurde
die erweiterte On-Board-Diagnose, kurz auch OBD II
Luftströmung durch den Aktivkohlefilter bewirkt eine genannt, gesetzlich gefordert. Hierbei wurde erstmals
16.9 • Funktionen
853 16
25 Zusätzlich sollen Verbrennungsaussetzer erkannt wer-
den.
O2-Speicherfähigkeit [µmol/g]

20 Neben der Überwachung der Systeme wird eine


standardisierte Fehlerlampenansteuerung sowie eine
15 standardisierte Testerschnittstelle, die ein Auslesen des
Fehlerspeichers in der Werkstatt ermöglicht, gefordert.
10
16.9.5.2 Überwachung des
5 Katalysators
Die Überwachung der Konvertierungsrate des Kata-
0
40 50 60 70 80 90 100 lysators, . Abb. 16.75, ist eine der wichtigsten OBD II
HC-Konvertierung [ % ]
Forderungen. Ein Defekt des Katalysators ist dann an-
zuzeigen, wenn die Kohlenwasserstoffemissionen im
..Abb. 16.76  Korrelation zwischen Sauerstoff-Spei- US-Abgastest FTP75 einen definierten Schwellwert
cherfähigkeit und HC-Konvertierung überschreiten. Der jeweilige Schwellwert hängt dabei
vom jeweiligen Modelljahr und der Emissionseinstu-
eine Überwachung aller abgasrelevanter Fahrzeugkom- fung des Fahrzeuges ab.
ponenten und Systeme gefordert. Die Forderungen der Bei Überschreitung der Diagnosegrenzwerte muss
kalifornischen Umweltbehörde wurden zum Teil von ein Defekt des Katalysators angezeigt werden.
den übrigen 49 Bundesstaaten übernommen. Für Non-LEV zertifizierte Fahrzeuge ist der Diag-
Im Einzelnen ergeben sich folgende Hauptforde- nose-Grenzwert der 1,5-fache Kohlenwasserstoff-Emis-
rungen, . Abb. 16.74: sionsgrenzwert im US-Abgastest FTP75. Für Transitio-

-- Überwachung
der Katalysatoranlage,
nal-Low-Emission-Fahrzeuge der Modelljahre 1996 und
1997 ist der Diagnosewert der doppelte Abgasgrenzwert.

- der Lambda-Sonde,
des gesamten Kraftstoffsystems, das die Einspritz-
ventile, den Kraftstoffdruckregler, die Kraftstoff-
Für Fahrzeuge ab Modelljahr 1998 sowie Fahrzeuge,
die nach den Low- und Ultra-Low-Emission-Vehicle-
Grenzwerten zertifiziert sind, ist der Diagnosegrenzwert

-- pumpe und den Kraftstofffilter umfasst,


des Sekundärluftsystems,
als der 1,75-fache Emissionsgrenzwert definiert.
Auf Grund der Definition der Diagnosegrenzwerte

- des Abgasrückführsystems,
des Tankentlüftungssystems bestehend aus Aktiv-
ergeben sich insbesondere für Fahrzeuge, die nach den
strengen Low-Emission- und Ultra-Low-Emission-

- kohlefilter und Tankentlüftungsventil,


weiterer, als abgasrelevant eingestufter Systeme,
die nicht direkt von der Motorsteuerung gesteu-
ert werden, wie zum Beispiel die Getriebesteue-
Grenzwerten zertifiziert werden, sehr niedrige Diagno-
segrenzwerte. So ist zum Beispiel die maximal zulässige
HC-Emission im Abgastest bei einem ULEV-Fahrzeug
um 84 % niedriger als bei einem Fahrzeug, das nicht
rung für automatische Getriebe. als Low-Emission-Vehicle eingestuft ist.
Überwachung Technische Lösung

Katalysatoranlage Vergleich der Signalamplituden der λ-Sonden vor


und hinter Katalysator
für LEV/ULEV-Fahrzeuge zusätzlich Ermittlung
der Anspringtemperatur

Ermittlung von Regelfrequenz, Signalbereich und


λ-Sonde Heizwiderstand, überlagerte Regelung mit Sonde
hinter Katalysator
Berechnung der Laufunruhe aus der
Verbrennungsaussetzer Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle

Tankentlüftungssystem Unterdruckprüfung des Tanksystems

Abgasrückführsystem Ermittlung des Saugrohrdrucks bei aktiver AGR

Sekundärluftsystem Überwachung des λ-Sondensignals

Kraftstoffsystem Überwachung des λ-Regelwertes

..Abb. 16.77  Überblick der Diagnoseverfahren


854 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

Zur Überwachung des Katalysators sind mehrere Amplitudenverhältnisses ist für diese Fahrzeuge, ins-
1 Verfahren bekannt, die alle die Sauerstoffspeicherfähig- besondere unter Berücksichtigung der Serienstreuun-
keit des Katalysators ausnutzen. Diese Speicherfähigkeit gen, sehr schwierig.
2 korreliert mit der Kohlenwasserstoff-Konvertierung im
Katalysator. Schon eine geringe Verschlechterung der
Zur Diagnose des Katalysatorwirkungsgrades
von LEV- und ULEV-Fahrzeugen werden zurzeit eine
Konvertierungsrate führt zu einer deutlichen Abnahme Reihe neuer Verfahren entwickelt. Beispielhaft werden
3 der Sauerstoffspeicherfähigkeit des Katalysators. zwei Verfahren vorgestellt:
Die Sauerstoffspeicherung im Katalysator lässt sich Der überwiegende Teil der künftigen LEV- und
mit einer Lambda-Sonde erfassen. Hierzu wird zu der vor ULEV-Fahrzeuge besitzt neben dem Hauptkatalysator
4 dem Katalysator vorhandenen Sonde eine zweite hinter einen motornah angebauten Vorkatalysator. Dieser
dem Katalysator eingebaut und die Signale der Sonde Vorkatalysator hat ein relativ kleines Volumen, was in
5 hinter dem Katalysator werden mit den Signalen vor dem Verbindung mit dem motornahen Anbau ein schnelles
Katalysator verglichen. Bei heute üblichen Lambda-Son- Erreichen der Betriebstemperatur und somit eine gute
den liegt bei mageren Gemischen eine niedrige Sonden- Abgaskonvertierung nach dem Kaltstart ermöglicht.
6 spannung und bei fetten Gemischen eine hohe Spannung Ein Verfahren zur Diagnose dieser Katalysatoran-
vor. Aufgrund der Auslegung der binären Lambda-Rege- lagen besteht darin, nur die Sauerstoffspeicherfähigkeit
7 lung ergeben sich bei der Lambda-Sonde vor dem Kata-
lysator bei λ = 1 Betrieb fett/mager Sprünge der Sonden-
des Vorkatalysators mit einer Lambda-Sonde hinter
diesem zu überwachen, . Abb. 16.75. Hierbei wird vor-
spannung mit einer relativ konstanten Amplitude. ausgesetzt, dass der Vorkatalysator wesentlich schneller
8 Bei der linearen Lambda-Regelung wird für die altert als der Hauptkatalysator. Da das Volumen dieses
Katalysatordiagnose eine erhöhte Zwangsanregung Katalysators im Vergleich zum Hauptkatalysator relativ
benutzt. Bei einem neuen Katalysator mit einer rela- klein ist, ist die maximal zulässige Wirkungsgradver-
9 tiv hohen Sauerstoffspeicherfähigkeit werden diese schlechterung hier deutlich höher. Erste Messungen
Regelschwingungen deutlich gedämpft, wie das Son- zeigen, dass der zu diagnostizierende Wert im Bereich
10 densignal hinter dem Katalysator zeigt. Ein gealterter
Katalysator hat, wie oben gezeigt wurde, ein deutlich
von 30 bis 50 % Wirkungsgradverschlechterung liegt.
Ein Problem dieses Verfahrens ist, dass die Wirkungs-
schlechteres Speicherverhalten, so dass die vor dem gradverschlechterung des Vorkatalysators direkt mit
11 Katalysator vorhandene Regelschwingung auf die der Wirkungsgradverschlechterung der gesamten Ka-
Sonde hinter dem Katalysator durchschlägt. talysatoranlage korrelieren muss. Die Eignung dieses
Das prinzipielle Verfahren zur Diagnose des Kata- Verfahrens hängt somit sehr stark von der Konfigura-

-
12 lysators ist wie folgt: tion der Katalysatoranlage ab, . Abb. 16.75.
Die Motorsteuerung ermittelt zunächst die Bei einem zweiten Verfahren sind zusätzlich zu den
13 Signalamplituden der Lambda-Sonden vor und Lambda-Sonden vor und hinter der gesamten Kataly-
hinter dem Katalysator. Anschließend wird der satoranlage vor und hinter dem Vorkatalysator Tem-
Quotient aus den Amplituden gebildet. Dieses peratursensoren angeordnet. Mit diesen Sensoren soll
14 Amplitudenverhältnis wird zur Beurteilung der zusätzlich das Anspringverhalten sowie die Konvertie-

15 - Konvertierungsrate des Katalysators benutzt.


Bei niedrigen Konvertierungsraten ergibt sich ein
mittleres Amplitudenverhältnis von nahezu Eins.
Mit zunehmender Konvertierungsrate nimmt das
rung der Vorkatalysatoren überwacht werden. Hierbei
wird der Effekt ausgenutzt, dass bei den Reaktionen im
Katalysator Wärme freigesetzt wird, die zu einer Er-
höhung der Abgastemperatur hinter dem Katalysator
16 Verhältnis ab. führt (. Abb.  16.76). Die Temperaturerhöhung kor-
reliert dabei mit dem Wirkungsgrad des Katalysators.
Für Fahrzeuge, die nicht als Low Emission Vehicle ein- Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass zusätzlich zur
17 gestuft sind, sowie für TLEV-Fahrzeuge ist mit diesem zweiten Lambda-Sonde präzise und somit relativ teure
Verfahren eine sichere Katalysatordiagnose möglich. Temperatursensoren eingesetzt werden müssen. Einen
18 Bei Fahrzeugen, die nach den strengen LEV- und Überblick über Diagnoseverfahren zeigt . Abb. 16.77.
ULEV-Grenzwerten zertifiziert sind, führen schon
Verschlechterungen der Konvertierungsrate von we-
19 nigen Prozent zu einer Überschreitung der Diagnose- 16.9.6 Sicherheitskonzepte
grenzwerte. Bei diesen Konvertierungsraten werden je-
20 doch relativ niedrige Amplitudenverhältnisse ermittelt.
Eine sichere Unterscheidung zwischen einem defekten
Gesetzliche Forderung schreiben für technische Sys-
teme, die bei Versagen Leben und Gut gefährden,
und einem funktionsfähigen Katalysator auf Basis des Schutzeinrichtungen vor, so dass das verbleibende
16.9 • Funktionen
855 16

Hauptprozessor ECU
Einspritzung, ...
... DRI
ADC EMS/ETC Funktion
DRI Mot
Check Zündwinkel, ... Geschwindigkeits-
-

Disable
Begrenzung
Funktions-und Prozessüberwachung or

Kopie der Prozessüberwachung

Prozessorüberwachung
Programmablauf/Anweisungen/Speicher

Frage Antwort Reset

ADC Prozessorüberwachung

Überwachungseinheit
Comparison

Funktion (Ebene 1) Kopie d. Prozessüberwachung (Ebene 2’)

Prozessüberwachung (Ebene 2) Prozessorüberwachung (Ebene 3)

..Abb. 16.78  Aufbau der Motorsteuerung bezüglich des Sicherheitskonzepts

Restrisiko unter einer tolerierbaren Schwelle bleibt. Bei


- die Pedalwerterfassung beinhaltet zwei unabhän-
komplexen Systemen mit Software sind das sogenannte
Schutzfunktionen. Außerdem schreibt der Gesetzgeber
- gige Positionssensoren,
die Drosselklappenposition wird von zwei unab-
vor, dass sicherheitsrelevante Systeme dem Stand der
Technik entsprechen müssen. Für sogenannte „Drive-
by-Wire“-Motorsteuerungssysteme, bei denen die - hängigen Positionssensoren erfasst,
das Motorsteuergerät beinhaltet eine vom Haupt-
prozessor unabhängig arbeitende Überwachungs-
Drosselklappe nicht direkt über einen Bowdenzug,
sondern über einen elektrischen, vom Fahrpedal un-
abhängigen Antrieb betätigt wird, ist daher ein Sicher-
heitskonzept in der Motorsteuerung vorgeschrieben.
- einheit (meist ein zweiter Prozessor),
das Motorsteuergerät beinhaltet umfangreiche
Sicherheitsfunktionen.

Dadurch sollen für den Fahrer gefährliche Zu- Die Sicherheitsfunktionen, . Abb. 16.78, sind dabei in
stände vermieden werden. Solche Zustände können mehrere Ebenen unterteilt, die verschiedene Überwa-
beispielsweise ein ungewolltes Beschleunigen („Gas chungsaufgaben wahrnehmen. Man unterscheidet die
geben“), also ein ungewolltes Losfahren des Fahrzeugs
oder eine Erhöhung der Motordrehzahl sein. Keine
Motorleistung beziehungsweise nur geringe Motor-
leistung wird als sicherer Zustand definiert. Man un-
-
folgenden Ebenen:
Ebene 1: Funktionen zur Steuerung und Rege-
lung des Motors inklusive der Übersetzung der
Lage des Gaspedals in einen Öffnungswinkel der
terscheidet zwischen Einzelfehlern, das heißt es tritt
nur ein Fehler auf, und Mehrfachfehlern.
Einzelfehler muss das Motorsteuerungssystem
selbstständig erkennen können und dann in der Lage
- Drosselklappe.
Ebene 2: die Prozessüberwachung überprüft den
Steuerung- und Regelungsprozess des Motors
(Ebene 1) mit dem Schwerpunkt auf alle Funkti-
sein, innerhalb von 500 ms das Fahrzeug in einen siche- onen, die im Fehlerfall ungewollt drehmomenter-
ren Zustand zu bringen. Dabei ist auch eine begrenzte
Motorleistung zulässig, die einen Notlauf des Fahrzeugs
noch erlaubt (sogenanntes „limp-home“). Bei Mehr- - höhend wirken können.
Ebene 2': eine Kopie des Codes der Prozessüber-
wachung, die für das Funktionieren der Ebene 3
fachfehlern ist es erlaubt, eine Reaktion des Fahrers,
zum Beispiel Betätigen der Bremse, miteinzubeziehen.
Um dieses Ziel erreichen zu können, sind umfangreiche
Änderungen im Motorsteuerungssystem notwendig:
- benötigt wird.
Ebene 3: die Prozessorüberwachung.
856 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

1
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..Abb. 16.79  Sicherheitskette zwischen Kunden und Zulieferer
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16
17 ..Abb. 16.80  Fehlermetriken der ISO

18 Die Ebene 3 wird dabei teilweise im Hauptprozessor, analoges Eingangssignal und stellt das Signal für einen
teilweise in der Überwachungseinheit ausgeführt. Der Plausibilitätscheck im Hauptprozessor zur Verfügung,
Überwachungsrechner überwacht den Programmab- was der Überwachung des AD-Wandlers des Haupt-
19 lauf, die Befehlssätze und den Speicherbereich. Zu- rechners dient.
sätzlich stellt die Überwachungseinheit dem Haupt- Die Prozessüberwachung auf Ebene 2 ist funktio-
20 prozessor Rechenaufgaben und überprüft anhand der
Antworten die korrekte Funktion des Hauptprozessors.
nal so ausgeführt, dass teilweise die gleichen Funkti-
onen wie in Ebene 1 berechnet werden, jedoch ohne
Daneben erfasst die Überwachungseinheit auch ein die gleichen Daten zu benutzen. Um eine Konsistenz
16.10  •  Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen
857 16

Development Interface Agreement


between OEM and Conti Temic microelectronic GmbH, Nuremberg
(Functional Safety Management according to ISO26262)

Version: 2.2
page 4 of 10 document name: DIA_xxx.xlsx
date: 17.04.2012

The scope of this agreement covers the following work products and the corresponding activities
with respect to the framework given on sheet 'overview
ISO 26262
Work products / Activities R A S I Availability Notes Filling instructions
reference
Concept phase: item definition and top-level safety requirements
Item d efiniti on 3 -5 .5 .1 CUST CUST full as
deliverable
H aza rd a n a l ys i s a nd ri s k a s s e s s m e n t (H&R) 3 -7 .5 .1 CUST CUST short at
location
Safety goals (SG) with corresponding ASILs, and safe states where 3-7.5.2 CUST CUST full as
applicable deliverable
Functional safety concept (FS requirements + preliminary architecture) 3-8.5.1 CUST CUST full as
deliverable
SEo o C a s s um p tio ns o n fu nction a l s a fe ty 1 0-9 .1 SUPP CUST SUPP short at
location
Va l i d i ty o f SEo o C a s s um p tio ns o n fu nction a l s a fe ty 1 0-9 .1 CUST CUST short at
location
Organization of FSM at project-level
Proje ct s a fe ty p l a n (Cu s to m e r) 2 -6 .5 .1 , (3- CUST CUST s hor t as
6.5.2, 4-5.5.2, deliverable
5-5.5.1,
6-5.5.1, 6-
7.5.2, 8-12.5.3,
8-14.5.1,
6-C.5.3)

Proje ct s a fe ty p l a n (Su p p l i er) 2 -6 .5 .1 , 8 - SUPP CUST SUPP full as


5.5.4, (3-6.5.2, deliverable
4-5.5.2,
5-5.5.1, 6-
5.5.1, 6-7.5.2,
8-12.5.3,
8-14.5.1, 8-
7.5.1, 6-C.5.3)
Product development: system level - technical safety requirements /system design
Technical safety requirements (part of technical safety concept - customer 4-6.5.1 CUST SUPP CUST full as
scope) 4-6.5.2, (8- deliverable
9.5.3)
4-7.5.1
4-7.5.5, (8-
9.5.3)

..Abb. 16.81  Beispiel einer Sicherheitsverantwortungsmatrix

ASIL SPFM LFM 16.10 Sicherheitskonzepte


in Getriebesteuerungen
A -- --

B ≥ 90% ≥ 60% Gesetzliche Forderungen schreiben für technische


C ≥ 97% ≥ 80% Systeme, die bei Versagen Leben und Gut gefähr-
D ≥ 99%
den, Schutzeinrichtungen vor, so dass das verblei-
≥ 90%
bende Restrisiko unter einer tolerierbaren Schwelle
bleibt. Außerdem schreibt der Gesetzgeber vor, dass
ASIL PMHF SPFM: Single Point Faults Metric sicherheitsrelevante Systeme dem Stand der Tech-
LFM: Latent Faults Metric
nik entsprechen müssen. Die Veröffentlichung der
A --
PMHF: Probabilis c Metric for random Sicherheitsnorm ISO 26262 [7] im November 2011
(gültig für Pkw mit einem zulässigen Gesamtge-
B -7 -1 Hardware Failures
< 10 h
C < 10-7 h-1 wicht von max. 3,5 t) als Ausführungsvorschrift der
D < 10-8 h-1
DIN IEC 61508 hat erheblichen Einfluss auf Design,
Qualifizierung und Produktion elektronischer Steuer-
geräte und wurde von mehr als 130 Staaten weltweit
..Abb. 16.82  ASIL-Klassen mit Fehlern
akzeptiert.
Die Fehlermetriken der ISO 26262 und ihre An-
zu erhalten, ist daher auch eine exakte Applikation forderungen zur Vermeidung zufälliger Bauteilefehler,
der Prozessüberwachung erforderlich. Dies führt abhängiger Fehler und gegenseitiger Beeinflussung er-
zu einem redundanten Sollwert der Führungsgröße weisen sich als wesentliche Einflussgröße für die Si-
(zum Beispiel induziertes Drehmoment). Zusätzlich cherheitsarchitekturen (. Abb. 16.79, 16.80).
wird in der Ebene 2 der Istwert der Führungsgröße In einer Sicherheitsverantwortungsmatrix wird die
berechnet und mit dem redundant berechneten Soll- Aufgabenverteilung zwischen OEM, Steuergeräteliefe-
wert verglichen. Dadurch werden zu hohe Istgrößen rant und Bauteilezulieferer (zum Beispiel für ASICs, Mi-
erkannt und entsprechende Fehlerreaktionen ein- krocontroller, Sensoren) festgelegt, um die Durchgän-
geleitet, die das Fahrzeug in den sicheren Zustand gigkeit der Sicherheitsanforderungen zu gewährleisten.
überführen [6].
858 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

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..Abb. 16.83  Ermittlung von der FIT-Rate für Random Hardware Failure
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18
..Abb. 16.84  Beispiel Sicherheitskonzept für Getriebe ASIL D
19
Anhand der nun kurz beschriebenen Verfahren er- Aus der Bewertungsgrundlage wird nach verschie-
20 gibt sich eine Einstufung nach ISO 26262 in die soge-
nannten „Automotive Safety Integrity Levels“ (ASIL).
-
denen Fahrsituationen unterschieden.
Wie oft gibt es Fahrzustände, bei denen der Feh-
ler relevant ist?
16.10  •  Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen
859 16

-- Beherrschbarkeit der Fehlfunktion.


Gefährdungspotenzial. Die Klassen reichen von
QM, ASIL A bis zu ASIL D. Hier geht es um die
Dekomposition beschrieben. Ein ASIL D kann sich aus
zwei ASIL B-Pfaden zusammensetzen, ein ASIL C aus
einem ASIL B und ASIL A. Ein weiterer Ansatzpunkt
Summe der oben genannten 3 Klassen, das heißt zum Erreichen der vorgegebenen ASIL-Klasse ist die
selbst bei höchstem Gefährdungspotenzial (mit Zuverlässigkeit der Bauteile im Sicherheitspfad. Sie
eventueller Todesfolge) kann eine QM-Einstu- wird angegeben in FIT (Failure in Time = 1 Bauteile-
fung resultieren, wenn die Beherrschbarkeit hoch Ausfall / 109 h). Die Ausfallraten für die elektronischen
und die Auftretenswahrscheinlichkeit niedrig ist. Bauteile werden entweder von den Halbleiterherstel-
lern ermittelt oder über Industriestandardwerke (zum
Nachdem in der Norm die Einstufungen nur grob um- Beispiel SN29500, IEC61709) abgeleitet.
rissen sind, wurde von der deutschen Automobilindus­ In den jetzigen Steuergerätearchitekturen wird eine
trie im VDI eine Detaillierung für die einzelnen Steu- Dekomposition zum Beispiel durch die Überwachung
ergeräte und Funktionen vorgenommen. So wird ein des Hauptrechners durch eine Überwachungseinheit,
Motorsteuergerät normalerweise in die Klasse ASIL B erreicht oder bei ASIL  D Anforderungen durch den
(max. Sicherheitsziel) eingruppiert, da hier kein unmit- Einsatz eines zweiten Mikrocontrollers. Ebenso können
telbarer Eingriff auf die Fahrstabilität möglich ist. Hier Ausgänge über zwei unterschiedliche Pfade abschaltbar
geht man davon aus, dass im kritischen Fall, wie es zum sein (. Abb. 16.83, 16.84).
Beispiel das Hochbeschleunigen des Motors darstellt, Für „Drive-by-Wire“-Motorsteuerungssysteme,
der Fahrer durch Bremsen oder Auskuppeln des An- bei denen die Drosselklappe nicht direkt über einen
triebsstrangs das Fahrzeug unter Kontrolle halten kann. Bowdenzug, sondern über einen elektrischen, vom
Anders ist die Situation bei den Getriebesteuergeräten. Fahrpedal unabhängigen Antrieb betätigt wird, ist
Hier kann eine Fehlfunktion direkt das Fahrverhalten daher ein Sicherheitskonzept in der Motorsteuerung
beeinflussen. So wird eine TCU für Vorderradantrieb vorgeschrieben, welches einer ASIL  B-Einstufung
normalerweise in den Bereich zwischen ASIL B und entspricht. Dadurch sollen für den Fahrer gefährliche
ASIL C eingruppiert, da Störungen, wie sie zum Beispiel Zustände vermieden werden. Solche Zustände kön-
durch ungewollte Schaltvorgänge auftreten, durch den nen beispielsweise ein ungewolltes Beschleunigen des
Fahrer über das Lenkrad kompensiert werden können. Fahrzeugs sein. Keine Motorleistung beziehungsweise
Bei Allrad- oder Hinterrad angetriebenen Fahrzeugen nur geringe Motorleistung wird als sicherer Zustand
kann ungewolltes Schalten über mehrere Gänge, zum definiert. In der Motorsteuerung wird dies durch die
Beispiel bei nasser Straße, zum Schleudern (Destabi- Überwachung der kritischen Pfade durch parallele
lisierung) des Fahrzeuges führen. Das Eingruppieren Sensoren, wie zum Beispiel Fahrpedalerfassung über
in den jeweiligen ASIL-Bereich kann aber nur vom zwei unabhängige Sensoren und Signalpfade erreicht.
Systemverantwortlichen (normalerweise Hersteller des Bei Getriebesteuerungen muss das unbeabsichtigte
Mechanischen Getriebes oder OEM) vorgenommen Schalten oder Kuppeln verhindert werden. Daher sind
werden, da durch zum Beispiel mechanische Sperren die sicherheitskritischen Ansteuerungen der Magnet-
im Getriebe ein ungewolltes Schalten über mehrere Stu- ventile redundant ausgelegt. Dazu wird sowohl die
fen verhindert werden kann, und damit der ASIL Level Spannungsversorgung und die Masse über stromgere-
für Steuergeräte abgesenkt werden kann. Dies ist Inhalt gelte Schalter über das Steuergerät geführt. Im Bereich
der Hazard & Risk-Analyse des Fahrzeugherstellers und der Sensorik wird eine hohe Diagnostizierbarkeit der
dem daraus abgeleiteten funktionalen Sicherheitskon- Signale durch den Einsatz digitaler Sensoren und ein
zept. Anhand dieser Vorgaben werden die kritischen intelligentes Versorgungskonzept erreicht.
Funktionspfade im Steuergerät bestimmt (technisches Die Hauptkomponente in den Steuergeräten ist der
Sicherheitskonzept). Im Steuergerätedesign wird nun Mikrocontroller. Dieser wird entweder durch einen
anhand der in der Norm vorgegebenen Klassen be- kleinen weiteren Rechner oder die Monitoreinheit über-
stimmt, wie die sicherheitskritischen Pfade bezüglich wacht. Zukünftig wird hier die Architektur durch den
der Fehlerausfallwahrscheinlichkeit auszusehen haben. Einsatz moderner Multicore-Systeme mit sogenannten
Wichtig ist hier das Zusammenspiel zwischen Lockstepcores deutlich vereinfacht. Zurzeit wird das so-
Software und Hardware, um eine möglichst hohe Er- genannte 3-Ebenen-Konzept in der Software realisiert.
kennung von Fehlern zu erreichen. Wie der Tabelle in Die Ebene 3 wird dabei teilweise im Hauptprozessor,
. Abb. 16.82 zu entnehmen ist, muss die Fehlerentde- teilweise in der Überwachungseinheit ausgeführt. Der
ckungsrate bei einem Sicherheitsziel mit ASIL D für Überwachungsrechner überwacht den Programmablauf,
Einzelfehler > 99 % und bei latenten Fehlern > 90 % die Befehlssätze und den Speicherbereich. Zusätzlich
liegen. Dieser Vorgang ist in der ISO 26262 als ASIL- stellt die Überwachungseinheit dem Hauptprozessor Re-
860 Kapitel 16  •  Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung

chenaufgaben und überprüft anhand der Antworten die Spannungsversorgungen der Mikrocontroller aus dem
1 korrekte Funktion des Hauptprozessors. Daneben erfasst 48-Volt-Bordnetz sind Vorkehrungen zu treffen, um die
die Überwachungseinheit auch ein analoges Eingangs- Spannung auf für Mikrocontroller und ggf. weitere ICs
2 signal und stellt das Signal für einen Plausibilitätscheck
im Hauptprozessor zur Verfügung, was der Überwa-
übliche Versorgungsspannungen zu reduzieren. Im We-
sentlichen ist dies die Aufgabe der Stromversorgungsmo-
chung des AD-Wandlers des Hauptrechners dient. Die dule, die eine entsprechende Angleichung einschließlich
3 Prozessüberwachung auf Ebene 2 ist funktional so aus- einer angepassten Topologie erfahren müssen.
geführt, dass teilweise die gleichen Funktionen wie in Ein integraler Bestandteil des Zwei-Spannungsnet-
Ebene 1 berechnet werden, jedoch ohne die gleichen zes ist der DC/DC Wandler in unterschiedlichen Leis-
4 Daten zu benutzen. Die Ebene 2 wird nach Einführung tungsklassen, der eine Trennung der 12–48 V Netze
der ISO 26262 um die Überwachung der Sicherheitsziele realisiert. Eine elektronische Regelung stellt sicher,
5 erweitert. Dies führt zu einem redundanten Sollwert dass ein geeigneter Energieaustausch zwischen beiden
der Führungsgröße (zum Beispiel induziertes Drehmo- Netzten gewährleistet wird.
ment). Zusätzlich wird in der Ebene 2 der Istwert der
6 Führungsgröße berechnet und mit dem redundant be-
rechneten Sollwert verglichen. Dadurch werden zu hohe 16.11.2 Normungsaktivitäten

7 Istgrößen erkannt und entsprechende Fehlerreaktionen


eingeleitet, die das Fahrzeug in den sicheren Zustand Der Anspruch an elektronische Steuergeräte und im
überführen. Der sichere Zustand des Steuergerätes kann weiteren Sinne an mechatronische Komponenten und
8 das Ausschalten der Lasten durch einen redundanten deren Verkabelung sowie die Prüfbedingungen und
Pfad und das Abschalten des Rechners sein. Prüfungen werden in ersten Entwürfen für den Ein-
satz in Kraftfahrzeugen festgelegt. So wurde die LV148
9 von führenden Vertretern der Automobilindustrie
16.11 Motor- und definiert und ist als hauseigene Werknorm bei fünf
Getriebesteuergeräte
10 im 48-Volt-Bordnetz
inländischen OEMs verfügbar. Der darin festgelegte
Spannungsbereich liegt unter dem Kleinspannungsni-
veau von 60 V. Damit ist der Berührschutz, der in der
11 Für eine Reihe von Einsatzfällen in modernen Fahr- ECE-R 100, Sicherheit am Elektrofahrzeug gefordert
zeugen stößt das 12-Volt-Bordnetz heute an seine ist, weiterhin auch für Steuergeräte zutreffend. Ein
Grenzen. Daher rückt nun auch für viele Fahrzeug- nicht zu unterschätzender Aspekt des 48-Volt-Span-
12 modelle mit Verbrennungsmotor die Entwicklung nungsniveaus sind allerdings höhere Energien im Falle
des 48-Volt-Bordnetzes mit einer Leistung bis zu etwa von Lichtbögen, so dass etablierte Sicherungskonzepte
13 15 kW in den Vordergrund. Mit 48-Volt-Technologien nicht mehr ausreichen, um zu gewährleisten, Über-
wird es möglich, höhere elektrische Ströme im Fahr- lasten im 48-Volt-Bordnetz sicher abzuschalten. Eine
zeug zur Verfügung zu stellen. Ausgehend von Start- elektronische Messsensorik in Steuergeräten wird er-
14 Stopp-Systemen mit riemengetriebenen Startergene- forderlich, um Kurzschlüsse eindeutig zu erkennen
ratoren treiben insbesondere elektrische Turbolader und die involvierten Stromkreise im Fehlerfall zu
15 aber auch Mild-Hybridsysteme die Bordnetzentwick-
lung auf 48-Volt-Basis voran. Darüber hinaus sind
deaktivieren.

zusätzliche Funktionen auch bei Fahrerassistenzsys-


16 temen und im Komfortbereich mit steigender Tendenz Literatur
zu realisieren.
[1] Greiner, J., et al.: Siebengang-Automatikgetriebe von Mer-
17 cedes Benz. ATZ 10. (2003)
16.11.1 Architektur-Anpassungen [2] Hadler, J., et al.: Das Siebengang-Doppelkupplungsge-

18 triebe von Volkswagen. ATZ 06. (2008)


[3] Stark, R., Schuch, B.: Innovative Technologien für Getriebe-
Im Wesentlichen kann die grundlegende Architektur der
steuerungen. Schaeffler Kolloquium. (2010)
Motor- und Getriebesteuergeräte identisch zu Steuerge-
19 rätearchitekturen im 12-Volt-Bordnetz gestaltet werden.
[4] Faust, H., et al.: Doppelkupplungsgetriebe mit trockener
Kupplung und elektromechanischer Aktuatorik. ATZ 04.
Allerdings sind sowohl aktive als auch passive elektroni- (2010)
20 sche Bauelemente dem höheren Spannungsniveau des
48-Volt-Bordnetzes anzupassen, sofern sie am 48-Volt-
[5] Bolz, S., Lugert, G.: A Novel Interface for Linear Oxygen
Sensors. SAE Technical Paper (2001)
Spannungsniveau zum Einsatz kommen. Für z. B.
Literatur
861 16
[6] Braunschweig, M., Czarnecki, T.: On-Board-Diagnose bei
Dieselmotoren. MTZ 65(7/8), 552–557 (2004)
[7] Kuhn, M.: Functional Safety Management realized over pro-
ject livetime. VDI Fachkonferenz „Steuerung und Regelung
von Getrieben“, Friedrichshafen, 18.–19.6.2013. (2013)
863 17

System Antriebsstrang
Dr.-Ing. Michael Ulm, Dipl.-Ing. Friedrich Graf, Dipl-Ing. Uwe Möhrstädt

17.1 Antriebsstrang-Architektur – 864
17.2 Längsdynamik des Kraftfahrzeuges  –  864
17.3 Getriebetypen – 864
17.4 Leistungsebene und Signalverarbeitungsebene  –  866
17.5 Getriebesteuerung – 867
17.5.1 Funktionen – 867

17.6 Integriertes Antriebsstrangmanagement (IPM®) – 870


17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung  –  872
17.7.1 Überblick – 872
17.7.2 Varianten Hybrid- und Elektroantrieb  –  872
17.7.3 Komponenten – 873
17.7.4 Leistungselektronik – 874
17.7.5 Elektromotor – 875
17.7.6 Energiespeicher – 876

Literatur – 880

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_17
864 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

In diesem Kapitel wird auch insbesondere der Integ- Achsgetriebe) das Motorkennfeld auf einen wesentlich
1 rierte Starter-Generator (ISG) behandelt, weil er zu- größeren Bereich des Drehmoment-Drehzahl-Bedar-
künftig unter anderem eine wichtige Rolle in der Kon- fes an der Getriebeausgangswelle an (. Abb. 17.2; [1]).
2 zeption des Antriebsstrangs einnimmt.

17.2 Längsdynamik
3 17.1 Antriebsstrang-Architektur des Kraftfahrzeuges

Durch Weiterleitung der Motorleistung von der Kur- Konzentriert man in einer Modellannahme die Fahr-
4 belwelle an die Antriebsräder wird diese für den Fahrer zeugmasse in einen Punkt, so ergibt sich das Beschleu-
in Form einer Fahrzeugbeschleunigung oder -verzöge- nigungs- und Bremsverhalten dieses Fahrzeugs aus der
5 rung tatsächlich wirksam. Die drehmomentführenden sogenannten „Fahrwiderstandsgleichung“ (Momente

--
Elemente eines Pkw-Antriebsstranges sind, . Abb. 17.1:
der Verbrennungsmotor,
hier bezogen auf zusammengefasste Achswellen):

-
6 eventuell ein integrierter Starter-Generator (ISG),
mFahrzeug aFahrzeug
 
das Getriebe, bestehend aus Anfahrelement (zum = 1=rRad iges MMotor-effektiv –MFahrwiderstand ;
 (17.1)
7 Beispiel einer Kupplung) und dem eigentlichen

- Übersetzungsgetriebe,
eventuell ein Verteilergetriebe eines Vierradan-
wobei

8
- triebs und MFahrwiderstand = MRollwiderstand + MSteigungswiderstand + MLuftwiderstand + MBrems
das (oder die) Achsgetriebe (Differenziale, even- ↑ ↑ ↑
tuell schlupfgeregelt). Fahrzeug- Fahrzeugmasse, Fahrzeug-
9 masse,
Rollwider-
Steigung geschwin-
digkeit,
Die Aufgaben des Antriebsstranges in Ergänzung zum

-
stands- Luftwider-
10 Verbrennungsmotor bestehen dabei:
im Anfahren (realisiert durch Elemente wie
beiwert
(Straßen-
stand (Luft-
dichte, Fron-
oberfläche, talfläche,
Kupplung, Drehmomentwandler oder auch

-
Reifencha- Luftwider-
11 einem integrierten Starter-Generator), rakteristik) standsbei-
wert cW)
gegebenenfalls dem zusätzlichen Einbringen/Re-
kuperieren von elektrischer Antriebsenergie mit
12 Hilfe des integrierten Starter-Generators, einer (17.2)
Batterie und/oder großen elektrischen Kapazitä- Dabei bedeuten:
13
14
- ten,
in der Kennungswandlung zwischen Motorver-
halten und dem Fahrzeug-Zugkraftbedarf (durch
form- oder kraftschlüssige Übersetzungselemente
mFahrzeug = Fahrzeugmasse
aFahrzeug = Fahrzeugbeschleunigung
rRad
iges
= dynamischer Reifenradius
= Gesamtübersetzung
wie zum Beispiel Zweiwellen-Stufengetriebe, M = Momente
15 einem Stufenlos-Variator oder einem Drehmo-

16 - mentwandler),
in der Reduktion von Motor-Drehungleichför-
migkeiten (zum Beispiel durch Dämpferelemente
in der Kupplung, durch ein Mehr-Massen-
Die Gleichung dient zum Beispiel zur Ermittlung des
Fahrzeug-Beschleunigungsvermögens, der Fahrzeug-
Höchstgeschwindigkeit (bei aFahrzeug = 0) sowie zum
Beispiel im Rahmen einer Echtzeitauswertung der Be-
Schwungrad oder einen schlupfgeregelten Dreh- rechnung des aktuellen Steigungswiderstandes.

-
17 momentwandler) sowie
in der Zugkraftverteilung auf die Antriebsräder
17.3 Getriebetypen
18 (zum Beispiel durch Drehmoment-Verteilung
zwischen Vorder- und Hinterachse sowie Achs-
differenziale zwischen der linken und rechten Hinsichtlich der Bauform ihres Übersetzungselemen-

-
19 Fahrzeugseite). tes können Getriebe klassiert werden in
Stufengetriebe gegenüber Stufenlosgetrieben
20 Speziell das Getriebe vereint hierbei die Funktionen
eines Anfahrelementes sowie eines Kennungswandlers.
Bei Letzterem passt das Getriebe (zusammen mit dem - sowie
Getriebe mit natürlichem Achsversatz zwischen
Antriebs- und Abtriebswelle (Zweiwellen-Ge-
17.3 • Getriebetypen
865 17
..Abb. 17.1 Pkw-An-
triebsstrang

PE
nE
Motor
ME

Getriebeausgangsmoment MA
PA
nA
Motordrehmoment MM = ME

Momentenverhältnis MA/ME

Achs-
„ideales“ getriebe MA „ideales“
Zugkraftkennfeld Zugkraftkennfeld
4. 3. 2. 1. 1.

2.
3.

4. Gang

e
Motordrehzahl nM = nE Drehzahlverhältnis nA/nE Getriebeausgangsdrehzahl nA

..Abb. 17.2  Aufgaben eines Pkw-Getriebes: Angleich von Leistungsbedarf und Motorleistung [1]

triebe) gegenüber Getrieben mit axialer Anord- spielen in Europa nach wie vor manuell betätigte Ge-
nung der Antriebs- und Abtriebswelle (Inline- triebe (in Zweiwellen-Bauart) eine wesentliche Rolle,
Getriebe). während in den USA und in Asien elektrohydraulisch
betätigte Automatikgetriebe (zumeist in Planeten-Bau-
Stufengetriebe basieren auf formschlüssigen Über- art) überwiegen. Diese Bauformen werden zunehmend
tragungselementen (zum Beispiel schrägverzahnten
Stirnrad- oder Planetenradsätzen), während Stufen-
losgetriebe zumeist auf kraftschlüssigen Wirkprinzi- -
ergänzt durch automatisierte Zweiwellengetriebe
auf Basis einer (elektromotorisch oder elektrohy-
draulisch betätigten) Trockenkupplung (automa-
pien beruhen. Diese auf Grund von Reibung erzeugte
Kraftschlüssigkeit erfordert eine zusätzliche Hilfsener-
gie, sodass Stufenlosgetriebe im Allgemeinen einen
schlechteren inneren Getriebewirkungsgrad aufwei-
- tisierte Schaltgetriebe) oder
auf Basis einer hydraulisch betätigten Doppel-
kupplung (Doppelkupplungsgetriebe).

sen. Diesen Nachteil kompensieren diese Getriebe je- und stufenlose Umschlingungsgetriebe auf Basis eines
doch innerhalb des gesamten Antriebsstranges durch Schubgliederbandes oder einer Kette.
ihre optimale Anpassbarkeit des Motorbetriebspunktes Eine Zusammenstellung verschiedener Getriebety-
an die Fahrsituation. pen mit einigen charakteristischen Eigenschaften ent-
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal für Fahr- hält das . Abb. 17.3. Die üblichen Drehmomentberei-
zeuggetriebe ist der Grad ihrer Automatisierung. So che für Anwendungen im Pkw zeigt das . Abb. 17.4.
866 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

Getriebetyp Abkürzung Übersetzung Gewicht Geräusch Verbrauch1) Schaltkomfort


1 (ATZ-Wert)2)
Handschaltgetriebe 5MT Zweiwellen- niedrig niedrig – 10,0 % –
2 (5-Gang) getriebe
Handschaltgetriebe 6MT Zweiwellen- niedrig niedrig – 12,0 % –
3 (6-Gang) getriebe
Stufenautomat 5AT Planetenradsätze mittel niedrig – 0,0 % 9
(5-Gang)
4 Stufenautomat 6AT Planetenradsätze mittel niedrig – 3,0 % 9
(6-Gang)
5 Stufenlosgetriebe S-CVT Umschlingungs- hoch mittel – 5,0 % 9,5
getriebe
(Basis Schub-
6 gliederband)
Stufenlosgetriebe K-CVT Umschlingungs- hoch mittel – 5,0 % 9,5
7 getriebe
(Basis Kette)
Toroidgetriebe T-CVT Reibradgetriebe sehr hoch niedrig – 7,0 % 9,5
8 Automatisiertes E-AMT Zweiwellen- niedrig niedrig – 15,0 % 6,3
Handschaltgetriebe getriebe mit
9 elektromechani-
scher Betätigung
Automatisiertes H-AMT Zweiwellen- niedrig niedrig – 14,0 % 6,5
10 Handschaltgetriebe getriebe mit
elektrohydrauli-
11 scher Betätigung
Doppelkupplungs- DCT Zweiwellen- mittel niedrig – 8,0 % 8,7
getriebe getriebe mit
12 elektrohydrauli-
scher Betätigung

13 Anmerkungen:
1)
2)
Ungefährer Verbrauchsvorteil gegenüber einem 5-Gang-Stufenautomaten bei 300 Nm Betrieb und entdrosseltem Ottomotor.
Der ATZ-Wert ist ein Maß für die Qualität des Übersetzungswechsels. Ein ATZ-Wert von 10 entspricht einem optimalen (ruckfreien )
Übersetzungswechsel, ein Wert von 1 einem stark unkomfortablen Vorgang.
14
..Abb. 17.3  Vergleich verschiedener Getriebetypen [2–4]

15 Das . Abb. 17.5 zeigt als Beispiel das 5-Gang-Stu- b) Signalebene (. Abb. 17.6):


fengetriebe W5A 580 von DaimlerChrysler, welches Die Steuerung und Regelung des Gesamtantriebs-
16 einen schlupfgeregelten Drehmomentwandler sowie stranges basiert auf physikalischen Modellen der
drei Planetenradsätze enthält. Das Getriebe wird für Einzelkomponenten, die durch einen drehmo-
nahezu alle Pkw-Standard-(Heck-)antriebe der Marke mentbasierten Modellansatz (ausgehend vom
17 „Mercedes-Benz“ eingesetzt. Radmoment hin zur Motor- und Getriebeführung)
funktional integriert werden.
18 17.4 Leistungsebene
c) Verknüpfungen:
Moderne Antriebsstrang-Architekturen zeichnen
und Signalverarbeitungsebene sich durch eine eindeutige vertikale Korrespon-
19 denz der Komponenten der Leistungs- und Sig-
a) Leistungsebene (. Abb. 17.6): nalebene sowie ihrer Verknüpfungen aus. Auf der
20 Dies ist die Ebene der tatsächlich drehmomentfüh-
renden Komponenten.
Leistungsebene bestehen diese Verknüpfungen in
Form der momentenführenden Wellen, auf der Si-
gnalebene in Form von Kommunikationskanälen.
17.5 • Getriebesteuerung
867 17
..Abb. 17.4 Übliche Getriebevergleich
Drehmomentbereiche 900

Drehmomentbereich in Nm
für Pkw-Getriebe 800
700
600
500
400
300
200
100
0
5MT 6MT 5AT 6AT S-CVT K-CVT T-CVT E-AMT H-AMT DCT
Getriebetyp

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

1 Drehmomentwandler 6 Kupplung K2 11 Parksperrenrad 16 Elektro-hydraulische Steuereinheit


2 Ölpumpe 7 Lamellenbremse B3 12 Zwischenwelle 17 Vorderer Planetensatz
3 Antriebswelle 8 Kupplung K3 13 Freilauf F2 18 Freilauf F1
4 Lamellenbremse B1 9 LamellenbremseB2 14 Hinterer Planetensatz 19 Statorwelle
5 Kupplung K1 10 Abtriebswelle 15 Mittlerer Planetensatz 20 Wandlerüberbrückungskupplung

..Abb. 17.5  5-Gang-Stufengetriebe W5A 580 von DaimlerChrysler

17.5 Getriebesteuerung
- Schaltstrategie: Bestimmt, welche Ziel-Überset-

17.5.1 Funktionen
- zung oder welcher Gang eingestellt wird,
Schaltübergang: Management des eigentlichen

17.5.1.1 Überblick
Folgende Funktionsgruppen lassen sich für alle Getrie-
bekonzepte definieren:
- Übersetzungswechsels,
Diagnosefunktionen: Herstellen eines sicheren
Zustands bei Komponentenfehlern oder des
Notlaufbetriebs,
868 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

..Abb. 17.6 Leistungs-
1 Fahrzeugnetzwerk CAN
Signal-Ebene und Signalebene eines
Antriebsstrangs

2
Motorsteuerung Starter-Generator
42 V-Batterie Getriebesteuerung
Steuergerät
3
4 Leistungsebene

5
6 Starter-
Generator
Motor Kupplung Kupplung Getriebe
7
8
- Sonderfunktionen wie Steuerung der Wandler-
überbrückungskupplung, Wählhebel-Sperrma-
gnet-Ansteuerung, Sicherheitskonzept bei „shift
oder Schaltstrategien heute Grundbestandteil jedes
Automatikgetriebesystems, die gemäß den existieren-
den Bedingungen selbstständig die richtigen Prioritä-
9 by wire“. ten setzen.
SAT („Siemens Adaptive Transmission Control“),
10 Die Zusammenhänge sind mit . Abb. 17.7 anhand
des automatisierten Handschaltgetriebes (AMT) dar-
. Abb. 17.8, ist als die Fahrstrategie von Siemens für
Stufenautomaten erfolgreich im Einsatz bei unter-
gestellt. Die Fahrstrategie ermittelt dabei nicht nur schiedlichen Fahrzeugherstellern, Fahrzeugklassen
11 den Soll-Gang im automatischen Betrieb, sondern und Fahrkulturen [5].
überprüft auch manuelle Schaltbefehle vom Fahrer Klassifiziert werden sowohl die globalen Strategie-
12 (bekannt zum Beispiel als sogenannter Tiptronic oder
IntelligenTip®). Die untergelagerte Ebene sorgt für die
--
kriterien als auch kurzfristige Fahrsituationen:
Fahrertyperkennung,

13
Einleitung und Gesamtkoordination des Schaltvor-
gangs, beim AMT also die Führung von Motor (Dreh-
- Umwelterkennung: Fahrbahnsteigung,
Anpassung auf niedrige Fahrbahn-Reibwerte

14
moment und Drehzahl), Kupplungsdrehmoment- und
logischer Gangposition. Die Regelung der zugehöri-
gen physikalischen Stellgröße (Weg, Druck, Winkel)
übernimmt die Ebene „Aktuatorsteuerung“.
-- (Glätte),
manueller Eingriff (IntelligenTip®),
Fast-off-Erkennung: Unterdrückung der Hoch-
schaltung bei schneller Gasrücknahme (Verzöge-
15 17.5.1.2 Fahr- oder Schaltstrategie
Im Laufe der 1980er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden - rungsabsicht des Fahrers),
Kurvenerkennung: Verhinderung der Hoch-
schaltung in Abhängigkeit der Querbeschleuni-
16
17
erste elektronische Getriebesteuerungen eingeführt,
die es dem Fahrer zunächst gestatteten, manuell zwi-
schen einzelnen verschiedenen Schaltprogrammen wie
„ökonomisch“, „sportlich“ oder „Winter“ zu wählen.
- gung,
Bremsrückschaltung: zusätzliche Rückschaltun-
gen bei Bremsbetätigung unter Beachtung der
Motordrehzahlgrenzen und Fahrsituation.
Allerdings erwies sich diese Lösung nicht als optimal,
18 da sie einen ständigen manuellen Eingriff des Fahrers Eine Besonderheit des SAT-Systems ist sein umfas-
erforderte, um das Schaltverhalten des Fahrzeugs an sender Einsatz von Fuzzy-Logic, je nach Ausbaugrad
die auftretenden Fahrsituationen anzupassen. Da au- mit  30 bis 40  Regeln. Dadurch wird eine hohe Ad-
19 ßerdem nicht sichergestellt werden konnte, dass der aptionsgüte und -Dynamik erzielt. Zukünftige Lö-
Fahrer die manuelle Auswahl in allen Situationen vor- sungsansätze wie IntelligenTip® [6] geben dem Fahrer
20 nimmt, mussten auch für diese verschiedenen Schalt-
programme letztendlich Kompromisse eingegangen
mehr Raum zur Bildung persönlicher Präferenzen der
Schaltstrategie durch eine Online-Lernkomponente,
werden. Deshalb sind sogenannte „intelligente“ Fahr- . Abb. 17.8.
17.5 • Getriebesteuerung
869 17

Fahrerschnittstelle

shift lock Fahrstrategie

Zielgang Bestätigter Zielgang


CAN messages from
engine
Motor-
steuerungs- Schaltablaufkoordinator
system CAN
CAN messages to
engine

Aktutorsteuerung

Gang Kupplung

BIOS/VIOS

IO-HARDWARE
(Sensoren, Aktuatoren, Schalter)

..Abb. 17.7 Funktionsgruppen

Fahrpedal FP
Fuzzyfizierung
FP Mittelwert
Regelbasis
FP Aktivität Inferenz und Defuzzyfizierung

FP Dynamik
Lastwert/Steigung

Fahrzeuggeschwindigkeit
Fahrerklasse

Längsbeschleunigung Schaltverhinderung

Differential torque Kurvenwert


SAT Fuzzy Systeme
Querbeschleunigung

Bremsverzögerung

Bremszeit

..Abb. 17.8  Adaptive Transmission Control. (Fa. Siemens)


870 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

Getriebeeingangs- ..Abb. 17.9  Direkte Kupp-


1 und -ausgangs-
geschwindigkeit
lungs-Einzelansteuerung
Fahrerschnittstelle
Fahrstrategie
2
Drehmoment

3
Wandlersteuerung
Zielgang Bestätigter
Zielgang
Motormanagement

4 Getriebedrehzahlen
Schaltablaufkoordinator Solldruck

5
p
I
Kupplung 1 Kupplung 2 Kupplung 3

6
p Stromregelung
I p I p I

7 Stromregelung Stromregelung Stromregelung

8
17.5.1.3 Automatgetriebe des Bandrutschens. Daneben steuern weitere Funkti-
9 mit Planetenradsätzen onen die Wandlerüberbrückung und den Planetensatz
und Drehmomentwandler für Fahrtrichtungswechsel.
10 Aktuelle Lösungsansätze bevorzugen eine direkte
Kupplungseinzelansteuerung (. Abb. 17.9) durch elek-
trohydraulische Ventile. Damit entfällt ein Demultiple- 17.6 Integriertes
11 xer in der Hydraulik, die individuellen Kupplungsdrü- Antriebsstrangmanagement
cke werden in der Steuergerätesoftware berechnet. Dies (IPM® )
bestätigt auch den Trend, Funktionen in der Hydraulik
12 durch Software zu substituieren, um Kosteneinsparun- Zukünftige Antriebsstrangkonzepte bestehen aus meh-
gen zu erzielen. Prinzipbedingt wird der Gangwechsel reren Teilsystemen: Verbrennungsmotor, Elektrische
13 durch die Kupplungssteuerung ebenfalls ermöglicht. Maschine und gegebenenfalls automatisiertes Getriebe.
Die integrierte Antriebsstrangsteuerung IPM® [7]
17.5.1.4 Automatisiertes hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den Umwand-
14 Handschaltgetriebe lungsprozess von der im Kraftstoff (Benzin, Diesel,
Die Grundstruktur ist bereits durch . Abb. 17.7 er- Gas, Wasserstoff) gespeicherten Energie, sondern
15 klärt. Im Unterschied zum Automatgetriebe mit Plane-
tenradsätzen ist eine explizite Gangführung notwendig
versucht die Arbeitspunkte für die Energiewandler
(V-Motor, E-Maschine), die Batterie als Energiespei-
für das Zweiwellengetriebe mit Zwangssynchronisie- cher und den Momentenwandler (Getriebe) von einem
16 rung. Der gesamte Schaltvorgang ist dabei eher se- ganzheitlichen Ansatz kommend zu optimieren. Auf-
quenziell gesteuert, das heißt Kuppeln und Schalten grund der vielen Freiheitsgrade in einem solchen Sys-
folgen aufeinander. tem ist es wichtig, auf Basis einer zentralen Fahrerwun-
17 schinterpretation und Fahrsituationserkennung unter
17.5.1.5 Stufenlosgetriebe (CVT) Berücksichtigung der vorgegebenen Priorisierung die
18 Während bei den Stufengetrieben der Schaltvorgang nachgeordneten Aggregate optimal zu führen und zu
den Wechsel diskreter Zustände bedingt, sind beim koordinieren.
CVT (. Abb. 17.10) der Variator und die individuel- Die Integration im Sinne von IPM® umfasst hier
19 len Anpressdrücke der Kegelscheiben kontinuierlich die Steuerung und Koordination des Gesamtsystems,
zu steuern (Umschlingungs-CVT). Das Hauptaugen- nicht die konstruktiven Aspekte wie Bauraum, Mon-
20 merk liegt auf der Minimierung des Anpressdruckes
für geringstmöglichen Kraftstoffverbrauch und hohe
tage etc., . Abb. 17.11.
Wichtiges Merkmal des Konzepts ist die Einfüh-
Verstelldynamik, aber bei zuverlässigem Verhindern rung einer den „Komponentensteuerungen“ überge-
17.6  •  Integriertes Antriebsstrangmanagement (IPM®)
871 17
„+,–“ Getriebeeingangs- und Getriebeeingangs- und Getriebeeingangs- und
Fahrpedal, Kickdown Tipp -ausgangsgeschwindigkeit -ausgangsgeschwindigkeit -ausgangsgeschwindigkeit
Drehmoment Drehmoment Wähl-
hebel

Restgetriebesteuerung
Fahrstrategie Wandlersteuerung
(Wendesatz)

Zielübersetzung Solldruck Solldruck


Kegel-
scheiben-
Übersetzungsregelung und p p
drehzahlen Drehmoment I I
Anpressdrucksteuerung

Stromregelung Stromregelung Stromregelung

PWM-modulierte Stromausgänge

..Abb. 17.10  Funktionsschema für Stufenlos-Getriebe (CVT)

Integrated Powertrain Management IPM®

Transmission Management
System TMS
Battery
Inteligentip® IT
Management
Siemens Adaptive
Transmission SAT

Gear ratio control


Integrated
Starter Generator
ISG

Engine
Management
EMS

..Abb. 17.11  Schema integrierte Antriebsstrangregelung

ordneten Steuerungsebene. Diese führt die Momen- rieren …) abhängig von Signalen aus der Ebene 1
tenerzeuger beziehungsweise -wandler durch relevante
Zustände und optimiert Energieflüsse.
Die integrierte Antriebsstrangregelung ist in drei - und weiteren Fahrzeugsensorgrößen bestimmt.
Die Ebene 2 wird als Zustandssteuerung im
Antriebsstrang bezeichnet und hat die Aufgabe,

-
Ebenen gegliedert, . Abb. 17.12:
Ebene 1 ist die Fahrer- und Fahrsituationser-
auf der Grundlage der Inputs aus Ebene 1 den
Zustand im Antriebsstrang einzustellen, der die
kennung. Die Fahrererkennung beinhaltet die
Fahrermomentenwunschinterpretation und die
Fahrertypenklassifikation. In der zweiten Ebene
wird der Zustand des Antriebsstranges (Fahren,
- aktuell priorisierten Optimierungskriterien erfüllt.
Ebene 3 liefert Sollwerte für die nachgeordneten
Aggregate auf Basis physikalischer Größen. So
können der Verbrennungsmotor und die elektri-
Bremsen, Start/Stopp, Segeln, Boosten, Rekupe- sche Maschine jeweils über eine Sollmomenten-
872 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

IPM® ..Abb. 17.12 Ebenen
1 Fahrpedal
Fahrerwunsch-
der integrierten An-
Bremspedal IPM®/ SAT Fahrer-und Fahrsituationserkennung triebsstrangregelung
interpretation

2
IPM® Zustandssteuerung (Start-stopp, Boost, Segelbetrieb, Rekuperation ...)

3 IPM® Drehmoment Management


Motordrehmoment- ISG Motordrehmoment- adaptive
4 berechnung berechnung Gangauswahl

5
BATTERIE MOTOR- ISG- GETRIEBE-
(12V/36V) MANAGEMENT MANAGEMENT MANAGEMENT
6
7 oder Solldrehzahlvorgabe in einen definierten
Arbeitspunkt gefahren werden; dem Getriebe-
schleunigungsvorgang, entweder in Kombination mit
dem Verbrennungsmotor oder auch nur durch den
system wird eine Zielübersetzung vorgegeben. Elektroantrieb zu nutzen.
8 Daneben greifen bestimmte Fahrzustände auf die Die Kombination bietet also auch einen deutlichen
Kupplung zu (zum Beispiel sogenannter „Segel- Mehrgewinn bei der Fahrdynamik. So lassen sich je
betrieb“: Öffnen bei Schubbetrieb). nach Art des Hybridantriebes beide Antriebe, Verbren-
9 nungsmotor und Elektromotor, gleichzeitig für die Be-
schleunigung des Fahrzeugs einsetzen (Boost) und dies
17.7 Komponenten für
10 Antriebsstrangelektrifizierung
ohne Mehrverbrauch beziehungsweise Emissionen.

11 17.7.1 Überblick 17.7.2 Varianten Hybrid-


und Elektroantrieb
Mit weiter steigenden Anforderungen für die Effizi-
12 enz von Fahrzeugantrieben und damit einhergehender Bei der Verbindung des Verbrennungsmotors und des
Emissionsreduzierung spielt auch die Elektrifizierung Elektromotors gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.
13 des Antriebsstrangs eine wesentliche Rolle. Zum einen lassen sich beide Antriebe funktional paral-
Im Verbrennungsmotor wird die chemische Ener- lel anordnen (Parallelhybrid), das heißt beide können
gie des Kraftstoffs in mechanische Energie umgewan- gleichzeitig beziehungsweise separat antreiben oder
14 delt und dadurch über den Druck ein Drehmoment funktional seriell anordnen, das heißt nur einer treibt
erzeugt. Dieser dient zur Beschleunigung beziehungs- tatsächlich die Antriebsräder an und der andere leitet
15 weise zum Halten der Geschwindigkeit des Fahrzeugs,
das heißt zum Erhalt beziehungsweise der Erhöhung
seine Antriebsenergie seriell (serieller Hybrid) durch
den jeweiligen Antrieb, welcher die Räder direkt an-
der kinetischen Energie. treibt.
16 Während der Schubphasen oder auch dem Ab- Eine weitere Unterscheidung der Hybridisierung
bremsen wird diese Energie im Wesentlichen in Rei- erfolgt über die Leistungsfähigkeit beziehungsweise
bung und damit in Wärme umgesetzt. Diese wird an den Funktionsumfang.
17 die Umgebung abgegeben und ist damit für den An- Im Folgenden sind die am häufigsten verwendeten
trieb des Fahrzeugs verloren. Hybridvarianten aufgelistet.
18 Ein Elektroantrieb kann bei entsprechendem Auf-
17.7.2.1 Mikrohybrid
bau sowohl als Antrieb als auch als Generator arbei-
ten. Die Kombination des Verbrennungsmotors mit Beim Mikrohybrid redet man in der Regel von einer
19 einem Elektroantrieb bietet damit die Möglichkeit, die reinen Stopp/Start-Funktion, das heißt der Motor wird,
Energie, welche vorher zur Erhöhung der kinetischen wenn er nicht benötigt wird, abgeschaltet und bei Bedarf
20 Energie verwendet wurde, während dem Verzögern
des Fahrzeugs zumindest teilweise wieder zurück zu
automatisch wieder gestartet. Durch das Steuern der La-
despannung in Abhängigkeit vom Fahrzustand bieten
gewinnen (Rekuperation) und für den nächsten Be- diese Systeme in der Regel bereits eine minimale Reku-
17.7  •  Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung
873 17

perationsfunktion. Diese Systeme lassen sich zum Beispiel Getriebe


sowohl mit entsprechend modifizierten Startern und Mo- Batterie
Kupplung
torsteuergeräten darstellen als auch mit einem riemenge-
triebenen Starter-Generator (Aufbau wie Mildhybrid). Elektromotor
Verbrennungsmotor
17.7.2.2 Mildhybrid Inverter

Der Mildhybrid verfügt gegenüber dem Mikrohybrid


zusätzlich über eine signifikante Rekuperations- und
Boostfunktion. In der Regel reicht hier auch die her- ..Abb. 17.13  Prinzipskizze Mildhybrid
kömmliche Technik (12 V/14 V) nicht mehr aus und
hier kommen bereits speziell entwickelte Komponen- bestimmten Ladewert unterschreitet, schaltet sich der
ten zum Einsatz, deren Betriebsspannung deutlich Verbrennungsmotor zu.
über dem des heutigen Bordnetzes im Fahrzeug liegt Eine Variante des Plug-in-Hybrid, die sehr stark
(. Abb. 17.13). in Richtung Elektrofahrzeug geht, ist der Range Ex-
tender (Reichweitenvergrößerer). Hier ist der Ver-
17.7.2.3 Vollhybrid brennungsmotor deutlich verkleinert und nicht direkt
Eine wesentliche Funktion des Vollhybrids, neben mit den Antriebsrädern verbunden. Er übernimmt die
Stopp/Start, Boost und Rekuperation ist das temporär Aufgabe, im Falle eines kritischen Ladezustandes die
rein elektrische Fahren. Batterie in Verbindung mit einem kleinen Generator
Hier ist der Antriebsstrang so aufgebaut, das der nachzuladen. Ziel ist, die Reichweite über die aus der
Elektromotor unabhängig vom Verbrennungsmotor Batterie mögliche Reichweite bei Bedarf zu erhöhen.
den Antrieb des Fahrzeugs übernehmen kann. Die Vom Aufbau ist dies dann ein serieller Plug-in-Hybrid.
dazu benötigte Energie wird durch Rekuperation ge-
wonnen und in der Hybridbatterie gespeichert. Der 17.7.2.5 Elektro- und
gesamte elektrische Antrieb inklusive Energiespeicher Brennstoffzellenfahrzeuge
(Hybridbatterie) muss dadurch auch wesentlich leis- Von einem Elektrofahrzeug spricht man, sobald der
tungsfähiger sein. Neben dem herkömmlichen Par- Antrieb rein durch einen Elektroantrieb erfolgt und
allelhybrid findet man auch den Powersplit, bei dem auch kein Verbrennungsmotor mehr im Fahrzeug ver-
in der Regel zwei Elektromotoren mit dem Verbren- baut ist.
nungsmotor über ein Planetengetriebe gekoppelt sind Die dafür nötige elektrische Energie kommt dann
(. Abb. 17.14). aus einer Batterie (Traktionsbatterie) oder einer Brenn-
stoffzelle (. Abb. 17.15).
17.7.2.4 Plug-in-Hybrid
Beim Plug-in-Hybrid ist die Hybridbatterie deutlich
größer und damit leistungsfähiger. Ziel ist hier gegen- 17.7.3 Komponenten
über dem Vollhybrid eine deutlich größere Reichweite
mit dem Elektroantrieb zu realisieren. Wie der Name Der elektrische Antrieb, so wie er heute in Hybrid-
schon sagt (plug-in – einstecken), kann die Hybridbat- und Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommt, besteht
terie an der Steckdose aufgeladen werden. aus Drehstrom-Elektromotor, Drehstrom-Inverter und
In der Regel fährt ein Plug-in-Hybrid primär mit Energiespeicher. Zur Versorgung des 14 V Bordnetzes
dem Elektroantrieb und erst, wenn die Batterie einen kommt ein DC/DC-Wandler (Gleichstromspannungs-

Getriebe
Batterie Kupplung Batterie
Getriebe
Elektromotor Elektromotor
Kupplung Verbrennungsmotor
Inverter Doppel-
Verbrennungsmotor Inverter

a b
..Abb. 17.14  Prinzipskizze Vollhybrid/Plug-in-Hybrid (Parallelhybrid links/Powersplit rechts)
874 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

1
Inverter
2 Getriebe
Elektromotor

3 Batterie

4 ..Abb. 17.15  Prinzipskizze Elektrofahrzeug

5 wandler) zum Einsatz, der das 14 V Bordnetz aus dem


Energiespeicher des elektrischen Antriebes versorgt.
Drehstrom-Inverter und DC/DC-Wandler sind häufig
6 in einem Gerät kombiniert und werden auch allgemein
als Leistungselektronik bezeichnet.
7
..Abb. 17.16  Leistungselektronik (Inverter und DC/
17.7.4 Leistungselektronik DC in einem Gehäuse)
8
Der Name Leistungselektronik kommt daher, dass
hier im Vergleich zu üblichen Steuergeräten sehr hohe bindung der Leistungshalbleiter zum Kühlmedium und
9 Ströme (beim Inverter bis über 450 Arms) bei hohen eine Verwendung von Kühler- und Trägermaterialien
Spannungen (bis über 700 V) als hohe Leistungen ge- mit möglichst ähnlichen Ausdehnungskoeffizienten um
10 schaltet werden. thermischen Stress zu vermeiden. Dieser thermische
Stress ist in den Leistungselektroniken die Hauptursa-
17.7.4.1 Drehstrom-Inverter che für Alterung und im Umkehrschluss entscheidend
11 Die heute üblich in Hybrid- und Elektrofahrzeugen für die maximale Schaltleistung.
eingesetzten Elektromotoren sind Drehstromantriebe Sowohl die Höhe der Kühlwassertemperatur als
und werden über drei Phasen Wechselstrom ange- auch die Temperaturschwankungen, die direkt an den
12 steuert, während der Energiespeicher herkömmlichen Leistungshalbleitern auftreten, beeinflussen die Le-
Gleichstrom liefert. bensdauer der Leistungsendstufe.
13 Im motorischen Betrieb, das heißt beim Antreiben
17.7.4.2 DC/DC-Wandler
oder Boosten, wandelt der Inverter den Gleichstrom
aus dem Energiespeicher in einen dreiphasigen Dreh- Der Elektroantrieb inklusive Energiespeicher arbeitet
14 strom für den Elektromotor. Im umgekehrten Fall, das bei Spannungen, die zum Teil deutlich über denen des
heißt im generatorischen Betrieb, wird der vom Elekt- heutigen Bordnetzes liegen.
15 romotor erzeugte Wechselstrom in einen Gleichstrom
gewandelt. In diesem Fall der Rückgewinnung von Ki-
Da die verfügbare Leistung des Elektroantriebs
deutlich größer ist als die der heutigen Lichtmaschinen
netischer Energie spricht man auch von Rekuperation. liegt es nahe, das Bordnetz auch aus diesem Bereich zu
16 Kernkomponenten im Inverter sind das Leistungs- versorgen beziehungsweise ist dies bei reinen Elektro-
modul, welches die Gleichspannung in eine sinusbe- fahrzeugen auch notwendig.
wertete dreiphasige Wechselspannung wandelt und Dies bietet die Möglichkeit, auf die herkömmliche
17 das Kontrollbord als Steuereinheit. Die Steuereinheit Lichtmaschine komplett zu verzichten und somit zu-
im Inverter übernimmt dabei die Regelung und Über- sätzlich Bauraum zu schaffen und die Kosten zu op-
18 wachung der vorgebbaren Soll- und Grenzwerte für timieren.
Drehmoment, Drehzahl, Ströme und Spannungen. Der DC/DC-Wandler kann sowohl mit dem Inver-
Die im Leistungsmodul entstehenden Verluste sind ter in ein Gehäuse integriert als auch in einem separa-
19 im Wesentlichen die Schalt- und Durchlassverluste in ten Gehäuse untergebracht werden.
den Leistungshalbleitern. Diese steigen mit der Schalt- Getrieben ist die Entscheidung im Wesentlichen
20 frequenz, der Batteriespannung und dem Phasenstrom
und führen zur Erwärmung der Halbleiterbauelemente.
durch den verfügbaren Bauraum im Fahrzeug. Ein
Vorteil bei der Integration in ein Gehäuse liegt in der
Besonders wichtig sind hier eine gute thermische An- Möglichkeit, die Kosten weiter zu optimieren wie zum
17.7  •  Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung
875 17
..Abb. 17.17 Leis-
tungsmodul für direkte
Wasserkühlung mit
Leistungshalbleitern
und Kühler (Kühlfinnen
im Spiegelbild sichtbar)

..Abb. 17.18  Leistungshalbleiter (IGBT) auf Kupfer –


DCB
..Abb. 17.19  DC/DC-Wandler in separatem Gehäuse
Beispiel durch ein Gehäuse oder einen Prozessor für
beide Funktionen. Positionen sind darüber hinaus noch unterschiedliche
Ein Nebeneffekt ist der wesentlich höhere Wirkungs- Varianten möglich, so dass leicht zu erkennen ist, wie
grad des DC/DC-Wandlers gegenüber einer herkömm- groß die Gesamtzahl der Möglichkeiten werden kann.
lichen Lichtmaschine (. Abb. 17.17, 17.18, 17.19).
17.7.5.1 Technologien
Heute findet man hauptsächlich drei Typen von
17.7.5 Elektromotor Elektromotoren, den Asynchronmotor (ASM), den
permanent erregten Synchronmotor (PSM) und den
Je nach Strategie und Einsatz des Fahrzeuges kommen fremderregten Synchronmotor (SM). Details zu den
unterschiedliche Anzahl und Technologien von Elek- Technologien finden sich in der einschlägigen Litera-
tromotoren zum Einsatz. Ziel ist dabei, die auf den tur. Daher soll hier nur kurz auf die Vor- und Nachteile
jeweiligen Einsatz optimierte Technologie zu verwen- beim Einsatz in Hybrid- und Elektrofahrzeugen einge-
den. Dies kann zum einen durch die Systemkosten, den gangen werden.
verfügbaren Bauraum, geforderte Funktionen als auch
zum Beispiel durch den Wirkungsgrad bestimmt sein. Asynchronmotor
. Abb. 17.20 zeigt mögliche Einbaupositionen von Der ASM zeichnet sich durch seinen einfachen Aufbau
Elektromotoren in einem Antriebsstrang. An jeder der und seine Robustheit aus (. Abb. 17.21).
876 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

1 P0 P1 P2 P3 P4

2 P = Position
E-Motor

3 K0 K1 K = Kupplung

..Abb. 17.20  Mögliche Einbaupositionen von Hybrid-


4 motoren

5
6 ..Abb. 17.22  PSM für Integration in die Getriebeglo-
cke
7 Fremderregter Synchronmotor
Da bei Achsantriebssystemen (. Abb. 17.20: P4 be-
8 ziehungsweise bei Elektrofahrzeugen) die Elektroma-
schine nicht mehr direkt im Antriebsstrang platziert
ist, besitzt die Maschinenlänge als Auswahlkriterium
9 nicht mehr ihre ansonsten große Bedeutung. Maschi-
nen mit typischerweise geringen realisierbaren axialen
10 ..Abb. 17.21  Seitenmontierte ASM
Baulängen (zum Beispiel PSM) verlieren damit also ei-
nen ihrer entscheidenden Vorteile (. Abb. 17.23).
Gleichzeitig bietet die SM zwar nicht den höchs-
11 Gegenüber der PSM und SM weist er durch sei- ten Bestpunktwirkungsgrad (wie zum Beispiel PSM),
nen einfachen Aufbau auch geringere Kosten auf. besitzt aber auch keine ausgeprägten Schwächen (wie
Des Weiteren lässt sich, im Vergleich zur PSM, die zum Beispiel ASM) und kann vor allem im Bereich
12 Erregung abschalten und im Fehlerfall so einfacher niedriger Leistungen und hoher Drehzahlen Boden
steuern. gutmachen. Bauraummäßig hat sie geringe Nachteile
13 Nachteil ist der in bestimmten Betriebsbereichen gegenüber der PSM durch den Platzbedarf für das
niedrige Wirkungsgrad und im Vergleich zur PSM grö- Schleifringsystem, welches aber im Fehlerfall eine ein-
ßere Bauraum. fache Steuerung der Erregung ermöglicht.
14 Er kommt heute am häufigsten als seitenmontierte
Variante im Mildhybrid zum Einsatz (. Abb. 17.20:
17.7.6 Energiespeicher
15 P0)

Permanent erregter Synchronmotor Die Leistungsfähigkeit des Hybrid- beziehungsweise


16 PSM bieten den großen Vorteil, durch konzentrierte Elektroantriebs wird auch durch die Leistungsfähigkeit
Wicklungen, geringer realisierbarer axialer Baulängen. der Energiespeicher bestimmt. Damit spielt sie eine
Damit lassen sich diese in die Getriebeglocke, ohne entscheidende Rolle für das Kraftstoffeinsparpoten-
17 große beziehungsweise überhaupt keine Antriebs- zial bei Hybridanwendungen und bei der Reichweite
strangverlängerung, integrieren (. Abb. 17.22). Diese von Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig liegt die heute ge-
18 Variante nennt man getriebeintegriert (. Abb. 17.20: forderte Lebensdauer eines solchen Energiespeichers
P1/P2, optional P3). bei 10 bis 15 Jahren und 160.000 bis 240.000 km und
Ein weiterer Vorteil der PSM ist ihr punktuell ho- damit so hoch wie die Fahrzeuglebensdauer.
19 her Wirkungsgrad.
Demgegenüber stehen vor allem nennenswerte 17.7.6.1 Überblick

20 Schleppverluste bei hohen Drehzahlen und der ver-


gleichsweise hohe Aufwand zur Absicherung im Feh-
Als Energiespeicher für Hybridanwendungen (aus-
genommen Mikrohybride) kommen heute verschie-
lerfall. dene Technologien zum Einsatz. Dazu gehören un-
17.7  •  Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung
877 17
..Abb. 17.23 Achsan-
trieb mit integriertem
Getriebe

..Abb. 17.24 Entwick-
lung der Batteriesyste-
me von Konversion bei
Blei-Säure zu Interkalati-
on bei Nickel-Metallhyd-
rid und Li-Ionen

ter anderen Doppelschichtkondensatoren (DLC) in rung von Ionen in den Elektroden, . Abb. 17.24. Wäh-
Verbindung mit Blei-Säure-Akkus, NiMH (Nickel- rend beim Bleiakkumulator die Elektroden in Folge
Metallhydrid)-Batterien und Li-Ionen (Lithium- von chemischen Reaktionen ungeordnet auf- und ab-
Ionen)-Batterien. gebaut werden (Konversion) und eine Wechselwirkung
Im Laufe der lange zurückreichenden Entwicklung mit dem Elektrolyt eingehen, wird bei Lithium-Ionen
zahlreicher elektrischer Energiespeicher rückten mehr (Li-Ionen)-Zellen das Lithium in Festkörpergittern
und mehr die sekundären Batteriesysteme (aus dem ein- und wieder ausgelagert (Interkalation). Die Git-
Angelsächsischen „secondary battery“ abgeleitet, im terstruktur bleibt dabei bestehen und trägt dadurch
deutschen Sprachgebrauch Akkumulatoren) in den ganz erheblich zur Lebensdauer über Lade- und Ent-
Vordergrund – Batteriesysteme, deren chemische ladezyklen bei.
Energie nach der Abgabe der elektrischen Energie NiMH-Batterien haben sich in den ersten Hybrid-
durch Wiederaufladen viele Male wieder hergestellt fahrzeugen bereits etabliert. Als nächste Generation
werden kann. Die wesentliche Neuerung auf dem Weg zeichnet sich der Einsatz von Li-Ionen-Batterien ab.
von der Bleibatterie (mit wässrigem Elektrolyt) zu den Diese zeigen eine nochmalig erhöhte Leistungs-
modernen Batteriesystemen wie Lithium-Ionen (mit und Energiedichte unter Berücksichtigung der gefor-
organischen Elektrolyten) ist das Prinzip der Einlage- derten Lade- und Entladezyklen.
878 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

..Abb. 17.25 Beur-
1 teilung verschiedener
Speichersysteme zur
Anwendung im automo-
2 bilen Einsatz

3
4
5
6
7
8 ..Abb. 17.26 Schema-
tischer Vergleich von
Rundzellen (links) und
9 prismatischen Zellen
(rechts)

10
11
12
13 17.7.6.2 Batteriesystem Sicherheit
Aufgrund des Potenzials und des sich abzeichnenden Bei Li-Ionen-Batterien ist die Energiedichte im Ver-
14 Einsatzes in Hybrid- und Elektrofahrzeugen soll im gleich zu Bleisäure und Nickelmetallhydrid deutlich
Folgenden nur noch auf Li-Ionen Energiespeicher höher. Speziell bei dem Thema Sicherheit ist es also
15 eingegangen werden.
Ein heutiges Energiespeichersystem auf Basis von
notwendig, das Gesamtsystem Energiespeicher durch
verschiedenste Maßnahmen abzusichern. Hier werden
Li-Ionen besteht aus mehreren Komponenten. in der Regel drei Ebenen unterschieden.
16 Neben den Zellen, den eigentlichen Energiespei- Bereits auf Zellebene kann mittlerweile ein ho-
chern, gibt es noch die Zellüberwachung, Schütze, Schal- hes Maß an intrinsischer Sicherheit erreicht werden.
ter und ein Batteriemanagement (. Abb. 17.25, 17.26). Neue Kathodenmaterialien wie Lithium-Kobalt-
17 Nickel-Manganoxid oder Lithium-Eisen-Phosphat
Li-Ionen-Zellen reagieren im Missbrauchs-, beziehungsweise Fehler-
18 Li-Ionen ist als Oberbegriff einer Materialienkombina- fall weniger exotherm als das bisher konventionell
tion zu verstehen. Aktuell gibt es vor allem Zellen auf in Konsumenten-Zellen eingesetzte Lithium-Kobal-
Basis Lithium-Cobalt. toxid. Kombiniert man diese Kathodenmaterialien
19 Die Weiterentwicklung geht zu Zellen mit neuen mit weiterentwickelten Separatoren beispielsweise
Kathodenmaterialien wie Lithium-Kobalt-Nickel- mit keramischem Anteil und hochsiedenden Elek-
20 Manganoxid oder Lithium-Eisen-Phosphat. All diese
Kombinationen haben Vor- und Nachteile bei der Leis-
trolyten, so kann die Sicherheit auf Zellebene noch
erheblich gesteigert werden. Da Li-Ionen Zellen
tungs- beziehungsweise Energiedichte und der Sicher- überdies die Kombination vieler möglicher, teilweise
heit (. Abb. 17.27). noch nicht weiter erforschter Elektrodenmaterialien
17.7  •  Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung
879 17
..Abb. 17.27 Sicher-
heitsebenen bei Lithium-
Ionen-Batterien

..Abb. 17.28 Beispiel
eines Crush-Tests einer
Li-Ionen-Zelle

und Elektrolyte erlauben, sind noch weitere Steige- Für Hybridfahrzeuge werden die Zellen auf Grund
rungen der Sicherheit in Kombination mit attraktiven der relativ kurzen Zeit in der speziell beim Boost und
Energie- und Leistungsdichten möglich. Zusätzlich der Rekuperation hohe Leistungen abgerufen bezie-
werden bereits heute verschiedene Sicherheitsvor- hungsweise gespeichert werden, auf Leistung opti-
kehrungen auf Systemebene in einer Batterie inte- miert.
griert. Durch Überwachung der Betriebszustände, Die Zellen, die in Elektrofahrzeugen und Plug-in-
Management des Batteriesystems sowie gezielte Küh- Hybriden zum Einsatz kommen, sind auf Energieinhalt
lung wird die Batterie immer im sicheren Betriebs- optimiert. Hier kommt es darauf an, dass möglichst
zustand gehalten. viel beziehungsweise lange Energie für das reinelekt-
Somit wird heute eine sehr hohe Sicherheit mit rische Fahren abgerufen werden kann.
solchen Energiespeichern erreicht, die vor zehn Jah- Insgesamt stehen wir bei der Entwicklung der Li-
ren kaum vorstellbar gewesen wäre – beispielsweise Ionen Batterien erst am Anfang. Um dies zu verdeut-
ein Crush-Test, wie er in . Abb. 17.28 dargestellt ist. lichen ein paar Fakten: Heutige Li-Ionen-Batterien
Die hohen Anforderungen an die Sicherheit der Li- erreichen eine Energiedichte von 120 bis 150 Wh/
Ionen-Batteriesysteme werden an den zahlreichen er- kg. Theoretisch sind 6000 Wh/kg (Li-Flour) erreich-
folgreich bestandenen Testszenarien deutlich, die in bar und praktisch werden immer noch Werte von
. Abb. 17.29 aufgelistet sind. 2000 Wh/kg erwartet.
Aufgrund der deutlich besseren Wirkungs-
Ausblick gradkette des Elektroantriebes und der Möglich-
Die Auslegung der Zelle erfolgt in Abhängigkeit vom keit, Energie zurück zu gewinnen, geht man heute
Einsatz des Energiespeichers. davon aus, dass bereits bei Energiedichten von
880 Kapitel 17 • System Antriebsstrang

..Abb. 17.29 Test-
1 szenarien für Li-Ionen-
Batterien

2
3
4
5
6
7
8
circa  500 Wh/kg vergleichbare Reichweiten wie
9 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor erreicht werden
können.
10
Literatur
11
Verwendete Literatur Weiterführende Literatur
12 [1] Mitschke, M.: Dynamik der Kraftfahrzeuge, Band A, Antrieb [8] Schümann, U.: Modulare Komponenten für wirtschaftliche
und Bremsung. Springer, Berlin, Heidelberg, New York Hybridantriebe. (2007)

13
(1995) [9] Neumann, K.-T.: Compendium ATZ – Schwerpunktthema
[2] Förster, H.J.: Automatische Fahrzeuggetriebe, Grundlagen, Elektromobilität. (2008)
Bauformen, Eigenschaften, Besonderheiten. Springer, Ber- [10] Greif, A.: SIA Paris – Design of Power Electronic Compo-

14 lin, Heidelberg, New York (1991)


[3] Lechner, G., Naunheimer, H.: Fahrzeuggetriebe: Grundla-
nents for Hybrid Drives (2006)
[11] Greul, R.: Design of Power Electronic Components for Hy-
gen, Auswahl, Auslegung und Konstruktion. Springer, Ber- brid Drives. (2007)

15 lin, Heidelberg, New York (1994). Hinweis: Buch ist auch


1999 in Englisch erschienen: Lechner, G.; Naunheimer, H.:
[12] Keller, M., Birke, P., Schiemann, M., Moehrstaedt, U.: ATZ-
elektronik – Lithium-Ionen Batterieentwicklung für Hybrid-
Automotive Transmissions: Fundamentals, Selection, De- und Elektrofahrzeuge. (2008)
16 sign und Application. Berlin, Heidelberg, New York: Sprin-
ger, 1999
[13] Hackmann, W., Märgner, M., Kugland, O.: HdT Fremderregte
Synchronmaschinen als Achsantriebe. (2009)
[4] Bock, C.: Die ACEA-Vereinbarungen zur Flottenverbrauchs- [14] Hackmann, W.; Wagner, B.; Zwingel, R.; Dziedzek, I.; Welke,
17 reduzierung und ihre möglichen Konsequenzen auf zu-
künftige Getriebekonzepte. Vortrag im Haus der Technik
K.: Internationaler ETG-Kongress 2007 Karlsruhe – Frem-
derregte Synchronmaschinen im Einsatz als Achshybrid-
anlässlich der Tagung „CVT-Getriebe“, Essen, 2000 antriebe
18 [5] Graf, F.; Lohrenz, F.; Taffin, C.: Industrialization of a Fuzzy
Logic Transmission Controller. VDI Tagung: Getriebe in
Fahrzeugen‚ Friedrichshafen, 1999
19 [6] Heesche, K.; Graf, F.; Hauptmann, W.; Manz, M.: IntelligenTip
– eine trainierbare Fahrstrategie. VDI Tagung: Getriebe in
Fahrzeugen‚ Friedrichshafen, 2001
20 [7] Siemens-VDO Automotive AG
881 18

Sensoren
Dr.-Ing. Anton Grabmeier, Dr.-Ing. Bernd Last

18.1 Temperatursensoren – 882
18.2 Füllstandsensoren – 882
18.3 Klopfsensoren – 882
18.4 Abgassensoren – 883
18.4.1 Lambda-Sensoren – 884
18.4.2 NOx-Sensor – 885

18.5 Drucksensoren – 886
18.5.1 Normaldrucksensoren – 886
18.5.2 Mitteldrucksensoren – 887
18.5.3 Hochdrucksensoren – 887
18.5.4 Druckschalter – 888

18.6 Luftmassensensor – 888
18.6.1 Messprinzip – 888
18.6.2 Mass-Airflow-Sensor – 888
18.6.3 Sekundär Luftmassensensor (SAF = Secondary Air Flow)  –  889

18.7 Drehzahlsensoren – 890
18.7.1 Passive Drehzahlsensoren – 890
18.7.2 Aktive Sensoren – 890

18.8 Brennraumdrucksensoren für Dieselmotoren  –  891


Literatur – 893

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_18
882 Kapitel 18 • Sensoren

18.1 Temperatursensoren 1000000 NTC wiederstand temperature characteristics


1 100000 type A

wiederstand [Ohm]
Die meisten Temperaturmessungen im Kraftfahrzeug 10000
type B
type C
2 nützen die Temperaturabhängigkeit von elektrischen
Widerstandsmaterialien mit negativen (NTC) Tem-
1000 type X2
type X1
peraturkoeffizienten. Aufgrund der starken Nichtline- 100

3 arität kann ein großer Temperaturbereich abgedeckt 10


werden, . Abb. 18.1.
Für Anwendungen mit sehr hohen Temperatu-
4 ren (Abgastemperatur bis 1000 °C) werden Platin- –50 1 0 50 100 150 200
temperature [°C]
Sensoren eingesetzt. Die Widerstandsänderung wird
5 durch eine Spannungsteilerschaltung, mit optionalem ..Abb. 18.1  Typische Kennlinie von Temperatursen-
Parallel-Widerstand zur Linearisierung in eine analoge soren (NTC)
Spannung übertragen.
6 Die Sensoren werden für folgende Temperaturbe- Füllstandshöhe ab. Aus der zugeführten elektrischen
reiche eingesetzt: Leistung wird der Füllstand bestimmt.
7 Anwendung
Ansaug-/Ladeluft
Temperaturbereich
−40 +170 °C
Der Füllstandschalter ermöglicht die Grenzwert-
messung des Füllstandes. Das Funktionsprinzip ist ein
Kühlwasser −40 +130 °C Schwimmer mit Magnet, der bei Erreichen eines Grenz-
8 Motoröl −40 +170 °C wertes einen Reedkontakt oder Hall-Schalter betätigt.
Kraftstoff −40 +120 °C Der Füllstand wird meistens im Kombiinstrument
verarbeitet und dargestellt. Teilweise wird die Informa-
9 Abgas +100 +1000 °C
tion des Ölfüllstands auch für Motorsteuerung benötigt.
In . Abb. 18.2 sind verschiedene Ausführungen von
10 Temperatursensoren für Öl-, Wasser- und Lufttempe-
ratur dargestellt. 18.3 Klopfsensoren

11 Unter dem Begriff „Klopfen“ versteht man eine anor-


18.2 Füllstandsensoren male Verbrennung bei Ottomotoren, die durch eine
Selbstzündung des Gemisches im Zylinder entsteht.
12 Der Füllstandsensor dient zur Überwachung des Öl- Diese ungewollte Verbrennung führt zu einer deutlich
niveaus in Verbrennungsmotoren oder Getrieben. erhöhten mechanischen Belastung für den Motor. Ein
13 Heute werden sowohl kontinuierlich arbeitende Füll- andauernder Betrieb bewirkt eine Schädigung bis hin
standsensoren, als auch Füllstandschalter eingesetzt, zur Zerstörung des Kolbens.
. Abb. 18.3. Bei der Suche nach den Einstellungen für einen
14 Die Füllstandsensoren ergeben mit einer geeig- optimalen Verbrennungsprozess liegen die Zonen
neten Auswerteelektronik ein kontinuierliches, dem des höchsten Wirkungsgrades und des Klopfens eng
15 Füllstand proportionales Signal. Häufig wird ein
thermoelektrisches Verfahren genutzt: Dabei hängt
beieinander. Beim Klopfen werden Vibrationen mit
charakteristischen Frequenzen erzeugt. Diese Motor-
die Wärmeleitung eines beheizten Elementes von der vibrationen werden mit Hilfe des Klopfsensors aufge-
16
17
18
19
20 ..Abb. 18.2 Aufbau
verschiedener Tempera-
tursensoren
18.4 • Abgassensoren
883 18

Das Funktionsprinzip von Klopfsensoren beruht


typischerweise auf einem piezokeramischen Ring, der
mit Hilfe einer überlagerten (seismischen) Masse die
Schwimmer Motorvibrationen in elektrisch verwertbare Signale
umsetzt (siehe . Abb. 18.4). Die Sensorempfindlich-
Magnet keit wird in mV/g oder pC/g angegeben und ist über
einen weiten Frequenzbereich nahezu konstant.
Wie . Abb. 18.5 zeigt, kann durch die Wahl der
seismischen Masse das Übertragungsverhalten des
Reed Schalter Klopfsensors angepasst werden. Durch Reduzierung
der seismischen Masse kann die Resonanzfrequenz
erhöht werden.
Da derartige Sensoren ein Toleranzband von circa
±30 % bezüglich ihrer Empfindlichkeit haben, ist bei
der Abstimmung des Motorsteuergerätes die Verwen-
dung von Grenzmustersensoren (des Toleranzbandes
..Abb. 18.3  Aufbau eines Füllstandschalters der Empfindlichkeit) zu beachten.
Zunehmend werden Klopfsensoren mit integrier-
tem Stecker verwendet. Eine typische Ausführungs-
nommen und an das Motorsteuergerät weitergeleitet. form ist in . Abb. 18.6 gezeigt.
Dort wird mit entsprechenden Algorithmen das Signal Teilweise werden auch heute schon Klopfsensoren
ausgewertet, um ein Klopfen zu erkennen. Das Mo- in Dieselmotoren verwendet, um den Einspritzbeginn
torsteuergerät regelt den Verbrennungsvorgang der- und die Funktion der Einspritzdüsen (OBD) zu kon-
art, dass kein Klopfen mehr auftritt (Rücknahme des trollieren.
Zündzeitpunktes um einige Grad). Außerdem erlaubt
eine „Klopfregelung“ auch einen Betrieb mit unter-
schiedlichen Benzinqualitäten. 18.4 Abgassensoren
Bei Klopfsensoren handelt es sich üblicherweise
um Breitbandklopfsensoren. Diese nehmen ein Fre- Direkt nach dem Krümmer montiert dienen sie zur
quenzspektrum von beispielsweise 3 kHz bis über Regelung der Einspritzanlage (λ-Regelung), um die
20 kHz auf (bei einer Eigenresonanz, die über 30 kHz optimale Konvertierungsrate von einem Katalysator
liegt). Die Klopfsensoren sind an geeigneten Positio- zu erzielen; nach Katalysator angebracht überwachen
nen am Motorblock zu montieren, damit sie die durch sie seine Funktionstüchtigkeit und ermöglichen die
den Verbrennungsprozess erzeugten Vibrationen auf- Erfüllung von den OBD- (On Board Diagnose) An-
nehmen können. Um ein eventuelles Klopfen für jeden forderungen.
einzelnen Zylinder zu erkennen, werden bei vielzylind- Allen heute eingesetzten Sonden ist gemeinsam,
rigen Motoren mehrere Klopfsensoren eingesetzt (zum dass sie aus dem bei Temperaturen oberhalb circa 350 °C
Beispiel zwei Sensoren bei sechs Zylindern oder vier sauerstoffionenleitenden Zirkondioxid (ZrO2) in Mehr-
Sensoren bei acht Zylindern). lagentechnik aufgebaut sind und den Konzentrations-

Mutter

Seismische Masse

Isolationsring

Piezoring
Kontaktring
Träger
..Abb. 18.4 Quer-
schnitt eines Klopfsen-
sors 22 mm
884 Kapitel 18 • Sensoren

600 ..Abb. 18.5  Einfluss der


1 550
seismischen Masse auf
Seismische Masse 3 g die Übertragungsfunkti-
500 on eines Klopfsensors
2 450

3 400
Empfindlichkeit [m/g]

350 Seismische
Masse 2 g

4 300

250
Resonance
5 200 frequency
range
Useful range
150
6 100

50
7 0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

8 Frequenz [KHz]

9 1,0
Nernst-Spannung[V]

0,8
10
0,6

11 0,4

12 0,2

0,0
0,90 0,95 1,00 1,05 λ [-] 1,10
13
..Abb. 18.6  Ausführung eines Klopfsensors mit ..Abb. 18.7  Kennlinie einer binären Lambda-Sonde

14 integriertem Stecker

und Luft und eignen sich besonders für die Steuerung


15 unterschied an den beiden Grenzflächen der Sonde
ausnutzen: Die Spannung, die über eine ZrO2-Schicht
von Magermotoren, beispielweise von Otto-Motoren
mit Direkteinspritzung.
abgegriffen wird, hängt nur von der Differenz der Sauer- Bei der binären Lambda-Sonde wird die Nernst-
16 stoffpartialdrücke auf beiden Seiten der Schicht ab, wie Spannung zwischen einer katalytisch aktiven abgassei-
mittels der Nernst-Gleichung beschrieben. tigen Elektrode und einer Referenz-Elektrode, die sich
in Luft befindet, gemessen. Die Spannung weist einen
17 sprungartigen Verlauf um λ = 1 (. Abb. 18.7) auf.
18.4.1 Lambda-Sensoren Bei der linearen Lambda-Sonde wird das Luft-
18 Kraftstoff-Verhältnis in einer sensorinternen Kammer
Es wird zwischen binärem und linearem Lambda-Sen- durch Anlegen von einem Strom, Pumpstrom genannt,
sor unterschieden. Binäre Sonden erlauben die Rege- auf eine λ = 1-entsprechende Nernst-Spannung gere-
19 lung der Luftzahl um den stöchiometrischen Punkt gelt. Die Luftreferenz wird entweder über einen Kanal
λ = 1 und somit die Einstellung der Kraftstoffzufuhr in der Keramik oder durch ständige Sauerstoffzufuhr
20 für eine optimale Konvertierung des Dreiwegekata-
lysators. Lineare Sonden erfassen kontinuierlich das
in eine Kavität erzeugt (. Abb. 18.8). Der Pumpstrom
dient als Messsignal und hängt von dem Abgaslambda
Luft-Kraftstoff-Verhältnis zwischen fettem Gemisch ab (. Abb. 18.9).
18.4 • Abgassensoren
885 18
3
Abgas
0.65 ≤ λ ≤∞
2
UP
IP Rp

Ip [mA]
Pumpzelle 1

Diffusions- 0
Messkammer barriere
UG
l =1
-1
Ri Nernst-Zelle
0,8 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 λ [-] 4,0
UN
..Abb. 18.9  Kennlinie einer linearen Lambda-Sonde
Luftreferenz
λ =∞
Elektrode In der ersten wird der im Abgas enthaltene Sauerstoff
ZrO2 - Keramik durch Anlegen eines Pumpstroms auf einen kons-
tanten Partialdruck von einigen 10 ppm reduziert
..Abb. 18.8  Prinzip eines linearen Lambda-Sensors (mageres Abgas) oder erhöht (fettes Abgas). Der not-
wendige Strom ist proportional zum Kehrwert des
Luft-Kraftstoff-Verhältnisses. In der zweiten Kammer
18.4.2 NOx-Sensor findet die NOx-Reduktion an der Messelektrode statt.
Der Strom, der notwendig ist, um die Umgebung der
Der NOx-Sensor erlaubt die direkte Messung von der Elektrode sauerstofffrei zu halten ist proportional zur
Stickoxidkonzentration im Abgas von Otto- und Die- Stickoxidkonzentration und bildet das Messsignal
selmotoren. Er ermöglicht die optimale Regelung und (. Abb.  18.11). Durch eine zweistufige Einstellung
Diagnose von NOx-Katalysatoren durch die Motor- des Restsauerstoffs in der ersten und zweiten Kammer
steuerung (zum Beispiel NOx-Speicher, SCR-Kataly- mittels einer zusätzlichen Elektrode kann die Quer-
sator) und die Erfüllung der OBD-Anforderungen für empfindlichkeit des Sensors auf Sauerstoff reduziert
die Überprüfung des Dreiwegekatalysators bei Niedri- werden.
gemissionskonzepten (SULEV, LEV 2). Die Kenntnis des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses er-
Das aussichtsreichste Funktionsprinzip eines laubt zudem eine numerische Kompensation des NOx-
NOx-Sensors basiert auf der Zersetzung von Stick- Signals. Nachteil von solchen Sensoren ist deren starke
oxid mittels einer katalytisch aktiven Elektrode beste- Ammoniak-Querempfindlichkeit hervorgerufen durch
hend aus einer Mischung aus Platin und Rhodium; eine Oxidation von Ammoniak zu Stickstoffmonoxid
die Messung des dabei produzierten Sauerstoffs ist von in der ersten Sensorkavität.
der amperometrischen linearen Lambda-Sonde her Die notwendigen Ströme an der NOx-Messelekt-
bekannt. Der Aufbau von der mehrlagigen ZrO2-Sen- rode liegen bei einigen µA für einen Messbereich von
sorkeramik beinhaltet zwei Kammern (. Abb. 18.10). einigen 100 ppm. Eine elektromagnetisch sichere In-

Hauptpumpelektrode (+) P+
Zweite Kammer
Hauptpumpelektrode (–) P–
Hilfspumpelektrode M1
Erste Kammer Ip1 Ip2
Messelektrode M2
Ip0

Gas
Luftkanal

Vref ZrO2 laminiertes Substrat


..Abb. 18.10 Messprin- Heizer V1 V
V2 Referenzelektrode
zip eines NOx-Sensors REF
V0
(NGK Insulators LTD)
886 Kapitel 18 • Sensoren

2,0
1 1,8
Trägergas Stickstoff
1,6 Gastemperatur 80°C
Pumpstrom l p2 [µA]

1,4 Feuchte 3% Volumenanteil


2 1,2
Sauerstoff 0%

1,0

3 0,8
0,6
0,4
4 0,2
0,0
0 100 200 300 400 500
5 NOx [ppm]

..Abb. 18.11  Kennlinie eines amperometrischen


6 NOx-Sensors ..Abb. 18.12 NOx-Sensor mit Steuerelektronik

O-Ring
7 tegration in das Motormanagementsystem ist nur mit
einer elektronischen Ansteuerung des Sensors in seiner
unmittelbaren Nähe möglich. Es gibt zwei Möglich- Druckanschluss
8 keiten dies zu realisieren, entweder einen Standalone
beziehungsweise, sogenannten „Smart“ NOx-Sensor
(. Abb. 18.12) mit der kompletten Ansteuerung (Hei- Temperatursensor (NTC)
9 zungsregelung und Pumpstromregelung) sowie digi-
taler Kommunikation zur Motorsteuerung, oder nur Drucksensorelement
10 eine Auslagerung der Pumpstromregelung bei analoger
Ansteuerung.
Gehäuse mit integriertem Stecker
11 ..Abb. 18.13  Aufbau eines MAP mit integriertem
18.5 Drucksensoren
Temperatursensor

-
12 Um den verschiedenen Anforderungen der zu messen-
den Drücke gerecht zu werden, werden verschiedene BAB: Barometric Absolute Pressure Sensor
13
14
Sensortypen eingesetzt.
Diese Sensortypen können wie folgt unterschieden
werden:
Sensortyp Druckbereich
- (Umgebungs-Drucksensor),
Turbo MAP: Manifold Absolute Pressure Sensor
for turbocharged engines (Lade-Drucksensor).

Der MAP wird verwendet, um den Saugrohrunter-


Normaldrucksensorencirca 0–5 bar
15 Mitteldrucksensorencirca 5–100 bar
druck, der nach der Drosselklappe herrscht zu bestim-
men. Der typische Messbereich liegt bei 0,2 bis 1,1 bar.
Hochdrucksensorencirca 100–2000 bar
Zusammen mit der Temperatur kann daraus die An-
16 Differenzdrucksensorencirca
Druckschaltercirca
0–1 bar bidirektional
0–1 bar (nur Schaltfunktion)
saugluftmasse berechnet werden. Entsprechend dem
Fahrerwunsch bildet diese Information die Grundlage
Die Anwendungsgebiete und Sensorprinzipien für für die Bestimmung der Benzineinspritzmenge und der
17 diese Sensortypen sind in den folgenden Abschnitten Drosselklappenstellung. Mit Hilfe des Lambdasonden-
beschrieben. Signals wird ein geschlossener Regelkreis aufgebaut,
18 der das Luft-Kraftstoff-Gemisch im Bereich λ = 1 re-
gelt, um minimale Abgasemissionen zu gewährleisten.
18.5.1 Normaldrucksensoren Der MAP wird oft mit integriertem Temperatursensor
19 verwendet um den Montageaufwand zu reduzieren,
Normaldrucksensoren untergliedern sich in folgenden . Abb. 18.13.

20
-
Gruppen:
MAP: Manifold Absolute Pressure Sensor
(Saugrohr-Drucksensor),
Der BAP wird verwendet, um den Umgebungs-
druck zu bestimmen. Die erhaltene Information dient
zur Kompensation des Luftdrucks in unterschiedlichen
18.5 • Drucksensoren
887 18
Druckzelle:
Auswerteelektronik Messprinzip kapazitiv
mit elektrische
Kalibriereinheit Druckbeaufschlagung
bewirkt Membranauslenkung;
n-MOS p-MOS

..Abb. 18.14  Aufbau eines oberflächen-mikromecha-


nischen Drucksensors
..Abb. 18.15  Ansicht eines Hochdrucksensors
Höhen. Der typische Messbereich liegt hier bei 0,5 bis
1,1 bar. Druckbereiche erfolgt über eine Kalibration am Ende
Der Turbo MAP dient zur Bestimmung des Lade- der Herstellung des Sensors.
drucks bei Motoren mit Turbolader. Der typische Mess-
bereich liegt bei 0,5 bis 2,5 bar. Die Motorsteuerung
optimiert die Verbrennungsparameter mit Hilfe der La- 18.5.2 Mitteldrucksensoren
dedruck-Information. Ferner kann der Ladedruck zur
Regelung des Turboladers (VTG) verwendet werden. Diese Sensoren werden zum Beispiel für Öldruck,
Folgende Messprinzipien sind in Anwendung: Hydrauliköldruck in Automatikgetrieben sowie An-
wendungen außerhalb des Anstriebsstrangs (Klima-
18.5.1.1 Piezoresistives Messprinzip kompressoren) verwendet. Für Flüssigkeiten oder
Traditionell werden piezoresistive Messzellen verwen- aggressive Medien wird vorwiegend ein Aufbau ver-
det. Unter einer derartigen Messzelle versteht man eine wendet der dem Hochdrucksensor ähnlich ist.
Druckzelle bestehend aus einer Membran mit aufge-
brachten Piezowiderständen. Durch den einwirkenden
Druck dehnen sich die Piezowiderstände. Dies führt 18.5.3 Hochdrucksensoren
zu einer druckabhängigen Widerstandsänderung. Mit
Hilfe einer separaten Elektronik werden diese Wider- Ab circa 100 bar beginnt die Zuordnung zu den Hoch-
standsänderungen in eine analoge Spannung gewan- drucksensoren. Allgemein üblich ist eine Bauweise mit
delt. In neueren Ausführungen wird die Druckzelle Sechskantausführung und Bolzengewindeanschluss
mit „Volumen-Mikromechanik“ in den Chip integriert. M12 (. Abb. 18.15). Typischerweise werden Stecker
mit 3  Pins (Versorgungspannung, Masse, Ausgang)
18.5.1.2 Kapazitives Messprinzip verwendet. Die Kalibrierung erfolgt ebenfalls über die
Eine grundsätzliche Neuentwicklung stellt der „ober- drei Pins oder über zusätzliche Kontakte.
flächen-mikromechanische“ Drucksensor dar. Hierbei Die Hauptanwendungsbereiche lassen sich wie
werden mit Standard-Halbleiterprozessen (BiCMOS) folgt definieren:
die Druckzelle sowie die zugehörige Auswerteelektro- 100–200 barHPDI-Benzindirekteinspritzsysteme,
nik auf einem Chip hergestellt. Hierdurch entfällt die 200–280 barBremsdrucksensoren,
Verbindung mittels Bonddrähten zwischen Drucksen- 1300–2000 barCommon-Rail-Dieseleinspritzsysteme.
sorzelle und Auswerteelektronik. Die Bestimmung des Grundsätzlich wird für hohe Drücke die Medien-
Druckes erfolgt durch spezielle kondensatorähnliche trennung mittels einer Membran realisiert. Der Einsatz
ausgebildete Druckzellen. Der einwirkende Druck än- hochfester Materialien für die Membran erlaubt Mess-
dert den Abstand der beiden Kondensatorflächen und bereiche über 2000 bar. Typischerweise wird ein Berst-
führt zu einer Änderung der Kapazität. Diese Kapazi- druck des 1,5- bis 2-fachen Nenndruckes gefordert.
tätsänderung wird in eine analoge Ausgangsspannung Der Druck deformiert die Membran, dies wird über
transformiert. Der Aufbau ist in . Abb. 18.14 schema- eine Dehnungsmessbrücke auf der Membran erfasst.
tisch dargestellt. Das Signal ist bei geeigneter Auslegung dem angeleg-
Die Einstellung der gewünschten Kennlinie für die ten Druck proportional. Das elektrische Signal wird
verschiedenen, oben erwähnten Anwendungen und in einer elektronischen Schaltung (ASIC) verstärkt
888 Kapitel 18 • Sensoren

18.6 Luftmassensensor
1
Um den vom Motor angesaugten Luftmassenstrom
2 bestimmen zu können, setzt man heute entweder
einen Saugrohr-Drucksensor (MAP = Manifold Ab-
solute Pressure) oder einen Luftmassensensor (MAF
3 = Mass Air Flow) ein. Das ausgegebene Signal dient als
Grundlage im elektronischen Motorsteuergerät für die
Bestimmung des Lastzustandes.
4 Bei Ottomotoren dient das Signal in erster Linie
der Regelung der Kraftstoffmenge, als Eingangsgröße
5 für das Zündkennfeld sowie zur Bestimmung der Ab-
gasrückführrate. Im Zusammenspiel mit der Lambda-
Sonde bildet der MAF beziehungsweise MAP einen
6 geschlossenen Regelkreis.
Da bei Dieselmotoren keine Drosselklappe vor-
7 handen ist und somit der Saugrohrdruck kein Maß
für die angesaugte Frischluftmasse ist, muss ein MAF
eingesetzt werden. Hier dient das Signal des MAF als
8 Regelgröße für die Abgasrückführung (AGR), bei
neueren Systemen auch als Steuergröße für eine kenn-
..Abb. 18.16  Ansicht eines Öldruckschalters feldabhängige Dieseleinspritzpumpe. Da bei Dieselmo-
9 toren keine Rückmeldung aus dem Abgas vorhanden
ist, sind die Genauigkeitsanforderungen an den MAF
10 und mit den Kalibrierdaten für Druck und Tempera-
turabhängigkeit kompensiert. Der Hochdrucksensor
höher als beim Ottomotor.
Somit ist die Messung der angesaugten Frischluft-
erreicht durch die Kalibration über Druck und Tem- masse maßgebend für die Reduzierung des Schadstoff-
11 peratur eine Genauigkeit von typisch  1 bis 2 % des ausstoßes und die Erhöhung des Fahrkomforts.
Messbereichs. Meistens ist das Ausgangssignal analog
und ratiometrisch.
12 18.6.1 Messprinzip

13 18.5.4 Druckschalter Neben den früher häufig eingesetzten Prinzipien zur


Massenstromermittlung, Stauklappe und Hitzdraht,
Druckschalter werden verwendet, um Druckschwellen wird heute das Verfahren der Heißfilm-Anemometrie
14 in flüssigen oder gasförmigen Medien zu detektieren. eingesetzt.
Die Schaltschwellen liegen bei einigen 100 mbar für Diesem Prinzip folgen nahezu alle im Kraftfahr-
15 Öldruck (. Abb. 18.16) und bis zu über 100 bar bei
Hydraulikanwendungen.
zeug eingesetzten Luftmassensensoren. Ein erhitzter
Körper gibt Energie an die umliegende Luft ab. Die
Die Funktion des Druckschalters beruht im We- abgegebene Wärmemenge ist vom Luftstrom abhängig
16 sentlichen auf einem mechanischen Kontakt der durch und kann als Messgröße verwendet werden.
Überschreiten des anliegenden Druckes geöffnet wird.
Eine Feder drückt eine Metallmembran gegen das Me-
17 tallgehäuse. Übersteigt der Druck im Medium einen 18.6.2 Mass-Airflow-Sensor
Schwellwert, entfernt sich die Metallmembran vom
18 Gehäuse; der Stromkreis Gehäuse – Metallmembran Der MAF besteht aus einem Sensormodul, dem Ste-
– Metallfeder wird unterbrochen (öffnender Kontakt). cker und gegebenenfalls einem Rohr. Das Sensormodul
Es gibt auch die umgekehrte Variante, die bei fal- kann mit einem entsprechenden Steckerelement auch
19 lendem Druck den Schaltkreis öffnet (schließender als sogenannter Einsteckfinger verwendet werden.
Kontakt). Der Rohrdurchmesser wird an den jeweils benötigten
20 Luftmassenbereich angepasst (siehe . Abb. 18.17). Im
Sensormodul sind Sensorik, Elektronik und der Strö-
mungskanal integriert.
18.6 • Luftmassensensor
889 18

Durch die speziell auf die Bedingungen im Fahr-


Stecker zeugmotorraum abgestimmten Materialien, Strö-
mungsführung, Schaltungstechnik und den mechani-
schen Aufbau, ist das MAF-Signal nahezu unabhängig
Sensormodul von Temperatur, Druck und Verschmutzung.
Pulsationen im Ansaugtrakt und Rückstromkom-
pensation:
Verbrennungsmotoren mit vier oder weniger Zy-
lindern erzeugen bei weit geöffneter beziehungsweise
Rohr
w nicht vorhandener Drosselklappe (zum Beispiel bei
Flo Dieselmotoren oder direkteinspritzenden Ottomo-
toren) starke Pulsationen im Ansaugtrakt. Bei be-
stimmten Drehzahlen, am Resonanzpunkt, kommt
es zu einer pulsierenden Rückströmung, welche bei
herkömmlichen MAF einen positiven Messfehler ver-
..Abb. 18.17  Aufbau eines Mass-Airflow-Sensors ursacht, da die Luft den Sensor mehrfach überstreicht.
Durch die Gestaltung des Strömungskanals, die
Positionierung der Sensoren in diesem Kanal und
Zwei temperaturabhängige Metallfilm-Wider- eine zusätzliche Korrekturschaltung kann dieser Effekt
stände auf Glassubstrat (RS und RT), werden im In- kompensiert werden.
neren des Rohres direkt im Ansaugluftstrom ange- In vielen Anwendungen wird auch der Tempe-
ordnet. Diese zwei Widerstände sind, in Kombination raturfühler (NTC-Widerstand) zur Bestimmung der
mit R1 und R2, in einer Brückenschaltung verbunden Ansauglufttemperatur in den HFM integriert.
(. Abb. 18.18).
Entsprechend dem angesaugten Luftmassenstrom
wird RS mehr oder weniger stark gekühlt. 18.6.3 Sekundär Luftmassensensor
Die Elektronik regelt den erforderlichen Heizstrom (SAF = Secondary Air Flow)
durch RS so, dass an RS immer eine konstante Tempe-
raturdifferenz (zum Beispiel 100 K) zur an RT gemes- In der Startphase eines Motors werden bei den Abgas-
senen Lufttemperatur besteht. Der Heizstrom wird am testzyklen ein Großteil der CO- und HC-Emissionen
Widerstand R2 in ein Spannungssignal umgewandelt. erzeugt. In den ersten Minuten geht der Wirkungs-
Die Widerstände RS und RT sind so aufeinander grad des Katalysators gegen Null, da die Temperatur
abgestimmt, dass die Kennlinie unabhängig von der noch unter der sogenannten „Ligh-Off “-Temperatur
Lufttemperatur ist. Die Kennlinie weist zudem, physi- von circa  350 °C liegt. Um ein möglichst schnelles
kalisch bedingt, eine vorteilhafte nichtlineare Charak- Aufheizen des Katalysators zu erreichen, bläst man in
teristik auf, wodurch eine nahezu konstant proportio- den Abgastrakt Sekundärluft und das Abgas wird mit
nale Auflösung ermöglicht wird. zusätzlichen Kohlenwasserstoffen angereichert. Dies

T(RS) – T(RT) = k

RS
RT
R2
R1
UFLOW

w
Flo
Messbrücke
..Abb. 18.18 Prinzip
eines Mass-Airflow-
Sensors. Die Spannung
an R2 ist ein Maß für den
Massendurchfluss
890 Kapitel 18 • Sensoren

kann durch Anreicherung des Gemisches oder durch Steuerung der Nockenwellenversteller benötigt. Für
1 nachträgliches Einspritzen von Kraftstoff in den Ab- jede verstellbare Nockenwelle wird ein Nockenwellen-
gaszweig erfolgen. Der Sauerstoff, der über die Sekun- sensor benötigt. Für die Anwendung als Positionssen-
2 därluft zugeführt wird, ermöglicht durch die Nachver-
brennung des fetten Gemisches somit ein schnelleres
sor für die variable Ventilsteuerzeit ist die Genauigkeit
von besonderer Bedeutung.
Aufheizen des Katalysators und daraus resultierend Mit Getriebedrehzahlsensoren wird die Geschwin-
3 eine deutliche Reduzierung der Schadstoffmenge. Dies digkeit des Fahrzeugs gemessen. Zur Steuerung von
ist erforderlich, um strengste Abgasanforderungen zu Automatik- und CVT-Getrieben wird sowohl die
erfüllen. Eingangs als auch die Abgangsdrehzahl benötigt. Die
4 Basierend auf dem Messprinzip des Hauptstrom- Anforderungen von Getriebedrehzahlsensoren sind
MAF misst der Sekundär Luftmassensensor die dem wesentlich geringer, jedoch sollten diese Sensoren eine
5 Katalysator während der Startphase zusätzlich zum möglichst kleine Drehzahl erfassen können.
Abgas zugeführte Frischluftmasse.
Die Vorteile gegenüber einem ungeregelten Sys- Messprinzipien  Die Messprinzipien lassen sich in pas-
6 tem sind die Unabhängigkeit von System-Toleranzen sive und aktive Drehzahlsensoren unterteilen.
sowie die Möglichkeit, während der Sekundärluftphase
7 zusätzlich eine erweiterte Diagnose des Systems durch-
führen zu können. 18.7.1 Passive Drehzahlsensoren

8 Als passive Drehzahlsensoren werden heute fast aus-


18.7 Drehzahlsensoren nahmslos induktive Sensoren, auch Variable Reluktanz
(VR) Sensoren genannt, eingesetzt.
9 Es wird im Allgemeinen von Drehzahlsensoren ge- Die induktiven Sensoren bestehen im Wesent-
sprochen; jedoch handelt es sich in diesem Fall um lichen aus einer Spule um einen magnetisch vorge-
10 inkrementale Sensoren. Zur Steuerung des Antriebs- spannten

--
strangs sind häufig folgende Drehzahlgeber verwendet:
Kurbelwellensensor,
Kern. Befindet sich der induktive Sensor in der
Nähe eines bewegten ferromagnetischen Geberrades,
11
12
- Nockenwellensensor,
Getriebedrehzahlsensor.

Elektronische Steuergeräte für Verbrennungsmotoren


wird eine Spannung induziert. Diese Spannung wird
in dem elektronischen Steuergerät ausgewertet. Jede
Flanke der Geberrades induziert eine elektrische Span-
nung. Bei induktiven Sensoren ist die Höhe der indu-
benötigen zur exakten Steuerung von Zündung und zierten Spannung von der Drehzahl abhängig, daher
13 Einspritzung eine Information über die aktuelle Posi- gibt es eine untere Drehzahl/Frequenz für die Funktion
tion der Kurbelwelle und Nockenwelle. des induktiven Sensors.
Für die Anwendung an der Kurbelwelle wird eine
14 hohe Genauigkeit im gesamten Funktionsbereich
(Temperatur, Luftspalt, Drehzahl, mechanische Tole- 18.7.2 Aktive Sensoren
15 ranzen) gefordert. Außerdem sollte der Sensor mög-
lichst kleine Drehzahlen erfassen können, um bei dem Drehzahlsensoren welche aktiv arbeiten, haben eine in-
Start des Motors eine schnelle Positionserfassung zu tegrierte Elektronik für die Signalverarbeitung. Daher
16 ermöglichen. Für Motoren mit bis zu 8 Zylindern er- übertragen aktive Sensoren normierte Signalpegel, die
folgt die Zündaussetzerkennung (Misfire Detection) ohne zusätzliche Signalverarbeitung in dem elektroni-
durch die Auswertung des Kurbelwellensensors. Daher schen Steuergerät verwendet werden.
17 wird eine sehr hohe Wiederholgenauigkeit gefordert Aktive Sensoren auf der Basis des Hall-Effektes
(< 0,03°). sind am weitesten verbreitet, zunehmend werden auch
18 Mit dem Nockenwellensensor erfolgt die Synchro- MR-Sensoren und GMR-Sensoren eingesetzt.
nisation zwischen Nocken und Kurbelwelle, dies be- Bei den Hall-Sensoren werden am häufigsten
deutet eine Zuordnung des ersten Zylinders. Um eine Differential-Hallsensoren verwendet (. Abb. 18.19).
19 schnelle Synchronisation zu erreichen werden entwe- Der Flankenwechsel eines ferromagnetische Ge-
der speziell codierte Geberräder für die Nockenwelle berrades führt zu einer Differenz des Magnetfeldes an
20 verwendet oder Nockenwellensensoren mit einer sta-
tischen Funktion. Bei Motoren mit variabler Ventil-
dem Differential-Hallelement. Durch das Differential-
prinzip sind diese Sensoren weitgehend unempfindlich
steuerzeit werden die Nockenwellensensoren auch zur gegenüber Störeinflüssen wie Temperaturänderungen,
18.8  •  Brennraumdrucksensoren für Dieselmotoren
891 18

VH2

VH1

VH1 – VH2
H1 H2

Output

..Abb. 18.19  Messprinzip eines Differential-Hall-


Sensors ..Abb. 18.20  Aktiver Kurbelwellensensor

externe Magnetfelder. Dadurch zeichnen sich diese


- Ausgleich von Toleranzen im Einspritz- und
Sensoren durch eine hohe Genauigkeit aus. Mit dem
Differentialprinzip lassen sich Sensoren mit einer un-
teren Drehzahl von 0 1/min (Zero-Speed) realisieren.
Aufgrund des Differentialprinzips können diese Senso-
- Ansaugsystem,
Regelung der Verbrennungsschwerpunktlage.

Der Einsatz konventionell arbeitender Drucksensoren


ren nur in einer Einbaulage verwendet werden. mit druckempfindlichen Membranen gestaltet sich
Für eine statische Funktion werden sogenannte äußerst schwierig. Um Druckschwingungseffekte im
Einzelelement Hallsensoren verwendet. Diese Sen- Verbrennungsgas zu minimieren muss die Membran
soren erlauben die Erkennung von Zahn oder Lücke möglichst direkt am Verbrennungsraum platziert wer-
ohne Bewegung des Geberrades (True Power On). den. Da Zylinderköpfe moderner Pkw-Dieselmotoren
Durch die Anordnung als Einzelelement ist eine belie- zumeist keinen oder nur sehr geringen Spielraum für
bige Orientierung zwischen Hallsensor und Geberrad eine zusätzliche Bohrung für einen Drucksensor bie-
möglich. ten, scheitert die Verwendung derartiger Sensoren zu-
. Abb. 18.20 zeigt einen aktiven Kurbelwellensen- meist am Bauraum.
sor, auf der Basis von Differential-Hallsensoren. Aus diesem Grund zielt die aktuelle Hauptentwick-
lungsrichtung bei Brennraumdrucksensoren auf die
Integration in vorhandene Komponenten, insbeson-
18.8 Brennraumdrucksensoren dere in Glühkerzen ab. Die Glühkerze hat mit ihrem
für Dieselmotoren Brennraumzugang eine ideale Einbauposition.
Ein Beispiel für einen glühkerzenintegrierten
Initiiert durch immer strengere Abgasgesetzgebung Brennraumdrucksensor mit piezokeramischem Messe-
werden für zukünftige Brennverfahren genauere In- lement zeigen . Abb. 18.21 und 18.22. Die Verformung
formationen über den Verbrennungsvorgang benötigt. des aus Glühkerzengehäuse und Glühkerzenelektrode
Für qualitative Informationen, wie die Überprü- aufgebauten Messelementes wird mittels piezokerami-
fung des Vorhandenseins von Vorabeinspritzungen, schem Sensorelement in eine elektrische Ladung als
werden derzeit bevorzugt Klopfsensoren als Kör- Ausgangssignal gewandelt.
perschallsensoren eingesetzt. Meist wird jedoch eine Glühkerzenintegrierte Brennraumdrucksensoren
quantitative Information zur freigesetzten Verbren- können prinzipiell in zwei Messprinzipien unterteilt
nungsenergie über den jeweiligen Kurbelwinkel be- werden: zum einen die Messung des Verbrennungs-
nötigt. Hierfür bieten sich insbesondere Brennraum- drucks über die Messung von Zylinderkopfverfor-
drucksensoren an. Auf ihrem Signal basierend, lassen mungen und zum zweiten die Messung des Verbren-

-
sich folgende Funktionen realisieren:
zylinderselektive Regelung des maximalen Ver-
nungsdrucks über die Messung von sensorinternen
Verformungen (. Abb. 18.23).

- brennungsdrucks,
Detektion von Vor-, Haupt- und Nacheinspritz-
vorgängen,
Die Messung des Verbrennungsdruckes über die
Messung von Zylinderkopfverformung stellt die einfa-
chere Lösung dar, da hier das gesamte Glühkerzenge-
892 Kapitel 18 • Sensoren

1
2 Kontaktierung
Glühelement
Verspannung
Sensorelement

3 Peizokeramisches
Sensorelement

4 Kontaktierungen
Sensorelement
Glühkerzenelektrode

5
Glühkerzengehäuse

6 ..Abb. 18.21  Glühkerzenintegrierter Brennraum-


drucksensor (Mitte) in Kombination mit Klopfsensor
7 (links) und Glühkerze (rechts)

8 häuse als Messelement dienen kann. Untersuchungen ..Abb. 18.22  Integration Sensorelement


an aktuellen Common-Rail-Dieselmotoren zeigen für
dieses Messprinzip hervorragende Genauigkeiten und
9 in Verbindung mit einem piezoelektrischen Sensorele- Neben dem hier vorgestellten piezoelektrischen
ment ein sehr gutes Signal-Rausch-Verhalten [1]. Sensorelement sind prinzipiell auch Verformungsmes-
10 Treten am Zylinderkopf nicht verbrennungsbe-
dingte Verformungen auf oder sind diese zu klein,
selemente mit anderen Wandlungsprinzipien denkbar.
Das piezoelektrische Messelement überzeugt jedoch
muss auf das etwas aufwändigere Prinzip der Messung durch seinen einfachen Aufbau und dem hieraus fol-
11 einer sensorinternen Verformung zurückgegriffen genden minimalen Bauraumbedarf.
werden. Das Messelement ist in diesem Fall von den Ein zukünftiger Einsatz ähnlicher Konzepte beim
zylinderkopfinduzierten Verformungen des Glühker- Ottomotor, beispielsweise durch Integration des
12 zengehäuses zu entkoppeln. Dem Nachteil höherer Brennraumdrucksensors in eine Zündkerze, rückt
Komplexität steht diesem Messprinzip der Vorteil einer mit den hier entwickelten Technologien in greifbare
13 Kalibrierbarkeit in der Sensorfabrik gegenüber. Nähe.

14
Glühkerzenintegrierter
15 Brennraumdrucksensor

16
Zylinderkopf
17
A
Gewinde
18 Zylinderkopf-
Zylinderkopf
verformung
verformung
19 Dichtsitz
..Abb. 18.23 Brenn-
Sensorinterne
20 Verformung raumdruckmessung
über Zylinderkopf vs.
Sensor-Verformung
Literatur
893 18
Literatur

Verwendete Literatur
[1] Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Kraftfahrtechnisches Taschen-
buch, 26. Aufl. Vieweg, Wiesbaden (2007)

Weiterführende Literatur
[2] Fiedeler, O.: Strömungs und Durchflussmesstechnik. R. Ol-
denburg. (1992)
[3] Niebuhr, J., Lindner, G.: Physikalische Messtechnik mit Sen-
soren. R. Oldenburg. (1994)
[4] Tränkler, H.-R., Obermeier, E.: Sensortechnik. Springer.
(1998)
[5] Last, B.; Ramond, A.; Goretti, S.; Burrows, J.: Integration of
a piezo ceramic sensing element in a glow plug in order
to get a combustion pressure sensor for diesel engines.
Hildesheim, Adaptronic Congress, 27.–28. April 2004
895 19

Aktuatoren
Dipl.-Ing. Stefan Klöckner, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan Grüneis,
Dipl.-Wirt.-Ing. Axel Tuschik

19.1 Antriebe – 896
19.1.1 Pneumatische Antriebe – 896
19.1.2 Elektrische Antriebe – 896
19.1.3 Kommunikation mit der Motorsteuerelektronik  –  897
19.1.4 Rückstellung/Default-Position – 898

19.2 Drosselklappenstellglieder – 898
19.2.1 Kernfunktion Ottomotor – 898
19.2.2 Kernfunktion Dieselmotor – 899
19.2.3 Zusätzliche Funktionen – 899
19.2.4 „Drive-by-Wire“/E-Gas – 900
19.2.5 Waste-Gate-Funktion – 901
19.2.6 Unterdruck/Vordrosselstellglieder – 901

19.3 Drall- und Tumbleklappen/Resonanzaufladung – 901


19.3.1 Port-Deactivation – 902
19.3.2 Schichtladung – 902

19.4 Turbolader mit variabler Turbinengeometrie  –  903


19.5 Abgasrückführventile – 903
19.6 Verdunstungsemission, Komponenten – 906
19.6.1 Tankentlüftungsventile – 906
19.6.2 Diagnose Verdunstungsemission – 908

Weiterführende Literatur – 910

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_19
896 Kapitel 19 • Aktuatoren

19.1 Antriebe mung des Antriebs gegenüber der Position zu Beginn


1 der Bewegung und damit eine vereinfachte Positions-
In der Motormanagement-Aktuatorik finden bevorzugt steuerung des Antriebs. Eine absolute Bestimmung der
2 pneumatische und elektrische Stellantriebe Verwen-
dung. . Abb. 19.1 zeigt eine Gegenüberstellung der Vor-
Istposition ist jedoch nicht möglich.
Bei einfachen Anforderungen ist ein zusätzlicher
und Nachteile der am weitesten verbreiteten Antriebe. Sensor zur Erfassung der Istposition nicht notwendig.
3 Wesentlicher Nachteil ist das geringe Überschussmo-
ment des Schrittmotors zur Überwindung auftretender
19.1.1 Pneumatische Antriebe Schwergängigkeit und die damit verbundene Möglich-
4 keit eines nicht erkannten Fehlers in der Positionssteu-
Pneumatische Antriebe werden in der Aktuatorik be- erung durch eine geforderte, jedoch nicht erfolgte Ver-
5 vorzugt als Umschalter zwischen zwei Fixpositionen stellbewegung des Antriebs.
verwendet (. Abb. 19.2). Pneumatische Stellantriebe
bestehen aus einer Unterdruckdose mit Membran, die 19.1.2.2 DC-Motor
6 über ein Steuerventil mit der Unterdruckversorgung Der Gleichstrommotor (DC-Motor) wird in der Ak-
des Fahrzeugs verbunden ist. Das zu betätigende Stell­ tuatorik bevorzugt in Verbindung mit Getrieben ein-
7 element ist entweder direkt oder über Hebel bezie-
hungsweise Seilzüge mit dem Stellelement verbunden.
gesetzt. Die Flexibilität der Getriebeausführung und
Übersetzung ermöglicht dabei den Einsatz des glei-
Im Nutzfahrzeug werden bevorzugt pneumatische An- chen DC-Motors für verschiedene Stellmoment- be-
8 triebe mit Hubzylindern verwendet, die an die Fahr- ziehungsweise Stellzeitanforderungen.
zeugdruckluftversorgung angeschlossen sind. Wesentlicher Vorteil der DC-Motor/Getriebe-
Vorteil des pneumatischen Antriebs ist der ge- Kombination ist das hohe Überschussmoment. Durch
9 ringe Preis in Kombination mit den zur Baugröße dieses können schnelle Stellzeiten erreicht werden
vergleichbar großen Stellmomenten und schnellen und es ermöglicht die Überwindung kurzzeitig auftre-
10 Stellzeiten. Ein wesentlicher Nachteil des pneumati-
schen Antriebs ist die nur schwer umsetzbare Positi-
tender Schwergängigkeit. Eine Positionsregelung des
DC-Motor-Antriebs ist nur in Kombination mit einem
onsregelung, die ein exaktes Anfahren von Zwischen- Positionssensor möglich.
11 positionen nicht ermöglicht. Dieser Nachteil hat dazu Nachteile des DC-Motors sind sein vergleichsweise
geführt, dass früher weit verbreitete pneumatische komplexer Aufbau und das Verschleißverhalten der
Antriebe inzwischen vermehrt durch elektrische An- Motorkohlen beziehungsweise des Getriebes im Ver-
12 triebe abgelöst werden. gleich zu kontaktlosen Antrieben.

13 19.1.2 Elektrische Antriebe


19.1.2.3 Torque-Motor
Torque-Motoren werden in der Aktuatorik als Di-
rektantriebe ohne zusätzliche Getriebe eingesetzt
14 19.1.2.1 Schrittmotor (. Abb. 19.4). Typische Einsatzgebiete sind Anwen-
Der Schrittmotor wird in der Aktuatorik bevor- dungen mit geringen Stellkraftanforderungen in Ver-
15 zugt bei geringen Stellkraftanforderungen eingesetzt
(. Abb. 19.3). Der Vorteil des Schrittmotors besteht in
bindung mit dem Wunsch nach kurzen Verstellzeiten.
Wesentliche Vorteile des Torque-Motors sind der kon-
seiner schrittweisen Bewegung und der entsprechen- taktlose und damit verschleißfreie Antrieb und sein
16 den Ansteuerung. Diese ermöglicht durch das Mitzäh- einfacher Aufbau. Nachteile sind das gegenüber dem
len der Verstellschritte eine relative Positionsbestim- DC-Motor mit Getriebe geringe Überschussmoment

17 Antrieb pneumatischer Schrittmotor DC-Motor mit Torque- EC-Motor


Antrieb Getriebe Motor
18 Stellmoment
Stellzeit
++
+
-
-
++
+
o
++
++
++
Positionsregelung -- ++ + + +
19 Gewicht + - o - o
Kosten ++ + o + --
Lebensdauer o + - + +
20 ++ sehr positiv, + positiv, o durchschnittlich, - negativ, - - sehr negativ

..Abb. 19.1  Vergleich verschiedener Antriebe (Quelle: Continental Automotive GmbH)


19.1 • Antriebe
897 19
Rotor

Statorgehäuse 1

6
Spule 1

5 Spule 2

4 Statorgehäuse 2
Antriebswelle
3
2
..Abb. 19.3  Schrittmotor (Quelle: Continental Auto-
1 Resonanzklappe 1
motive GmbH)
2 Anlenkhebel
3 Unterdruckdose
4 Endanschlag
5 Membran
6 Unterdruckanschluss

..Abb. 19.2  Saugrohrresonanzklappe mit pneu-


matischem Antrieb (Quelle: Continental Automotive
GmbH)

und das hohe Gewicht im Verhältnis zum Stellmo-


ment. Auch der Torque-Antrieb benötigt zur Positi-
onsregelung im Allgemeinen einen Positionssensor. 3
Vereinzelt findet man auch Anwendungen, bei denen
2 1 Stator
Torque-Antriebe ohne Rückmeldung betrieben werden. 1 2 Rotor (2 polig)
Dies erfolgt dann als reine Verstellung zwischen zwei me- 3 Spule
chanischen Endanschlägen oder gesteuert über eine Po-
sition-Stromaufnahme-Charakteristik gegen eine Rück- ..Abb. 19.4  Torque-Motor (Quelle: Continental Auto-
motive GmbH)
stellfeder. Eine exakte Positionierung lässt sich durch die
Stromaufnahmesteuerung jedoch nicht erreichen.

19.1.2.4 EC-Motor 19.1.3 Kommunikation mit der


EC-Motoren sind elektronisch kommutierte Gleich- Motorsteuerelektronik
strommotoren. Sie weisen im Gegensatz zu klassischen
DC-Bürsten-Motoren keine bewegten Kontaktstellen 19.1.3.1 Gesteuerte Stellglieder
auf. Typisches Modell ist der Innenläufer mit Permanent- Gesteuerte Systeme werden bei einfachen Anwendun-
magneten auf der Rotorwelle und Wicklungen im Stator. gen eingesetzt (. Abb.  19.5). Die Motorsteuerelekt-
EC-Motoren benötigen zusätzliche Sensoren im Motor ronik bestromt hierzu ein Stellglied oder ein Unter-
zur Lageerkennung des Rotors und der darauf aufbau- druckventil und bewirkt durch diese Maßnahme eine
enden Regelkreise zur Ansteuerung des Motors. Hierfür Verstellbewegung. Eine „closed loop“ Rückmeldung
werden in der Regel Hall-Element-Sensoren eingesetzt. der Verstellbewegung an die Motorsteuerelektronik
EC-Motoren finden in der Aktuatorik bevorzugt erfolgt nicht oder nur auf Umwegen über externe Sys-
dort Anwendung, wo hohe Stellmomente in Verbindung teme.
mit schnellen Reaktionszeiten oder langen Laufleistun- Wesentliche Vorteile dieser Systeme sind die gerin-
gen gefordert werden, zum Beispiel bei Nutzfahrzeugan- gen Kosten und die vergleichbar einfache Integration
wendungen oder bei der Ventilhubverstellung. Ihr Vor- in ein vorhandenes System. Wesentlicher Nachteil ist
teil liegt im geringen mechanischen Verschleiß und der das Fehlen der Rückmeldung. Gesteuerte Systeme
hohen Leistungsfähigkeit; wesentlicher Nachteil sind die ohne Rückmeldung sind daher für OBD-relevante
vergleichsweise hohen Kosten. Funktionen in der Regel nicht einsetzbar.
898 Kapitel 19 • Aktuatoren

eine Prozessoreinheit mit entsprechender Software zur


1 1 Positionsregelung oder -steuerung verfügt. Die Kom-
munikation dieser Stellglieder mit der Motorsteuer-
2 elektronik reduziert sich auf Signale, das Sollwertsignal
von der Motorsteuerelektronik an das Stellglied und
ein Rückmeldesignal in umgekehrter Richtung. Hier-
3 bei kommen sowohl Standardsignale (in der Regel di-
gital) als auch BUS-Systeme (CAN-Bus, LIN-Bus) zum
Einsatz. Die Leistungsströme werden direkt dem Bord-
4 2 netz entnommen, Leistungsendstufen in der Motor-
steuerung sind für smarte Antriebe nicht notwendig.
5 Basierend auf dem vorhandenen Rückmeldesignal
können smarte Aktuatoren auch für OBD-relevante
Funktionen eingesetzt werden. Der Aufbau der Stell-
6 glieder ist durch die integrierte Elektronik deutlich
komplexer als bei extern geregelten Stellgliedern. Ab-
7 3
hängig von der verwendeten Elektroniktechnologie ist
teilweise auch der zulässige Temperaturbereich einge-
1 Drive-by-wire
Drosselklappenstellglied
schränkt. Wesentlicher Vorteil dieser Stellglieder ist die
8 2 gesteuerter Torque-Aktuator zur
Saugrohrlängenumschaltung
sehr einfache Integration der Stellglieder in vorhandene
Motorsteuerungssysteme auch bei exakten Anforderun-
3 gesteuerter Torque-Aktuator zur
gen an die Positionierung. Stellglieder mit EC-Motor-
9 Saugrohrresonanzumschaltung
Antrieben werden aufgrund der komplexen Ansteue-
..Abb. 19.5  Gesteuerte Torque-Aktuatoren zur rung bevorzugt als intelligente Stellglieder ausgeführt.
Saugrohrlängen- und Saugrohrresonanzumschaltung
10 an einem V6-Motor (Quelle: Continental Automotive
GmbH) 19.1.4 Rückstellung/Default-Position
11
Für gesteuerte Systeme werden bevorzugt pneuma- Abhängig von der Anwendung ist es teilweise notwendig,
tische Antriebe, Schrittmotoren oder Torque-Motoren dass auch bei Ausfall des Stellantriebs eine vorbestimmte
12 eingesetzt. Position des Stellorgans angefahren wird. Dies wird auch
als Default-Position bezeichnet. Ein solches Stellglied-
13 19.1.3.2 Extern geregelte Stellglieder verhalten wird durch Integration einer oder mehrerer
Geregelte Stellglieder liefern mit Hilfe eines Positi- Rückstellfedern am Stellorgan oder im Antrieb erreicht.
onssensors eine Rückmeldung der Istposition an die Die Anforderung nach einer Default-Position stellt
14 Motorsteuerelektronik. Mit Hilfe dieses Positionssig- eine deutliche Erhöhung der Ansprüche an die Leistungs-
nals kann die Motorsteuerung den Antrieb regeln und fähigkeit des Antriebs dar und wird häufig unterschätzt.
15 damit ein gezieltes Folgen der Istposition zum Sollwert
erreichen. Im Vergleich zu gesteuerten Stellgliedern ist
Sie bedingt in der Regel deutlich größere Antriebe und
schließt selbsthemmende Antriebsauslegungen aus.
für extern geregelte Stellglieder ein Mehraufwand in
16 Hard- und Software bei der Motorsteuerelektronik not-
wendig. Als wesentliche Punkte sind die Leistungsend- 19.2 Drosselklappenstellglieder
stufe (H-Brücke) zur Ansteuerung des Antriebs, sowie
17 die zur Positionsregelung notwendige Rechenleistung 19.2.1 Kernfunktion Ottomotor
des Prozessors zu nennen.
18 Für extern geregelte Stellglieder werden in der Re- Die Leistungsregelung eines Ottomotors erfolgt quan-
gel DC-Motor-Antriebe mit Getriebe verwendet. titativ. Dies erfordert eine Beeinflussung der angesaug-
ten Luftmasse. Die am weitesten verbreitete technische
19 19.1.3.3 Intern geregelte Stellglieder Lösung zur Veränderung des Luftmassenstroms ist das
(smarte Aktuatoren) Drosselklappenstellglied. Die Drosselklappe bestimmt
20 Intelligente („smarte“) Aktuatoren sind mit einer
integrierten Elektronik ausgestattet, die über eine
durch ihre Position im Luftkanal die vom Verbren-
nungsmotor angesaugte Luftmenge und das Druckni-
Leistungsendstufe zur Ansteuerung des Antriebs und veau im Saugrohr (. Abb. 19.6).
19.2 • Drosselklappenstellglieder
899 19
Typische Luftmassencharakteristiken in Abhängigkeit Typische Differenzdruckcharakteristik bei konstanter
von Fahrpedalposition und Luftkanalgeometrie Pumpleistung und zylindrischer Luftkanalgeometrie
Luftmasse Differenzdruck

2
1
3
4

1 Zylindrischer Luftkanal
2 Zylindrischer Luftkanal mit
progressiver C-Seilscheibe
3 Zylindrischer Luftkanal mit
degressiver C-Seilscheibe
4 Luftkanal mit
Kugelkalotte-Geometrie

Leerlauf Vollast geschlossen offen


Fahrpedalposition Drosselklappenwinkel

..Abb. 19.6  Diagramm Luftmassen- und Differenzdruckcharakteristik (Quelle: Continental Automotive GmbH)

19.2.2 Kernfunktion Dieselmotor 19.2.3 Zusätzliche Funktionen

Der Betrieb des Dieselmotors erfolgt über eine Quali- 19.2.3.1 Leerlaufregelung Ottomotor
tätsregelung des Luft-Kraftstoff-Gemischs. Eine Dros- Neben der Hauptfunktion der Füllungsregelung er-
sellung des Luftmassenstroms ist im Idealfall nicht füllt das Drosselklappenstellglied inklusive seiner ver-
notwendig. Trotzdem kommen auch beim Dieselmo- schiedenen Anbauaggregate zusätzliche Funktionen.
tor in deutlichem Umfang Drosselklappenstellglieder Die bedeutendste Nebenfunktion des Drosselklap-
zum Einsatz. Die Hauptfunktion dieser Stellglieder penstellglieds ist die Leerlaufregelung des Ottomotors
ist die Erzeugung eines definierten Druckgefälles (. Abb. 19.7).
zur Einspeisung von Abgasen in die Ansaugluft des Die Leerlaufdrehzahl wird verbreitet über die Be-
Motors (Abgasrückführung), die zur Einhaltung einflussung des Luftmassenstroms kontrolliert. Zusätz-
der hohen gesetzlichen Anforderungen an geringe liche erfolgt eine Feinregelung über die Verschiebung
Schadstoffgehalte im Abgas notwendig ist (siehe auch des Zündzeitpunkts.
▶ Abschn. 19.2.6 „Vordrossel“). Zusätzlich kann durch Die Regelung der Leerlaufluftmasse kann über ein
Drosselung und verbrennungstechnische Maßnahmen Stellorgan in einem Bypass zum Hauptluftkanal bei ge-
die Abgastemperatur des Verbrennungsmotors deut- schlossener Drosselklappe erfolgen oder durch direkte
lich erhöht werden, um die Partikelfilterregeneration Positionierung der Drosselklappe im leicht geöffneten
zu unterstützten. Arbeitsbereich.

Leerlaufregelung
Leerlaufregelung über Bypassventil
über Bewegung der bei geschlossener
Drosselklappe Drosselklappe

..Abb. 19.7  Leerlaufregelsysteme im Vergleich (Quelle: Continental Automotive GmbH)


900 Kapitel 19 • Aktuatoren

Dies kann über separate Tempomatstellglieder


1 erfolgen, die mit Seilzügen oder Hebelwerken an der
1
Drosselklappe angelenkt sind. Moderne Drosselklap-
2 penstellglieder realisieren diese Funktion über einen
direkten Antrieb im Drosselklappenstellglied.
Die Tempomatfunktion erfordert eine Energie-
3 quelle (zum Beispiel: elektrischer oder pneumatischer
Antrieb), die die Drosselklappe gegenüber der Fahrpe-
dalstellung öffnen kann.
4
19.2.4 „Drive-by-Wire“/E-Gas
5
1 Luftkanal 5 4 3 2
2 DC-Motor Gegenüber dem Tempomatbetrieb ist es zur Unterstüt-
6 3
4
Zweistufiges Getriebe
Positionssensor (Potentiometer) zung der Antischlupfregelung (ASR oder Traction Con-
5 Rückstellfeder trol) und der elektronischen Stabilitätsregelung (ESP)
7 ..Abb. 19.8 Drive-by-Wire-Drosselklappenstellglied
notwendig, die Drosselklappe gegenüber der Fahrpedal-
stellung nicht nur zu öffnen sondern auch zu schließen.
E-Gas 5 (Quelle: Continental Automotive GmbH)
Diese Funktion ist mit mechanisch verbundenen
8 Systemen nur schwer realisierbar. Vereinzelt wird eine
19.2.3.2 Positionssignal zweite Drosselklappe (im Normalbetrieb offen), die un-
Ein Sensor am Drosselklappenstellglied erzeugt ein Po- abhängig vom Fahrpedal betätigt wird, vor der eigentli-
9 sitionssignal und gibt dieses an die Motorsteuerelekt- chen Drosselklappe zur Darstellung dieser Funktionen
ronik weiter. Verbreitet werden Potentiometer für diese eingesetzt. Eine Motorschleppmomentenregelung ist
10 Funktion eingesetzt.
Das Signal des Sensors dient zudem der Unterschei-
mit diesen Systemen jedoch nicht möglich. Weiter
verbreitet ist die Verwendung von „Drive-by-Wire“-
dung zwischen Teillast- und Leerlaufbetrieb des Verbren- Systemen (auch E-Gas genannt), die eine komplett von
11 nungsmotors. Teilweise werden zusätzlich zum Sensor- der Fahrpedalstellung unabhängige Positionierung der
signal Schalter am Drosselklappenstellglied eingesetzt. Drosselklappe ermöglichen (. Abb. 19.8).
Bei elektrisch angetriebenen Drosselklappen ist Bei diesen Systemen wird im Motorsteuergerät auf
12 der Positionssensor in der Regel in den Antrieb inte- Basis verschiedener Kenndaten und Funktionen eine
griert. Zur Erfüllung gestiegener Anforderungen an die Sollposition der Drosselklappe errechnet, die dann
13 Zuverlässigkeit der Systeme werden die Potentiometer über eine Positionsregelung des Drosselklappenstell-
vermehrt durch kontaktlose Sensorsysteme abgelöst. glieds realisiert wird. Die Positionsregelung erfolgt
über den Vergleich zwischen Soll- und Istposition der
14 19.2.3.3 Lastschlagdämpfung Drosselklappe und entsprechende Ansteuerung des
Die Dash-Pot-Funktion beschreibt eine Verlangsa- Antriebs durch die Motorsteuerelektronik. Teilweise
15 mung der Rückstellung der Drosselklappe nach schlag-
artigem Zurücknehmen des Fahrpedals. Ohne Dash-
wird die Positionsregelung auch über eine Elektronik
im Drosselklappenstellglied realisiert. In diesem Fall
Pot-Funktion wird die Drosselklappe in diesem Fall wird nur der Sollwert in der zentralen Motorsteuer-
16 durch Rückstellfedern schnell geschlossen. Dies führt elektronik gebildet und an das Drosselklappenstellglied
zu einem Lastschlag und einem heftigen Abbremsen gemeldet. Es existieren auch Anwendungen, bei denen
des Fahrzeugs. Zur Verbesserung des Fahrkomforts die komplette Motorsteuerelektronik im Drosselklap-
17 wird der Lastschlag gedämpft. Dies erfolgt über ein penstellglied integriert ist (. Abb. 19.9).
Öffnen des Bypassstellglieds zur Leerlaufregelung Durch die vom Fahrpedal unabhängige Position
18 oder über eine gegenüber der Fahrpedalrückstellung der Drosselklappe werden zudem weitere Funktionen
verlangsamte, unabhängige Rückstellung der Drossel- ermöglicht oder vereinfacht. Die Öffnungskennlinie
klappe (siehe auch ▶ Abschn. 19.2.4 „Drive-by-Wire“). der Drosselklappe kann je nach Wunsch gegenüber
19 der Fahrpedalstellung beschleunigt oder verlangsamt
19.2.3.4 Tempomatfunktion werden. Die Leerlaufregelung, der Tempomatbetrieb
20 Die Geschwindigkeitsregelung eines Fahrzeuges mit
Ottomotor (Tempomat) wird durch eine von Fahrer
und die Lastschlagdämpfung erfolgen über Software
im Motorsteuergerät und erfordern keine zusätzlichen
unabhängige Betätigung der Drosselklappe realisiert. mechanischen Teile. Dies ist ein deutlicher Vorteil des
19.3 • Drall- und Tumbleklappen/Resonanzaufladung
901 19
1
2

6
5 3 7
4
1 Luftkanal 5 Positionssensor (Potentiometer)
2 Rückstellfedern 6 Beheizung (über Kühlwasserkreislauf)
3 DC-Motor 7 Motormanagement-Elektronik
4 Zweistufiges Getriebe

..Abb. 19.9  Drosselklappenstellglied E-Gas 7 mit integrierter Motorsteuerelektronik (Quelle: Continental Auto-


motive GmbH)

„Drive-by-Wire“ gegenüber mechanisch mit dem gegenüber der Umgebung. Diese Druckdifferenz wird
Fahrpedal verbundenen Drosselklappenstellgliedern. für verschiedene Funktionen eingesetzt. Die Druckdif-
Fehlfunktionen oder ein Ausfall des Drosselklap- ferenz dient dem Bremskraftverstärker als Energieträ-
penstellglieds können durch die Motorsteuerelektronik ger. Gesteuert von externen Stellgliedern (meist Ventile)
erkannt werden und werden nicht als Fahrerwunsch wird der Unterdruck zur Einspeisung der „Blow-by-
fehlinterpretiert. Hierzu ist ein Sicherheitskonzept in Gase“ (Kurbelwellengehäuseentlüftung) und des Luft-
die Software der Motorsteuerelektronik integriert. Um stroms zur Regenerierung des Aktivkohlebehälters im
eine Fehlfunktion des Drosselklappenstellglieds ein- Kraftstofftank sowie zur Abgasrückführung genutzt.
deutig erkennen zu können, erfolgt die Rückmeldung Diese spezielle Funktion des Drosselklappenstell-
der Drosselklappenposition durch zwei redundante glieds wird auch bei Dieselmotoren eingesetzt.
Signale. Die Drosselklappe der Vordrossel-Stellglieder
(. Abb. 19.10) ist im Normalbetrieb voll geöffnet und
wird nur dann geschlossen, wenn ein Druckgefälle,
19.2.5 Waste-Gate-Funktion zum Beispiel zur AGR-Einspeisung, benötigt wird. Die
Anforderungen an solche Vordrossel-Stellglieder be-
Drosselklappenstellglieder werden auch zur Regulie- züglich Stellmoment und Stellzeit sind typischerweise
rung oder Begrenzung des Ladedrucks aufgeladener etwas geringer als die Anforderungen an „Drive-by-
Motoren eingesetzt. Hierzu wird zusätzlich zur Dros- Wire“-Drosselklappenstellglieder.
selklappe, die den Füllungsgrad des Verbrennungsmo-
tors reguliert, ein weiteres Drosselklappenstellglied in
einem Bypass zum Verdichter eingesetzt (Waste-Gate- 19.3 Drall- und Tumbleklappen/
Funktion). Ist der Ladedruck in bestimmten Motorbe- Resonanzaufladung
triebssituationen zu hoch, wird die Drosselklappe im
Bypass geöffnet und ein Teil der verdichteten Ansaug- Aufgrund stetig steigender Anforderungen zur Redu-
luft strömt in den Bereich vor dem Verdichter zurück. zierung des Kraftstoffverbrauchs finden zunehmend
Der Ladedruck wird reduziert. auch Klappensysteme Anwendung, die die Qualität
des Luft-Kraftstoff-Gemischs im Zylinder beeinflus-
sen. Hierbei ist zu unterscheiden in Systeme, die eine
19.2.6 Unterdruck/ sehr gute Verwirbelung des Gemischs und damit ein
Vordrosselstellglieder besonders homogenes Gemisch erzielen sollen und in
Systeme, die eine gezielte Aufspaltung in Zonen unter-
Durch die Drosselung des Luftmassenstroms entsteht schiedlicher Kraftstoffkonzentration erreichen sollen
im Saugrohr des Verbrennungsmotors ein Unterdruck (Schichtladung).
902 Kapitel 19 • Aktuatoren

1 2 5 4 6 3 9 7 8
1
2
3
4
5
1 Luftkanal 6 Magnetrad
6 2
3
Drosselklappe
DC-Motor
7
8
Hall-Sensor
Elektronik für Positionsregelung
4 Zweistufiges Getriebe 9 Gerätestecker
5 Rückstellfeder
7
..Abb. 19.10  Vordrosselstellglied mit integrierter Elektronik (Quelle: Continental Automotive GmbH)

8 Die Aktuatorik, die sowohl für Drall- und Tum- und OBD-Relevanz dieser Systeme, kommen aber auch
bleklappen als auch für die Resonanzaufladung einge- elektrisch angetriebene 2-Punkt-Stellglieder zum Einsatz.
setzt wird, ist vergleichbar. Die Unterschiede bestehen
9 im Wesentlichen in der Art des Antriebs (pneuma-
tisch oder elektrisch) und in der Notwendigkeit, 19.3.2 Schichtladung
10 Zwischenpositionen zwischen den Endanschlägen
anzufahren. Elektrische Aktuatoren ersetzen auch bei Zur Erzeugung einer Schichtladung werden Klappen-
diesen Anwendungen zunehmend die pneumatischen systeme verwendet, die entweder die Richtung des
11 Antriebe. Luftstroms oder seine Geschwindigkeit oder beides
so beeinflussen, dass der Luftstrom mit einer Drall-
und/oder Tumblebewegung in den Brennraum eintritt
12 19.3.1 Port-Deactivation (. Abb.  19.12). Teilweise werden zu diesem Zweck
auch ein unbeeinflusster Luftstrom und ein durch ein
13 Moderne Mehrventilmotoren (2 oder mehr Einlass- Klappensystem beeinflusster Luftstrom unter einem
ventile pro Zylinder) zeichnen sich durch eine opti- gezielten Winkel gemischt.
male Füllung der Zylinder bei hohen Drehzahlen aus Da es erforderlich ist, den Luftstrom bis in den
14 (. Abb. 19.11). Oft führen die gewollten großen Ein- Brennraum hinein zu beeinflussen, erfolgt die Strö-
lassquerschnitte bei niedrigen Drehzahlen jedoch zu mungsbeeinflussung möglichst nahe vor dem Brenn-
15 einer unzureichenden Verwirbelung des Luftstroms
und einem inhomogenen Luft-Kraftstoff-Gemisch im
raum mit einer separaten Klappe für jeden Zylinder
des Verbrennungsmotors. Diese Klappe ist möglichst
Zylinder. Um diese Situation zu verbessern, wird bei nahe an den Einlassventilen positioniert.
16 geringen Drehzahlen ein Teil des Einlassquerschnitts Da im Allgemeinen eine gezielte zylinderselek-
durch ein Klappensystem verschlossen. Dies führt zu tive Positionsregelung der Klappen nicht notwendig
höheren Strömungsgeschwindigkeiten und, abhängig ist, werden die Drallklappen einer Zylinderbank über
17 von der Anordnung der Einlasskanäle, zusätzlich zu eine gemeinsame Welle betätigt, die von einem Aktu-
einer Verwirbelung des Gemischs, einer homoge- ator verstellt wird. Aufgrund der in bei verschiedenen
18 neren Verbrennung und reduziertem Kraftstoffver- Last- und Drehzahlsituationen sehr unterschiedlichen
brauch. Luftströme ist es oft notwendig, auch Zwischenpositi-
Zur Steuerung der Port-Deactivation werden in onen anfahren zu können. Der Aufbau des Antriebs
19 der Regel Stellglieder eingesetzt, die zwischen zwei eines Schichtladungsstellglieds mit Positionsregelung
Positionen des Klappensystems schalten. Positionsge- ist daher mit dem eines Drosselklappenstellglieds ver-
20 regelte Systeme sind nicht typisch.
Überwiegend werden daher pneumatische Antriebe
gleichbar. Aufgrund der Stellmoment- und Stellzeitan-
forderungen werden bevorzugt DC-Motor/Getriebe-
verwendet. Aufgrund gestiegener Abgasanforderungen Antriebe eingesetzt.
19.5 • Abgasrückführventile
903 19

ECU
ECU

Versorgungsspannung
und Positonsvorgabe

„Position erreicht“
Rückmeldesignal
Drallklappen
Drallklappen- -
Saugrohr V6 Motor
Stellglied
Stellglied

Einlasskanal

Einlassventile

Auslassventil

..Abb. 19.11  Port-Deactivation-System zur simultanen Verstellung von 2 Klappenbänken bei einem 3-Ven-
til-V6-Motor (Quelle: Continental Automotive GmbH)

19.4 Turbolader mit variabler 4


Turbinengeometrie 2

Zur Optimierung des Turboladerverhaltens bei ver- 1


schiedenen Drehzahlen und zum Verkleinern des
„Turbolochs“ werden zunehmend Turbolader mit va- 3 5
riabler Turbinengeometrie eingesetzt (. Abb. 19.13).
Zur Anpassung der Turbinengeometrie an die unter-
schiedlichen Last- und Drehzahlverhältnisse werden
bewegliche Leitschaufeln verwendet. Diese Stellorgane
werden durch Antriebe betätigt, die von der Motor-
1 DC-Motor
steuerelektronik angesteuert werden. 2 Getriebegehäuse mit
Als Stellglieder werden sowohl pneumatische als zweistufigem 5
auch elektrische Antriebe eingesetzt. Bei den elektri- Stirnradgetriebe
3 Gerätestecker
schen Antrieben finden bevorzugt Stellglieder mit inte- 4 Rückstellfeder
grierter Elektronik zur Positionsregelung Anwendung. (Default-Position)
5 Schubstange
6 Tumbleklappenwelle
19.5 Abgasrückführventile
..Abb. 19.12  Stellantrieb mit Tumble-Klappensystem
Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts wurde (4 Zylinder) (Quelle: Continental Automotive GmbH)
in Nordamerika erstmals die externe Abgasrückfüh-
rung in Serienfahrzeugen eingesetzt, um die damals Dort wird das verbrannte Abgas dem Ansauggemisch
neuen Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Bei der Ab- zugeführt, . Abb. 19.14.
gasrückführung wird ein Teil des verbrannten Abga- Durch die Beimengung des verbrannten Abgases
ses am Auspuffkrümmer entnommen und über eine wird die Verbrennungsspitzentemperatur abgesenkt
Rohrleitung zum Ansaugkrümmer zurückgeführt. und damit eine Reduzierung der Stickoxid-Emissio-
904 Kapitel 19 • Aktuatoren

riable Ventilsteuersysteme mit dem Ziel der Leistungs-


1 beziehungsweise Drehmomentoptimierung eingesetzt.
Die Abgasrückführung ist ein zusätzlicher Nutzen, der
2 allein jedoch kaum die relativ hohen Kosten dieser Sys-
teme rechtfertigt, und daher nur als zusätzlicher Vor-
teil anzusehen ist. Trotz der begrenzten Steuerbarkeit
3 der internen Abgasrückführmengen wird an Motoren
mit variabler Ventilsteuerung meistens keine zusätzli-
che externe Abgasrückführung vorgesehen.
4 Für die ersten Systeme der externen Abgasrückfüh-
rung wurden Tellerventile mit einem pneumatischen An-
5 trieb (Unterdruckdose) eingesetzt. Dabei wurde die Un-
terdruckdose mit dem Saugrohrdruck beaufschlagt, was
zu einer vom Betriebspunkt des Motor abhängigen Ver-
6 stellung des AGR-Ventiles führt. Durch Zwischenschal-
..Abb. 19.13  ATL mit variabler Turbinengeometrie ten von pneumatischen Verzögerungsventilen, Rück-
7 (Quelle: BorgWarner Turbosystems) schlag- und Druckbegrenzungsventilen wurde dabei der
Funktionsbereich begrenzt, um negative Einflüsse von
nen erreicht. Zusätzlich kann im Teillastbereich durch unangemessenen Abgasrückführmengen auszuschließen.
8 Abgasrückführung der Kraftstoffverbrauch reduziert Andere Regelsysteme berücksichtigten zusätzlich den
werden. Da die Menge der rückgeführten Abgase in Abgasgegendruck als Regelgröße für die Unterdruckdose.
Abhängigkeit von Motorlast und Drehzahl verändert Teilweise wurden auch Elektroumschaltventile in die
9 werden muss, benötigt man ein entsprechendes Regel- Steuerleitung integriert, um die Abgasrückführung in be-
organ – das Abgasrückführventil (kurz AGR-Ventil). stimmten Betriebspunkten abzuschalten. In der nächsten
10 Neben der externen Abgasrückführung gibt es
noch die interne Abgasrückführung, die durch Über-
Entwicklungsstufe wurden elektropneumatische Druck-
wandler eingesetzt, mit denen es erstmals möglich wurde,
schneidung von Einlass- und Auslassventilen bei allen die Position des Abgasrückführventils unabhängig vom
11 Viertaktmotoren systembedingt vorhanden und in Betriebspunkt des Motors zu steuern. Trotzdem blieb der
Grenzen beeinflusst werden kann. Die interne Abgas- Einsatzbereich der Abgasrückführung auf Betriebspunkte
rückführung hat die gleichen Auswirkungen auf die begrenzt, bei denen das Unterdruckniveau ausreichte, um
12 Emissionen, wobei die AGR-Mengen konstruktions- das Tellerventil gegen die Federkraft beziehungsweise
bedingt relativ gering sind und erst bei Motoren mit wirkende Drücke zu öffnen.
13 variabler Ventilsteuerung last- und drehzahlabhängig Der Wunsch, die Abgasrückführung in höheren
beeinflusst werden können. Grundsätzlich werden va- Lastpunkten und unabhängig vom Saugrohrunter-

14 Engine Engine Computer Signal Sensor


Parameters

15 Driver PWM CPU

Solenoid
16 Sensor

17 Intake
Manifold

18
Mini EEGR
19 Exhaust Manifold
Oxygen
20 Sensor

..Abb. 19.14  Abgasrückführung schematisch (Quelle: Continental Automotive GmbH)


19.5 • Abgasrückführventile
905 19

..Abb. 19.15  Elektrisch gesteuertes Abgasrückführventil (Quelle: Continental Automotive GmbH)

druck einzusetzen, leitete die Entwicklung der elektri- nungen wichtig, da hierbei der wirkende Differenzdruck
schen Abgasrückführventile ein, . Abb. 19.15. einer großen Veränderung unterliegt. Gleichzeitig sind
Gleichzeitig wurden die Anforderungen an die Ge- die Genauigkeitsanforderungen in diesem Betriebspunkt
nauigkeit erhöht, so dass man Sensoren integrierte, die sehr hoch. Um die Funktionalität in diesem Bereich zu
die Ventilstellung anzeigen. Diese Abgasrückführventile verbessern, gibt es Ventilentwicklungen mit nicht linea-
erlauben im Vergleich zu früheren Generationen eine rer Öffnungscharakteristik. Ebenso sollte die Ventilkon-
sehr genaue Regelung der Abgasrückführmengen bei struktion möglichst unempfindlich gegen Druckpulsati-
gleichzeitig reduzierten Stellzeiten. Durch die Integration onen sein. Als bester Kompromiss erweisen sich zurzeit
aller Baugruppen in eine Komponente wird die Adaption Klappenventile, wobei in Abhängigkeit von geforderter
am Motor vereinfacht und die funktionsrelevanten To- AGR-Rate und der Motorempfindlichkeit gegen Men-
leranzen werden reduziert. Durch diese funktionalen genveränderungen auch Tellerventile die Anforderungen
Vorteile lösten die elektrischen Abgasrückführventile erfüllen können, . Abb. 19.16.
die pneumatischen bei neuen Motorgenerationen fast Beim Dieselmotor ist die Abgasrückführung eine
vollständig ab. Als elektrischer Aktuator werden heute sehr wirkungsvolle Methode zur Einhaltung der gefor-
neben Schrittmotoren, Hub- und Drehmagneten auch derten NOx-Emissionen und wird in Europa bei allen
verstärkt Gleichstrommotoren vorgesehen. Fahrzeugen bis 3,5 t und teilweise darüber eingesetzt.
Neben der Weiterentwicklung der Aktuatoren wurde Seit einigen Jahren ist hier ein Wandel von pneuma-
das eigentliche Regelventil oftmals verändert. Neben Tel- tisch betätigten Ventilen hin zu geregelten elektrischen
ler- und Nadelventilen unterschiedlichster Formen und Ventilen zu beobachten, . Abb. 19.17.
Abmessungen kommen heute auch Klappen- und Dreh- Beim konventionellen Ottomotor mit Saug-
schieberventile zum Einsatz. Grundsätzlich soll das Ven- rohreinspritzung finden elektrisch geregelte Systeme
til über der Lebensdauer eine gleich bleibende Funktion eine große Verbreitung. Beim Ottomotor mit Direkt-
unabhängig vom Verschmutzungsgrad gewährleisten. einspritzung kann man von einer sehr weiten Verbrei-
Darüber hinaus sollte die Veränderung des Differenz- tung von AGR-Systemen ausgehen, da die Vorteile die-
druckes über dem Ventil, die sich bei jeder Stellungsän- ses Motorenkonzeptes erst mit Abgasrückführung voll
derung ergibt, einen möglichst geringen Einfluss auf die ausgenutzt werden können. Auf Grund der hohen Ge-
eingestellte Ventilposition haben. Dies ist besonders bei nauigkeitsanforderungen kommen hier verstärkt elek-
Übergang vom geschlossenen Zustand zu geringen Öff- tromotorisch betriebene Klappenventile zum Einsatz.
906 Kapitel 19 • Aktuatoren

1
2
3
Fresh air/
4 Fresh air
downstream
exhaust
mixture
ETC to intake
5 manifold

6 Exhaust gas

7 ..Abb. 19.16  AGR-Klappenventil (Quelle: Continental Automotive GmbH)

8
9
10
11
12
13
14
15
..Abb. 19.17  Elektromotorisch betriebenes Klappenventil mit Wasserkühlung (Quelle: Continental Automotive
16 GmbH)

19.6 Verdunstungsemission, Aktivkohlebehälter. Die in diesem Behälter eingela-


17 Komponenten gerte Aktivkohle kann große Mengen von Benzin-
dämpfen, die zum Beispiel beim Parken in der Sonne
19.6.1 Tankentlüftungsventile
18 entstehen können, binden, so dass über die Tankbe-
lüftung im Normalfall keine Benzindämpfe mehr in
Mit der Verschärfung der Abgasgesetzgebung wurde die Atmosphäre gelangen. Gleichzeitig muss der Ak-
19 neben den Verbrennungsrückständen auch die Ver- tivkohlebehälter regelmäßig regeneriert werden, damit
dunstungsemission des Tanksystems bei Fahrzeugen die Sättigungsgrenze nicht überschritten wird. Zur Re-
20 mit Ottomotor betrachtet. Dies führte dazu, dass die
Belüftung des Tanksystems nicht mehr direkt in die
generierung werden die eingelagerten Benzindämpfe
vom Motor angesaugt und verbrannt. Diese zusätzliche
Atmosphäre erfolgt, sondern über einen sogenannten Kraftstoffmenge muss jedoch genau dosiert werden,
19.6  •  Verdunstungsemission, Komponenten
907 19

..Abb. 19.18  Bauarten von Tankentlüftungsventilen (Quelle: Continental Automotive GmbH)

damit es nicht zu einer Überfettung des Gemisches Regelgenauigkeit des Tankentlüftungsventils erfordert.
kommt. Die Regelung erfolgt über ein sogenanntes Gleichzeitig möchte man auch große Regeneriermen-
Tankentlüftungsventil. Hierbei handelt es sich um ein gen im Teil- und Volllastbereich darstellen, was aber
getaktetes Magnetventil, welches vom Motorsteuerge- aufgrund des in diesem Motorbetrieb geringen Unter-
rät unter Berücksichtigung der Lambda-Regelung ge- druckes einen großen Strömungsquerschnitt erfordert.
steuert wird. Grundsätzlich muss dabei die dem Motor Darüber hinaus sollten die Tankentlüftungsventile
über die Einspritzanlage zugeführte Kraftstoffmenge klein bauen und eine möglichst geringe Geräuschab-
um die Regeneriermenge reduziert werden. strahlung haben. Die Montage erfolgt entweder an der
Die Funktion der Tankentlüftungsventile wird Karosserie, dem Saugrohr oder auch dem Aktivkohle-
über die Regelbarkeit bei kleinen Durchsatzmengen behälter, soweit dieser motornah montiert ist.
und maximalem Durchsatz bestimmt. Das Regene- Aufgrund unterschiedlicher Emissionsgesetzgebun-
rieren des Aktivkohlebehälters sollte schon bei Leer- gen sowie Funktions- und Applikationsanforderungen
laufdrehzahl des Motors möglich sein, was jedoch auf- haben sich eine Vielzahl von verschiedenen Tankent-
grund des hohen Differenzdruckes und der geringen lüftungsventilen entwickelt, . Abb. 19.18. Dabei unter-
Gesamtmenge des benötigten Kraftstoffes eine hohe scheidet man zwischen niederfrequenten Ventilen (5 bis
908 Kapitel 19 • Aktuatoren

ein fahrzeugseitig zu installierendes Diagnosesystem


1 alle Leckagen erkennt, die größer sind als der Durchsatz
durch eine Kalibrieröffnung von 1 mm Durchmesser.
2 Dabei muss das System zwischen Normalleck (zum Bei-
spiel undichte Schlauchverbindung, Tankbeschädigung)
und Grobleck (Tankdeckel fehlt) unterscheiden können.
3 Bei der fahrzeugseitigen Umsetzung dieser Gesetz-
gebung stellte sich heraus, dass der technische Aufwand
wesentlich größer wurde, als zunächst angenommen.
4 Insbesondere bewirken die unterschiedlichen Klima-
und Einsatzbedingungen zusammen mit dem jeweiligen
5 Tankfüllstand ein breites Band von zu adaptierenden
Parametern. Trotz der Problematiken bei der Umset-
zung im Fahrzeug wurde eine weitere Verschärfung der
6 Gesetzgebung durch die Herabsetzung des Durchmes-
sers der Kalibrieröffnung von 1 auf 0,5 mm beschlossen.
7 Die Tankdiagnose kann mit Unterdruck- und
Überdrucksystemen ausgeführt werden. Beide Sys-
temarten weisen unabhängig von den verwendeten
8 ..Abb. 19.19  Überdruck-Tankdiagnosepumpe (Quel- Komponenten grundsätzliche Vor- und Nachteile
le: Continental Automotive GmbH) auf. Die Gesetzgebung erlaubt die Diagnose sowohl
bei Fahrzeugbetrieb als auch im Stillstand, wobei die
9 20 Hz) mit pulsierendem Durchsatz und hochfrequenten Überdrucksysteme im Fahrzeugbetrieb einige Vor-
Ventilen (> 100 Hz) mit kontinuierlichem Durchsatz. teile aufweisen und die Unterdruckmethode eher im
10 Die niederfrequenten Ventile sind in der Regel kos-
tengünstig, wobei die Regelgenauigkeit eingeschränkt
Fahrzeugstillstand bei der 0,5 mm Gesetzgebung fa-
vorisiert wird. Bei der Entscheidung zu Gunsten einer
ist und insbesondere bei Minustemperaturen eine hohe bestimmten Diagnoseart können sowohl technische
11 Geräuschentwicklung entstehen kann. Die Ventile mit (zum Beispiel Tankvolumen, Tankform, Bauraum)
kontinuierlichem Durchsatz sind aufwändiger gebaut, als auch marktbedingte Aspekte den Ausschlag geben
was bei den Abmessungen und Kosten Nachteile verur- (zum Beispiel Fahrzeug wird nur mit OBD II System
12 sacht, wobei gleichzeitig grundsätzliche funktionelle und verkauft, Fahrzeug wird alternativ auch ohne OBD II
akustische Vorteile erreicht werden. Um die Unempfind- System angeboten, Stückpreis pro System im Verhältnis
13 lichkeit gegen Druckschwankungen zu erhöhen, werden zu Applikationskosten etc.). Darüber hinaus werden
teilweise druckausgleichende Ventilsitze beziehungs- die bisher gemachten Erfahrungen ebenso wie die
weise Düsen mit Überschallströmung verwendet. Strategie des Fahrzeugherstellers die Systemauswahl
14 maßgeblich beeinflussen. In Europa hat man im Übri-
gen von der Leckdiagnose Abstand genommen, da der
19.6.2 Diagnose
15 Verdunstungsemission
erforderliche Aufwand als unverhältnismäßig hoch an-
gesehen wird. Als einziges System wird in Zukunft eine
Diagnose für einen korrekt montierten Tankdeckel ge-
16 Mit Einführung der OBD II Gesetzgebung (On-Board- fordert, wobei hier ein mechanischer beziehungsweise
Diagnose der 2. Generation) in Nordamerika kam erst- elektrischer Schaltkontakt ausreicht.
mals die gesetzliche Forderung nach einer Dichtheits-
17 überprüfung des kompletten Tanksystems auf. Diese 19.6.2.1 Tankdiagnose mit Überdruck
Forderung basierte auf der Feststellung, dass bei einer Bei der Siemens-Überdrucktankdiagnosepumpe
18 weiteren Absenkung der Abgasemissionen die Verduns- (LDP I), . Abb. 19.19, wird mittels des Saugrohrun-
tungsemissionen unbedingt stärker zu berücksichtigen terdruckes über ein getaktetes Dreiwegeventil und
sind, da der Anteil an der Gesamtemission des Fahr- einer federbelasteten Membrane im Tanksystem ein
19 zeugs sehr groß ist. Insbesondere stellte man fest, dass Überdruck bis zu circa 20 hPa aufgebracht.
nicht erkannte Leckagen im Tanksystem als auch Bedie- Über die Pumpmembrane wird mittels eines Schal-
20 nungsfehler (zum Beispiel verlorener/falscher Tankde-
ckel) über die Zeit eine sehr hohe Verdunstungsemis-
ters die Positionsveränderung erfasst und die entspre-
chende Abfallzeit mit den im Steuergerät hinterlegten
sion bewirkten. Daher wurde per Gesetz gefordert, dass Sollvorgaben abgeglichen. Dabei kann durch einen
19.6  •  Verdunstungsemission, Komponenten
909 19

Motor-
steuer-
Saugrohrunterdruck gerät

Filter
LDP I
Tankent-
lüftungsventil
Saugrohr-
unterdruck
Aktivkohle-
Tank
behälter

..Abb. 19.20  Schema Tankdiagnose mit Überdruck (Quelle: Continental Automotive GmbH)

Soll-Ist-Vergleich die Dichtigkeit des Tanksystems be- tetes Tanksystem erzeugt. Durch die unterschiedlichen
wertet werden. Betriebszustände beziehungsweise Umgebungseinflüsse
Bei der Erkennung eines undichten Tanksystems ergeben sich Temperaturunterschiede des Tanksystems
wird die Diagnose nochmals wiederholt, um alle beziehungsweise des Kraftstoffs. Da das Tanksystem
Umgebungseinflüsse auszuschalten. Erst nach der nach außen komplett abgedichtet ist, bewirken diese
gleichen Fehlererkennung bei zwei aufeinander fol- Temperaturunterschiede Druckveränderungen im Tank.
genden Messungen wird über das Motorsteuergerät Diese Druckveränderungen wirken auch auf die Diagno-
die OBD Warnlampe geschaltet. Durch zusätzlichen semembrane, die wiederum mit einem Kontaktschalter
Softwareaufwand ist inzwischen auch bei der 0,5 mm verbunden ist. Bei einem dichten Tanksystem wird durch
Gesetzgebung mit der LDP I eine zuverlässige Tankdi- die Druckveränderung ein Schaltsignal erzeugt und von
agnose möglich (. Abb. 19.20). der Fahrzeugelektronik registriert. Bei Nichtauftre-
ten des Schaltersignals über eine bestimmte Zeit wird
19.6.2.2 Tankdiagnose mit Unterdruck im Umkehrschluss auf eine Tankleckage geschlossen.
Das Siemens-NVLD-System (Natural Vacuum Leak Zusätzlich besteht die Möglichkeit zur Erkennung der
Detection), . Abb. 19.17 und 19.18, nutzt die Umge- Grobleckagen bei Motorbetrieb. Dabei wird das Magnet-
bungstemperatureinflüsse unter Berücksichtigung des ventil geschlossen und über das Tankentlüftungsventil
idealen Gasgesetzes zur Tankdichtheitsdiagnose (Nor- im Tank ein Unterdruck aufgebaut. Über die Druck-
malleck). Die NVLD-Einheit ist dabei direkt mit dem membrane und den Kontaktschalter wird eine eventuell
Tank beziehungsweise Aktivkohlebehälter verbunden. vorhandene Grobleckage erkannt. In die NVLD-Einheit
Über ein elektromagnetisch geschaltetes Ventil wird bei sind zusätzliche federbelastete Ventile integriert, die si-
Motorbetrieb die Belüftung zur Atmosphäre geöffnet. cherstellen, dass bestimmte Schwellwerte für das Druck-
Bei nicht betriebenem Fahrzeugmotor wird das Ven- beziehungsweise Unterdruckniveau bei geschlossenem
til geschlossen und damit ein zur Atmosphäre abgedich- Tanksystem nicht überschritten werden (. Abb. 19.21).

Saugrohrunterdruck

Magnetventil
(normal geschlossen) Tankentlüftungsventil

Unterdruckventil

Luftfilter Aktivkohle-
Überdruckventil Tank
behälter
Normal
offener
Unterdruck-
schalter

NVLD Komponente

..Abb. 19.21  Tankdiagnose mit Unterdruck (Siemens-NVLD-System) (Quelle: Continental Automotive GmbH)


910 Kapitel 19 • Aktuatoren

Weiterführende Literatur
1
[1] Moczala, H., et al.: Elektrische Kleinstmotoren und ihr Ein-

2 satz. Expert-Verlag. (1979)


[2] Richter, C.: Elektrische Stellantriebe kleiner Leistung. VDE-
Verlag. (1988)

3 [3] Kenjo, T.; Nagamori, S.: Permanent Magnet and Brushless


DC Motors, Oxford Science Publications
[4] Vogt, K.: Berechnung elektrischer Maschinen. VCH. (1996)
4 [5] Leonhard, W.: Control of Electrical Drives. Springer. (1985)
[6] Luft, J.: Elektromotorischer Systembaukasten Ansätze zur
Gewichts- und Bauraumreduzierung. VDO. (1995)
5 [7] Mönch, L.: Überwachung im Verkehr befindlicher Fahr-
zeuge – AU – OBD – Wohin geht der Weg, IAV. 5th Con-
ference On-Board Diagnostics, Braunschweig, April 2011.
6 (2011)
[8] Netterscheid, M.: Konzept zukünftiger Diagnosen im Be-
reich der Abgasnachbehandlung beim Dieselmotor, IAV.
7 5th Conference On-Board Diagnostics, Braunschweig, Ap-
ril 2011. (2011)

8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
911 20

Kühlung
von Verbrennungsmotoren
Dipl.-Ing. Matthias Banzhaf, Dr.-Ing. Wolfgang Kramer

20.1 Allgemeines – 912
20.2 Anforderungen an das Kühlsystem  –  912
20.3 Berechnungsgrundlagen und Simulations-Tools  –  912
20.4 Subsysteme der Motorkühlung  –  914
20.4.1 Kühlmittelkühlung – 914
20.4.2 Ladeluftkühlung – 917
20.4.3 Abgaskühlung – 918
20.4.4 Ölkühlung – 918
20.4.5 Lüfter und Lüfterantriebe  –  919

20.5 Kühlmodule – 920
20.6 Gesamtsystem Motorkühlung – 920
Weiterführende Literatur – 922

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_20
912 Kapitel 20 • Kühlung von Verbrennungsmotoren

20.1 Allgemeines Energie des


1 Kraftstoffs
100,0 %
Die steigenden Anforderungen bezüglich Kraftstoff-
2 verbrauch, Abgasemissionen, Lebensdauer, Fahrkom-
fort und Package haben dazu geführt, dass moderne
Kühlanlagen von Verbrennungsmotoren im Kraftfahr- Auspuffgase 44,0 %
3 zeug mit wenigen Ausnahmen die folgenden Merk-

4 -
male aufweisen:
Wasserkühlung der Motoren mit Zwangsumlauf
des Kühlmittels durch eine über Riemen ange-
Kühlsystem 29,7 %

-
Strahlungund
triebene Kreiselpumpe, Konvektion 5,5 %
5 Betrieb des Kühlsystems bei bis zu 1,5 bar Über-

-
Energie an der Kurbelwelle 20,8 %
druck,
Einsatz einer Mischung von Wasser und Frost-
6 schutzmittel, meist Äthylenglykol mit einem
..Abb. 20.1  Energiehaushalt in einem wassergekühl-

-
ten 1,9-l-Ottomotor bei 90 km/h konstanter Fahrt im
Volumenanteil von 30 bis 50 %, 4. Gang
7 Aluminium in korrosionsbeständigen Legierun-

- gen als dominierender Kühlerwerkstoff,


Die Kühlmittel weisen zusätzlich Inhibitoren zum verloren und ein Drittel wird in Nutzarbeit umgesetzt,
8
- Korrosionsschutz von Aluminiumkühlern auf,
Kunststoff als dominierender Werkstoff für Was-
. Abb. 20.1.
Üblicherweise werden für die Auslegung von

9
- serkästen, Lüfter und Lüfterzarge,
Regelungseingriffe über den Lüfterantrieb und
Kühlanlagen mehrere thermisch kritische Fahrzu-
stände überprüft wie „Maximalgeschwindigkeit in der

10 - den Kühlmittel-Thermostaten,
Einsatz von Ladeluft-, Motoröl-, Getriebeöl-, Hy-
drauliköl- und Abgaskühlern je nach Motortyp,
Ebene“, „schnelle Bergfahrt“ oder „langsame Bergfahrt
mit Anhänger“. Ebenso werden Einsätze in Europa
oder in Heißländern unterschieden. Immer sind Fahr-

11
12
- Motorleistung und Ausrüstungsmerkmalen,
Vormontieren aller Kühlungskomponenten des
Frontendbereichs in einer funktionalen Einheit,
dem sogenannten Kühlmodul.
geschwindigkeit, Umgebungstemperatur, abzufüh-
rende Wärmemengen und die Sollwerte für maximal
zulässige Kühlmittel-, Ladeluft- und Öltemperaturen
vorgegeben. Typische Faustformeln und Sollwerte für
die wesentlichen Kühlungsarten sind in . Abb. 20.2
Neben den zahlreichen Entwicklungsaktivitäten für zusammengestellt.
13 noch kompaktere, leichtere und effizientere Kompo- Bandbreiten bei verschiedenen Betriebsbedingun-
nenten bekommt vor allem die elektronisch geregelte gen von schwächster Pkw-Motorisierung bis zu stärks-
Kühlanlage immer mehr Bedeutung im Hinblick auf ter Nkw-Motorisierung sind:
14 die eingangs erwähnten Anforderungen.
Maximale Kühlmitteltemperatur 100 bis 120 °C
15 20.2 Anforderungen
Maximaler Kühlmitteldurchsatz 5000 bis 35.000 l/h,
Maximaler Ladeluftdurchsatz 0,05 bis 0,6 kg/s,
an das Kühlsystem Maximale Ladelufteintrittstemperaturen110 bis 260 °C
16  (bei 25 °C Umgebungstemp.)
Im Zylinderinnern eines Verbrennungsmotors treten
kurzzeitig Spitzentemperaturen über 2000 °C auf. La-
17 dungswechsel, Expansionsvorgänge etc. zwischen den 20.3 Berechnungsgrundlagen
Zündungen führen jedoch zu wesentlich geringeren und Simulations-Tools
18 mittleren Temperaturen. Trotzdem muss durch Kühlung
der gasbeaufschlagten Bauteile deren thermische Über- Bei den in Fahrzeugen eingesetzten Kühlern wird
lastung verhindert und die Schmierfähigkeit des Ölfilms Wärme von einem strömenden Medium 1 durch eine
19 zwischen Kolben und Zylinderfläche erhalten werden. feste Wand an ein zweites strömendes Medium 2 vom
Bei wassergekühlten Verbrennungsmotoren wird, höheren zum tieferen Temperaturniveau übertragen,
20 je nach Brennverfahren, grob gerechnet etwa ein Drit-
tel der zugeführten Kraftstoffenergie über die Kühlung
. Abb. 20.3.
Diese Wärmemenge berechnet sich mit den in
abgeführt, ein weiteres Drittel geht über das Abgas . Abb. 20.3 dargestellten Größen nach:
20.3  •  Berechnungsgrundlagen und Simulations-Tools
913 20

Pkw Nkw (Euro IV)


Maximal aus dem Kühlmittel (KM) bezie-
hungsweise Ladeluft (LL) abzuführende
Wärmemenge QKM = 0,4 – 0,6 Pmech
beim Ottomotor QKM = 0,55 – 0,70 Pmech , QKM + QLL = 0,70 – 0,85 Pmech
beim Dieselmotor DI QLL = maximal 0,15 Pmech mit Abgasrückführung
QKM + QLL = 0,60 – 0,75 Pmech
ohne Abgasrückführung
Maximal zulässige Werte für die Temperatur- circa 80 K circa 65 K
differenz zwischen Kühlmittel am Kühler-
eintritt und Umgebungstemperatur
Maximal zulässige Werte für die Temperatur- circa 35 K circa 15 K
differenz zwischen Ladeluft am Kühleraustritt
und Umgebungstemperatur

..Abb. 20.2  Sollwerte für Kühlungsarten


QP = ˛1  A  .t1 − t10 / =  A  .t10 − t20 /

Wand
ı Luft Wasser
= ˛2  A  .t20 − t2 /
QP QP  ı
.t1 − t10 / = I .t10 − t20 / = I
˛1  A A Wärmestrom

QP t1
.t20 − t2 / = I
˛2  A t1´
QP 1 QP Temperaturgefälle
 
1 ı 1
t1 − t2 =  + + =  t1 – t2
A ˛1  ˛2 k A t2´

QP = k  A  .t1 − t2 / (20.1) t2

Die Wärmeübergangszahlen α können durch Rippen


gegenüber den glatten Flächen erhöht werden. Es ist
aber darauf zu achten, ob mit dem dadurch erhöhten
Strömungswiderstand der Medien und der notwen-
digen höheren Förderenergie insgesamt ein Vorteil
erzielt wird.
Grundsätzliches Ziel der Auslegung der Kühlan-
lage ist, die geforderten Kühlleistungen mit möglichst
kompakten, leichten und kostengünstigen Kühlern ..Abb. 20.3  Temperaturverlauf bei Wärmedurchgang
innerhalb des verfügbaren Bauraums zur Verfügung von der Wasserseite mit der hohen Temperatur t1
zu stellen. Dafür ist ein Optimierungsprozess hinsicht- durch eine Wand an die Luftseite mit der niedrigen
Temperatur t2, t10 und t20 sind die Oberflächentempera-
lich der Anordnung und Dimensionierung der Wär-
turen auf beiden Seiten der Trennwand
meübertrager im Modul, der Auswahl der Rippen/
Rohr-Geometrie der Kühler, der Leistungsaufnahme
des Lüfters, der Abstimmung auf die fahrzeugseitigen sowie der Stoffströme können aus den Eintrittsgrö-
Randbedingungen, oftmals auch des cw-Wertes und ßen Druck und Temperatur die gleichen Größen am
des Crash-Verhaltens durchzuführen. Austritt des Wärmeübertragers berechnet werden.
Gängiges Hilfsmittel für die Auslegung sind ana- Unterstützt mit empirischen Daten aus langjähriger
lytische Programme zur Wärmeübertrager-Berech- Messerfahrung mit einer großen Bandbreite von
nung nach der eindimensionalen Stromfadentheorie. Ausführungen können mit diesen Korrelationen im
Bei Vorgabe der Kühlergeometrie, der Wärmeüber- Rahmen der Ähnlichkeitstheorie Rippen-/Rohr-Va-
gangs-, Wärmeleitungs- und Druckabfallbeziehungen rianten in unterschiedlichen Abmessungen und für
914 Kapitel 20 • Kühlung von Verbrennungsmotoren

1
DPF
LU Z
117
116
SV1
115

2
KMK
1
114 Air
MÖK
112 SV2
WIn
d 125
KMK KM 111

3 MÖK LU
MÖK
MÖL
KON
1
KMK
124
2
EL1
224
123 SV3
MÖL
AC 135

4 AC LU
KM KON
NT-K
134 K
M
EL2
KON 133
2 234
NT-KMK
5 KON
NT-KMK
KM
QAC
QGÖ
144 L
QMÖ 143
142 L

6 Oil
Refrigerant QMOT
154
Coolant

7 ..Abb. 20.4  Topologie-Modell für eine eindimensionale Simulation einer Kühlanlage im Fahrzeug

8 seitige Beeinflussung der Komponenten wird von den


Berechnungscodes berücksichtigt.
Schließlich wird dieses Hilfsmittel um Elemente
9 wie Fahrtwind, Lüfter und alle druckerhöhenden
Systeme im Fahrzeug wie zum Beispiel Kühlergrill
10 und Motorraumdurchströmung ergänzt. Damit wird
die iterative Berechnung des Kühlluftdurchsatzes im
Fahrzeug und folglich aller thermodynamischen Kenn-
11 größen der Kühlanlage möglich. Gekoppelt mit einer
breiten Erfahrung aus Kühlleistungsmessungen im
Windkanal erhält man ein zuverlässiges und schnelles
12 Simulationshilfsmittel, das den Bedarf an Fahrzeug-
messungen deutlich reduziert.
13 Die nächste Zukunft wird die Kopplung von analy-
tischen eindimensionalen Verfahren mit den numeri-
schen dreidimensionalen CFD-Methoden bringen, da
14 von diesen die detaillierte Bestimmung der sehr kom-
plexen Kühlluftströmung im Motorraum zu erhalten
15 ist, . Abb. 20.5.

16 ..Abb. 20.5 CFD-Simulation der Kühlluft-Strömung 20.4 Subsysteme der Motorkühlung


im Vorderwagen eines Pkw
20.4.1 Kühlmittelkühlung
17
beliebige Betriebspunkte sehr zielgenau vorausge- Die früher üblichen Buntmetallkühler mit Kupfer-
18 rechnet werden. rippen und Messingrohren sind in Europa fast völlig
Heute sind fast nur noch Auslegungen ganzer verschwunden. Sie wurden bei Pkw seit 1975 und bei
Kühlmodule mit Voll- und Teilüberdeckungen von Nkw seit 1988 durch immer weiterentwickelte Al-Le-
19 Wärmeübertragern, Lüftern und Zargen gefordert. gierungen ersetzt, die einen Gewichtsvorteil von bis zu
Entsprechend werden für diese Module sogenannte 30 % bei hoher Druckfestigkeit durch die Hartlötung
20 Topologie-Modelle, . Abb.  20.4, mit mehreren
Strompfaden erstellt, von denen jeder wieder nach der
und bessere Korrosionsbeständigkeit bieten.
Rohre und Rippen bilden die sogenannte Kühler-
Stromfadentheorie berechnet werden kann. Die gegen- matrix. Man unterscheidet hier:
20.4  •  Subsysteme der Motorkühlung
915 20
..Abb. 20.6 Mecha- 3
nisch gefügte Rippen-/
Rohr-Systeme für Kühl-
mittelkühler mit runden
Rohren und Flachoval-
rohren 18 14.8

12

15

13 26

Ø6

..Abb. 20.7 Gelötetes 10
Flachrohr-System für
Kühlmittelkühler

42

2
mit Turblenzblech ohne

Mechanisch gefügte Rippen-Rohr-Systeme aus werden heute üblicherweise mit nur einem Rohr in der
runden oder ovalen Rohren und darübergesteckten ge- Systemtiefe gefertigt, das zur Festigkeitssteigerung mit
stanzten Rippen, die durch Aufweiten der Rohre mitei- Sicken versehen sein kann, . Abb. 20.7.
nander verbunden werden, . Abb. 20.6. Diese Systeme Systemtiefen (Erstreckung in Kühlluftströmungs-
decken typischerweise das untere Leistungssegment richtung) reichen vom kleinsten Pkw- bis zum größten
ab, reichen aber durch verbesserte Aufweittechnik mit Nkw-Kühler von 14 bis 60 mm, bei Buntmetallkühlern
immer schmäleren Ovalrohren immer weiter an das sogar bis über 80 mm, die kühlluftseitigen Stirnflächen
Leistungsspektrum gelöteter Systeme aus lotplattierten von 15 bis 100 dm2. In Europa hat sich Aluminium als
Flachrohren und gewalzten Wellrippen heran. Diese Kühlerwerkstoff weitgehend durchgesetzt. In USA
916 Kapitel 20 • Kühlung von Verbrennungsmotoren

..Abb. 20.8 Kühlmit-
1 telkühler für Pkw in
Querstromanordnung
sowie Nkw-Kühlmodul
2 mit Kühlmittelkühler in
Fallstromanordnung

3
4
5
6
und Japan sind auch Buntmetall-Systeme weiterhin Im Allgemeinen besteht das Kühlmittel aus einer Mi-
7 verbreitet. Als weitere regionale Unterschiede werden
Kühlmittelkühler für Pkw in Europa hauptsächlich im
schung von Leitungswasser mit einem von den Auto-
mobil- und Motorenherstellern geprüften und freige-
Querstrom, also mit horizontal verlaufenden Rohren, gebenen Kühlerschutzmittel, meist mit einem Anteil
8 ausgeführt, . Abb. 20.8, in Japan häufig auch im Fall- von jeweils 50 Volumenprozent. Das Leitungswasser
strom. Im Nkw sind innerhalb des Fahrzeugrahmens kann je nach Herkunft erhebliche Qualitätsunter-
Anordnungen im Fallstrom, also mit vertikal verlau- schiede aufweisen und die Wirksamkeit des Kühlmit-
9 fenden Rohren, weiter verbreitet, da dann Leistungs- tels erheblich beeinflussen. Daher werden Mindest-
varianten bei identischen Rohrböden und Wasserkäs- anforderungen an die Qualität des Leitungswassers
10 ten nur über die Rohrlänge gebildet werden können,
. Abb. 20.8.
gestellt, . Abb. 20.9.
Das Kühlerschutzmittel besteht aus circa  90 %
Die Wasserkästen werden grundsätzlich aus glas- Monoethylenglykol (1,2-Ethandiol), 7 % Additiven
11 faserverstärktem Polyamid hergestellt und mit einer und 3 % Wasser. Das Monoethylenglykol führt in
Dichtung und Bördelung auf den Kühlerblock montiert. Mischung mit Leitungswasser unter anderen zu einer
Gefrierpunkterniedrigung des Kühlmittels und schützt
12 20.4.1.1 Kühlerschutzmittel den gesamten Motorkühlkreislauf im Winter vor Ein-
In einem flüssigkeitsgekühlten Verbrennungsmotor frieren, beispielsweise für eine übliche 1:1-Mischung
13 wird die Verlustwärme zur Vermeidung von Überhit- bis circa −38 °C. In manchen Produkten ist das Mo-
zung mit einem Kühlmittel an die Umgebung abge- noethylenglykol durch Monopropylenglykol (1,2-Pro-
führt. Kühlmittel sind wie die Schmier- und Kraftstoffe pandiol) ersetzt. Die Additive umfassen Substanzen für
14 Betriebsstoffe und müssen den folgenden Forderungen den Korrosionsschutz (Inhibitoren) und die Pufferung,

15 --
gerecht werden:
optimale Wärmeübertragungseigenschaften,
Antischaummittel und Farbstoffe. Dabei sind die Inhi-
bitoren von essentieller Bedeutung für die Lebensdauer

-- hohe Wärmekapazität,
geringe Verdampfungsverluste,
des gesamten Motorkühlkreislaufes und bestimmen
maßgeblich die Qualität eines Kühlerschutzmittels.
16
- gute Frostschutzeigenschaften,
Korrosions-, Erosions- und Kavitationsschutz
Durch die Wirksamkeit der Inhibitoren werden die in
einem Motorkühlkreislauf befindlichen Werkstoffe zu-

17
- aller metallischen Werkstoffe,
Verträglichkeit mit Elastomeren, Kunststoffen
sätzlich vor Korrosion über das Kühlmittel geschützt.
Vor der Zulassung eines Kühlerschutzmittels wird

18 - und Beschichtungen,
Vermeidung von Ablagerungen (Fouling) und
in umfangreichen Labor- und Technikumsprüfungen
insbesondere das Korrosionsschutzvermögen ermit-

-- Verstopfungen,
Temperaturstabilität,
telt. Nach dem erfolgreichen Abschluss der wichtigsten
Testverfahren wie Glaswarentest nach ASTM D 1384,

--
19 geringer Wartungsaufwand, Klopfkammertest nach MTU, FVV-Heißkorrosions-
hohe Lebensdauer, test, FVV-Druckalterung, FVV-Schwingversuch, Was-
20
--
einfache Handhabung,
geringe Betriebsstoffkosten,
Verträglichkeit mit der Umwelt.
serpumpentest nach ASTM D 2809 und Umlauftest
nach ASTM D 2570 erfolgt durch die Automobilher-
steller der letztlich für die Produktfreigabe entschei-
20.4  •  Subsysteme der Motorkühlung
917 20
..Abb. 20.9 Mindest-
anforderungen an die Eigenschaft Maßeinheit Anforderung
Qualität des Leitungs-
Aussehen – farblos, klar
wassers
Bodensatz [mg] 0
pH-Wert – 6,5 – 8,0
Summe der Erdalkalien [mmol/l] 0,9 – 2,7
Hydrogencarbonat [mg/l] ≤100
Chloridgehalt [mg/l] ≤100
Sulfatgehalt [mg/l] ≤100

dende Fahrzeugflottentest. Bei diesem Praxistest unter niedrigere Temperatur die thermische Belastung
den realen Bedingungen im Straßenverkehr werden die des Motors und führt zu geringeren NOx-Anteilen im
Motorkühlkreisläufe der Versuchsfahrzeuge in der Re- Abgas.
gel nach einer Kilometerleistung von circa 100.000 km Ladeluftkühler sind vorzugsweise gelötete Flach-
komplett zerlegt und auf mögliche Korrosions-, Ero- rohrkühler aus Aluminium und direkt von Kühlluft ge-
sions- und Kavitationsschäden untersucht und be- kühlt. Die Systemtiefen reichen von circa 30 mm bis zu
wertet. Auch die Verträglichkeit mit Dichtungs- und über 100 mm, die Stirnflächen von 3 dm2 bei Pkw bis
Schlauchwerkstoffen sowie mit Kunststoffen spielt eine zu 100 dm2 bei Nkw. Im Pkw sind viele Anordnungen
wichtige Rolle. Zusammen mit den gewonnenen In- gebräuchlich: großflächig vor dem Kühlmittelkühler,
formationen zum Testverhalten des Kühlmittels ergibt lang und schlank unter oder neben dem Kühlmittel-
sich ein aussagekräftiges Gesamtbild über die Eignung kühler oder ganz abseits des Moduls zum Beispiel im
des Kühlerschutzmittels. Bereich des Radkastens; daher die große Bandbreite in
In Abhängigkeit der Fahrbetriebsbedingungen den Systemtiefen. Die Luftkästen sind fast ausnahmslos
unterliegt das Kühlmittel einer natürlichen Alterung. aus Kunststoff. Im Nkw sind großflächige Querstrom-
Daher ist es notwendig, die Service- und Wartungs- anordnungen vor dem Kühlmittelkühler am weitesten
vorgaben der Automobil- und Motorenhersteller ein- verbreitet, an deren Luftkästen bevorzugt die Halte-
zuhalten. Der vollständige Wechsel des Kühlmittels rung des gesamten Moduls angebracht ist, wodurch der
erfolgt üblicherweise nach 100.000 km oder nach zwei Ladeluftkühler zum tragenden Element des Moduls
Jahren für Pkw oder nach einem Jahr für Nkw. Neu- wird. Die bisher üblichen Al-Guss-Ausführungen der
entwicklungen von Kühlerschutzmitteln auf der Basis Luftkästen werden mehr und mehr durch hochtempe-
von organischen Inhibitoren erhöhen die Gebrauchs- raturfeste Kunststoffe ersetzt, . Abb. 20.10.
fähigkeit des Kühlmittels und leisten einen Beitrag zur Eine aktuelle Tendenz ist die Ladeluftkühlung per
Reduzierung von Kosten und Ressourcen. Ihre Bedeu- Kühlmittel, . Abb. 20.11. Im Vergleich zu den heu-
tung am Markt nimmt ständig zu. tigen, luftgekühlten Systemen verringert sich bei ihr
der ladeluftseitige Druckabfall. Außerdem wird kost-
barer Bauraum in der Fahrzeugfront gespart und die
20.4.2 Ladeluftkühlung Fahrdynamik verbessert sich. Bisher findet diese Tech-
nologie hauptsächlich in kleineren Stückzahlen bei
Die Aufladung mit gekühlter Ladeluft wird vor dem leistungsstarken Motoren für Oberklassen-Fahrzeuge
Hintergrund der Steigerung der Leistungsdichte, der Anwendung. Es ist aber damit zu rechnen, dass die
Verbrauchs- und Emissionsreduzierung mittlerweile kühlmittelgekühlte Ladeluftkühlung bei zukünftigen
bei Nkw-Dieselmotoren immer, bei Pkw-Dieselmo- Motor- und Fahrzeugentwicklungen verstärkt berück-
toren fast immer eingesetzt. Im Zuge der Weiterent- sichtigt werden wird.
wicklung von Ottomotoren findet sie auch dort mehr
Beachtung als bisher. Die mit der sinkenden Ladeluft-
temperatur erreichte Dichtesteigerung kann infolge
einer verbesserten Zylinderfüllung in höhere Leistung
umgesetzt werden. Außerdem verringert die
918 Kapitel 20 • Kühlung von Verbrennungsmotoren

sind diese Kühler als Rohrbündel ausgeführt, wobei


1 die abgasführenden Rohre einfache Rundrohre oder
Rohre mit speziellen leistungssteigernden, aber ver-
2 schmutzungsunanfälligen Maßnahmen sein können.
Die Leistungen reichen für die Gesetzgebungsstufe
Euro 4 von circa 2 kW bei Pkw bis zu 80 kW bei Nkw.
3 Entsprechend groß ist die Bandbreite in den Abmes-
sungen. Allein die Länge variiert von circa 100 mm bis
zu circa 700 mm. Serieneinsätze gibt es bereits bei Pkw
4 und ihre Zahl ist zunehmend, . Abb. 20.13.

5 20.4.4 Ölkühlung

6 ..Abb. 20.10  Ladeluftkühler mit Luftkästen aus hoch-


Ein Teil der Verlustwärme des Motors wird vom
temperaturfestem Kunststoff für einen leichten Nkw Schmieröl aufgenommen. Bei stärkerer Motorisie-
7 rung genügt zur Einhaltung der maximal zulässigen
Öltemperatur die Kühlung über die Ölwanne nicht
20.4.3 Abgaskühlung mehr, so dass ein Motorölkühler eingesetzt werden
8 muss.
Dieselmotoren müssen zunehmend schärfere Emis- Motorölkühler werden im Pkw bevorzugt motor-
sionsgrenzwerte erfüllen, . Abb. 20.12. Diese Grenz- nah in Rundscheiben-, Stapelscheiben- oder Flachrohr-
9 werte, zurzeit als Euro-4-Stufe definiert, können ver- bauweise aus Aluminium ausgeführt, . Abb. 20.14, so
brauchsgünstig erreicht werden, wenn die vom Pkw dass die Kühlung indirekt mit Kühlmittel erfolgt. Auch
10 her bekannte Abgasrückführung (AGR) zusätzlich eine
Kühlung über einen Abgaskühler erhält. Durch die Bei-
direkte Kühlung mit Öl-/Luft-Kühlern ist gebräuchlich,
wofür sehr druckfeste gelötete Flachrohr-Ausführun-
mischung und Kühlung nicht brennbarer Abgasanteile gen in Aluminium im Kühlmodul angeordnet werden.
11 zur Zylinderfüllung wird die Verbrennungstemperatur Bei Nkw erfolgt die Kühlung immer mit Kühlmittel,
und damit der NOx-Gehalt des Abgases verringert. wobei die Kühler üblicherweise in eine Öffnung des
Da Abgaskühler vor allem bei Nkw sehr hohen Kurbelgehäuses eingebaut werden, wo sie dem Haupt-
12 Temperaturen sowie starker Korrosionsbeanspru- strom des Kühlmittels ausgesetzt sind. Die verbreitetste
chung ausgesetzt sind, ist hier Edelstahl als Werkstoff Bauweise sind Plattenkühler aus Edelstahl, die auf der
13 unumgänglich. Als Fügeverfahren sind das Laser- Innenseite mit Turbulenzeinlagen bestückt und von Öl
Schweißen oder Nickel-Löten üblich. Konstruktiv durchströmt sind. Neuerdings ist auch hier der Ersatz

14
Kühlmittel
15 Thermostat

16 Kühlluft Haupt-
Kühlmittel- Turbolader
17 kühler Motor

Pumpe
18
Nieder-
19 Temperatur-
Kühlmittel-
Ladeluft/
Kühlmittel-
Ladeluft
..Abb. 20.11 Schema
eines Kühlkreislaufs für
kühler Kühler Pkw mit indirekter La-
20 deluftkühlung in einem
separaten Niedertempe-
Zusatzpumpe raturkreislauf
20.4  •  Subsysteme der Motorkühlung
919 20
0.2

1993

0.15
Partikel (g/km)

0.1

1996

0.05
2000

2005 ..Abb. 20.13  Zweiflutiger AGR-Kühler mit AGR-Venti-


0 len für einen Pkw-V8-Dieselmotor
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2
HC + NOx (g/km) 20.4.5 Lüfter und Lüfterantriebe
..Abb. 20.12  Emissionsgrenzwerte für Pkw-Diesel-
motoren Europa von 1993 bis 2005 Lüfter für die Motorkühlung werden heute fast aus-
nahmslos in axialer Bauart in Kunststoff ausgeführt.
Zu der axialen Beschaufelung kommen je nach Be-
durch Al-Kühler bei höherer Leistung, vergleichbarer triebszuständen im Fahrzeug noch Mantelringe und
Festigkeit, aber etwa halbiertem Gewicht möglich. Einlaufdüsen an den Blattspitzen hinzu. Weitere ty-
Getriebeölkühler bei Pkw mit Automatikgetriebe pische Lüftermerkmale können gesichelte Blätter und
können wiederum luftgekühlte Flachrohr-Ausfüh- ungleichmäßige Blattteilung sein, . Abb. 20.15. Mit
rungen sein oder sie können als sehr schlanke, lang solchen Maßnahmen kann günstig auf den Lüfter-
gestreckte Flachrohrkühler im Wasserkasten von wirkungsgrad und die Geräuschemission eingewirkt
Kühlmittelkühlern eingebaut sein, wo sie vom Kühl- werden.
mittel gekühlt werden. Die letztere Ausführung do- Bei Pkw werden Lüfter in einfacher oder doppelter
miniert heute, wenngleich auch im Modul montierte Anordnung meist saugend eingesetzt mit maximalen
Stapelscheibenkühler mehr und mehr Verbreitung Lüfterdurchmessern von circa  520 mm. Bis auf die
finden. leistungsstärksten Motorisierungen werden Elektro-
Hydrauliköl ist im Fall von Lenkhilfe- oder sonsti- motoren als Lüfterantrieb eingesetzt. Sie nehmen bis
gen Servosystemen zu kühlen. Dies erfolgt meist über zu 850 W elektrischer Leistung auf, wobei eine stufige
einfache Rohrschlangen am Kühlmodul, in selteneren Drehzahlvariation über Vorwiderstände oder eine stu-
Fällen auch mit langen Rohrgabeln, die über mechani- fenlose Drehzahlvariation mit bürstenlosen Elektro-
sche Aufweitung mit einem Rippenpaket bestückt sind. motoren vorgesehen wird. Das obere Leistungssegment

..Abb. 20.14 Ölkühler
in Stapelscheibenbau-
weise
920 Kapitel 20 • Kühlung von Verbrennungsmotoren

1
2
3
4
5
6 ..Abb. 20.15  Pkw-Lüfter mit gesichelten Blättern und
Mantelring für Antrieb mit Elektromotor

7 bei Pkw sowie der ganze Bereich der Nkw wird mit
Viskositäts-Kupplungen als Lüfterantrieb ausgestattet,
8 . Abb. 20.16. Hierbei wird eine von der Kurbelwelle
oder einer motorseitigen Übersetzung – meist die der
Kühlmittelpumpe – vorgegebene Antriebsdrehzahl der
9 Primärseite durch Ölreibung auf eine Sekundärseite
übertragen, die mit dem Lüfter verbunden ist. Über
10 eine regelbare Ölfüllung der Kupplung kann die Lüf-
terdrehzahl von einer Leerlaufdrehzahl bis knapp unter
die Antriebsdrehzahl variiert werden. Der maximal bei
11 Nkw eingesetzte Lüfterdurchmesser liegt bei 815 mm
mit Leistungsaufnahme bis circa 30 kW.
12 ..Abb. 20.16  Viskositäts-Kupplung für den Antrieb
von Nkw-Lüftern
20.5 Kühlmodule
13
Kühlmodule sind Baueinheiten, die aus verschiedenen seine Wasser- oder Luftkästen und Seitenteile werden
Komponenten zur Kühlung und eventuell Klimatisie- die anderen Komponenten mittels Rast-, Klemm- oder
14 rung eines Fahrzeugs bestehen und eine Lüftereinheit Clipsverbindung befestigt. Je mehr Komponenten ein
mit Antrieb einschließen, . Abb. 20.17. Die Modul- Kühlmodul enthält, desto geeigneter stellt sich der
15 technik, die seit Ende der 1980er-Jahre immer mehr
Verbreitung findet, bietet prinzipiell mehrere techni-
Einsatz eines Tragrahmens zur Aufnahme aller Mo-
dulbestandteile dar.

16
-
sche und wirtschaftliche Vorteile:
optimale Auslegung und Abstimmung der Kom-

- ponenten, 20.6 Gesamtsystem Motorkühlung


dadurch besserer Wirkungsgrad im Fahrzeug
17 oder kleinere und billigere Komponenten mög- Die Auslegung der Kühlanlage ist durch kühlleistungs-

18 - lich,
weniger Aufwand beim Fahrzeughersteller für
Entwicklung, Erprobung, Logistik und Montage.
kritische Betriebszustände bestimmt wie zum Beispiel
Fahrten mit Höchstgeschwindigkeit oder Bergfahr-
ten mit hoher Anhängelast im Hochsommer und mit
eingeschalteter Klimaanlage. Diese kühlleistungskri-
19 In normalen Straßenfahrzeugen werden fast aus- tischen Fahrzustände treten während der Fahrzeug-
schließlich karosseriefeste Kühlmodule eingesetzt, lebensdauer jedoch äußerst selten auf. Dies hat zur
20 die an den fahrzeugseitig vorhandenen Längs- und
Querträgern befestigt werden. Meist dient einer der
Folge, dass für den überwiegenden Teil der Nutzungs-
dauer des Fahrzeuges für die Motorkühlung entweder
Wärmeübertrager als tragendes Modulelement, an zu hohe Fluidströme gefördert werden oder dass die
20.6 • Gesamtsystem Motorkühlung
921 20

..Abb. 20.17  Kühlmodul für Pkw-Einsatz mit Kühlmittelkühler, Ausgleichsbehälter, Klimakondensator, Kältemit-


telsammler sowie E-Lüfter mit Zarge

Temperaturen in Kühlmittel oder Ölen zu niedrig oder über ein Bimetallelement zum Zuschalten des
zu hoch sind. Dadurch werden der Kraftstoffverbrauch
und die Abgasemissionen erhöht, der Fahrkomfort be-
einträchtigt und die Lebensdauer von Motor und An-
bauteilen verschlechtert.
- Lüfters.
Alle weiteren Systeme sind auf kritische Betriebs-
bedingungen ausgelegt, werden dann aber unge-
regelt betrieben. So wird die Kühlmittelpumpe
Die Zielsetzung für zukünftige Kühlanlagen be- über einen Riementrieb von der Kurbelwelle
steht darin, durch eine bedarfsgerechte Regelung der angetrieben; die Ladeluftkühlung erfolgt fast
Motorkühlung alle Fluidtemperaturen und Stoffströme ausnahmslos ungeregelt; die Ölkühlung ist nur
so zu regeln, dass der Energiebedarf minimal ist be- teilweise thermostatisch geregelt.
ziehungsweise je nach Priorität Komfort-, Emissions-
oder Lebensdauervorteile erzielt werden. Hierfür sind Solche Kühlanlagen waren bisher ausreichend und
zukünftig Regelungseingriffe in der Motorkühlung zeichnen sich durch einen sehr zuverlässigen Betrieb
erforderlich. aus. Die Zukunft wird aber auch hier, wie in vielen
In heutigen Kühlanlagen sind folgende Regelungs- anderen Systemen des Fahrzeugs, der elektronischen
eingriffe auf die Fluidströme, die sich am Kühlleis- Regelung gehören. Über ein Netz von Sensoren, die

-
tungsbedarf orientieren, schon realisiert:
Ein Thermostat, dessen Wachselement die
Temperatur des ihn umströmenden Kühlmittels
aufnimmt, sorgt für eine Aufteilung des Kühlmit-
den thermischen Zustand von Motor und Kühlanlage
erfassen, wird ein Steuergerät mittels der abgelegten
Regelungskonzepte Eingriffe an Förderorganen (Lüfter,
Pumpen) und Stellorganen (Ventile, Klappen, Jalousien)
telstroms durch den Kühlmittelkühler hindurch auslösen, um über eine bedarfsorientierte Kühlung
oder an ihm vorbei über eine Kurzschlussleitung. Antriebsenergie an Nebenaggregaten einzusparen, Ab-
So kann bei sehr niedrigen Kühlmitteltemperatu- gas- und Geräuschemissionen günstig zu beeinflussen
ren eine Kühlung weitgehend vermieden und bei und im Sinne einer Komfortsteigerung und einer Ver-
sehr hohen Temperaturen für maximale Kühlung schleißreduzierung Aufheizphasen zu verkürzen. Dafür

- gesorgt werden.
Elektrisch betriebene Lüfter werden in Abhängig-
keit der Kühlmitteltemperatur im Wasserkasten
in verschiedenen Drehzahlstufen oder stufenlos
müssen alle Förder- und Stellorgane ansteuerbar sein.
Für den Thermostaten wurde diese Möglichkeit
durch eine elektrische Beheizung des Wachselementes
geschaffen, . Abb. 20.18. Dadurch kann die Thermo-

- zugeschaltet.
Bei Lüftern mit Viskositäts-Kupplung wird
die Ölfüllung und damit die Lüfterdrehzahl in
Abhängigkeit der Kühllufttemperatur vor der
statstellung unabhängig von der aktuellen Kühlmit-
teltemperatur durch Sollwerte aus einem Kennfeld
vorgegeben werden. Die Möglichkeit einer Tempera-
turanhebung im Teillastbetrieb des Motors senkt den
Kupplung geregelt. Heiße Kühlluft entsteht nach Kraftstoffverbrauch.
Durchströmen heißer Wärmeübertrager. Dies ist Der Kühlmittelstrom wird bei heutigen Fahrzeu-
ein Zeichen für hohen Kühlungsbedarf und führt gen durch eine Kühlmittelpumpe erzeugt, die über
922 Kapitel 20 • Kühlung von Verbrennungsmotoren

werden zunehmend durch drehzahlregelbare Lüfter


1 mit EC-Motoren ersetzt. Viskositäts-Kupplungen für
Nkw sind inzwischen elektrisch ansteuerbar, indem
2 die Regelung der Ölfüllung nicht mehr über ein bi-
metallisch, sondern ein elektromagnetisch betätigtes
Ventil erfolgt. Hierdurch wird eine Regelung der Lüf-
3 terdrehzahl sowie eine schnelle Zu- und Abschaltung
ermöglicht.
Bei vielen Fahrzuständen sind die Lüfter ausge-
4 schaltet. Dennoch wird bei hohen Fahrgeschwindig-
keiten ein hoher Kühlluftstrom gefördert, was den
5 Luftwiderstand des Fahrzeuges erhöht. Der Einsatz
von aerodynamisch optimierten Kühlluftjalousien
kann hier den Kraftstoffverbrauch und gleichzeitig die
6 Geräuschemission senken. Zusätzlich wird im Winter
ein schnelles Aufheizen von Fahrgastraum und Motor
7 erreicht, da durch eine Abschottung des Motorraumes
von der kalten Umgebung Wärmeverluste vermindert
werden.
8 ..Abb. 20.18 Kühlmittelthermostat mit elektrischer
Beheizung des Wachselementes
Weiterführende Literatur
9 einen Riementrieb proportional zur Motordrehzahl
angetrieben wird. Um zum Beispiel bei geringem [1] Mollenhauer, K., Tschöke, H.: Handbuch Dieselmotoren.

10 Kühlleistungsbedarf den Kühlmitteldurchsatz zu redu-


zieren, aber auch zum Beispiel in der Warmlaufphase
Springer, Berlin, Heidelberg (2007)
[2] Knauf, B., Pantow, E.: Auslegung eines Kühlsystems mit
elektrischer Kühlmittelpumpe. MTZ 66, 11 (2005)
dem Heizkörper mehr Kühlmittel zur Verfügung stel-
11 len zu können, ist der zukünftige Einsatz von schalt-
[3] Kemle, A., Manski, R., Weinbrenner, M.: Klimaanlagen mit
erhöhter Energieeffizienz. ATZ (9), 650 (2009)
baren oder regelbaren Pumpen sinnvoll. Diese können [4] Strehlow, A., Leuschner, J., Scheffermann, J.: CFD-Simula-
bei Pkw als Elektropumpen ausgeführt werden. Für
12 stärkere Motorisierungen ist ein Bordnetz mit 42 V
tion in der Entwicklung von Hochleistungs-Wärmeüber-
tragern. MTZ 69, 4 (2008)
erforderlich. Durch die Entkoppelung vom Motorrie- [5] Edwards, S., et al.: Emissionskonzepte und Kühlsysteme für
13 mentrieb bietet die Elektropumpe neue konstruktive Euro 6 bei schweren Nutzfahrzeugen. MTZ 69, 9 (2008)
Freiheiten. Alternativ kann der Kühlmittelstrom auch [6] Heinz, M.: Prozessautomatisierung für Motorkühlmodule
durch Einsatz von regelbaren Drosselorganen oder mit CFD. MTZ 69, 12 (2008)
14 schaltbaren Kupplungen in Kombination mit der me- [7] Berger, C., Troßmann, T., Kaiser, M.: Heißkühlung – Kühlmit-
telzusätze auf dem Prüfstand. MTZ 69, 2 (2008)
chanischen Pumpe beeinflusst werden.
[8] Williams, D.J.: Vermeidung von Kavitation in Kühlmittel-
15 Neben der Regelung des Kühlmittelstromes im
Hauptkühlkreislauf gibt es auch Ansätze zur Aufteilung
pumpen. MTZ 70, 2 (2009)
[9] Thumm, A., et al.: Hochleistungs-Kühlsysteme als Beitrag
des Kühlmittelstroms in mehrere Kreisläufe. Hierzu zur Erfüllung zukünftiger Abgasnormen. Wiener Motoren-
16 gehört die in ▶ Abschn. 20.4.2 beschriebene indirekte symposium. (2007)
Ladeluftkühlung in separaten oder an den Hauptkreis-
lauf angehängten Niedertemperaturkreisläufen. Auch
17 für Getriebeöltemperierung werden Schaltungen ein-
gesetzt, über die der Wärmeübertrager entweder mit
18 heißem Kühlmittel zur Beheizung des Öls während der
Warmlaufphase versorgt wird oder mit kaltem Kühl-
mittel aus einem Niedertemperaturteil zur Kühlung
19 des Öls. Ein Thermostat sorgt für die Umschaltung
von Heizen auf Kühlen.
20 Auch die geregelte Förderung und Drosselung der
Kühlluft birgt ein großes Verbesserungspotenzial für
die Zukunft. Die stufig schaltbaren E-Lüfter bei Pkw
923 21

Abgasemissionen
ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ernst Pucher, Prof. Dr.-Ing. Fred
Schäfer, Dr. rer.nat. Andrée Bergmann, Dr.-Ing. E.h. Richard van
Basshuysen, Dr. h. c. Dipl.-Ing. Andreas C. R. Mayer, Dr. Markus Kasper,
Prof. Dr. Heinz Burtscher
1.1 Ipsum Quia Dolor Sit Amet  –  16
1.1.1 Minima Veniam – 16

1.2 Ut Perspiciatis Unde Omnis Iste Natus Error  –  21


21.1 Gesetzliche Vorschriften – 924
1.2.1 Minima Veniam – 21
21.1.1 Europa – 924
21.1.2 Kalifornien und USA  –  925
21.1.3 Japan – 926
21.1.4 Schwellenländer – 926
21.1.5 Harmonisierung der Abgasvorschriften  –  926

21.2 Abgasmesstechnik – 926
21.2.1 Messtechnik für die Zertifizierung von Kraftfahrzeugen  –  926
21.2.2 Messtechnik für die Motorenentwicklung  –  928

21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung  –  933


21.3.1 Ottomotor – 934
21.3.2 Dieselmotor – 936

21.4 Minderung von Schadstoffen  –  938


21.4.1 Motorische Maßnahmen – 938

21.5 Abgasnachbehandlung beim Ottomotor  –  943


21.5.1 Katalysatoraufbau und chemische Reaktionen  –  943
21.5.2 Katalysatorkonzepte stöchiometrisch betriebener Motoren  –  944
21.5.3 Katalysatorkonzepte für Magermotoren  –  950
21.5.4 Metallische Katalysatorträger – 960

21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor – 967


21.6.1 Diesel-Oxidationskatalysatoren – 967
21.6.2 NOx-Adsorber für Diesel-Pkw  –  972
21.6.3 Partikel/Partikelfilter – 975
21.6.4 Katalytischer Partikelfilter – 1001
21.6.5 WLTP- und RDE-Testverfahren zur Abgasmessung  –  1003

Literatur – 1006
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017
R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_21
924 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Seit den Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts gibt es in die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan be-
21 Kalifornien systematische Bestrebungen, die Auswir- sprochen. Die gesetzlich bestimmten Abgasemissi-
kungen auf die Luftqualität durch die Massenmotori- onsgrenzwerte sind in unterschiedlichen Einheiten
sierung zu reduzieren. In Europa erregte der Verkehr angegeben ([g/km], [g/Test] oder [g/Meile]) und
in den Sechzigerjahren durch die für den Menschen wurden für eine abschließende Betrachtung zu die-
unmittelbar schädliche Kohlenmonoxidemission Auf- sem Kapitel auf [g/km] umgerechnet. Deshalb ist ein
merksamkeit. Daraus ergab sich eine Begrenzung der direkter Vergleich der Abgas-Grenzwerte nur dann
unverbrannten Abgasbestandteile wie Kohlenmonoxid zulässig, wenn die Emissionen nach dem gleichen
und Kohlenwasserstoffe. Durch die tendenziell weitere Testzyklus gemessen werden. Dies trifft in der Regel
Zunahme, der aus Verbrennungsprozessen resultieren- jedoch meist nicht zu.
den Spurengase und deren Fernverfrachtung entstan- Zur Abgasmessung von fabrikneuen Personen-
den in den 1970er und 80er-Jahren, unter anderem kraftfahrzeugen im Rahmen der Typprüfung existiert
aufgrund von saurem Regen sowie Photooxidantien weltweit eine Vielzahl von vorgeschriebenen Verfah-
Schäden an Baumbeständen. Da Stickoxide und unver- ren. Für Personenkraftwagen (Pkw) seien hier die
brannte Kohlenwasserstoffe zur Bildung dieser Stoffe
beitragen, ergab sich ein unmittelbarer Handlungs-
bedarf zur Begrenzung der Emissionen dieser Stoffe.
Dem wurde in den Vereinigten Staaten mit der Einfüh-
-
wichtigsten angeführt:
US Prozedur in der Fassung von 1975 (FTP 75)
mit Zusatz Testzyklen SC03 (mit Klimaanlage)
und US06 (aggressive Fahrweise), US Highway
rung von Abgasgrenzwerten für den Straßenverkehr,
beginnend mit dem Jahr  1961, in Japan beginnend
1966 und in Europa ab 1970, Rechnung getragen.
Die unmittelbar für den Menschen schädlichen
-- Testzyklus,
EG ECE 15/04, EG MVEG-A Testzyklus,
Japanischer 10.15-mode-Test, Japanischer
11-mode-Kalttest, von 2005 bis 2011 Einführung
Kohlenmonoxidemissionen konnten durch die gesetzten des neuen Testzyklus JC08M und ab 2018 WLTP.
Maßnahmen in den industrialisierten Ländern auf ein
unschädliches Maß herabgesetzt werden. Die drastische
Limitierung der Stickoxid- und Kohlenwasserstoffemis- 21.1.1 Europa
sionen Anfang der 1980er-Jahre in den USA und Japan,
sowie zu Ende der 1980er-Jahre in den mitteleuropäi- Die europäische Emissions-Regulierung für neue Per-
schen Staaten, haben ebenfalls zu einer weitgehenden sonenkraftwagen wurde ursprünglich in der europä-
Verringerung dieser Spurengase aus Personenkraftwa- ischen Direktive 70/220/EEC spezifiziert. Darin sind
gen und Kraftwerken in diesen Ländern geführt. Derzeit die von der United Nations Economic Commission
ist jedoch in Europäischen Ballungsgebieten wieder ein for Europe (ECE) definierten Grenzwerte (ECE R15)
Anstieg der NO2-Konzentrationen zu verzeichnen. enthalten. Änderungen zu dieser Regulierung schlie-
Anfang der 1990er-Jahre wurde deutlich, dass wei- ßen die Euro 1 und 2 Standards ein, die unter der
tere, für den Menschen unschädliche Abgase aus Ver- Direktive 93/59/EC Gültigkeit erlangten. Die in der
brennungsprozessen die Erdatmosphäre beeinflussen Direktive 98/69/EC publizierten Grenzwerte gemäß
können. Diese Effekte, unter dem Begriff „Treibhaus- Euro  3 und  4 (2000/2005), wurden von einer Ein-
effekt“ zusammengefasst, lenkten nunmehr die Auf- führung verbesserter Kraftstoffqualitäten begleitet.
merksamkeit auf die Kohlendioxidemission. Obwohl Es wurde eine minimale Dieselöl-Cetan-Zahl von 51
am Verkehrssektor der Verbrauch des Einzelfahrzeuges verlangt und eine deutliche Absenkung der Schwe-
stetig reduziert wurde, kam es aufgrund des zuneh- felgehalte sowohl im Benzin als auch im Dieselkraft-
menden Fahrzeugbestandes zur Gesamtverbrauchszu- stoff vorgeschrieben. Derzeit ist der Euro-6-Standard
nahme beim Individualverkehr. Nun gilt es Wege zu gültig, welcher 2015 Euro 5 ablöste. Für Benzinan-
sparsamer Verwendung von Primärenergieträgern und triebe wurden die Grenzwerte nicht nennenswert ge-
kohlenstoffreduzierten Kraftstoffen zu finden. ändert. Es kam jedoch ein Partikelgrenzwert hinzu.
Die Abgrenzwerte für Dieselantriebe werden an jene
der Ottomotoren angeglichen. Ein Grenzwert für die
21.1 Gesetzliche Vorschriften Partikelanzahl von 6,0 × 1011 pro Kilometer gilt für
beide Antriebsarten.
In diesem Abschnitt werden die Abgasemissions- Als Fahrzyklus für diese Regulierungen kommt
grenzwerte von Kraftfahrzeugen für Kohlenmon- jener gemäß ECE R83 (91/441/EEC) zum Einsatz.
oxid CO, Kohlenwasserstoffe HC, Stickstoffoxide Die Testausführung erfolgt derzeit nach 98/69/EC
NOx und Partikel PM für die Europäische Union, und zukünftig nach WLTP. Die zeitliche Entwicklung
21.1 • Gesetzliche Vorschriften
925 21
35
ECE-Fahrzyklus Neuer
CO-Grenzwer te [g/km]

28 Fahrzeugmasse 1200 kg Europäischer


Hubraum 1,4 bis 2,0 l Fahrzyklus
21
EU
14 Euro II
Euro III
7 Euro IV

0
10
(HC+NOx)-Grenzwer te [g/km]

8 CVS-Verfahren, FID-Messung

4 Euro II
Euro III
2 Euro IV

0
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
Jahr

..Abb. 21.1  Zeitliche Entwicklung der Abgasstandards für Personenkraftwagen mit Benzinmotor in der Europä-
ischen Union bis 2010

der Standards für Personenkraftwagen bis 2010 ist in Eine weitere schrittweise Verschärfung erfolgte
. Abb. 21.1 dargestellt. in den Jahren 1994 und 1998. Vom California „Air
Die aktuell gültigen Grenzwerte für Benzin- als Resources Board“ (ARB) wurde 1996 ein Plan er-
auch Dieselantrieb enthält . Abb. 21.2. stellt, nach dem die Abgasemissionen von Pkw wei-
terhin stark gesenkt werden sollen. Es wurden neue
Fahrzeugkategorien nach den Emissionskategorien
21.1.2 Kalifornien und USA TLEV, LEV (niedrig emittierende Fahrzeuge), ULEV
(ultra niedrig emittierende Fahrzeuge) und ZEV
Der Bundesstaat Kalifornien hat bei der Emissionsbe- (null emittierende Fahrzeuge) definiert. In ähnlicher
grenzung aufgrund der speziellen klimatischen Lage Form wurden diese Emissionsstandards auch in die
immer eine Vorreiterrolle eingenommen und deshalb nationale Gesetzgebung als NLEF (National Low
mit Ausnahme von CO, niedrigere Grenzwerte vorge- Emission Vehicle) Standard und als CFV (Clean Fu-
schrieben als die restlichen amerikanischen Staaten. eled Vehicle) Standard aufgenommen. Die jährlichen
Nationale Abgasemissionsgrenzwerte für Fahrzeuge Verkaufszahlen der Automobilhersteller müssen ei-
in ganz Amerika wurden erstmals im „Clean Air Act“ nem vorgeschriebenen Prozentsatz dieser Kategorien
von 1968 verfasst. 1977 wurden neue Grenzwerte fest- genügen. Die aktuellen LEV III-Emissionsstandards,
gesetzt, die eine 90-%ige Reduktion bezogen auf 1973 die den US-Tier-3-FTP-Standards entsprechen sind
bewirkten. Die Abgas-Massenemissionen werden seit in . Abb. 21.3 dargestellt.
dieser Regulierung nach dem FTP-75-Testzyklus ge- Die Bestrebungen zur Einführung von Null-
messen. Die neuen Grenzwerte führten zur Einfüh- Emissions-Fahrzeugen ZEV in Kalifornien wurden
rung der Drei-Weg-Katalysator-Technik. mehrfach modifiziert. Der Zeitraum erstreckt sich

Antrieb Emissions- CO HC HC+NOx NOx PM


Kategorie [g/km] [g/km] [g/km] [g/km] [g/km]
Diesel Euro 5 0,50 – 0,23 0,18 0,005
Euro 6 0,50 – 0,17 0,08 0,005
Benzin Euro 5 1,00 0,10 – 0,06 0,005
Euro 6 1,00 0,10 – 0,06 0,005

..Abb. 21.2  Aktuelle Abgasgrenzwerte für Personenkraftwagen in der Europäischen Union


926 Kapitel 21 • Abgasemissionen

LEV III Emissions- CO NMOG+NOx HCHO PM


21 Standard Kategorie [g/mi] [mg/mi] [mg/mi] [mg/mi]
LEV160 4,2 160 4 3
Pkw ULEV125 2,1 125 4 3
ULEV70 1,7 70 4 3
Haltbarkeit
ULEV50 1,7 50 4 3
150.000 mi
SULEV30 1,0 30 4 3
SULEV20 1,0 20 4 3

..Abb. 21.3 Abgasgrenzwerte für Personenkraftwagen in Kalifornien und USA gemäß LEV III-Standard

nunmehr bis zum Jahr  2018, wobei einerseits der 21.1.4 Schwellenländer
Prozentsatz von PZEV (Partial Zero Emission Vehi­
cles) erhöht und durch eine Kategorie AT-PZEV (Ad- Weitere wichtige Regionen übernahmen meist existie-
vanced Technology PZEV) ergänzt wurde. Der Anteil rende Abgasstandards. Genannt seien China, Russland,
der neu zugelassenen ZEV soll damit bis 2018 von Indien und die Türkei, die in etwa die Euro-Norm mi-
10 auf 16 % steigen, wovon 50 % der Fahrzeuge dem nus einer Stufe übernommen haben. Brasilien und Me-
AT-PZEV Standard, der den SULEV (Super-Ultra- xiko weisen eigene Emissionsstandards auf, die aktuell
Low-Emission Vehicle) Abgasstandard beinhaltet, in etwa Euro 4 entsprechen.
entsprechen können. Diese Modifikationen dienen
überwiegend einer Kostensenkung bei gleichen Um-
weltzielen. 21.1.5 Harmonisierung der
Abgasvorschriften

21.1.3 Japan Um den Entwicklungs- und Zulassungsaufwand von


Fahrzeugen nicht unnötig hoch zu halten, gibt es
Die ersten Kohlenmonoxid-Emissionsbeschränkun- Bestrebungen, Zertifizierungen in anderen Ländern
gen für Pkw wurden in Japan 1966 nach dem mitt- anzuerkennen (UN-ECE 1958 Agreement). Dass dies
lerweile nicht mehr verwendeten 4-mode-Test ein- durchaus sinnvoll möglich ist, geht aus dem Vergleich
geführt. 1973 wurden HC und NOx zum ersten Mal der letztgültigen NOx + HC-Grenzwerte aus den vor-
beschränkt und auf den 10-mode-Test übergegangen. angegangenen Punkten hervor. Zu beachten sind die
Durch die 1975 eingeführten Grenzwerte konnten die etwas unterschiedlichen Anforderungen an die Ab-
CO- und HC-Emissionen von Fahrzeugen um 90 % gasreinigungssysteme, da in Europa und Japan eher
reduziert werden. Bei den NOx-Emissionen wurde auf rasches Ansprechen der Katalysatoren nach dem
diese 90-prozentige Reduktion durch die Vorschrif- Kaltstart bei gleichzeitig niedriger Motorlast geachtet
ten in den Jahren 1976 beziehungsweise 1978 erreicht. werden muss und in den USA auch das transiente Mo-
Für Fahrzeuge innerhalb derselben Kategorie gelten torverhalten stärker berücksichtigt wird.
je nach Antriebs- und Motorkonzept verschiedene
Grenzwerte. So wurde nach Fahrzeugen mit Benzin
und Flüssiggas als Kraftstoff unterschieden. Bei Pkw 21.2 Abgasmesstechnik
mit Dieselmotor erfolgte die Unterscheidung nach
Brennverfahren (Direkteinspritzung oder Kammer- 21.2.1 Messtechnik für die
motor) sowie nach Herkunft der Fahrzeuge (Japan Zertifizierung von
oder Import). Kraftfahrzeugen
Die Emissionsstandards ab 1997 sowie die neuen
Grenzwerte ab 2009 sind in . Abb. 21.4 aufgeführt. Generell ist der Zeit- und Kostenaufwand dieser Mess-
Die aktuelle Prüfmethode ist der JC08M-Zyklus, der verfahren aus den nachfolgend genannten Gründen
den älteren 10-Modus-Zyklus und 10-15-Modus-Zy- sehr hoch. Sie alle benötigen einen Rollenprüfstand,
klus ersetzt. Im Verlauf entspricht dieser Test in etwa der auf das jeweilige Fahrzeug kalibriert werden muss,
dem europäischen ECE + EUDC-Zyklus, allerdings auf klimatisierte Prüfräume, um definierte Kaltstartbedin-
niedrigerem Geschwindigkeitsniveau. Ab 2018 wird gungen zu erzielen, wie auch eine Vielzahl hoch emp-
der WLTP Test angewandt. findlicher Abgasmessgeräte.
21.2 • Abgasmesstechnik
927 21

Fahrzeug- Emissions- Test- CO HC NOx PM


Gewicht Kategorie zyklus mean mean mean mean
Diesel 2002 10.15 0,63 0,12 0,30 0,056
>1265 kg 2005 JC08 0,63 0,0241 0,15 0,014
2009 JC08 0,63 0,0241 0,08 0,005
2018 WLTP 0,63 0,0241 0,15 0,005
Benzin 2002 10.15 0,63 0,08 0,08 –
2005 JC08 1,15 0,051 0,05 –
2009 JC08 1,15 0,051 0,05 0,005
2018 WLTP 1,15 0,101 0,05 0,005
1
Non Methan HC

..Abb. 21.4  Japanische Abgasgrenzwerte für Personenkraftwagen

Folgende allgemeingültige Merkmale von Typprüf- tions-Detektoren (FID) zur Anwendung. Chemisch

-
tests seien hervorgehoben:
Konditionierung des Fahrzeuges bei Raumtem-
betrachtet beruht das Messprinzip des Flammenioni-
sationsdetektors auf der Ionisation von oxidierbaren

-- peratur für circa zwölf Stunden,


Kaltstart und Erfassung der Startemissionen,
dynamischer Testzyklus, mit Geschwindigkeiten
Kohlenstoffverbindungen in einer Wasserstoffflamme.
Primär ist das Detektorsignal der Anzahl der zugeführ-
ten Kohlenstoffatome proportional. Zur Erfassung der

- von Null bis 120 [km/h],


zweiter Testzyklus mit Heißstart des Fahrzeuges
Stickstoffoxide (NO und NO2) werden Messgeräte auf
Basis der Chemolumineszenz-Detektoren eingesetzt

- (US FTP 75 Test),
präzise Erfassung der Abgasemissionen.

.  Abb.  21.5 zeigt die prinzipielle Anordnung eines


(CLD). Partikel als Massenemission pro Kilometer
werden mittels Teilstromfilterung und gravimetrischer
Auswertung bestimmt.
Für Trübungsmessungen im Rahmen der wieder-
Fahrzeugrollenprüfstandes für die Abgasmessung ge- kehrenden Begutachtung von im Verkehr befindlichen
mäß Zertifizierungsbedingungen. Wichtig ist, dass bei Fahrzeugen werden in der Motorbetriebsart „Freie Be-
den derzeit gültigen Zulassungsgesetzen für die Be- schleunigung“ Teilstrom-Opazimeter zur Bestimmung
stimmung der Abgasmassenemissionen die konstant- des k-Wertes eingesetzt.
Fluss Verdünnungsmesstechnik eingesetzt wird. Insbesondere Abgasgrenzwerte, die dem ULEV,
Als Messprinzipien für die Abgaskomponenten beziehungsweise Euro-6-Standard entsprechen, stel-
Kohlendioxid (CO2) und Kohlenmonoxid (CO) wird len neue Anforderungen an die Abgasmesstechnik, da
die molekülspezifische Absorption von Banden der im betriebswarmen Zustand der Motoren Konzentra-
Infrarotstrahlung eingesetzt. Für die Messung der tionen erfasst werden müssen, die dem sehr niedrigen
Kohlenwasserstoffe (HC) kommen Flammenionisa- Niveau von Immissionskonzentrationen entsprechen

Abgasanalysatoren
Abgas- Raumluft-
beutel CO COx NOx HC beutel

CVS-Anlage beheizte Leitung


HC
heiß

Frischluft

Verdünnungstunnel
Wärmetauscher Filter

Rollen-
prüfstand Abgas

..Abb. 21.5  Anordnung der Rollen-Prüfstandstechnik für Abgas-Zertifizierungstests


928 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.6  Blockschaltbild On-board Messsystem (PEMS) OBM Mark IV

CO2 Emissionen [g/km] Fahrzeuggeschwindigkeit [km/h]

CO2-Emissionen [g/km] Fahrzeuggeschwindigkeit [km/h]


1000 60
Toyota Prius
50
800
:
: 40
600
:
30
400
20

200
10

0 0
398 423 448 473 498 523 548 573 598 623 648

Messzeit [s]

..Abb. 21.7  Zeitverlauf der Kohlendioxid-Massenemissionen und der Fahrzeuggeschwindigkeit [2]

können. Aus diesem Grund wurden auch neue Mess- geschwindigkeit, Zeit oder Kraftstoffmenge ist ohne Be-
methoden vorgeschlagen, die von der bisher ange- einflussung der Fahrzeugeigenschaften gegeben.
wandten Verdünnungsmesstechnik abgehen [1] und Die direkte Auswertung der Abgasmassenemissi-
direkt die Konzentrationen im Abgas messen. onen ist beispielhaft für die Kohlendioxidemissionen
Typischer Weise wird diese Methode bei der mobi- in . Abb. 21.7 dargestellt.
len Abgasmesstechnik im Rahmen von Real Welt Tests
(RDE) angewandt. Dabei erfolgt die Bestimmung des
Gasdurchflusses wahlweise vor oder nach dem Motor da 21.2.2 Messtechnik für die
das Masseerhaltungsgesetz gilt. Die Fahrzeuggeschwin- Motorenentwicklung
digkeit und die aktuellen Fahrprofile werden mit GPS-
Tracking ermittelt. Das Blockschaltbild eines besonders Die drastisch verschärften Abgasbestimmungen erfor-
kompakten echtzeitfähigen On-board Messsystems dern mittels modernster Messtechnik eine detaillier-
(PEMS) zeigt . Abb. 21.6. Die Messung der limitierten tere Analyse der Entstehung der Abgaskomponenten
Abgasemissionen sowie von Kraftstoffverbrauch, NO2 und die Ausschöpfung sämtlicher Potenziale zu de-
und Partikelanzahl in Abhängigkeit von der Fahrzeug- ren weiterer Verringerung. Als Randbedingung für
21.2 • Abgasmesstechnik
929 21

Fahrprofile
Straßenparameter
Fahrzeugparameter
Fahrerparameter High Speed FID

Belastungsmaschine
elektrisch l -Sensor
Abgas
Druck-
Sensor

Kurbelwinkelbezogen
Drehmoment Messdatenerfassung
Messwert
Drehmoment
Vorgabe
Drehzahl-Messwert

Drosselklappenstellung
Simulationsrechner

..Abb. 21.8  Messanordnung für die kurbelwinkelbezogene Abgasmessung

die zukünftige Motorenentwicklung ist an führender sungen im Brennraum – und an bestimmten Stellen
Stelle die Absenkung der Flottenverbräuche zu nen- des Auspuffstranges durchzuführen, um die genauen
nen. Neben den limitierten Schadstoffkomponenten Quellen der Emissionen feststellen zu können.
Summenkohlenwasserstoffe, CO und NOx treten bei Durch die Dominanz der instationären Betriebszu-
der Verbrennung im Motor verschiedene andere, soge- stände, ist es auch im Bereich der Motorenentwicklung
nannte „nicht limitierte“ Schadstoffkomponenten, auf, bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt notwendig, zum
wie zum Beispiel Benzol, Toluol, Xylol, Aldehyde oder Zwecke der Anpassung von Gemischbildungs- und Re-
Ammoniak. Diese Komponenten sind entweder bereits gelsystemen die experimentellen Untersuchungen auf
im Kraftstoff enthalten und gelangen unverbrannt in den dynamischen Simulationsprüfstand zu verlegen.
das Abgas, oder sie werden bei der Verbrennung im Des Weiteren diente diese Maßnahme dazu, vom ho-
Motor gebildet. Da bestimmte Anteile wie Benzol ge- hen Aufwand der Bereitstellung eines kompletten Fahr-
sundheitsgefährdend und geruchsbelästigend sind, er- zeuges für den Rollenprüfstand loszukommen. Ziel der
langt die Erfassung dieser Komponenten zunehmend Simulation am dynamischen Motorenprüfstand ist es,
an Bedeutung. möglichst den gleichen Drehzahl- und Drehmoment-
Insbesondere zeigt die Optimierung transienter verlauf an der Motorkurbelwelle, aber auch eine Über-
Motorbetriebszustände und die damit mögliche ver- einstimmung von Temperaturen, Kraftstoffverbrauch,
besserte Anpassung an die Betriebsbedingungen des etc. zu erreichen, wie sie bei der Straßenfahrt oder beim
Abgasreinigungssystems ein hohes Verbesserungspo- Betrieb am Rollenprüfstand auftreten. Der Hauptvorteil
tenzial bei den Abgasemissionswerten. Der Einfluss liegt in der sehr guten Reproduzierbarkeit der einzel-
auf den Kraftstoffverbrauch erscheint hingegen bei nen Prüfläufe.
anderen Maßnahmen, wie Auswahl des Brennverfah- Die Grafik in . Abb. 21.8 zeigt eine Messanord-
rens und Antriebstrangmanagement, deutlich höher nung für einen modernen Entwicklungsprüfstand, der
zu sein. auch die Erfassung des einzelnen Verbrennungszyklus
Ziel zukünftiger Forschungsarbeit ist es somit, das zulässt. Der Aufbau gliedert sich typischerweise in Si-
Motormanagement so weiterzuentwickeln, dass Last- mulationsrechner, hochdynamische elektrische Belas-
und Drehzahländerungen keine nennenswerten Ab- tungsmaschine, kurbelwinkelbezogenen Messdaten-
weichungen vom optimalen Lambdaverlauf, der durch speicher und Highspeed-Abgasmesstechnik.
das Funktionsprinzip des Katalysators vorgegeben ist, An diesen Prüfständen wird folgende Abgasmess-
bewirken. Um dieser Aufgabenstellung gerecht zu technik für die Motorenanalyse eingesetzt, die sich auf
werden, ist es notwendig, zeitlich hochauflösende Mes- Grund ihrer Ansprechgeschwindigkeit einteilen lässt:
930 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Massen- Teilstrommessgeräte Die Anordnung am Motor


21 spektrometer Kraftstoff-
messung
Partikelgröße mit den wichtigsten Abgasmessgeräten geht aus
Gemisch- Luft- . Abb.  21.9 hervor. Betreffend die physikalischen
bildung massen-
messung Prinzipien der Abgasmessgeräte für limitierte Abgas-
HC l komponenten wird auf die Ausführungen unter ▶ Ab-
schn. 21.2.1 verwiesen.
CO NOx
Ergänzend soll die Messmethode für die prinzipiell
CO2 O2 sehr wichtige Sauerstoffmessung angeführt werden, die
auf den paramagnetischen Eigenschaften der Sauer-
..Abb. 21.9  Anordnung der Abgasmesstechnik für stoffmoleküle beruht. Zu den klassischen Messgeräten
Teilstrommessung am Motorprüfstand für limitierte Abgaskomponenten sind Massenspekt-

- Standardmessgeräte mit einer Ansprechzeit im


rometer und Partikelgrößenbestimmung hinzugekom-
men. Die Massenspektrometrie bestimmt für Ionen be-

- Sekundenbereich und darüber,


instationäre Messtechnik mit Ansprechzeiten um
ziehungsweise deren Bruchstücke das Verhältnis von
Masse zu Ladung. Dies geschieht durch Ablenkung der

- 100 Millisekunden,
Messgeräte und Verfahren für Einzelzyklusana-
lyse mit Ansprechzeiten um 1 Millisekunde.
Ionen in magnetischen und elektrischen Feldern oder
der Bestimmung ihrer Bewegungsenergie. Theoretisch
kann jede Abgaskomponente oder mehrere gleichzei-
tig über ihre Molzahl bestimmt werden. Dem stehen
Eine weitere Einteilung der Messgeräte kann nach dem jedoch zwei Effekte entgegen. Erstens weisen mehrere

-
Einsatzort am Motor erfolgen:
Messgeräte, die einen entnommenen und kon-
ditionierten Teilstrom des Abgases analysieren.
Darunter fällt noch immer die Mehrzahl der
interessierende Abgaskomponenten dieselbe Molzahl
auf und zweitens wird durch die simultane Messung
mehrerer Komponenten die Messzeit vervielfacht.
Wahlweise kann zur Erfassung der „nicht limitierten

- Messverfahren,
Sensoren und Messgeräte, die im Auspuffstrang,
Abgaskomponenten“ auch die Gaschromatografie ein-
gesetzt werden.

- in-situ, eingesetzt werden,


Messverfahren für die experimentelle Ermittlung
der Gaszusammensetzung im Brennraum.
Speziell die Erfassung von Größenklassen abhän-
gigen Partikelemissionen stellt derzeit noch ein eher
zeitaufwändiges Unterfangen dar. Unterschieden wird
nach Verfahren, die nach dem Impaktorprinzip ar-
beiten und somit aufgrund der aerodynamischen Ei-

Neutralisator Impaktor

Kondensationskernzähler

Beweglichkeitsanalysator

..Abb. 21.10  Mobilitätsanalysator zur Bestimmung der Größenklassenverteilung von Partikeln [3]


21.2 • Abgasmesstechnik
931 21
Abgastemperatur Abgasdruck
genschaften der Partikel gleichzeitig eine bestimmte
Anzahl von Größenklassen gravimetrisch bestim-
men können und nach selektiven Verfahren, die je-
Modellbildung für NO-Konzentration
weils nur eine Größenklasse erfassen können, wie in Diffusion und
Umgebungsluft im Abgas
. Abb. 21.10 dargestellt. Diese Messgeräte beruhen auf thermodynamisches
Gleichgewicht
der Verknüpfung mehrerer Messprinzipien. Sie schei- Diffusions-
schicht
den einzelne Partikelgrößenklassen durch veränderli-
che elektrische Aufladung und anschließende aerody- Abgas Katalytische
namische Absaugung ab. Die Partikelfraktion wird in Reaktion an den
λ-Sensor
der Folge einem Kondensationskernzähler zugeführt, Platinelektroden

in dem die Anzahl der Partikel pro Volumeneinheit


..Abb. 21.11  Fehlereinflüsse auf die Bestimmung des
ermittelt wird. Luft-Kraftstoff-Verhältnisses mittels Lambda-Sonde

In-situ-Abgasmessung im Auspuffstrang  Zur Luft- Für zeitlich hoch aufgelöste Einzelzyklusanalysen


verhältnis-Bestimmung mit hoher Ansprechge- bieten sich heute weiter Sensoren aus Strontium-Tita-
schwindigkeit sowohl im „mageren“ – λ größer als nat SrTiO3 an. Diese Sensoren weisen eine Ansprech-
eins, als auch im „kraftstoffreichen“ Gemischbereich zeit von circa 5 Millisekunden auf und gestatten damit
– λ kleiner als eins, werden im Abgasstrang montierte aus dem Summenabgas des Motors die Gemischzu-
Sauerstoffsensoren verwendet. Diese sogenannten sammensetzung des einzelnen Zylinders zu detektie-
„Wide-Range-Sonden“ arbeiten nach dem Sauerstoff­ ren. Dies stellt insbesondere beim zylinderselektiven
ionen-Pump-Prinzip und sind von verschiedenen Abgleich der Einspritzanlage unter Berücksichtigung
Herstellern verfügbar. Es beeinflussen jedoch meh- der Füllung der individuellen Brennräume einen er-
rere Faktoren in hohem Maße die Messgenauigkeit heblichen Fortschritt dar.
dieser Sonden. . Abb.  21.11 zeigt die wichtigsten Aufbauend auf einer ähnlichen Technologie wie
Fehler, die bei Anwendung dieser Sensoren auftreten bei den in . Abb.  21.12 gezeigten Lambda-Sonden
können. Der typische Fehler durch erhöhten Aus- wurden NOx-Sensoren für In-situ-Messungen herge-
puffgegendruck kann für Messwerte um λ = 2 bereits stellt [4], die bei der Entwicklung und Regelung von
20 % betragen. Diesen Sonden kommt insofern eine Katalysatorsystemen für Magermotoren eine wertvolle
erhöhte Bedeutung zu, da sie auch im Motormanage- Unterstützung bieten.
ment als Regelsonden für Magermotorkonzepte ver-
wendet werden. Abgasmessung im Brennraum  Die Messung der Gas-
Der prinzipielle Aufbau sowie das Ausgangssi- zusammensetzung beziehungsweise einzelner Gas-
gnal in Abhängigkeit vom Lambda-Wert geht aus komponenten kann mit Hilfe verschiedener Verfahren,
. Abb. 21.12 hervor. nach . Abb. 21.13, durchgeführt werden, die in zwei

Abgas
5
4
3
O2–
Pumpstrom lp [mA]

Us ~ lp 2
1
0
Luft –1
–2
–3
≈ 450 mV
–4
–5
0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8
UH λ

Betriebstemperatur ≥ 600 °C
IP : Pumpstrom
US : Sondenspannung
UH : Heizspannung

..Abb. 21.12  Prinzipieller Aufbau und Ausgangssignal einer Lambda-Sonde nach [4]


932 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Gaskonzentrationsmessung
21 im Brennraum

Optische Messverfahren
Messverfahren mit Gasentnahme

Eigenleuchten Anregung Messung mit schnellem Kontinuierliche


der Flamme durch Laser Gasentnahmeventil Gasentnahme
Raman-Spectroskopie (CARS)
Fluoreszenz (LIF, LIPF)

Coherent Anti-Stokes
chemisch-ther mische

Spectroskopie (SRS)
spontane Raman-
Laser-induzier te
Fluoreszenz

..Abb. 21.13  Mögliche Messverfahren zur Ermittlung der Gaszusammensetzung im Brennraum [5]

Hauptgruppen einzuteilen sind: in optische Messver- großes Gasvolumen für die Analyse zu erhalten, ist
fahren, die direkt im Brennraum appliziert werden und es jedoch erforderlich, über eine Vielzahl von Ver-
meist an Experimentalmotoren, wie den „gläsernen brennungszyklen zu mitteln. Einzelzyklusanalysen,
Motoren“ angewendet werden, und in Verfahren, die speziell im Hinblick auf zyklische Schwankungen
Gas direkt aus dem Brennraum entnehmen. oder instationäre Effekte bei Laständerungen, sind
Die optische Messtechnik verwendet verschiedene systembedingt nur mittels der kontinuierlichen
physikalische beziehungsweise quantenmechanische Gasentnahme und sehr rasch ansprechenden Gasana-
Eigenschaften von Molekülen oder Atomen, um den lysatoren möglich. Diese stehen heute für die Abgas-
Anteil einer bestimmten Gaskomponente zu ermitteln. komponenten Kohlenwasserstoffe und Stickstoffoxid
Diese Messverfahren sind im Allgemeinen in der Lage, zur Verfügung.
die Verteilung einer Vielzahl von Komponenten gleich- Der Zugang zum Brennraum gestaltet sich bei
zeitig zu bestimmen. Anwendung kontinuierlicher Gasentnahme relativ
Die auf Gasentnahme basierenden Verfahren ar- einfach, . Abb. 21.14. Da keinerlei mechanische Be-
beiten entweder mit getakteten Gasentnahmeventilen tätigung in der unmittelbaren Umgebung des Brenn-
oder kontinuierlich durchströmten Kapillaren. Die raums, beziehungsweise der Entnahmestelle notwen-
Messgeräte, die in Verbindung mit Gasentnahmeven- dig ist, bestehen geringere Einschränkungen bezüglich
tilen einsetzbar sind, entsprechen im Wesentlichen der Wahl der Messposition. Eine weitere Eigenschaft
jenen Standardgeräten, wie sie zur herkömmlichen dieser Art der Probengewinnung ist die gute örtliche
Abgasanalyse verwendet werden. Um ein genügend Auflösung durch Entfall der Wandfilmanlagerung am

..Abb. 21.14  Messanordnung für die kontinuierliche Kohlenwasserstoff-Indizierung am 4-Ventil-Ottomotor


21.3  •  Schadstoffe und ihre Entstehung
933 21

Entnahmeventil und der einfachen geometrischen mL = dem Motor zugeführte Luftmenge pro Zeit-
Form des Einströmquerschnitts. einheit
Diese Messungen im Brennraum haben das Poten- mK = dem Motor zugeführte Kraftstoffmenge pro
zial, eine Vielzahl von Informationen über den Ablauf Zeiteinheit
der Gemischbildung und der Verbrennung bis hin zur mL, th = 
für die vollständige Verbrennung dieser
Entstehung der Schadstoffe zu liefern. Die Ergebnisse Kraftstoffmenge theoretisch benötigte Luft-
können sowohl bei der Emissionsreduktion als auch menge
bei der Optimierung verschiedener konstruktiver De-
tails eine wertvolle Hilfestellung sein. Eine sehr interes- Für die Verbrennung im Betriebsbereich mit Luftüber-
sante Anwendung ergibt sich bei der Entwicklung von schuss kann somit folgende allgemeine Reaktionsglei-
Verbrennungssystemen mit Direkteinspritzung und chung angewendet werden:
Magerkonzepten, bei denen dem veränderlichen Ge-
misch an der Zündkerze und damit dem zyklusselekti- 1 ŒCH O + 4;762  .1 + =4 − =2/   ŒLuft
ven Lambdawert eine verstärkte Bedeutung zukommt.
Neben gefeuerten Motorversuchen werden ebenso verbrennt zu
solche im ungefeuerten Motorbetrieb durchgeführt.
Per Definition kann die HC-Konzentration im Brenn- 1 ŒCO2  + .3;762  .1 + =4 − '=2/  
raum im ungefeuerten Betrieb zur Berechnung des lo- − n=2/ ŒN2 
kalen Luft-Kraftstoff-Verhältnisses herangezogen wer-
+ ..1 + =4 − '=2/  . − 1/ − n=2/ ŒO2 
den. Die Messungen geben darüber hinaus Aufschluss
über den Ablauf der Gemischbildung sowie den Rest- + n ŒNO + =2 ŒH2 O  (21.2)
gasgehalt im Bereich der Zündkerze beziehungsweise
der Entnahmestelle. [ ] = Komponente
n = Mol Stickstoffoxid
ψ = Wasserstoff-Kohlenstoff-Atomverhältnis des Kraft­
21.3 Schadstoffe und stoffs
ihre Entstehung φ = Sauerstoff-Kohlenstoff-Atomverhältnis des Kraft-
stoffs
Bei der Verbrennung von Kraftstoffen mit dem Sauer-
stoff der Luft, die 21 [%-Vol.] O2, < 1 [%-Vol.] Edelgase Neben den Hauptbestandteilen des Abgases wie Koh-
und Stickstoff N2 enthält, wird durch eine exotherme lendioxid, CO2 und Wasserdampf, sind die Hauptver-
Reaktion Energie als Wärme freigesetzt. Die Wärme- treter der Schadstoffe die gesetzlich limitierten Kom-
freisetzung wird bei Kraftstoffen auf Basis von Kohlen- ponenten Kohlenmonoxid, CO, unverbrannte und
wasserstoffen, wie Benzin- und Dieselkraftstoff, durch teilverbrannte Kohlenwasserstoffe, HC (Aldehyde,
eine Vielzahl unvollständiger Reaktionen, abhängig Ketone etc.) und Stickstoffoxide, NOx. Schadstoffe
von der Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffe des entstehen hauptsächlich durch die Unterbrechung der
Kraftstoffes, bestimmt. Wichtige Kraftstoffkomponen- Reaktionsketten auf Grund der kurzen Verweildauer
ten sind Paraffine, Olefine und Aromaten. im Brennraum. Es ist somit kein Gleichgewichtszu-
Bei der vollständigen Verbrennung von Kohlen- stand mehr gegeben. Inhomogenitäten im Gemisch
wasserstoffen unter idealen Bedingungen oder bei durch unterschiedliche Luft-Kraftstoff-Verhältnisse λ,
Luftüberschuss entstehen theoretisch lediglich Koh- Brennwandeffekte und im Kraftstoff enthaltene Ver-
lendioxid und Wasser und aus dem Sauerstoffträger unreinigungen und Zusätze führen ebenfalls zur
Luft, Stickstoff. Entstehung von unerwünschten Nebenprodukten,
Aus diesem Grund stellt das Luft-Kraftstoff-Ver- . Abb. 21.15.
hältnis Lambda (λ) die wichtigste Kenngröße für den Zusätzlich sind in Abhängigkeit vom verwende-
Verbrennungsprozess dar. Lambda ist definiert als das ten Kraftstoff und Brennverfahren Feststoffe in Form
Verhältnis von tatsächlich vorhandener Luftmenge rela- von Partikelemissionen möglich. Nichtlimitierte Ab-
tiv zur idealerweise stöchiometrisch benötigten Menge. gaskomponenten, die beispielsweise aus thermischen
Crackprozessen der Kohlenwasserstoffe sowie deren
 = .mL =mK /=.mL =mK /stöch Folgeprodukte entstehen, treten immer mehr in den
Vordergrund, da sie entweder gewisse Gefährdungs-
= .mL =mK /=.mL, th /
potenziale besitzen oder zur Geruchsbelästigung bei-
= mL =mL, th  (21.1) tragen.
934 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Brennraum sind mögliche Gemischaufbereitungs-


21 N2 verfahren.
Luft N2 NOx
(N2, O2)
Luft- O2
O2
H2O
21.3.1.1 Limitierte Abgaskomponenten
reagierende
Kraftstoff-
Elemente
CO2 zz Kohlendioxid
Gemisch C CO
Kraftstoff R.CHO Die Kohlendioxidemissionen können in Europa zu den
CxHy
(CxHy) H2 H2
limitierten Abgaskomponenten gezählt werden, ob-
wohl sie nicht toxisch sind. Gesetzliche Regelungen be-
schränken in zunehmenden Maße den CO2-Ausstoß.
Kohlendioxid entsteht durch die vollständige Verbren-
..Abb. 21.15 Reaktionsmechanismen im Brennraum nung des Kohlenstoffs aus den Kraftstoffmolekülen.
[6] Die CO2-Emission ist im Wesentlichen vom Kraft-
stoffverbrauch und der Kraftstoffzusammensetzung
abhängig und erreicht bei vollständiger Umsetzung
21.3.1 Ottomotor ihr relatives Maximum bei einem Luft-Kraftstoff-Ver-
hältnis von Eins. . Abb. 21.16 zeigt die berechneten
Das ottomotorische Verbrennungsprinzip ist durch Abgaskonzentrationen für den idealisierten Fall.

-
folgende allgemeine Charakteristika gekennzeichnet:
Fremdzündung, ausgeführt als Einfach- oder

-
zz Kohlenmonoxid
Mehrfachzündung, CO entsteht als Zwischenstufe der Kohlendioxidbil-
Verdichtungsverhältnis 8 bis 14, je nach verwen- dung und bei unvollständiger Verbrennung unter Sau-

- detem Kraftstoff,
4-Takt- und 2-Takt-Verfahren werden eingesetzt.

Ein wichtiger Parameter ist das Luft-Kraftstoff-


erstoffmangel. Charakterisiert wird die Bildung durch
die „Wassergasgleichung“.

CO + H2 O , CO2 + H2 (21.3)


Verhältnis λ, das in eher engen Grenzen das Brenn-
verfahren bestimmt. Je nach Verbrennungs- und Im Wesentlichen wird die Kohlenmonoxidbildung
Abgasreinigungskonzept wird ein konstantes Luft- vom lokalen Luftverhältnis und der Temperatur, bezie-
Kraftstoff-Verhältnis im gesamten Brennraum oder hungsweise dem Druck bestimmt. Bei Luftmangel ist
geschichtete Ladung mit verschiedenen Verhältnis- die CO-Emission nahezu linear vom Luft-Kraftstoff-
sen im Brennraum gewählt. Indirekte Einspritzung Verhältnis abhängig. Die CO-Emission resultiert aus
in das Saugrohr und direkte Einspritzung in den einem Sauerstoffmangel. Im Bereich λ > 1 (Luftüber-
CO2, CO, HC, O2, H2 [%-Vol] trockenes Abgas, 20 °C

15

CO2
10 CO
O2
H2
HC

0
0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7
Luftverhältnis λ

..Abb. 21.16  Berechnete Abgaskonzentrationen über dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis Lambda für einen Ottomotor
21.3  •  Schadstoffe und ihre Entstehung
935 21

schuss) ist die CO-Emission sehr niedrig und nahezu die Reaktionen unterbrochen werden. Die Entstehung
unabhängig vom Lambdawert. Die CO-Emission ist von teilverbrannten Kohlenwasserstoffen ist im We-
darüber hinaus von anderen Parametern wie Verdich- sentlichen abhängig von der Temperatur, dem Sau-
tungsverhältnis, Lastzustand, Zündzeitpunkt und Ein- erstoffgehalt und in geringerem Maße auch von der
spritzgesetz weitestgehend unabhängig. Molekülstruktur. Bei Luft-Kraftstoff-Verhältnissen
unter 1 steigen die HC-Emissionen stark an, da zu we-
zz Kohlenwasserstoffe nig Sauerstoff für eine vollständige Verbrennung im
HC-Emissionen entstehen durch unverbrannte und Brennraum zur Verfügung steht. Das Gleiche gilt bei
teilverbrannte Kohlenwasserstoffe und entsprechende steigendem Luft-Kraftstoff-Verhältnis, wodurch die
thermische Crackprodukte. Diese Komponenten kön- Zündgrenze des Gemischs erreicht wird und dies bei
nen sowohl aus dem Kraftstoff als auch aus den ver- homogener Gemischbildung zu Zündungsaussetzern
wendeten Schmiermitteln stammen. Verschiedene Me- führt.
chanismen sind für diese Emissionen verantwortlich.
Exemplarisch seien die unvollständige Verbrennung zz Stickstoffoxide
der Kohlenwasserstoffe wegen Nichterfassens des ge- Unter diesen Sammelbegriff fallen die sieben Oxide
samten Brennraumvolumens sowie Wandanlagerung NO, NO2, NO3, N2O, N2O3, N2O4 und N2O5. Stick-
von Kraftstoff genannt. Weitere Ursachen sind das Ver- stoffoxide entstehen aus dem Stickstoff und dem Sau-
bleiben von Kraftstoff in Toträumen wie Spaltvolumen erstoff der Luft während der Verbrennung. Eine Be-
der Zylinderkopfdichtung, Ventilsitze, Feuersteg, Kol- schreibung der Vorgänge erfolgt durch den erweiterten
benringe, Zündkerze und Quetschflächen. Fehlzün- Zeldovich-Mechanismus (1946). Die wichtigsten Ver-
dungen, Emission von Kohlenwasserstoffen aus dem treter dieser Oxide sind Stickstoffmonoxid NO und
Schmiermittel, Absorption von Kraftstoffmolekülen Stickstoffdioxid NO2. Es lassen sich im groben zwei
am Schmiermittelfilm der Zylinderlaufbahn und an wichtige Bildungsprozesse für NO unterscheiden: Die
Stellen mit Verunreinigungen führen ebenfalls zu er- Bildung von thermischem NO wird durch die Parame-
höhtem Ausstoß. Betrachtet man die massenbezoge- ter Temperatur, Sauerstoffkonzentration, Luft-Kraft-
nen HC-Emissionen über dem Auspufftakt, dann zeigt stoff-Verhältnis, Verweilzeit und Druck beeinflusst.
sich in deren Verlauf über dem Kurbelwinkel, kurz Das NO-Bildungsmaximum liegt bei rund 2200 bis
nach dem Öffnen und vor dem Schließen des Auslass- 2400 K und nimmt bei höheren Temperaturen rasch
ventils, erhöhter HC-Ausstoß, der überwiegend durch ab. Unter 750 K ist für den Zerfall von NO eine hohe
die zuvor genannten Wandphänomene bestimmt zu Aktivierungsenergie notwendig. Promptes NO entsteht
sein scheint, . Abb. 21.17. als Nebenreaktion in der Flammenfront durch OH-Ra-
Durch das Erlöschen der Flammenfront bei Kon- dikale, die mit Stickstoffmolekülen weitere Verbindun-
takt mit der kalten Wand (Flame Quenching) werden gen bilden. Aus dem im Kraftstoff enthaltenen Stick-
HC freigesetzt, da das Gemisch an der Grenzschicht stoff können durch die hohen Temperaturen ebenfalls
bis auf Wandtemperatur abgekühlt wird und somit Stickoxide gebildet werden. Dieser Entstehungsprozess

n = 2500 [1/min], pme = 5 [bar], A/F: 14.7 [-]


0,25 4000
AÖ AS

0,20 3500
HC3-Konzentration [ppm]
HC3-Massenstrom [g/s]

0,15 3000
Abgas Massenstrom
HC3-Konzentration
0,10 HC3-Massenstrom 2500

0,05 2000

0,00 1500

–0,05 1000
0 90 180 270 360 450 540 630 720
Kurbelwinkel [°]

..Abb. 21.17  Verlauf der massenbezogenen Kohlenwasserstoffemissionen nach dem Auslassventil über dem
Kurbelwinkel [7]
936 Kapitel 21 • Abgasemissionen

ist jedoch von untergeordneter Bedeutung. Das NO/ mit Luftverhältnissen zwischen 1,2 (hohe Last)

--
21 NO2 Verhältnis der Rohemission liegt beim Ottomotor und 7 (Leerlauf),
bei über 0,99. Die maximale NOx-Konzentration tritt Verdichtungsverhältnis 14 bis 22,
im leicht mageren Bereich, λ = 1,05 − 1,1, auf. höhersiedende Kohlenwasserstoffe als Kraftstoff.
Ottomotoren mit Direkteinspritzung und La-
dungsschichtung führen im Vergleich zur Saugrohrein- Kammermotoren (Vorkammer/Wirbelkammer) weisen
spritzung wegen der geringeren Mitteltemperatur zu zwar günstige Rohemissionen und ein gutes Geräusch-
niedrigeren NOx-Emissionen. Auf Grund der La- verhalten auf, werden aber wegen des bis zu 20 % hö-
dungsschichtung entsteht durch die lokal vorhande- heren CO2-Ausstoßes in zunehmenden Maße von Mo-
nen mageren Zonen aber eine Erhöhung der CO- und toren mit Direkteinspritzung im Pkw-Antriebsbereich
HC-Emission. abgelöst. Im Nutzfahrzeugbereich ist in Europa der
Dieselmotor mit Direkteinspritzung Hauptantriebs-
21.3.1.2 Nichtlimitierte quelle. Großmotoren, die den höchsten Wirkungsgrad
Abgaskomponenten aller Wärmekraftmaschinen aufweisen, bedienen sich
zz Partikel ebenfalls dieser Technik, allerdings meist im Zweitakt-
Zu den Partikeln zählen alle Komponenten, die un- Verfahren. Zur Gemischbildung kommen verschiedene
terhalb von 51,7 °C auf einem Filter ausgeschieden Verfahren mit unterschiedlichen Druckerzeugern wie
werden können. Die Partikel bestehen aus festen or- Reiheneinspritzpumpen, Verteilereinspritzpumpen,
ganischen oder flüssigen und löslichen organischen Pumpe-Düse, Pumpe-Rail-Düse und Common-Rail-
Phasen. Dazu zählen Ruß, diverse Sulfate, Asche, di- Systeme zum Einsatz. Die derzeit wichtigsten Einspritz-
verse Additive aus Kraftstoff und Schmieröl, Abrieb verfahren bei Pkw-Motoren arbeiten mit luftverteilen-
und Korrosionsprodukte. Chromabriebe entstehen, der Hochdruckeinspritzung durch Mehrlochdüsen.
ebenso wie Nickelaerosole, durch Kolbenverschleiß.
Das Chromaerosol weist eine Korngröße von 1,6 bis 21.3.2.1 Limitierte Abgaskomponenten
6,4 µm auf [8]. Kondensierte Partikelemissionen spie- zz Kohlendioxid
len beim Ottomotor eine eher untergeordnete Rolle. Der spezifisch deutlich bessere Kraftstoffverbrauch so-
Sie gewinnen aber bei Einspritzsystemen mit Direkt- wie das nochmals günstigere Verbrauchsverhalten im
einspritzung vermehrt an Bedeutung. Teillastbereich führen zu real 20 % niedrigerem CO2-
Ausstoß pro gefahrenen Kilometer.
zz Gasförmige Komponenten
Von Interesse sind insbesondere Aromate, wie Benzol, zz Kohlenmonoxid
Toluol, Xylol und polyzyklische aromatische Kohlen- Aufgrund der Inhomogenität des Gemisches durch La-
wasserstoffe (PAK) sowie Aldehyde, wie Formaldehyd, dungsschichtung existieren Zonen mit Luft-Kraftstoff-
Acetaldehyd, Acrolein, Propionaldhyd, Hexanal und Verhältnissen kleiner als Eins. In diesen Bereichen
Benzaldehyd. Aldehyde sind Zwischenprodukte bei der entstehen während der Umsetzung hohe CO-Konzen-
Oxidation von Kohlenwasserstoffen und ihre Bildung trationen, die durch Nachoxidation zum größten Teil
ist abhängig von der Temperatur [9]. Der mengenmä- weiter zu CO2 oxidiert werden. Daraus resultieren, im
ßig größte Vertreter der BTEX-Komponenten ist Toluol Gegensatz zum Ottomotor, wesentlich niedrigere spe-
[8]. Ein direkter Zusammenhang der Kraftstoffzusam- zifische Kohlenmonoxidemissionen.
mensetzung, der Schmierstoffzusammensetzung und
der Qualität des Brennverlaufes mit der Entstehung der zz Kohlenwasserstoffe
nichtlimitierten Komponenten ist prinzipiell erkennbar. Hier kann auf ähnliche Mechanismen und Parameter
wie beim Ottomotor verwiesen werden. Generell sind
die HC-Emissionen beim Dieselmotor jedoch deutlich
21.3.2 Dieselmotor geringer. Zusätzliche, bestimmende Größen sind die
Gemischbildungsqualität des Einspritzsystems und die
Der Dieselmotor ist durch folgende Charakteristika exakte Dosierung. Nachspritzen führt zu erhöhten HC-

--
gekennzeichnet:
innere Gemischbildung,
Lastregelung über die zugeführte Kraftstoffmenge
Emissionen. Den Einfluss von minimierten Schadvolu-
mina bei Einspritzdüsen zeigt . Abb. 21.18 nach [10].

- bei ungedrosselt angesaugter Luftmenge,


Selbstzündung und großer Luftüberschuss. Inte-
gral gesehen arbeiten Dieselmotoren je nach Last
zz Stickstoffoxide
Die Bildungsvorgänge sind ebenfalls vergleichbar mit
jenen beim Ottomotor. Das NO zu NO2-Verhältnis
21.3  •  Schadstoffe und ihre Entstehung
937 21
Sackloch-Düse

Motordrehzahl 2500 1/min


500

400
HC-ppm C1

300

Sackloch
200
Null-Sackloch-Düse
100

0
0 1 2 3 4 5 6 7
effektiver Mitteldruck [bar]

..Abb. 21.18  Einfluss der Einspritzdüsenkonstruktion auf die HC-Emissionen [10]

liegt beim Dieselmotor in Abhängigkeit von der Last aromatische Kohlenwasserstoffe. Durch Anlagerung
bei 0,6 bis 0,9. Bei kleiner Last wird mehr NO2 gebildet. weiterer Einheiten bilden sich relativ stabile Zwi-
Dieses Verhältnis wird im Wesentlichen durch die Sau- schenprodukte, die sich durch Aggregation zu immer
erstoffkonzentration und die Verweilzeit beeinflusst. größeren Partikeln, den sogenannten Primärpartikeln
NO2 wird im Wesentlichen an der Flammenfront ge- zusammenschließen. Durch Koagulation der Primär-
bildet. partikel zu größeren Einheiten entstehen Sekundär­
Dieselmotoren mit unterteiltem Brennraum liegen partikel. An den Sekundärpartikeln können sich durch
mit ihren Emissionen von NOx deutlich unter jenen die große spezifische Oberfläche unverbrannte und
von Dieselmotoren mit Direkteinspritzung. Durch teilverbrannte Kohlenwasserstoffe, speziell Aldehyde,
den extremen Luftmangel bei hohen Temperaturen anlagern. Die sekundäre Bildungsphase im weiteren
während der Einspritzung in die Vorkammer ist die Verlauf der Verbrennung ist die Rußnachoxidation, die
NOx-Bildungsrate deutlich kleiner. Beim Übertritt durch die Verweildauer und Sauerstoffkonzentration
des aufbereiteten Gemisches in den Hauptbrennraum bestimmt wird.
herrschen umgekehrte Bedingungen vor, also hoher Der Durchmesser der Partikel variiert zwischen 1
Luftüberschuss bei niedrigen Temperaturen. Da die und 1000 nm. Für homogene Gemische gilt, dass bei
Verträglichkeit für Abgasrückführung beim Dieselmo- einem Luft-Kraftstoff-Verhältnis unter 0,5 Ruß im Ab-
tor mit Direkteinspritzung jedoch wesentlich höher ist gas enthalten sein muss, bei Lambda über 0,6 und op-
als bei Kammermotoren (circa doppelte Menge), keh- timalen Bedingungen keine Rußbildung nachweisbar
ren sich die Verhältnisse um. ist [11]. Neben der Rußbildung als Partikelquelle stellt
auch das Schmiermittel eine bedeutende Quelle von
zz Partikel Partikelemissionen dar.
Zum überwiegenden Teil bestehen die Partikel von Besonders zu beachten ist der Zielkonflikt Par-
Dieselmotoren aus Kohlenstoffteilchen. Den Rest tikel –HC-NOx. Die Bedingungen für niedrige Par-
bilden Kohlenwasserstoffverbindungen, die teilweise tikelbildung und niedrige HC-Emissionen stehen
am Ruß gebunden sind und in geringem Umfang im Gegensatz zu den Voraussetzungen niedriger
Sulfate in Form von Aerosolen. Bei der Verbrennung Stickoxidemissionen. Daher ist speziell der sekun-
der verschiedenen Kohlenwasserstoffe bilden sich in dären Bildungsphase, der Rußnachoxidation, große
einzelnen Teilschritten, genannt seien Crack-, Dehyd- Aufmerksamkeit zu schenken. Unterstützend für die
rierungs-, und Polymerisationsprozesse, mehrere Zwi- Rußnachoxidation ist generell eine hohe Gemischbil-
schenstufen. Die Rußentstehung ist im Wesentlichen dungsenergie in der letzten Phase der Verbrennung, er-
durch die örtliche Temperatur (800 bis 1400 K) und reichbar durch gezielten Drall und Tumble im Brenn-
die Sauerstoffkonzentration bestimmt und erfolgt in raum, höherem Einspritzdruck, hoher Einspritzrate am
zwei Phasen [9]. Die Reaktionen in der primären Bil- Ende des Einspritzvorganges und hoher Gleichvertei-
dungsphase erfolgen fast ausschließlich durch Radikal- lung. Diese Umstände führen jedoch leider auch zu
kettenmechanismen im Kern der Brennstoffstrahlen guten Voraussetzungen für hohe Stickoxidemissionen.
und hinter den Strahlspitzen. Es werden O-, H- und In . Abb.  21.19 ist die Schadstoffbildung beim
OH-Radikale gebildet. Durch Polymerisation und Dieselmotor zusammenfassend qualitativ dargestellt
Ringschluss bilden sich zyklische und polyzyklische [12].
938 Kapitel 21 • Abgasemissionen

tige Rolle bei der Senkung der Rohemissionen und des


21 Kraftstoffverbrauches spielen.

21.4.1 Motorische Maßnahmen

HC
21.4.1.1 Ottomotor
NOx Ein Großteil der Ausführungen ist sowohl für Motoren
HC Russ mit Saugrohreinspritzung als auch für Ottomotoren
mit Direkteinspritzung gültig. Generell kann ange-
merkt werden, dass minimale Rohemissionen meist
nicht zum besten Gesamtergebnis nach erfolgter Ab-
gasnachbehandlung führen.
NOx

Gemischbildung  Das Luft-Kraftstoff-Verhältnis des


..Abb. 21.19  Qualitative Darstellung der dieselmoto- Gemisches im Brennraum hat den dominantesten
rischen Verbrennung und Schadstoffbildung [12]
Einfluss auf die motorischen Rohemissionen. Emissi-
onen von CO und HC sind im leicht mageren Bereich
21.3.2.2 Nichtlimitierte λ = 1,05 bis 1,1 am niedrigsten; die NOx-Rohemissio-
Abgaskomponenten nen sind in diesem Bereich jedoch am größten.
Wichtige nichtlimitierte Komponenten im Rohab- Ein gleiches Luft-Kraftstoff-Verhältnis für alle Zy-
gas des Dieselmotors sind Cyanid, Ammoniak NH3, linder ist eine weitere Grundvoraussetzung für nied-
Schwefeldioxid SO2 und Sulfate. Bei den differenzier- rige Emissionen. Dies bedingt genaueste Zumessung
ten Kohlenwasserstoffen sind speziell Methan, Ethan, des Kraftstoffes auf alle Zylinder. Eine Lambdastreuung
Ethen, Ethin, Benzol und Toluol von Interesse. Bei führt speziell zu stark erhöhten CO-Emissionen und in
den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstof- geringerem Umfang zu erhöhten HC-Emissionen. Die
fen (PAKs) dominieren Phenanthren, Pyren, Fluoren, NOx-Emissionen steigen bei geringen Lambdastreuun-
Fluoranthen und Anthracen in absteigender Reihen- gen stark an; bei weiterer Erhöhung sinken sie jedoch
folge. Die Konzentrationen dieser Parameter liegen um wieder. Zur messtechnischen Erfassung der zylinderse-
mindestens den Faktor sechs höher als die der anderen lektiven Lambdaunterschiede für Regelzwecke sei auf
PAK-Einzelsubstanzen und tragen zu circa 90 % zur die Ausführungen in ▶ Abschn. 21.2.2 verwiesen.
Summe der PAKs bei [8]. Phenole und verschiedene Für die möglichst vollständige Umsetzung im Mo-
Aldehyde wie Formaldehyd, Acetaldehyd, Aceton + Ac- tor ist eine gute Aufbereitung des Kraftstoffes erfor-
rolein, und Propionaldehyd sind ebenfalls Gegenstand derlich. Bei Saugrohreinspritzung wird üblicherweise
genauerer Untersuchungen [13]. Die Bildung der ge- der Kraftstoff unmittelbar vor den Einlassventilen ein-
nannten Komponenten erfolgt über Spurenstoffe im gespritzt. Diese Position führt unter Ausnutzung von
Kraftstoff, Schmierstoff und teilweise durch Nachreak- Saugrohrdruck und Temperatur zu einer optimalen
tionen im Auspuffsystem. Aufbereitung bei minimaler Wandfilmbildung. Zu-
Werden die Partikelemissionen hinsichtlich ihres sätzliche Luftumfassung des Einspritzstrahles, spezielle
massenbezogenen Kohlenstoffanteils differenziert be- Strahlgeometrien, Einspritzdüsen mit Flash-Boiling-
trachtet, so ergibt sich ein Verhältnis von 80 % elemen- Effekt und Piezo-Injektoren, die eine sehr genaue Do-
tarer Kohlenstoff zu 20 % organischen Verbindungen. sierung bei kleinsten Einspritzmengen gewährleisten,
Chrom- und Nickelaerosole stammen, wie bei den optimieren die Kraftstoffaufbereitung zusätzlich.
Ottomotoren, vom Abrieb. Bei der luftzerstäubenden Direkteinspritzung ist
die Aufbereitungszeit wesentlich kürzer als bei der
Saugrohreinspritzung (ähnliche Zeitspannen wie bei
21.4 Minderung von Schadstoffen Diesel-DE). Zusätzlich müssen für die jeweiligen Be-
triebsmodi (Homogene oder geschichtete Ladung) un-
Im Wesentlichen kann die Vorgehensweise zur Ver- terschiedliche Einspritzstrategien mit einer Einspritz-
minderung der Schadstoffe in Maßnahmen vor, im düse erfüllt werden.
und nach dem Motor unterschieden werden. Im ers- Ein anderer Ansatz zur Gemischaufbereitung ist
ten Teilkapitel sollen die motorischen Maßnahmen vor die Gemischeinblasung in den Brennraum. Dabei
und im Brennraum betrachtet werden, die eine wich- muss der Kraftstoff außerhalb des Brennraumes auf-
21.4  •  Minderung von Schadstoffen
939 21

bereitet werden. Dieses Verfahren bietet speziell für Zylinderanzahl senkt ebenfalls den Kraftstoffverbrauch
die Schichtladung bei extrem magerem Gemisch gute und damit die CO2-Emissionen.
Voraussetzungen für einen ungedrosselten Betrieb des
Motors. Die meisten Schadstoffe können dadurch ver- Abgasrückführung  Abgas wird aus dem Auslassbe-
mindert werden. Durch die hohe Magerlauffähigkeit reich des Motors über ein Abgasrückführungsventil
wird zusätzlich eine Kraftstoffersparnis in einem wei- in den Ansaugtrakt geleitet und ersetzt einen Teil der
ten Last/Drehzahl-Bereich möglich. Frischladung. Dieses Gasgemisch kann unter Dissozi-
ierung eine beträchtlich höhere Wärmemenge aufneh-
Brennverlauf und Brennverfahren Die Brennge- men und senkt daher das Temperaturniveau während
schwindigkeit wird im Wesentlichen durch den ver- der Verbrennung und verhindert dabei die Bildung von
wendeten Kraftstoff, das Luft-Kraftstoff-Verhältnis, den thermischem NO. Die damit verbundene Entdrosse-
Druck und die Temperatur während der Umsetzung lung des Motors führt auch zu einer Absenkung des
und dem Strömungszustand im Brennraum beeinflusst. Kraftstoffverbrauchs. Eine variable innere Abgasrück-
Der Brennverlauf bei der Saugrohreinspritzung ist weit- führung kann durch entsprechende Ventilüberschnei-
gehend abhängig von der Einlassventilerhebung und dungen mittels Phasenschieber erreicht werden. Bei
dem Einspritzbeginn, dem Ge­mischaufbereitungsgrad der Zuführung des Abgases in das Saugrohr ist auf die
und dem Zündzeitpunkt. Kurze Verweildauern bei ho- Gleichverteilung auf alle Zylinder zu achten. Abgas-
hen Temperaturen verringern die NO-Bildung. Opti- rückführraten größer als 15 % führen zu etwas höheren
mal sind Brennverfahren, die eine Maximaltemperatur HC-Emissionen und schlechterem Leerlaufverhalten.
von 2000 K nicht überschreiten.
Die Direkteinspritzung bietet zusätzlich den Frei- Verdichtungsverhältnis  Eine hohe Verdichtung führt
heitsgrad des Einspritzzeitpunkts, jedoch ist die Ge- zu einem besseren thermischen Wirkungsgrad des
mischbildungszeit sehr kurz [14]. Ladungsschichtung Prozesses. Damit wird aber auch die Verbrennungs-
reduziert die NOx-Rohemissionen und den Kraftstoff- spitzentemperatur erhöht, die wiederum zu höheren
verbrauch. Es ist jedoch darauf zu achten, dass es we- NOx-Emissionen führen. Wegen des höheren Druck-
gen der hohen Nichtlinearität der NOx-Bildung keine niveaus steigen auch die HC-Emissionen bedingt
zu heißen Bereiche in der Flammenfront gibt. In der durch die relative Zunahme der Brennraumspalte.
unmittelbaren Umgebung der Zündkerze wird übli- Die CO-Emissionen sinken tendenziell mit steigender
cherweise ein fettes Gemisch bereitgestellt, um eine Verdichtung. Variable Verdichtung ist in Entwicklung
sichere Entflammung zu gewährleisten. Der Hauptteil und liefert zumindest beim Kraftstoffverbrauch gute
der umgebenden Ladung ist jedoch mager eingestellt. Ergebnisse.
Es ist auf einen möglichst homogenen Verbrennungs-
ablauf zu achten. Brennraumgestaltung Neben den geometrischen
Verhältnissen, die Hub/Bohrung, Oberfläche, Volu-
Ventilsteuerung  Ventiltrieb/Ventilsteuerzeiten: Der men und Quetschflächenanteil betreffen, beeinflussen
Übergang von der 2-Ventil- zur 4-Ventiltechnik hat weitere Parameter das Emissionsverhalten. Eine zent-
speziell dem Motor mit Saugrohreinpritzung einige rale Lage der Zündkerze zwecks kurzer Flammwege,
Vorteile eingebracht. Eine zentrale Kerzenlage und der kompakte Brennräume mit kleiner Oberfläche, mini-
durch 4 Ventile symmetrische Brennraum ist optimal male Totvolumina von Spalten und gezielte Quetsch-
für eine schadstoffarme Verbrennung. Nur bei den flächen senken speziell die HC-Emissionen und den
Kohlenwasserstoffen sind teilweise höhere Emissionen Kraftstoffverbrauch. Maßnahmen zur Verkürzung des
feststellbar. Durch variable Steuerzeiten können der Verbrennungsablaufes senken teilweise auch die NOx-
Verbrauch und die Emissionen in einem weiten Bereich Emissionen. Eine Erhöhung des Verdichtungsverhält-
beeinflusst werden. Mit einem elektromechanischen nisses führt zu geringerem Kraftstoffverbrauch, erhöht
Ventiltrieb [15], der eine Variation vieler Freiheitsgrade jedoch die NOx-Emissionen. Die wichtigsten Maßnah-
ermöglicht, ist eine weitere Verbrauchssenkung speziell men für den Ottomotor mit Saugrohreinspritzung sind
beim Motor mit Direkteinspritzung möglich. Durch ge- in der Grafik in . Abb. 21.20 qualitativ zusammenge-
ringe Ventilüberschneidung bei kleinem Ventilhub und fasst und die für Motoren mit Direkteinspritzung in
spätem Einlasszeitpunkt lassen sich im Teillastbereich . Abb. 21.21. Es wurde bewusst von Zahlenangaben
deutliche Emissionsreduzierungen darstellen. Außer- abgesehen, da die einzelnen Maßnahmen bei verschie-
dem ist ein entdrosselter Betrieb des Motors im Teillast- denen Motoren oft zu merkbar unterschiedlichen Er-
bereich möglich, der den Kraftstoffverbrauch erheblich gebnissen führen können und ein möglichst allgemein-
senkt. Die Zylinderabschaltung bei Motoren mit großer gültiger Trend aufgezeigt werden soll.
940 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Übergang verstärkte
21 2-Ventil zu
4-Ventil-Motor
Abgas-
rückführung
Erhöhen
der Verdichtung
variable
Ventilsteuerung

CO NOx be HC CO NOx be HC CO NOx be HC CO NOx be HC

..Abb. 21.20  Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung beim Ottomotor mit Saugrohreinspritzung. (+) bedeutet


einen Anstieg und (−) eine Absenkung des Abgasniveaus

verstärkte vollvariable
bessere Gemisch-
Abgas- Ventilsteuerung
Kraftstoffqualität einblasung
rückführung und Einspritzung

NOx be HC NOx be HC PM NOx be HC NOx be HC

..Abb. 21.21  Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung beim Ottomotor mit Direkteinspritzung. (+) bedeutet


einen Anstieg und (−) eine Absenkung des Abgasniveaus

Weitere Maßnahmen zur Senkung der HC-Roh­ der Zündkerze als „Brennraumsensor“. Durch die Mes-
emissionen sind variable Drallbildung im Einlasskanal sung des Ionenstromes an den Elektroden während der
und geregelte Temperaturführung des Motors. Verbrennung kann einerseits der Entflammungsbeginn
(Aussetzerdiagnose/CH-Emission) und der Brenn-
Zündung  Führendes Verfahren zur Fremdzündung fortschritt gemessen als auch auf Klopferscheinungen
ist die elektrische Zündung als Ein- oder Mehrfach- Rücksicht genommen werden. Hier ergibt sich im Zu-
zündung mittels Zündkerze im Brennraum. Die ge- sammenhang mit der elektronischen Verbrennungsre-
wählte Ausführung beeinflusst die Ausbildung der gelung ein Potenzial zu einer effektiven Diagnose und
Flammenfront und damit auch die Bildungsrate der der daraus resultierenden niedrigen Emissionen über
Stickstoffoxide. Ein weiterer wesentlicher Parameter längere Zeiträume.
ist der Zündzeitpunkt in Bezug auf den oberen Tot- Raumzündung, worunter die gleichzeitige Entzün-
punkt. Bekannterweise ermöglicht eine spät durchge- dung des Gemisches an theoretisch unendlichen Stel-
führte Zündung niedrige NOx-Emissionen. Optimierte len im Brennraum verstanden wird, Laserzündungen,
Zündzeitpunkte durch adaptive Regelung unter Beach- bei denen ein, durch eine geeignete Optik verbreiterter
tung aller notwendigen Parameter sind mit den heu- Laserstrahl mit ausreichender Energie den gesamten
tigen Motormanagementsystemen möglich. Um das Brennrauminhalt zündet und die Plasmazündung ste-
Gemisch sicher zünden zu können, ist ausreichende hen noch immer in Entwicklung und zeigen meist bei
Zündenergie von 0,2 bis 3 [mJ] notwendig. Eine lange einzelnen Abgaskomponenten Vorteile. Insbesondere
Funkendauer mit stabiler hoher Brennspannung un- Raumzündungs-Brennverfahren haben ein sehr hohes
terstützt die sichere und stabile Entflammung des Potenzial hinsichtlich einer deutlichen Absenkung der
Gemisches und führt zu niedrigen HC-Emissionen. NOx-Rohemissionen. Gleichzeitig können die Teillast-
Weitere Fortschritte bringen der zusätzliche Einsatz verbräuche reduziert werden.
21.4  •  Minderung von Schadstoffen
941 21
20
NOx [g/kWh]

15
10
5 Raildruck
500 bar
0 650 bar 1,5
800 bar
950 bar
110 bar 1,0

SZ [-]
0,5
spez. Verbrauch [g/kWh]

230 0,0
220
210
200
190
–25 –20 –15 –10 –5 0 5 10
Spritzbeginn [°KW]

..Abb. 21.22  Einfluss des Raildrucks und Spritzbeginns auf Verbrauch, Schwärzungszahl und NOx [17]

Eine weiter verbesserte Kraftstoffqualität, um die Darstellung eines nahezu beliebigen Einspritzverlaufes.
Verkokungsneigung bei Direkteinspritzungssystemen Dieses Verfahren steht in Konkurrenz zur Raumzünd-
zu vermeiden, führt zu einem stabileren Emissionsver- verbrennung beim Ottomotor.
halten speziell von strahlgeführten Systemen.
Aufladung  Die Turboaufladung stellt für den Diesel-
21.4.1.2 Dieselmotor motor mit Direkteinspritzung nach wie vor die effi-
Die emissionstechnische Optimierung von Dieselmo- zienteste Möglichkeit dar, sämtliche Schadstoffkom-
toren betrifft in der Mehrzahl der Fälle den klassischen ponenten zu reduzieren. Wichtigste Parameter wie
Zielkonflikt Kraftstoffverbrauch – Stickstoffoxide – Ladedruck und Ladelufttemperatur müssen für jeden
Partikelemissionen. Lastpunkt variiert werden können. Zusätzlich helfen
variable Turbinengeometrien, Registeraufladung und
Brennverfahren und Brennverlauf  Bei den derzeit ver- nach Lastbedarf geregelte Ladeluft-Temperatur, den
wendeten Einspritzdüsen für luftverteilende Direktein- Verbrauch zu senken und speziell die NOx-Emissio-
spritzung ist der wichtigste Parameter der Spritzbeginn nen zu reduzieren. Elektrische Zusatzaufladung kann
in Bezug auf den oberen Totpunkt OT. Der Zündverzug den Partikelausstoß bei transienten Vorgängen, wie
stellt eine relativ konstante Größe dar. Übliche Konzepte Anfahrvorgängen aus der Leerlaufdrehzahl, merklich
auf Basis von Vierventil-Zylinderköpfen verwenden ei- senken.
nen Drall- und einen Füllungskanal. Bei den Kolben-
mulden zeichnet sich ein Trend zu flacheren und weite- Einspritzsysteme und Einspritzverfahren Hochdruck-
ren Formen ab, die eine ungehinderte Strahlausbreitung einspritzungssysteme wie Pumpe-Düse, beziehungs-
ermöglichen sollen. Begünstigt wird diese Entwicklung weise Common Rail führen durch den hohen Ein-
durch Vielloch-Einspritzdüsen. Es kommt somit zu ei- spritzdruck von 1500 bis 2000 bar, in naher Zukunft
ner verringerten Wandauftragung. Die Füllungsverluste über 2000 bar, in Kombination mit neuen Einspritz-
durch erhöhten Drall können reduziert werden. ventilen zu einer optimierten Aufbereitung des Kraft-
Eine homogene Dieselverbrennung mit einer ma- stoffes und senken speziell die Partikelemissionen.
geren Vormischverbrennung und einer, gegen Ende der . Abb. 21.22 zeigt die möglichen Verbesserungen bei
Umsetzung, höheren Einspritzrate könnte zu einer na- steigendem Einspritzdruck. Der Zielkonflikt Partikel
hezu rußfreien Verbrennung mit minimalen NOx-Emis- versus NOx lässt sich deutlich besser beherrschen [17].
sionen führen [11, 16]. Der praktischen Realisierung die- Aus den wichtigsten Parametern wie Einspritz-
ses Verfahrens stehen derzeit einerseits unzureichende zeitpunkt, Einspritzgesetz, Einspritzdruck, Düsen-
Gemischbildung sowie inhomogene Gemischverteilung form (Strahllage, Vorstehmaß, Anzahl der Düsen),
und andererseits der begrenzte Betriebsbereich im Last- Einspritzmenge, Voreinspritzung, Spritzabstand,
Drehzahlkennfeld entgegen. Des Weiteren benötigt die- Nacheinspritzung, Einspritzdauer und Absteuerdauer
ses Brennverfahren ein vollvariables Einspritzsystem mit müssen im Versuchsstadium die besten Strategien her-
den Möglichkeiten einer in weiten Bereichen variierba- ausgefiltert werden. Wie durch geeignete Abstimmung
ren Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung und damit der der Motorsteuerung bei Common-Rail-Einspritzung
942 Kapitel 21 • Abgasemissionen

0,10

21 0,09
AGR-Variation
n = 2000/min
pe = 5,0 bar
0,08
Variation Abstand
0,07 Vor-/Haupteinspritzung
Par tikel [g/kWh]

Raildruck-Variation
0,06
ansteigend
0,05
0,04
0,03 Auslegungspunkt
0,02
0,01
0
0 1 2 3 4 5 6 7
spezifische NOx-Emissionen [g/kWh]

..Abb. 21.23  Zielkonflikt Partikel- und NOx-Emissionen bei V8-TDI-Motor mit Common-Rail-Einspritzung


nach [18]
dieser Zielkonflikt umgangen werden kann, ist aus die Vierventiltechnik scheint auf Grund der günstigen
. Abb. 21.23 zu ersehen [18]. Einspritzdüsenlage derzeit das optimale Konzept für
Eine kleine Voreinspritzmenge mit einem Volu- den Dieselmotor zu sein. Variabler Ventilsteuerung
men von weniger als 1 mm3 führt bei geeignetem Ab- und Phasenschiebern kommt auf Grund der vorherr-
stand zur Haupteinspritzung zu minimaler NOx- und schenden Turboaufladung bei Pkw-Dieselmotoren,
Partikelemission. Nacheinspritzung führt zu Vermin- derzeit noch nicht die Bedeutung zu wie beim Ot-
derung der Partikelemissionen bei gleich bleibenden tomotor.
NOx-Emissionen. Eine möglichst kurze Absteuerzeit
senkt speziell die HC-Emissionen. Einspritzanlagen, Abgasrückführung  Im Unterschied zum fremdge-
die Piezo-Injektoren verwenden, können dem ge- zündeten Ottomotor sind beim Dieselmotor noch
wünschten Einspritzverlauf auf Grund der kürzeren bedeutend höhere Rückführraten möglich. Es ist je-
Schaltzeiten näher kommen und bieten weitreichende doch, wie aus . Abb. 21.24 ersichtlich, eine deutli-
Optimierungsmaßnahmen. che Erhöhung der Partikelanzahl und Partikelgröße
Eine Wassereinspritzung führt bei Motoren mit mit zunehmender Abgasrückführrate festzustellen.
zu hohem Verbrennungstemperaturniveau zu einer Zusätzliche Kühlung des rückgeführten Abgasteiles
NOx-Reduzierung um bis zu 25 %, jedoch ergibt diese senkt die NOx-Emission und auch tendenziell den
Maßnahme auch eine Verschlechterung der CO- und Partikelausstoß, erhöht jedoch die CO- und HC-
HC-Emissionen [11, 16]. Emissionen. Der Zielkonflikt NOx zu Partikel ist
durch eine gekühlte Abgasrückführung bis zu 15 %
Ventilsteuerung  Durch die Mehrventiltechnik ist ein günstiger [16].
höherer Füllungsgrad möglich. Dies hat besonders
positive Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch Brennraumgestaltung  Im Wesentlichen gelten ähn-
und das allgemeine Rohemissionsverhalten. Speziell liche Gestaltungsregeln wie beim Ottomotor. In Ab-
Par tikel Konzentration d N/d log(d ) [Anzahl/cm3]

7.0E+07

6.0E+07 AGR: 0%
AGR: 30%
5.0E+07
AGR: 50%
4.0E+07

3.0E+07

2.0E+07

1.0E+07

0.0E+00
10 100 1000
Partikel Durchmesser d [nm]

..Abb. 21.24  Partikelkonzentration über dem Partikeldurchmesser in Abhängigkeit von der


Abgasrückführrate [19]
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
943 21
Abgasturbo- verstärkte Übergang
Hochdruck-
aufladung + Abgas- 2-Ventil zu
einspritzung
Ladeluftkühlung rückführung 4-Ventil-Motor

NOx be PM HC NOx be PM HC NOx be PM HC NOx be PM HC

..Abb. 21.25  Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung beim Dieselmotor. (+) bedeutet einen Anstieg und
(−) eine Absenkung des Abgasniveaus

hängigkeit vom Einspritzverfahren und des Hubvolu- Oxidation von CO und HC zu CO2 und H2O
mens ergeben sich unterschiedliche Forderungen für
die Brennraumgeometrie. Weite, flache Brennräume n n

Cy Hn + 1 + O2 ! yCO2 + H2 O (21.4)
mit niedrigem Drall werden bevorzugt bei größeren 4 2 
Hubräumen eingesetzt. Dagegen werden in den Brenn-
räumen von Pkw mit einem Zylindervolumen von 450
bis 550 cm3 eher tiefere Mulden mit höheren Drallzah- 1
(21.5)
CO + O2 ! CO2
len verwendet. 2 
In . Abb. 21.25 sind die wichtigsten Maßnahmen
zur Emissionsreduzierung für Dieselmotoren zusam-
mengefasst. CO + H2 O ! CO2 + H2 (21.6)
Durch zügige Weiterentwicklung bewährter Tech-
nologien können deutliche Fortschritte bei der Abgas-
reduzierung erreicht werden. Das Erreichen besonders Reduktion von NO/NO2 zu N2
niedriger Abgasgrenzwerte, wie ULEV oder Euro 4,
ohne den Einsatz verbrauchsverschlechternder Zu- 1
(21.7)
NO (oder NO2 ) + CO ! N2 + CO2
satzaggregate scheint für bestimmte Motorfamilien 2 
möglich. Gleichzeitig sollen aber die mutigen Schritte
hin zu neuen Brennverfahren für das „schadstofffreie
und ressourcenschonende Automobil“ getan werden. 1
(21.8)
NO (oder NO2 ) + H2 ! N2 + H2 O
2 
Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Herrn Dipl.-Ing. Michael
Tauscher und Herrn Dr. Stefan Humer für die Unter-  n
2+ NO (oder NO2 ) + Cy Hn
stützung bei der Verfassung dieses Buchbeitrags.
 2 n n
! 1+ N2 + yCO2 + H2 O (21.9)
4 2 
21.5 Abgasnachbehandlung
beim Ottomotor Diese Reaktionen werden in Anwesenheit der
Edelmetalle Pt, Pd und Rh katalysiert. Durch die
21.5.1 Katalysatoraufbau Dispersion der Edelmetalle auf einem Trägeroxid
und chemische Reaktionen mit hoher Oberfläche werden hohe Umsatzraten der
Schadstoffe ermöglicht. Diese Trägeroxide sind typi-
Die wesentlichen chemischen Reaktionen eines Auto- scherweise anorganische Materialien mit komplexer
mobilkatalysators können mit den nachfolgenden Re- Porenstruktur (zum Beispiel Al2O3, SiO2, TiO2), auf
aktionsgleichungen (. Gl. 21.4 bis 21.9) beschrieben die katalytischen Materialien zusammen mit Promo-
werden. toren aufgebracht werden.
944 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Mit Hilfe einer Lambda-Sonde wird das Luft-


21 Kraftstoff-Verhältnis im engen Bereich um das stö-
chiometrische Verhältnis λ = 1 geregelt. Damit ist es
möglich, sowohl die Oxidations- wie auch die Reduk-
tionsreaktionen mit hoher Umsatzrate zu betreiben.
Aus dem Schnittpunkt der CO und NOx Konvertie-
rung, abhängig von Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ dem
sogenannten Cross-Over, ergibt sich der optimale
..Abb. 21.26  Schnittbild eines Katalysators Betriebspunkt des Katalysators. . Abb. 21.27 zeigt die
Abhängigkeit der Konvertierung für die Schadstoff-
komponenten HC, CO und NOx in Abhängigkeit vom
Der katalytische Träger wird auf wabenförmige Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ. Zur Einhaltung der der-
Monolithe beschichtet. Dabei werden sowohl kerami- zeitigen strengen Abgasgesetzgebung in Europa und
sche wie metallische Monolithe eingesetzt. Die Waben- USA werden diese Dreiwegekatalysatoren für λ = 1-ge-
struktur gewährleistet eine möglichst große Oberflä- regelte Ottomotoren eingesetzt.
che für die katalytische Reaktion auf kleinem Raum. Neben der Konvertierung im betriebswarmen
. Abb. 21.26 zeigt beispielhaft einen Katalysator, der Zustand ist das Anspringverhalten, der sogenannte
aus zwei keramischen Monolithen aufgebaut ist. Light Off, des Katalysators von entscheidender Be-
deutung. Im dynamischen Betrieb spielen neben den
katalysatorspezifischen auch die substratspezifischen
21.5.2 Katalysatorkonzepte Eigenschaften eine wesentliche Rolle, da diese die
stöchiometrisch betriebener thermische Masse des Katalysators und seine thermo-
Motoren dynamischen Eigenschaften die Wärmekapazität und
Dichte bestimmen. Eine geringe thermische Masse
21.5.2.1 Dreiwegekatalysator führt zu einem schnelleren Anspringen des Katalysa-
Zur Oxidation von unverbrannten Kohlenwasserstof- tors beim Kaltstart.
fen (HC) und Kohlenmonoxid (CO) ist Sauerstoff er- Eine hohe geometrische Oberfläche für die kata-
forderlich, während die Reduktion der Stickoxide die lytische Reaktion wird mit einer hohen Zelldichte in
Anwesenheit reduzierender Komponenten verlangt. Verbindung mit einer niedrigen Wandstärke ermög-
Da im Fahrbetrieb alle Schadstoffkomponenten glei- licht und stellt ein geeignetes Mittel dar, das Anspring-
chermaßen umgesetzt werden müssen, ergibt sich hin- verhalten durch schnelles Aufheizen des Katalysators
sichtlich der Abgaskonvertierung ein enges Fenster, in zu verbessern. . Abb. 21.28 zeigt die geometrischen
dem die Verbrennung betrieben werden kann. Parameter ausgewählter Standardsubstrate.

..Abb. 21.27  Konvertierung Schadstoffkomponenten in Abhängigkeit vom Luft-Kraftstoff-Verhältnis


21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
945 21

Keramik Metall
Zelldichte [cpsi] 400 600 900 400 600 800 1.000
Wand-/Folienstärke [mil/mm] 6,5 3,5 2,5 0,050 0,040 0,030 0,025
Geometrische Oberfläche [cm2/cm3] 27,3 34,4 43,7 36,8 42,9 51,6 56,0
Freier Querschnitt [%] 75 80 86,4 89,3 89,8 93,7 91,4
Hydraulischer Durchmesser [mm] 1,10 0,93 0,79 0,97 0,84 0,72 0,65
Dichte [g/cm3] 0,43 0,35 0,24 0,77 0,73 0,55 0,61

..Abb. 21.28  Substratparameter für Hochzeller- und Dünnwandsubstrate

Die temperaturabhängige Wärmekapazität ist in Regelkreis wird mittels der Lambda-Sonde eine dem
. Abb. 21.29 für Keramik im Vergleich zu Metallsub- Luft-Kraftstoff-Verhältnis proportionale Größe ge-
straten dargestellt. messen. Misst die Sonde ein zu fettes oder zu ma-
Entsprechend der Anordnung des oder der Ka- geres Abgas, wird in die eine oder andere Richtung
talysatoren im Gesamtfahrzeug werden verschiedene korrigiert. Das bedeutet, dass das Luft-Kraftstoff-

-
Katalysatorsysteme unterschieden, . Abb. 21.30.
Motornahe Position (motornaher Hauptkatalysa-
tor): Er wird durch die thermische und mechani-
sche Stabilität sowie den vorhandenen Bauraum
Verhältnis nur zeitlich gemittelt stöchiometrisch ist.
Bei deutlichen Abweichungen vom stöchiometrischen
Punkt würde der Katalysator darauf je nach Zustand
des Abgases, fett oder mager, mit HC-, CO- bezie-

- begrenzt.
Unterbodenposition: Nachteile sind niedrigere
Abgastemperatur und ungünstigere Randbedin-
hungsweise NOx-Durchbrüchen bezüglich der Kon-
vertierung reagieren. Die Oberflächenchemie der
Komponente Cer auf dem Katalysator bietet einen

- gungen für die Katalyse.


Kombination aus motornahem Vorkatalysator
und Unterbodenkatalysator: Vorteile der schnel-
len Aufheizung bei motornaher Anordnung
Ausweg, da es die Eigenschaft besitzt, Sauerstoff zu
speichern und wieder abzugeben.

Der Grundbaustein des Sauerstoffspeichers


verbunden mit möglichen größere Katalysatorvo- Da das Luft-Kraftstoff-Verhältnis ständig um λ = 1
lumina bei der Unterbodenlage, stehen höheren schwingt, ist in der einen Hälfte der Schwingung mehr
Systemkosten gegenüber. Sauerstoff vorhanden als zur Konvertierung benötigt
wird, während in der anderen Hälfte Sauerstoffman-
21.5.2.2 Der Sauerstoffspeicher gel herrscht. Darunter würde die Konvertierung des
Oxidations- und Reduktionsreaktionen bei maxi- Abgases beeinträchtigt. Aus diesem Grunde bringt
maler Konvertierung können nur dann gleichzeitig man in die katalytische Beschichtung das Element Cer
ablaufen, wenn das stöchiometrische Luft-Kraftstoff- ein, welches Sauerstoff speichern (bei Sauerstoffüber-
Verhältnis eingestellt ist. Über einen geschlossenen schuss) und wieder abgeben kann (bei Sauerstoffman-

1,2
Spezifische Wärmekapazität [J/gk]

1,1 Cordierit
1,0

0,9

0,8

0,7
Metall
0,6

0,5

0,4
0 100 200 300 400 500 600
Temperatur in °C

..Abb. 21.29 Wärmekapazität ..Abb. 21.30 Katalysatorkonzepte
946 Kapitel 21 • Abgasemissionen

gel). Formell kann man folgende Reaktionsgleichung sehr schnell zu einem drastischen Verlust der Spei-
21 aufstellen: cherfähigkeit.
Die Entwicklung stabiler Cer-Komponenten war
Ce2 O3 + 0;5 O2 ! 2 CeO2 ; (21.10) daher für den Dreiwegekatalysator wichtig. Der Stabi-
lisator besteht zum größten Teil aus Zirkonium, aber
Die ganz spezielle Eigenschaft der Oberflächenchemie auch aus weiteren Elemente der Seltenen Erden. Zwar
von Cer macht diese Speicherung möglich. Cer kann ging die verfügbare Oberfläche im Frischzustand deut-
zwei unterschiedliche Oxidationsstufen annehmen, lich zurück, circa 80 m2/g, jedoch ist sie nach Alterung
wobei der Mechanismus nach folgendem Zwischen- bei ungefähr 30 bis 40 m2/g, also um ein Vielfaches
schritt abläuft: höher wie beim nicht stabilisierten Cer. . Abb. 21.31
zeigt den Vergleich von stabilisiertem und nicht sta-
Ce4+ OCe4+ + PM ! Ce3+ Ce3+ + PM − O: (21.11) bilisiertem Cer nach einer Alterung von vier Stunden
bei 1050 °C.
Trifft nun ein Kohlenmonoxidatom auf die Ober- Erst durch diese Entwicklungsstufe konnten
fläche, kann es den gespeicherten Sauerstoff zur Oxida- motornahe Katalysatoren mit einer dem Automobil
tion aufnehmen und das Ceroxid wird dadurch redu- entsprechenden Lebensdauer verwirklicht werden.
ziert, wie in folgender Reaktionsgleichung dargestellt:
21.5.2.3 Kaltstartstrategien
2 CeO2 + CO ! CO2 + Ce2 O3 ; (21.12) Zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ab-
gasnormen ist es von entscheidender Bedeutung, den
wobei sich auch hier ein durch das Edelmetall kataly- Katalysator möglichst schnell auf Betriebstemperatur
sierter Zwischenschritt ergibt: zu bringen. Um dies zu realisieren, werden die nach-
folgend beschriebenen Katalysatorheizmaßnahmen in
CO + PM − O ! PM + CO2 : (21.13) verschiedenen Serienapplikationen verwendet. Bei den
eingesetzten Kaltstartstrategien sind aktive und passive
Die CO Konvertierung kann also direkt durch den Maßnahmen zu unterscheiden:
Sauerstoffspeicher verbessert werden. Das Gleiche gilt
auch für die NOx-Konvertierung, welche nach folgen- Elektrischer Heizkatalysator
dem Muster abläuft: Zu den aktiven Maßnahmen zählt der sogenannte
elektrische Heizkatalysator, bei dem durch Einsatz
Ce3+ Ce3+ + NO ! Ce4+ OCe4+ 0;5 N2 : (21.14) elektrischer Heizelemente der Katalysator erwärmt
wird, . Abb. 21.32. Hierfür ist eine hohe elektrische
Das Kohlenwasserstoffmolekül benötigt große Leistung vor oder während des Motorstarts notwendig,
Edelmetalloberflächen, um daran zu reagieren und die vom Bordnetz bereitgestellt wird. Berücksichtigt
wird somit nicht wie CO und NOx durch das Cer ka- werden muss, dass diese elektrische Leistung mit ei-
talysiert. nem im Kaltstart niedrigen Motorwirkungsgrad und
einem typischerweise schlechten Generatorwirkungs-
Die Entwicklung des Sauerstoffspeichers grad bei 12-V-Bordnetzspannung erzeugt werden
In den ersten Dreiwegekatalysatoren wurde Cer ohne muss. War dieses System nur zur Erreichung strenger
spezielle Stabilisatoren eingesetzt. Der Vorteil war eine Abgasnormen für große Motoren geeignet, so eröffnen
im Frischzustand sehr hohe Oberfläche und damit sich mit Einführung der 48-Volt Bordnetzspannung
Sauerstoffspeicherfähigkeit. Sobald dieser Katalysator weitere Möglichkeiten.
jedoch über einen längeren Zeitraum hohen Tempera-
turen ausgesetzt wird, nimmt diese Oberfläche rapide Sekundärluft
ab. Zum Vergleich besitzt Cer im Frischzustand eine Neben innermotorischen Maßnahmen, die Abgasen-
Oberfläche von circa 120 m2/g und nach vier Stunden thalpie zu steigern, bietet das Einblasen von Sekundär-
Alterung im Ofen bei 1050 °C geht sie zurück auf we- luft in die Auslasskanäle mit Hilfe einer elektrischen
niger als 1 m2/g. Die Verschärfung der Abgasgesetz- Pumpe die Möglichkeit, den Katalysator schnell zu
gebungen führte dazu, den Katalysator immer näher erwärmen. . Abb.  21.33 zeigt die Aufheizung des
zum Motorauslass anzuordnen. Damit wurde einer- Katalysators bei Kaltstart mit und ohne Sekundärluft-
seits ein schnelles Anspringen erreicht, andererseits einblasung. Der zusätzlich zur Verfügung stehende
kam es aufgrund der konstant hohen Temperaturen Sauerstoff begünstigt die exothermen Oxidationsreak-
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
947 21
100
Standardisier te BET Oberfläche [%]

80

60

40

20 Stab. Ceria
non Stab. Ceria
0
800 900 1000
Alterungstemperatur [°C]

..Abb. 21.31  Vergleich von nicht stabilisiertem Cer zu


stabilisiertem. Alterung 4 h bei 1050 °C im Ofen

tionen, so dass der Katalysator in wenigen Sekunden


auf Betriebstemperatur gebracht werden kann. Da das
Luft-Kraftstoff-Verhältnis des Motors beim Warmlauf ..Abb. 21.32  Elektrischer Heizkatalysator
gleichzeitig leicht fett eingestellt werden kann, wird das
Kaltabfahren verbessert.
Dreiwegekatalysators liegt, damit die gespeicherten
HC-Speicherkatalysator Kohlenwasserstoffe auch wirklich konvertiert werden
Eine weitere Möglichkeit, die HC Emissionen zu und nicht nur zeitversetzt den Abgasstrang passieren.
verringern, ist der Einsatz von HC‑Speicherkata- Dazu ist es erforderlich, dass im Moment der Freiset-
lysatoren (Trap), . Abb.  21.34. Die während des zung der Kohlenwasserstoffe genügend Sauerstoff für
Kaltstarts emittierten unverbrannten Kohlenwasser- die Oxidation zur Verfügung steht. Dies ist durch eine
stoffe werden, solange der Dreiwegekatalysator nicht geeignete Regelstrategie des Motors (vorgesteuertes λ)
arbeitet, von einem Speicherkatalysator adsorbiert. möglich. Derzeit wird der Einsatz von Speicherkataly-
Nach Anspringen des Dreiwegekatalysators werden satoren durch die Temperaturstabilität der Speicher-
diese wieder freigegeben und anschließend konver- materialien begrenzt. Die Temperaturstabilität der
tiert. Wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit eingesetzten Zeolithe liegt deutlich unterhalb der eines
dieses Systems ist, dass die Desorptionstemperatur Dreiwegekatalysators.
des Speichers oberhalb der Anspringtemperatur des

800

700

600

500
Temperatur [°C]

400

300

200 ohne Sekundärluft

100 mit Sekundärluft

0
0 50 100 150 200 250
Zeit [s]

..Abb. 21.33  Temperaturverlauf im Katalysatorbett mit/ohne Sekundärluft


948 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21 Rohemissionen
Emissionen nach TWC
Emissionen nach TWC + HC Trap
HC Emissionen [a.u.]

0 10 20 30 40 50 60 70 80
Zeit [s]

..Abb. 21.34  HC-Emissionen mit HC-Trap

21.5.2.4 Deaktivierungseffekte Einige Katalysatoren werden in diesem hochakti-


und ihre Auswirkung ven Zustand gebaut; allerdings sind sie extrem instabil,
Eine der Hauptursachen der Katalysatordeaktivierung da sie unter Wärmezufuhr leicht zu größeren Kristallen
ist die Atmosphäre, welcher der Katalysator ausgesetzt zusammenwachsen. Aus diesem Wachstum resultiert
ist. Abgastemperaturen jenseits von 900 °C sind keine eine Verringerung der katalytischen Oberfläche. Des
Seltenheit und werden vor allem durch motornahe Weiteren unterliegt der Aluminiumoxidträger mit sei-
Einbaulagen gefördert. Eine weitere Deaktivierung er- ner enormen inneren Oberfläche, aufgebaut aus einem
folgt durch Kraftstoff oder Motoröl im Abgas, die bis Netzwerk von Poren, ebenfalls einem Sinterungspro-
auf wenige Ausnahmen, ebenso wie die thermische zess. Die Folge daraus ist der Verlust an innerer Ober-
Alterung, nicht reversibel ist. fläche. Ein weiterer Deaktivierungsmechanismus wird
durch die Wechselwirkung der katalytischen Spezies
Thermisch bedingte Deaktivierung mit dem Trägermaterial beschrieben. Die Legierungs-
In einem perfekt dispergierten Katalysator ist jedes bildung führt zu geringkatalytisch aktiven Spezies. Alle
Atom (oder Molekül), welches an der Umsatzreaktion zuvor beschriebenen Prozesse werden durch die Natur
teilnimmt, wie in . Abb. 21.35 dargestellt, leicht zu- der Edelmetalle, das verwendete Trägermaterial und
gänglich. die Abgasumgebung beeinflusst, vor allem aber durch
hohe Temperaturen.

Die Edelmetall-Sinterung  Hochdispergierte katalyti-


sche Spezies unterliegen dem natürlichen Zwang, sich
unter Zuführung von Wärme zu Kristallen zusammen-
zuschließen. Bei diesem Prozess wachsen die Kristalle,
das Verhältnis Oberfläche zu Volumen wird kleiner
und weniger katalytisch aktive Atome oder Moleküle
sind an der Kristalloberfläche für die Reaktanten ver-
fügbar. Damit geht die Leistungsfähigkeit zurück. In
. Abb. 21.36 wird das Phänomen durch eine einfache
Prinzipskizze verdeutlicht. Das zuerst fein verteilte
Edelmetall wächst unter Zufuhr von Wärme zu Kris-
tallen oder Agglomeraten zusammen.
..Abb. 21.35  Prinzipskizze eines ideal dispergierten Der Verlust der Leistungsfähigkeit auf Grund
Katalysators auf einem Aluminiumoxidträger der Edelmetallsinterung bei Automobilabgaskata-
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
949 21

..Abb. 21.36  Prinzipskizze der Edelmetallsinterung


auf einem Träger

lysatoren ist bedeutend. Der Einsatz verschiedener


Elemente der Gruppe der Seltenen Erden wird in der
Abgasnachbehandlung mit Erfolg zur Stabilisierung
der Edelmetalle eingesetzt. Der genaue Mechanis-
mus der Stabilisierung ist noch nicht vollkommen
erforscht, es scheint jedoch, als ob die Stabilisatoren
das Edelmetall an der Oberfläche fixieren und somit ..Abb. 21.37  Konvertierung als Funktion der Eintritt-
seine Mobilität vermindern. stemperatur für unterschiedliche Deaktivierungsme-
chanismen
Die Trägermaterial-Sinterung  Innerhalb einer ge-
gebenen Kristallstruktur (zum Beispiel γ-Al2O3) ist
der Verlust an Oberfläche verbunden mit dem Ver- < 10 m2/g. Der Konvertierungs-/Temperatur-Graph
lust von H2O und einem allmählichen Verlust der unterliegt in diesem Fall gewöhnlich einem Verlust
Porenstruktur, wie in . Abb. 21.38 dargestellt. Wenn an Aktivität.
der Sinterungsprozess abläuft, kommt es nach und In der Gegenwart bestimmter Elemente der 3. und
nach zu einer Verkleinerung der Porenöffnungen, 4. Hauptgruppe in oxidierter Form kann man den Sin-
was zu einer Erhöhung des Porendiffusionswider- terungsprozess mancher Trägermaterialien verlangsa-
standes führt. Eine chemisch kontrollierte Reaktion men. Man nimmt an, dass sie Feststoffverbindungen
könnte somit allmählich durch die Porendiffusion mit dem Träger bilden und somit die, für die Sinterung
limitiert werden. Das Auftreten dieses Phänomens maßgeblich verantwortliche Oberflächenreaktivität
ist entscheidend durch einen progressiven Verlust vermindern.
der Aktivierungsenergie der entsprechenden Reak-
tion geprägt. Im Konvertierungs-/Temperatur-Graph Edelmetall/Trägeroxid Wechselwirkung  Die Re-
in . Abb. 21.37 nimmt die Steigung der Kurve nach aktion der katalytisch aktiven Komponente mit dem
und nach ab. Träger kann der Grund einer Deaktivierung sein, wenn
Im Extremfall sind die Poren vollkommen ge- das Produkt eine geringere Aktivität besitzt als die ur-
schlossen und die katalytisch aktiven Plätze im Innern sprünglich fein verteilte Spezies. Unter Hochtempera-
der Pore sind für die Reaktanten nicht mehr zugäng- tur und mageren Abgasbedingungen reagiert Rh2O3
lich, . Abb. 21.38. zum Beispiel an der großen, hochaktiven Oberfläche
Ein weiterer Mechanismus der Trägeroxidum- des Al2O3 und bildet ein inaktives Mischoxid.
wandlung basiert auf der Umwandlung der Kristall- Dieser Vorgang beschreibt einen wichtigen Me-
struktur zum Beispiel γ-AL2O3 zu δ-AL2O3. chanismus bezüglich der Deaktivierung der NOx-Re-
Damit erfolgt ein signifikanter schrittweiser duktionsaktivität. Man nimmt an, dass die Reaktion
Verlust an innerer Oberfläche von circa  150 zu prinzipiell nach folgendem Schema abläuft:
< 50 m2/g. Gleiches beobachtet man bei einem von
Anatase- zur Rutil-Struktur umgewandelten TiO2, 800ı Luft
die Oberfläche verringert sich von circa 60 m2/g zu Rh2 O3 + Al2 O3 −−−−−−−−−! Rh2 Al2 O4 : (21.15)
950 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.38  Prinzipskizze der Trägermaterial-Sinte- ..Abb. 21.39  Prinzipskizze der selektiven Vergiftung


rung von aktiven Zentren

Da die Aktivität des Katalysators beeinträchtigt ist, sind reversibel und die katalytische Aktivität kann
verschiebt sich die Kurve in Richtung höherer Tem- durch Wärmezufuhr, waschen oder durch Entfer-
peraturen mit einer signifikanten Steigungsänderung. nen der schädlichen Komponente aus dem Prozess-
Diese unerwünschte Reaktion führte zur Entwicklung strom wieder hergestellt werden. Sind aktive Zentren
alternativer Trägeroxide wie SiO2, ZrO2, TiO2 und direkt blockiert, führt das immer zu einer höheren
ihrer Kombinationen. Das Problem der negativen Anspringtemperatur. Das Konvertierung/Tempera-
Wechselwirkung kann durch das Verwenden dieser tur Diagramm wird ähnlich aussehen wie das für die
alternativen Trägeroxide gelöst werden; allerdings sind Edelmetallsinterung.
sie sehr oft nicht so stabil gegenüber dem Sinterungs- Reagiert jedoch das Trägeroxid mit einem Bestand-
prozess. teil aus dem Gasstrom und bildet eine neue Verbin-
dung, wie im Fall von Al2(SO4)3, werden die Poren im
Deaktivierung durch Vergiftungseffekte Allgemeinen nahezu blockiert, was zu einer Erhöhung
Eine weitere Ursache der Katalysator-Deaktivierung ist des Diffusionswiderstandes führt, . Abb. 21.40. Die
gegeben durch schädliche Substanzen aus dem Abgas Aktivierungsenergie sinkt und die Anspringkurve wird
oder den Maschinen, die die Katalysatorschicht auftra- sich in Richtung höherer Temperaturen verschieben
gen. Man unterscheidet zwischen selektiver Vergiftung bei gleichzeitig geringerer Steigung, sprich schlechte-
und nicht-selektiver Vergiftung, bei der sich Verunrei- rem Umsatz, . Abb. 21.37.
nigungen auf oder im Katalysatorträgermaterial abla-
gern und aktive Zentren und Poren verschließen. Das
Ergebnis ist eine Abnahme der Leistungsfähigkeit auf 21.5.3 Katalysatorkonzepte
Grund schwer zugänglicher aktiver Zentren. für Magermotoren

Die selektive Vergiftung Reagiert eine chemische Konventionelle Ottomotoren werden mit einem homo-
Spezies direkt mit den aktiven Zentren, spricht man genen Luft-Kraftstoff-Gemisch betrieben, das außer-
von selektiver Vergiftung. Dieser Prozess hat direk- halb des Brennraumes im Ansaugtrakt erzeugt wird.
ten Einfluss auf die Aktivität oder Selektivität einer Prinzipbedingt muss ein solcher Ottomotor bei Teillast
gegebenen Reaktion (. Abb.  21.39). Einige dieser in der Gemischzufuhr gedrosselt werden. Diese Dros-
Elemente oder Moleküle reagieren mit katalytischen selverluste, sowie die anschließenden Auswirkungen
Komponenten, indem sie chemische Verbindungen der geringeren Zylinderfüllung auf den thermodyna-
eingehen (zum Beispiel Pb, Hg, Cd, etc.); eine inaktive mischen Prozess, sind die Hauptursachen der starken
Legierung wird gebildet. Dieser Vorgang ist irrever- Wirkungsgradabnahme beim Ottomotor zu niedri-
sibel und führt zu einer permanenten Deaktivierung geren Motorlasten hin. Diese äußert sich im deutlich
des Katalysators. Andere adsorbieren (oder genauer höheren Teillastverbrauch des Ottomotors gegenüber
chemisorbieren) nur an der katalytischen Kompo- dem Dieselmotor.
nente (zum Beispiel SO2 auf Pd) und blockieren sie Der Wirkungsgrad des Ottomotors in der Teillast
somit für weitere Reaktionen. Diese Mechanismen lässt sich durch überstöchiometrischen Motorbetrieb
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
951 21
N=O N O
Katalysator
+ +
N=O N O
..Abb. 21.41  Reaktionsschema des direkten NO-
Zerfalls

21.5.3.1 Möglichkeiten zur NOx-


Reduktion im mageren Abgas
Derzeit sind unterschiedliche grundlegende Lösungs-
..Abb. 21.40  Prinzipskizze der nicht-selektiven Ver- ansätze für die Umwandlung von Stickoxiden bekannt,
giftung von aktiven Zentren aus denen sich verschiedene Möglichkeiten der NOx-
Reduktion im mageren Abgas ableiten lassen. Die
einzelnen Technologien können in folgende Gruppen
erheblich steigern. Um hierbei möglichst vollständig eingeteilt werden und wurden unter anderem in [20]
auf eine Drosselung verzichten zu können, muss das
Gemisch sehr stark abgemagert, das heißt der Motor
--
diskutiert.
direkter NO-Zerfall,
mit sehr hohem Luftüberschuss betrieben werden. Die
Zündfähigkeit der zylinderexternen homogenen Ge-
mischbildung setzt einer weitgehenden Abmagerung
und damit Entdrosselung Grenzen. Durch direkte
-- Plasma-Technologien,
selektive katalytische Reduktion (SCR),
NOx-Speicherkatalysatoren.

Einspritzung des Kraftstoffs in den Brennraum, in Direkter NO-Zerfall


Kombination mit Ladungsschichtung, ist eine weitere, Das Reaktionsschema des direkten Zerfalls von NO in
weitreichende Entdrosselung realisierbar. Die mit dem Stickstoff und Sauerstoff ist in . Abb. 21.41 dargestellt.
Magerbetrieb verbundene Wirkungsgraderhöhung Katalysatoren, die in der Lage sind, NO direkt in
führt zu einer Verringerung des Kraftstoffverbrauchs. N2 und O2 umzuwandeln, wären das ideale Produkt
Unabhängig davon, ob das Gemisch extern oder für eine Anwendung sowohl in Otto-Magermotoren
intern (Direkteinspritzung) gebildet wird, liegt im als auch in Dieselmotoren. Zur Umsetzung dieser
Abgas des magerbetriebenen Ottomotors Sauerstoff- Technologie in einen praktischen Anwendungsfall
überschuss vor. Dadurch wird die Umwandlung von bedarf es einer revolutionären Erfindung. Obwohl die
Schadstoffen im mageren Abgas erheblich erschwert. NO-Zersetzung thermodynamisch bevorzugt wird
Bei konventionellen Ottomotoren, die stöchiometrisch und obwohl die grundlegende Chemie in Forschungs-
betrieben werden, ist eine nahezu vollständige Konver- und Entwicklungslabors dargestellt wurde [21], ist
tierung der Schadstoffkomponenten wie Kohlenwas- die Übertragung auf einen praktischen Motor- bezie-
serstoffe (HC), Kohlenmonoxid (CO) und Stickoxide hungsweise Fahrzeugbetrieb bis heute nicht gelungen.
(NOx) durch die bekannte Dreiwegetechnologie mög-
lich. Bei mager betriebenen Ottomotoren steht dem Plasma-Technologien
die Reaktionskinetik entgegen, wodurch am Katalysa- In seiner einfachsten Ausbildung arbeitet das Plasma-
tor infolge der höheren Reaktionsgeschwindigkeiten System mit einer Wechselspannung, die zwischen zwei
bevorzugt HC und CO umgewandelt werden. Für die Metallelektroden anliegt, wovon eine mit einem nicht
NOx-Reduktion fehlen dann die bereits zuvor umge- leitenden Werkstoff überzogen ist. Hierbei auftretende
wandelten Reaktionspartner. Aus diesem Grunde sind stille Entladungen bestehen aus Mikroentladungen im
Techniken erforderlich, die eine effiziente Abgasnach- Mikrosekundenbereich, auf die durch chemische Ver-
behandlung, insbesondere der Stickoxide, in magerer bindungs- und Neukombinationsprozesse ein Zerfall
Atmosphäre erlauben. Geringere Abgastemperaturen aller entstandenen reaktiven Gruppen folgt. Die da-
stellen hierbei eine zusätzliche Herausforderung an die durch entstehenden Plasmen weisen einen Zustand
Abgasnachbehandlung dar. innerer Energieungleichgewichtsverteilung mit hohen
Elektronen-Temperaturen zwischen 104 bis 106 K auf
sowie ein niedrigkinetisches Gas, das typischerweise
im Bereich von 300 bis 1000 K liegt.
952 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Passive SCR
21 CO2
Reduktionsmittel
Motorabgas mit + Katalysator N2
NOx
H2O

Aktive SCR

Reduktionsmittel CO2

Motorabgas Katalysator N2

H2O

..Abb. 21.42  Unterschied zwischen passiver und aktiver SCR

Das Plasma besteht aus einer Anreihung von Elek- liche Einbringung von Reduktionsmitteln benötigen
tronen und aus angeregten Radikalen und Ionen sowie (. Abb. 21.42 oben).
aus Photonen. Wegen der inneren Energieungleichge- Unter aktiven SCR-Katalysatoren werden dement-
wichtsverteilung in diesen Plasmen können chemische sprechend solche verstanden, bei denen die Redukti-
Reaktionen über nicht-thermische Kanäle ablaufen, onsmittel nach der eigentlichen Verbrennung in den
die stark endotherme Reaktionen erlauben [22]. Die Abgasstrang vor dem Katalysator eingebracht werden
zwei erwünschten Reaktionen zur Reduktion von NO (. Abb. 21.42 unten).
in einem Plasma laufen dort neben einer Vielzahl wei-
terer Reaktionen ab [23]. Passive SCR-Katalysatoren (. Abb. 21.43)  Diese Ka-
talysatoren verwenden die im Abgas vorhandenen
Reaktionspartner Produkte Kohlenwasserstoffe zur Reduktion von NOx, wobei
die Reaktionsprodukte N2, CO2 und Wasser entste-
e + N2 ! e + N + N (21.16) hen. Grundlagenarbeit auf diesem Gebiet ist in [21],
[24] und [25] beschrieben. Die auf Cu-ZSM-5-Zeoli-
then basierenden Katalysatoren zeigen eine sehr gute
N + NO ! N2 + O (21.17) Frischaktivität. Die Dauerhaltbarkeit ist jedoch pro-
blematisch [26, 27]. Eine Verschlechterung der NOx-
Laborprototypen mit heterogenen Katalysatoren in Konvertierung ist hauptsächlich auf den im Kraftstoff
Plasmafeldern wurden mit unterschiedlichen Resultaten enthaltenen Schwefel und thermische Alterung bei
in Motorabgasen getestet. Inwieweit diese Technologie Anwesenheit von Wasser zurückzuführen.
zu einer serienreifen Anwendung beim Otto-Magermo- Ein weiteres Beispiel ist ein passiver SCR-Iri-
tor gelangt, ist derzeit noch ungewiss. Ein wichtiges Kri- dium-Katalysator mit nachgeschaltetem Dreiwege-
terium für das Erfolgspotenzial des Plasmaverfahrens katalysator, wie schematisch in . Abb. 21.43 [9]. Zu
ist unter anderem die benötigte Energie zur Erzeugung dem Ir-Katalysator ist zu erwähnen, dass im Neuzu-
der Plasmen und der damit verbundene Kraftstoffver- stand geringere NOx-Konvertierungsraten vorliegen
brauchsnachteil, sowie die NOx-Reduktion bei im Mo- als zum Beispiel bei Speicherkatalysatoren. Dafür ist
torabgas herrschenden Raumgeschwindigkeiten. eine deutlich größere Schwefeltoleranz vorhanden.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei Anwendung
Selektive Katalytische Reduktion (SCR) eines passiven SCR-Katalysators kein krümmernaher
Als „Selektive Katalytische Reduktion“ wird die NOx- Vorkatalysator zur Verringerung der Kaltstart HC-
Umwandlung in „magerer“ Atmosphäre über speziell Emissionen verwendet werden kann, da dieser auch
abgestimmte Katalysatoren bezeichnet. Die notwen- im betriebswarmen Zustand die zur NOx-Reduktion
dige Zugabe geeigneter Reduktionsmittel ergibt die benötigten Kohlenwasserstoffe konvertiert [29, 30].
Endprodukte N2, CO2 und H2O. Den HC-Emissionen in der Nach-Kaltstart-Phase
Der Begriff passive SCR steht für Katalysatoren, muss daher durch andere geeignete Maßnahmen
die zur NOx-Reduktion ausschließlich im Abgas vor- begegnet werden. Einer Verringerung der Kat-An-
handene Bestandteile verwenden, also keine nachträg- springzeit im Testzyklus durch krümmernähere An-
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
953 21
Ammoniak (NH3)

Magermotor

NOx H2O
Co2 NH3 N2
Abgas Katalysator
NOx H2O
N2 NH3
N2

H2O
..Abb. 21.44  Prinzipskizze für aktives SCR-System
SCR-Kat. Drei-Wege-Kat.

..Abb. 21.43  Schema für ausgeführtes passives SCR- peratur anzupassen und darf gleichzeitig nicht zu den
System NOx Fahrzeug-Emissionen beitragen. Die maximale Tem-
peraturfestigkeit der Katalysatoren erscheint für eine
ordnung sind in der Praxis Grenzen auf Grund der Anwendung im Otto-Magermotor nicht ausreichend.
Temperaturstabilität des Ir-Katalysators [31] gesetzt. Sie liegt zum Beispiel für den bereits erwähnten Vana-
dium-Titan-Katalysator bei circa 650 °C. Die Kosten
Aktive SCR-Katalysatoren  Die aktive selektive kataly- des Gesamtsystems mit Einspritzdüsen, Speicherbe-
tische Reduktion erfordert eine effiziente Vermischung hälter, Verschlauchung, On-Board-Diagnose und so
der Stickoxide mit dem zusätzlich eingebrachten Reduk- weiter müssen ebenso in Betracht gezogen werden,
tionsmittel vor dem Katalysatoreintritt (. Abb. 21.44). wie die noch nicht vorhandene Infrastruktur für die
Als Reduktionsmittel werden zum Beispiel Ammoniak Reduktionsmittelbetankung. Die Aussichten für eine
oder Harnstoff eingesetzt. Diese Technologie arbeitet erfolgversprechende Umsetzung bei Benzin-Mager-
mit hohem Wirkungsgrad bei stationären Anwendun- motoren sind daher eher niedrig bis mäßig.
gen, wie zum Beispiel energieerzeugenden Anlagen, bei
denen die chemischen Reaktionen in einem schmalen NOx-Speicherkatalysatoren
Arbeitsfenster aus Temperatur, Strömungsgeschwin- Die derzeit aussichtsreichste Methode zur Verminde-
digkeit und NOx-Konzentration stattfinden. Bei diesen rung der NOx-Emissionen im Abgas von Magermo-
Anwendungen dient Ammoniak als Reduktionsmittel, toren ist die Verwendung von NOx-Speicherkatalysa-
welches N2 und H2O erzeugt. toren, auch NOx-Adsorber oder NOx-Trap genannt
Der Arbeitstemperaturbereich der gewünschten [14–17]. Da erste Serienanwendungen [18, 19] in der
chemischen Reaktionen hängt vom jeweiligen Kata- Abgasnachbehandlung bei Pkw mit Otto-Magermo-
lysator ab. Vanadium-Titan-Katalysatoren arbeiten toren auf dieser Technologie basieren, wird auf die
zwischen circa 210 und 440 °C am effizientesten. Bei NOx-Speicherkatalysatoren im folgenden Kapitel aus-
niedrigeren Temperaturen wird der Katalysator von führlicher eingegangen.
Ammoniumsulfaten beeinträchtigt und bei höheren
Temperaturen oxidiert der Katalysator Ammoniak zu 21.5.3.2 Der NOx-Speicherkatalysator
NO. Das obere Temperaturlimit bei Verwendung von Das Funktionsprinzip ist schematisch in . Abb. 21.45
Ammoniak liegt bei circa 600 °C. Für den Einsatz in dargestellt und kann durch vier grundlegende Schritte
einem Ottomotor mit Direkteinspritzung ist Harnstoff zur Umwandlung von NOx in N2 beschrieben werden.
(eine NH3-Verbindung) das aussichtsreichste Reduk- Während des Magerbetriebs wird das im Motor-
tionsmittel, das bei Einspritzung in das Abgas zu Am- abgas enthaltene NO am Edelmetall des Katalysators
moniak und Kohlendioxid zerfällt. Harnstoff hat den durch Reaktion mit Sauerstoff oxidiert und bildet NO2.
Vorteil, dass kein gasförmiges Ammoniak im Fahrzeug
mitgeführt werden muss. 1
NO + O2 ! NO2
Bei einem erfolgreichen Einsatz von SCR in Pkw 2  (21.18)
mit Ottomagermotoren müssen noch viele Problem-
punkte gelöst werden [13]. Unter instationären Bedin- Das NO2 reagiert anschließend mit im Katalysator
gungen muss die richtige Menge an Reduktionsmitteln eingelagerten Metalloxiden, die als Speichermateria-
durch ein Kontrollsystem bereitgestellt werden, ohne lien verwendet werden, unter Bildung eines entspre-
dass „NH3-Durchbrüche“ auftreten. Die Eindüsung chenden Speichermaterial-Nitrates.
in das Abgas ist an den stark schwankenden NOx-
Gehalt, die Strömungsgeschwindigkeit und die Tem- NO2 + MeO ! Me − NO3 (21.19)
954 Kapitel 21 • Abgasemissionen

MAGER FETT
21 O2
NO2
Kraftstoff N2
NO

NO2 NO2 NO2

NO CO HC
Speicher- Speicher-
material material
Pt
Pt Ptt
P

Speicherung Re generation

..Abb. 21.45  Modellbeispiel der NOx-Speicherung und Regeneration

Da diese Reaktion nicht katalytisch, sondern NOx-Speicherfähigkeit, NOx-Regenerationsfähigkeit,


stöchiometrisch verläuft, wird der Speicherwerkstoff Arbeitstemperaturbereich und so weiter stellen zu-
dadurch „verbraucht“. Mit zunehmender gespeicher- nächst Eigenschaften des NOx-Adsorbers hinsichtlich
ter NO2-Menge sinkt die Effektivität der Nitratbil- seiner Konvertierungsleistung im Neuzustand dar. Die
dung. Es wird ein Sättigungszustand erreicht. Zur maximale Temperaturstabilität und Schwefelresistenz/-
Aufrechterhaltung einer hohen Speichereffektivität Regenerierbarkeit stellen darüber hinaus Eigenschaf-
muss daher der Speicherwekstoff periodisch regene- ten hinsichtlich der Dauerhaltbarkeit dar.
riert werden. Dazu schaltet man kurzfristig auf unter-
stöchiometrischen („fetten“) Motorbetrieb um. Unter NOx-Speicherfähigkeit
„fetten“ Betriebsbedingungen ist die Temperatursta- und -Regenerationsfähigkeit
bilität des Nitrates geringer als im Magerbetrieb, so . Abb. 21.46 zeigt die typischen Einspeicherverläufe
dass es zu einem Zerfall des Nitrates in NO und MeO zweier NOx-Adsorberkatalysatoren. Nach einer Spei-
kommt. cherentleerung startet der Speichervorgang mit hohem
Wirkungsgrad, der dann mit zunehmendem Füllungs-
1 grad absinkt. Um zwischen zwei Regenerationen mög-
Me − NO3 ! MeO + NO + O2
2 (21.20) lichst lange im verbrauchsarmen Magerbetrieb fahren
zu können, ist das Entwicklungsziel eine möglichst
Das dabei freigesetzte NO wird anschließend mit- hohe NOx-Speicherfähigkeit bei hohen Wirkungsgra-
hilfe der unter „fetten“ Betriebsbedingungen ebenfalls den. In . Abb. 21.46 zeigt Katalysator B eine höhere
vorhandenen Reduktionsmittel HC und CO zu N2 Speicherkapazität als Katalysator A.
konvertiert. Da zur Einhaltung der Euro-4-Abgasgrenzwerte
je nach Anwendung Wirkungsgrade von über 90 %
1 notwendig sind, kann der NOx-Speicher in der Praxis
NO + HC=CO ! N2 + H2 O=CO2
2 (21.21) nicht bis zur Vollspeicherung ausgenutzt werden, son-
dern muss bereits vorher wieder regeneriert werden.
Für den Fahrzeugeinsatz sind Anforderungen Dazu wird, wie bei der Beschreibung der Funkti-
an einen NOx-Speicherkatalysator ableitbar, die be- onsweise erwähnt, kurzzeitig auf Motorfettbetrieb um-
stimmte Eigenschaften erfordern. Wesentliche Krite- geschaltet, wobei das beim Nitratzerfall entstehende
rien zur Beurteilung der Qualität und der Anwendbar- NOx mit Hilfe der Reduktionsmittel HC und CO zu

--
keit von NOx-Adsorbern sind:
NOx-Speicherfähigkeit,
N2 konvertiert wird. Um den Fettbetrieb wegen des
entstehenden Kraftstoffverbrauchsnachteils möglichst

- NOx-Regenerationsfähigkeit,
Arbeitstemperaturbereich für NOx-Speicherung/
kurz zu halten, ist eine effiziente Ausnutzung der Rege-
nerationsmittel angestrebtes Entwicklungsziel.

-- Regeneration,
HC-/CO-Konvertierung bei Magerbetrieb,
. Abb. 21.47 zeigt die NOx-Wirkungsgrade zweier
Katalysatoren in einem Motorprüfstandszyklus mit

--
Konvertierungen im Lambda = 1 Betrieb,
maximale Temperaturstabilität,
Schwefelresistenz/Schwefelregenerierbarkeit.
60-Sekunden-Mager- und 2-Sekunden-Fettphase.
Dabei wird ein gut regenerierbarer Katalysator aktu-
ellen Entwicklungsstandes mit einem schlechter rege-
nerierbaren Katalysator älteren Entwicklungsstandes
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
955 21
100
Testbedingungen:
90
RG = 40 k/h
80 Temperatur
Kat-Eintritt = 350 °C
λ = 1,30
70
NOx-Wirkungsgrad [%]

NOx-Konz = 350 ppm


Krst.-Schwefel = 50 ppm
60

50

40

30

20 Kat A

10 Kat B

0
gespeicherte NOx- Masse

..Abb. 21.46 NOx-Einspeicherverläufe zweier Katalysatoren bei 350 °C

verglichen. Der gut regenerierbare Kat kann trotz hö- Temperaturbereich für NOx-Speicherung
herer NOx-Speicherfähigkeit, erkennbar am höheren und -Regeneration
Wirkungsgrad im ersten Magerzyklus, in den 2 s Fett- Beim Einsatz eines NOx-Speicherkatalysators im Fahr-
betrieb vollständig regeneriert werden. Demgegenüber zeug-Unterbodenbereich sind im europäischen Abgas-
wird bei dem „schlechten“ Kat bei gleicher Betriebs- test je nach Applikation Kat-Eintrittstemperaturen von
weise der NOx-Speicher während der Fettspitze nur unter 300 °C (ECE-Bereich) bis über 500 °C (EUDC-
unvollständig ausgeräumt, was Zyklus für Zyklus zu Bereich) zur erwarten. Daher ist der Temperaturbe-
einem Wirkungsgradabfall führt. reich, in dem sich mit NOx-Speicherkatalysatoren im
zyklischen Speicher- und Regenerationsbetrieb solche
Wirkungsgrade realisieren lassen, von besonderem Inte-
resse. Er begrenzt neben den motorseitigen Einschrän-
kungen auch den Kennfeldbereich, in dem der Motor
100 10

90 9

80 8

70 7
NOx-Wirkungsgrad [%]

60 6
λ [-]

50 5
schlecht
40 regenerierbar Testbedingungen: 4
gut Temperatur
30 regenerierbar Kat-Eintritt = 350 °C 3
60s mager, 2 s fett
λ λ = 1,30 / 0,85
20 2

10 1

0 0
0 100 200 300 400 500 600
Zeit [Sekunden]

..Abb. 21.47 NOx-Speicherregeneration verschiedener Katalysatoren


956 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Vermessung ohne Vorkatalysator


21 Mittlerer NOx-Wirkungsgrad über 8-Zyklen mager/fett 60/2 s
100
90
80
NOx-Wirkungsgrad [%]

70
60
50
Testbedingungen:
40
Raumgeschw. = variabel
30 Zeit mager/fett = 60/2 s
60s mager, 2 s fett Barium- Kat
20
λ = 1,30 / 0,80
Schwefelgehalt = 30 ppm Kalium- Kat
10
0
200 250 300 350 400 450 500 550 600 650
Kat- Eintrittstemperatur [°C]

..Abb. 21.48  Arbeitstemperaturbereich von NOx-Adsorbern im Neuzustand

verbrauchsarm mager betrieben werden kann und soll Kalium, sinken die Wirkungsgrade des Ba-Katalysators
daher aus Anwendersicht möglichst breit sein [18] . bei Temperaturen oberhalb 400 °C bereits ab, während
In . Abb. 21.48 sind die unterschiedlichen NOx- sich mit einem Kalium-Katalysator auch bei 500 °C
Wirkungsgradverläufe zweier Katalysatoren im Neuzu- noch über 90 % Wirkungsgrad ergibt, . Abb. 21.48.
stand (Edelmetallgehalt 125 g/cu.ft.) in einem Motor-
prüfstandstest mit 60 s-Mager- und 2 s-Fettphase über Dreiwegeeigenschaften und HC/CO-
der Kat-Eintrittstemperatur dargestellt. Konvertierung im Magerbetrieb
Die Wirkungsgrade bei niedrigen Temperaturen Grundsätzlich können NOx-Speicherkatalysatoren
werden durch das „Anspringen“ des Katalysators be- vergleichbar gute Dreiwegeeigenschaften und HC/
grenzt, in diesem Fall die Fähigkeit des Edelmetalls, CO-Konvertierungen im Magerbetrieb aufweisen wie
NO zu NO2 zu oxidieren. Die obere Temperaturgrenze heutige Dreiwegekatalysatoren. Die HC-Aktivität wird
wird im Wesentlichen durch die Stabilität der gebildeten allerdings negativ beeinflusst, wenn als NOx-Speicher-
Nitrate beschränkt, das heißt, die Eigenschaft des Spei- komponente sehr stark basische Werkstoffe, wie zum
chermaterials auch bei höheren Temperaturen thermo- Beispiel Kalium, verwendet werden [20].
dynamisch stabile Nitrate zu bilden [16]. Da Barium als In . Abb. 21.49 sind die Konvertierungen eines
NOx-Speichermaterial nicht so stabile Nitrate bildet wie Barium- und eines Kalium-NOx-Speicherkats mit de-
Katalysatoren 25 h gealtert, Schubabschaltung 820 °C
100
95
90
85
80
Conversion [%]

75 Dreiwege-Kat
70 Ba-NOx-Trap Kat
65 K-NOx-Trap Kat

60
55
50
HC CO HC CO NOx
λ = 1,5 λ = 1,0
350 °C 350 °C

..Abb. 21.49  HC-/CO-Konvertierung im Magerbetrieb und bei Lambda = 1-Betrieb


21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
957 21
Vermessung ohne Vorkat
Mittlerer NOx-Wirkungsgrad über 8-Zyklen mager/fett 60/2 s
100
1 h Stab. 650 °C
90
25 h stöchiom. 820 °C
80 50 h stöchiom. 820 °C
NOx-Wirkungsgrad [%]

70 25 h Schubabschaltung 820 °C
60 50 h Schubabschaltung 820 °C
50
Testbedingungen:
40
Raumgeschw. = 40/60 k/h
30 Zeit mager/fett = 60/2 s
20 λ = 1,30 / 0,80
Schwefelgehalt = 30 ppm
10
0
200 250 300 350 400 450 500 550
Kat- Eintrittstemperatur [°C]

..Abb. 21.50  Einfluss verschiedener Alterungen auf den Arbeitstemperaturbereich eines Barium NOx-Adsorbers

nen eines heutigen Dreiwegekatalysators verglichen. cherwerkstoffs, der diese Wechselwirkung mit dem
Im linken Teil des Bildes sind die Konvertierungen im Washcoat nicht eingeht. Hierbei zeigen Ergebnisse mit
homogenen Magerbetrieb bei Lambda 1,5 und 350 °C Kalium als Speichermaterial eine deutlich höhere Alte-
Eintrittstemperatur dargestellt, im rechten Teil des rungsstabilität im Vergleich zu Barium-Katalysatoren.
Bildes die Konvertierungen im Lambda = 1 geregelten . Abb. 21.51 zeigt einen Vergleich beider Technolo-
Betrieb bei 450 °C. gien in einer Hochtemperaturalterung mit Schubab-
schaltung bei 850 °C Katalysatoreintritt.
Temperaturstabilität Die jeweilige Speicherkapazität der einzelnen
In . Abb. 21.50 ist der Einfluss verschiedener Alte- Technologien im Neuzustand ist als Bezugsgröße
rungsbedingungen auf einen NOx-Adsorberkatalysa- auf 100 % gesetzt. Ausgehend vom Neuzustand zeigt
tor mit Barium als Speicherwerkstoff dargestellt. Aus- die Ba-Technologie mit steigender Alterungsdauer
gangsbasis ist ein eine Stunde bei 650 °C, Lambda = 1 eine stetige Abnahme der verbleibenden NOx-Spei-
stabilisierter Katalysator. Nach 25 h stöchiometrischer cherkapazität. Nach 50 h ist der Barium-Katalysator
Motorprüfstandsalterung bei 820 °C im Katalysator- weitgehend deaktiviert. Im Gegensatz hierzu zeigt die
bett zeigt sich eine Verringerung der NOx-Aktivität Kalium-Technik eine deutlich höhere verbleibende
über den gesamten Arbeitstemperaturbereich, die NOx-Speicherfähigkeit. Zwar zeigt diese nach 25 h
sich jedoch bei Fortsetzung der Alterung auf 50 h nicht Alterungsdauer auch einen deutlichen Rückgang,
mehr weiter verändert. Die Deaktivierung ist auf eine entscheidend ist aber die weitgehende Erhaltung der
temperaturbedingte Sinterung des Washcoats, der da- verbleibenden Speicherkapazität bei fortschreitender
rin enthaltenen Edelmetalle und der NOx-Speicher- Alterungsdauer.
komponente zurückzuführen. Zusätzlich zu diesem deutlichen Vorteil in der ma-
Eine Alterung unter stöchiometrischen Bedingun- ximalen Temperaturstabilität besitzen Kalium-Kataly-
gen bei der selben Temperatur aber mit periodischen satoren, wie im Abschnitt Temperaturbereich bereits
Schubabschaltungsphasen führt demgegenüber zu ei- erwähnt, ein zu höheren Temperaturen erweitertes
ner wesentlich stärkeren Deaktivierung des Katalysa- Arbeitstemperaturfenster für die NOx-Speicherung
tors, die sich mit zunehmender Alterungsdauer auch und -regeneration.
weiter fortsetzt. Ursachen hierfür sind die unter Mager- Demgegenüber stehen aber auch Nachteile, die
bedingungen verstärkte Sinterung der Edelmetalle und je nach Systemkonfiguration, Fahrzeugpackage und
eine ebenfalls unter Magerbedingungen bei Tempera- Kosten gegeneinander abzuwägen sind. Hierbei sind
turen oberhalb von circa 700 °C stattfindende Reaktion
des Bariums mit dem Aluminiumoxid des Washcoats.
-
folgende Punkte zu nennen:
geringere HC-Konvertierung (siehe Abschnitt
Das Barium wird dadurch für die NOx-Speicherung
irreversibel deaktiviert. Die Geschwindigkeit dieser
- HC, CO-Konvertierung),
höhere Entschwefelungstemperatur (siehe Ab-
Effekte erhöht sich mit steigender Temperatur [21].
Eine Möglichkeit, die maximale Temperatursta-
bilität zu erhöhen, ist der Einsatz eines NOx-Spei- - schnitt Schwefelvergiftung),
Unverträglichkeit mit bestimmten Substratwerk-
stoffen.
958 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Relative NOx-Speicherfähigkeit bei Schubabschaltungsalterung 850 °C


21 100
Vergleich Kalium- <> Barium-Katalysator

Ba-Tech. NS 50%, 350°C


Relative NOx-Speicherfähigkeit [%]

90
Ba-Tech., NS 50%, 400°C
80
K-Tech., NS 50%, 350°C
70
K-Tech., NS 50%, 400°C
60
50 Testbedingungen:
40 Eintrittstemp. = 350/400 °C
RG (NOx-Trap) = 40 k/h
30 λ mager = 130
20 NOx-Konz. mager = 350 ppm
10 λ fett (Vorkand.) = 0,80
Schwefelgehalt = 30 ppm
0
0 25 50 75
Alterungszeit [Stunden]

..Abb. 21.51  Speicherfähigkeit von NOx-Adsorbern mit Kalium und Barium nach Hochtemperaturalterung

Da die HC-Konvertierung eines kaliumhaltigen NOx- das Keramiksubstrat an mechanischer Stabilität. Dieser
Adsorbers deutlich geringer als die von Barium-Kata- Vorgang wird durch hohe Temperaturen über 800 °C
lysatoren sein kann, muss diesem Sachverhalt mit ent- beschleunigt. Bei der in . Abb. 21.51 gezeigten Alte-
sprechender Systemauslegung begegnet werden. Eine rung wurde ein Kalium-Katalysator auf Metallsubstrat
Möglichkeit dazu ist der Einsatz größerer Vorkatalysato- verwendet, bei dem diese Affinität nicht besteht. In der
ren, die die HC-Konvertierung komplett übernehmen. Entwicklung wird derzeit an Lösungen gearbeitet, die
Höhere benötigte Temperaturen zur Entschwe- eine solche Beschichtung auch auf gegebenenfalls mo-
felung von Kalium-Katalysatoren, hervorgerufen difizierten Keramiksubstraten ermöglichen.
durch thermisch stabilere Sulfate als bei Barium-
Katalysatoren, stellen erhöhte Anforderungen an die Schwefelvergiftung und -regeneration
Motorsteuerung. Diese muss in der Lage sein, Kat- Die Problematik der Schwefelvergiftung von NOx-Ad-
Eintrittstemperaturen von circa  750 °C für zwangs- sorbern ergibt sich aus der Tatsache, dass alle Werk-
weise Entschwefelungen auch bei Fahrzuständen zur stoffe, die zur NOx-Speicherung geeignet sind, auch
Verfügung zu stellen, bei denen im Normalbetrieb des zur „SO2-Speicherung“ durch Bildung eines entspre-
Motors geringere Temperaturen vorliegen würden. chenden Sulfates neigen. Die dabei stattfindenden Re-
Ein entscheidender Nachteil von Kalium-Kataly- aktionen verlaufen analog zu den Reaktionen bei der
satoren ist die Affinität des Kaliums zu aktuell in Serie NOx-Speicherung und sind in . Abb. 21.52 schema-
eingesetzten Keramiksubstraten. Kalium diffundiert bei tisch dargestellt.
Temperaturen oberhalb von circa 750 bis 800 °C zum Im Magerbetrieb oxidiert der NOx-Adsorber das
Keramiksubstrat, lagert sich dort an und bildet mit die- SO2 zunächst zu saurem Gas SO3. Genau wie das
sem eine Verbindung. Hierbei wirken sich zwei Effekte NO2, reagiert auch das SO3 mit dem Speichermate-
negativ aus. Einerseits wird die Speicherkomponente rial, wobei das entsprechende Sulfat entsteht. Der zu
für die NOx-Speicherung inaktiv. Andererseits verliert Sulfat umgewandelte Speicherwerkstoff steht damit
für die NOx-Speicherung nicht mehr zur Verfügung.
SO3 Das eigentliche Problem der Schwefelvergiftung ist,
dass diese Sulfate eine höhere thermische Stabilität
SO2 NO2
O2 NO2 SO3 SO3 haben als Nitrate. Es gelingt daher mit den klassisch
NO NO2
verwendeten Speichermaterialien nicht, unter glei-
NOx- chen Bedingungen wie für die NOx-Regeneration auch
Speichermaterial
Edelmetall eine Sulfat-Regeneration durchzuführen. Mit der Zeit
wächst der Sulfatinhalt des NOx-Speichers so stark an,
dass die NOx-Speicherkapazität auf ein zu niedriges
• konkurrierende Adsorption • Sulfatbildung
• verringerte NO2-Bildung • „Verbrauch“ von Speichermaterial
Niveau absinkt.
In . Abb. 21.53 ist das Absinken der NOx-Spei-
..Abb. 21.52  Reaktionsschema der Schwefelvergif- cherkapazität eines Barium-Katalysators bei 400 °C
tung eines NOx-Speicherkatalysators Eintrittstemperatur ausgehend von einem unverschwe-
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
959 21

..Abb. 21.53 NOx-Speicherfähigkeit bei Verschwefelung und Entschwefelung

felten aber thermisch vorgealterten Zustand nach 10 ist Gegenstand der aktuellen Entwicklung. Auf eine de-
beziehungsweise 20 h Verschwefelung im Motorbe- tailliertere Betrachtung der Reaktionen während der
trieb mit 40 ppm Kraftstoff-Schwefelgehalt erkennbar. Entschwefelung muss hier aus Platzgründen verzichtet
Durch weitere Verschwefelung wäre auch ein vollstän- werden.
diger Verlust der NOx-Speicherfähigkeit erreichbar. Grundsätzlich erfolgt der Aktivitätsverlust eines
Der 20 h verschwefelte Katalysator wurde anschlie- NOx-Speicherkatalysators durch Schwefelvergiftung
ßend einer Entschwefelungsprozedur unterzogen. Die umso schneller, je höher der Schwefelgehalt im Kraft-
Bedingungen dabei waren: 650 °C Kat-Eintrittstem- stoff ist [22]. Die Einführung schwefelarmer Kraftstoffe
peratur, Lambda  0,98, 15 min Konstantbetrieb. Der vermindert das Problem daher entsprechend der Ab-
Katalysator konnte hierdurch bezüglich seiner NOx- senkung der Schwefelgehalte und macht damit eine für
Speicherfähigkeit wieder in den Ausgangszustand ver- den Kraftstoffverbrauch nachteilige Entschwefelung
setzt werden, wie die Kurven in . Abb. 21.53 zeigen. entsprechend seltener notwendig.
Die thermische Stabilität der Sulfate ist unter Fett- Eine hundertprozentige Schutzwirkung des NOx-
bedingungen gegenüber Mager- oder Lambda = 1‑Be- Adsorbers vor Schwefelvergiftung durch Einsatz ei-
dingungen herabgesetzt, so dass es zum Sulfatzerfall ner vorgeschalteten Schwefelfalle ist nach bisherigem
und der damit verbundenen Speicherregeneration Erkenntnisstand nicht gelungen. Ein offensichtlicher
kommt. Der Sulfatzerfall erfolgt umso schneller, je Nutzen von Schwefelfallen besteht darin, dass die
höher die Temperatur und je fetter das Abgas ist. Für Zeitspanne zwischen zwei Schwefelregenerationen
Bariumhaltige NOx-Speicherkatalysatoren sind Tem- des NOx-Speichers vergrößert werden kann [15, 16].
peraturen von circa  650 °C zur Sulfatregeneration Auf Grund der Ausführungen hinsichtlich Ar-
ausreichend. Bei Verwendung basischerer NOx-Spei- beitstemperaturbereich und Temperaturstabilität in
cherkomponenten, die in der Lage sind, bei höheren ▶ Abschn.  21.5.3.2 ist der NOx-Adsorber im Unter-
Temperaturen als Barium stabile Nitrate zu bilden, bodenbereich anzuordnen. Das bedeutet hinsichtlich
sind auch höhere Temperaturen zur Entschwefelung der Kaltstartemissionen, dass ein motornaher Vorka-
erforderlich. talysator benötigt wird. Zur Einhaltung aktueller und
Während der Schwefelregeneration bei konstant zukünftiger Abgasgesetzgebungen mit Ottomagermo-
fetten Motorbetriebsbedingungen entsteht beim Sul- torkonzepten ist daher ein System aus Vorkatalysator
fatzerfall SO2, welches anschließend im Katalysator und NOx-Adsorber anzuwenden. In . Abb. 21.54 ist
zum nicht erwünschten Sekundäremissionsprodukt ein solches System schematisch dargestellt.
H2S umgesetzt wird. Die Entwicklung von Entschwe- Neben der bereits erwähnten Konvertierung der
felungsstrategien unter Vermeidung der H2S-Bildung Kaltstartemissionen übernimmt der Vorkatalysator
960 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

Mögliche
Einsatzorte für
Abgaskühlung
Otto-DI-Motor
Unterboden:
NOx-Speicherkatalysator
Krümmernah: – NOx Speicherung/ Reduktion
TWC-Vorkatalysator – HC, CO-Konvertierung im Magerbetrieb
– λ = 1 Konvertierung
– Kaltstart HC-Konvertierung
– Temp. Stabilität 900 °C
– λ = 1 Konvertierung – Schwefelresistenz/ Desulfatierung
– HC, CO-Konvertierung im Magerbertrieb
– Temp. Stabilität > 950 °C

..Abb. 21.54  Katalysatorkonfiguration für Otto-Magerkonzepte für EU IV-Anwendungen

auch die Aufgaben der 3-Wege-Konvertierung unter heutigem Stand der Technik bisher nicht erreicht. Aus
Lambda = 1-Bedingungen. Des Weiteren werden HC diesem Grund ist die maximale Temperaturbelastung
und CO während des Magerbetriebs konvertiert. für erste Serienanwendungen durch Kühlmaßnahmen
zu begrenzen. Mögliche Einsatzorte für Kühlvorrich-
21.5.3.3 System mit Vorkatalysator tungen sind beispielhaft in . Abb. 21.54 dargestellt.
und NOx-Adsorber Welche Art der Kühlung angewendet wird, hängt un-
Diese Eigenschaft ist sehr hilfreich bei der NOx-Ein- ter anderem von den Platzverhältnissen, der benötig-
speicherung im Adsorber. An den Adsorber gelangte ten Kühlleistung und den Kosten ab. In Summe muss
HC- und CO-Moleküle werden von diesem in Konkur- der Aufwand des Systems durch den erzielbaren Ver-
renzreaktion zur NOx-Einspeicherung konvertiert. Als brauchsvorteil gerechtfertigt werden können.
Resultat wird weniger NOx bei höheren Wirkungsgra-
den eingespeichert und die effektiv ausnutzbare Spei-
cherkapazität wird geringer. Auf Grund der motor- 21.5.4 Metallische Katalysatorträger
nahen Anwendung benötigt der Vorkatalysator eine
minimale Temperaturstabilität von 950 °C. Schon seit Beginn der Entwicklung von Automo-
Zielwert für die Temperaturstabilität von NOx- bilkatalysatoren in den frühen 1960er-Jahren gab es
Adsorbern sind 900 °C. Diese Temperatur wird nach Bestrebungen, neben den eingeführten Cordierit-
Extrudaten Metalle als Trägerwerkstoff einzusetzen,
. Abb. 21.55.
Zur Herstellung eines metallischen Trägers werden
glatte und gewellte Metallfolien zu Wabenkörpern ge-
wickelt und in ein Rohr eingebracht, . Abb. 21.56. Über
eine Periode von etwa 20 Jahren erwies es sich für Me-
tallträger jedoch als sehr schwierig, den Anforderungen
an die mechanische Haltbarkeit gerecht zu werden, da
spiralförmig gewickelte Träger unter dynamischer Be-
lastung bei hohen Temperaturen teleskopierten.
Erst mit der Einführung eines Hochtemperatur-
Lötverfahrens zum Verbinden der einzelnen Folien-
lagen sowie mit der Entwicklung einer neuen Wickel-
technik wurden die Hindernisse für einen Einsatz
von Metallträgerkatalysatoren in größerem Maßstab
überwunden.
Die eingesetzten Metallfolien haben heute eine
Stärke von 0,05 bis 0,03 mm. Durch den Aluminium-
..Abb. 21.55  Metallische (links) und keramische gehalt der Folien zeigen diese Werkstoffe eine sehr gute
(rechts) Wabenstrukturen Korrosionsbeständigkeit und gleichzeitig vermittelt die
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
961 21

bei gleichzeitiger Abnahme der Zellwandstärke zu, wie


auch in . Abb. 21.58 gezeigt wird.
. Abb.  21.59 demonstriert, wie der Einsatz von
Katalysatorträgern mit höheren Zelldichten bei glei-
chen Abmessungen die Kohlenwasserstoffemissionen
im Kaltstart senkt.
Auch nach Erreichen der Betriebstemperatur des
Katalysators kann durch den Einsatz von Trägern hö-
herer Zelldichte die Schadstoffkonvertierung gesteigert
werden, wie die Darstellung der Kohlenwasserstoff-
..Abb. 21.56  Entwicklung der Verfahren zur Ferti- konvertierung im Beutel 1 des FTP-Zyklus als Funktion
gung von Metallträgern der Zelldichte in . Abb. 21.60 belegt. Der Effekt der
Konvertierungssteigerung durch den Einsatz höherer
sehr dünne Aluminiumoxidschicht auf der Metallober- Zelldichten übertrifft dabei deutlich den Effekt der
fläche eine gute Haftung des oxidischen Washcoats auf Vergrößerung des Katalysatorvolumens.
dem Trägermaterial. Die Erhöhung der katalytischen Effektivität be-
Die sehr dünnen Metall-Zellwände verursa- ruht dabei nicht nur auf der Vergrößerung der Trä-
chen nur geringe Anstiege des Abgasgegendrucks, geroberfläche mit zunehmender Zelldichte. Mit der
. Abb. 21.57, was sich positiv auf Kraftstoffverbrauch Verringerung des Kanaldurchmessers mit wachsender
und Motorleistung auswirkt. Zelldichte verbessert sich auch der Stoffübergang aus
Für eine effektive Abgasreinigung ist die Zeit, die der Gasphase an die Kanalwände. Dieser Effekt ist in
bis zum Erreichen der Arbeitstemperatur des Kataly- . Abb. 21.61 schematisch dargestellt.
sators vergeht, von sehr großer Bedeutung, da in dieser Aus verschiedenen Gründen ist die Erhöhung
Zeit etwa 70 bis 80 % aller während eines Testzyklus der Zelldichte nur begrenzt möglich. Einerseits kann
insgesamt gebildeten Schadstoffe emittiert werden. die Folienstärke nicht beliebig verringert werden und
Die Verkürzung dieser Zeitdauer ist ein Schwerpunkt Leistungsverluste durch steigenden Gegendruck sind
in der Entwicklung der Abgasreinigungstechnik. Für in der Regel nicht akzeptabel. Andererseits steigt mit
eine möglichst gute Ausnutzung der Abgasenergie zum strengeren Abgasnormen der Einfluss der Strömungs-
Aufheizen des Katalysators sollten folgende konstruk- verteilung über den Katalysatorquerschnitt auf das

--
tive Merkmale angestrebt werden:
kleine Wärmekapazität,
große geometrische Oberfläche des Trägers.
Konvertierungsergebnis an.
Der Einsatz perforierter Folien (PE-Design), wie
sie in . Abb. 21.62 gezeigt werden, erlaubt einen Strö-
mungsausgleich im Katalysator.
Dafür bieten Metallträger auf Grund ihrer physikali- Dies führt zu einer gleichmäßigeren Ausnutzung
schen Eigenschaften und ihrer großen Oberfläche sehr des gesamten Katalysatorvolumens und zu einer Ver-
gute Voraussetzungen. Das für das Aufheizverhalten ringerung des Abgasgegendrucks.
entscheidende Verhältnis Trägeroberfläche/Trägerwär- Der Verlust an geometrischer Oberfläche des
mekapazität nimmt mit der Erhöhung der Zelldichte Trägers kann dabei durch die Erzeugung lokaler

..Abb. 21.57  Abgasgegendruck verschiedener Katalysatorträger [20]


962 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.58  Verhältnis Trägeroberfläche/Trägerwärmekapazität für Metallträger verschiedener Zelldichten


0.6
Rohemission
400 cpsi, 0.05 mm
Kumulierte HC-Emissionen [g]

0.5
600 cpsi, 0.04 mm
0.4 800 cpsi, 0.03 mm
1000 cpsi, 0.025 mm
0.3

0.2

0.1

0
0 20 40 60 80 100
Zeit [s]

..Abb. 21.59  Kumulierte Kohlenwasserstoffemissionen während der ersten 100 s des FTP-Zyklus (Katalysa-
torabmessungen: ∅ 98,4 ∙ 74,5 mm) [21]

..Abb. 21.60  Kumulierte Kohlenwasserstoffemissionen im Beutel 1 des FTP-Zyklus als Funktion des Verhältnis-
ses Trägeroberfläche/hydraulischer Durchmesser (GSA/dh)
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
963 21

..Abb. 21.61  Schematische Darstellung der Diffusi-


onswege bei unterschiedlichen hydraulischen Durch-
messern beziehungsweise Zelldichten

Turbulenzen beim Strömungsausgleich zwischen


benachbarten Kanälen kompensiert werden, so dass
die Konvertierungsleistung konstant bleibt [22]. Das
PE-Design wird im LambdasondenkatTM mit der
Anordnung des zweiten Sauerstoffsensors im Kata- ..Abb. 21.62 PE-Design
lysator verbunden. Der innere Strömungs- und Kon-
zentrationsausgleich durch die PE-Struktur sorgt für Möglichkeit, ohne Einbußen in der Konvertierungs-
die Beaufschlagung des Sensors mit dem Abgas aller leistung das Trägervolumen zu verringern bezie-
Zylinder. hungsweise die Zelldichte zu senken und damit den
Der für den Sensor benötigte Hohlraum im Trä- vom Katalysator benötigten Bauraum zu verkleinern
ger wird durch Stanzen der zu wickelnden Folien an beziehungsweise die durch den Katalysator verursach-
definierten Positionen erzeugt. Die so vorbereiteten ten Leistungsverluste zu minimieren.
Metallfolien und die Sensorposition im Metallträger In . Abb.  21.66 sind Konvertierungsergebnisse
sind in . Abb. 21.63 veranschaulicht. verschiedener Katalysatorsysteme an einem aufgela-
Durch die Position in der Metalit-Matrix ist der Sau- denen 2,7  Liter-V6-Dieselmotor dargestellt, die die
erstoffsensor beim Kaltstart des Motors vor Wasserschlag Vorteile der strukturierten Trägerkanäle belegen. Ein
geschützt. Deshalb kann er früher beheizt werden, was konstantes beziehungsweise sogar besseres Konvertie-
zu einem schnelleren Schließen des Regelkreises führt rungsergebnis konnte mit einem um circa 25 % redu-
[24]. Außerdem ist das Kontaminationsrisiko geringer, ziertes Konvertervolumen erreicht werden.
was die Langzeitstabilität des Sensors verbessert. Eine besondere Form von Kanalstrukturen ist in
Zur weiteren Steigerung der katalytischen Konver- der sogenannten Mischerfolie (MX) realisiert. Wird
tierung speziell von Metallträgerkatalysatoren können die MX-Wellfolie mit einer gasdurchlässigen porösen
Strukturen in die Kanalwände eingebracht werden. Glattlage kombiniert, entsteht ein PM (Particulate
. Abb. 21.64 stellt den einfachsten Fall strukturierter Matter)-Filter-Katalysator, dessen Aufbau und Wir-
Kanäle dar, die transversale (TS) Struktur. Die TS- kungsweise in . Abb. 21.67 dargestellt sind.
Mikrowellungen stehen quer zur Gasströmung und Durch die Schaufeln in der Wellfolie wird ein
verursachen einen intensiveren Stoffübergang aus der Teil des Abgasstroms durch die aus Sintermetall­
Gasphase an die Trägerwände durch die Ausbildung vlies bestehende Glattlage gedrückt, wobei sich im
lokaler Turbulenzen.
Ein im Vergleich zur Einbringung von Mikro-
wellungen noch intensiverer Stoffübergang kann
durch Gegenwellungen im Kanal erreicht werden. In
. Abb. 21.65 ist die longitudinale (LS) Kanalstruktur
schematisch dargestellt.
Durch derartige Kanalstrukturierungen kann die
Konvertierungsleistung im Vergleich zu Trägern iden-
tischer Abmessungen, aber mit glatten Kanalwänden, ..Abb. 21.63  Stapel aus gestanzten Folien und Sen-
verbessert werden. Als Alternative dazu besteht die sorhohlraum im LambdasondenkatTM [23]
964 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.64  Blick auf die Stirnfläche eines Metallträ- ..Abb. 21.65  Blick auf eine Folie mit LS-Wellungen
gers mit TS-Kanälen und schematische Darstellung der und schematische Darstellung der Wirkung der LS-
TS-Mikrowellungen im Kanal [25] Wellung

Gasstrom mitgeführte Partikel im Vlies abscheiden. Abgasgegendrucks, der Motorleistung und Kraftstoff-
Wird der PM-Filter-Katalysator mit einem vorge- verbrauch nicht signifikant beeinflusst.
schalteten Oxidationskatalysator betrieben, kann In . Abb. 21.68 sind durch den Einsatz von PM-
eine kontinuierliche Regeneration des Filters durch Metaliten in Diesel-Pkw und Lkw erreichte Reduzie-
NO2 bereits bei Temperaturen von etwa 200 °C er- rungen der Partikelmasse und der Partikelanzahl zu-
reicht werden. sammengestellt.
Gegenüber konventionellen Wall-Flow-Filtern Der PM-Metalit® reduziert die Partikelanzahl stär-
hat dieser Filter den Vorteil, dass ein Verstopfen der ker als die Partikelmasse, was darauf zurückzuführen
Gaswege nicht möglich ist. Das garantiert einen war- ist, dass vor allem kleine Partikel mit Durchmessern
tungsfreien Betrieb mit nur marginaler Zunahme des < 100 nm zurückgehalten werden.

0.3

FTP-72
0.25
US-06
Kumulierte THC-Emissionen [g]

0.2

0.15

0.1

0.05

0
Keramik TS-Metalit LS-Metalit LSPE-Metalit
3.8 ltr. 2.8 ltr. 2.7 ltr. 2.5 ltr.

..Abb. 21.66  Reduktion der Gesamtkohlenstoff-Emissionen eines 2,7-Liter-V6-Dieselmotors mit verschiedenen


Katalysatorsystemen [26]
21.5  •  Abgasnachbehandlung beim Ottomotor
965 21

..Abb. 21.67  Aufbau und Wirkungsweise des PM-Metalit®-Systems

Eine der größten aktuellen Herausforderungen akkonzentration über dem Querschnitt vergleichmä-
der Abgasreinigung von Dieselmotoren besteht in der ßigt werden, was zu einer besseren Ausnutzung des zur
gleichzeitigen Reduzierung von Stickoxid- und Par- Verfügung stehenden Konvertervolumens führt und
tikelemissionen bei möglichst geringem Kraftstoff- Ammoniak-Durchbrüche vermeiden hilft.
mehrverbrauch. Zur Anwendung kommende Abgas- In . Abb.  21.70 sind Konvertierungsergebnisse
nachbehandlungssysteme sollten deshalb ein geringes mit dem SCRi-System zusammengestellt.
Gewicht haben und den Abgasgegendruck möglichst Der Einsatz von Metall als Trägerwerkstoff bietet
wenig ansteigen lassen. Aufwändige Regenerations- weiterhin die Möglichkeit, den Katalysator durch elekt-
strategien auf der Basis von Kraftstoffnacheinspritzung risches Beheizen auf die erforderliche Arbeitstempera-
sollten ebenfalls vermieden werden. Im Emitec-SCRi- tur zu bringen. Der EHC (Electrically Heated Catalyst)
System, dessen Aufbau in . Abb. 21.69 schematisch ist in . Abb. 21.71 dargestellt.
dargestellt ist, sind diese Forderungen beispielhaft Der erste Serieneinsatz des EHC erfolgte mit
verwirklicht. dem Ziel, die Kaltstartphase von Ottomotoren zu
Der konsequente Einsatz LS- und MX-strukturier- verkürzen [29], wo sein Einsatz durch Einführung
ter Folien in allen Trägern erlaubt ein relativ kleines Ka- motorischer Katalysatorheizmaßnahmen und Ap-
talysatorvolumen bei guten Konvertierungsleistungen. plikation motornaher Katalysatorsysteme zeitlich
Außerdem kann durch inneren Strömungsaus- begrenzt war.
gleich die Harnstoff- beziehungsweise die Ammoni-
PKW LKW
PM-Emissionen

PM-Emissionen

-45% -70%
-75% -80%

-64% -72%

ESC ESC ESC


ETC ETC ETC

Ohne Filter PM-Metalit: PM-Metalit: Ohne Filter PM-Metalit: PM-Metalit:


Masse Anzahl Masse Anzahl

..Abb. 21.68  Reduktion der Partikelmasse und der Partikelanzahl durch den Einsatz von PM-Metaliten in Pkw
und Lkw [27]
966 Kapitel 21 • Abgasemissionen

SCR1
21 Oxidationskatalysator
Ø 177.8 ¥ 114 ¥ 101.5 mm,
Ø 230 ¥ 63.5 mm,
300/600 cpsi LS
200/400 cpsi LS Hochtemperatur-SCR-
Hydrolysebeschichtung auf Beschichtung
den letzten 20 mm

Adblue-Ein-
spritzung gegen
den Gasstrom
auf die Gasaus-
lassseite des
Oxidationskataly-
sators

SCR2
PM-Metalit Ø 230 ¥ 110 mm,
Ø 174.6 ¥ 176 mm, 300/600 cpsi LS
200 cpsi Tieftemperatur-SCR-
Mit Hydrolysebeschichtung Beschichtung

..Abb. 21.69  Das Emitec-SCRi-System [28]


800 6

700
Kumulierte NOx-Emissionen [g/kWh]

5
Kumulierte PM-Emissionen [mg]

600

4
500
-66%
-80%
400 3

300
2

200

1
100

0 0
Rohemission Nach SCRi Rohemission Nach SCRi

..Abb. 21.70  PM- und NOx-Minderung mit dem SCRi-System (ETC) [28]

Die weitere Optimierung des motorischen Wir-


kungsgrades zur Minderung des CO2-Ausstoßes führt
speziell bei Dieselmotoren zu einer deutlichen Absen-
kung der Abgastemperatur [30]. . Abb.  21.72 stellt
den Verlauf der Abgastemperatur eines Diesel-Pkw im
NEFZ vor Oxidationskatalysator (DOC) dar.
Es wird deutlich, dass es zum einen relativ lange
dauert, bis die Arbeitstemperatur (Light Off) des
DOC erreicht wird und zum zweiten fällt die Tempe-
ratur im dynamischen Betrieb immer wieder unter
diesen Wert ab. Außerdem können HC- und CO-Ro-
hemissionen durch NOx-optimierte Brennverfahren
ansteigen.
Unter diesen Bedingungen kann der EHC zur
Anhebung der Katalysatortemperaturen zum Einsatz
kommen. Der Energiebedarf für die Heizphasen (und
..Abb. 21.71 Emitec-EHC damit der Mehrverbrauch an Kraftstoff) hängt stark
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
967 21

..Abb. 21.72  Abgastemperatur eines Diesel-Pkw im NEFZ und Light-Off-Bereich des Oxidationskatalysators [31]

von der gewählten Heizstrategie ab, wie . Abb. 21.73 21.6 Abgasnachbehandlung


verdeutlicht. Durch optimale Verknüpfung von Funk- Dieselmotor
tionen wie Energierekuperation und Start-Stopp mit
den motorischen Parametern ist ein effizientes Ther- 21.6.1 Diesel-Oxidationskatalysatoren
momanagement möglich.
Das Recycling von Fahrzeugkomponenten hat in Zur Abgasreinigung werden seit mehr als zehn Jahren
jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ein bei Diesel-Pkw Oxidationskatalysatoren (DOC) ein-
speziell für Metallträgerkatalysatoren entwickeltes Ver- gesetzt. Da Dieselmotoren unter Sauerstoffüberschuss
fahren erlaubt die nahezu vollständige Rückgewinnung betrieben werden liegen ihre maximalen Abgastempe-
der eingesetzten Materialien. Der prinzipielle Ablauf raturen mit circa 850 °C im Mittel deutlich unter denen
dieses Verfahrens ist in . Abb. 21.74 dargestellt.

--
vergleichbarer Ottomotoren. Das bedeutet:
geringere CO- und HC-Emissionen,

-- höhere NOx-Emissionen,
deutlich höherer Partikelausstoß,
komplexere Emissionskontrolle, da zum einen auf
Grund des Partikelanteils nicht nur Gasphasenre-
aktionen berücksichtigt werden müssen, zum an-
deren aufgrund niedrigerer HC-Konzentrationen
weniger Reduktionsmittel zur Verfügung stehen.
120 106

100 104
Kraftstoffverbrauch [%]
CO-Emissionen [%]

80 102

- 60 % +3%
- 43 % +1%
60 100

40 98

20 96

0 94
0 sec 0-200 sec 0-60 sec 60-120 sec 60-120 sec + fuel
cut off

..Abb. 21.73  Einfluss unterschiedlicher Heizstrategien auf CO-Emissionen und Kraftstoffmehrverbrauch [31


968 Kapitel 21 • Abgasemissionen

diese Teilchen auf Grund ihrer hohen Oberfläche (bis


21 zu 200 m2/g) eine hohe Adsorptionsfähigkeit besitzen,
lassen sich in Dieselruß neben Kohlenstoff auch hohe
Anteile (> 50 Gewichts-%) von Kohlenwasserstoffen,
Sulfaten, Wasser und Schmierölbestandteilen nach-
weisen.

Stickoxide  Bei Oxidationsreaktionen in Gegenwart


von Stickstoff entstehen die Stickoxide NO und NO2.
Da die Konzentration beider Komponenten und ihr
Mengenverhältnis zueinander von der Reaktionstem-
peratur und der Sauerstoffkonzentration während der
Verbrennung abhängen, lassen sich durch geeignete
motorische Maßnahmen NOx-Emissionen senken,
zum Beispiel durch späte Einspritzung (Gastempera-
tur sinkt) und Abgasrückführung (Sauerstoffkonzen-
tration sinkt).

Schwefeloxide  Durch die Verbrennung schwefelhal-


tigen Kraftstoffs entsteht primär SO2, das bei Tem-
peraturen > 300 °C durch Edelmetalle zu SO3 wei-
teroxidiert wird und in Anwesenheit von Wasser zu
Schwefelsäure H2SO4 reagiert. Alle drei Verbindungen
sind in der Lage, den Katalysator zu deaktivieren, SO2
und SO3 durch spezifische Anlagerung und damit
..Abb. 21.74  Schematische Darstellung des für Blockierung der Edelmetalle, H2SO4 durch Belegung
Metallträgerkatalysatoren entwickelten Recycling- der Washcoat-Oberfläche und Kondensation in den
Verfahrens Washcoat-Poren. Schwefelfreie Kraftstoffe schließen
diese Effekte aus.
Für die Abgasreinigung bedeuten diese Eigenschaften
eine Beschränkung auf rein oxidative Reaktionen und 21.6.1.2 Charakteristika von Diesel-
den Einsatz von katalytisch aktiven Komponenten, die Oxidationskatalysatoren
vor allem den Niedertemperaturbereich (schnelles An- Aufbau
springen) abdecken müssen. Ähnlich wie Dreiwegekatalysatoren bestehen DOC aus

21.6.1.1 Schadstoffe im Diesel-Abgas


-
folgenden Komponenten:
Wabenkörper (Monolith) aus Keramik oder
Kohlenwasserstoffe und CO  Selbst unter Sauerstoff-
überschuss können heterogene Brennraumbedingun-
- Metall als Träger der katalytischen Beschichtung,
Al2O3 für poröse thermisch-stabile Schichten mit
gen dazu führen, dass Oxidationsreaktionen nicht
vollständig ablaufen und sich neben CO auch unver-
brannte beziehungsweise teiloxidierte Kohlenwasser-
stoffe im Abgas finden. Einige dieser Verbindungen
- hohen Oberflächen (100 bis 200 m2/g),
Edelmetalle und Promotoren als katalytisch-ak-
tive Zentren, an deren Oberflächen die Oxidati-
onsreaktionen stattfinden.
sind auch für den typischen Geruch von Dieselabgas
verantwortlich. Herstellung
Ein mögliches Herstellungsverfahren umfasst folgende
Partikel  Lokal fette Bedingungen während der Ver-
brennung führen über die Zwischenstufen Acetylen
-
Schritte:
Edelmetalle und Promotoren werden in Lösung
und polyzyklische Kohlenwasserstoffe zur Bildung
graphitähnlicher Rußteilchen. Durch Koagulations-
und Agglomerationsprozesse entstehen aus diesen
circa 1 bis 10 nm großen Primärpartikeln Rußteilchen
- gebracht.
Diese Lösung wird auf die Al2O3-Oberfläche
aufgetragen (die entstehende Suspension wird als
Washcoat bezeichnet).
von circa 100 bis 300 nm Durchmesser (Median). Da
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
969 21
100

80

CO-Konver tierung [%]


60

40

20

0
100°C 150°C 200°C 250°C 300°C
Frisch / regeneriert
Verlust aktiver Zentren: Sintering
Porendiffusion: kleinere effektivere Poren
Belegung der Oberfläche, aktiver Zentren,
blockierte Poren

..Abb. 21.76  Light-Off-Kurven geben Hinweise auf


unterschiedliche Deaktivierungsmechanismen
..Abb. 21.75  Verschiedene Arten von Vergiftung
des Edelmetalls und der Washcoat-Poren. a Sinterung schlüsse auf die jeweiligen Deaktivierungsmecha-
von Poren, b nicht-selektive Belegung der Oberfläche, nismen zu.
c selektive Vergiftung aktiver Zentren, d Kondensation
von Kohlenwasserstoffen Deaktivierung unter Niedertemperatur/
Schwachlastbedingungen

- Die Wabenkörper werden in den Washcoat


Temperaturen bis etwa 250 °C und niedrige Lasten füh-
ren zu reversiblen Vergiftungen der Oberfläche durch

- getaucht.
Anschließende Trocknungs- und Kalziniervor-
gänge entfernen das Wasser aus dem Wabenkör-
per und fixieren den Washcoat.
kohlenstoffhaltige Komponenten. Die in . Abb. 21.77
gezeigte Verschlechterung des CO-Light-Offs nach 1 h
Leerlaufbetrieb (< 120 °C, < 20 Nm) lässt sich durch
eine kurzzeitige Erhöhung der Abgastemperatur
(< 1 min, < 250 °C) wieder rückgängig machen und
21.6.1.3 Deaktivierung der die Aktivität vollständig zurückgewinnen.
Katalysator-Oberfläche
. Abb. 21.75 führt exemplarisch einige Möglichkeiten Deaktivierung durch Verschwefelung
der reversiblen bzw. irreversiblen Deaktivierung der Eine Erhöhung der Abgastemperatur auf > 300 °C

-
Katalysator-Oberfläche auf:
Verkoken: Belegung der Washcoat-Oberfläche
durch Rückstände aus der Oxidation bzw. Weiter-
führt zur Verschwefelung des Katalysators. Eine Rege-
neration unter Sauerstoffüberschuss ist bei Temperatu-
ren > 600 °C möglich. Alternativ dazu kann auch die

- reaktion von Kohlenwasserstoffen,


selektive Vergiftung: Belegung und Abschirmung
aktiver Zentren, z. B. durch Anlagerung von
Konzentration an Kohlenwasserstoffen durch „Anfet-
ten“ auf λ < 1 erhöht werden. Dadurch werden die auf
der Oberfläche adsorbierten Schwefel-Verbindungen

- Schwefel-Verbindungen an Edelmetalle,
Sintervorgänge: Verengung von Porenöffnungen
erschwert die Zugänglichkeit zu aktiven Zentren.
zu H2S reduziert. Als Schutz vor irreversiblen Ver-
schwefelungen können dem Washcoat Promotoren
zugefügt werden, die die Affinität gegenüber Schwe-
felverbindungen wirksam unterdrücken. . Abb. 21.78
Wie . Abb.  21.76 zeigt, lassen Light-Off-Kurven, zeigt einen Vergleich der H2S-Signale eines Standard-
die an Modellsystemen gemessen wurden, Rück- Washcoats und der entsprechenden geschützten Ver-
970 Kapitel 21 • Abgasemissionen

100 700
21 ohne
Vorkonditionierung
mit Promotor
Std.
90 600
mit 1h
Vorkonditionierung
80 im Leerlauf 500

70
400

H2S [ppm]
CO-Konver tierung [%]

60
300
50
200
40

100
30

20 0
250 260 270 280 290 300
10 Zeit [s]

0 ..Abb. 21.78  Eine Modifikation der Washcoat-


100 120 140 160 180 200 220
Oberflächen verringert die Affinität für Schwefel-
Temp (vor Kat) [°C]
Verbindungen

..Abb. 21.77  Als Light Off wird die Temperatur be- 21.6.1.4 Beurteilung von Diesel-
zeichnet, bei der 50 % Konvertierung erreicht werden. Oxidationskatalysatoren
Vorkonditionierung im Leerlauf verschlechtert den (DOC)
Light Off
Light Off
Die Aktivität von DOC auf Motorenprüfständen wird
sion. Der entsprechende Fahrzeugtest (MVEG) ist hauptsächlich durch die Bestimmung des sogenann-
in . Abb.  21.79 zu sehen. Nach einer Alterung mit ten Light Off festgelegt. Dabei wird die Konvertierung
1000 ppm Schwefel im Dieselkraftstoff zeigt die mo- an definierten Temperatur-/Lastpunkten gemessen
difizierte Washcoat-Oberfläche im ECE-Teil des Zyk- und der Punkt, an dem 50 % Konvertierung erreicht
lus deutlich niedrigere CO-Ergebnisse [g/km] als die wird, als Light Off bezeichnet. . Abb.  21.83 zeigt
Standard-Version. den entsprechenden Temperatur- und Drehmomen-
tenverlauf einer Messung an einem 1,9-l-Saugmotor,
Thermische Deaktivierung . Abb. 21.77 den zugehörigen Kurvenverlauf. Der CO-
Höhere Abgastemperaturen führen zur Sinterung des Light-off liegt hier bei circa 175 °C.
Edelmetalls. Der Verlust an metallischer Oberfläche
führt zu einem Absinken der Oxidationswirkung. Die- Post-Mortem-Analysen deaktivierter
ser irreversible Prozess ist in . Abb. 21.80 dargestellt. Katalysatoren
Pt-Dispersion und CO-Light-Off sind invers miteinan- Mit Post-Mortem-Analysen werden gealterte Kataly-
der korreliert, das heißt je geringer die zur Verfügung satoren physikochemisch analysiert, um festzustellen,
stehende Pt-Oberfläche (gemessen als [%]-Dispersion) welche Deaktivierungsvorgänge während der Alterung
desto geringer auch die CO-Aktivität. stattgefunden haben. . Abb. 21.84 zeigt Kohlenstoff-
Neben dem Edelmetall müssen auch alle anderen beziehungsweise Schwefel-Gradienten jeweils eines
Washcoat-Komponenten auf ihre Temperaturstabili- krümmernahen (CC) beziehungsweise eines Unter-
tät hin überprüft werden. Analysen nach 50 h-Alte- boden-Katalysators (UF). Aus den Kurvenverläufen
rungen bei @700 °C zeigen sowohl die gute Stabilität ergibt sich, dass in der krümmernahen Anordnung
von Al2O3-Oberflächen (. Abb. 21.81), als auch die stärkere kohlenstoffhaltige Ablagerungen im Frontbe-
unverminderte Funktionsfähigkeit eines Zeolithen reich zu finden sind, während sich die Verschwefelung
(. Abb. 21.82) anhand dessen typischer HC-Desorp- über die Länge des Monolithen erhöht.
tionskurve. Im Unterboden-Katalysator laufen beide Gradien-
ten parallel axial.
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
971 21
2,50 110

Alterung:
> 750 ppm S,
2,00 100-150 h @ 200-300°C
100

BET Surface Area [m2/cm3]


1,50
90
[g/km]

1,00
CO-Std. CO-mit Promotor
HC-Std. HC-mit Promotor 80

0,50

70
0,00
ECE MVEG

CO-Std. CO-mit Promotor


HC-Std. HC-mit Promotor 60
frisch 2h 24 h 48 h
..Abb. 21.79  Verringerte Affinität für Schwefelver-
Al2O3 - 100/5 doped Al2O3 - 100/10 doped
bindungen zeigt auch im MVEG-Zyklus verbesserte Al2O3 - 70/5 doped Al2O3 - 70/10 doped
CO- und HC-Performance Al2O3 - 70 Al2O3 - 90/10 doped

40 190 ..Abb. 21.81  Temperaturstabilität von Al2O3 bis


900 °C
35 185

100
30 180
Pt-Dispersion [%]

CO-Light-Off [°C]

90
25 175
80
20 170
70
15 165
60
HC [%]

10 160 50

5 155 40
fresh 30' 10h 20h 40h 60h
30
Alterungsdauer bei 750°C
20
..Abb. 21.80  Hochtemperatur-Alterungen verringern
die Dispersion der Pt-Partikel. Dadurch sinkt die Aktivi- 10
tät der CO-Oxidation
0
100 120 140 160 180 200 220 240 260 280

Dauerhaltbarkeits-Tests Temp. [°C] mit Promotor

Dauerhaltbarkeiten werden sowohl in definierten Frisch


Fahrzyklen als auch im normalen Fahrbetrieb ermit- Frisch + Leerlauf
telt. . Abb. 21.85 zeigt das Beispiel eines Zyklus, in Alterung 10 h/750 °C + Leerlauf

einem über 20.000 km gealterten DOC, in dem haupt-


..Abb. 21.82  Temperaturstabilität von Zeolithen bis
sächlich Niedertemperatur- und Schwachlast-Stabilität 850 °C
überprüft werden. Die Kurven des nach 5000, 10.000,
15.000 und 20.000 km im MVEG-Zyklus gemessenen
Katalysators verlaufen nach etwa 5000 km horizon-
tal; der Katalysator wird über die restliche Lebens-
972 Kapitel 21 • Abgasemissionen

300 100 5,5 0,7


21 280 Temp (vor Kat)
Vol strom
90
5 0,6

Drehmoment [Nm] Vp Luft [m³/h]


260 Drehmoment 80

240 70 4,5 0,5

Kohlenstoff [Gew %]
Temp (vor Kat) [°C]

Schwefel [Gew %]
220 60 4 0,4
200 50
3,5 0,3
180 40

160 30 3 0,2

140 20
2,5 0,1
120 10

100 0 2 0
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 0 2 4 6 8 10 12
Zeit[min] Sample (Front to Rear)

..Abb. 21.83  Aktivitätsmessung von Katalysatoren Sulfur - CC Sulfur - UF


durch Light-off-Tests, hier Temperaturrampen und Carbon - CC Carbon - UF
Drehmomentverlauf eines 1,9 l-Saug-Dieselmotors
..Abb. 21.84  Post-Mortem-Analyse: C/S-Profile von
CC- und UF-Katalysatoren
dauer stabile Konvertierungen zeigen. Die Daten zu
. Abb. 21.85 stammen von einem Fahrzeug, das über 21.6.2 NOx-Adsorber für Diesel-Pkw
80.000 km in normalem Fahrbetrieb regelmäßig ver-
messen wurde. Auch hier ergibt sich ein ähnlicher Ver- Die Entfernung von Stickoxiden aus magermotori-
lauf wie in . Abb. 21.86. Nach anfänglicher Alterung schem Abgas mit Hilfe der NOx-Speicherkatalysa-
bleibt die Konvertierung über die gesamte Dauer des toren ist auf Otto- und Dieselmotoren anwendbar.
Tests stabil. Die charakteristischen Unterschiede im Vergleich
zu Otto-DI-Applikationen liegen in den niedrigeren

0,200 2,000

0,160 1,600

0,120 1,200
HC [g/km]

CO [g/km]

0,080 0,800

0,040 0,400

0,000 0,000
fresh 10000 km 20000 km

HC-Bag1: 0–195 s HC-Bag2: 196–780 s


HC-EUDC CO-Bag1: 0–195 s
CO-Bag2: 196–780 s CO-EUDC

..Abb. 21.85  Dauerläufe unter Schwachlastbedingungen geben Hinweise auf Dauerhaltbarkeiten (hier Aus-
schnitt einer Testreihe, die bis 80.000 km durchgeführt wurde)
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
973 21
Bagresults MVEG EU2000
0,6
HC CO
HC,CO Emissions [g/km]

0,5

0,3

0,2

0,0
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75
Aging [1000 km]

..Abb. 21.86  Nachweis der Dauerhaltbarkeit aus 80.000 km In-field-Tests

Abgastemperaturen, höheren Rußemissionen und Im Bereich unterhalb 150 °C erfolgt keine NOx-
Besonderheiten der motorischen Erzeugung von „fet- Konvertierung, zwischen 150 und 250 °C kann NOx
ten“ Abgasbedingungen, wie sie zur Regeneration des gespeichert und reduziert werden. Einbußen bei der
Speicherkatalysators von adsorbiertem NOx und SOx Speicherung gibt es auf Grund der hohen Raumge-
erforderlich sind. schwindigkeiten und hohen NOx-Konzentrationen.
Zwischen 250 und 300 °C liegt der optimale Wir-
21.6.2.1 Arbeitsbereich des kungsgrad des Katalysators. Bei Temperaturen ober-
Speicherkatalysators halb 350 °C kann, je nach verwendetem NOx-Speicher-
Die niedrigere Abgastemperatur von Dieselmotoren material, die Speicherung von NOx thermodynamisch
bedeutet für den Katalysator eine geringere thermische limitiert sein. Der Schwerpunkt der NOx-Emissionen
Spitzenbelastung sowie eine Verschiebung des Arbeits- (. Abb. 21.87 und 21.88) im städtischen Fahrbetrieb
fensters hin zu tieferen Temperaturen. . Abb. 21.87 liegt bei 150 bis 200 °C. Die Konvertierung von NOx
zeigt typische NOx-Emissionen eines Diesel-Pkws im städtischen Fahrbetrieb stellt daher besondere An-
in Abhängigkeit der Katalysatorbetttemperatur im forderungen an die Tieftemperaturaktivität des Kata-
MVEG-Fahrzyklus. lysators.

0.1

Stadtbetrieb (ECE) Landstraße u nd Au tobahn (EUDC)

0.08
NOx-Emissionen,g

0.06

0.04

0.02

0
0 100 200 300 400 500
Temperature,°C

..Abb. 21.87 NOx-Emissionen eines Diesel-Pkws mit EU III-Motorkalibration als Funktion der Katalysatorbett-


temperatur im MVEG-Zyklus
974 Kapitel 21 • Abgasemissionen

75
NOx-Emissionen im MVEG Zyklus, %

21 Kinetische
Limitierung der NOx -
Thermodynamische
Limitierung der NOx-
Speicherung
x

Konvertierung Konvertierung
50

Keine NOx - Optimaler


Konvertierung Arbeitsbereich
NOx-Durchbruch
25 bei Regeneration

0
25 °C–150 °C 150 °C–250 °C 250 °C–300 °C 300 °C–380 °C
Desulfatisierung
..Abb. 21.88  Aufteilung der NOx-Emissionen im
MVEG-Zyklus in vier katalysatorrelevante Temperatur- ..Abb. 21.89  Gekoppelte Eigenschaften der Effizienz
bereiche der Speicherung und Regeneration von NOx sowie der
Entschwefelbarkeit von NOx-Speicherkatalysatoren
21.6.2.2 Entschwefelung
Entschwefelungstemperaturen von Dieselabgas liegen ders kritisch sind längere Zeiträume von konstanten
im Bereich von 500 bis 550 °C. Eine Besonderheit beim Magerfahrten bei hohen Abgastemperaturen.
Betrieb von NOx-Speicherkatalysatoren in Diesel-Pkw
liegt in der Beschränkung der Desulfatisierungstempe- 21.6.2.3 Regenerationsmethoden
ratur bei der motorischen SOx-Regeneration. Ein Mo- Man unterscheidet zwischen internen und externen
torbetrieb unter Lambda eins verbietet sich aufgrund Regenerationsmethoden von gespeichertem NOx und
erhöhter Rußemissionen und Drehmomentabfall.
Die Entschwefelbarkeit des Katalysators hängt
entscheidend von der Wahl der NOx-Speicherkom-
ponente (NSC: NOx storage component) ab. Je fes-
-
SOx.
Externe Regeneration: Es wird ein Reduktions-
mittel (Dieselkrafstoff) vor dem Speicherkataly-
sator eingedüst. Zur Verringerung des Sauer-
ter NOx auf dem Katalysator gebunden ist, umso stoffmassenstroms wird ein Abgasteilstrom über
effizienter wird die Speicherung von NOx bei hohen dem Speicherkatalysator eingestellt [32, 33]. Das
Temperaturen. Außerdem führt das auch zu einer erfordert den Einsatz von Abgasklappen, die aus
Verringerung von NOx-Durchbrüchen während der Gründen beschränkter Haltbarkeit unerwünscht
Regenerationsphasen. Die Vorteile einer stärkeren sind. Zudem kommt es bei der Eindüsung von
NOx-Adsorption gehen allerdings zu Lasten höherer Dieselkraftstoff bei Abgastemperaturen unter-
Entschwefelungstemperaturen. . Abb. 21.89 veran- halb 250 °C zur Kondensation von Kraftstoff.
schaulicht den Kompromiss zwischen der Entschwe- Alternative Methoden zur On-Board-Erzeugung
felbarkeit sowie der Effizienz der Speicherung und gasförmiger Reduktionsmittel mittels Reformie-
Regeneration von NOx. rung von Dieselkraftstoff werden untersucht, sind
Ohne Desulfatisierungsmaßnahmen nimmt die
NOx-Konvertierungsrate des Speicherkatalysators li-
near als Funktion der Fahrstrecke oder Zeit ab. Die
Fahrstrecke, die bis zum Erreichen einer gegebenen
- jedoch aufwändig.
Interne Regeneration: Diese wird mit veränder-
ten Einspritzparametern realisiert. Die „schlech-
tere“ Verbrennung des Kraftstoffs im Brennraum
NOx-Konvertierungsrate zurückgelegt werden kann, führt zu einer Anhebung der Abgastemperatur,
nimmt umgekehrt proportional mit dem Schwefelge- die Drosselung des Ansaugluftvolumenstroms zu
halt im Kraftstoff ab. . Abb. 21.90 zeigt die Abhängig- einer Verminderung des Abgasvolumenstroms.
keit der Fahrstrecke als Funktion des Kraftstoffschwe- Beide Maßnahmen steigern die Effizienz der
felgehalts bei konstanter NOx-Konvertierungsrate. Regeneration.
Hohe Abgastemperaturen und lange Abstände
zwischen den Desulfatisierungen führen zur Bildung Nachteilig ist dabei die erhöhte Rußemissionen durch
von Volumensulfaten zwischen dem SOx des Abgases die Gemischanfettung, die zur Deaktivierung des Spei-
und dem Speichermaterial des Katalysators und damit cherkatalysators beiträgt. Im Rahmen einer integralen
zur irreversiblen Schädigung des Speicherkatalysators. Abgasreinigung von NOx und Partikeln werden daher
Neue Speicherwerkstoffe senken die Desulfatisierungs- kombinierte Abgassysteme mit Rußfilter und NOx-
temperatur und erhöhen die Langzeitstabilität. Beson- Speicherkatalysator bevorzugt.
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
975 21

Serie-Nutzfahrzeugen und Personenwagen im Einsatz


sind – in Europa beginnend mit dem Peugeot 607 im
Mai 2000, in USA mit Einführung EPA 2007 – dass
mehr als 500.000 Partikelfilter in Baumaschinen und
Fahrstrecke

Gabelstaplern, in Lokomotiven, Schiffen und Statio-


närmotoren erfolgreich nachgerüstet wurden, dass in
vielen Städten die Busse des öffentlichen Verkehrs mit
hochwertigen Partikelfiltern nachgerüstet sind, dass in
Umweltzonen zusätzlich Zehntausende von Nutzfahr-
zeugen nachgerüstet wurden, dass Mautverordnun-
gen als Anreize zur Filternachrüstung herangezogen
Schwefelgehalt im Kraftstoff werden, dass Abscheidegrade für Feststoffpartikel
..Abb. 21.90  Zurückgelegte Fahrstrecke bis zum Er- (Ruß) über 99,9 % erreicht werden, dass der Einsatz
reichen eines Schwellenwerts der NOx-Konvertierung sogenannter offener Filter mit Abscheidegraden un-
in Abhängigkeit des Schwefelgehalts im Kraftstoff ter 50 % sogar in China verboten sind, [39] dass für
neue Abgasvorschriften in Europa, USA und Japan
die Einführung des BAT Partikelfilters (BAT  =  best
21.6.3 Partikel/Partikelfilter available technology, heute über 99 %) vorausgesetzt
wird und dass die Erstausrüster nun konsequent das
P. Pott hat bereits 1775 über Krebs bei Kaminfegern Element „Partikelfilter“ in das Fahrzeugkonzept und
berichtet; im Arbeitsschutz waren „Rauche, Stäube und die Prozesskontrolle des Motors einbeziehen. Neu ist
Nebel“ von jeher ein wichtiges Thema; Tyndall hat 1868 auch die Einführung einer neuen Grenzwertdefinition
den optischen Effekt zur Messung von Feinpartikeln nach der Anzahl der Feststoffpartikel PN zusätzlich zu
entdeckt; 1936 weist die Zeitschrift „Staub“ in ihrer ers- ihrer Masse in der Schweiz seit 1998 und in der EU mit
ten Ausgabe auf die Bedeutung der Submikron-Partikel Euro 6 bei Pkw (2011), wobei sogar Benzinmotoren
hin; 1958 beschreibt P. J. Lawther die starke Zunahme mit einbezogen sind und mit Euro VI bei Nutzfahr-
der Lungenkrebsmortalität im luftverschmutzten Be- zeugen (2014) sogar für CNG. Ab 2016 gilt dieser PN-
reich und weist auf deren Anstieg ab etwa 1920 hin; Grenzwert, der den Filter erzwingt, auch für die meis-
1959 legt die Johannesburger Konvention die Größen- ten Klassen der Motoren von Nicht-Straßenfahrzeugen
fraktion lungengängiger Partikel fest; ab 1980 werden nach der EU-NRMM-Richtlinie. Der technische Stand
Partikelfilter für Fahrzeuganwendungen vorgeschla- ist somit etabliert und bestimmt die Emissionsgesetz-
gen; 1983 (ein Jahr nach der Einführung eines ersten gebung weltweit. Die heute breit erprobte Filtertech-
Grenzwertes für die Partikelmasse PM durch die US nologie [40] bietet das Potential, den sehr konservativ
EPA mit 0,6 g/Meile) findet der erste SAE-Kongress gewählten heutigen Grenzwert von 6 × 1011 P/kWh
statt, der sich diesem Thema widmet. 1987 erklärt die um ein bis zwei weitere Größenordnungen abzusenken
WHO Dieselpartikel als „wahrscheinlich krebserzeu- und in dieser Filterstruktur auch katalytische Prozesse
gend für den Menschen“ und 2012 verstärkt sie dieses zur Entstickung und nahezu vollständigen Entgiftung
Urteil zu „nachweislich krebserzeugend für Menschen“ des Abgases durchzuführen – www.nanoparticles.ch.
und stuft damit Dieselabgas in die höchste Gefahrstoff-
klasse ein (wie Asbest) [34]. Feinpartikel gelten seit der 21.6.3.1 Partikeldefinitionen
6-Städte-Studie [35] als wichtigster Luftschadstoff mit und Partikeleigenschaften
hoher Mortalitätswahrscheinlichkeit, das Verhältnis Der Luftschadstoff „Partikel“ wird in den Regelwerken
der Krankheitskosten zum technischen Aufwand von
Minderungsmaßnahmen wurde 2002 mit > 4 ermittelt
[36], heute spricht die US-EPA sogar bei Nachrüstung
von > 10 [37] und es wird eine Immissionsbegrenzung
-
auf unterschiedliche Weise definiert:
Nach der gesetzlich gültigen Definition für den
Straßenverkehr gilt als Partikelmasse alles, was
bei < 325 K filtriert und somit gewogen werden
der Nanopartikel-Konzentration in der Atemluft ge- kann (gravimetrische Methode), unabhängig von
fordert [38]. Das alles ist also nicht neu. Neu dagegen der Größe der Partikel und ihrer chemischen
ist nach einer intensiven technologischen Entwick- Zusammensetzung – eine für die toxikologische
lung über drei Jahrzehnte, an der viele Forscher und
Industrieunternehmen beteiligt waren, die Tatsache,
dass nun insgesamt mehr als 100 Mio. Partikelfilter in - Einstufung gänzlich ungeeignete Definition.
Mit der EU-Verordnung 715/2007 [41] wird für
Pkw und leichte Nfz ein neuer Grenzwert nach
976 Kapitel 21 • Abgasemissionen

der Gesamtzahl der Feststoffpartikel im Grö- was aus über die maximale Größe der Partikel bei
21 ßenbereich 23 nm bis 2,5 µm eingeführt, wobei der Probenahme [48], nichts über die stoffliche
nach UNECE-PMP [42] als Feststoffpartikel Zusammensetzung und die Größenverteilung der
alle Partikel gelten, die bei einer Beheizung der Probe und ist daher für die Zuordnung gesund-
Gasprobe bis 400 °C nicht verdampfen [41]. Auch heitlicher Wirkungen schlecht geeignet. Während
für schwere Nutzfahrzeuge ist dieser Schritt mit diese Definition am Arbeitsplatz bei bekannter
Euro VI vollzogen [43]. Für die Beurteilung der Quellencharakteristik Sinn macht, finden sich in
PN-Emission von Benzinmotoren, deren Fest- atmosphärischen Proben vielerlei Stoffe aus na-
stoffpartikel in der Regel kleiner sind als die der türlichen Quellen, sekundär gebildete organische
Dieselmotoren, ist eine Verschiebung des unteren Aerosole sog. SOA, resuspendierte Stäube, Salze
„cut-off “ auf 10 nm in Untersuchung durch die und Wasser. Es handelt sich also um einen Sum-
UN-ECE. Für Dieselmotoren und Gasmotoren menparameter heterogener Natur. Eine nach-
würde sich dieser Schritt zwecks besserer Berück- trägliche Analyse von PM10-Proben ermöglicht

- sichtigung der Aschepartikel auch empfehlen [44].


Am Arbeitsplatz zählt nach den meisten Regula-
rien die Gesamtmasse des elementaren Kohlen-
stoffs EC (Ruß) im Größenbereich < 5 µm; es
zwar eine Aussage über die stoffliche Zusam-
mensetzung und damit eine Quellenzuordnung,
aber keine Aussage über die Größenverteilung im
Zustand der Atemluft, die für die Penetration aus
bestehen starke Tendenzen, diese Grenze in den den Alveolen in die arteriellen Blutgefäße sowie
Bereich < 500 nm zu verschieben. Grenzwerte für die Translokation im Organismus wie die
liegen inzwischen bei 100 µg/m3 in der Atemluft Überwindung der But/Hirn-Schranke entschei-

- am Arbeitsplatz, [45] mit Tendenz zu 50 µg/m3.


In der Umweltgesetzgebung und für Fragestel-
lungen im Immissionsbereich wird vermehrt der
Begriff „Feinstaub“ verwendet, um den Gehalt
- dend ist [49].
Die Emissions-Messgröße PM bei Verbrennungs-
motoren ist mit der Feinstaubdefinition PM10
oder PM2.5 nicht vergleichbar. Bei gleicher
der Atemluft an Schwebestoffen mit potenziell Maßeinheit zum Beispiel g/Nm3, also Masse
pathogenen Wirkungen zu quantifizieren. Poten- der Probe pro Probegasvolumen ist lediglich
ziell pathogen ist alles, was eingeatmet werden die Massenkonzentration gleich, die stoffliche
kann. Während früher die Sinkgeschwindigkeit Zusammensetzung und die Partikelgrößen-
von 10 cm/s (entsprechend dem aerodynami- verteilung aber unterscheiden sich stark; eine
schen Durchmesser 57 µm eines kugelförmigen Korrelation ist somit unmöglich. Bisher ist bei
Teilchens mit einer Dichte von 1 g/cm3) als der PM-Definition lediglich die Temperatur bei
Obergrenze für einatembaren Schwebestaub der Probenahme nach oben eingegrenzt, nicht
angesehen wurde, wurde später mit Definitionen die Partikelgröße. Erst mit EURO 5/6 (Pkw)
wie PM10 und PM2.5 auf die aerodynamische und Euro VI (Nfz) wird durch Einführung eines
Größe der Staubpartikel selbst Bezug genommen. PM2.5-Zyklons bei der Probenahme eine grobe
Danach entspricht PM10 einer Probe atmo- Größenbegrenzung eingeführt, um Fehler durch
sphärischer Schwebeteilchen, der ein Filter mit große Partikel zu vermeiden.
einem mittleren Trenngrad (50 % der Masse) bei
10 µm vorgeschaltet ist. Die Trenncharakteristik Mit diesen Messvorschriften lassen sich die Partikel
dieser Vorschaltfilter ist nach DIN EN 481 seit nicht befriedigend beschreiben; denn da weder über
1993 genormt. Entsprechend der gravimetrisch die Größenverteilung der Partikel im Aerosolzustand
definierten Trenncharakteristik können in einer noch über ihre chemische Zusammensetzung noch
PM10-Probe durchaus auch Partikel mit 30 µm ihre Phase (fest/flüssig) Aussagen gemacht werden,
Durchmesser enthalten sein. Diese Definitionen sind diese Messverfahren für eine toxikologische Be-
orientieren sich an der Depositionscharakteristik wertung unzureichend.
von Partikeln im Atemtrakt [46], kommen aus Die im verdünnten und abgekühlten Abgas aus
der Arbeitsmedizin und gehen auf die Johan- dem Aerosol aufgefangenen Partikel zeigen im Elek-
nisburger Konvention 1959 [47] zurück. PM10 tronenmikroskop eine Agglomerationsstruktur, de-
wird als thoraxgängiger Anteil und PM2.5 als ren Grundelement die nahezu sphärischen und recht
alveolengängiger Anteil bezeichnet, wobei diese dichten (circa 1,8 g/cm3) [50] Primärpartikel sind, wie
Zuordnung streng nur für hydrophobe Partikel sie bei allen Verbrennungen von Kohlenwasserstoffen
gilt. Die PM10-Definition sagt somit lediglich et- gebildet werden, . Abb. 21.91.
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
977 21

Diese oberflächenreichen Agglomerate (BET-


Oberfläche 100 bis 200 m2/g [50]) dienen bei der Ab-
kühlung als Kondensationskerne und lagern Filme von
Kohlenwasserstoffen und schwefligen Säureprodukten
ein, die ihrerseits wiederum sehr viel Wasser binden
können.
Substanzen, die den Filter gasförmig durchströmen
und erst bei weiterer Abkühlung durch Kondensation
(Tröpfchenbildung) partikulär in Erscheinung treten,
dürfen bei der physikalisch korrekten Betrachtung des
Heißgasfilters nicht als Partikel gewertet werden. Die
Definition muss vielmehr auf Substanzen begrenzt
bleiben, die bei den Durchströmungsbedingungen ..Abb. 21.91  Dieselpartikel-Agglomerate (Burtscher)
des Filters bereits Partikelcharakter haben, das heißt
im Wesentlichen auf Feststoffpartikel wie Ruß, Me-
talloxide aus Schmieröl-Packages und Abrieb, mine- unterschiedlichen Aussagen über den „Durchmesser“.
ralische Partikel, die nicht im Ansaugfilter des Motors Da Partikel aus technischen Verbrennungen meist klei-
abgeschieden werden und Schwefelprodukte wie zum ner sind als 500 nm und die Abscheidemechanismen
Beispiel Gips, der mit dem Ca-Gehalt des Schmieröls in der Tiefe der Lunge praktisch ausschließlich durch
gebildet werden kann. Beim Einsatz hochsiedender das Diffusionsverhalten bestimmt sind, ist die Defi-
Brennstoffe (Bio-Diesel) und hohem Schmierölanteil nition des Mobilitätsdurchmessers für diese Betrach-
im Abgas (gemischgeschmierte Zweitaktmotoren) tung vorzuziehen [52, 53]. Als weitere Parameter zur
findet man zuweilen auch hohe Konzentrationen sehr Charakterisierung der Gestalt wird häufig die fraktale
kleiner, hoch siedender Kohlenwasserstofftröpfchen, Dimension angegeben, die in der Regel weit unter 3,
meist in Form bimodaler Größenverteilungen [51], häufig um 2 liegt, was auf kettenförmige und flächige
vermutlich mit winzigen Metalloxidkernen. An Ruß Strukturen rückschließen lässt.
angelagerte Kohlenwasserstoffe (OC  =  organic car- Die Größenverteilung (. Abb. 21.92) der Partikel
bon) wie die bereits während der Verbrennung ad- aus der motorischen Verbrennung zeigt bereits am Mo-
sorbierten polyzyklischen Kohlenwasserstoffe PAK, toraustritt einen Log-Normalcharakter mit Mittelwer-
die bei Abgastemperatur adsorbiert sind und beim ten um 60 bis 100 nm, der sich bis zum Auspuffende
Eintrag in die Lunge fest gebunden bleiben, müssen nur unwesentlich verändert. Da man diese lognormale
mit berücksichtigt werden. Gleiches gilt für die durch Verteilung bei motorischen Emissionen voraussetzen
van der Waals-Kräfte fest gebunden Metalloxidcluster kann, lässt sich bei Kenntnis der mittleren Partikel-
(Größenbereich 10–20 nm). Der Rußkern transpor- größe die Gesamtpartikelmasse errechnen [54], ein
tiert also eine Vielfalt von potentiell toxischen Stoffen Verfahren, das bei tiefen Emissionen der gravimetri-
in den Organismus, wobei diese Stoffe meist persis- schen Bestimmung der Masse vorzuziehen ist.
tent sind d. h. kaum verstoffwechselt (metabolisiert) Der überwiegende Anteil dieser Feststoffpartikel
werden können. findet sich also im unsichtbaren Bereich (< 400 nm).
Die Größe dieser in vielgestaltiger Form auftre- Sichtbarer Rauch wird durch relativ wenige, aber sehr
tenden Partikel ist schwer zu beschreiben. Sie bedarf große Agglomerate gebildet, wie sie vor allem bei älte-
einer Definition, da die wirkliche geometrische Form ren Motoren durch wandnahe Verbrennung, heterogene
von keiner Methode zur Charakterisierung in situ, Vermischung des Kraftstoffs, mangelnden Luftüber-
also im Aerosolzustand, erfassbar ist. Eingebürgert schuss oder Anlagerung im Auspuffsystem entstehen
haben sich Vergleichsgrößen wie der aerodynamische können und dann periodisch im sogenannten „Store-
Durchmesser für Partikel > 500 nm und der Mobili- and-Release“-Prozess ausgeblasen werden, ein Phäno-
tätsdurchmesser für Partikel < 500 nm. Die Partikel men, das sich auch häufig bei offenen Filtern findet [56].
werden damit nicht nach ihrer eigentlichen geomet- Rußpartikel sind weitgehend inert, geruchlos, un-
rischen Größe, sondern nach ihren Eigenschaften im löslich in Wasser und organischen Lösungsmitteln.
Vergleich zu sphärischen Partikeln der Dichte eins Treten Aschesubstanzen, Abrieb oder mineralische
bewertet. Die Bewertung nach ihrem Trägheitsver- Partikel in größeren Mengen auf, so bilden sich häufig
halten (aerodynamischer Durchmesser) oder ihrem bimodale Verteilungen, mit deutlichem zweiten Maxi-
Diffusionsverhalten (Mobilitätsdurchmesser) führt zu mum um 20 bis 30 nm.
978 Kapitel 21 • Abgasemissionen

9,E+13
vehicle 1
21 vehicle 2
vehicle 7
vehicle 8
8,E+13
vehicle 3 vehicle 9
7,E+13 vehicle 4 vehicle 10
vehicle 5 vehicle 11
6,E+13 vehicle 6
dn/dlog(Dp) [1/km]

5,E+13

4,E+13

3,E+13

2,E+13

1,E+13

1,E+09

10 100 Dp [nm] 1.000

..Abb. 21.92  Größenverteilung von Feststoffpartikeln bei modernen Pkw-Dieselmotoren [55] Dp = Mobilitäts-


durchmesser (Messverfahren SMPS) [55]. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Ottomotoren, insbeson-
dere direkteinspritzende Motoren durchaus ähnlich hohe Partikelanzahlemissionen aufweisen können wie
Dieselmotoren, wobei die Partikelgröße allerdings in der Regel deutlich geringer ist – was zu bisher unauffäl-
ligen Masse-Emissionen PM geführt hat. Dagegen ist zu halten, dass das gesundheitliche Risiko mit fallender
Größe steigt [49]. Mit der Anzahlmessung PN sind nun auch die Partikelemissionen der Ottomotoren zu Recht in
den Fokus der Gesetzgebung geraten

Diese relativ neuen Erkenntnisse haben zusammen Euro 5 für Dieselmotoren ab 2011 auf 6 × 1011 P/
mit den Resultaten der medizinischen Wirkungsfor- km (Ottomotoren erst ab 2017) sowie durch
schung bezüglich des Eindringens in das Gefäßsystem Euro VI ab 2014 auf 6 × 1011 P/kWh begrenzt.
und die Nervenbahnen sowie der Bedeutung der Per-
sistenz inerter Partikel im Organismus zu neuen An- 21.6.3.2 Zielsetzungen für
sätzen zur Partikeldefinition und zur Festlegung von die Partikelfiltration

-
Grenzwerten geführt:
Zur Charakterisierung von Partikelfiltern werden
nach der schweizerischen Norm SN 277206 [57]
neben der EC-Masse die Anzahlkonzentration
Die Zielsetzungen müssen sich an der gesundheitli-
chen Relevanz und am technischen Stand orientieren,
da für krebserzeugende Schadstoffe keine ungefährli-
chen Schwellenwerte existieren.
von Feststoffpartikeln [Partikelanzahl/cm3] Gesundheitlich relevant sind vor allem Partikel, die
größenklassifiziert im Bereich 20 bis 300 nm in die Tiefe der Lunge eindringen, dort sehr lange ver-
(Mobilitätsdurchmesser) zugrunde gelegt und weilen und weder von Makrophagen fagozytiert wer-
nach VERT wird ein für alle Größenklassen den, noch sich in Körperflüssigkeiten lösen. Rußpartikel
geltender Abscheidegrad von > 98 % gefordert, erfüllen diese Bedingungen. Das Partikelgrößen-Ma-
der während des Regenerationsprozesses nur auf ximum der Deposition im Alveolarbereich der Lunge

- 90 % absinken darf (www.vert-certification.eu).


In der Schweizerischen Luftreinhalteverordnung
LRV wird zur Typenprüfung von Baumaschinen
mit Partikelfilter ab 1.1.2009 die Gesamt-Parti-
liegt je nach Atemvolumen bei etwa 10 bis 20 nm; noch
kleinere Partikel werden aufgrund ihrer sehr hohen
Beweglichkeit bereits in den oberen Atemwegen abge-
schieden und durch die sehr effizienten Reinigungsme-

- kelanzahl mit von 1012 Partikel/kWh begrenzt.


Im UNECE-PMP-Programm wurde [42] als
ergänzende Messmethode für die Typenprüfung
die Bestimmung der Gesamtanzahl von Feststoff-
chanismen der Lunge (Mukus-Zilien) wieder zum Ra-
chen zurückbefördert, sofern sie nicht schon in diesem
Bereich in den Organismus eindringen, wie das im Falle
des Riechnervs als direktem Einfallstor ins Gehirn von
partikeln im Größenbereich 23 nm bis 2,5 µm Oberdörster nachgewiesen wurde [58].
gewählt (siehe ▶ Abschn. 21.6.3.12) und durch
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
979 21

..Abb. 21.93  Deposition von Feinpartikeln in Nase, Bronchien, Alveolen [52]

Je kleiner die Partikel sind, umso leichter durch- zentration, häufig niedriger. Aus dem im Bild gezeig-
dringen sie die Gewebemembranen und gelangen aus ten Charakter der Raumluftkonzentration lässt sich
den Alveolen in die Gefäße und damit über Blut und schließen, dass diese im Wesentlichen durch die mo-
Lymphe in den gesamten Organismus, ins Gehirn torischen Emissionen in die Atmosphäre bestimmt
sowie durch die Plazenta in den Organismus des un- ist.
geborenen Kindes [59], . Abb. 21.93. Zudem trans-
portieren diese kleinen Feststoffpartikel adsorbierte to- 21.6.3.3 Anforderungen an
xische Substanzen (zum Beispiel auch krebserregende Filtermedien, technische
polyzyklisch-aromatische Kohlenwasserstoffe PAH) in Lösungen
den Organismus, was als „trojan-horse-effect“ bezeich- Die Anforderungen an den Diesel-Partikelfilter sind
net wird. Das Ziel muss also darin bestehen, Partikel
im Größenbereich 10 bis 500 nm effizient abzuschei-
-
hoch [62]:
Abgastemperaturen bis 750 °C und Temperatur-
den – bevorzugt mit einem, zu kleinen Partikeln hin
steigenden Abscheidegrad, dafür zu sorgen, dass die
- spitzen bei Regenerationen bis 1400 °C,
hohe thermische und thermomechanische Bean-
abgeschiedenen Substanzen unter allen Bedingungen
sicher in der Filtermatrix gebunden bleiben und dass
- spruchungen bei raschen Temperaturwechseln,
Gefahr von Materialschädigung durch
beim Regenerationsprozess weder Partikel noch adsor-
bierte Substanzen wieder freigesetzt werden.
Als Messlatte für den Vollzug gilt generell bei -- Schmieröl-Asche und Additiv-Substanzen [63],
hohe Speicherfähigkeit für Ruß und Asche,
geringer Druckverlust, damit geringe Rückwir-
Schadstoffen, die im Verdacht stehen, krebserzeugend
zu sein, die Umsetzung des „bestverfügbaren tech-
nischen Standes“ (BAT = best available technology), -- kung auf Turbolader und Motor,
geringe thermische Masse (rasches Ansprechen),
Abscheidegrade > 99 % für Partikel im Größen-
charakterisiert durch . Abb. 21.94.
Bei der Filterprüfung nach dem VERT-Eignungs-
- bereich 10 bis 500 nm,
keine Bildung zusätzlicher Schadstoffe – soge-
test-Verfahren des Schweizerischen Bundesamtes für
Umwelt BAFU [61] werden in diesem Fall Abschei-
degrade für Feststoffpartikel im kritischen Größenbe- - nannter Sekundäremissionen,
Schalldämpfung bei Nachrüstung mindestens
gleichwertig der Ausgangsversion mit Schall-
reich von über 99 % erreicht – ein durchaus übliches
Ergebnis moderner Partikelfilter.
- dämpfer, den er ersetzt,
unempfindlich gegen Fahrzeug-Vibrationen
Die Konzentration der Partikel im unverdünn-
ten Reingas stromab eines solchen Filters liegt somit
etwa im Bereich der heutigen atmosphärischen Kon- - (bevorzugt motornaher Einbau),
unempfindlich gegen Beschädigung beim Ausrei-
nigen von inerten Aschebestandteilen.
980 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.94  Abscheidegrad eines keramischen Zellenfilters an einem Nutzfahrzeug DI-Dieselmotor [60] nach
einem Feldeinsatz über 2000 Betriebsstunden

Bei alledem wird ein niedriger Preis gefordert (beim messer sollte im Bereich um 10 µm liegen, um die ge-
OE-Nutzfahrzeug < 10 €/kW, beim Pkw < 5 €/kW), ein wünschte Abscheidung auch während und unmittelbar
geringes Einbauvolumen und eine Standzeit, die der nach der Regeneration zu erzielen.
Motorlebensdauer entspricht. Im Folgenden einige Beispiele, die die Vielfalt die-
Als Filtermedien kommen nur oberflächenreiche ser Technologie zeigen. Nicht alle diese Systeme haben
Strukturen aus hochwarmfesten Werkstoffen in Frage
wie monolithisch-poröse keramische Strukturen in
Zellenform (Wall flow), . Abb. 21.95 und 21.96, oder
als Schäume, . Abb. 21.97, hochlegierte poröse Me-
-
Eingang in die heutige Anwendungspraxis gefunden:
Keramisch monolithische Zellenfilter Ähnlich
aufgebaut wie ein Zellenkatalysator, jedoch mit
wechselweise verschlossenen Zellen bietet dieser
tall-Sinterstrukturen und Metallschäume, . Abb. 21.98 Filtertyp eine große spezifische Filter-Oberfläche
sowie Faserstrukturen als Vliese, . Abb. 21.99, Garn- bei geringem Bauvolumen (1 bis 3 m2/l), damit
wickel oder in textiler Bindung (Gestricke, Geflechte), geringem Gegendruck und hoher Abscheide-
. Abb. 21.100, unter Verwendung von keramischen rate bei kleinen Gasgeschwindigkeiten durch
oder metallischen Fasern. Die für die Abscheidung die Wände (einige cm/s). Die Filter wurden
maßgebende Größe, Porengröße oder Faserdurch- ursprünglich (erstes Patent 1979, Robert, J.
Outland/GM) vor allem aus Cordierit durch
Extrusion hergestellt (NGK, CORNING). Später
kam Siliciumcarbid SiC in unterschiedlicher
Kristallstruktur (NOTOX, IBIDEN, LIQTEC)
und Aluminiumtitanat hinzu, sowie weitere kera-
mische Werkstoffe. Intensive Weiterentwicklung
der Werkstoffe hat zu thermoschockresistenten
Strukturen geführt. Mit Filtermedien dieser
Art bestehen, insbesondere für den Werkstoff
Cordierit, weltweit seit drei Jahrzehnten umfang-
reiche Erfahrungen. Neu werden mehrstufige
Wandstrukturen diskutiert, beispielsweise mittels
einer zusätzlichen auf die eigentliche Filterwand
aufgesinterten keramischen „Membran“ –
hochporös, mit sehr kleinen Filterporen, äußerst
dünn – womit die Abscheidung bei gleichzeitiger
Absenkung des Druckverlustes weiter gesteigert
..Abb. 21.95  Keramisch-monolithischer Zellenfilter werden kann. Interessante Weiterentwicklungen
(CORNING SAE Paper 830181 – 1983) – heute die am der Zellgeometrie haben zu unsymmetrischen
weitesten verbreitete Substratstruktur in unterschied- Strukturen geführt d. h. das Zellvolumen auf der
lichen Werkstoffen Zustömseite (Rohgas) ist größer als das Zellvolu-
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
981 21

..Abb. 21.96  Porenstruktur eines keramischen Filters ..Abb. 21.98  Filter aus porösen Sintermetall-Platten
(CORNING) [62]; mittlere Größe und Größenverteilung (SHW; HJS), zu einer Zellstruktur zusammengesetzt
der Poren sind für die Abscheidung der ultrafeinen und verschweißt, vor allem in der Nachrüstung sehr
Partikel entscheidend erfolgreich

..Abb. 21.99 Filterkerze (3M, MANN & HUMMEL),


..Abb. 21.97  Keramische Schäume als Filtermedium nach Art einer Garnspule, in rhombischem Muster auf
(Alusuisse) [64] haben an Bedeutung verloren, da ein inneres Lochblech gewickeltes Hochtemperatur-
Abscheidegrade > 95 % schwer darstellbar sind und Keramikgarn [66], heute kaum mehr eingesetzt
die Gefahr des Abblasens von Rußdepots nicht ausge-
schlossen werden kann

men auf der Abströmseite (Reingas). Damit wird


erreicht, dass größere Aschemengen gespeichert
werden können, bis der für die Reinigung vorge-
gebene Gegendruck erreicht wird. Dieser „wall
flow filter“ bietet bemerkenswerte Möglichkeiten
als Trägersubstrat für die Katalyse der gasförmi-
gen Schadstoffe auf beiden Wandseiten sowie in
der Porentiefe bis hin zur Entstickung im SCR-
Verfahren mit nachgeschaltetem Ammoniak-

- Sperrkatalysator in den Reingas-Austrittskanälen.


Metall-Sinterfilter In seiner Grobstruktur ur-
sprünglich ähnlich aufgebaut wie der keramische
Monolith, haben SHW und HJS einen Filtertyp ..Abb. 21.100 Faserstrickfilter (BUCK), eine plissierte
Struktur aus Hochtemperatur-Fasergestrick. Parallel
auf Basis metallischer Werkstoffe entwickelt –
angeordnete Filterkerzen [65], hat wegen relativ ho-
SMF®. Grundelement ist eine dünne Sinterplatte
hen spezifischen Bauraums an Bedeutung verloren
aus Metallpulver mit einer Drahtgewebe- oder
Streckmetall-Trägerstruktur (einige Zehntel-
982 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Millimeter). Diese Filter sind im Vergleich zur DONALDSON, PAAS, AHLSTROM). Bei diesen
21 Keramik relativ schwer, aber sehr robust. Sie Papieren und Vliesen handelt es sich im Prinzip
verfügen naturgemäß über eine gute Wärmelei- auch um Faserfilter, bei denen Kurzfasern zum
tung als ideale Voraussetzung für eine vollstän- Einsatz kommen, die in regelloser Form angeord-
dige Regeneration. In der Weiterentwicklung der net und durch Binder in ihrer Struktur fixiert sind.
Metall-Sinterfilter wurde vor allem die Form von Für höhere Temperaturen kommen auch Filze
balgartigen Strukturen aus Filterplatten (ähnlich aus keramischen Fasern in Frage, wie sie bereits
dem Aufbau von Luftfiltern) bevorzugt, die heute in der industriellen Heißgasfiltration seit langem
mit reduziertem Gewicht verfügbar sind und sich im Einsatz sind sowie Vliese aus widerstandsge-
sehr bewährt haben. Ein besonderes Merkmal schweißten Metall-Mikrofasern (BEKAERT).
dieser Filterstruktur ist die Einlagerung von
Asche bei geringem Gegendruckanstieg (HJS). Im Gegensatz zu diesen, mit oberflächenreichen Struk-
Aufgrund der guten Wärmeleitung lässt sich turen ausgestatteten mechanischen Filtern, haben sich
dieser Filtertyp als SMF-AR® durch kurzzeitige strömungsdynamische, elektrostatische und Plasma-
(elektrische) Erwärmung besonders gut aktiv Verfahren bisher nicht durchsetzen können und Abgas-

- regenerieren.
Faser-Wickelfilter Garne aus Hochtemperaturfa-
sern (Werkstoff Mullit) werden in einer speziel-
len Wickeltechnik zur Erzeugung rhombischer
wäscher, die in den Anfängen noch häufig verwendet
wurden, werden kaum mehr eingesetzt, sind sie doch
zur Abscheidung der Nanopartikel gänzlich ungeeignet.
Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend, zahlrei-
Kanalstrukturen auf ein perforiertes Trägerrohr che andere technische Lösungen sind in Entwicklung,
aufgewickelt. Filterkerzen dieser Art wurden von wobei neben Filterqualität und Druckverlust vor allem
3M und MANN+HUMMEL entwickelt sind aber die Verminderung der Baugröße, fahrzeuggerechtes

- heute kaum mehr im Gebrauch.


Faser-Strickfilter Keramische Garne werden zu
Rundgestricken verarbeitet und durch Plissierung
zu Tiefenstrukturen geformt. Die makroskopi-
Design, Einbindung in den Gesamtprozess und Ver-
knüpfung mit anderen Abgasreinigungsverfahren an-
gestrebt wird [68].

sche Faseroberfläche erreicht typisch 200 m2/l, 21.6.3.4 Abscheidung und Haftung


während die mikroskopische Oberfläche der Im Allgemeinen werden in einem Filter drei Bereiche
Faser selbst mit 100 bis 200 m2/g verfügbar ist. mit physikalisch unterschiedlichen Abscheidemecha-
Dieser Filtertyp wurde von BUCK entwickelt und nismen beobachtet, wie sie im folgenden Bild nach
wird auch in Kombination mit Drahtgestrick mit Hinds [52] dargestellt und am Beispiel der Faserab-
katalytischer Beschichtung angeboten, hat sich in scheidung illustriert sind, . Abb. 21.101, 21.102.
der Fahrzeuganwendung nicht durchsetzen kön- Größere Partikel werden durch Impaktion infolge
nen, wird jedoch als Katalysator-Trägerstrukur von Massenkräften abgeschieden, etwas kleinere durch

- für kleine Zweitaktmotoren eingesetzt.


Faser-Flechtfilter Hochtemperaturfasern werden
auch als Geflechte angeboten und können, über
metallische Trägerstrukturen fixiert, für die Filt-
Abfangeffekte bei wandnaher Strömung. Für die Submi-
kron-Partikel (Nanopartikel) jedoch, die hier zur Dis-
kussion stehen, zeigt . Abb. 21.101, dass fast ausschließ-
lich die Diffusion wirksam ist. Sperr- oder Siebeffekte
ration eingesetzt werden. Solche Systeme wurden treten bei der Abscheidung derart kleiner Partikel prak-
von HUG und 3M entwickelt, haben sich aber tisch nicht auf – die Porengröße der Filtermedien ist ja
in der Fahrzeuganwendung nicht durchsetzen > 100 mal größer als die mittlere Partikelgröße.

- können.
Filterpapiere/Filterfilze/Filtervliese Papierfilter,
die ähnlich wie die Luft-Ansaugfilter aufgebaut
sind, kommen nur dann in Frage, wenn die
Der Bedeutung der Verweilzeit des Partikels in der
Filterstruktur wird durch die Definition der Raum-
geschwindigkeit Rechnung getragen. Die Raumge-
schwindigkeit oder space velocity S errechnet sich aus
Abgastemperaturen zuverlässig niedrig gehalten dem Gasdurchsatz VGas [m3/s] dividiert durch das Fil-
werden können. Sie werden in Verbindung mit tervolumen VFilter [m3]
Abgaskühlung bei Motoren in Kohleminen in
großem Stil in USA und Australien eingesetzt, S = VGas =VFilter Œ1/s:
sind dort gesetzlich verankert [67]. Immerhin
stehen Vliese und Papiere bis zu Einsatztempera- Typisch für gute Filter sind Werte im Bereich
turen von circa 300 °C bereit (FREUDENBERG, 30 1/s.
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
983 21
Rußpartikel Diffusion Abfangen

100

80
Filterwirkungsgrad [%]

ED = Diffusion
60 E1 = Impaktion E0
(Trägheitswirkung)
ER = Abfangen aus wand- Trägheitsabscheidung Filterfaser
naher Strömung
40 E0 = Gesamt ED ..Abb. 21.102 Abscheidemechanismen an einer
E1
Einzelfaser (3M)
V
20
ER

B
10–2 10–1 100 101
Partikeldurchmesser [µm] CD

..Abb. 21.101 Abscheidewirkungen in einem Filter- L


medium in Funktion der Partikelgröße (3M) CD

Vergleicht man die Abscheidecharakteristik der


Lunge gemäß . Abb. 21.89, so zeigt sich in sehr ähn-
licher Weise ein Abscheideminimum im Bereich um
1 µm, wo die Impaktion bereits zu einem schwachen
Effekt wird und die Diffusion erst zu wirken beginnt.
Solche Partikel werden zu einem großen Teil wieder
ausgeatmet, im Gegensatz zu den sehr viel größeren, ..Abb. 21.103  Kanalmodell zur Diffusionsabschei-
die bereits in den oberen Atemwegen abgeschieden dung von Partikeln
und ausgereinigt werden und den wesentlich kleineren,
die bevorzugt im Alveolarbereich deponiert werden strömungsgeschwindigkeit sind die Voraussetzungen
und in die Blutbahn penetrieren und damit in den ge- für ein gutes Abscheideverhalten.
samten Organismus verteilt werden können. Der Vorgang ist am anschaulichsten anhand einer
Bei diesen kleinen Partikeln ist das Verhältnis von Kanalströmung zu beschreiben, . Abb. 21.103, wobei
Schleppkraft zu Massenkraft im Stokes’schen Bereich, der Kanaldurchmesser in Anlehnung an die typische
der die Verhältnisse im Filter gut beschreibt [69], der- Porengröße solcher Feinstfilter mit 10 μ angesetzt wer-
art groß, dass die Teilchen den Stromlinien um jedes den soll, das heißt etwa 100-mal größer als ein typi-
Hindernis, auch um feinste Filterfasern, folgen. sches Rußpartikel.
L = Filtertiefe
Schleppkraft d v B = Kanalbreite (Porengröße)
 3
Massenkraft d    v2 (21.22) v = Durchströmungsgeschwindigkeit
cD = Diffusionsgeschwindigkeit
d = Partikeldurchmesser
v = Geschwindigkeit Damit ein Partikel aus der Kanalmitte die Wand er-
μ = dynamische Zähigkeit reicht, bevor es den Kanal verlässt, muss die Zeit zur
ρ = Dichte Durchströmung des Kanals

Diese kleinen Partikel können also nur durch Diffusion L


t1 =
abgeschieden werden. Diffusion aber braucht Zeit; das v
heißt ausreichende Filtertiefe L und geringe Durch-
984 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Partikel- Diffusions- Sink- Rechnerisch ergibt sich nach Hinds [52] die Dif-
21 größe geschwindigkeit geschwindigkeit fusionsgeschwindigkeit für Partikel unterschiedlicher
rms Brown´sche Größe bei Raumtemperatur gemäß . Abb. 21.104. Zur
Bewegung Anschaulichkeit ist die theoretische Sinkgeschwindig-
[µm/s] [µm/s] keit in [mm/h] mit angegeben.
10 nm 260 0,06 Da die Zeit zur Durchströmung der Filterwände ke-
100 nm 30 0,86 ramischer Zellenfilter in der Regel im Bereich von 0,01 s
1000 nm 5,9 35 liegt, beträgt der Diffusionsweg eines 100 nm-Partikels
nur 0,3 µm; eine Abscheidung in einem solchen Kanal
..Abb. 21.104  Quelle: Hinds, Aerosol Technology [52] ist also nur für die unmittelbar wandnahen Partikel ge-
geben – auch nicht bei höheren Temperaturen, obschon
mindestens gleich (oder kleiner) sein als die Diffu­ die Diffusionsgeschwindigkeit mit der Temperatur steigt.
sionszeit von der Mitte zur Wand Dies erklärt, weshalb in üblichen Katalysator-Strukturen
mit durchgängigen, wenn auch sehr feinen Zellen, prak-
B tisch keine Partikel abgeschieden werden können.
t2 = :
2  cD Filterstrukturen müssen somit gegenüber dem
Kanalmodell wesentlich Labyrinthartiger und oberflä-
Für den Vergleich verschiedener Geometrien und chenreicher gestaltet werden, um die Abscheidung fei-
Durchströmungsbedingungen ergibt sich die Bedingung ner Partikel zu gewährleisten. Zur Beschreibung werden
zwei Wege beschritten, wobei die porösen Wände der
B v Wallflow-Filter eher durch ein Durchströmungsmodell,
= const:
L die Fasertiefenfilter durch ein Umströmungsmodell be-
schrieben werden können, . Abb. 21.105, 21.106.
eine Funktion des Partikeldurchmessers  d und der Bei der porösen Wand findet die Durchströmung
Temperatur T. in Kanälen von Pore zu Pore statt. Es sind zahlreiche
Für typische keramische Zellenfilter liegt die Fil- Umlenkungen vorgesehen, Verweilzeiten in Porenka-
tertiefe (Wandstärke) bei 0,5 mm, die Porengröße bei vernen und die Einführung neuer Wände bei den Ver-
10 µm und die Geschwindigkeit bei wenigen cm/s. Fa- zweigungen von Kanälen. Die Diffusion wird dadurch
serfilter, deren typische Porendimension größer ist und erheblich verbessert, aber auch die Impaktion erhält
die mit erheblich größeren Geschwindigkeiten arbei- größere Chancen. Solche Filter zeichnen sich durch
ten, benötigen eine größere Durchströmungstiefe, wie vorzügliche Abscheidung gröberer Partikel aus, un-
sich aus dieser Bedingung ergibt. terliegen aber infolge des zu Grunde liegenden Kanal-
Da kleine Partikel höhere Diffusionsgeschwindig- Charakters einer Tendenz zur Verschlechterung des
keiten respektive höhere Beweglichkeit b aufweisen, ist Abscheidegrades für sehr kleine Partikel dann, wenn
zu erwarten, dass kleinere Partikel in solchen Struktu- die Kanalwände dünn, die Poren groß und die Durch-
ren besser abgeschieden werden. strömungsgeschwindigkeiten groß – die Verweilzeit
Die Begriffe „Diffusionsgeschwindigkeit“ und der Partikel in der Filterstruktur also kurz ist.
„Beweglichkeit“ sind übrigens im Sinne der Einstein- Im Umströmungsmodell, das vor allem Faserfilter
Relation äquivalent: charakterisiert, werden ständig neue Grenzschich-
ten gebildet, der Strömungskanal also immer wieder
D = k  T  b (21.23) unterteilt, so dass ein Partikel häufig in unmittelbare
Wandnähe gerät und dort durch Diffusion abgeschie-
D = Diffusionskoeffizient den werden kann. Von derart reinen Tiefenfiltern darf
T = absolute Temperatur somit ein, zu kleinen Partikeln hin zunehmender Ab-
k = Boltzmann-Konstante scheidegrad erwartet werden, während aufgrund der
b = Beweglichkeit, definiert als vergleichsweise großen Poren die Gefahr besteht, dass
b = v/F, große Partikel, insbesondere auch im Filter entstan-
dene Agglomerate, die Filterstruktur wieder verlassen
mit F als auf das Partikel wirkende Kraft (zum Beispiel können. Zur Beschreibung der Durchströmung sol-
elektrische Feldkraft, Schwerkraft, Stoßkräfte durch cher feinporigen Strukturen stehen heute ausgefeilte
Moleküle) und mit v als resultierende Geschwindig- Rechenmodelle zur Verfügung [70], die auch für kata-
keit des Partikels. lytisch unterstützte chemische Prozesse wie die Rege-
neration an diesen Oberflächen genutzt werden.
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
985 21

..Abb. 21.105  Poröse Wand ..Abb. 21.106 Faserbündel

der Gesundheitsrelevanz Größe, Oberfläche und An-


Definitionen für den Abscheidegrad  Der Abschei- zahl bei der Messung zu berücksichtigen sind, sollte
degrad kann nach der Gesamtmasse oder nach der auch der Abscheidegrad entsprechend definiert wer-
Partikelanzahl definiert werden. Im zweiten Fall lässt den. Ganz problematisch wird die Definition nach der
sich aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Anzahl- Masse PM dann, wenn bei der Probenahme, also auf
Messtechnik der Abscheidegrad in Funktion der Parti- dem Weg, den das zu analysierende Aerosol nimmt,
kelgröße selbst für sehr kleine Partikelgrößen erfassen. die Kondensation gas- oder dampfförmiger Substan-
Man erhält damit die sogenannte Filtercharakteristik zen nicht ausgeschlossen werden kann – und das ist
oder Trenncharakteristik. Bei Definition nach der im Verbrennungsgas bei Einsatz des gesetzlich vorge-
Partikelmasse PM ist diese Auflösung nach der Par- schriebenen CVS-Verfahrens leider die Regel: Kühlung
tikelgröße nicht möglich, da die Nachweisgrenze der auf die geforderten 52 °C führt immer zu Kondensa-
gravimetrischen Messverfahren im Bereich der frag- ten, der errechnete Abscheidegrad wird verfälscht. Ist
lichen Partikelgrößen dazu bei weitem nicht genügt. Schwefel im Spiel (Treibstoff oder Schmieröl) so kön-
Abscheidegrad nach Partikelmasse PMAG: nen diese Wirkungen so stark werden, dass ein Filter,
der einen Abscheidegrad für Feststoffpartikel von
PMvor PF − PMnach PF über 99 % aufweist, nach der Partikelmasse PM einen
PMAG =
PMvor PF  (21.24) scheinbar negativen Abscheidegrad zeigt [56].

Abscheidegrad nach Partikelanzahl PZAG: Rückhaltung der Partikel  Neben der Abscheidung ist
als zweite Komponente der Filtration die zuverlässige
PZvor PF − PZnach PF Rückhaltung der Partikel in der Filtermatrix, also die
PZAG = = f .d /
PZvor PF  (21.25) Haftung, von Bedeutung. Sieht man von Formeffekten,
die weitgehend vernachlässigt werden können, einmal
ab, so ist bei den trockenen Bedingungen der Heißgas-
Penetration = 1 − Abscheidegrad (21.26) filtration die Haftkraft eines Partikels an einer Oberflä-
che nach Van der Waals gegeben durch:
Wenn Probenahme und Messung so ausgelegt
sind, dass nur die Feststoffmasse erfasst wird, res- p=
A
pektive nur die Feststoff-Partikel gezählt werden, so 6    z3 (21.27)
ergeben diese beiden Definitionen in der Regel sehr
ähnliche Werte. Das muss nicht notwendigerweise so p = Haftdruck
sein. Verändert sich nämlich ein Spektrum vor allem A = Konstante
im Bereich sehr feiner Partikel, so wird die Situation z = Kontaktabstand
durch das Anzahlkriterium besser beschrieben als
durch das Massenkriterium. Zudem ist bei einem Par- Kleine Teilchen, deren Schwerpunktabstand zur Ober-
tikelgrößenspektrum, das durch Feinstpartikel domi- fläche sehr gering ist, haften somit wesentlich besser
niert ist, die Messung nach der Anzahl die wesentlich als größere. Da zudem die Angriffsmöglichkeit von
empfindlichere Methode [71]. Da weiter aus Gründen Strömungskräften an kleinen Teilchen, die bereits im
986 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Grenzschichtbereich liegen, gering ist, besteht kaum allen Fällen aber muss der brennbare Rückstand, aus
21 eine Gefahr, dass Submikronpartikel, einmal an der elementarem Kohlenstoff EC und organisch gebunde-
Oberfläche abgeschieden, durch Strömungskräfte wie- nem Kohlenstoff OC zusammengesetzt, relativ häufig
der ausgetragen werden können. durch Verbrennung entfernt werden. Dieser Vorgang
An abgeschiedenen Partikeln aber können sich wird als Regeneration bezeichnet. Die Regeneration
weitere Partikel anlagern, so dass in einem Filter sollte, um rückstandsfrei zu sein, möglichst so erfolgen,
schließlich große Agglomerate (dendritische Struk- dass nur CO2 und Wasser entstehen. Dieser Idealfall
turen) entstehen können, wie sie die . Abb.  21.107 wird häufig nicht ganz erreicht. Gründe dafür sind,
illustriert. neben dem CO/CO2-Gleichgewicht einerseits Effekte
Derartige Agglomerate bieten eine große Angriffs- während der Aufheizphase, in der Substanzen durch
fläche für die Strömung, sie können sich also ablösen Verdampfung aus dem Filter ausgetragen werden
und den Filter wieder verlassen – dies ist das typische können, andererseits Heizphasen bei geringem Sau-
Verhalten von grobporigen Tiefenfiltern oder soge- erstoffgehalt, die zu Verkokungserscheinungen führen
nannten Teilstromfiltern [72]. Man spricht geradezu können (Pyrolyse) und damit zu fast nicht mehr rege-
von Agglomeratoren. nerierbaren Rückständen.
Aufgrund der festen Haftung der Feinstpartikel an Der komplexe Vorgang der Rußverbrennung, der
Oberflächen werden beim Versuch der Reinigung von nicht nur durch thermodynamische, sondern vor allem
Filtern durch Ausblasen lediglich Filterkuchen, große auch durch kinetische Bedingungen bestimmt ist, lässt
Rußagglomerate und Ascheagglomerate entfernt. Die sich nach Lepperhoff [73] durch ein reaktionskineti-
Feinstpartikel können allenfalls durch Auswaschen, sches Modell nach dem Arrhenius-Ansatz wie folgt
das die Van der Waals’schen Bindungen lockert oder beschreiben:
durch Ausbrennen aus dem Filter entfernt werden.
dM −E
21.6.3.5 Regeneration und periodische = k0  M m  pO
n
e RT
dt 2  (21.28)
Reinigung
Dank der hohen Abscheiderate für Feststoffpartikel M = relative Rußmasse
jeder Art belegen sich die Filter rasch. Die Belegung pO2 = Partialdruck des Sauerstoffs
mit brennbaren Bestandteilen (Ruß, bis zu einer Be- R = Gaskonstante
legung von 10 g/l Filtervolumen, die als Grenze ange- T = absolute Temperatur
sehen werden sollte) erfolgt in wenigen Stunden, mit E = Aktivierungsenergie
inerten Feststoffpartikeln (Asche) innerhalb von eini-
gen hundert bis tausend Stunden. Diese Zeiten kön- Aus dieser Beziehung geht die große Bedeutung der
nen stark variieren, je nach Rohemission des Motors, Temperatur und der ausreichenden Verfügbarkeit von
Betriebsweise, Schmierölverbrauch, Brennstoff- und Sauerstoff hervor. Die Aktivierungsenergie E liegt beim
Schmieröl-Eigenschaften und Filter-Charakteristik. In Filter ohne Regenerationshilfen im Bereich 140 kJ/mol.
Bei katalytischen Maßnahmen kann dieser Wert auf
ein Niveau von 80 bis 90 kJ/mol abgesenkt werden. Da-
mit Ruß vollständig verbrennt, sind Temperaturen von
über 600 °C und ein Sauerstoffgehalt über 7 % erfor-
derlich, also Bedingungen, die bei vielen Fahrzeugein-
sätzen über längere Zeit, wie sie für das Aufheizen des
Filtersystems erforderlich ist, kaum je, und wenn, dann
nur kurzzeitig erreicht werden.
Die Abbrand-Bedingungen können in relativ wei-
ten Grenzen variieren, einerseits abhängig von Ruß-
Charakter und Ablagerungsgeschichte, andererseits
beeinflusst durch die Adsorption von Kohlenwasser-
stoffen aus Schmieröl und Kraftstoff sowie neugebil-
deten Substanzen.
..Abb. 21.107  Dieselruß, abgeschieden als Feinst­ Erschwerend kommt hinzu, dass während der
partikel auf einer Keramikfaser mit 10 µm Durchmes- Regeneration keine überhöhte Emission von Kohlen-
ser und ein großes Agglomerat, das im Filter gebildet wasserstoffen und CO erfolgen soll und dass die durch
wurde [65] die Wärmefreisetzung bei der Rußverbrennung entste-
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
987 21

..Abb. 21.108  Partikelfiltersystem mit Vollstrombrenner (DEUTZ)

henden Wärmespannungen so gut kontrolliert werden das Filterelement von der Reinluftseite her
müssen, dass diesbezüglich empfindliche Strukturen beheizen (HJS). Die Aufgabenstellung, einen
wie keramisch-monolithische Zellenfilter nicht über- Brenner unabhängig vom Motor zu betreiben,
beansprucht werden. ist technisch weit einfacher, bedingt aber auch
Zur Lösung dieser Aufgaben sind zahlreiche Re- einen Zusatzaufwand, weil die Verbrennungs-
generationsverfahren entwickelt worden, die grob in luft durch ein elektrisch betriebenes Gebläse
passive und aktive Verfahren unterteilt werden kön- bereitgestellt werden muss (HUSS, ERNST,

-
nen:
„aktiv“, wenn die Regeneration durch gesteuerte
oder geregelte Eingriffe ausgelöst wird, die entwe-
der eine Energiezufuhr oder eine Steigerung der
PHYSITRON, Eberspächer). Auch extern
betriebene Brenner kommen zum Einsatz,
einerseits zur Regeneration von Wechselfil-
tern, andererseits als Heißluftlieferant zur
Temperatur oder eine Erhöhung des Sauerstoffge- Regeneration fest installierter Partikelfilter

- haltes zum Zweck haben.


„passiv“, wenn durch katalytische Maßnahmen
die Aktivierungsenergie so weit abgesenkt wird,
dass die Reaktion bei den gegebenen Betriebs-
im Fahrzeugstillstand. Besondere Erwähnung
verdienen katalytisch unterstützte, sogenannte
flammenlose Verbrennungsverfahren, die

temperaturen abläuft.

Beides lässt sich natürlich kombinieren.


In Sonderfällen (kleine Motoren, Kurzzeiteinsätze,
Innenraumbetrieb) kommen auch Wechselfilter oder
Einwegfilter in Frage, die extern regeneriert oder nach
Belegung entsorgt werden.

- Unter den aktiven Systemen finden sich vor allem:


Diesel-Brenner (. Abb. 21.108 u. 21.109) Es
sind zahlreiche Varianten bekannt (DEUTZ,
siehe . Abb. 21.108, HUG, TENNECO,
CATERPILLAR), die bei allen Betriebsbe-
dingungen regenerieren, ferner finden sich
in der Entwicklungsgeschichte der Partikel-
filter Zwillingssysteme, die bei einstellbaren
Bedingungen wechselweise regenerieren
(Eberspächer, . Abb. 21.109 Iveco) Brenner,
die im Leerlaufbetrieb oder bei Motorstillstand ..Abb. 21.109  Doppelfiltersystem mit Klappensteue-
zugeschaltet werden (HUG) und solche, die rung (EBERSPÄCHER)
988 Kapitel 21 • Abgasemissionen

eine sehr feine Verteilung des eingespritzten Späteinspritzung, Nacheinspritzung, Drosselung


21 Dieseltreibstoffs voraussetzen (eventuell durch und Abgasrückführung. Mit diesen Eingriffen
Späteinspritzung noch im Motor), damit eine kann die Abgastemperatur um 200 bis 300 °C
möglichst rückstandsfreie Verbrennung auf gesteigert werden, was in vielen Fällen, insbe-
den katalytischen Oberflächen erfolgen kann sondere bei Kombinationen mit katalytischen
(COMELA, PURITECH, GAT, DEUTZ, bei Maßnahmen für die Regeneration genügt. Alle
OE-Systemen CUMMINS, PEUGEOT und diese Eingriffe verschlechtern den Kraftstoff-
andere mehr). In manchen Fällen wird das verbrauch, was dann ins Gewicht fällt, wenn die
Verfahren durch eine Teil-Vergasung mit CO/ Regenerationsphasen in Relation zur Betriebszeit
H2-Anreicherung weiter verbessert, um ein zwischen Regenerationen kurz sind, typisch
Anspringen der katalytischen Reaktion weit 1 bis 3 %. Maßnahmen dieser Art sind allerdings
unter 200 °C zu ermöglichen. Die Verwendung meist nur in der Erstausrüstung, bevorzugt bei
von leichter entzündbaren Brennstoffen, die ei- Motoren mit elektronischen Einspritzsystemen
gens mitgeführt werden müssten, wurde bisher möglich. Drosselung des Gasstroms aber ist ein

- nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen.


Elektrische Beheizung: Elektrische Systeme
sind in vielfältiger Form entwickelt worden:
Gesamtbeheizung des Gasstroms und damit
auch in der Nachrüstung einsetzbares Verfahren,
das sich zunehmender Beliebtheit erfreut [75].
Bei motorinterner Kraftstoffeinspritzung ist we-
gen der Gefahr der Verdünnung des Schmieröls
des Filters oder gezielte Beheizung der Filter- Vorsicht geboten.
matrix über Ohm’sche Wärme bei elektrisch
leitfähigen Werkstoffen (SiC) sowie sequenzielle Ebenso vielfältig sind die passiven Regenerationshilfen
Beheizungssysteme, bei denen eine Filterkerze durch Einsatz von Katalyse, die sich grob unterteilen las-
nach der anderen [65] oder ein Filterkanal nach sen in solche, die die Reaktion des Rußes mit Sauerstoff
dem anderen [74] auf Regenerationstemperatur unterstützen und andere, die die Reaktion des Rußes
gebracht wird. Falls sich ein ausgeprägter Ruß- mit NO2 fördern. Natürlich sind auch Kombinationen
kuchen entwickelt hat, kann es genügen, diese denkbar. Der Einsatz der katalytisch aktiven Substanzen
Schicht nur zu entzünden, der Brand „frisst“ erfolgt entweder durch Additivierung des Brennstoffs
sich dann dank freiwerdender Energie durch den
gesamten Rußkuchen (HJS, EMINOX, PIRELLI);
Voraussetzung dafür ist die FBC-Technik durch
Additivierung des Treibstoffs. Der eingelagerte
-
oder durch Beschichtung der Filteroberflächen.
Regenerations-Additive (FBC = fuel borne
catalysts) [76] sind Substanzen, die, meist in me-
tallorganischer Form, dem Kraftstoff in geringen
Ruß ist dann mit winzigen Metalloxidclustern Konzentrationen (10 bis 20 ppm) zugemischt,
durchsetzt und zündet dank deren katalytischer die Rußabbrandtemperatur durch katalytische
Wirkung bereits bei Temperaturen um 300 °C. Wirkung bis auf circa 300 °C absenken können.
Das Hauptproblem der elektrischen Verfahren ist Beispiele für solche Substanzen sind Cer, Eisen,
die begrenzte Verfügbarkeit elektrischer Energie Kupfer und Strontium. Die Endprodukte dieser
an Bord von Fahrzeugen. Bisher haben sich Additive (Oxyde) tauchen im Abgas als äußerst
elektrische Regenerationsverfahren nur durchge- kleine Aschepartikel wieder auf (um 20 nm)
setzt, wenn die Regeneration bei Motorstillstand [77]; die Anwendung ist daher nur in Verbin-
durchgeführt und die dazu erforderliche elektri- dung mit entsprechenden Partikelfiltern zulässig
sche Energie von außen zugeführt werden konnte [61]. Vorteilhaft ist die Fähigkeit der Additive,
(HUSS, ERNST, JOHNSON MATTHEY, ECS, durch ihre Wirkung während der motorischen
DCL). Der Prozess kann dann langsam geführt Verbrennung die Ruß-Rohemissionen erheblich
und das Filtermaterial dadurch geschont werden. abzusenken und damit die Filter zu entlasten.
Mit diesem Verfahren bestehen besonders um- Weitere Vorteile bestehen darin, dass sie nicht
fangreiche Erfahrungen, vor allem im Offroad- altern, dass ihre Dosierung in einfacher Weise

- und Untertage-Bereich.
Regenerations-Energie aus der motorischen
Verbrennung: Zu den aktiven Systemen sind
auch solche zu rechnen, bei denen die erforder-
an die Rußemission angepasst werden kann und
dass der Abbrand aufgrund der (meist) hohen
Sauerstoffkonzentration im Dieselabgas und des
vorzüglichen Kontaktes des Katalysators mit
liche Energie vom Motor selbst durch spezielle dem Ruß sehr rasch und vollständig abläuft [78].
Eingriffe während der Regenerationsperioden Durch diese Eigenschaften zeichnet sich die FBC-
gesteigert wird. Die üblichen Maßnahmen sind Technik gegenüber katalytischen Wandbeschich-
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
989 21

..Abb. 21.110  Schematische Darstellung eines kata-


lytisch beschichteten Rußfilters ..Abb. 21.111 CRT-Filter-System [JOHNSON
MATTHEY]
tungen und der recht langsamen NO2-Regenera-
tion aus. An der gasförmigen Zusammensetzung stützte NO2-Reaktion ein, wie sie erstmals beim
des Abgases ändern FBC in der Regel wenig. Bei sogenannten CRT-System [81], . Abb. 21.111,
manchen Additiven wird beobachtet, dass auch (CRT = Continuously Regenerating Trap nach
die motorische Verbrennung verbessert und einem Patent von Johnson Matthey 1988) zum
innermotorische Ablagerungen (Kolbenringpa- Einsatz kam. Dabei wurde die Eigenschaft eines
ket) vermindert werden. In einigen Fällen wurde dem Partikelfilter vorgeschalteten Edelmetall-
sogar eine markante Verminderung des Kraft- beschichteten Oxidationskatalysators benutzt,
stoffverbrauchs beobachtet. Neuentwicklungen im motorischen Abgas vermehrt NO2 aus NO zu
zeigen weiter eine fast vollständige Eliminierung erzeugen. NO2 ist bei diesen Temperaturen aber
der motorischen NO2-Emissionen, selbst im nicht stabil. Im nachgeschalteten Partikelfilter
Bereich tiefer Lasten, wo Dieselmotoren häufig erfolgt daher der umgekehrte Vorgang und das

- hohe NO2-Konzentrationen aufweisen [79].


Katalytische Beschichtung (Abb. 21.110): Eine
ähnliche Absenkung der Rußzündtemperatur
wie bei Additiven gelingt durch Beschichtung
frei gewordene Sauerstoff-Radikal oxidiert den
Kohlenstoff bereits bei Abgastemperaturen ab
circa 230 °C. Voraussetzung ist die Verwendung
von schwefelfreiem Kraftstoff, um die Sulfatie-
der Filter mit Übergangsmetallen [73]. Voraus- rungsreaktion (SO2 → SO3) zu vermeiden, die
setzung ist dabei eine sehr große spezifische als bevorzugte Reaktion die NO2-Konversion
Oberfläche (> 100 m2/g) und damit eine sehr inhibiert. CRT als passives Verfahren hat einen
feine Verteilung der aktiven Zentren. Während eigentlichen Durchbruch der Filtertechnik bei
bei Additiven auch massive Rußablagerungen der Nachrüstung gebracht, vor allem bei Bussen
noch abgebrannt werden können – allerdings des öffentlichen Verkehrs, die als erste schwefel-
unter Gefahr der Erzeugung hoher Temperatur- freien Treibstoff nutzen konnten. Das Verfahren
Spitzen – sollte bei beschichteten Filtern die Bil- wurde dann variiert und in unterschiedlichster
dung dicker Rußkuchen vermieden werden, da Form auf den Markt gebracht. Gemeinsam ist all
die Wirksamkeit des auf die Wand aufgetragenen diesen, durch Edelmetallbeschichtung charak-
Katalysators dadurch erheblich eingeschränkt terisierten Regenerationsverfahren, dass sie
werden kann. Nebst Übergangsmetallen wurden vermehrt NO2 erzeugen und auch einen nicht
derartige Reaktionen auch mit Alkalimetallen unerheblichen Schlupf dieses Schadgases aufwei-
und in Kombination von Übergangsmetallen mit sen können.
Alkalimetallen erzielt und neuerdings werden
edelmetallfreie sogenannte Nanobeschichtun- Vielfältige Kombinationen der Regenerationsverfahren
gen angeboten [80]. Es bieten sich verschiedene wurden ausgeführt. Als Beispiel diene das von Peugeot,
Funktionsvarianten durch Beschichtung auf der . Abb.  21.112, für den Einsatz im Pkw entwickelte
Rohgasseite an, die primär dem Rußabbrand Verfahren: bei diesem System wurde zunächst Ceroxid
dient und auf der Reingasseite, die bei Einsatz (später Eisenoxid in Konzentrationen von < 10 ppm
von Edelmetallen zu Nachoxidation von CO Metall) als Kraftstoff-Additiv eingesetzt, um die Ruß-
und HC benutzt werden kann. Bei besonders zündtemperatur um etwa 200 °C abzusenken – dies ge-
tiefen Temperaturen setzt die katalytisch unter- nügt beim Pkw allerdings bei weitem nicht. Zusätzlich
990 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.112  Schema des Peugeot-Rußfiltersystems für Personenwagen [82]


wird die Abgastemperatur dann, wenn eine Regenera- Der Kombination von Regenerationshilfen und de-
tion ausgelöst werden soll, durch Nacheinspritzung um ren verfahrenstechnische Unterstützung durch elekt-
etwa 100 °C angehoben und der dabei nicht ganz ver- ronische Mittel sind kaum Grenzen gesetzt. So wurde
brannte Kraftstoff in einem Vorkatalysator umgesetzt, versucht, durch Wärmetausch die bei der Regenera-
was zu einer weiteren Temperatursteigerung führt. Die tion frei werdende Energie durch Rekuperation [76]
Abgasrückführung, welche die Verbrennungstempera- zu nutzen, Zündquellen zu bilden und sauerstoffreiche
tur senkt, wird in der Regenerationsphase abgeschaltet, Substanzen wie Acetylacetonat einzuspritzen.
und das Bordnetz wird durch Zuschaltung elektrischer Die Bedingungen, unter denen der Ruß bei aus-
Verbraucher belastet. Alle diese Elemente waren er- reichendem Sauerstoffgehalt verbrennen kann, sind in
forderlich, um auch unter widrigen Bedingungen, das der . Abb. 21.113 zusammengefasst.
heißt bei anhaltend niedrigerer Last, die Regeneration In größeren zeitlichen Abständen muss der Filter
dann auszulösen, wenn die Grenze der Rußbeladung aber auch von inerten Substanzen gereinigt werden,
erreicht ist. Dieses kombinierte Regenerationsverfah- die aus Schmieröl-Additivsubstanzen, Motorabrieb,
ren, das leistungsfähige Maßnahmen des „Temperature Brennstoff-Additiven und mineralischen Stoffen her-
Managements“ mit einschloss, hat von Anfang an zu- rühren, die dem Motor mit der Ansaugluft zugefügt
verlässig funktioniert und die weitere Einführung von werden. Zu erwähnen sind insbesondere Metalloxide
Partikelfiltersystemen befruchtet und beschleunigt. aus den Verschleißschutz-Additiven des Schmieröls
800 wie Zinkoxid und Calcium als Hauptbestandteil von
Antikorrosions-Additiven, das mit dem Schwefel aus
700 Kraftstoff oder Schmieröl Gips bilden kann, der sich
600
ebenfalls im Partikelfilter ablagern und dessen Poren
verstopfen kann. Die Reinigung des Filters von die-
Temperatur [°C]

500 sen inerten Substanzen findet heute etwa alle 1000 bis
400
2000 h (100.000 km) statt. Der Filter muss dazu aus-
gebaut werden. Das früher übliche Auswaschen hat
300 sich nicht bewährt, da die für das Einpacken der Filter
200
(Canning) verwendeten Matten aus feuerfesten Werk-
stoffen, meist keramischen Fasern, feuchtigkeitsemp-
100 findlich sein können. Im maschinellen Reinigungs-
0
prozess werden die Filter bei hohen Temperaturen
CRT DPX Satacen Eolys V2O5 EC zunächst von allen brennbaren Substanzen gereinigt
PT-Katalyt Additive
und dann werden im Druckstoßverfahren mit Luft die
..Abb. 21.113 Gleichgewichtstemperatur bei der inerten Einlagerungen ausgeblasen. Diese Aschesubs-
Filter-Regeneration mit verschiedenen katalytischen tanzen sind umweltgerecht zu entsorgen.
Hilfen [83]
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
991 21
4000 120

3500
100
3000
80
2500
Frequency

2000 60

1500
40
1000
20
500

0 0
75 100 125 150 175 200 225 250 275 300 325 350 375 400 425 450 475 500 525 550 575 600 625 650
Temperature Class

..Abb. 21.114  Kumulative Verteilung der Abgastemperatur beim Reisebus, 268 kW [85]

Die nachteiligen Auswirkungen üblicher Schmier- meter neben dem Sauerstoffgehalt ist dabei die Tem-
öle auf die Filter, die neben der Belegung durch die peratur. Die . Abb. 21.114 und 21.115 illustrieren die
inerten Metalloxide aus dem Schmieröl (Ölasche) auch Problematik.
darin bestehen können, dass Schmieröl-Substanzen . Abb.  21.114, in dem die Verweilzeiten in be-
die Filtermaterialien durch Bildung von Glasphasen stimmten Temperaturfenstern kumuliert sind, zeigt
schädigen [63], führten dazu, dass für den Filtereinsatz ein scheinbar ausreichendes Niveau für mehrere Re-
neue Schmieröle gefordert wurden, die einen geringen generationsverfahren. In . Abb. 21.115 wird allerdings
Aschegehalt, einen niedrigeren Schwefelgehalt sowie darauf hingewiesen, dass diese Temperatur-Episoden
eine Absenkung des Phosphor- und Erd-Alkali-Metall- von sehr kurzer Dauer sein können, das heißt nur ein
gehaltes aufweisen, sogenannte LowSAPS-Schmieröle Filtersystem mit kurzer Ansprechzeit kann diese kur-
(niedriger Gehalt an Sulfatasche, Schwefel und Phos- zen Phasen ausreichender Temperatur nutzen, um die
phor). Ziel ist eine signifikante Absenkung der Emis- Regeneration einzuleiten, was auf die Notwendigkeit
sion der Asche auf einen Maximalwert von 0,5 mg/ einer geringen Wärmekapazität und einer guten Wär-
kWh [84]. meisolation hinweist.
Die erfolgreiche Wahl der Regenerationsmethode
hängt vor allem von der Kenntnis des Betriebsverhal-
tens eines Motors ab, also seines Lastkollektivs unter
typischen Einsatzbedingungen. Der wichtigste Para-

..Abb. 21.115  Verteilung der Abgastemperatur nach Zeit-Episoden beim Reisebus, 268 kW [85]
992 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21.6.3.6 Emissionen während massive Erhöhung der Emission von Dioxinen


21 Regenerationen und und Furanen um mehrere Größenordnungen
Sekundäremissionen beobachtet [86], die auch bei Kalium in vermin-
Man muss den beladenen Partikelfilter als einen che- derter Form nachgewiesen wurde [87]. Auch eine
mischen Reaktor auffassen, der mit sehr hoher Ober- Verschiebung des PAH-Spektrums ist denkbar,
fläche ausgestattet ist, somit für katalytische Prozesse Nitro-PAH können gebildet werden und Alde-
prädestiniert ist und in weiten Temperaturbereichen hyde. Es ist daher erforderlich, bei der Typenprü-
mit ausgeprägten Adsorptions-/Desorptionszyklen ar- fung katalytisch beschichteter oder katalytisch
beiten kann. Auch die Bildung von neuen Stoffen kann unterstützter Systeme auf Sekundäremissionen zu
nicht ausgeschlossen werden. achten, ein wichtiges Element, das bisher nur im
Die große Vielfalt von Edukten aus der motori- VERT-Filtertest nach SN 277206 [88] berücksich-
schen Verbrennung ermöglicht chemische Reaktionen, tigt wird.
die zur Emission toxischer Substanzen in kritischen
Konzentrationen führen können. Durch Beschichtung An den im Motor gebildeten gesetzlich limitierten
oder Einlagerung katalytisch aktiver Substanzen kann gasförmigen Schadstoffen CO, HC und NOx ändert
die Bildung solcher Stoffe beschleunigt und ihre Kon- das Partikelfiltersystem in der Regel nur dann etwas,
zentration erheblich erhöht werden. Hinzu kommen wenn katalytisch unterstützte Prozesse mit im Spiel
Emissionsrisiken durch das sogenannte Store-and- sind; so wird beim Einsatz von Edelmetallen eine
Release-Verhalten solcher Systeme sowie Reaktionen, starke Verminderung von CO und HC um etwa 90 bis
die beim Rußabbrand auftreten können. Es sind grob 95 % beobachtet, eine Erhöhung der NO2-Emission,

-
unterteilt drei Prozessgruppen zu beachten:
Bei der Regeneration können Emissionsspitzen
von HC und CO auftreten: HC, wenn adsorbierte
Kohlenwasserstoffe in der Aufheizphase abge-
jedoch keine Änderungen bei Gesamt-Stickoxiden.
Bei Beschichtungen mit Übergangsmetallen ist die
Verminderung von CO und HC in der Regel weniger
groß, jedoch werden kaum Sulfat-Reaktionen beob-
dampft werden, CO, wenn die Regeneration sehr achtet und NO2 kann abgesenkt werden.

- rasch oder bei geringem Sauerstoffgehalt abläuft.


„Store-and-Release“-Phänomene sind bei adsor-
bierenden Systemen mit wechselndem Tempe-
raturcharakter immer möglich. Bei Verwendung
Eine Aufwertung erfahren die Partikelfiltersysteme
generell dadurch, dass die Gruppe der nach EPA als
kanzerogen eingestuften polyzyklisch aromatischen
Kohlenwasserstoffe in der Regel im Maß des Feststoffp-
von Kraftstoffen mit hohen Schwefelgehalten artikel-Abscheidegrades vermindert das heißt fast elimi-
werden zum Beispiel ausgeprägte Sulfatzyklen niert werden. Dies lässt sich nur dadurch erklären, dass
beobachtet [56]. Bei großporigen Tiefenfiltern die PAHs bereits während der Rußbildungsphase in der
und sogenannten Teilstromfiltern wird dieses oberflächenreichen Struktur adsorbiert werden, in die-
„Store-and-Release“-Verhalten zum typischen ser festen Bindung bleiben und bei der Regeneration zu
Merkmal, das in der „store“-Phase Abscheidung Endprodukten CO2 und H2O konvertiert werden. Die-
vortäuscht [72], was dazu führt, dass viele bisher ser Vorgang ist auch durch die Time-of-flight-Analytik
übliche Testverfahren mit relativ kurzen Testzy- [77] nachgewiesen. Ein Desorptionsverhalten ist aber
klen und vorgeschalteter Konditionierung völlig auch für diese Stoffe nicht vollkommen auszuschließen.
falsche Partikelminderungsraten liefern, wie dies
typischerweise beim Filterprüfverfahren der 21.6.3.7 Druckverlust

- StVZO Anlage XXVII auftreten kann [72].


Unter eigentlichen Sekundäremissionen wird die
Freisetzung von Substanzen verstanden, die im
Rohgas des Motors nicht existiert haben, also im
Infolge des unvermeidlichen Druckverlustes bei der
Durchströmung dieser feinporigen Strukturen haben
Partikelfilter grundsätzlich negative Rückwirkungen
auf den Motor, die beim aufgeladenen Motor stärker
Partikelfilter gebildet werden. Solche Reaktionen ausgeprägt sind als beim Saugmotor: Die Ausschie-
kommen vor allem durch katalytische Unter- bearbeit steigt, Abgasrückhaltung wird erhöht, bei
stützung zustande, wobei schon die Einlagerung steigendem Gegendruck wird schließlich die Verbren-
von Schmieröl-Asche zu spürbaren katalyti- nung beeinflusst und die Bauteiltemperaturen können
schen Wirkungen führen kann. Bei Edelmetall- steigen. Bei zunehmender Belegung durch Ruß und
Beschichtung wird eine starke Sulfatreaktion Asche steigt der Druckverlust weiter, und zwar interes-
beobachtet (SO2 → SO3), sowie eine erhebliche santerweise bei Oberflächenfiltern durch Filterkuchen-
Verschiebung des NO/NO2-Gleichgewichtes. bildung progressiv bis zum vollständigen Verschluss,
In Verbindung mit Kupferadditiven wurde eine gleichzeitig steigt der Abscheidegrad – bei Tiefenfiltern
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
993 21

nach dem Faserwachstums-Modell degressiv [89], das b = Kraftstoffverbrauch


heißt eine bestimmte Grenzbeladung wird nicht über- ∆p = Filterdruckverlust
schritten [65]. Gleichzeitig sinkt der Abscheidegrad. pe = effektiver Mitteldruck
Der Druckverlust im feinporigen Filterelement pr = Reibmitteldruck
und im Rußkuchen genügt dem laminaren Gesetz, da
die Reynoldszahlen mit Bezug auf die Porengröße < 1 Bei einem mit relativ hoher Last betriebenen Nutzfahr-
sind. zeugmotor wird der Druckverlust somit den Kraftstoff-
Der Druckverlust wird üblicherweise wie folgt an- verbrauch um 1 bis 2 % verschlechtern, bei Fahrzeugen
gegeben: mit geringen Lastfaktoren wie Pkw ist der Einfluss grö-
Für den Faserfilter nach Jodeit [89]: ßer, gegen 3 bis 5 %. Steigt der Druckverlust über dieses
  Maß hinaus, so werden ab etwa 400 mbar Verbrennung
1−" 1 und Aufladung negativ beeinflusst, so dass in nichtline-
p = K1  L  v 2
" d  (21.29) arer Weise stärkere Auswirkungen auftreten, wie sie die
. Abb. 21.116 in der Simulation eines hoch aufgelade-
L = Filtertiefe nen modernen DI-Nutzfahrzeugmotors zeigt.
ε = Porosität = Hohlraumvolumenanteil Die Auswirkungen in dieser Grafik berücksichti-
Porenvolumen gen nicht, dass eigentlich nur die Differenz gegenüber
= Filtervolumen dem Schalldämpfer bewertet werden darf, wenn die-
v = Anströmgeschwindigkeit ser durch den Filter ersetzt wird, was bei Nachrüstung
μ = dynamische Zähigkeit üblich ist. Schalldämpfer sind bei Nutzfahrzeugen mit
d = Faserdurchmesser etwa 60 mbar Druckverlust ausgelegt, beim Pkw fin-
ρ = Dichte des Strömungsmediums det man häufig Werte über 200 mbar bei maximalem
Durchsatz.
Für Porenstrukturen nach Ergug und Orning [90]: Eine stärkere Auswirkung des Filterdruckverlustes
auf den aufgeladenen Motor kommt einerseits dadurch
2 zustande, dass der Druckverlust des der Turboladertur-
.1 − "/2

Op
p = K2  L    bine nachgeschalteten Filters für den Motor im Maß
"3 Vp  (21.30) des Expansionsverhältnisses erhöht wird, andererseits
durch die Verminderung der Entspannungsenthalpie
Op = Porenoberfläche und in deren Folge durch eine Verringerung des La-
Vp = Porenvolumen dedruckes und des Gesamtwirkungsgrades.
Bei Zweitaktmotoren und bei Viertaktmotoren
Hinzu kommt ein nicht vernachlässigbarer Anteil für mit großer Ventilüberschneidung ist die Grenze des
die Strömung in den Gehäusen und den Filterzuström- zulässigen Gegendruckes des Filters deutlich niedriger
kanälen, der turbulent, also proportional ρv2 anzuset- anzusetzen als bei üblichen Viertaktmotoren. Vorsicht
zen ist. ist auch geboten bei Motoren mit ungeregelter Abgas-
Der Druckverlust neuer Filter liegt bei Motornenn- rückführung, da eine Steigerung des Gegendruckes in
last meist im Bereich von 20 bis 40 mbar, das heißt in diesem Fall sehr rasch zu einer Erhöhung der AGR
ähnlicher Höhe wie beim Nutzfahrzeug-Schalldämp- führen kann, damit zu einer Erhöhung der Partikel­
fer, der in der Regel durch den Filter ersetzt wird. Für emission bei gleichzeitiger Absenkung der Abgastem-
den maximal zulässigen Druckverlust des voll belade- peratur, womit die Verhältnisse für den Betrieb des
nen Filters (Ruß + Asche) hat sich ein Grenzwert von Filters progressiv schlechter werden können.
200 mbar (bezogen auf Nenndrehzahl und Nennlast)
eingebürgert. 21.6.3.8 Bauraum und
Dieser Druckverlust wirkt sich über die Ausschie- Systemintegration
bearbeit negativ auf den Kraftstoffverbrauch und die Der Bauraum für ein Partikelfiltersystem entspricht
Leistung aus, wobei bis zu einem Gegendruck von etwa dem 4- bis 8-fachen des Motor-Hubvolumens.
circa 300 mbar (bei Volllast und Nenndrehzahl) von Ein derartiges Bauteil, das auch nicht beliebig geformt
einem proportionalen Einfluss ausgegangen werden werden kann, im Abgasstrang unterzubringen, ist vor
kann. Für den nicht aufgeladenen Motor gilt: allem bei Nachrüstungen nicht immer einfach.
Immerhin haben einige Hersteller ihre Systeme
b p konstruktiv bereits soweit anpassen können, dass sie
=
b pe + pr  (21.31) Filter in den Austauschdimensionen der Schalldämpfer
994 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Spezifischer Brennstoffverbrauch in Abhängigkeit des


21 232
Abgasgegendruckes (pUmgebung = 957 mbar)

230
228
Spezifischer Brennstoffverbrauch [g/kWh]

226
224
222
220
218
216
214
212 N = 1380 U/min
210 N = 1750 U/min
208 N = 2120 U/min
206 N = 2400 U/min
204
202
200
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Abgasgegendruck relativ zur Umgebung [mbar]

..Abb. 21.116  Modellierung der Verschlechterung des Kraftstoffverbrauchs für vier Volllastdrehzahlen infolge
Steigerung des Abgasgegendruckes beim aufgeladenen Motor [91]

anbieten, dies selbst für CRT-Systeme, die einen Kata- zung des Turboladerverdichters und Verschleiß
lysator plus ein Filterelement enthalten.
Bei der Erstausrüstung dürfte das Problem leichter
zu lösen sein.
Die bauliche und funktionelle Systemintegration
- des Motors durch Abgasrückführung entfallen.
Maßnahmen des Motor-Managements kön-
nen genutzt werden, um die Abgastemperatur
kurzfristig so weit zu steigern, dass der Filter

-
bietet viele interessante Optionen:
Die Entlastung des Motors von der Aufgabe der
Emissionsminimierung (Zwang zum Trade-off
NOx/PM) erlaubt eine Optimierung der Verbren- -
regeneriert – die dabei auftretende höhere Parti-
kelbildung wird nach außen nicht sichtbar.
Zur Systemintegration gehört auch, dass Kraft-
stoffe und Schmieröle verwendet werden, die auf
nung mit dem Ziel höherer Leistung und geringe- den Betrieb mit Partikelfiltern abgestimmt sind,
ren Brennstoffverbrauchs. Selbst eine Erhöhung und dass die Filtration der Ansaugluft so weit
der Rohemission kann in Kauf genommen verbessert wird, dass der wesentlich feinporiger
werden, denn Motor und Abgasnachbehandlung ausgelegte Partikelfilter nicht durch angesaugte

- sind sozusagen entkoppelt.


Optimale Verbindung der Funktionen Filtra-
Mineralstäube belegt wird, die den Ansaugfilter
durchdringen dürfen, wenn sie so klein sind, dass

- tion + Katalyse + Schalldämpfung.
Verbindung der Funktionen Partikel-Filtra-
tion + Entstickung – wird heute bereits bei mehre-
ren Fahrzeugen in der Serie eingesetzt und dürfte
sie dem Motor nicht schaden.

21.6.3.9 Schadensmechanismen/
Erfahrungen

- sich auch in der Nachrüstung bald einführen.


Platzierung des Filters auf der Hochdruckseite
vor Turbolader und damit erhebliche Erleichte-
rung der Regeneration sowie Verminderung der
Monolithische keramische Zellenfilter sind spröde,
empfindliche Bauteile. Niedrige mechanische Festig-
keit dieser porösen Werkstoffe und geringe Wärme-
leitfähigkeit machten die ursprünglich verwendeten
Rückwirkung des Druckverlustes auf den Motor Strukturen anfällig für thermomechanische Bean-
im Verhältnis des Turbolader-Expansionsgefälles spruchungen, wie sie bei Regenerationsvorgängen ty-
wurde in der Vergangenheit schon ausgeführt pisch auftreten. Da die Grenztemperatur bereits bei

- [92].
Das Abgas nach Filter ist derart partikelfrei, dass
es sogar in die Ansaugung vor Turbolader geleitet
werden kann. Befürchtung wegen Verschmut-
circa 1400 °C lag, sind Schäden infolge unkontrollier-
ter Regenerationen in großer Zahl aufgetreten.
Mehrere Richtungen wurden verfolgt, um dieses
Problem technisch zu überwinden.
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
995 21

- Weiterentwicklung der Werkstoffe und Neuent-


wicklung festerer und temperaturbeständigerer
keramischer Werkstoffe wie beispielsweise porö-
Befürchtet wurden lange Zeit auch negative Aus-
wirkungen durch den Einsatz von Kraftstoff-Additi-
ven auf die motorische Verbrennung und den Ver-

- ses SiC,
Entwicklung von keramischen Strukturen mit ge-
ringerer Rissausbreitungs-Tendenz (segmentierte
schleiß. Nun sind diese Stoffe aber beim Zustand der
Additivierung in der Regel metallorganischer Natur,
mischen sich also auf molekularer Basis. Tatsächlich

- Filter),
Optimierung der geometrischen Auslegung des
konnten bisher keine negativen Auswirkungen auf
den motorischen Verschleiß nachgewiesen werden;

- Filters, um Wärmespannungen zu minimieren,


Einsatz von metallischen Werkstoffen als Sinter-
im Gegenteil wird darauf hingewiesen, dass die Mo-
toren geringere Ablagerungen im Ringbereich haben,

- platten oder Faservliese,


Maßnahmen zur Kontrolle der Regeneration mit
dem Ziel einer Begrenzung der Temperaturgradi-
enten und der Spitzentemperatur.
was sich eher positiv auf den Verschleiß auswirken
dürfte [93].

21.6.3.10 Qualitätskriterien
Neben den betriebswirtschaftlichen Kriterien wie In-
Mit diesen Ansätzen, die in den Systemen verknüpft vestitionskosten, Infrastrukturkosten und Serviceauf-
genutzt werden, liegen inzwischen Erfahrungen über wand sind es vor allem die folgenden Kriterien, die
große Stückzahlen bei der Nachrüstung von Bussen für die Bewertung eines Filtersystems herangezogen
und Baumaschinen mit Schadensraten von unter 1 %
pro Jahr vor, sowie Laufzeiten bei Fahrzeugen von
> 1 Mio. km und > 50.000 Betriebsstunden. Die Aus- -
werden müssen:
Abscheidegrad anzahlbasiert PZAG, respektive
Penetration P = 1 − PZAG im gesamten relevan-
fallraten sind sehr gering [40].
Nicht zu unterschätzen ist die Belastung der fragi-
len Keramikkomponenten durch Vibrationen, wie sie
vor allem bei motornaher Bauweise auftreten können.
- ten Partikel-Größenbereich 10 bis 500 nm,
Druckverlust ∆p, besser in Relation zum mittle-
ren indizierten Druck des Motors ∆p / pi für den
Lastfall, der die Anwendung am besten charakte-
Die Filterelemente müssen wegen der großen Ausdeh-
nungsunterschiede über eine keramische Matte isoliert
- risiert,
Volumendurchsatz im Verhältnis zur Baugröße,
und vorgespannt in ein metallisches Gehäuse eingebaut
werden. Wenn sich diese Vorspannung lockert, ist ein
Schaden unvermeidlich. Schäden dieser Art sind bei
anderen Filterstrukturen, insbesondere bei Faserfiltern
- also die Raumgeschwindigkeit V / B = S [1/s],
thermische Ansprechzeit t1, die Zeit, die nach
einem ausreichenden Sprung der Abgastempera-
tur vergeht, bis der Filter zu regenerieren beginnt,
oder Filtern aus metallischen Komponenten wie Sin-
terfiltern und Metall-Vliesfiltern weniger zu erwarten.
Eine weitere Klasse von Schädigungen, auch hier
vor allem bei den monolithischen Keramiken, kann
- der Druckverlust also sinkt,
Speicherzeit für Inertmaterial bis zur notwendi-
gen Reinigung des Filters: t2.

durch die Schmieröl-Asche oder auch durch Addi- Man kann diese Qualitätsparameter im Sinne einer
tivasche ausgelöst werden: Die Endprodukte dieser Mehrkomponenten-Bewertung zu einem einzigen
Substanzen sind ja Metalloxide, es bestehen vielfältige Filter-Parameter zusammenfassen:
Möglichkeiten. Es bestehen vielfältige Möglichkeiten  
der Phasenbildung dieser Substanzen mit der Kera- P Œ− p=pi 20 t1 Œs t2 Œh
1/5 + + + + <1
mik, die in der Regel zu einer Schwächung führen [63] 0;01 0;02 SŒ1/s 100 2000
Schäden dieser Art sind grundsätzlich auch bei Fasern
möglich, jedoch ist die Faserstruktur durch ihre hohe Wenn dieser Wert wesentlich über eins liegt,
Elastizität und Redundanz weniger empfindlich als dann ist mindestens einer der wichtigen Parameter
eine monolithische Struktur. oder mehrere außerhalb der bereits heute erzielbaren
Im Fall der Verwendung von Additiven führt ein Werte.
Filterschaden dazu, dass diese Substanzen in der At-
mosphäre freigesetzt werden. Dies ist zu vermeiden; 21.6.3.11 Eignungstest, Typenprüfung,

-
daher müssen Filterschäden durch die elektronische OBD, Feldkontrolle
Überwachung, die zwingend zu jedem Partikelfilter Eignungstest [94] Man darf in erster Näherung
gehört, erkannt und die Additiv-Dosierung sofort ab- davon ausgehen, dass ein Filter die Eigenschaft
gestellt werden. hat, Feststoffpartikel einer bestimmten Größe zu
einem bestimmten Prozentsatz abzuscheiden,
996 Kapitel 21 • Abgasemissionen

unabhängig von der chemischen Zusammenset- sekundärer Schadstoffe muss jeder Filter zusätz-
21 zung dieser Partikel [95], bei Partikeln < 200 nm lichen Prüfungen unterworfen werden. Beispiel-
sogar unabhängig von ihrer Dichte, wenn ihre haft für eine solche Filterprüfung ist die VERT-
Größe durch den Beweglichkeitsdurchmesser Prüfung nach der Schweizer Norm SN 277206
charakterisiert ist. Durchsatz, Temperatur und
Beladungsgrad beeinflussen dieses Abschei-
deverhalten, wobei mit steigendem Durchsatz
die Impaktionsabscheidung zunimmt, aber die
- [88].
Typenprüfung eines Fahrzeugs mit Filter Die
Typenprüfung gemäß Europäischer Gesetzge-
bung erfolgt in Fahrzyklen unter transienten
Diffusionsabscheidung abnimmt, die Rußbela- Bedingungen. Bestimmt wird nicht ein Ab-
dung generell die Abscheidung verbessert und scheidegrad des Filters, sondern der Emissions-
die Temperatur sowohl über die Diffusionskons- faktor (g/km, g/kWh, Partikelanzahl/km) des
tante als auch über die Haftbedingungen Einfluss entsprechenden Fahrzeuges. Als Besonderheit
nehmen kann. Es genügt daher, einen Filter bei für regenerierende Systeme ist festgelegt, dass
maximaler Raumgeschwindigkeit und maxima- die Typenprüfung auch während der Regenera-
ler Temperatur im Neuzustand (worst case) zu tion durchgeführt werden muss und dass dieses
vermessen, um seinen in der Praxis zu erwar- Ergebnis in das Gesamtresultat zeitlich gewich-
tenden Mindest-Abscheidegrad in weitgehender tet einzubeziehen ist (ECE/324/Add.82/Ref. 2/
Allgemeingültigkeit zu bestimmen. Der Filter ist Amend.1). Ursprünglich erfolgte diese Messung
somit gekennzeichnet durch einen einzigen Wert nur nach der Partikelmasse. Da der Partikelge-
für den Abscheidegrad pro Partikel-Größenklasse halt im Reingas nach modernen Partikelfiltern
(Trennkurve); dieser Abscheidegrad kann aber um Größenordnungen niedriger sein kann
benutzt werden, um bei einem beliebigen Motor als die Nachweisgrenze gravimetrischer Metho-
durch Multiplikation mit der Feststoffpartikel- den, dies insbesondere im Blick auf kleine Par-
Rohemission auf die Reinemission an Feststoff- tikelgrößen, und zudem die Auswirkungen auf
partikeln zu schließen. Dieser Test könnte im die menschliche Gesundheit weit stärker mit der
Prinzip auf einer Filterprüfmaschine mit einem Anzahl als mit der Masse korrelieren, wurden
Test-Aerosol durchgeführt werden, wie dies bei ergänzende Messverfahren gesucht. Im Rah-
vielen industriellen Filteranwendungen auch men des UNECE-PMP-Programms wurde ein
gehandhabt wird (DIN 24184, 24185). Vorzuzie- Verfahren entwickelt und für die zukünftige Ty-
hen ist die Messung auf einem repräsentativen penprüfung ab Euro 6/VI eingeführt, wonach die
Dieselmotor, vor allem wegen der Frage der Haft- Gesamtanzahl von Feststoffpartikeln im Größen-
bedingung und der Agglomeratbildung im Filter. bereich 23 nm bis 2,5 µm während des gesamten
Dynamische Prozesse, wie im Extremfall die freie Fahrzyklus integrierend erfasst und ein mittlerer
Beschleunigung eines Motors vom Tiefleerlauf Grenzwert für den Pkw als [Partikelanzahl/
auf den Hochleerlauf, führen erwartungsgemäß km], für das Nutzfahrzeug als [Partikelanzahl/
nicht zu neuen Erkenntnissen, da sich angesichts kWh] definiert wird (www.unece.org/trans/
der sehr niedrigen Geschwindigkeiten (außer- doc/2003/wp29grpe) [41]. Dass dieses Verfahren
ordentlich kleine Reynolds- und Machzahlen) Partikel unter 23 nm nicht berücksichtigt, ist
im Filtermedium keine strömungsdynamischen unbefriedigend und hat zu Weiterentwicklungen
Effekte ausbilden. Ein Filter kann somit bezüg- geführt, die voraussichtlich für die Gesetzgebung
lich seiner wesentlichen Funktion, nämlich der bei Benzin-DI-Motoren erstmals Anwendung
Abscheidung von Feststoffpartikeln, durch ein finden werden. Ebenfalls unbefriedigend ist die
einfaches Testverfahren charakterisiert werden, Tatsache, dass diese Messung nicht zwischen
das aber unbedingt den Einfluss der Partikel- Rohemission und Filtereffizienz unterscheidet
größe und der Raumgeschwindigkeit berücksich- und dass sie keine größenspezifische Bewertung
tigen muss. Dieses Abscheideverhalten sollte im
Neuzustand, im beladenen und im regenerierten
Zustand überprüft werden sowie während der
Regeneration. Für die Praxistauglichkeit ist das
- erlaubt.
On-Board-Kontrolle (OBD) Das Verhalten der
Komponenten der Abgasnachbehandlung muss
durch die OBD überwacht werden. Systemintern
Verhalten des gesamten Filtersystems in einem werden aus diesen Informationen die Schluss-
Langzeittest zu überprüfen, wobei als Kriterium folgerungen für die Regenerationsstrategie abge-
die Einhaltung des maximalen Gegendruckes leitet, zusätzlich aber dient diese Überwachung
gilt. Im Blick auf die Möglichkeit der Entstehung der Qualitätssicherung und muss bei Fehlern
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
997 21

(Verstopfen, Filterbruch) zu Meldungen an Fah- ren und durch präventive Wartung größeren
rer oder Werkstatt führen. Angestrebt wird eine Schäden vorzubeugen.
direkte und kontinuierliche Überwachung des
Grenzwertes, also der Partikelemission. Entspre- 21.6.3.12 Partikelmesstechnik
chende Sensoren werden entwickelt, haben aber Da die gesundheitsschädigenden Wirkungen dieser
noch nicht den gewünschten technischen Stand verbrennungsgenerierten Feinstpartikel mit ihrer
erreicht [96]. Man muss sich daher vorerst mit Größe, Oberfläche, Anzahlkonzentration und Sub-
Ersatzgrößen behelfen und die Informationen stanz in Verbindung gebracht werden, müssen kon-
on-board durch rechnerische Modelle ergänzen. sequenterweise die Technik der Probenahme und die
Als wesentlicher Input für die Systemsteuerung Messmethode so gewählt werden, dass diese Größen
wird die Belegung des Filters respektive der zuverlässig charakterisiert werden können.
Druckverlust kontinuierlich gemessen. Diese Die Messtechnik muss weiter geeignet sein, den
Messung wird benutzt, um drei kritische Druck- Partikelgehalt im Abgas auch während transienter
niveaus zu überwachen: ein oberes Niveau zur Fahrzyklen mit ähnlicher Genauigkeit und zeitlicher
Einleitung der Regeneration bei aktiven Syste- Auflösung zu erfassen, wie dies heute bereits bei der
men, ein maximales Niveau, das auf die Not- Messung gasförmiger Substanzen Stand der Technik
wendigkeit zur Reinigung des Filters von inerten ist.
Stäuben aufmerksam macht, und ein unteres Das gravimetrische Verfahren zur Bestimmung
Niveau, das einen Schaden des Filters signalisiert. der Gesamt-Partikelmasse PM, wie es derzeit für die
Solche Messungen werden über mehrere Wochen Typenprüfung weltweit angewendet wird, genügt die-
gespeichert, auch durch Messung der Tempera- sen Kriterien nicht, insbesondere dann nicht, wenn die
turen, Durchsätzen und Drehzahlen ergänzt, um Menge der Feinstpartikel unter 50 nm adäquat mitbe-
im Falle von Schäden die Ursache genauer zu rücksichtigt, allenfalls sogar nach ihrer Korngröße

- diagnostizieren.
Periodische Kontrolle, Feldkontrolle Bei Nutz-
fahrzeugmotoren bis zur Emissionsgeneration
klassiert werden müsste [100].
Wesentlich empfindlicher sind einige in der Aero-
solphysik seit langem übliche Verfahren der In-situ-
Euro 3 ist eine Kontrolle nach der Methode
der freien Beschleunigung mit opazimetrischer
-
Messtechnik, um:
während der Probenahme nach Phasen (fest/flüs-
Messung brauchbar, um eine sichere Aussage
über die zuverlässige Funktion des Systems zu
- sig) zu trennen,
nach Mobilitätsdurchmesser oder aerodynami-
machen. Bei Motoren mit wesentlich niedrige-
ren Rohemissionen und sorgfältiger Ausrege-
lung des Rauchstoßes genügt die Empfindlich-
keit des einfachen opazimetrischen Verfahrens
- schem Durchmesser zu klassieren,
die Schadstoff-Konzentration pro Größenklasse
als Partikelanzahl oder aktive Oberfläche zu
bestimmen.
nicht mehr. Dies gilt für Motoren ohne Parti-
kelfilter. Mit Partikelfiltern ist die Opazität der Die Verfahren sind in [52, 69, 101–103] beschrieben.
gereinigten Abgase derart niedrig, dass Mes- Bei Messungen im motorischen Abgas wird heute
sungen mit üblichen Opazimetern nicht mehr bereits häufig das sogenannte SMPS-Verfahren ein-
aussagekräftig sind. Ausreichend empfindliche gesetzt (SMPS = Scanning Mobility Particle Sizer),
Messverfahren sind bekannt, [97] und durch kombinierbar mit vorgeschaltetem Thermodesorber
eine Schweizerische Messgeräteverordnung oder Thermoverdünner zur wahlweisen Trennung
spezifiziert [98]. Die hohe Empfindlichkeit des der flüchtigen Substanzen von den Feststoffpartikeln.
PN-Messverfahren ermöglicht es, diese Messung
im Stillstand des Fahrzeugs bei Leerlaufdreh-
- Die Messkette stellt sich wie folgt dar:
Entnahmesonde, wobei für diese Feinpartikel
zahl durchzuführen – eine sehr schnelle, gut
reproduzierbare und genaue Messung. Sogar
kleine Schäden des Filters im Bereich von 1 %
Leckfläche sind detektierbar [99]. Misst man
- isokinetische Absaugung nicht zwingend ist.
Beheizte Leitung aus elektrisch leitendem
Werkstoff zur Verminderung thermophoretischer
Effekte, Vermeidung nachträglicher Kondensat-
zusätzlich bei Leerlaufdrehzahl auch vor dem
Filter, so lässt sich der Abscheidegrad des Filters
mit großer Genauigkeit ermitteln und zusätzlich
wird auch die Rohemission des Motors erfasst –
- bildung und elektrostatischer Abscheidung.
Möglichst rasch nach der Entnahme hohe Ver-
dünnung, um Veränderungen des Aerosols durch
Agglomeration und Rekondensation zu vermei-
eine einfache Methode, um Fehler zu lokalisie- den.
998 Kapitel 21 • Abgasemissionen

nung können in 1 bis 3 min etwa 60 Größenklassen


21 „abgescannt“ werden.
Dieses Verfahren ist systembedingt nicht für dyna-
mische Messungen geeignet. Es bleibt die Möglichkeit,
eine Größenklasse nach der anderen zu messen oder
mehrere Geräte mit fest eingestellten Größenklassen
parallel zu schalten [104] oder diese Art der Parallel-
messung in einem einzigen Gerätetyp zu vereinen, was
von Herstellern wie TSI, GRIMM und CAMBUSTION
[105] bereits angeboten wird.
Die Aerosolphysik bietet weitere Messprinzipien
an. Eine besonders interessante Alternative für die
Größenklassierung ist die elektrische Diffusionsbatte-
rie, die allerdings gegenüber dem DMA eine wesentlich
flachere Trennkurve aufweist, dafür ein online-Signal
liefert und in Abhängigkeit der Art der elektrischen Be-
ladung Informationen zur Partikelzusammensetzung
bilden kann, . Abb. 21.118. Dabei ist zu unterscheiden
zwischen einer Ionenbeladung durch eine klassische
Korona-Entladung, die alle Partikel gleicher Größe
..Abb. 21.117  Differenzieller Mobilitätsanalysator einheitlich belädt und einer photoelektrischen Bela-
DMA dung durch energiereiche UV-Bestrahlung, die wegen

- Erzeugung eines statistisch einheitlichen elektri-


unterschiedlicher photoelektrischer Eigenschaften der
Partikeloberflächen Unterschiede zwischen Rußpar-

- schen Beladungszustandes.
Klassierung in einem differenziellen Mobilitäts-
tikeln, Aschepartikeln und Flüssigkeitströpfchen im
Signal erkennen lässt [106].

- analysator DMA, . Abb. 21.117.


Zählung der Partikel pro Größenklasse mit einem
Kondensationskernzähler CPC (nicht im Bild
gezeigt) oder mit einem Elektrometer.
Die Partikel werden dabei in den Abfanggittern
abgeschieden, und zwar die feinsten Partikel in Stufe 1
mit der geringsten Gitterzahl. Sie geben dort ihre elek-
trischen Ladungen ab. Die Gittergeometrie bestimmt
physikalisch eindeutig die Trenn-Charakteristik, also
Im DMA driften die elektrisch geladenen Partikel auf den Mobilitätsdurchmesser-Bereich von Partikeln, die
eine Trajektorie, die durch das Verhältnis von aerody- in einer bestimmten Gittergeometrie abgeschieden wer-
namischer Schleppkraft und elektrischer Feldkraft ge- den. Die Zahl der elektrischen Elementarladungen ist
geben ist, im Ringraum zur Mittelelektrode. Bei einem durch die Partikelgröße bestimmt; sie ist ein Maß für die
bestimmten Durchsatz und vorgegebener Feldstärke aktive Oberfläche der Partikel, die sogenannte „Fuchs“-
erreicht nur eine bestimmte, recht schmalbandige Oberfläche. Der gemessene Strom pro Stufe ist somit ein
Klasse den Austrittsschlitz. Durch Variation der Span- transient verfügbares Signal für die Gesamtoberfläche

..Abb. 21.118  Elektrische Diffusionsbatterie


21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
999 21

..Abb. 21.119  Elektrischer Niederdruck-Impaktor ELPI (DEKATI)

der abgeschiedenen Partikel und, da der mittlere Durch- Die Abgasprobe wird sofort verdünnt und an-
messer pro Stufe bekannt ist und somit die durchschnitt- schließend beheizt. Kondensate, die sich im CVS-
liche Zahl von Elementarladungen, kann daraus die Zahl Tunnel gebildet haben, werden dabei verdampft [42],
der abgeschiedenen Partikel pro Stufe abgeleitet werden. und infolge der Verdünnung im Verhältnis von etwa
Ein weiteres Messverfahren, das häufig zur An- 1:100 wird der Partialdruck gleichzeitig so stark ab-
wendung kommt, ist der in . Abb. 21.119 dargestellte gesenkt, dass Rekondensation nicht mehr möglich ist.
elektrische Niederdruck-Impaktor ELPI. Nach Abkühlung des Gases (zum Schutz des Instru-
Auch dieses Gerät liefert eine Online-Information, mentes), die mit weiterer Verdünnung verbunden sein
eignet sich somit für die Messung während dynamischer kann, erfolgt die Zählung der Partikel im sogenannten
Fahrzyklen. Allerdings erfolgt die Klassierung wie in je- Kondensationskernzähler, ein allgemein übliches CPC-
dem Impaktor nach dem aerodynamischen Durchmes- Instrument. Die Partikelgröße ist nach oben durch ei-
sern. Verglichen mit SMPS bietet ELPI eine geringere nen hier nicht gezeigten Zyklon bei 2,5 µm begrenzt,
Auflösung bei den kleinsten Partikelgrößen, jedoch ei- nach unten bei 23 nm durch die Zählcharakteristik des
nen erweiterten Messbereich für große Partikel. Kondensationskernzählers CPC.
Die Bemühungen zur Einführung einer Messtech-
nik für die Typenprüfung, die sich auf die Anzahl-
konzentration als wichtigsten Parameter für die ge-
sundheitlichen Wirkungen stützt, haben im Rahmen
des UNECE-PMP-Projekts [107] nach sorgfältiger
Analyse aller verfügbaren Methoden [108] zu einer
Messmethode geführt, die auf die Größenklassierung
verzichtet. Ziel ist die Erfassung der Gesamtzahl aller
Feststoffpartikel (pro km oder pro kWh oder pro m3) CVS-
Tunnel
im Größenbereich von 23 nm bis 2,5 µm. Der Feststoff-
Charakter ist dabei dadurch definiert, dass die Probe-
nahme-Einrichtung in der Lage sein muss bei Behei-
zung auf 400 °C und Verdünnung, flüchtige Substanzen 54321
bis zu C40 zu mindestens 99 % zu verdampfen und in
der Gasphase zu halten, gleichzeitig aber nicht mehr CPC
als 10 % der Feststoffpartikel unkontrolliert zu verlieren
Verdünnung Heizung Zählung
(. Abb. 21.120).
Beim Pkw wird die Probe dem CVS-Tunnel ent- ..Abb. 21.120  Messanordnung zur Erfassung der
nommen, für den Lkw oder andere Motoren ist auch Gesamt-Anzahlkonzentration von Feststoffpartikeln
eine direkte Entnahme aus dem Abgasstrang möglich. bei der Typenprüfung von Diesel-Personenwagen
1000 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.121  PMP-Messanordnung gemäß ECE-R83 [109] wie sie in die Europäische Gesetzgebung übernom-
men wurde

Für die Verdünnung sind neben dem hier gezeig- Bei dem genannten Wandstromfilter erreicht somit
ten rotierenden Verdünner auch andere Verfahren, wie eines von 1000 Partikeln die Atmosphäre, bei einem
Ejektor-Verdünner zugelassen. offenen Filter 667 – sofern er alles regeneriert, was er
Zur Kalibration der Messkette, die nicht unter- abgeschieden hat und nicht nur zwischenspeichert
schätzt werden sollte, müssen der Verdünnungsgrad, [56]. Die Anwendung eines Wandstromfilters hat also
die Qualität der Verdampfung, der gesamte Verdün- im Verhältnis 667/1 einen ungleich größeren Nutzen
nungsverlust und die Zählqualität überprüft werden. für die Umwelt als sich aus der Betrachtung der Ab-
Für diese Kalibrationsaufgaben kommen Standard- scheidegrade ergibt.
Aerosole oder auch Partikelgeneratoren wie der CAST Aus diesem Grund sind sogenannt offene Filter
(Combustion Aerosol Standard) in Frage, mit dem Par- oder Teilstromfilter in verschiedenen Gesetzgebungen
tikel bestimmter Größenverteilung und Konzentration wie in China [39] verboten und nur geschlossene Filter
in hoher Stabilität und Reproduzierbarkeit bereitge- (wall flow-filter) erlaubt. Diese Begriffe können aber
stellt werden, die Partikeln aus der dieselmotorischen irreführend sein, daher ist nur eine präzise technische
Verbrennung sehr ähnlich sind [110]. Spezifikation zur Abscheideverhalten in Abhängigkeit
der Partikelgröße zielführend wie die VERT-Spezifi-
21.6.3.13 Penetration oder kation [111] und sogenannt vereinfachte Definitionen
Abscheidegrad wie die sogenannte UN-ECE-REC-Spezifikation [112]
Im Allgemeinen werden Partikelfilter heute nach ih- tragen dem eigentlichen Problem nämlich dem Schutz
rem Abscheidegrad oder Wirkungsgrad beurteilt. Hat der Gesundheit durch Vermeidung der Emission
ein Filter 99,9 % Abscheidegrad, ein durchaus üblicher lungengängiger Feststoffpartikel nicht ausreichend
Wert bei modernen Wandstromfiltern, so bewertet Rechnung. Bewertungen nach der Masse, wie die der
man ihn als etwa dreimal besser als einen sogenann- deutschen STVZO, Anlage XXVII [113] oder die des
ten offenen Filter, der 33,3 % abscheiden möge. Für die Italienisch Dekrets zur Nachrüstung mit Partikelfiltern
Umwelt aber zählt nicht der Abscheidegrad, sondern [114] sind aus streng physikalischen und aus präven-
die Penetration, das heißt die Frage, wie viele Partikel tiv-medizinischen Gründen gänzlich abzulehnen.
die Atemluft erreichen [56].
21.6.3.14 Global Warming
Penetration = 1 − Abscheidegrad durch Rußpartikel
.genauer 1 − Abscheidegrad  Regenerationsgrad/ Die rasche Steigerung des Dieselanteils in der europäi-
schen Pkw-Flotte wird vor allem damit begründet, dass
Dieselfahrzeuge wegen ihres besseren thermodyna-
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
1001 21

mischen Wirkungsgrades und damit geringerer CO2- tikulär emittierter Ruß verursacht, mit etwa 1200 €/
Emission weniger zum Treibhauspotenzial beitragen kg Ruß beziffert wird [117], ergibt sich somit ein er-
als Ottomotoren und somit helfen, die Ziele der Auto- heblicher volkswirtschaftlicher Nutzen. Das Nutzen/
mobil-Wirtschaft zur Minderung der CO2-Emission Kosten-Verhältnis liegt bei 12:1.
zu verwirklichen. Dabei ist unberücksichtigt, dass auch
Rußpartikel in der Atmosphäre ein sehr hohes Poten-
zial zur Erwärmung der Atmosphäre darstellen, indem 21.6.4 Katalytischer Partikelfilter
sie Sonnenlicht aufnehmen und dieses im Infrarotbe-
reich an ihre Umgebung weitergeben, die Atmosphäre Eine Maßnahme zur Verbesserung der Rußregenera-
also aufheizen. Das GWP (global warming potential) tion ist die Verwendung von katalytischen Partikelfil-
von BC (black carbon)-Partikeln in feiner Verteilung tern. Eine schematische Darstellung für einen wand-
in der Atmosphäre ist laut [115] pro kg der Substanz durchströmten Partikelfilter zeigt . Abb. 21.110.
um etwa 600.000-mal höher als das Potenzial von CO2 Der Katalysator wird durch ein Beschichtungsver-
zur Erhöhung der Atmosphäre durch Verminderung fahren ähnlich wie bei Dieseloxidationskatalysatoren
der Erdabstrahlung. Glücklicherweise ist die Gesamt- oder Dreiwege-Katalysatoren auf den Partikelfilter
menge an BC weit geringer als die von CO2 und CO2 aufgebracht und ermöglicht katalytische Reaktionen
verweilt viel länger in der Atmosphäre als BC-Partikel, an der Grenzfläche zwischen den Festkörpern der
dennoch bleibt BC die zweitwichtigste GWP-Substanz. Ruß­partikel und der Katalysatorbeschichtung. Unter-
Um Dieselmotoren heutiger Bauart bezüglich ihres schiede in dem Beschichtungsverfahren ergeben sich
Gesamt-Treibhauspotenzials gleichwertig zu Ottomo- durch die wechselseitig verschlossenen Kanäle. Es ist
toren mit ihrer wesentlich geringeren Partikelemission möglich, die Ein- und Auslasskanäle mit unterschied-
zu machen, müssen sie mit Partikelfiltern mit einem lichen Katalysatormaterialien zu beschichten, um ver-
Abscheidegrad von mindestens 99 % ausgerüstet sein. schiedene Funktionen zu gewährleisten.
Ohne Filter oder mit Filtern, die diesen Wert unter- Die Regeneration wird durch Oxidation des Rußes
schreiten, tragen Dieselmotoren auch bei weiterer durchgeführt. Oxidationsmittel sind der Restsauerstoff
Steigerung ihres Wirkungsgrades in höherem Maß aus dem Motorenabgas und an den Stickstoff gebun-
zur Erderwärmung bei als Ottomotoren, sofern deren dener Sauerstoff als NO2, das im Motorenabgas in ge-
Partikelemission vernachlässigt werden kann. ringen Mengen enthalten ist. In . Abb. 21.122 sind die
wichtigsten chemischen Reaktionen aufgeführt, die für
21.6.3.15 Kosten/Nutzen den Rußabbrand von Bedeutung sind.
von Partikelfiltern NO2 kann sowohl von einem vor den Filter ge-
Ausrüstungen von Fahrzeugen mit Partikelfiltern oder schalteten Dieseloxidationskatalysator, als auch über
anderen Maßnahmen zur Emissionsminderung haben die katalytische Schicht im Rußfilter erzeugt werden.
keine unmittelbare betriebswirtschaftliche Rechtferti- Verzichtet man auf den vorgeschalteten Oxidationska-
gung, solange das „polluter pays“-Prinzip nicht durch- talysator müssen die zum Bestehen der Abgasgesetz-
gesetzt wird. Sie bedingen vielmehr erhebliche Investi- gebung notwendigen Reduktionen von Kohlenmono-
tionskosten und Betriebskosten. Um dies auch monetär xid und Kohlenwasserstoffen mittels des im Rußfilter
zu rechtfertigen, ist es daher üblich, das Verhältnis dieser vorhandenen Katalysators durchgeführt werden. Der
Kosten zum Umweltnutzen zu ermitteln, also das Ver- Katalysator im Rußfilter ist darüber hinaus in der Lage,
hältnis des für die Installation und den Betrieb des Filters das aus dem Rußabbrand gebildete NO mehrfach zu
investierten Geldes zum Geldwert der Verminderung oxidieren, was auch als NO2-Turnover bezeichnet
der Gesundheits- und Umwelt-Schädigung darzustellen. wird. Die schematische Darstellung in . Abb. 21.123
Am Beispiel der Nachrüstung eines Euro III-LKWs verdeutlicht solch einen Kreisprozess.
mit Vollstromfilter ergeben sich die folgenden Zahlen: Mit dieser Mehrfach-Nutzung des NO kann bei
die Emission von beispielsweise 0,1 g/kWh wird völlig richtiger Systemauslegung ein deutlich verbesserter
eliminiert; bei einer Restlaufzeit von 6000 Betriebs- Rußabbrand erzielt werden. Eine weitere wichtige zu-
stunden und durchschnittlicher Leistung von 100 kW sätzliche Funktion des katalytischen Rußfilters besteht
entspricht dies der Vermeidung der Emission von in der Oxidation des ebenfalls aus dem unvollstän-
60 kg Ruß. Bei Nachrüstkosten plus Betriebskosten digem Abbrand des Rußes entstehenden CO, das bei
von 6000 € ergibt sich ein Kosten-Faktor von 100 €/ Nicht-Konvertierung zu erheblichen Schadstoffemis-
kg Ruß. Bei älteren Fahrzeugen im Off-road-Bereich sionen führen kann.
errechnet man 30 bis 50 €/kg [116]. Da der gesamte Die bestimmenden Größen bei der katalytischen
Gesundheits- und Umweltschaden, den 1 kg feinpar- Rußregeneration sind die Abgastemperatur und die
1002 Kapitel 21 • Abgasemissionen

Dieseloxidations-
Dieseloxidations Katalytischer
21 katalysator Rußfilter

HC (SOF) + O2 CO2 + H2O


C (Ruß)
(Ruß + O2 CO/CO2
2CO + O2 2CO2
2NO + O2 2NO2
2NO + O2 2NO2
C (Ruß)
(Ruß + NO2 CO/CO2 + NO

2CO + O2 2 CO2

..Abb. 21.122  Chemische Reaktionen bei Rußabbrand über einen katalytischen Rußfilter

O2 Katalysator NO2 C der Rußabbrand wird unabhängig von der NOx-


Konzentration.
NO NO2 Für den Betrieb eines Diesel-Pkws können diese
O O CO2 Randbedingungen (NO2:C,  T) nicht immer einge-
CO halten werden, so dass Ruß im Filter akkumuliert,
Katalysator
der Abgasgegendruck ansteigt und ein Abbrand des
..Abb. 21.123  Kreisprozess der NO-Oxidation bei Rußes über Sauerstoff notwendig wird. Die hierzu er-
Rußabbrand forderliche Temperatur kann durch den katalytischen
Rußfilter um circa 150 K verringert werden. Der not-
wendige Temperaturbereich von 450 bis 600 °C kann
Konzentrationen des O2 und des NO2. Die Rußrege- im praktischen Fahrbetrieb nicht ausreichend gewähr-
neration kann darüber hinaus durch weitere Parameter leistet werden, so dass motorseitige aktive Maßnahmen

--
beeinflusst werden:
brennbare Restbestandteile des Abgases,
ergriffen werden müssen. Die Geschwindigkeit des
Rußabbrands steigt mit der Temperatur, dem Anteil

- Abgasmassenstrom,
Partikelzusammensetzung, zum Beispiel Masse
angelagerter Kohlenwasserstoffe („feuchter Ruß“), der
O2-Konzentration und mit der Abnahme des Abgas-

- der angelagerten HC’s,


Partikelcharakteristik (zum Beispiel Möglichkeit
zur Bildung von aktiven O2-Zentren).
Volumenstroms. . Abb.  21.115 zeigt insbesondere,
wie gegebenenfalls vorhandene Kohlenwasserstoffe,
die allerdings nicht in der flüssigen Phase vorliegen
dürfen, durch exotherme Reaktionen den Rußabbrand
. Abb. 21.124 illustriert den Einfluss der Temperatur begünstigen können. In diesem Fall liefert die kataly-
und die Möglichkeit, an den Ruß angelagerte Kohlen- tische Verbrennung des SOF-Anteils die zur Zündung
wasserstoffe zur Temperaturerhöhung zu nutzen. des Rußes notwendige Aktivierungsenergie.
Das Bild zeigt, dass sich der oben beschrie- Der katalytische Rußfilter muss hinsichtlich eines
bene Abbrand über NO2 nur im Bereich circa 250 unkontrollierten Abbrands, der bei zu hohen Massen-
bis 450 °C darstellen lässt. Die untere Temperatur- beladungen brennbarer Bestandteile im Filter auftreten
schwelle ist durch das Anspringverhalten des Kata- kann, besonders geschützt werden, da die Beschich-
lysators gegeben, der die NO-Oxidation katalysiert. tung Temperaturen > 1000 °C nicht standhält. Ebenso
Zwischen 250 und 450 °C dominiert die NO2/C-Re- sind den Werkstoffen des Filters Grenzen gesetzt.
aktion die Rußabbrandrate. Bei einem NO2:NO-Ver- Ein weiterer Aspekt bei der Verwendung katalyti-
hältnis von 1:1 muss entsprechend der Stöchiometrie scher Rußfilter ist das Abgasgegendruckverhalten. Hier
der NO2/C Reaktion das NO2:C-Massenverhältnis im ist eine Abstimmung des Filtermaterials und der ka-
Abgas mindestens acht betragen, um einen quantita- talytischen Beschichtung notwendig: Der Zielkonflikt
tiven Rußabbrand zu erzielen. Bei 450 °C erfolgen die besteht in einem hohen Filterwirkungsgrad bei gleich-
NO2/C- und O2/C-Reaktion mit gleicher Geschwin- zeitig hoher Regenerationsfähigkeit und minimalem
digkeit (isokinetischer Punkt). Oberhalb 450 °C Abgasgegendruck. Der Filterwirkungsgrad kann so-
dominiert die höher aktivierte O2/C-Reaktion, und wohl durch die Filterparameter Porengröße, Porösität
21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
1003 21

10 C+O2 thermisch
9 C+O2 katalytisch
8 Temperaturerhöhung II
7 NO-Oxidation
6 C+NO2
5 Temperaturerhöhung I
4 Motoröl-Oxidation
3 Motoröl-HC flüssig
2 Kraftstoff-Oxidation
1 flüssiger Kraftstoff

0 100 200 300 400 500 600 700


Abgastemperatur °C

..Abb. 21.124  Temperaturbereiche der Rußregeneration

und Porenstruktur, als auch durch die Art und Masse Basis sind weltweit gesammelte Fahrdaten, die
der aufgebrachten Katalysatorbeschichtung beeinflusst Fahrsituationen in der Innenstadt genauso abdecken
werden. sollen wie Autobahnfahrt. Der WLTP hat deutlich
Im Betrieb wird der katalytische Filter durch Asche mehr Beschleunigungs- und Verzögerungsanteile als
aus dem Motoröl belastet. Für den Filterwirkungsgrad der NEFZ. Die Messprozedur wurde international ver-
positiv wirkt sich im Vergleich zu kraftstoffadditiv- einheitlicht.
gestützten Systemen allerdings aus, dass keine Asche Im WTLP-Testverfahren sind drei verschiedene
aus dem Kraftstoffadditiv anfällt. Trotzdem muss das Klassen definiert, die sich an der Leistung und an der
System so ausgelegt werden, dass Motorölasche den
Katalysator über angestrebter Laufzeit nicht in seiner
-
Masse des Fahrzeugs orientieren.
Klasse 1 enthält alle Fahrzeuge mit einem Leis-
Funktion einschränkt.

- tungsgewicht kleiner/gleich 22 kW/1000 kg.


Klasse 2 enthält alle Fahrzeuge mit einem Leis-

21.6.5 WLTP- und RDE-Testverfahren


zur Abgasmessung - tungsgewicht zwischen 22 und 34 kW/1000 kg.
Klasse 3 enthält alle Fahrzeuge mit einem Leis-
tungsgewicht größer 34 kW/1000 kg.

Das WLTP-Testverfahren (Worldwide Harmonized Der überwiegende Anteil der Fahrzeuge wird aufgrund
Light-Duty Vehicles Test Cycle) wurde entwickelt von dieser Definition in der Klasse drei getestet. Die Masse
der UN/ECE GRPE (Working Party on Pollution and des Fahrzeugs ist definiert in der Richtlinie ECE R83.
Energie) Gruppe. Es soll für alle Mitgliedsstaaten des Die wesentlichen Daten des Testverlaufs für
98er-Abkommens der UN/ECE (alle europäischen Klasse 1 Fahrzeuge zeigt die . Abb. 21.125. Er ist re-
Staaten, USA, Japan, China, Russland, Indien) gelten. präsentativ für das Fahrverhalten in Indien.
In Europa soll es 2017 das bisherige Testverfahren, Der zeitliche Testverlauf ist in . Abb. 21.126 zu
NEDC, ablösen. Es dient als Labortest zur Ermittlung sehen.
des Kraftstoffverbrauchs und der Schadstoffemissionen
für „Light-Duty“ Fahrzeuge.

WLTC Klasse 1
Low Medium Total
Distanz [m] 3324 4767 8091
Dauer [s] 589 433 1022
Dauer Stillstand [s] 155 48 203
Stillstand % 26,3 11,2 19,9
Vmax [Km/h] 49,1 64,4 -

..Abb. 21.125  Daten des Testverlaufs Klasse 1


1004 Kapitel 21 • Abgasemissionen

21

..Abb. 21.126  Zeitlicher Testverlauf Klasse 1

Die wesentlichen Daten des Testverlaufs für


Klasse 2 Fahrzeuge zeigt die . Abb. 21.127. Er ist re-
präsentativ für das Fahrverhalten von niedrig motori-
sierten Fahrzeugen in Japan und Europa.
Der zeitliche Testverlauf ist in . Abb. 21.128 zu
sehen.

WLTC Klasse 2
Low Medium High Total
Distanz [m] 3132 4712 6820 14.664
Dauer [s] 589 433 455 1477
Dauer Stillstand [s] 155 48 30 203
Stillstand % 26,3 11,2 6,6 19,9
Vmax [Km/h] 51,4 74,7 85,2 -

..Abb. 21.127  Daten des Testverlaufs Klasse 2

..Abb. 21.128  Zeitlicher Testverlauf Klasse 2


21.6 • Abgasnachbehandlung Dieselmotor
1005 21

Da der Schwerpunkt für Fahrzeuge im europäi- chen Test sollen Abgasemissionen im realen Fahrbe-
schen Raum der WLTP3 Test ist, sind in . Abb. 21.129 trieb auf der Straße überprüft werden.
als Vergleich einige Daten des NEFZ dargestellt. Zunächst werden in diesem Test nur die Stickoxid-
Neben der höheren Maximalgeschwindigkeit sind emissionen von Dieselfahrzeugen gemessen. Als Basis
es insbesondere die deutlich erhöhten Beschleuni- dient dabei die Euro-6 Abgasnorm mit einem Grenz-
gungsphasen des WLTP Tests gegenüber dem NEFZ. wert von 0,080 g NOx/100 km Fahrstrecke. Dieser
Der zeitliche Testverlauf ist in . Abb. 21.130 zu Grenzwert darf um den Faktor 2,1 überschritten wer-
sehen. den, d. h. es dürfen 0,168 g NOx/100 km Fahrstrecke
Die detaillierten Ausführungsbestimmungen, wie emittiert werden. Die zu durchfahrende Strecke ist frei
z. B. Fahrzeugkonditionierung, Messverfahren und wählbar, die Temperatur muss zwischen −7 und +35 °C
Messeinrichtungen sind den ECE-Richtlinien zu ent- liegen und die Fahrzeuge müssen dem Serienzustand
nehmen. entsprechen. Als Höchstgeschwindigkeit gilt 145 km/h;
Ab September 2017 soll neben dem neuen Testver- ansonsten gelten die Tempolimits auf Autobahnen. Die
fahren WLTP (Wordwide harmonized Light vehicles Prüfinstitutionen können von den Fahrzeugherstellern
Test Procedure) die RDE Testprozedur (Real Driving europaweit ausgewählt werden.
Emissions) eingeführt werden. Mit diesem zusätzli-

WLTC Klasse 3 NEFZ


Low Medium High Extra Total
High
Distanz [m] 3095 4756 7158 8254 23.262 11.000
Dauer [s] 589 433 455 323 1800 1200
Dauer Stillstand [s] 155 48 30 7 203
Stillstand % 26,5 11,1 6,8 2,2 13,4 27
Vmax [Km/h] 56,5 76,6 97,4 131,3 - 120
Durchnittsgeschw. [Km/h] 46 34
Beschleunigung % 44 20
Verzögerung % 40 14
Starttemperatur kalt kalt
Sonderausstattung Sonderausstattungen werden für Gewicht, keine
und Klimaanl. Aerodynamik, Bordnetzbedarf etc. berücksichtigt, Berück-
keine Klimaanlage sichtigung

..Abb. 21.129  Daten des Testverlaufs Klasse 3

..Abb. 21.130  Zeitlicher Testverlauf Klasse 3


1006 Kapitel 21 • Abgasemissionen

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1010 Kapitel 21 • Abgasemissionen

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1011 22

Betriebsstoffe
Wolfgang Dörmer, Norbert Neumann, Volker Clasen, Dr. Ulrich Pfisterer,
Dr. Oliver Busch 

22.1 Kraftstoffe – 1012
22.1.1 Dieselkraftstoff (DK) – 1013
22.1.2 Ottokraftstoff (OK) – 1026

22.2 Schmierstoffe – 1052
22.2.1 Schmierstoffarten – 1052
22.2.2 Aufgabe der Schmierung  –  1052
22.2.3 Arten der Schmierung  –  1053
22.2.4 Anforderungen an die Schmierung  –  1053
22.2.5 Viskosität/Vikositäts-Index (V.I.) – 1054
22.2.6 Basisflüssigkeiten – 1057
22.2.7 Additive für Schmierstoffe  –  1058
22.2.8 Motoröle für Viertaktmotoren – 1061
22.2.9 Motoröle für Zweitaktmotoren  –  1076

22.3 Kühlmittel – 1078
22.3.1 Gefrierschutz – 1078
22.3.2 Korrosionsschutz – 1079
22.3.3 Spezifikationen – 1080

Literatur – 1081

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-10902-8_22
1012 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Der Begriff Betriebsstoffe ist heute in der Automobil- Kohlenwasserstoffgemische ist nach folgenden Bezie-
1 technik als Dachbegriff für Kraftstoffe, Schmierstoffe, hungen vorzunehmen:
Kühlmittel und Hydraulikflüssigkeiten gebräuchlich.
22 Seine Behandlung beschränkt sich hier gezielt auf an- O
L= ;
wendungstechnische Gesichtspunkte. Auf eine Erörte- 0;23  (22.1)
rung von Aufsuchung, Gewinnung und Verarbeitung
23 von Mineralöl- beziehungsweise Syntheseprodukten
wird daher verzichtet. O = 2;67  0;01 C + 8  0;01 H2 − 0;01 O2 : (22.2)

4 Rechenbeispiel für SuperPlus:


22.1 Kraftstoffe
5 O = 2;67  0;01 C + 8  0;01 H2 − 0;01 O2
(Zur Kraftstoffchemie siehe auch ▶ Kap. 14) Vorab sei O = 2;67  0;847 + 8  0;133 − 0;02
hier kurz auf einige grundlegende Eigenschaften von
6 Kraftstoffen, die in der Normung nicht erscheinen,
O = 2;261 + 1;064 − 0;02
O = 3;305 kg
eingegangen, weil sie zu den Grundlagen der Verbren-
7 nung gehören. Eine Kenntnis der damit verbundenen L = 3;305=0;23 = 14;369 kg Luft/kg Kraftstoff
Zusammenhänge ist jedoch nicht unwichtig.
(vergleiche . Abb. 22.1).
8 C/H-Verhältnis, Luftbedarf und Luft-Kraftstoff-Ver- In . Abb. 22.1 sind für einige wichtige Kohlenwasser-
hältnis  Kraftstoffe bestehen im Wesentlichen aus stoffe und Kraftstoffe die Massenanteile von C und H2
Kohlenwasserstoffen mit den Elementen  C und  H. sowie O2, das daraus resultierende C/H-Verhältnis und
9 Die zu ihrer vollständigen Verbrennung erforderliche der theoretische Luftbedarf angegeben.
Mindestluftmenge L – der theoretische Luftbedarf – Das Verhältnis der tatsächlich der Verbrennung
10 lässt sich berechnen, wenn aus einer Elementaranalyse
für den betreffenden Kraftstoff die Massenanteile von
zugeführten Luftmenge zum theoretischen Luftbe-
darf nennt man Luft-Kraftstoff-Verhältnis (λ). Bei
Kohlenstoff und Wasserstoff, gegebenenfalls auch von Luftüberschuss – also λ > 1 – arbeitet der Motor mit
11 Sauerstoff, bekannt sind. Er wird mit L bezeichnet und magerer (armer) Einstellung, bei Luftmangel mit λ < 1
in kg/kg angegeben. Die Berechnung für schwefelfreie mit fetter (reicher) Einstellung. Bei λ = 1 spricht man
12 Kraftstoff [% (m/m)]* [kg/kg]
C H O C/H L
13 Methan ~ 75,0 ~ 25,0 – ~ 3,0 ~ 17,4

14 Propan ~ 81,8 ~ 18,2 – ~ 4,5 ~ 15,8


Butan ~ 82,8 ~ 17,2 – ~ 4,8 ~ 15,6

15 n-Heptan ~ 84,0 ~ 16,0 – ~ 5,25 ~ 15,3


i-Oktan ~ 84,2 ~ 15,8 – ~ 5,33 ~ 15,2
16 Cetan ~ 85,0 ~ 15,0 – ~ 5,67 ~ 15,1
Xylol ~ 90,6 ~ 9,4 – ~ 9,64 ~ 13,8
17 Toluol ~ 91,3 ~ 8,7 – l10,5 ~ 13,6

18 Benzol ~ 92,3 ~ 7,7 – l12,0 ~ 13,4


Normalbenzin ~ 85,5 ~ 14,5 – ~ 5,9 ~ 14,9

19 Superbenzin ~ 85,1 ~ 13,9 ~1 ~ 6,1 ~ 14,6


SuperPlus ~ 84,7 ~ 13,3 ~2 ~ 6,5 ~ 14,4
20 Dieselkraftstoff ~ 86,3 ~ 13,7 – ~ 6,3 ~ 14,8
..Abb. 22.1  C/H-Verhältnis und
* % (m/m) entspricht Massen-% Luftbedarf [1]
22.1 • Kraftstoffe
1013 22

vom stöchiometrischen Luft-Kraftstoff-Verhältnis. Die gen der Verarbeitungsprozesse in der Mineralölindus-


Höchstleistung erzielt ein Ottomotor mit kraftstoffrei- trie zu hochkomplexen Produkten geworden. Durch
chen Luftgemischen im Bereich von λ = 0,85 bis 0,90, Zugabe von Additiven mussten unter anderen die mo-
für niedrigen Verbrauch kann man bis zu λ = 1,1 ab- torisch relevanten Eigenschaften des Basisproduktes
magern, beim Ottomotor mit Direkteinspritzung bis stark verbessert werden. Additivierte Dieselkraftstoffe
über λ = 2. Der Dieselmotor arbeitet prinzipbedingt werden seit 1987 im Markt angeboten. Seit diesem Zeit-
mit Luftüberschuss und liegt im Volllastbereich bei punkt entwickelten sich Dieselkraftstoffe und Heizöl in
λ ≈ 1,2 und im Leerlauf bei λ > 8. unterschiedliche Richtungen. Darüber hinaus werden
Man unterscheidet heute zwischen Kraftstoffen zur seit 2004 auch sogenannte „Designerkraftstoffe“, zum
Energieumsetzung in Verbrennungsmotoren, Treibstof- Teil mit synthetischen Komponenten angeboten, die
fen zur Schuberzeugung in der Luftfahrt und Brennstof- insbesondere für hochentwickelte und zukünftige Mo-
fen für Heizzwecke. Sie können flüssig oder gasförmig torenkonzepte geeignet sind. Der früher oft verwendete
sein. Die in Kraftstoffen chemisch gebundene Energie Begriff „Gasöl“ gilt anwendungstechnisch als veraltet,
wird zunächst durch Verbrennung in Wärme und un- obwohl er in der Raffinerietechnik intern für Mittelde-
mittelbar anschließend in derselben Maschine in me- stillate noch immer Verwendung findet.
chanische Arbeit umgesetzt. Der heute in den Medien
und umgangssprachlich oft verwendete Begriff „Sprit“ 22.1.1.1 DK-Komponenten und
ist seriös betrachtet unzulässig, da er eigentlich nur auf Zusammensetzung
Spiritus (Ethylalkohol) zutrifft. Er stammt aus der Wirt- DK gehört zu den leichten Mitteldestillaten des Erd-
schaftskrise nach dem 1. Weltkrieg, als zur Behebung öls. Er ist ein Gemisch aus vorwiegend paraffinischen
der drastischen Benzinknappheit seitens der Monopol- Kohlenwasserstoffen (Alkane), deren jeweilige Anteile
verwaltung für Branntweine „Kraftspiritus“ (Ethanol Einfluss auf das motorische Verhalten haben. Während
aus Kartoffeln = Sprit) vermehrt beigemischt werden früher vornehmlich Fraktionen aus der atmosphäri-
musste. Zum weiteren Ausbau des Absatzes wurde 1925 schen Destillation verwendet wurden, kommen heute
die „Reichskraftsprit GmbH, Berlin“ gegründet, deren durch den ständig steigenden DK-Bedarf vermehrt
Produkte Monopolin hießen und in Anteilen bis zu 65 % Crackkomponenten zum Einsatz. In . Abb. 22.2 sind
mit Benzin und/oder Benzol vermischt wurden. die Eigenschaften der für DK typischen Raffineriekom-
ponenten aus der Destillation aufgeführt.
Die Eigenschaften der für DK typischen Raffinerie-
22.1.1 Dieselkraftstoff (DK) komponenten aus den heute zunehmend eingesetzten
Crackverfahren sind in . Abb. 22.3 dargestellt.
Dieselkraftstoffe liegen im Siedebereich von etwa 180 Der steigende DK-Bedarf führt zunehmend
bis 380 °C und sind für den Betrieb von schnelllaufen- zu einer Verschiebung unter den Kraftstoffsorten.
den Dieselmotoren, insbesondere Fahrzeugdieselmoto- . Abb. 22.4 zeigt das bisherige Verhältnis von Diesel-
ren (Pkw und Nkw), vorgesehen. Sie bestehen aus rund kraftstoff (DK)- zu Ottokraftstoff (OK)-Verbrauch in
300 verschiedenen Kohlenwasserstoffen, die in Raffi- Deutschland. Der Anteil von DK am Gesamt-Mine-
nerien mittels verschiedener Verarbeitungsverfahren ralölverbrauch beträgt in Deutschland derzeit rd. 55 %.
aus Erdöl der verschiedensten Provenienzen gewonnen Neben konventionellem DK auf Basis Erdöl ist noch
werden. Während sie früher relativ einfache Destillati- eine Reihe anderer, synthetisch herstellbarer Stoffe zur
onsprodukte waren, sind sie in den letzten Jahren durch Verbrennung in Dieselmotoren geeignet. Bereits 1925
die seitens der Motorenhersteller stark gestiegenen An- wurde die Fischer-Tropsch-Synthese entdeckt, bei der
forderungen, Umweltauflagen sowie durch Entwicklun- zum Beispiel aus Kohle oder Naturgas zunächst Syn-

Produktbezeichnung Dichte Siedebereich Cetan-Zahl


[kg/m3] [°C]
Kerosin 805 150 – 260 45
Leichtes Gasöl 840 210 – 320 55

..Abb. 22.2 DK-
Schweres Gasöl 860 200 – 400 55
Komponenten aus der Vacuum-Gasöl 870 250 – 400 56
Destillation [1]
1014 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

1 Produktbezeichnung Dichte
[kg/m3]
Siedebereich
[°C]
Cetan-Zahl

22 Hydrocracker 860 170 – 400 52


Thermische Cracker 857 180 – 400 40
23 Katalytische Cracker 953 195 – 410 40

4 ..Abb. 22.3  DK-Komponenten aus Crackverfahren [1]

Kraftstoff 1975 1980 1985 1990* 1995 1998 2000 2001 2002
5
DK 10.333 13.099 14.556 21.464 26.208 27.106 28.922 28.545 28.631

6 OK 20.174 24.463 23.131 31.779 30.306 30.281 28.807 27.948 27.195


DK/OK 0,5120 0,5400 0,6290 0,6970 0,8650 0,8950 1,0060 1,0210 1,0530
7 * ab 1990 Gesamtdeutschland

..Abb. 22.4  Verhältnis von Diesel- zu Ottokraftstoff-Verbrauch in Deutschland in Mio.-t [2]


8
thesegas gewonnen wird. Daraus lassen sich dann mit 22.1.1.2 Kennwerte und Eigenschaften
Hilfe von Katalysatoren synthetische Kohlenwasserstoffe Die an DK gestellten Mindestanforderungen sind in
9 herstellen, die zu Otto- oder Dieselkraftstoff raffiniert der DIN EN 590 festgelegt. Sie betreffen hauptsäch-
werden können. Das mit einem relativ schlechten Wir- lich Dichte, Zündwilligkeit (Cetan-Zahl), Siedeverlauf,
10 kungsgrad arbeitende Verfahren wird heute nur ver-
einzelt angewendet. Zwei synthetisch hergestellte Pro-
Kältebeständigkeit und Schwefelgehalt. Die Norm-
Kennwerte von Dieselkraftstoffen und ihre praktische
dukte sind zumindest als Mischkomponenten für DK Bedeutung zeigt . Abb. 22.6.
11 interessant, auch wenn sie nur sehr begrenzt verfügbar Der 1998 zwischen Automobil- und Mineralöl-
sind, nämlich SMDS (Shell Middle Distillate Synthesis) industrie bei der EU-Kommission gefundene Kom-
aus Naturgas gewonnen und XHVI (Extra High Vis- promiss für das sogenannte Auto-/Öl-Programm
12 cosity Index), als Nebenprodukt bei der synthetischen (EPEFE/vergleiche ▶ Abschn. 22.1.2.2) hatte folgende
Schmierstoffherstellung in geringer Menge anfallend. Veränderung einiger umweltrelevanter Kennwerte der
13 Beide Produkte weisen eine sehr hohe Cetan-Zahl mit DIN EN 590 zur Folge (. Abb. 22.7).
> 70 auf (vergleiche „Zündwilligkeit“) und sind prak- Die Bestrebungen der deutschen Bundesregierung
tisch schwefelfrei. Wegen der hohen Herstellungskos- um einen erhöhten Anteil an Kraftstoffen aus nach-
14 ten und der geringen Verfügbarkeit kommen sie nur wachsenden Rohstoffen erforderte unter anderen die
als Mischkomponenten für DK in Betracht. Seit gerau- Zulassung einer höheren Menge an FAME als nach
15 mer Zeit wird auch aus Biomasse, unter anderen aus
Rapsöl, sogenannter „Bio-Diesel“ (FAME von Fatty
EN 590 gestattet. Vor diesem Hintergrund setzte der
deutsche Gesetzgeber Anfang 2009 eine nationale
Acyd Methyl Ester) durch Veresterung mit Methanol Dieselkraftstoffnorm (DIN 51628) in Kraft, die bis zu
16 hergestellt. Bedingt durch die Bioquotengesetzgebung 7,0 % FAME in Diesel erlaubt. Inzwischen wurde bei
in der EU und der darüber hinausgehenden nationalen der Überarbeitung der europäischen Diesel-Anforde-
Anstrengungen, werden seit 2003 rund 5 % und ab Fe- rungsnorm EN 590 der FAME Grenzwert auf max. 7 %
17 bruar 2009 sogar 7 % (V/V) FAME dem Dieselkraftstoff angehoben und so die Zurückziehung der deutschen
zugemischt. In ▶ Abschn. 22.1.1.4 „Alternative DK“ wird Norm ermöglicht.
18 hierauf noch näher eingegangen werden. Beim DK ste- Neben diesen Normen hat die weltweite Automo-
hen die Anforderungen aus Anwendungstechnik und bilindustrie die sogenannte Fuel Charter (WWFC)
aus Produktion in starkem Widerspruch. . Abb. 22.5 erarbeitet, in der die Anforderungen an Kraftstoffe
19 zeigt, wie zum Beispiel Paraffinanteil, Dichte, Siedeende, in vier Qualitätsstufen festgelegt sind. In der Einhal-
Crackanteil und Schwefelgehalt jeweils vorteilige oder tung der höchsten Qualitätsstufe (Category  4) sieht
20 nachteilige Eigenschaften entweder in der motorischen
Anwendung oder bei der Herstellung bewirken.
die Automobilindustrie Potential für die Entwicklung
zukünftiger Motorenkonzepte.
22.1 • Kraftstoffe
1015 22

Kennwert Forderungen Vorteile Nachteile Nachteile


an Produktion für Anwendung für Anwendung für Produktion
Paraffinanteil Hoch Zündwilligkeit Kälteverhalten Kosten
Dichte Niedrig Abgasemission Motorleistung Ausbeute; Kosten
Verbrauch
Siedeende Niedrig Abgasemission Kälteverhalten Ausbeute; Kosten
Crackanteile Niedrig Zündwilligkeit Ausbeute; Kosten
Alterung
Schwefelgehalt Niedrig Emission Pumpenverschleiß Ausbeute; Kosten

Kennwerte-Bandbreite Schmal Abstimmung Ausbeute; Kosten

..Abb. 22.5  Anforderungen aus Anwendungstechnik und Produktion im Widerspruch [3]

Kennwert Einheit Anforderungen Einfluss auf Fahrbetrieb


3
Dichte bei 15 °C [kg/m ] 820 – 845 Abgas/Leistung/Verbrauch
Cetan-Zahl – min. 51,0 Start- und Verbrennungsverhalten,
Cetan-Index – min. 46,0 Abgas- und Geräuschemission
Destillation Abgasemission/Ablagerungen
bis 250 °C [% (V/V)]* <65
bis 350 °C [% (V/V)] min. 85
95 % Punkt [°C] maximal 360
Viskosität bei 40 °C [mm2/s] 2,00 – 4,50 Verdampfbarkeit/Zerstäubung/
Schmierung
Flammpunkt [°C] über 55 Sicherheit
Filtrierbarkeit (CFPP) Kälteverhalten
15. 04. bis 30. 09. [°C] maximal 0
01. 10. bis 15. 11 und
01. 03. bis 14. 04. maximal –10
16. 11. bis 28.(29.) 02. maximal –20
Schwefelgehalt [mg/kg] maximal 10** Korrosion/Partikel/Katalysator
Polycyclische aromatische [% (m/m)] maximal 11 Abgasemissionen, Ablagerungen
Kohlenwasserstoffe
Fettsäure-Methylestergehalt [% (V/V)] maximal 7 Schmierfähigkeit
(FAME)
Koksrückstand [% (m/m)] maximal 0,30 Brennraumrückstände
Aschegehalt [% (m/m)] maximal 0,01 Brennraumrückstände
3
Oxidationsbeständigkeit [g/m ] maximal 25 Korrosion/Lagerbeständigkeit
[h] minimal 20 Verschleimung von Bauteilen
Wassergehalt [mg/kg] maximal 200 Korrosion
Lubricity (WSD 1,4) [µm] maximal 460 Verschleiß
bei 60 °C
* % (V/V) entspricht Volumen-%
** Schwefelgehalt in Deutschland seit Anfang 2003 maximal 10 mg/kg (Steuerpräferenzierung); ab 2009 verbindlich in der gesamten EU

..Abb. 22.6  DK-Mindestanforderungen nach DIN EN 590 und deren Bedeutung (Auszug) [1]


1016 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Kennwert Einheit DIN EN 590 Euro 3 Euro 4


1 (1993 – 1 9 99) (ab 2000) (ab 2005)
Schwefel (maximal) [mg/kg] 500 350 50
22 Cetan-Zahl (minimal) – 49 51 51
Dichte (maximal) [kg/m3] 860 845 845
23 T95 (maximal) [°C] 370 360 360
Polyaromaten (maximal) [% (m/m)] – 11 11
4
..Abb. 22.7  Ergebnis EU-Auto-/Öl-Programm für DK [1]

5 Dichte eingespritzten Kraftstoffs ist bekanntlich ein gewis-


Die Dichte ist eine wesentliche Kenngröße, da mit ser Zeitbedarf erforderlich – der Zündverzug. Diese
6 zunehmender Dichte der Energiegehalt je Volumen- Größe hängt neben der Motorkonstruktion und den
einheit steigt. So steigt der Heizwert im normseitig Betriebsbedingungen ganz wesentlich von der Zünd-
7 zulässigen Dichtebereich von 34,8 bis 36,5 MJ/l (Mega
Joule/Liter). Bei gleicher Einspritzmenge steigt also
willigkeit des verwendeten DK ab. Die hierfür maß-
gebende Cetan-Zahl ist der volumetrische Anteil von
mit zunehmender Dichte die dem Motor zugeführte Cetan C16H34 (n-Hexadecan), dem paraffinischen
8 Energie, wodurch der Motor mehr Leistung abgibt. Bezugskraftstoff mit der CZ = 100, in einer Mischung
Allerdings werden dann bei Volllast durch das fettere mit α-Methyl-Naphtalin C11H10, einer aromatischen
Gemisch die Abgasemissionen, besonders die Partikel, Doppelringbindung und dem Bezugskraftstoff mit
9 erhöht. Andererseits steigt mit abnehmender Dichte der CZ = 0. Die CZ hat wesentlichen Einfluss auf den
der volumetrische Kraftstoffverbrauch. Die Motoren- Verbrennungsablauf und damit auf die Abgas- und Ge-
10 hersteller wünschen sich daher eine weitere Einengung
des Dichtebereiches in der Norm. Dies würde aber den
räuschemission. In . Abb. 22.8 ist die Verbesserung
des Verbrennungsverhaltens durch Erhöhung der
Einsatz der prinzipiell schwereren Crackkomponen- Zündwilligkeit dargestellt.
11 ten begrenzen, womit die Verfügbarkeit bei ständig Eine hohe CZ wirkt sich auch positiv auf das Start-
steigendem Bedarf deutlich eingeschränkt und die verhalten und die Emission unverbrannter Kohlenwas-
Herstellungskosten erhöht würden. Als hilfreicher serstoffe (HC) aus. Da die natürlich gegebene CZ oft
12 Ausweg aus diesem Zielkonflikt käme die Einfüh- nicht ausreicht, muss sie durch Zugabe von organi-
rung eines Dichtesensors im Tank in Betracht, der die schen Nitraten, zum Beispiel Amylnitrat oder Ethyl-
13 Kraftstoffzumessung entsprechend der dort gemesse- Hexyl-Nitrat (EHN) erhöht werden. Die hierfür er-
nen Dichte dosiert. Grundsätzlich liegt die Dichte bei forderliche Dosierung bleibt meist unter 0,1 % (V/V),
Winter-DK niedriger als bei Sommer-DK, und zwar wobei je nach Grundkraftstoff bis zu fünf Einheiten
14 zwischen fünf und zehn Einheiten. Der Grund hierfür Verbesserung erreicht werden können. In . Abb. 22.9
wird beim „Kälteverhalten“ behandelt. Im modernen ist die Wirkung von EHN in unterschiedlichen DK-
15 Motormanagement ist eine Dichtekorrektur, zumin-
dest temperaturabhängig, vorgesehen.
Mustern dargestellt, wobei das unterschiedliche An-
sprechen sichtbar wird. Der neben der Cetan-Zahl in
der Norm angegebene Cetan-Index CI wird ersatzweise
16 Zündwilligkeit aus Dichte und Siedeverhalten errechnet. Er korreliert
Sie wird durch die Cetan-Zahl (CZ) gekennzeichnet. nur bedingt mit der im Prüfmotor ermittelten CZ, weil
Derzeit ist sie in der europäischen Norm auf min- er die heute durchweg verwendeten Zündbeschleuni-
17 destens 51,0 festgelegt. Die Motorenhersteller for- ger nicht darstellen kann. Die CZ-Bestimmung erfolgt
dern deren Erhöhung auf min. 55. Im Markt liegt sie im CFR- oder BASF-Prüfmotor durch Verändern des
18 heute bereits zwischen 51 und 56, vereinzelt sogar bis Verdichtungsverhältnisses ε, beziehungsweise durch
über 60 (seit 2004), mit der Tendenz zu höheren Wer- variable Drosselung der Ansaugluft. Eine hohe CZ er-
ten im Sommerkraftstoff. Beim Winterkraftstoff muss fordert eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses
19 teilweise auf die höhersiedenden Komponenten ver- beziehungsweise eine Verminderung der Luftmenge.
zichtet werden, um ausreichende Kälteeigenschaften Für den Normwert ist die Prüfung im CFR-Motor vor-
20 zu sichern. Grundsätzlich gilt, dass die CZ der einzel-
nen Fraktionen mit der Siedetemperatur ansteigt. Für
geschrieben. Der BASF-Motor bewertet in der Regel
um 1,5 Einheiten höher als der C/FR-Motor, die Mess-
die Einleitung der Verbrennung des in die heiße Luft werte müssen daher entsprechend korrigiert werden.
22.1 • Kraftstoffe
1017 22
Verbesserte Diesel-Verbrennung durchverbesserte Zündwilligkeit

Zündwilligkeit = wesentliche DK-Eigenschaft

niedrig • Maß ist Zeit zwischen Einspritzbeginn und Selbstzündung


Cetanzahl

• Ausgedrückt als Cetanzahl, gemessen als relativer Vergleich


in genormtem Prüfmotor
hoch
• Gute Zündwilligkeit (geringer Zündverzug) = hohe Cetanzahl
Zylinderdruck

• Bessere
• Mindestanforderung DIN EN 590 CZ 49, ab 2000 min. 51
Energieumsetzung
• Besserer Kaltstart
Zündverzug • Saubereres Abgas • CZ (Zündverzug) kann u.a. durch Additivierung mit
• Leisere Verbrennung Zündbeschleuniger verbessert werden

Einspritz- Selbst-
beginn zündung

Zeitablauf [°KW]

..Abb. 22.8  Verbrennungsverhalten als Funktion der Zündwilligkeit

DK- CZ CZ Gewinn erhöhter Rußneigung führt. Andererseits ist eine ge-


Muster ohne EHN mit EHN wisse Leichtflüchtigkeit für das Kaltstartverhalten vor-
1 48,5 51,0 2,5 teilhaft, während ein zu hoher Anteil an Leichtsiedern
eine Verdampfung unmittelbar an der Einspritzdüse
2 49,0 53,5 4,0
zur Folge hat, was die gezielte Verteilung des Kraftstoffs
3 50,0 53,3 3,3 im Brennraum stören würde. Eine von der Fahrzeugin-
4 51,3 53,0 1,7 dustrie angestrebte Einengung des Siedeverlaufs – wie
5 52,5 56,6 4,1 zum Beispiel in Schweden bei „Class 1“ (200 bis 290 °C)
– würde die Verfügbarkeit von DK erheblich einschrän-
6 55,4 58,0 2,6 ken, in Deutschland um circa 40 % (V/V). Hieran ist
insbesondere die gewünschte Absenkung des Siedeen-
..Abb. 22.9  CZ-Erhöhung durch EHN [4]
des schuld, die verständlicherweise einige Probleme der
Motorenhersteller erleichtern würde.
Siedeverlauf (Destillation)
Da Kraftstoffe ein Gemisch aus vielen Kohlenwasser- Viskosität
stoffen sind, haben sie keinen eigentlichen Siedepunkt Die Zähigkeit oder innere Reibung des DK nimmt
wie reine Kohlenwasserstoffe, sondern einen Siedebe- allgemein mit steigender Dichte zu. Sie darf den
reich. Dieselkraftstoff beginnt bei etwa 180 °C zu ver- vorgegebenen Mindestwert nicht unterschreiten, da-
dampfen und endet bei etwa 380 °C. Dieses Verhalten mit eine ausreichende Schmierung der gleitenden
ist im Vergleich zum Ottokraftstoff nicht so sehr von Teile des Einspritzsystems gewährleistet ist. Ist sie zu
Bedeutung, weil im Dieselmotor die Gemischaufberei- hoch, so würde bei dem vorgesehenen Einspritzdruck
tung unmittelbar im Brennraum erfolgt. die Tröpfchengröße ansteigen. Die Folge wäre eine
Die nach DIN  EN  590 festgelegten drei Punkte, schlechtere Gemischbildung und damit schlechtere
nämlich bei 250 °C, 350 °C sowie der 95 % (V/V) Punkt Energieausnutzung, niedrigere Leistung und höhere
charakterisieren lediglich den oberen Siedebereich. Ein Rußemission. Die Viskosität nimmt mit ansteigender
zu großer Anteil an Hochsiedern, insbesondere an Aro- Temperatur zunächst rasch und dann langsamer stetig
maten – also ein zu hohes Siedeende – würde die Tröpf- ab. Daraus folgt, dass eine erhebliche Aufheizung des
chen im Einspritzstrahl vergrößern. Der dadurch aus- Dieselkraftstoffs im Tank, in den Kraftstoffleitungen
gelöste erhöhte Zündverzug beeinflusst den Ablauf der und im Kraftstofffilter, wenn möglich durch konstruk-
Verbrennung negativ, was zu höherem Geräusch und tive Maßnahmen, vermieden werden sollte.
1018 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Vermischung mit Ottokraftstoff führt zu


Geografische Provenienz Schwefelgehalt
1 Flammpunktunterschreitung
Lage [% (m/m)]
0
Nordsee Allgemein 0,6 – 2,2
22
Flammpunktabsenkung °C

Brent 0,4
10
Mittlerer Iran schwer 1,7
23 Osten Arabien leicht 1,9
20 Arabien schwer 2,9

4 Afrika Libyen leicht


Nigeria
0,4
0,1 – 0,3
30

5 Südamerika Venezuela 2,9


40 Russland Sibirien 1,5
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8
6 % Ottokraftstoff im Dieselkraftstoff ..Abb. 22.11  Typische Schwefelgehalte einiger
Rohöle [4]
..Abb. 22.10  Auswirkung von OK in DK auf den
7 Flammpunkt Neben dem CFPP (Cold Filter Plugging Point) setzen
die Markenanbieter unter anderen auch das Kriterium
8 Flammpunkt der „beginnenden Paraffinausscheidung“ zur Bestim-
Der Flammpunkt ist diejenige Temperatur, bei der mung des CP (Cloud Point), früher auch BPA (Beginn
sich Kraftstoffdämpfe durch Fremdzündung erstmals der Paraffin-Ausscheidung) genannt, ein. Man hat so
9 entflammen lassen. Er ist für die Beurteilung der Feu- zwischen Sommer-DK und Winter-DK zu unterschei-
ergefährlichkeit und der daraus abzuleitenden Sicher- den. Zur Bereitstellung einer geeigneten Winterqua-
10 heitsmaßnahmen im Lager- und Verteilungssystem
wichtig. In der dafür definierten Gefahrklasse ist DK
lität werden „maßgeschneiderte“ Additive eingesetzt.
Als besonders effektiv hat sich eine Kombination aus
als A III – also wenig gefährlich (OK ist A I) – ein- Fließverbesserern und „Wax Anti Settling Additiven“
11 gestuft und muss deshalb im Flammpunkt über 55 °C (WASA) erwiesen, wobei sich WASA bereits im La-
liegen. Schon geringe Vermischungen mit Ottokraft- ger- und Verteilungssystem vorteilhaft auswirkt. Das
stoff führen zu unzulässigen Unterschreitungen dieses Zusammenballen der Wachskristalle kann verhindert
12 Grenzwertes. Für Markenkraftstoffe ist sichergestellt, werden. In der Praxis erreichen einzelne Dieselsorten
dass bei Lagerung und Transport selbst geringe Vermi- im Winter infolge optimaler Kombination von Siede-
13 schungen mit OK ausgeschlossen werden können. Wie lage und Additivierung CFPP Werte von bis zu −33 °C
gravierend sich eine Vermischung mit OK auswirkt, und unterschreiten damit die in der Norm geforderte
zeigt . Abb. 22.10. Bei der DK-Herstellung begrenzt Grenze von −20 °C deutlich. Die Kältebeständigkeit
14 der Flammpunkt übrigens die Verwendung von leicht- von Kraftstoffen wird europaweit entsprechend der
flüchtigen Komponenten. jahreszeitlichen Anforderungen angepasst (siehe
15 Kälteverhalten
. Abb. 22.6). Ein ganzjährig besonders kältebeständi-
ger Premiumkraftstoff wird im deutschen Markt seit
Es beschreibt die Fließfähigkeit und Filtergängigkeit 2007 angeboten. Sofern die Fahrzeuge mit einer ein-
16 von DK. Die für DK wegen ihres guten Selbstzündver- gebauten Kraftstoff-Filterbeheizung ausgerüstet sind,
haltens besonders geeigneten paraffinischen Kohlen- lassen sich weitere deutliche Verbesserungen erreichen.
wasserstoffe haben bei abnehmender Temperatur lei-
17 der die unerwünschte Eigenschaft, Kristalle zu bilden. Schwefelgehalt
Diese fallen aus und ballen sich zu einem wachsartigen Erdöl enthält naturgemäß je nach Provenienz mehr
18 „Gatsch“ zusammen. So beeinträchtigen sie die Pump- oder weniger Schwefel, wie aus . Abb. 22.11 hervor-
fähigkeit des Kraftstoffes und können das Kraftstofffil- geht.
ter verstopfen. Wenn es einmal soweit gekommen ist, Er liegt in chemisch gebundener Form vor und
19 ist die Fahrbarkeitsgrenze erreicht. Sie wird neben den wird bei der Verbrennung zu > 95 % zu gasförmigem
fahrzeugtechnischen Merkmalen und den Fahrbedin- Schwefeldioxid SO2 umgewandelt. Der verbleibende
20 gungen wesentlich von den Kraftstoffeigenschaften be-
einflusst. In der DIN EN 590 dient die Filtrierbarkeit im
Rest geht größtenteils in die Partikelmasse der Abgase
ein. Er enthält schwefelige Säure und Sulfate. Als Folge
CFPP-Test als Kriterium für die Kältefestigkeit des DK. treten Korrosion und Abgasbelastung auf.
22.1 • Kraftstoffe
1019 22

Neben dem im Dieselabgas vorhandenen Ruß, der


im Verdacht steht, krebserregend zu sein, sind auch
Sulfat ca. 5 %
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH)
vorhanden. Entsprechend der Analysenvorschrift Wasser
werden aber nicht nur diese kritischen Substanzen als
„Partikel“ erfasst, sondern auch die aus dem Schwefel
gebildeten Sulfate und das daran angelagerte Wasser.

Par tikelemissionen
Dieser Anteil der Partikelmasse kann durch weitere Sonstige
Absenkung des Schwefelgehalts reduziert werden. Die
Euronorm, EN 590, wurde daher in den letzten bei- PAH
den Jahrzehnten immer weiter verschärft. Gegenüber
dem seit 1996 gültigen Euro-2-Grenzwert von ma-
ximal 0,05 % (m/m) erfolgte ab 2000 als Euro 3 eine
Absenkung auf 350 mg/kg (350 ppm), dann ab 2005 Gelten
als Euro 4 auf 50 mg/kg (50 ppm). Ruß als Krebs-
Durch die immer weitere Verbreitung von Oxida- erreger
tionskatalysatoren im Abgassystem von Dieselmotoren
stieg der Anteil des zu SO3 (Sulfat) umgesetzten Schwe-
fels deutlich an, so dass die Partikelemissionen zunah- max. 0,20 max. 0,05
men. Auch aus diesem Grund forderte die europäische Schwefel im Dieselkraftstoff (Gew.-%)
Fahrzeugindustrie (ACEA) eine noch weitergehende
Schwefelabsenkung. Die heutige Kraftstoffproduktion ..Abb. 22.12  Kritische Partikelanteile werden durch
wurde für diese verschärften Anforderungen immer weitere Entschwefelung nicht reduziert [4]
weiter angepasst, was in den Raffinerien zusätzliche
kostenträchtige Anlagen und Arbeitsschritte erfor- Partikelemissionen, die man damals noch nicht mess-
derlich machte. Die von Dieselkraftstoff verursach- technisch erfassen konnte, nicht reduzieren, sondern le-
ten SO2-Emissionen stellen durch die in den letzten diglich den optischen Eindruck einer Rauchminderung
30 Jahren in den Raffinerien durchgeführten drasti- durch Aufhellung der Partikel (Maskierung) bewerkstel-
schen Entschwefelungsmaßnahmen kein Umweltpro- ligen. In Ergänzung zu der Erläuterung der Bedeutung
blem mehr dar. Eine deutliche Partikelreduzierung ist der Kennwerte der DIN EN 590 sei noch kurz auf einige
nur in Verbindung mit entsprechenden Abgasnachbe- weitere interessante Kennwerte eingegangen.
handlungssystemen wie Partikelfilter realisierbar, da
die kritischen Partikelanteile durch die alleinige Ab- Heizwert
senkung des Schwefelgehaltes nicht wirksam reduziert Man unterscheidet zwischen dem oberen Heizwert Ho,
werden, wie man aus . Abb. 22.12 entnehmen kann. der die Verbrennungswärme des Kraftstoffs einschließ-
Eine weitere Wechselwirkung besteht darin, dass lich der Kondensationswärme des Wassers angibt und
durch die für die Entschwefelung erforderliche Was- dem unteren Heizwert Hu, der tatsächlich nutzbaren
serstoffbehandlung in der Raffinerie zwar die CZ wün- Wärmemenge. Für die Praxis ist nur Hu (nur noch
schenswert erhöht wird, jedoch auf Kosten einer abge- Heizwert genannt) von Bedeutung. Er gibt Aufschluss
senkten Dichte mit ihren zuvor beschriebenen Folgen. über die Energiedichte. Während für wissenschaftliche
Die in modernen Konzepten zur Abgasnachbe- Zwecke generell Hu in MJ auf die Masseeinheit kg bezo-
handlung vorgesehenen SCR-Katalysatoren (mit Harn- gen wird, ist für die praktische Anwendung der auf die
stoff = AdBlue als Reduktionsmittel) sind sehr empfind- Volumeneinheit bezogene Heizwert in MJ/l maßgebend.
lich gegenüber Schwefel. Die Motorhersteller fordern Daneben ist auch noch der Gemischheizwert für das
daher weltweit praktisch schwefelfreie Kraftstoffquali- Gemisch aus Luft und Kraftstoff interessant. Er hängt
täten mit einem S-Gehalt von weniger als 10 mg/kg, die vom Heizwert des Kraftstoffs und dem Luft-Kraftstoff-
schon seit Anfang 2003 im deutschen Markt flächen- Verhältnis ab. Für die Leistungsabgabe des Motors ist
deckend auf freiwilliger Basis angeboten werden. Die nicht der Hu maßgebend, sondern der Gemischheiz-
EU-Regelung fordert dies erst mit dem 1. Januar 2009. wert des zündfähigen Luft-Kraftstoff-Gemisches. In
In diesem Zusammenhang sei noch an die bereits vor . Abb. 22.13 wird Hu von DK mit Superbenzin, Me-
Jahrzehnten versuchsweise eingesetzten „Rauchunter- thanol und RME (Rapsölmethylester) verglichen.
drücker“ erinnert. Diese Additive, vornehmlich Barium- Es zeigt sich, dass DK einen um circa 15 % höhe-
verbindungen (auch Mangan und Calcium), konnten die ren Energieinhalt als Super OK hat, während RME
1020 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Kraftstoff Heizwert Hu siven Entwicklung geht es vor allem darum, bei mög-
1 lichst geringer Dosierung deutliche Wirkung in der
[MJ/l] [MJ/kg] gewünschten Richtung zu erzielen, ohne unerwünschte
22 Dieselkraftstoff 35,7* 43,0* Nebenwirkungen in Kauf nehmen zu müssen. Die für
DK in Betracht kommenden Additive wurden bereits
Rapsölmethylester 32,7* 37,2* bei der Beschreibung der einzelnen Kennwerte und
23 Ottokraftstoff (Super) 30,8* 41,0* deren praktischer Bedeutung erwähnt, zum Teil auch
eingehender behandelt. Hier noch einige Ergänzungen.
. Abb. 22.15 gibt die verschiedenen Probleme bei Die-
4
Ethanol 21,17 26,80
* Mittelwert selfahrzeugen wieder, die durch Additive gelöst werden
können.
5 ..Abb. 22.13  Vergleich der Heizwerte von DK mit
SOK, Ethanol und RME [4] Detergent-/Dispersant-Additive
Detergents (Detergentien) sind seifenfreie, oberflächen-
6 circa 9 % weniger als DK bietet. Bei Methanol muss aktive Netz- beziehungsweise Reinigungsmittel, die die
bekanntlich mit dem fast doppelten volumetrischen Oberflächen- beziehungsweise Grenzflächenspannung
7 Verbrauch gerechnet werden. Interessant ist auch
ein Vergleich der Heizwerte und Elementaranalysen
verringern sollen. Meistens ist ihre Wirkung mit einem
Dispersanteffekt gekoppelt. Sie haben die Fähigkeit,
von drei verschiedenen Dieselkraftstoffen, wie er in Fremdstoffe in einer Flüssigkeit am Zusammenballen
8 . Abb. 22.14 wiedergegeben ist. Daraus geht hervor, zu hindern. Als DK-Detergents/Dispersants ist eine
dass sich auch bei etwas größeren Unterschieden in der Reihe von organischen Substanzen geeignet und be-
Dichte, wie zwischen Kraftstoff B und C der Fall, keine währt. Es sind dies Amine, Imidazoline, Amide, Succi-
9 nennenswerten Unterschiede im Heizwert ergeben. nimide, Polyalkyl-Succinimide, Polyalkyl-Amine sowie
Polyetheramine. Ihre Aufgabe ist es, Ablagerungen an
10 Koksrückstand
Er wird von den letzten 10 % der Destillationsmenge
den Einspritzdüsen und im Brennraum zu vermindern
beziehungsweise ganz zu verhindern. Ihr Einsatz ist für
von DK durch Verschwelen ermittelt. Er enthält im die Aufrechterhaltung der Funktion der besonders fein
11 Wesentlichen organische und auch wenige anorgani- einspritzenden Düsen bei Direkteinspritzern und für
sche Bestandteile. Es ergeben sich Hinweise auf die die genaue Einhaltung der Pilot-Einspritzphase über
Verkokungsneigung von DK an den Einspritzdüsen. längere Laufzeit unerlässlich. Ihre Wirksamkeit mit
12 Da Zündbeschleuniger den Koksrückstand leicht er- Bezug auf den Nadelhub ist besonders wichtig. Ebenso
höhen können, ist seine Bestimmung nur bei unaddi- interessant ist die positive Wirkung dieser Additive auf
13 tiviertem DK sinnvoll. Während die DIN EN 590 maxi- die Partikelemission über der Laufzeit.
mal 0,3 % (m/m) zulässt, sind in den handelsüblichen
DK deutlich niedrigere Werte festzustellen. Sie liegen Korrosionsinhibitoren
14 durchschnittlich bei 0,03 % (m/m). Sie sichern durch Oxidationsinhibitoren und Metallde-
aktivatoren die Alterungsstabilität des DK, die je nach
22.1.1.3 Additive für DK
15 Additive sind Zusätze, die als Wirkstoffe die Eigen-
Rohöl und Herstellungsverfahren recht unterschied-
lich ausfällt. Oxidationsinhibitoren (Antioxidants)
schaften von Kraft- und Schmierstoffen verbessern und verhindern den korrosiven Angriff des Luftsauerstoffs.
16 üblicherweise in Konzentrationen im ppm-Bereich zu- Zusammen mit den Metalldeaktivatoren bilden sie mit
gegeben werden. Bei ihrer meistens sehr kosteninten- Hilfe organischer Verbindungen einen auf der Metall­

17 DK-Probe Dichte/15 °C Elementaranalyse Heizwert


[kg/m3] [% (m/m)]
Ho Hu Hu
18
C H O [MJ/kg] [MJ/kg] [MJ/l]

19 A (kein FAME) 829,8 86,32 13,18 – 45,74 42,87 35,57


B (5% FAME) 832,31 85,86 13,12 – 45,55 42,70 35,43

20 C (7% FAME) 833,31 85,68 13,10 – 45,51 42,65 35,38

..Abb. 22.14  Heizwerte und Elementaranalyse handelsüblicher DK [4]


22.1 • Kraftstoffe
1021 22
Probleme bei Dieselfahrzeugen, die durch Additive gelöst werden können

DIESEL

Niedrige CZ des DK Korrosion im Kraftstoffsystem Schaumbildung


stört Verbrennungsablauf stört Betriebsverhalten stört Tankvorgang

Zündbeschleuniger für hohen Korrosionsinhibitoren Schaumverhinderer (anti foam)


Cetanzahlbedarf des Motors verhindern Korrosion verhindert Schaumbildung

Düsenverkokung Schwefelarmer Diesel kann


stört Gemischbildung Pumpenverschleiß erhöhen

Detergents reduzieren Verschleißschutz schmiert


Düsenverkokung Kraftstoffpumpen

..Abb. 22.15  Additive lösen Probleme bei Dieselfahrzeugen [5]

oberfläche physikalisch oder chemisch haftenden, ka- weitgehend unterdrückt werden. Sie verändern unter
talytisch inaktiven Schutzfilm. anderen die Oberflächenspannung der Schaumbläs-
chen, das heißt, sie lockern oder zerstören die zwischen
Lubricity-Additive ihnen liegenden Grenzschichten. Es handelt sich meis-
Dies sind Schmierfähigkeitsverbesserer, die dem DK tens um flüssige Silicone, die in sehr geringer Menge
zugegeben werden, wenn infolge der starken Absen- (~ 0,001 %) dem DK zugegeben werden.
kung des Schwefelgehalts die Schmierung der mecha-
nisch hochbelasteten Teile der Einspritzpumpe durch Geruchsverbesserer
den Kraftstoff selbst nicht mehr gewährleistet ist. Ohne Um den eher penetranten Geruch von DK zu mindern,
Additiv tritt schon nach kurzer Laufzeit ein hoher Pum- insbesondere wegen der Geruchsbelästigung der Pkw-
penverschleiß ein. Hiervon sind insbesondere die kraft- Dieselfahrer beim Tanken, können Aromastoffe einge-
stoffgeschmierten Verteilereinspritzpumpen, Pumpe- setzt werden. Allerdings wird die Effektivität solcher
Düse- und Common-Rail-Systeme betroffen. Bereits Maßnahmen gegensätzlich eingeschätzt. Die zuneh-
beim bis 1999 gültigen Grenzwert von 0,05 % (m/m) mende Entschwefelung von Dieselkraftstoff hat inzwi-
Schwefel trat Langzeitverschleiß auf. Zur Messung des schen dazu geführt, dass zum Teil sehr milde riechende
Verschleißschutzes benutzt man den HFRR-Test (High Kraftstoffe im Markt anzutreffen sind.
Frequency Reciprocating Wear Rig). Er simuliert den
Gleitverschleiß in der Einspritzpumpe, wobei eine Kugel Abbrennhilfen für Partikelfilter
mit 6 mm Durchmesser unter konstanter Anpresskraft Für die Regenerierung neuerdings eingesetzter Parti-
auf einer polierten Stahlplatte unter Flüssigkeit gerie- kelfilter wird in manchen Systemen zur Erleichterung
ben wird. In der DIN EN 590 ist ein Grenzwert (WSD) des Abbrennens der im Filter gesammelten Partikel ein
von 460 µm Verschleiß am Kugeldurchmesser bei 60 °C metallhaltiges Additiv verwendet. Bei Versuchen hat
Prüftemperatur festgelegt. Als Additive kommen Hoch- sich unter anderen die Eisenverbindung Ferrocen als
druckadditive als polare Verbindungen zur Anwendung. besonders wirksam erwiesen. Eine Zusammenfassung
Enthält ein Dieselkraftstoff FAME, so kann auf die Zu- der wichtigsten Additive für DK und ihrer Zweckbe-
gabe eines Lubricity-Additivs verzichtet werden. Der stimmung ist in . Abb. 22.16 zu finden.
HFRR wird bereits durch Zugabe von geringen Mengen
an FAME (unter 1 %) deutlich verbessert. Marken Diesel Additivpaket
Führende Markenanbieter setzen seit 1987 Additiv-
Schaumverhinderer pakete zur Qualitätsverbesserung ein, die ständig auf
Das lästige Schäumen des DK beim Betanken kann neue Erfordernisse angepasst werden. Wesentlich ist
durch Schaumverhinderer (Anti-foam-Additive) hier neben sogenannten Detergentadditiven, die die
1022 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

DK-Additiv Wirkstoff Verbessert Kennwert Vorteil bei Anwendung


1
Zündbeschleuniger, organische Nitrate Cetan-Zahl Kaltstart, Weißrauch,

22 Verbrennungsver-
besserer
zum Beispiel Ethyl-Hexyl-
Nitrat
Verbrennungsgeräusch,
Abgasemission, Verbrauch
Detergents Amine, Amide, Succi- Düsensauberkeit, Verbrauch
23 nimide, Polyetheramine
Fließverbesserer Ethyl-Vinyl-Acetate Kälteverhalten Betriebssicherheit bei niedrigen
4 Temperaturen, dadurch Einsatz
von paraffinischen Komponenten
mit hoher CZ möglich
5
Wax-Antisettling Alkyl-Aryl-Amide Kälteverhalten Start, Kaltlauf, Lagerung

6 Lubricity Fettsäurederivate Pumpenverschleiß


Antischaum Siliconöle Tanken
7 Korrosionsschutz Ölsäure-Amide, Petrole- Schutz des Kraftstoffsystems, bei
umsulfonate, Aminover- der Lagerung und im Fahrzeug
8 bindungen

..Abb. 22.16  Zusammenfassung der wichtigsten DK-Additive und ihrer Zweckbestimmung [5]


9
Einspritzdüsen sauber halten, der Einsatz von soge- eine alternative Nutzungsmöglichkeit für die in der
10 nannten Zündbeschleunigern, die die Cetan-Zahl zum
Teil deutlich über die Mindestgrenze von 51,0 hinaus
europäischen Landwirtschaft aufgrund der Überpro-
duktion stillgelegten Anbauflächen. Zur Erleichterung
anheben. Hierdurch wird neben der Verringerung der dieses Weges sieht die EU entsprechende Steuerbe-
11 Geräuschemissionen auch das Betriebsverhalten bei günstigungen für Bio-Kraftstoffe vor.
Kaltstart, während des Warmlaufs und während des Die gezielte Minderung der Treibhausgasemissi-
typischen täglichen Fahrverlaufs weiter verbessert. onen ist derzeit vorrangig zu sehen. Diese Gase, hier
12 Ferner wurde der Schutz gegen den Verschleiß der hauptsächlich Kohlendioxid (CO2), werden als Ursa-
Einspritzsysteme weiter erhöht. Dieselkraftstoffe ver- che für Klimaveränderungen angesehen. Neben den
13 schiedener Hersteller sind grundsätzlich mischbar, al- seit jeher vorhandenen natürlichen Emissionsquellen
lerdings kann dabei die jeweils ausgewogene Wirkung für CO2 stehen die aus jeglicher Verbrennung fossi-
der Additive unter Umständen verloren gehen. ler Energieträger herrührenden CO2-Emissionen im
14 Blickpunkt. Als derzeit für den Dieselbetrieb grund-
22.1.1.4 Alternative Dieselkraftstoffe sätzlich geeigneter Bio-Kraftstoff stehen Ölsaaten wie
15 Jede Pflanze ist nachwachsender Rohstoff, Biomasse
genannt. Einige davon enthalten besonders viel ver-
Rapsöl als Ausgangsprodukt für Bio-Diesel im Vorder-
grund.
wertbare Energie, wie zum Beispiel Zuckerrüben,
16 Zuckerrohr, Weizen und Raps. Durch geeignete Um- Bio-Diesel
wandlungsverfahren kann aus diesen sonnengespeis- Seiner Anwendung liegt der Gedanke zu Grunde, dass
ten Primärenergiequellen flüssige Sekundärenergie bei dessen Verbrennung jeweils nur so viel CO2 ent-
17 wie zum Beispiel Ethylalkohol (Ethanol) und Rapsöl steht, wie beim Wachstum der Pflanze aus der Luft
gewonnen werden. Außerdem kann man Biogas er- entnommen wird. Man spricht hier idealisiert von
18 zeugen. Das aktuelle Interesse an solchen in Motoren einem geschlossenen CO2-Kreislauf, ohne Anhebung
verwendbaren „Bio-Kraftstoffen“ hat mehrere Gründe. der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Dabei
Primär besteht die Forderung, die Abhängigkeit von darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden,
19 fossilen Energiequellen wie Rohöl zu verringern. dass landwirtschaftlicher Anbau und Umwandlung
Durch den Einsatz von Biokraftstoffen kann auch der der Biomasse Energie erfordern. Hinzu kommt, dass
20 CO2-Eintrag in die Atmosphäre über den geschlosse-
nen Kohlendioxidkreislauf verringert werden. Zusätz-
Bio-Kraftstoffe sehr kostenintensiv sind. Bei der Be-
trachtung der Kosten je Tonne CO2-Absenkung für
lich ergibt sich durch den Anbau von Energiepflanzen verschiedene Kraftstoffe aus Biomasse beziehungs-
22.1 • Kraftstoffe
1023 22

Eigenschaften Einheit Grenzwert Prüfverfahren


minimal maximal
Dichte bei 15 °C [kg/m3] 860 900 EN ISO 3675
2
Kinematische Viskosität bei 40 °C [mm /s] 3,50 5,00 EN ISO 3104
Flammpunkt [°C] 120 prEN ISO 3679
CFPP-Filtrierbarkeit [°C] DIN EN 116
15. 04. bis 30. 09. 0
01. 10. bis 15. 11 und –10
01. 03. bis 14. 04. –20
16. 11. bis 29. 02. –10
Schwefelgehalt [mg/kg] 10,0 prEN ISO 20846
Cetan-Zahl – 51,0 EN ISO 5165
Aschegehalt (Sulfatasche) [% (m/m)] 0,02 ISO 3987
Wassergehalt [mg/kg] 500 EN ISO 12937
Säurezahl [mg KOH/g] 0,50 EN 14110
Methanolgehalt [% (m/m)] 0,20 EN 14110
Phosphorgehalt [mg/kg] 10,0 EN 14107

..Abb. 22.17  Mindestanforderungen an Fettsäure-Methylester (FAME) für Dieselmotoren. Auszug aus


DIN EN 14214 [4]

weise Präventivmaßnahmen zeigt sich, dass andere und schlechte Elastomerverträglichkeit. Darüber hin-
Maßnahmen, wie zum Beispiel Wärmedämmung aus können die enthaltenen Glyceride/Glycerine zu er-
und Windkraft, wesentlich kostengünstiger sind. Die heblichen Ablagerungen im Bereich der Einspritzdüsen
Eignung von Rapsöl als Ausgangsstoff für die moto- und der Brennräume beitragen. Für eine allgemeine
rische Verwendung ist in ausgedehnten Versuchen Anwendbarkeit von Rapsöl in modernen Motoren ist
nachgewiesen worden. Es stellte sich schnell heraus, seine generelle Umwandlung erforderlich. Dies kann
dass reines Rapsöl nicht ohne Weiteres angewendet entweder durch Veresterung zu RME (Rapsöl-Methyl-
werden kann. Eine mehr oder weniger umfangreiche ester) erfolgen, durch Hydrocracken in der Raffinerie
Anpassung der Kraftstoffsysteme, der Motoren und der in Mischung mit Kohlenwasserstoff-Raffinerieproduk-
Motoröle erwies sich als erforderlich. Untersuchungen ten oder aber durch Hydrieren der Pflanzenöle selbst
im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung (HVO). Für DK aus PME (Pflanzenöl-Methylestern)
und Technologie haben ergeben, dass die Masse der allgemein sind die in . Abb. 22.17 zusammengestellten
in Deutschland vorhandenen Dieselmotoren nicht wichtigsten Mindestanforderungen zu beachten.
unmittelbar für den Betrieb mit Rapsöl geeignet ist. Die Umesterung von Rapsöl erfolgt über Metha-
Die anwendungstechnischen Probleme sind vor allem nol. Durch die Umwandlung werden im Wesentlichen
durch die hohe Viskosität bestimmt, die zur Verkokung die Kälteeigenschaften, die Viskosität und die ther-
von Einspritzdüsen und Kolbenringnuten führt, den mische Stabilität verbessert. Außerdem werden un-
Betrieb bei niedrigen Temperaturen erschwert und die erwünschte Nebenbestandteile entfernt. Damit eignet
Zerstäubung des eingespritzten Kraftstoffs verschlech- sich RME deutlich besser als alternativer Kraftstoff für
tert. Die dadurch bedingte schlechtere Verbrennung Dieselmotoren als reines Rapsöl. Für die Umwand-
führt – außer geringfügig beim NOx – zu deutlich er- lung muss allerdings zusätzliche Energie aufgewendet
höhten Schadstoffemissionen im Abgas. Hinzu kommt werden, was die energetische Bilanz von RME gegen-
die bekannte „Fritten“-Geruchsbelästigung durch die über dem reinen Rapsöl ungünstiger gestaltet. Das als
Abgase, die eventuell durch Katalysatoren gemildert Kraftstoff eingesetzte RME muss die Anforderungen
werden könnte. Des Weiteren ist die Emission von Al- der DIN EN 14214 erfüllen. Daneben ist fahrzeugseitig
dehyden und polyzyklischen Aromaten (PAK) größer noch die Elastomerverträglichkeit sicherzustellen. In
als bei DK. Weitere Probleme ergeben sich unter ande- den einschlägigen Emissionstests weist RME gegen-
ren durch mangelnde Stabilität, geringe Kältefestigkeit über DK niedrigere Partikel-, PAK-, HC- und CO-
1024 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Kraftstoff Zusammensetzung Dichte bei 15 °C Heizwert Hu


1 [% (m/m)] [kg/m3] [MJ/l]
Cetan-Zahl
(CFR)
C H O
22 RME (typisch) 77,2 12,0 10,8 880 32,8 51 bis 54

23 Diesel (typisch) 86,6 13,4 0,4 835 35,5 51 bis 55

..Abb. 22.18  Kennwertevergleich eines rapsölstämmigen FAME zu DK [4]


4
Kennwert Einheit DK DK-R10 DK-R20 DK-R30 Rapsöl

5
3
Dichte [kg/m ] 841,5 835,7 830,5 824,9 920,0
Schwefelgehalt [% (m/m)] 0,19 0,13 0,09 0,04 0,01

6 CFPP [°C] –9 –7 –5 –2 16
Cetan-Zahl – 54,5 59 63 66,5 41

7 Heizwert Hu
Viskosität/20 °C
[MJ/kg]
[mm2/s]
42,82
4,90
42,98
4,99
42,84
5,01
43,23
5,01
37,40
73,5

8 ..Abb. 22.19  DK-Rapsöl-Mischungen (Rapsöl zum Vacuum-Gasöl/hydriert) [4]

Emissionen auf. Höhere Emissionen sind für NOx und seit Ende 2003 Dieselkraftstoff in Deutschland erst
9 Aldehyde festzustellen. Nachteilig sind ferner geringere vereinzelt, seit 2005 jedoch generell bis zu 5 % FAME
Leistung, höherer volumetrischer Verbrauch und deut- beigemischt. Großen Anteil hieran hat das seit 2007 in
10 lich höhere Herstellungskosten. So erfordert RME er-
hebliche staatliche Subventionen, um zu Gleichpreisig-
Kraft befindliche deutsche Bioquotengesetz. Im Ver-
gleich zur EU-Richtlinie fordert es höhere Bioanteile
keit an der Tankstelle zu gelangen. Ohne Subventionen für alle Kraftstoffe. Seit 2009 wird die Einhaltung einer
11 liegen die Herstellungskosten von RME im Vergleich Gesamtquote gefordert, deren Einhaltung mit dem in
zu DK derzeit um etwa den Faktor 2 bis 3 höher. Die EN 590 festgelegten maximal FAME-Gehalt von 5 %
wichtigsten Kennwerte von RME im Vergleich zum ty- nicht zu erreichen war. Daher wurde Anfang 2009 die
12 pischen DK sind in . Abb. 22.18 wiedergegeben. Posi- nationale Dieselnorm DIN 51628 in Kraft gesetzt, die
tiv ist dabei eine hohe Cetan-Zahl und die gegenüber eine Beimischung von bis zu 7,0 % FAME gestattet.
13 reinem, schwefelfreien Diesel bessere Schmierfähigkeit Inzwischen wurde der FAME-Grenzwert auch in
(HFRR). der europäischen Dieselkraftstoff-Anforderungsnorm
Beim vorerwähnten, alternativen Weg der Ver- auf 7 % angepasst. Analog kann Rapsöl auch in der
14 arbeitung von Rapsöl durch Hydrocracken in der Mitteldestillat-Entschwefelungsanlage (MDE) zuge-
Raffinerie in Mischung mit Kohlenwasserstoff-Raffi- geben werden. . Abb. 22.20 zeigt die Eigenschaften
15 nerieprodukten ist ebenfalls eine eindeutige Verbes-
serung der Kennwerte in Richtung DK festzustellen.
solcher Kraftstoffe mit 10, 20 und 30 % Rapsölanteil.
Auch hier ergeben sich Vorteile für den S-Gehalt und
. Abb.  22.19 zeigt die Eigenschaften von reinem die CZ sowie Nachteile im Kälteverhalten. Es zeigt sich,
16 Rapsöl und DK im Vergleich zu drei Kraftstoffen, die dass die Umesterung von Rapsöl zu RME insgesamt
durch unterschiedliche Zugabe von Rapsöl zum Va- das bessere Endprodukt liefert. Eine weitere Variante
cuum-Gasöl mit anschließender Hydrierung im Hy- der Umwandlung von Pflanzenölen zu Kraftstoff ist
17 drocracker hergestellt wurden. Hierbei bedeuten R10, die direkte Hydrierung. Die Endprodukte, sogenannte
R20 und R30 den Rapsölanteil im Endprodukt. Auffäl- Hydrierte Pflanzenöle (HVO) weisen ausgezeichnete
18 lig sind die graduelle Absenkung des Schwefelgehalts anwendungstechnische Eigenschaften auf und sind da-
und die Verbesserung der CZ. Lt. Diesel-Anforde- her hinsichtlich ihrer Beimischung zu konventionellem
rungsnorm DIN EN 590 dürfen konventionelle Diesel- Diesel nicht begrenzt.
19 kraftstoffe bis zu 5 % FAME (Fatty Acid Methyl Esters) Ergänzend sei noch erwähnt, dass auch Dimethyl-
beigemischt werden. Vor dem Hintergrund einer EU- Ether (DME)(CH3)2O als Komponente für DK ge-
20 Biofuels-Richtlinie, die die Zugabe von biostämmigen
Komponenten zu Kraftstoffen fordert und einer ent-
eignet ist. Er entsteht bei einem weiteren Verfahrens-
schritt aus Methanol oder neuerdings direkt aus Erdgas
sprechenden steuerlichen Subventionierung, werden oder auch Synthesegas aus anderen Primärenergien.
22.1 • Kraftstoffe
1025 22

Kennwert Einheit DK-R10* DK-R20* DK-R30*


3
Dichte [kg/m ] 836,7 832,1 827,5
Schwefelgehalt [% (m/m)] 0,13 0,09 0,04
CFPP [°C] –5 –4 –2
Cetan-Zahl – 58 63 69
Heizwert Hu [MJ/kg] 42,92 43,06 43,11
* %-Anteil Rapsöl in der MDE

..Abb. 22.20  DK-Rapsöl-Mischungen nach Umformung in MDE [4]

DME wird derzeit – unter Druck verflüssigt – beson- wird. Andere Möglichkeiten bestehen in Zündhilfen
ders als Ersatz von FCKW als Treibgas in Sprühdosen mit Glüh- oder Zündkerzen. Auch chemische, dem
verwendet. Kraftstoff zugemischte Zündwilligkeitsverbesserer,
Abschließend sei festgestellt, dass die technische sind erprobt worden. Sie sind allerdings teuer. Alko-
Machbarkeit des Rapsöleinsatzes als Alternativ-DK, hole erfordern unter anderen wegen ihrer geringen
wenn auch mit erheblichem Aufwand, erwiesen ist. Zündwilligkeit und hohen Verdampfungswärme ent-
Die Herstellungskosten sind allerdings prohibitiv hoch. sprechend aufwändige kraftstoffseitige Anpassungen.
Sein wirtschaftlich sinnvoller Einsatz ist letztendlich Nachteilig für den Betrieb ist der deutlich niedrigere
über beträchtliche staatliche Subventionen möglich. Heizwert (vergleiche . Abb. 22.10), was zu geringerer
Darüber hinaus ist aus Gründen der eingeschränkten Leistung und höherem Verbrauch führen muss. Vor-
Verfügbarkeit von Kraftstoffen auf Pflanzenölbasis nur teilhaft sind insbesondere die Abnahme der Partikel-
die teilweise Substitution von fossilem Dieselkraftstoff und NOx-Emission. Mischungen von Methanol oder
zu realisieren. Ethanol mit DK sind leichter anwendbar. Da jedoch
Methanol und Ethanol bei Umgebungstemperatur
DK-Rennkraftstoff praktisch nicht mit DK mischbar sind, erfordert dieses
Heute werden auch für Hochleistungs-Dieselmotoren Konzept den gleichzeitigen Einsatz größerer Mengen
spezielle Rennkraftstoffe hergestellt, die durch ihre von Lösungsvermittlern, zum Beispiel Ethylacetat. Aus
Zusammensetzung die Leistungsabgabe des Motors Dreiphasen-Löslichkeits-Diagrammen für Methanol
fördern können. Bei Langstreckenrennen, wie zum mit DK lassen sich die Bereiche stabiler Mischungen
Beispiel bei dem 24 h Rennen in LeMans oder Mara- ablesen. Die Alkoholkonzepte sind technisch erprobt,
thon-Rallyes kommt es daneben auf eine besondere jedoch bei der heutigen Kostenstruktur und steuerli-
Sauberhaltung des Einspritzsystems an, um auch in chen Belastung nicht wettbewerbsfähig. Ein nicht zu
der Endphase der Veranstaltung noch maximale Leis- unterschätzender Nebenaspekt ist die Änderung der
tungswerte zu erzielen. Herausfordernd ist in diesem Gefahrenklasse, wenn Dieselkraftstoff mit Alkohol
Zusammenhang der Einsatz von ausgewählten alterna- versetzt wird, wodurch sich der Flammpunkt und die
tiven/biogenen Komponenten, die heute in gewissem Explosionsgrenzen deutlich ungünstiger darstellen.
Umfang verfügbar sind (zum Beispiel GTL, hydrierte Außerdem gilt zu beachten, dass die gesamte Infra-
Pflanzenöle (HVO) oder raffinierte Fettsäure-Methyl- struktur inkl. der Fahrzeuge nicht für ein solches Pro-
ester). dukt ausgelegt ist, was sich unter anderen in möglichen
Undichtigkeiten aufgrund ungünstiger Elastomerver-
Alkohol-DK-Mischungen träglichkeit äußern kann.
Die Verwendung von Methanol oder Ethanol allein als
alternativer „DK“ weist prinzipielle erhebliche Nach- DK-Wasseremulsion
teile gegenüber DK auf und macht erhebliche, kost- Die Einbringung von Wasser in den Verbrennungs-
spielige Anpassungsmaßnahmen am Motor und beim prozess bringt prinzipiell Vorteile. Insbesondere sinkt
Kraftstoff erforderlich. So erfordert die Anpassung von durch die Verminderung der Spitzentemperatur durch
Dieselmotoren an reinen Alkoholbetrieb zum Beispiel den Innenkühlungseffekt bei der Verdampfung des
die Anordnung einer zweiten Einspritzanlage für den Wassers die Bildung von Stickstoffoxiden. Die Wasser­
Zweistoffbetrieb. Hierbei erfolgen Kaltstart, Leerlauf einbringung kann entweder mit Hilfe eines zweiten
und Warmlauf mit DK, während mit zunehmender Einspritzsystems oder durch DK-Wasser-Emulsionen
Last und Drehzahl sukzessive Alkohol zugegeben erfolgen. Während der erstere Weg einen erheblichen
1026 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Stoffwert DK CNG
1
Aggregatzustand im Tank flüssig gasförmig
22 Druck im Tank Atmosphäre 200 bar
3
Dichte 830 kg/m 170 kg/m3
23 Heizwert Hu Volumen 34,7 MJ/l 7,2 MJ/l
Heizwert Hu Masse 42,0 MJ/kg 47,7 MJ/kg
4
..Abb. 22.21  Stoffwerte von CNG im Vergleich zu DK [1]
5
baulichen Aufwand an Motor und Fahrzeug erfordert, tracht kommen. Trotzdem zieht man es vor, die Diesel-
aber der wirkungsvollere Weg ist, sind DK-Wasser- motoren der Stadtbusse auf Ottomotoren umzurüsten,
6 Emulsionen fahrzeugseitig wesentlich einfacher zu rea- auch um die Vorteile der einfacheren Kraftstoffbevor-
lisieren. Versuche haben ergeben, dass mit steigendem ratung (Monofuel) zu nutzen. So wurden Zylinderkopf
7 Wassergehalt zwar, wie erwartet, die NOx-Emissionen
und der Schwarzrauch deutlich reduziert werden, je-
und Kolben geändert, die Einspritzdüse durch eine
Zündkerze ersetzt und an Stelle der Einspritzpumpe
doch HC- und CO-Emissionen zunehmen. Der An- eine Hochspannungszündung vorgesehen. Das Verdich-
8 stieg der HC-Emission kann besonders im niedrigen tungsverhältnis wird von 17,5:1 auf 11,0:1 reduziert. Der
Lastbereich stark ausgeprägt sein, so dass die Vorteile Einsatz derartiger Nfz-Konzepte in Ballungsgebieten ist
bei der Partikelemission mehr als aufgezehrt werden vor dem Hintergrund der Emissionsvorteile durchaus
9 können. Demnach würden deutlich realistische Vorteile sinnvoll. Inwieweit sich dieses Konzept jedoch auf breiter
für Emulsionen ein je nach Betriebspunkt variables Ver- Basis durchsetzten kann, ist, bedingt durch den höheren
10 hältnis von DK zu Wasser erfordern, was mit einem zu
großen Aufwand verbunden wäre. Insoweit wäre ein er-
Energieverbrauch gegenüber dem Dieselmotor, fraglich.

folgreicher Einsatz von Emulsionen eher in stationären


11 Motoren zu suchen. DK-Wasseremulsionen sind auch 22.1.2 Ottokraftstoff (OK)
kraftstoffseitig teurer, weil zusätzlicher Verschleißschutz
für das Einspritzsystem notwendig wird; besonders kri- Ottokraftstoffe liegen im Siedebereich von etwa 30 bis
12 tisch sind hier moderne Hochdruckeinspritzanlagen. 210 °C und sind für den Betrieb von Ottomotoren,
Gerade die Hersteller von modernen Hochdruckein- hauptsächlich im Fahrzeugsektor, vorgesehen. Sie be-
13 spritzanlagen lehnen den Einsatz von Emulsionen in stehen aus einer Vielzahl von Kohlenwasserstoffen, die
ihren Systemen ab. Des Weiteren muss die mangelnde als Grundbenzin in Raffinerien mittels verschiedener
Langzeitstabilität der Emulsion insbesondere bei nied- Verarbeitungsverfahren aus Erdöl der verschiedensten
14 rigen Temperaturen durch Additive ausgeglichen und Provenienzen gewonnen werden. Daneben enthalten
dem Befall von Mikroorganismen entgegengewirkt wer- sie geringe Mengen von anderen organischen Verbin-
15 den. Zusammen mit dem erforderlichen Emulgator ent-
stehen zusätzliche Kraftstoffkosten, die für einen brei-
dungen und Additive. Der über viele Jahrzehnte ver-
wendete Begriff VK für Vergaserkraftstoff ist angesichts
ten Einsatz solcher Produkte bisher hemmend gewesen der heute allgemein angewendeten Kraftstoffeinsprit-
16 sind. Heutzutage vereinzelt im stationären Einsatz und zung überholt.
im Großmotorenbau (zum Beispiel Marinebereich).
Explosionsgrenzen  Von allgemeiner Bedeutung für OK
17 CNG in Dieselmotoren sind die Explosionsgrenzen. Sie beschreiben für Luft-
CNG (Compressed Natural Gas; Methan) ist für den Kraftstoff-Dampf-Gemische die Grenzen, innerhalb de-
18 Fahrzeugeinsatz auf 200 bar komprimiertes Erdgas. rer bei Aktivierung einer Zündquelle eine schlagartige
In . Abb. 22.21 sind die Stoffwerte von CNG im Ver- Verbrennung stattfindet. Man unterscheidet eine untere
gleich mit DK dargestellt. (wenig Kraftstoffdampf) und eine obere (viel Kraftstoff-
19 Man sieht, dass selbst bei 200 bar nur eine geringe dampf) Grenze. Bei Konzentrationen sowohl unterhalb
Energiedichte im Tank vorhanden ist. Die geringe Zünd- der unteren als auch oberhalb der oberen Grenze kann
20 willigkeit von Methan macht eine Energiezufuhr zur
Entflammung im Dieselmotor erforderlich. Hier kann
nach der Zündung keine Verbrennung stattfinden. OK-
Luftgemische haben eine untere Explosionsgrenze von
das Zündstrahlverfahren mit zwei Kraftstoffen in Be- circa  1 % (V/V) und eine obere von circa  8 % (V/V)
22.1 • Kraftstoffe
1027 22

Komponente Dichte Oktanzahlen E 70* E 100**


3
Einheit [kg/m ] MOZ ROZ % (V/V) % (V/V)
Destillatbenzin 680 62 64 70 100
Butan 595 87 – 94 92 – 99 100 100
Pyrolysebenzin 800 82 97 35 40
Crackleichtbenzin 670 69 81 70 100
Katalyt.Crack leicht 685 80 92 60 90
Katalyt.Crack schwer 800 77 86 0 5
Hydrocrack leicht 670 64 90 70 100
Full Range Reformat 94 780 84 94 10 40
Full Range Reformat 99 800 88 99 8 35
Full Range Reformat 101 820 89 101 6 20
Isomerisat 625 87 92 100 100
Alkylat 700 90 92 15 45
Polymerbenzin 740 80 100 5 10
Methyl-Tertiär-Butyl-Ether 745 98 114 100 100
Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether (ETBE) 751 105 118 –10 120
Methanol/TBA 1 : 1 790 95 115 50 100
Ethanol 789 96 115 0 100
* verdampfter Anteil bei 70 °C
** verdampfter Anteil bei 100 °C

..Abb. 22.22  Die wesentlichen OK-Komponenten [4]

Kraftstoff in Luft. Bei der Lagerung von OK bildet sich den 1980er-Jahren eingesetzte Alkohol-Mischung aus
üblicherweise über dem Kraftstoff ein sehr fettes Kraft- Methanol und Tertiär-Butyl-Alkohol (TBA) ist heute
stoff-Luft-Gemisch, weit über der oberen Explosions- durch den Einsatz von Bio-Ethanol abgelöst worden.
grenze. Es ist durch Untersuchungen festgestellt worden, Auf eine Behandlung der früher so wichtigen Blei-
dass bei Kraftstoffen mit minimalem Dampfdruck und verbindungen als Klopfbremsen, die die Kraftstofffor-
geringer Flüchtigkeit in Verbindung mit niedrigen Um- schung über Jahrzehnte intensiv beschäftigt hatten, wird
gebungstemperaturen die obere Grenze unter Umstän- wegen des inzwischen fast weltweiten Verbots ihrer Ver-
den unterschritten werden kann, womit das Kraftstoff- wendung verzichtet, da Bleiverbindungen toxisch sind.
dampf-Luft-Gemisch im Fahrzeugtank zündfähig wäre. . Abb. 22.23 zeigt die mit der FIA-Analyse (Flu-
oreszenz-Indikator-Absorptionsverfahren) ermittelte
22.1.2.1 OK-Komponenten und elementare Zusammensetzung der dargestellten Kom-
Zusammensetzung ponenten nach Paraffinen, Olefinen und Aromaten.
OK gehört zu den leichtsiedenden Bestandteilen des Über die verwendeten Größenordnungen der ein-
Erdöls. Er ist ein Gemisch von Reformaten, Crackben- zelnen Komponenten eines typischen OK aus deut-
zinen (Olefinen), Pyrolyse-Benzinen, Iso-Paraffinen, schen Raffinerien gibt . Abb.  22.24 Aufschluss. Zu
Butan, Alkylaten und sogenannte Ersatzkomponen- etwa gleichen Teilen werden hauptsächlich Reformat-
ten, wie Alkohole und Ether. In . Abb. 22.22 sind die und Crackbenzine eingesetzt. Einen wesentlich kleine-
wesentlichen Kennwerte wie Dichte, Oktanzahl und ren Anteil haben alle übrigen Komponenten, ohne dass
Siedeverhalten der heute verwendeten Ottokraftstoff- man auf jede einzelne verzichten könnte.
Komponenten zusammengestellt. Besonders sei auf die
Komponenten Methyl-Tertiär-Butyl-Ether (MTBE) so- Ersatzkomponenten Alkohole und Ether
wie Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether (ETBE) hingewiesen, die Als Ausgleich für den durch das Verbleiungsverbot
zur Herstellung von SuperPlus erforderlich sind. Die in eingetretenen OZ-Verlust wurden zusätzlich zu den
1028 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Komponente Paraffine* Olefine Aromaten


1
Einheit % (V/V) % (V/V) % (V/V)

22 Destillatbenzin 94 1 5
Butan 100 – –
23 Pyrolysebenzin circa 20 circa 10 circa 70
Crackleichtbenzin circa 57 circa 40 circa 3
4 Katalyt.Crack leicht 61 26 13
Katalyt.Crack schwer 29 19 52
5 Hydrocrack leicht 100 0 0
Full Range Reformat 94 45 – 55
6 Full Range Reformat 99 38 – 62

7
Full Range Reformat 101 29 1 70
Isomerisat 98 – 2

8 Alkylat 100 – –
Polymerbenzin 5 90 5
9 * einschließlich Naphthene

..Abb. 22.23  OK-Komponenten in der Elementaranalyse [4]


10 Typische Komponentenanteile im Ottokraftstoff verbindungen, in denen eine CH2-Gruppe durch ein
aus deutschen Raffinerien Sauerstoffatom ersetzt ist. Für OK geeignet sind Ether
11 Ersatzkomponenten
mit mindestens fünf C-Atomen. In . Abb. 22.25 sind
(Alkohole/Ether)
die wichtigsten Stoffwerte für die als Komponenten in
Betracht kommenden Alkohole mit denen von Super-
12 OK verglichen.
Methanol und Ethanol sind in der Historie der Mo-
13 torisierung zu verschiedenen Zeiten und an verschie-
denen Orten im Einsatz gewesen. Ihre Verwendung
als alternative Kraftstoffe wird in ▶ Abschn. 22.1.2.3
14 ausführlich behandelt. Ether zeichnen sich durch gute
Mischbarkeit mit OK ohne azeotrope Erhöhung der
Crackbenzine
15 Flüchtigkeit bei geringer Wasserempfindlichkeit aus.
Auffällig sind die hohen Oktanzahlen und der nied-
Reformat
rige Dampfdruck. Wegen des gegenüber Methanol und
16 Ethanol niedrigeren Sauerstoffgehalts hält sich auch
die Absenkung des Heizwertes gegenüber den norma-
len Kraftstoffkomponenten in erträglichen Grenzen.
17 Pyrolyse MTBE und insbesondere ETBE werden heute groß-
Benzin technisch hergestellt. In . Abb. 22.26 sind die wich-
18 Alkylat
Butan
i-Pentan tigsten Stoffwerte für die als Komponenten in Betracht
kommenden Ether mit denen von Super-OK vergli-
chen. Die anderen darin aufgeführten Ether kommen
19 ..Abb. 22.24  OK-Komponenten in Deutschland [5]
mit Ausnahme von ETBE und TAME wegen ihrer
weiterentwickelten hochoktanigen klassischen Kom- hohen Herstellungskosten als Kraftstoffkomponente
20 ponenten und den Alkoholen verschiedene Ether als
prinzipielle neue OK-Komponenten gefunden. Es han-
bisher kaum zum Einsatz.
Der Verwendung der besonders wertvollen, sau-
delt sich dabei um sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoff- erstoffhaltigen sogenannten Ersatzkomponenten, wie
22.1 • Kraftstoffe
1029 22

Bezeichnung Abkürzung Siede- Dichte Dampfdruck ROZ MOZ Heiz- Verdamp- O2-Gehalt
punkt 20 °C wert fungs-
Hu wärme
Einheit [°C] [kg/m3] [Kpa] [MJ/l] [kJ/kg] [% (m/m)]
Methylalkohol Methanol 64,7 791,2 32/81* 114,4 94,6 15,7 1170 49,93
Ethylalkohol Ethanol 78,3 789,4 17/70* 114,4 94,0 21,2 880 34,73
Isopropyl Alk. Isopropanol 82,3 775,5 14/72* 118,0 101,9 23,6 700 26,63
Sec.Butyl Alk. SBA 99 806,9 27,4 21,59
Isobutyl Alk. IBA 107,7 801,6 4/63* 110,4 90.1 26,1 618 21,59
circa circa
Tert.Butyl Alk. TBA 82,8 786,6 7/64* 26,8 589 21,59
105 95
Super OK 30 bis S 45,0 – 60,0 circa
SOK 720 – 775 95 85,6 380 – 500 0 – 2,7
210 W 60,0 – 90,0 41
* Als Mischkomponente in OK (10 %)

..Abb. 22.25  Wichtige Stoffwerte für Alkohol-Komponenten im Vergleich zu Super-OK [4]

Bezeichnung Abkür- Siede- Dichte Dampf- ROZ MOZ Heizwert O2-Gehalt


zung punkt 20 °C druck Hu
Einheit [°C] [kg/m3] [kPa] [MJ/kg] [% (m/m)]
Methyl-Tertiär-Butyl-Ether MTBE 55,5 740 48 114 98 26,04 18,15
Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether ETBE 72,5 742 28 118 102 26,75 15,66
Di-Iso-Propyl-Ether DIPE 68,5 725 24 110 100 26,45 15,66
Tertiär-Amyl-Methyl-Ether TAME 85,5 770 16 111 98 27,91 15,66
Isopropyl-Tertiär-Butyl-Ether PTBE 88,5 740 20 27,46 13,77
Super-OK (typisch 1999) SOK 30 – 215 725 – 780 60 – 90 95 85 circa 41 0–2

Bild
. 22-26 Wichtige
.Abb. 22.26  Stoffwerte
Wichtige von
Stoffwerte Ether-Komponenten
von imim
Ether-Komponenten Vergleich
VergleichzuzuSuper-OK
Super-OK[5]
[6]

Ester und Alkohole, war bisher durch die EU-seitige einen unbestimmten Zeitraum auch eine so genannte
Begrenzung des Gesamt-O2-Gehaltes von OK auf Schutzsorte mit max. 2,7 % (m/m) Sauerstoffgehalt
2,7 % (m/m) relativ enge Grenzen gesetzt. Nicht zu- anbieten, um den Bedarf von Fahrzeugen, die nicht
letzt vor dem Hintergrund des politischen Wunsches mit dem hohen Sauerstoffanteil kompatibel sind zu
mehr Kraftstoffanteile aus nachwachsenden Rohstof- befriedigen.
fen einzusetzen, wurde nun die Möglichkeit geschaffen MTBE/ETBE hat sich insbesondere im SuperPlus
Kraftstoffe mit einem maximalen Sauerstoffgehalt von als Ersatz für Klopfbremsen auf Bleibasis zur OZ-Er-
3,7 % (m/m) einzusetzen. Vor diesem Hintergrund höhung bewährt. Derzeit wird in Deutschland durch-
erfolgte eine Anpassung der zulässigen Beimischung schnittlich circa 10 % MTBE/ETBE im SuperPlus und
der einzelnen Komponenten sowie eine Neufassung noch klopffesteren Sorten eingesetzt.
der europäischen Ottokraftstoff-Anforderungsnorm
EN 228. OK-Sorten
. Abb.  22.27  zeigt den heute zulässigen Einsatz In Deutschland werden an Tankstellen derzeit zwei
entsprechend der EU-Richtlinie über den Einsatz von bzw. drei unverbleite Kraftstoffsorten angeboten,
sauerstoffhaltigen Komponenten. EU-Mitgliedsstaa- Super  E5 (enthält max. 5 % (V/V) Ethanol) als so
ten, die in ihren Märkten Kraftstoffe mit hohem Sau- genannte Schutzsorte, Super E10 (enthält max. 10 %
erstoffgehalt (max. 3,7 % (m/m)) einführen müssen für (V/V)) und an vielen weiteren Tankstellen auch Su-
1030 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Komponente Zugelassene Komponenten tokraftstoffe“ wird hierauf noch näher eingegangen


1 % (V/V) nach DIN EN 228 werden.

O2-Gehalt max. O2-Gehalt max. 22.1.2.2 Kennwerte und Eigenschaften


22 2,7 % (m/m) 3,7 % (m/m) Die an die drei vorerwähnten bleifreien OK gestellten
Methanol max. 3,0 % (V/V) 3,0 % (V/V) Mindestanforderungen sind in der DIN EN 228 fest-
23 Ethanol max. 5,0 % (V/V) 10,0 % (V/V)
gelegt. Wie aus . Abb. 22.29 hervorgeht, betreffen sie
hauptsächlich Dichte, Klopffestigkeit, Siedeverlauf,
Dampfdruck, Benzolgehalt und Schwefelgehalt.
4
IPA max. 12,0 % (V/V)
Volumenbei-
mischungen sind 15,0 % (V/V) Wegen der anwendungstechnisch umweltrele-
TBA max.
auf ein Sauer- vanten Bedeutung von einigen Kraftstoffkennwerten
5 IBA max. stoffgehalt von 15,0 % (V/V) wurde zur Überbrückung der unterschiedlichen Auf-
Ether* max. max. 2,7 % (m/m) 22,0 % (V/V) fassungen von Automobil- und Mineralölindustrie
auf europäischer Basis (EU-Kommission) 1998 im
6 Andere** max.
beschränkt.
15,0 % (V/V) Rahmen des Auto-/Öl-Programms ein Kompromiss
* MTBE, TAME und ETBE sowie andere mit min. 5 C-Atomen
beschlossen, der die Anforderungen an die umwelt-
7 ** andere Monoalkohole relevanten Kraftstoffkennwerte in einer 1.  Stufe im
Jahr 2000 und in einer 2. Stufe im Jahr 2005 weiter
..Abb. 22.27  Maximale Konzentration von O2-halti- verschärft. Dies betraf bei OK vor allem den Schwefel-,
8 gen Komponenten (EU) [4]
Benzol- und Aromatengehalt. Die Abgasgrenzwerte
wurden entsprechend als Euro  3 ab 01.01.2000, als
Euro 4 ab 01.01.2005 und als Euro 5 ab 2009 festge-
9 perPlus (wird meistens kein Ethanol zugesetzt, max. legt. Seit 2014 gelten die nochmals deutlich verschärf-
aber 5 % (V/V)). Den an Tankstellen einiger Anbie- ten Abgasanforderungen Euro 6. . Abb. 22.30 zeigt die
10 ter angebotenen Premium-Ottokraftstoffen werden
meist ebenfalls keine Alkohole zugesetzt. Normal-
Veränderungen bei OK. Neben diesen Normen hat die
weltweite Automobilindustrie die sogenannten Fuel
benzin ist in nahezu allen europäischen Staaten nicht Charter (WWFC) erarbeitet, in der die Anforderun-
11 mehr im Markt anzutreffen, da alle Fahrzeugherstel- gen an Kraftstoffe in 4 Qualitätsstufen festgelegt sind.
ler, unter dem Zwang, einen möglichst niedrigen In der Einhaltung der höchsten Qualitätsstufe (Cate-
Verbrauch/CO2-Ausstoß zu bieten, ihre Motoren gory 4) sieht die Automobilindustrie Potential für die
12 fast ausschließlich auf Super oder SuperPlus ausle- Entwicklung zukünftiger Motorenkonzepte.
gen. . Abb. 22.28 zeigt die bisherige Verteilung der Die Entwicklung der europäischen Abgasgesetzge-
13 OK-Sorten im deutschen Kraftstoffmarkt. Aktuell be- bung ist in . Abb. 22.31 dargestellt.
trägt der Anteil der OK-Sorten in Deutschland für
Super E10 unter 20 % und für Super E5 über 70 %. Dichte
14 Der verbleibende Anteil sind SuperPlus und Premi- Der Bereich der Dichte ist für alle drei unverbleiten OK
umkraftstoffe. einheitlich auf 720 bis 775 kg/m3 bei 15 °C festgelegt.
15 Neben konventionellen OK auf Basis Erdöl ist noch
eine Reihe anderer, synthetisch herstellbarer Stoffe zur
. Abb. 22.32 zeigt Durchschnittswerte und Bereiche
der Dichte handelsüblicher deutscher OK für Sommer
Verbrennung in Ottomotoren geeignet. Ferner gibt es und Winter.
16 mehrere Möglichkeiten der Verwendung alternativer Mit steigender Dichte nimmt generell der volume-
Ottokraftstoffe. In ▶ Abschn. 22.1.2.3 „Alternative Ot- trische Energiegehalt des Kraftstoffs zu, womit ein sin-

17
Kraftstoffsorte 1994 1995 1996 1997 1999 2000 2002 2005 2008

18 Normalbenzin 39,4 38,4 37,6 36,9 34,3 33,4 30,9 28,0 10,6
Super 46,9 50,7 54,4 47,3 61,1 62,8 65,3 68,1 85,4

19 SuperPlus 6,0 5,4 5,3 5,8 4,6 3,8 3,8 3,9 4,0
Bleifrei gesamt 92,3 94,5 97,4 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

20 Super verbleit 7,7 5,5 2,6 – – – – – –

..Abb. 22.28  Anteile der OK-Sorten am Konsum in Deutschland (%) [2]


22.1 • Kraftstoffe
1031 22

Anforderungen nach DIN EN 228


Kennwert Einheit SuperPlus Super Normal
Dichte bei 15 °C [kg/m3] 720 – 775
Klopffestigkeit
ROZ min. 98,0 min. 95,0 min. 91,0
MOZ min. 88,0 min. 85,0 min. 82,5
Bleigehalt [mg/l] maximal 5
Siedeverlauf * [% (V/V)]
Verdampfte Menge (Klasse A)
bei 70 °C, E70 20,0 – 48,0
bei 100 °C, E100 46,0 – 71,0
bei 150 °C, E150 min. 75,0
Verdampfte Menge (Klasse D/D1)
bei 70 °C, E70 22,0 – 50,0
bei 100 °C, E100 46,0 – 71,0
bei 150 °C, E150 min. 75,0
Siedeendpunkt FBP (Klasse A/D/D1) [°C] maximal 210
Flüchtigkeitskennziffer VLI**
(VLI = 10 × VP + 7 × E70)
Klasse D1 Index maximal 1.150
Destillationsrückstand [% (V/V)] maximal 2
Dampfdruck (DVPE) [kPa]
Klasse A 45,0 – 60,0 (Sommer)
Klasse D/D1 60,0 – 90,0 (Winter)
Abdampfrückstand [mg/100 ml] maximal 5
Benzolgehalt [% (V/V)] maximal 1,0
Schwefelgehalt [mg/kg] maximal 10*
Oxidationsstabilität min. minimal 360
Kupferkorrosion Korrosionsgrad maximal 1
* Schwefelgehalt in Gesamt-EU seit Anfang 2009 maximal 10 mg/kg
Klasse D: 16.11. – 15.03. (Winter)
Klasse D1: 16.03. – 30.04./01.10. – 15.11. (Übergang)
** Vapor-Lock-Index

..Abb. 22.29  OK-Kennwerte nach DIN EN 228 [1]

Kennwert Einheit DIN EN 228 Euro 3 Euro 4


bis 1999 ab 2000 ab 2005
Schwefel [mg/kg] 500 150 50
Benzol [% (V/V)] 5 1 1
Aromaten [% (V/V)] – 42 35
Dampfdruck [kPa] 70 60 60
..Abb. 22.30 Ergebnis
EU Auto-/Öl-Programm Olefine [% (V/V)] – (21) 18 18
für OK [1]
1032 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Schadstoff
1 91/441/EWG
Euro 1
94/12/EG
Euro 2
98/69/EG*
Euro 3
98/69/EG*
Euro 4 Euro 5/5b Euro 6

Motor in g/km ab 1992 ab 1996 ab 2000 ab 2005 seit 2009/11 seit 2014
22 Otto CO 3,16 2,20 2,30 1,000 1,00 1,00
HC + NOx 1,13 0,50
23 HC
NOx
0,20
0,15
0,100
0,080
0,10**
0,06
0,10
0,06
PM 0,0045 0,0045
4 PN 6×1011 6×1011
Diesel CO 3,16 1,00 0,64 0,500 0,50 0,50
HC + NOx 1,13 0,70 0,56 0,300 0,23 0,17
5 PM 0,18 0,08 0,05 0,025 0,0045 0,0045
PN 6×1011 6×1011

6
* geändertes (verschärftes) Prüfverfahren
** davon NMHC 0,068

..Abb. 22.31  Entwicklung der europäischen Abgasgesetzgebung (Pkw) [1]


7
Dichte in kg/m3 SuperPlus Super Normal
8 Bereich Sommer 733 – 756 736 – 630 729– 758
732– 754 724– 758 721– 748
9 Winter
Durchschnitt Sommer 748 745 743
10 Winter 741 735 729
Quelle: Marktüberwachungen Winter 2007/2008 und Sommer 2008 in Deutschland

11 ..Abb. 22.32  Dichte handelsüblicher deutscher OK [1, 4]

kender volumetrischer Kraftstoffverbrauch verbunden


12 verbranntes ist. Erfahrungsgemäß bewirkt ein Anstieg der Dichte
Gemisch unver-
branntes um 1 % eine volumetrische Verbrauchssenkung um
13 Gemisch 0,6 %. Man erkennt, dass die Werte im Sommer durch-
weg höher liegen und dass sich hier für Super und erst
recht für SuperPlus Verbrauchsvorteile ergeben.
14 Normale Verbrennung
Gezielt entzündete Flamme
brennt kontinuierlich Klopffestigkeit
durch normale
15 Verbrennung Unter Klopffestigkeit von Ottokraftstoffen versteht
man ihre Fähigkeit, eine ungewollte, also nicht durch
die Zündkerze ausgelöste oder unkontrollierte Verbren-
16 nung im noch nicht verbrannten Restgas vor Eintreffen
der Flammenfront zu verhindern. Die Flammenfront
verbranntes
durchläuft die Ladung je nach Kraftstoffzusammen-
17 Gemisch
unerwünschte setzung und konstruktiven Gegebenheiten mit einer
Selbstent-
zündung Ausbreitungsgeschwindigkeit von über 30 m/s. In
18 . Abb. 22.33 ist die normale mit der klopfenden Ver-
brennung schematisch verglichen. Bei klopfendem Be-
Klopfende Verbrennung
trieb tritt eine etwa 10fache Brenngeschwindigkeit auf,
19 mehrere Flammenfronten/
Druckwellen stoßen gegen- die steile Druckspitzen und kavitationsartige Druck-
einander „klopfen“ schwingungen verursachen und von erheblicher Erhö-
20 ..Abb. 22.33 Normale und klopfende
hung der Brennraumtemperatur begleitet werden.
Eine vereinfachte Gegenüberstellung der entspre-
Verbrennung [6] chenden Druck-Zeitdiagramme zeigt . Abb. 22.34.
22.1 • Kraftstoffe
1033 22

Klopfen

E
Zylinderdruck [bar]

Zylinderdruck [bar]
Zündung Zündung

OT OT
Zeit °KW Zeit °KW
Normale Verbrennung Klopfende Verbrennung

..Abb. 22.34  Druck-Zeitdiagramme [7]

Bei anhaltendem Klopfen können so Zündkerzen,


Kolben, Zylinderkopfdichtungen und Ventile beschä-
digt oder sogar zerstört werden, insbesondere wenn
es zu einer Vorentflammung kommt. In . Abb. 22.35
wird ein durch Dauerklopfen zerstörter Kolben gezeigt.
Moderne Motoren sind durch die Anwendung von
Klopfsensoren – Körperschallsensoren oder Ionen­
strommessungen – weitgehend vor solchen mechani-
schen Schäden geschützt. Sie regeln bei beginnendem
Klopfen den Zündzeitpunkt zurück, reduzieren bei
Aufladung den Ladedruck oder drosseln die Ansaug-
luft. Bei Fahrzeugen mit Klopfregelung erfolgt auch
eine elektronisch gesteuerte Anpassung des Zünd-
kennfeldes an den im Tank befindlichen Kraftstoff.
Bei niedrigerer Klopffestigkeit als vom Hersteller
spezifiziert, ergibt die dann spätere Zündeinstellung
allerdings Leistungsverlust, höheren Verbrauch und
eine höhere thermische Belastung des Katalysators. ..Abb. 22.35  Durch Dauerklopfen zerstörter Kolben
Umgekehrt kann beim Übergang von zum Beispiel [6]
Super auf SuperPlus durch die dann frühere Zündein-
stellung Leistungsgewinn, verbunden mit Verbrauchs- Bezeichnungen beruhen auf Traditionsnamen aus der
senkung und Emissionsvorteilen, eintreten. Bei der US-amerikanischen Kraftstoff-Forschung, die sich
Bestimmung des Klopffestigkeitsbedarfs eines Motors nicht logisch einordnen lassen. Für die Praxis ist dar-
unterscheidet man zwischen Beschleunigungsklopfen über hinaus noch die SOZ (Straßen-Oktan-Zahl) von
und Hochgeschwindigkeitsklopfen. Während das Be- Bedeutung. Bei den früheren Vergasermotoren spielte
schleunigungsklopfen bei niedriger Drehzahl und Last auch die FOZ (Front-Oktan-Zahl, entspricht der
als transienter Zustand nicht so gefährlich ist, droht ROZ 100 der bis 100 °C siedenden Kraftstoffanteile)
bei anhaltendem Hochgeschwindigkeitsklopfen bei eine Rolle. Während ROZ und MOZ in speziellen
hoher Drehzahl und Volllast größere Gefahr bis hin CFR-Einzylinder-Klopfprüfmotoren (Coordinating
zum Motorschaden. Fuel Research) durch Veränderung des Verdichtungs-
verhältnisses gemessen werden, wird die SOZ in Seri-
Oktan-Zahl enfahrzeugen durch Verstellung des Zündzeitpunkts
Als Maß für die Klopffestigkeit eines Ottokraftstoffs ermittelt. Die Prüfung nach der MOZ-Methode
gilt die Oktan-Zahl. Man unterscheidet bei den erfolgt hinsichtlich Drehzahl, Zündzeitpunkt und
Mindestanforderungen zwischen ROZ (Research- Gemischvorwärmung unter härteren Bedingungen,
Oktan-Zahl) und MOZ (Motor-Oktan-Zahl). Beide so dass die MOZ stets niedriger als die ROZ ausfällt.
1034 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Motordrehzahl Ansaugluft Gemischvorwär- Zündzeitpunkt Verdichtungs-


1 [min–1] [°C] mung [°KW] vor OT verhältnis
[°F]
22 ROZ 600 51,7 ± 5 – 13 Variabel 4 bis 16

23
MOZ 900 38 variabel 285 – 315 variabel 14 – 26 Variabel 4 bis 16

..Abb. 22.36  Betriebsbedingungen des CFR-Prüfmotors [1]


4 Für die Praxis bedeutet das, dass insbesondere ther- zu klopfen beginnt. Anschließend wird die dazugehö-
misch hoch beanspruchte Motoren – das sind heute rende OZ dadurch ermittelt, dass bei jetzt konstant ge-
5 praktisch alle – neben der ROZ auch eine Mindestan- haltenem Verdichtungsverhältnis die Mischungen von
forderung an die MOZ eines Kraftstoffes stellen. Die i-Oktan und n-Heptan solange verändert werden, bis
Differenz ROZ-MOZ heißt „Sensitivity“ und sollte der Motor erneut zu Klopfen beginnt. Die Klopfgrenze
6 den Wert 10 möglichst nicht deutlich überschreiten. wird dabei mit Hilfe eines elektronischen Klopfsensors
In . Abb. 22.36 sind die Betriebsbedingungen bei der erkannt. So bedeutet zum Beispiel ROZ 95, dass sich
7 Bestimmung von ROZ und MOZ im CFR-Prüfmotor
dargestellt.
der so bezeichnete OK, im CFR-Prüfmotor nach der
Research-Methode gemessen, hinsichtlich Erreichen
der Klopfgrenze wie eine Mischung aus 95 % i-Oktan
8 Oktan-Zahl-Skala und 5 % n-Heptan verhält.
Die von 0 bis 100 reichende Oktan-Zahl-Skala ist di-
mensionslos, wobei die 0 dem besonders klopffreu- Misch-Oktan-Zahl
9 digen Bezugskraftstoff Normalheptan (C7H16) und Der Bereich der OZ-Skala endet definitionsgemäß
die  100 dem besonders klopffesten Bezugskraftstoff bei 100 (Isooktan). Für Kraftstoffe, deren OZ über 100
10 Isooktan (C8H18) – auch 2,2,4-Trimethyl-Pentan
(C5H9(CH3)3) genannt – zugeordnet sind. Die OZ eines
liegt, kann man die OZ mit Hilfe des nachfolgenden
Verfahrens ermitteln. Der hoch oktanige Kraftstoff
Kraftstoffs wird in einem Vergleichstest zwischen der wird mit einem Anteil von 10 beziehungsweise 20 %
11 Kraftstoffprobe und i-Oktan-/n-Heptan-Mischungen (V/V) in einen Ottokraftstoff mit deutlich geringerer,
ermittelt. Dabei wird zunächst im CFR-Prüfmotor das bekannter OZ eingemischt. Anschließend misst man
Verdichtungsverhältnis solange erhöht, bis die Probe die OZ der Mischung und berechnet dann aus der er-
12 zielten Verbesserung des niedrig oktanigen Kraftstof-
fes die „Misch-OZ“ des hoch oktanigen, zugemischten
13 OZ % (V/V)
TEL
OZ % (V/V)
TEL
Anteils nach der folgenden Formel:

Misch OZ = .M − .K  b=100//=.a=100/: (22.3)


14 100 0,0000 111 0,0399
101 0,0020 112 0,0468 Es bedeuten:
15 102 0,0042 113 0,0546
M = OZ der Mischung,
K = OZ des niedrig oktanigen Ottokraftstoffs,
103 0,0066 114 0,0634 a = % M,
16 104 0,0092 115 0,0734
b = % K.

Beispiel:
17 105 0,0124 116 0,0850
Mischt man 90 % (b) eines Ottokraftstoffes mit einer
106 0,0158 117 0,0963 OZ von 85,5 (K) mit 10 % (a) des unbekannten, hoch
18 107 0,0195 118 0,1133 oktanigen Kraftstoffes und erhält bei der Messung
eine OZ von 88,3 (M), so beträgt die Misch-OZ des
108 0,0238 119 0,1308 hoch oktanigen Kraftstoffes 113,5. In der Praxis hat
19 109 0,0285 120 0,1509
sich gezeigt, dass es sinnvoll ist jeweils mehrere Mi-
schungen mit unterschiedlichen Beimischraten (10, 20,
20 110 0,0338 50 %) durchzuführen um zu einer möglichst genauen
Einschätzung der tatsächlichen Oktan-Zahl des hoch
..Abb. 22.37  Wiese-Skala für OZ > 100 [1] oktanigen Kraftstoffes zu kommen. Diese Methode
22.1 • Kraftstoffe
1035 22

liefert allerdings nur bei der Mischung gleichartiger bei hohem Wirkungsgrad werden heute allgemein
Kohlenwasserstoffe zuverlässige Ergebnisse, was ihre
Anwendung einschränkt.
Seit 1956 wendet man als praxisnahe Methode -
folgende Gesichtspunkte beachtet:
kompakter Brennraum mit möglichst niedrigem
Verhältnis von Oberfläche zu Volumen (kugelka-
die Wiese-Skala an (DIN  51788). Hierbei werden,
von i-Oktan ausgehend, ihm steigende Mengen von
TEL (Tetra Ethyl Lead; Bleitetraethyl) hinzugegeben. - lotten- oder dachförmig),
möglichst zentrale Lage der Zündkerze im
Brennraum zur Erzielung gleich langer Flam-
Das Verfahren entspricht im Prinzip der für Flug-
kraftstoffe angewendeten Performance Number (PN).
. Abb. 22.37 zeigt die Zahlenwerte für die Beziehung - menwege (vier Ventile),
möglichst große Quetschfläche durch Kolben-
überdeckung bei gleichzeitig kleinster Dicke
zwischen OZ-Werten > 100 und der jeweiligen TEL-
Zugabe zu i-Oktan.

OZ-Bedarf
-- (erzeugt Turbulenz),
hohe Ladungsbewegung,
intensive Zylinderkopfkühlung.

Der OZ-Bedarf eines Motors wird auf dem Motorprüf- Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die besten
stand im gesamten Drehzahlbereich bei Volllast gemes- Ergebnisse dann erzielt werden, wenn der im Augen-
sen. So entsteht ein Klopfgrenzkurven-Kennfeld, in das blick der Zündung vom Gemisch eingenommene Raum
die vom Hersteller festgelegte Zündverstellkennlinie so dicht wie möglich an der Zündkerze konzentriert ist.
eingetragen wird. Der OZ-Bedarf ergibt sich dann aus Auch die Wahl der Ventilsteuerzeiten ist von Einfluss
den Schnittpunkten der Klopfgrenzkurven mit dem auf die relative Klopfempfindlichkeit eines Motors. So
Zündkennfeld, wobei das Maximum sofort abgelesen wirkt sich eine große Ventilüberschneidung infolge
werden kann. Es liegt in aller Regel im Bereich des ihres Einflusses auf Restgasanteil und Gemischtempe-
maximalen Drehmoments, also des maximalen Mit- ratur klopfmindernd aus. Ein zur Erhöhung des Dreh-
teldrucks. moments im unteren Drehzahlbereich frühes Schließen
erhöht den OZ-Bedarf. Die heute weitgehende Verwen-
Motorbauart und OZ-Bedarf dung von Leichtmetall und der praktisch einheitliche
Motorisch gesehen wird der OZ-Bedarf in erster Li- Verzicht auf Luftkühlung wirken sich positiv aus.
nie durch das Verdichtungsverhältnis bestimmt. Bei
geometrisch ähnlichen Brennräumen wirkt sich ein Betriebsbedingungen und OZ-Bedarf
zunehmender Hubraum im Sinne einer Abnahme Der OZ-Bedarf ist in beträchtlichem Maß von den
der Klopfgrenzverdichtung aus. Größere Zylinder Betriebsbedingungen abhängig. Hier sind Zustand
sind also klopfempfindlicher. Ebenso gilt in ge- der Ansaugluft, Luftverhältnis, Drehzahl, Zündzeit-
wissem Grad, dass ein überquadratischer Zylinder punkt, Füllungsgrad sowie Last und Kühlmitteltem-
(s / D < 1) bei sonst gleichen Abmessungen einen peratur von Bedeutung. Steigende Werte von Druck
höheren OZ-Bedarf hat als ein unterquadratischer und Temperatur der Ansaugluft wirken sich jeweils
(s / D > 1). In beiden Fällen spielt die Weglänge, die erhöhend auf den OZ-Bedarf aus, während steigende
eine Flamme bei der Verbrennung zurückzulegen Luftfeuchtigkeit mindernd wirkt. Im Bereich des stö-
hat, eine Rolle. Hierbei ist auch das Pleuelstangen- chiometrischen Luft-Kraftstoff-Verhältnisses ist der
verhältnis r / l von Bedeutung, weil durch ein grö- OZ-Bedarf am größten. Ein jeweils fetteres oder ma-
ßeres r / l die Wirksamkeit der Kolbenüberdeckung gereres Gemisch lässt durch deren geringere Verbren-
(Quetschfläche) während der ganzen Verbrennung nungsgeschwindigkeit die für das Klopfen entschei-
annähernd gleichgehalten wird. Das Endgas hat so denden Druck- und Temperaturbedingungen nicht zu
keine Gelegenheit, auf Grund von Reduktionsvor- Stande kommen. Die Temperatur des unverbrannten
gängen ohne Wärmeabsorption hohe Temperaturen Kraftstoff-Luft-Gemisches zeigt ein analoges Verhal-
anzunehmen. Die dabei so nahe wie möglich bei ten. Steigende Drehzahl bewirkt in aller Regel eine
konstantem Volumen ablaufende Verbrennung ist rasche Abnahme des OZ-Bedarfs, da sich der Kolben
darüber hinaus auch für die Güte des thermischen dabei in einem für das Endgas kritischen Zeitpunkt
Wirkungsgrades vorteilhaft. Die allgemeine Rück- bereits weiter vom oberen Totpunkt entfernt hat und
kehr zu langhubigen Motoren ist daher neben den so das Brennraumvolumen zunimmt und die Verdich-
abgasseitigen Vorteilen auch für eine weitere Erhö- tung des Endgases entsprechend abnimmt. Ferner tritt
hung des Verdichtungsverhältnisses von Nutzen. bei hohen Drehzahlen durch die dann erzeugte große
Für die konstruktive Gestaltung des Brennraums Turbulenz im Brennraum ein rascherer Ablauf der
zur Erzielung eines möglichst geringen OZ-Bedarfs Verbrennung ein. Auch die Drosselverluste und der
1036 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

dadurch niedrigere Verdichtungsenddruck wirken in Ablagerungsgleichgewichts um bis zu sieben Einhei-


1 diese Richtung. Der Zündzeitpunkt hat naturgemäß ten ansteigen, so dass zum Beispiel ein auf Normal-
unmittelbaren Einfluss auf den OZ-Bedarf. Je früher benzin ausgelegter Motor nur noch mit Super klopffrei
22 er (weit vor OT) liegt, desto früher im Kolbenweg des
Verdichtungstaktes beginnt die Verbrennung, wodurch
zu betreiben ist.

eine Verdichtung des Endgases eintritt. Straßen-Oktan-Zahl (SOZ)


23 Im Allgemeinen neigen Ottomotoren, vor allem Wenn auch die Klopffestigkeit der Kraftstoffe durch
bei voll geöffneter Drosselklappe – also Volllast – zum die Bestimmung von ROZ und MOZ weitgehend
Klopfen, da hierbei durch größte Zylinderfüllung Aufschluss über das in einem gegebenen Fahrzeug zu
4 auch die höchsten Verbrennungsdrücke auftreten. erwartende praktische Klopfverhalten gibt, so ist doch
Der höchste OZ-Bedarf liegt meistens im Bereich die Zuordnung der Labor-Oktan-Zahlen zum tatsäch-
5 der Drehzahl des maximalen Drehmoments (Mittel- lichen Straßenverhalten mit einigen Schwierigkeiten
drucks), da hier Füllungsgrad, Zündzeitpunkt und verbunden. Es kann zum Beispiel durchaus sein, dass
Luftverhältnis besonders klopffördernd einander zuge- verschiedene Kraftstoffe mit gleicher ROZ in ein und
6 ordnet sind. Mit steigender Kühlmittel- und Öltempe- demselben Fahrzeug auf Grund der beim OZ-Bedarf
ratur steigt der OZ-Bedarf naturgemäß an, da hierbei beschriebenen zahlreichen Einflussgrößen ein durch-
7 die kritischen Bedingungen für eine spontane, unge-
wollte Verbrennung des Restgases begünstigt werden.
aus unterschiedliches Klopfverhalten zeigen. Um diese
Verhältnisse genau übersehen zu können, verwendet
Durchschnittlich kann man mit einer Erhöhung des die Mineralölforschung Prüfverfahren zur Feststellung
8 OZ-Bedarfs um etwa eine Einheit je 5 °C Kühlwasser- der auf der Straße tatsächlich geleisteten Oktan-Zahl,
Temperaturanstieg rechnen. Der Einfluss der Öltem- die sogenannte Straßen-Oktan-Zahl (SOZ). Auch hier
peratur ist etwas geringer. werden die fertigen Kraftstoffe mit den bekannten Be-
9 zugskraftstoffen verglichen. Die Messungen werden
Brennraumablagerungen und OZ-Bedarf heute entweder auf geeigneten Fahrzeugprüfständen
10 Im Lauf der Betriebszeit eines Motors bilden sich in
seinem Brennraum Ablagerungen, die seine Oberflä-
oder auf Motorprüfständen durchgeführt. Im Vergleich
zum CFR-Prüfmotor ist der Messbereich stark einge-
che, den Kolbenboden, die Ventilteller und die Zünd- schränkt, weil aussagefähige Werte nur im Bereich von
11 kerze bedecken. Sie rühren sowohl vom Kraftstoff als etwa 10 bis 15° KW um die, vom Fahrzeughersteller
auch vom Schmierstoff her. Aus dem Kraftstoff stammt vorgegebenen Grundzündeinstellung gemessen wer-
Ruß aus unvollständiger Verbrennung im Leerlauf den können. Das entspricht etwa einer Bandbreite
12 und in der Warmlaufphase. Aus dem Schmierstoff von 5  bis 6  OZ. Für die früheren Vergasermotoren
stammen gecrackte oder verkokte Ölbestandteile, wurde hierbei nach der Methode CRC F-28, der so-
13 welche über dem oberen Kolbenring zwangsläufig im genannten „Modified Uniontown Method“ verfahren,
Brennraum verbleiben, oder durch die Ventilführun- die im Prinzip der Bestimmung des OZ-Bedarfs für
gen dorthin gelangen. Auch aschebildende Additive Beschleunigungsklopfen entspricht. Dabei zeigt es
14 können einen unerwünschten Beitrag leisten. Die sich, dass, wie erwartet, die Grenzkurven steil anstei-
Auswirkungen der Ablagerungen bezüglich eines gen, weil die Klopfneigung schnell abnimmt und dass
15 gestiegenen OZ-Bedarfs beruhen auf der Verkleine-
rung des Brennraumvolumens, also ein Anstieg des
der OZ-Bedarf mit ansteigender Drehzahl ebenfalls
rasch zurückgeht. Wenn auch die sogenannten Labor-
Verdichtungsverhältnisses sowie auf einem Wärme­ Oktan-Zahlen ROZ und MOZ nur bedingt Auskunft
16 isolationseffekt. Die Klopfneigung steigt, vom neuen, über das tatsächliche Verhalten des Kraftstoffs unter
sauberen Motor ausgehend, zunächst mehr oder we- Praxisbedingungen geben, sind sie nach wie vor für die
niger rasch an und erreicht einen Höchstwert, bis sich Wechselwirkung Motor/Kraftstoff ein gültiger Maß-
17 das sogenannte Ablagerungsgleichgewicht eingestellt stab. Die SOZ liegt in der Regel zwischen ROZ und
hat. Der eher labile Gleichgewichtszustand stellt sich MOZ. Bei niedriger Drehzahl tendiert sie zur ROZ, bei
18 erfahrungsgemäß nach etwa 10.000 bis 20.000 km ein. hoher Drehzahl und bei hohem Restgasanteil eher zur
Der Anstieg des OZ-Bedarfs durch Ablagerungen im MOZ. Für Vergleichszwecke hat sich die Bildung der
Stadtverkehr ist mit dem Übergang auf unverbleite Differenz SOZ-ROZ als praktisch erwiesen. Man nennt
19 Kraftstoffe deutlich entschärft worden. Natürlich spielt sie Straßenbewertungszahl (SBZ). Diese Schreibweise
hier auch die Fahrweise eine große Rolle. Bei ungüns- hat den Vorteil, dass die SBZ positiv wird, wenn die
20 tiger Kombination aller Faktoren kann der OZ-Bedarf
eines Motors auch mit modernsten additivierten Be-
SOZ die ROZ übertrifft und, was die Regel ist, negativ
ausfällt, wenn die SOZ < ROZ ist. Diese beiden Vor-
triebsstoffen zwischen Neuzustand und Erreichen des zeichen weisen dann unmittelbar und sinngemäß auf
22.1 • Kraftstoffe
1037 22

Komponente Eigenschaft Einfluss auf SOZ


Beschleunigung hohe Last und
Oktan-Zahlen Siedeverhalten
Vergasermotor Drehzahl
ROZ MOZ
Leichtes Destillat niedrig niedrig leichtflüchtig negativ negativ
Butan
hoch hoch leichtflüchtig positiv positiv
i-Pentan/i-Heptan
Leichtes Crackbenzin hoch niedrig leichtflüchtig positiv negativ
mittel/
Schweres Reformat hoch schwerflüchtig negativ positiv
hoch
Schweres Crackbenzin mittel niedrig schwerflüchtig negativ negativ

..Abb. 22.38  Einfluss einiger Kraftstoffkomponenten auf die SOZ [6, 7]

die Bewertung eines Kraftstoffs in einem gegebenen Siedebereich haben – mit Ausnahme von Butan – die
Fahrzeug beziehungsweise Motor hin. Eine positive anderen leichten Komponenten, wie Destillat- und
SBZ weist ferner darauf hin, dass der betreffende Mo- Reformatbenzin, generell ein moderates OZ-Niveau.
tor einen Kraftstoff mit geringerer „Severity“ bewertet So ergab sich für den vorderen Siedebereich, im Ver-
als der CFR-Prüfmotor bei der ROZ-Methode und gleich zum Gesamtkraftstoff, eine zu niedrige Klopf-
umgekehrt, bei einer negativen SBZ, dass der Motor festigkeit. Als kraftstoffseitige Abhilfe wurden hoch
strenger bewertet als der CFR-Motor. oktanige leichte Komponenten, wie Isomerisat, kata-
Durch die Festlegung der Mindest-MOZ neben lytisches Crack-Benzin und Alkohole eingesetzt. Auch
der ROZ in den Anforderungsnormen ist der Einsatz die seinerzeitigen Bleiverbindungen wurden durch
großer Anteile der früher verwendeten Mischkompo- Einführung des leichtflüchtigen Bleitetramethyl an
nenten mit niedriger MOZ ausgeschlossen. Außerdem Stelle des Bleitetraethyl angepasst. Durch den generel-
ist durch die generelle Verwendung von Multipoint- len Übergang von Vergasern auf zylinderindividuelle
Einspritzsystemen die früher vorherrschende Empfind- Kraftstoffeinspritzung mit exakter Gemischzumessung
lichkeit der Motoren gegen eine ungleiche Verteilung und -aufbereitung unter transienten Bedingungen ist
der Oktan-Zahlen über den Siedebereich des Kraftstoffs die FOZ bedeutungslos geworden und wurde daher
verloren gegangen. Damit ist im Allgemeinen die Not- aus der Normung wieder zurückgezogen.
wendigkeit zur Bestimmung der SOZ entfallen, so dass
sie nur noch für Forschungszwecke Bedeutung hat. Siedeverhalten (Destillation)
Der Einfluss einiger Kraftstoffkomponenten auf die Das Siedeverhalten beziehungsweise die Flüchtigkeit
SOZ ist in . Abb. 22.38 dargestellt. Es zeigt sich, dass wird durch die Siedekurve und den Dampfdruck be-
für moderne Einspritzmotoren leichtes Destillat und stimmt. Sie ist neben der Klopffestigkeit das wichtigste
leichtes und schweres Crackbenzin negative Einflüsse Beurteilungskriterium für Ottokraftstoffe, die zwi-
haben. schen 30 und 210 °C in den dampfförmigen Zustand
übergehen.
Front-Oktan-Zahl
Der Vollständigkeit halber sei noch auf die heute Siedekurve
nicht mehr relevante Front-Oktan-Zahl hingewiesen. Bei Durchführung einer Siedeanalyse nach
Sie gibt Aufschluss über die ROZ der bis 100 °C sie- DIN EN ISO 3405 wird die eingesetzte Kraftstoffprobe
denden Bestandteile des OK. Sie war insbesondere für mit variabler Heizleistung und festgelegter Tempera-
die Vergasermotoren mit langen Ansaugwegen von turerhöhung von 1 °C/min verdampft und anschlie-
Bedeutung. Da beim plötzlichen Öffnen der Drossel- ßend kondensiert. Die resultierende Siedekurve ist für
klappe zunächst nur die leichten Komponenten die die Einschätzung der anwendungstechnischen Eigen-
Brennräume erreichen, musste sichergestellt werden, schaften äußerst aussagefähig. Ein wohlausgewogenes
dass auch in diesem Siedebereich ausreichend klopf- Siedeverhalten ist für den Betrieb von Fahrzeugen mit
feste Komponenten zur Verfügung stehen. Im unteren Ottomotor unter allen vorkommenden Bedingungen
1038 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Siedeverlauf und dessen Einfluss auf das motorische Verhalten Einfluss der Kraftstoffflüchtigkeit auf das
1 Verbrauch/Emission besser
Kaltanfahr- und Heißfahrverhalten

200

22 180
Heißfahrverhalten

23 160 Fahrverhalten
Siedetemperatur in °C

140
Heißfahrverhalten
4 120
Ölverdünnung Kaltanfahrverhalten

Rückstände schlechter
100 – im Öl
5 Verdampfungs-
verluste
– Zündkerzen
– Brennraum
fallend Kraftstoffflüchtigkeit steigend
80
..Abb. 22.40  Einfluss der Flüchtigkeit auf das Kaltan-
6 60 fahr- und Heißfahrverhalten [6]
40

7 Kaltanfahrverhalten konträren Anforderungen für Kaltanfahr- und Heiß-


Kaltstar t

20 fahrverhalten.
In der EN-Norm (vergleiche . Abb. 22.29) sind
8 0 20 40 60 80 100
sechs verschiedene Flüchtigkeitsklassen festgelegt, um
Destillat in Vol.-% geographische und jahreszeitliche Änderungen der
Witterung zu berücksichtigen. In . Abb. 22.41 sind
9 ..Abb. 22.39  Siedeverlauf und dessen Einfluss auf
als Beispiel typische deutsche OK Winterwerte für E70,
das motorische Verhalten [6]
E100 und E150 dargestellt.
10 wesentliche Voraussetzung. Die Bedeutung des Ver-
Hierzu ist ein in . Abb.  22.42 wiedergegebener
Vergleich mit dem bei deutschen OK festgestellten
laufs der Siedekurve und ihrer einzelnen Bereiche zeigt Werten für das Siedeende interessant.
11 . Abb. 22.39.
So sind die leichten, also niedrigsiedenden Anteile Dampfdruck
für schnelles Starten des kalten Motors, gutes Anspre- Der Druck, der sich in einem geschlossenen Behälter
12 chen und niedrige Abgasemission während der An- temperaturabhängig durch Verdampfen von Kraftstoff
wärmperiode ausschlaggebend. Zu viele davon können einstellt, heißt Dampfdruck. Er beeinflusst, teilweise in
13 jedoch im Sommer zur Dampfblasenbildung und er- Verbindung mit den anderen Flüchtigkeitskriterien,
höhten Verdampfungsverlusten führen. Bei nasskalter Kalt- und Heißstart, Kaltfahrverhalten und Verdamp-
Witterung kann es auch zu Drosselklappenvereisung fungsverluste. Er wird im Wesentlichen von den am
14 kommen. Zu viel schwersiedende Anteile dagegen Siedebeginn platzierten leichtesten Komponenten, wie
können insbesondere im Kaltbetrieb an den Zylin- zum Beispiel Butan, bestimmt. Für seine Bestimmung
15 derwänden kondensieren und so Ölfilm und Ölvor-
rat verdünnen. Zu wenig Komponenten im mittleren
war bis 1993 die „nasse“ Methode nach Reid in der
Norm DIN 51754 (RVP = Reid Vapor Pressure) bei einer
Siedebereich führen zu schlechtem Fahrverhalten und Prüftemperatur von 37,8 °C (100 °F) und einem Dampf-
16 unter Umständen zum „Ruckeln“ beim Beschleunigen. Flüssigkeits-Verhältnis von 4:1 verankert. Da der soge-
Die Anforderungen an den Kraftstoff sind insbeson- nannte „nasse“ RVP bei alkoholhaltigen Kraftstoffen
dere nach Abstellen des heißen Motors und baldigem zu niedrige (unkritische) Dampfdruck-Werte anzeigte,
17 Wiederstart genau umgekehrt. Unter ungünstigen Be- wurde das Prüfverfahren im Rahmen der europäischen
dingungen können Bauteile des Kraftstoffsystems so Normung auf den „trocken“ ermittelten RVP nach
18 heiß werden, dass ein zu großer Teil des Kraftstoffs DIN EN 12 umgestellt, das bis 1999 Anwendung fand.
verdampft, was zu Dampfblasenbildung in der Kraft- Mit der Änderung der DIN EN 228 zum 01.02.2000
stoffpumpe oder zu Dampfpolstern in den Einspritz- hat sich auch die Bestimmung des Dampfdrucks geän-
19 leitungen führen kann. Speziell beim Heißstart kann dert. Das Reid-Verfahren wurde durch den allgemein
es durch das Öffnen der Einspritzdüsen und dem sich anwendbaren DVPE (Dry Vapour Pressure Equivalent)
20 dadurch ergebenden schlagartigen Druckabfall zur
Gasblasenbildung kommen, was den Motorstart er-
nach DIN EN 13016-1 ersetzt. Der DVPE errechnet sich
aus dem, zum Beispiel in der Grabner-Apparatur be-
schwert bis unmöglich macht. . Abb. 22.40 zeigt die stimmten, ASVP (Air Saturated Vapour Pressure) mit
22.1 • Kraftstoffe
1039 22

SuperPlus Super Normal Normbereich


% (V/V) % (V/V) % (V/V) Klasse D % (V/V)
E70 Mittelwert 36 35 37
22 – 50
Bereich 29 – 46 30 – 47 29 – 48
E100 Mittelwert 55 54 58
46 – 71
Bereich 48 – 62 50 – 63 50 – 67
E150 Mittelwert 87 86 87
min 75
Bereich 78 – 93 79 – 94 76 – 98

..Abb. 22.41  Destillationswerte für deutsche Winter-OK [6]

SuperPlus Super Normal

Bereich 176 – 210 172 – 210 162 – 208

Durchschnitt 194 193 190

..Abb. 22.42  Siedeende deutscher OK [6]

einem Dampf-Flüssigkeits-Verhältnis von 4:1. Mit der erfordert die Ausbildung eines Luft-Dampf-Gemisches
Änderung der Anforderungsnorm DIN EN 228 wurden bei der sicheren Lagerung von Kraftstoffen oberhalb
auch die Flüchtigkeitsklassen geändert. Erstmals wur- des oberen Explosionspunktes einen ausreichend ho-
den zwei sogenannte Übergangszeiträume zwischen hen Dampfdruck. In den Transportvorschriften ist der
der Winter- und Sommerqualität festgelegt (vergleiche „wahre“ Dampfdruck bei 50 °C bekannt. Er gilt für ein
. Abb. 22.29). Zusätzlich zum Dampfdruck begrenzt Dampf-Flüssigkeits-Verhältnis von 0:1 und wird aus
in vier der sechs Flüchtigkeitsklassen der EN Norm als dem RVP berechnet.
zusätzlicher Parameter ein VLI-Wert (Vapor Lock In-
dex) die Kraftstoff-Flüchtigkeit, was mit Heißstart und Benzolgehalt
Heißfahrverhalten korreliert. Er berechnet sich nach Benzol (C6H6) ist die Basis der aromatischen Kohlen-
der Formel 10 ∙ RVP + 7 ∙ E70 und hat sich besonders wasserstoffe. Es ist wegen seiner hohen OZ (ROZ und
bei Vergasermotoren gut bewährt. Da der Kraftstoff in MOZ > 100) und der Verfügbarkeit aus der Koksher-
modernen Einspritzmotoren, besonders vor und in den stellung früher als wesentliche Komponente in Su-
Einspritzdüsen, höheren Temperaturen ausgesetzt ist, perkraftstoffen verwendet worden. Hierbei handelte
wurde, ebenfalls auf Basis der Prüfapparatur nach Grab- es sich allerdings um das sogenannte Motorenbenzol,
ner, eine zusätzliche Messmethode in einem weiter ge- eine Mischung aus Benzol, Toluol und Xylol (verglei-
spannten Messbereich +40 bis 80 °C – (DIN EN 13016- che . Abb. 22.1), das Geheimnis des 1924 in den Markt
2) erarbeitet. Bei dieser ebenfalls „trockenen“ Methode eingeführten ersten Superkraftstoffs der Welt „ARAL“
beträgt das Dampf-Flüssigkeits-Verhältnis 3:2. Sie zeigt (ARomaten/ALifaten), ein dem Benzin nicht nur in der
insbesondere die azeotropische Dampfdruckerhöhung Klopffestigkeit deutlich überlegenes Produkt. Nach
bei der Messung des Dampfdrucks von alkoholhaltigen Einführung der katalytischen Reformer in den 1950er
OK im Bereich > 38 °C. Bei ihnen steigt der VP über Jahren verlor die Verwendung von Motorbenzol aus der
der Temperatur deutlich höher an als bei OK ohne Al- Koksherstellung in Deutschland zunehmend an Bedeu-
kohol. Diese Methode wird im Wesentlichen bei der tung. Nach Bekanntwerden der gesundheitlichen Risi-
Entwicklung von Kraftstoffen eingesetzt. Ein Grenzwert ken beim Umgang mit Benzol setzte ein weitgehender
in der Anforderungsnorm, die die Flüchtigkeit bei ho- Verzicht auf jegliche Benzolzumischung ein, zumal als
hen Temperaturen (80 °C) begrenzt, wurde bisher nicht Ersatz für die inzwischen längst unerwünschten Klopf-
festgelegt. Allgemein gilt, dass ein zu niedriger Dampf- bremsen auf Bleibasis andere Wege gefunden worden
druck, also ein träge verdampfender Kraftstoff, ein waren. Allerdings spielen andere Aromaten nach wie vor
ungenügendes Start- und Kaltfahrverhalten zur Folge eine große Rolle in modernen OK. In der EU Norm 228
hat, während ein zu hoher Dampfdruck Probleme bei für OK war der Benzolgehalt lange Zeit auf maximal 5 %
Heißstart und Heißfahrverhalten bedeutet. Außerdem (V/V) begrenzt. Er lag im Markt bei durchschnittlich
1040 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

1 Jahr Super-
Plus
Super Normal Super
verbleit
Durch-
schnitt

22 1986 – 2,8 2,4 2,8 2,4**

1988 – 2,6 2,2 2,8 2,6****


23
1990 2,6 2,8 2.2 2,7 2,4
4 1992 2,4 2,5 1,8 2,5 2,2**

5 1994 2,0 2,1 1,6 2,3 1,9**

1996 0,9 1,9 1,5 1,6**


6 1998 0,8 1,6 1,4 1,5**

7 2000*** 0,6 0,8 0,8 0,8**

2003 0,5 0,7 0,8 0,7**


8
2008 0,6 0,7 0,7 0,7**
9 * % (V/V)
** Verbot von Normal verbleit
*** nur noch maximal 1,00 % (V/V) Benzol in Kraftstoffen zulässig
10 ..Abb. 22.43  Entwicklung des Benzolgehalts* [4]

11 Produkt Summenformel Siedepunkt Misch-OZ Misch-OZ


Siedebereich ROZ MOZ
12 Toluol C7H8 110 °C 124 112

13 Ethylbenzol C8H10 136 °C 124 107

Xylole C8H10 138 – 144 °C 120 – 146 103 – 127


14 C9 Aromaten C9H11 152 – 176 °C 118 – 171 105 – 138

15 C9 + Aromaten
(kleine Mengen)
C10H12
C11H13
169 – 210 °C 114 – 155 117 – 144

16 ..Abb. 22.44  Im OK eingesetzte Aromaten [4]

2 % (V/V) und im SuperPlus seit 1995 sogar bei 1 % stellt. Über die Aromatengehalte deutscher OK gibt
17 (V/V). Seit dem 01.01.2000 ist der Grenzwert für alle . Abb. 22.45 Aufschluss.
OK-Qualitäten auf maximal 1 % (V/V) festgelegt. In Im Vergleich hierzu sind auch die Olefingehalte
18 . Abb. 22.43 ist die Entwicklung des Benzolgehalts in deutscher OK interessant, die in . Abb. 22.46 gezeigt
deutschen OK von 1986 bis 2008 dargestellt. werden. Man erkennt, dass sie mit steigender MOZ-
Allerdings kommen zahlreiche andere Aromaten Forderung deutlich abnehmen.
19 in den Kraftstoffen zum Einsatz. . Abb. 22.44 gibt eine
Übersicht über die im OK eingesetzten Aromaten. Schwefelgehalt

20 Aromaten sind bereits im Erdöl vorhanden, wer-


den jedoch im Wesentlichen durch den katalytischen
Schwefel tritt im Erdöl fast nur in gebundener Form
als Mercaptanschwefel, Disulfidschwefel, Thiophen-
Reformer unter Freisetzung von Wasserstoff herge- schwefel unter anderen auf. Mercaptane (Thioalko-
22.1 • Kraftstoffe
1041 22

% (V/V) SuperPlus Super Normal

Toluol 13,1 10,5 9,8

Xylole 12,7 11,0 11,4

C8 + Ar 12,7 12,2 12,8

..Abb. 22.45  Aromatengehalte deutscher OK (Durchschnitt 1994) [4]

Olefingehalt % (V/V) SuperPlus Super Normal

Bereich 0 – 17 1 – 22 1 – 37

Durchschnitt 4 10 18

..Abb. 22.46  Olefingehalte deutscher OK [4]

hole) sind Schwefelderivate der Alkohole, bei denen auf die einzelnen Emissionsarten. Wie man sieht, ist
der Sauerstoff der Hydroxylgruppe OH durch S ersetzt die einzige Maßnahme, die eine Verminderung aller
ist. Im Erdöl trifft man S-Gehalte von 0,01 bis 7,0 % Schadstoffarten im Abgas bringt, eine weitgehende
an. In Kraftstoffen war ein hoher S-Gehalt seit jeher Verminderung des Schwefelgehalts.
unerwünscht und so wurde er in den Raffinerien, so- Hier noch eine Bemerkung zu dem in jüngster
weit wie wirtschaftlich vertretbar, entfernt. Abgesehen Zeit auftauchenden Begriff „Designer-Kraftstoffe“. Es
von SO2-Emissionen neigen einige Abgaskatalysato- handelt sich dabei um maßgeschneiderte Sonderkraft-
ren, insbesondere ungeregelte Katalysatoren, unter stoffe für die Fahrzeugindustrie, die zum Beispiel bei
bestimmten Betriebsbedingungen zur Umsetzung in Sonderanforderungen für die Erstbefüllung oder für
geruchsbelästigenden Schwefelwasserstoff (H2S). Forschungszwecke eingesetzt werden. Sie sind nicht
Darüber hinaus nimmt die Katalysatoreffizienz mit generell definiert, sondern werden hinsichtlich der je-
steigendem S-Gehalt des Kraftstoffes ab, wodurch sich weils gewünschten besonderen Eigenschaften von der
die Emission von CO, HC und NOx entsprechend er- Mineralölindustrie individuell komponiert.
höht, was besonders bei Speicherkatalysatoren schwer- Darüber hinaus werden seit einiger Zeit auch
wiegende Folgen haben kann. Kraftstoff-Komponenten aus dem Fischer-Tropsch-
Nach der Qualitätsnorm EN 228 darf OK seit dem Verfahren als „Designer-Kraftstoffe“ bezeichnet, da
01.01.2009 EU-weit nur noch 10 mg/kg Schwefel ent- sich über die Verfahrens-Parameter des Prozesses und
halten. In Deutschland wurden über den Anreiz einer die mögliche Weiterveredlung der Rohprodukte eine
Steuersubventionierung bereits 2003 alle Kraftstoffe, Vielzahl von Kraftstoff-Parametern über einen weiten
Otto und Diesel, auf maximal 10 mg/kg (schwefelfrei) Bereich einstellen lassen.
umgestellt.
Additive für Ottokraftstoffe
Reformulierter Kraftstoff Auf das früher wichtigste OK-Additiv Blei als Anti-
Hierunter versteht man eine Änderung der Zusam- klopfmittel wird hier nicht mehr eingegangen, da seine
mensetzung und/oder der physikalischen Kennwerte Anwendung aus toxischen Gründen nicht mehr in
mit dem Ziel der Verminderung von Schadstoff- und Betracht kommt. Somit sind auch die halogenhaltigen
Verdampfungsemissionen. Im Rahmen des europä- Brennraum-Rückstandsumwandler (Scavenger) ent-
ischen Auto-/Öl-Programms (EPEFE) wurden alle behrlich geworden. Allerdings trat bei einigen älteren
wesentlichen OK-Parameter auf ihren Einfluss auf Motoren mit sogenannten „weichen“ Ventilsitzen bei
Emissionen untersucht. . Abb. 22.47 zeigt die Mög- Verwendung von unverbleiten Kraftstoffen unter an-
lichkeiten und Konsequenzen der verschiedenen Maß- haltend hoher Belastung (im wesentlichen hohe Dreh-
nahmen in qualitativer Form. zahlen) Verschleiß auf, dem mit speziellen Additiven
Abgesehen von wirtschaftlichen Nachteilen haben auf Kalium- beziehungsweise Natriumbasis begegnet
einige der möglichen Maßnahmen gegenläufige Effekte werden konnte. Auch spielen die Additive gegen Verga-
1042 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Kraftstoff- CO HC Benzol NOx SO2 CO2 Mögliches Nachteile Nachteile


1 Parameter Raffinerie- wirtschaft- technisch
Verfahren lich
22 Schwefel- Anlagen- Mehrkosten Höhere CO2
absenkung ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ – erweiterung Hyd-

23
rode-
sulphurisierung
Siedeende- ohne geringe Ver- niedrige
4 Absenkung Investitionen fügbarkeit Dichte führt
– ⇓ verminderte zu höherem
Rentabilität volumet-
5 rischen Ver-
brauch

6 Höhere Flüchtig-
keit im mittleren



– –
nur teilweise
Investitionen
geringe Mehr- MOZ-
kosten Niveau ge-
Siedebereich erforderlich fährdet
7 Höhere Flüch- ohne Investition Verdamp-
tigkeit im unteren ⇓ ⇓ – ⇓ fungsverluste
8 Siedebereich Heißverhalt

Aromatengehalt- ⇓ Isomerisierung erhebliche ROZ-Niveau


9 Absenkung ⇓ ⇓ ⇓ – ⇓ Alkylierung Mehrkosten gefährdet
Raffinerie
CO2-Anstieg
10 Benzolgehalt- Unterschiedliche moderate
Absenkung – – ⇓ – – Investitionshöhe Mehrkosten

11 Alkohole/Ether ⇓ Komponenten- höhere Pro- Höherer


als OK-Kom- ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ tanks duktkosten volumetr.
ponenten Verbrauch
12 Heißverhalt
Korrosion

13 ..Abb. 22.47  Reformulierter Ottokraftstoff [4]

servereisung – früher ein Muss – keine Rolle mehr. Der So herrschen am Einlassventil andere Temperatur- und
14 hier und da noch als Problem auftretenden Drossel- Strömungsverhältnisse. Es besteht praktisch kein Öl-
klappen-Vereisung kann mit Hilfe oberflächenaktiver durchgang mehr, der früher einen gewissen Spüleffekt
15 Detergentien entgegengewirkt werden. Die in Otto-
kraftstoffen heute eingesetzten Additivpakete bewirken
hatte. Die Folge sind vermehrte Ablagerungen auf den
Ventilrückseiten. Bei den Brennraumablagerungen
primär, dass die systembedingt auftretenden stören- sind die Verhältnisse bei der üblichen Mehrventil­
16 den Ablagerungen in den Kraftstoff- und Gemisch- anordnung durch die entstandene Enge erschwert, so
bildungssystemen, vor allem auf den Einlassventilen, dass eine deutliche Verschlechterung bei den Emissi-
verhindert werden. Es ist durch viele Untersuchungen onen eintreten kann. Eine Verringerung dieser Abla-
17 nachgewiesen worden, dass für die Dauerhaltbarkeit gerungen um 1 g kann die NOx-Emission um 18 bis
und Sauberkeit der Motoren und ihrer Kraftstoffsys- 19 % senken. Je nach Motor und Betriebsbedingungen
18 teme, die Aufrechterhaltung der im Neuzustand erziel- stellt man in der Praxis ohne Additive Ablagerungen
ten Abgaswerte, sowie zur Erreichung und Erhaltung von 4 bis 8 g fest. Angestrebt wird eine Begrenzung
eines insgesamt guten Betriebsverhaltens, die Verwen- der Brennraumablagerungen auf 1,3 g je Zylinder.
19 dung ausgewogener, wirksamer Additivpakete uner- Für die Additiventwicklung ergibt sich hieraus das
lässlich ist und auf lange Sicht betrachtet auch eine kos- Problem, ein optimales Paket für die gegensätzlichen
20 tengünstige Maßnahme darstellt. Diese Probleme sind
nicht neu. Moderne und zukünftige Hochleistungsmo-
Anforderungen an die Einlassventilsauberkeit einer-
seits (erfordert thermostabile Komponenten) und an
toren haben neue Problembereiche entstehen lassen. die Brennraumablagerungen andererseits (möglichst
22.1 • Kraftstoffe
1043 22

Komponente Wirkstoff Verbessert Bemerkungen


Antioxidantien Paraphenylendiamine Lagerstabilität verbessert Stabilität von
Gehinderte Alkylpnenole Polimerisation Crackkomponenten
Metall- Disalicylid stoppt karalytische verbessert Stabilität von
deaktivatoren Propandiamin Wirkung v. Metallen Crackkomponenten
Korrosions- Carboxyl-, Ester- Korrosionsschutz meist gemeinsam mit
inhibitoren Aminverbindungen Detergentien eingesetzt
Detergentien Polyisobutenamine Sauberkeit Einlass- wichtigstes OK-Additiv in
Polyisobutenpolyamide und Kraftstoffsystem, Verbindung mit Trägerölen
Carboxylsäreamide verhindert Drossel- eingesetzt
Polyetheramine klappenvereisung
Fahrverhalten
Abgasemission
Lubrifier/Friction- unter anderen Polyisobu- Lebensdauer von gleicht Schmierfähigkeits-
Modifier tenamine Einspritzpumpen verlust bei schwefelarmen
OK aus
Verschleißschutz organische Kalium-, schützt Auslassventil- als Bleiersatz für alte Fahr-
Natriumverbindungen sitze zeuge, meist als separater
Zusatz

..Abb. 22.48  Übersicht OK-Additive [8]

geringe Thermostabilität) zu finden. Durch den heute geringste Ablagerungen mit entsprechend negativen
erzielten, annähernd gegen null gehenden Ölverbrauch Auswirkungen gestört werden. Also müssen Ablage-
tritt durch Kraftstoff-/Additiv-Kondensat vermehrter rungen besonders an den Einspritzdüsen unbedingt
Eintrag von Kraftstoff ins Motoröl auf. Dieses Phäno- vermieden werden. Die Sauberkeit der Einlasskanäle
men kann bei den heute üblichen, stark verlängerten hat für die notwendige Drallerzeugung eine wichtige
Ölwechselintervallen ausgeprägt sein. Auf diese Weise Bedeutung. Ein Kraftstoffadditiv kann jedoch bei den
können Kraftstoff-/Öl-Dämpfe über die geschlossene DE-Motoren nicht mehr in die Einlasskanäle gelangen.
Kurbelgehäuseentlüftung ins Ansaugsystem, in den Hinzu kommen noch deutlich höhere Einspritzdrü-
Brennraum und bis zum Katalysator gelangen, was cke zur Anwendung, wodurch die Fressneigung der
zu dessen Beschädigung oder gar Zerstörung führen Hochdruck-Kraftstoffpumpen zunimmt. Den notwen-
kann. Um solche Probleme zu entschärfen, sollten digen Verschleißschutz müssen neuartige „Lubricity-
möglichst wenige Additivanteile in die Ölwanne ge- Improver“ oder „Friction-Modifier“ übernehmen. In
langen. Auch hier tritt ein Zielkonflikt mit den ander- . Abb.  22.48 sind die heute notwendigen Additive
weitig benötigten thermostabilen Additiven zu Tage. übersichtlich zusammengestellt.
Der Übergang auf extrem schwefelarme Kraftstoffe OK verschiedener Hersteller sind grundsätzlich
verschlechtert die natürlichen Schmiereigenschaften mischbar, allerdings kann dabei die jeweils ausgewo-
des OK, da ihm bei der Entschwefelung oberflächenak- gene Wirkung der Additive verloren gehen und unter
tive Bestandteile entzogen werden, so dass dem daraus Umständen sogar Nachteile zur Folge haben können.
resultierenden erhöhten Pumpenverschleiß durch spe-
zielle Verschleißschutzadditive entgegengewirkt wer- 22.1.2.3 Alternative Ottokraftstoffe
den muss. Als erfreuliche Nebenwirkung kann durch Obwohl in der Öffentlichkeit eine Vielzahl von Al-
diese eine Verbrauchssenkung von bis zu 3,5 % ein- ternativkraftstoffen Erwähnung finden, sind nur
treten. Die immer häufiger in Erscheinung tretenden wenige davon echte Alternativen zu den bekannten
Ottomotoren mit Direkteinspritzung (DE-Motoren) Kraftstoffen auf Basis fossiler Energieträger. Zur kla-
haben eine Reihe besonderer Problemzonen, die nur ren Unterscheidung ist es zweckmäßig, zunächst von
durch spezielle Additive beherrscht werden können. erschöpflichen und unerschöpflichen oder regenera-
Die erwarteten Verbrauchs- und Emissionsvorteile tiven Energiequellen auszugehen. Die daraus hervor-
sind insbesondere auf eine zeitlich und räumlich prä- gehenden Primärenergien sind in der normalerweise
zise Ausbildung einer sogenannten Gemischwolke vorliegenden Form nicht unmittelbar zum Fahrzeug-
angewiesen. Dieses sensible System kann schon durch antrieb verwendbar, sondern erst nach Umwandlung
1044 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

durch geeignete Verfahren in praxisgerechte Sekun- hinaus jedoch auch in Mengen verfügbar sein, die
1 därenergie. An eine alternativ zum heutigen Otto- zur Versorgung eines ständig wachsenden Anteils der
kraftstoff geeignete Sekundärenergie sind bestimmte Welt-Fahrzeugpopulation – die ihrerseits stetig weiter
22 Mindestanforderungen zu stellen, wie neben der tech-
nischen Anwendbarkeit zum Beispiel Lagerfähigkeit
ansteigt – ausreichend sind. So bleibt also aus heutiger
Sicht sehr langfristig nur der Wasserstoff als zukunfts-
im Verteilersystem, Transportfähigkeit, Nutzung der weisender Alternativkraftstoff übrig. Da die Lösung
23 Tankstelleninfrastruktur und Speicherfähigkeit mit der noch anstehenden zahlreichen Probleme noch
ausreichender Energiedichte im Fahrzeug. Unter Zu- sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird, ist für die
grundelegung dieser Maßstäbe sind neben den heuti- Übergangszeit auch die nähere Betrachtung der Er-
4 gen OK-Sorten grundsätzlich auch folgende Sekun- gänzungsmöglichkeiten zum klassischen OK, nämlich
därenergien geeignet: LPG, CNG/LNG, Methanol und Ethanol interessant.
5 LPG = L iquefied Petroleum Gas. Unter Druck ver- Ergänzend sei angemerkt, dass in jüngerer Vergan-
flüssigtes Autogas auf Basis Propan und Bu- genheit die in den Kriegsjahren entwickelte Fischer-
tan. Tropsch-Technologie zur Herstellung synthetischer
6 CNG = C  ompressed Natural Gas. Komprimiertes Kraftstoffe wieder weltweite Beachtung gefunden hat.
Erdgas auf Basis Methan. Während in den Kriegszeiten mittels dieser Technolo-
7 LNG = L iquefied Natural Gas. Bei niedriger Tempe-
ratur verflüssigtes Erdgas auf Basis Methan.
gie Benzin aus Kohle hergestellt wurde, konzentriert
man sich nun auf die Umwandlung von Erdgas in
MEOH = Methanol. Alkohol meist aus Erdgas (Me- flüssige Kohlenwasserstoffe. Entsprechend werden die
8 than), auch als Holzgeist bezeichnet. Synfuels allgemein als GTL (Gas to Liquid) bezeich-
ETOH = E thanol. Alkohol aus zuckerhaltigen Pflan- net. Da der Verfahrensstufe der Kraftstoffsynthese in
zen. Auch als Spiritus oder Sprit bezeichnet. der Fischer-Tropsch-Technologie eine Dampfrefor-
9 GH2 = G  aseous Hydrogen, gasförmiger Wasserstoff. mierungs- oder Vergasungsstufe voransteht, können
Aus Wasser und allen wasserstoffhaltigen also grundsächlich alle kohlenstoffhaltigen Ressour-
10 LH2
Energieträgern herstellbar.
= L iquefied Hydrogen, bei tiefer Temperatur
cen eingesetzt werden. Das heißt neben Kohle, Erd-
gas etc. kann also auch Biomasse in flüssige Kraftstoffe
flüssiger Wasserstoff. umgewandelt werden. Entsprechend der Ressource
11 wird in der allgemeinen Nomenklatur dieser Kraft-
Als tatsächliche alternative Kraftstoffe können streng stoff als BTL (Biomass-to-Liquid) bezeichnet und zeigt
genommen nur diejenigen angesehen werden, die die Zukunftsfähigkeit dieser Technologie auf. Von
12 nicht auf Basis der Primärenergien Erdöl, Erdgas den Produkteigenschaften her sind Fischer-Tropsch-
oder Kohle hergestellt werden. Sie müssen darüber Produkte dem konventionellen DK sehr ähnlich und
13
Eigenschaft Einheit Grenzwert Prüfverfahren

14 minimal maximal
M OZ – 89 Berechnet
15 Gehalt an 1,3-Butadien [Mol-%] 0,5 ISO 7941
3
Schwefelwasserstoff [Mg/m ] <4 ISO 8819
16 Gesamtschwefel [Mg/kg] 200 ISO 24260
Cu-Korrosion [Kor. Grad] 1 ISO 6251
17 Abdampfrückstand [Mg/kg] 100 NF M 41-015
Dampfdruck abs. b. 40 °C [KPa] 1550 ISO 2456
18 Dampfdruck absolut [°C]
minimal 250 kPa bei Temp.
19 Klasse A
Klasse B
–10
–5
ISO 4256

Klasse C 0
20 Klasse D +10

..Abb. 22.49  Qualitätsanforderungen an Flüssiggas (Auszug aus DIN EN 589) [4]


22.1 • Kraftstoffe
1045 22

Kennwert Einheit Propan Butan 50/50


Summenformel – C3H8 C4H10 –
Dichte des Gases
[kg/m3] 1,81 2,38 2,06
bei 15 °C
Dichte der Flüssigkeit
[kg/m3] 510 580 540
bei 15 °C
Siedepunkt [°C] –42 –0,5 –20,7
3
Volumetrischer Heizwert [MJ/m ] 93,45 108,4 101,9
Massen-Heizwert [MJ/kg] 46,1 45,75 45,8
ROZ – 111 94 100
MOZ – 96 89,6 95

..Abb. 22.50  Kennwerte für Flüssiggase [4]

könnten im Vergleich zu anderen angedachten Kraft- Die Anwendung von Flüssiggas im Ottomotor
stoffalternativen vergleichsweise einfach in den Markt bringt einige Vorteile, wie saubere Verbrennung bei
eingeführt werden. Infolge des enormen Investigati- hoher Leistung und niedriger Verbrauch, sowie bessere
onsaufwandes der Fischer-Tropsch-Technologie und Rohemissionen im Abgas. Leider können diese Vorteile
auch den hohen logistischen Aufwendungen besteht nur bei monovalenten Gasfahrzeugen genutzt werden,
nur bei Hochpreisszenarien für Rohöl eine Aussicht wenn Motor und Fahrzeug konsequent auf Gasbetrieb
auf Wirtschaftlichkeit, sofern nicht weitere technische ausgerichtet sind. Ebenso kann ihre hohe Klopffestig-
Entwicklungssprünge greifen. keit ohne eine deutliche Erhöhung der Verdichtung
nicht genutzt werden. Aufgrund des günstigeren C-
Gaskraftstoffe LPG/CNG/LNG Verhältnisses entsteht bei der Verbrennung von LPG
Unter der Bezeichnung Treibgas oder Flüssiggas sind weniger CO2 als mit Ottokraftstoff bei gleicher Fahr-
Gemische der Raffineriegase Propan und Butan be- zeug-Laufleistung. Als Nachteil muss die Gewichtser-
sonders in der ersten Zeit nach dem 2. Weltkrieg als höhung und die Kofferraumverminderung durch den
Notkraftstoffe eingesetzt worden. Sie wurden vor al- Drucktank erwähnt werden. Ganz wesentlich für eine
lem in Lkw in dünnwandigen Stahlflaschen verwendet, wirtschaftliche Nutzung ist die länderspezifische steu-
die zwecks Nachtankens an Füllstationen ausgetauscht erliche Belastung. Bereits in der Vergangenheit wurde
wurden. Heute ist LPG als Autogas in Drucktanks, die in den Niederlanden und in Italien, wo ein raffinerie-
an besonderen Autogastanksäulen betankt werden, gegebener Überschuss an Flüssiggas konsequent als Er-
im Dualbetrieb mit OK partiell eingeführt. Spezielle gänzungskraftstoff via steuerlicher Präferenz genutzt.
Qualitätsanforderungen sind in der EU Norm EN 589 Nach dem Energiesteuergesetz wird in Deutschland
festgelegt. Die Einzelheiten sind in . Abb. 22.49 wie- LPG bis Ende 2018 mit einem verminderten Steuersatz
dergegeben. versteuert. Dadurch ist in Deutschland die Differenz
Es zeigt sich, dass der Dampfdruck wesentlich aus Steuerbegünstigung und Umbaunotwendigkeit auf
höher ist als bei OK. Der Dampfdruck ist durch das Dualbetrieb so groß, dass die Mehrkosten von Viel-
Verhältnis von Propan zu Butan in der Mischung fahrern ausgeglichen werden können. Aufgrund der
einstellbar. Die Einhaltung des Dampfdrucks in den gestiegenen Nachfrage nach LPG hat sich in Deutsch-
Klassen A bis D ist zur Sicherstellung des Kaltstarts land auch die Zahl der Tankstellen deutlich erhöht. Im
notwendig. Flüssiggas ist bei Normaldruck und -tem- Hinblick auf die Nutzung von LPG gibt es einschrän-
peratur gasförmig. Da Propan und Butan auf das Vo- kende Verordnungen, wie das Verbot der Benutzung
lumen bezogen erheblich energieärmer als OK sind, von Tiefgaragen und Parkhäusern. Motorseitig ist beim
werden sie für die Speicherung unter Druck verflüssigt. Dualbetrieb die Einhaltung der weiter verschärften
Bei Raumtemperatur werden sie bei 25 bar flüssig. In Abgasgrenzwerte erschwert. Als Fazit ist festzustellen,
. Abb. 22.50 sind einige interessante Kennwerte für dass Autogas als Ergänzungskraftstoff zwar wachsende
Flüssiggase zusammengefasst. Bedeutung haben kann, insbesondere im Hinblick auf
die im Vergleich zu OK geringeren CO2-Emissionen.
1046 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

1 Aufbau einer CNG-Tankstelle

22
23 Erdgas-
anschluss

4
Verdichter Erdgas- Hochdruck- Zapfsäule
Trocknung speicher
5
6 ..Abb. 22.51  Aufbau einer CNG-Tankstelle [9]

Stoffwert SOK CNG


7
Aggregatzustand im Tank flüssig gasförmig
8 Druck im Tank Atmosphäre 200 bar
3
Dichte 751 kg/m 170 kg/m3
9 Heizwert Hu Volumen 30,8 MJ/l 7,2 MJ/l
Heizwert Hu Masse 41,0 MJ/kg 47,7 MJ/kg
10
..Abb. 22.52  Stoffwerte von CNG im Vergleich zu OK [4]

11 CNG, also Erdgas – hauptsächlich Methan – un- passte Ottomotoren im mono- beziehungsweise biva-
ter hohem Druck (300 bar) wurde erstmals nach dem lenten Betrieb geeignet. In Deutschland wird davon
2. Weltkrieg im Ruhrgebiet für den Betrieb von schwe- trotz entsprechender steuerlicher Anreize noch nicht
12 ren Nutzfahrzeugen mit Ottomotoren vom damaligen in nennenswerten Stückzahlen auch im Pkw-Bereich
Benzol-Verband eingesetzt. Durch die damals enge Gebrauch gemacht. Darüber hinaus ist sein Einsatz vor
13 Zusammenarbeit mit dem Bergbau wurde das dort an- allem wegen der aufwändigen und sperrigen Fahrzeug-
fallende Methan (Grubengas) in einer 1950 gebauten tanks bisher vorwiegend in Nfz und Pickups zu fin-
Hochdruck-Ringleitung, über Verdichterstationen auf den. Besonders in Stadtbussen werden die erheblichen
14 300 bar komprimiert, zu verschiedenen Abgabestellen Emissionsvorteile geschätzt. In . Abb. 22.52 sind die
geleitet, wo Hochdruckflaschenbatterien in schweren Stoffwerte von CNG mit OK verglichen.
15 Nutzfahrzeugen aufgefüllt wurden. Diese seinerzeit
eher gewagte Pionierleistung wurde 1953 eingestellt, da
Bei früheren Gasmotoren erfolgte die Gemisch-
bildung in einem Mischer, der dem früheren Verga-
inzwischen wieder genügend OK zur Verfügung stand ser nicht unähnlich ist. Das Wirkprinzip ist das eines
16 und Schwerlastwagen mit Ottomotoren quasi aus der Venturirohres. Wegen des an der engsten Stelle herr-
Mode kamen. Vom derzeitigen Erdgasverbrauch aus- schenden Unterdrucks wird über dort vorhandene
gehend, werden die sicher gewinnbaren Vorräte 60 bis Bohrungen die erforderliche Menge Erdgas angesaugt
17 65 Jahre reichen, so dass man mit Erdgas längerfristig und mit der Luft vermischt. Moderne CNG-Systeme
als Ergänzungskraftstoff rechnen kann. CNG ist für nutzen dagegen einen Ottomotor, bei dem unter ande-
18 den Fahrzeugeinsatz auf 200 bar komprimiertes Erd- ren das Einspritzsystem mit zusätzlichen Injektoren für
gas. Es kann an entsprechend eingerichteten Tankstel- den CNG-Betrieb ausgestattet wurde. Wegen der Spei-
len auf diesen Druck gebracht werden. In . Abb. 22.51 cherung von CNG an Bord des Fahrzeuges unter dem
19 ist der Aufbau einer solchen Anlage wiedergegeben. Druck von 200 bar ist ein Gasdruckregler notwendig,
Erdgas, das je nach Herkunft eine unterschiedliche der das Erdgas auf einen niedrigeren Systemdruck
20 Zusammensetzung aufweist – typisch sind circa 90 %
Methan und circa 10 % Ethan – ist wegen seiner ho-
entspannt und so dem Einspritzsystem zuführt. Im
Vergleich zum reinen Benzinbetrieb muss man mit ei-
hen Klopffestigkeit primär für entsprechend ange- ner Leistungseinbuße von circa 5 % rechnen. Ursache
22.1 • Kraftstoffe
1047 22

hierfür sind das um die Gasmenge reduzierte Luftan-


Stoffkreislauf der
saugvolumen und die bei älteren Systemen durch die Wasserstofftechnologie
Drosselklappe und den Venturi-Mischer verursachte
Drosselung. Erfahrungswerte mit Linienbussen zeigen
je nach Einsatzart einen Mehrverbrauch von 22  bis
35 %. Von besonderem Vorteil bei dieser Einsatzart ist
jedoch die völlige Rußfreiheit bei hohen Drehmomen-
ten und niedrigen Drehzahlen, was das Abgas prak-
tisch partikelfrei macht, sowie der wesentlich leisere
Motorlauf. Die übliche Ausrüstung mit geregeltem
Dreiwegekatalysator sorgt im Übrigen für extrem nied-
rige Emissionswerte. Die Speicherung kann auch bei
..Abb. 22.53  Stoffkreislauf der Wasserstofftechnolo-
−160 °C und 2 bar Druck erfolgen, wobei Erdgas dann
gie [9]
in flüssiger Form als LNG vorliegt. Die Verflüssigung
muss mit zusätzlichem Energieaufwand großindust- Kreislauf zurückkehren kann. In . Abb.  22.54 sind
riell im Vorfeld des Einsatzes erfolgen. Im Fahrzeug die Stoffwerte zusammengestellt.
muss ein perfekt isolierter Kryotank in Verbindung mit Flüssigwasserstoff hat massebezogen etwa den
der erforderlichen Regeltechnik verwendet werden. dreifachen Energiegehalt im Vergleich zu Kohlen-
Der Aufwand ist beträchtlich. Außer zu Versuchszwe- wasserstoffen und deutlich weitere Zündgrenzen in
cken wird von dieser Technik in der Praxis bisher kein Luft. Für Transport und Lagerung, sowohl für das
Gebrauch gemacht. Insgesamt wird auch CNG nur Verteilungssystem als auch für das Fahrzeug, sind the-
partiell als Ergänzungskraftstoff in Betracht kommen oretisch drei Möglichkeiten vorhanden: Hochdruck-
können. Die wesentlichen Produktanforderungen an speicher, Metallhydridspeicher und Flüssigspeicher.
Erdgas als Kraftstoff sind in DIN 51 624 festgelegt. Hochdruckspeicher bei 350 bar (bis zu 700 bar in der
Entwicklung befindlich) haben als Speichermedium
Wasserstoff Einzug in den Alltag der ersten Wasserstoff Pkw ge-
Diese Sekundärenergie kann aus zahlreichen wasser- funden. Metallhydridspeicher, in denen der Wasser-
stoffhaltigen Substanzen wie Wasser, Erdgas, Methanol stoff an Metalllegierungen angelagert wird, bieten
oder Biomasse unter Einsatz von Energie zur „Heraus- zwar einen hohen Sicherheitsstandard, sind aber in der
lösung“ des H2 gewonnen werden. Die Bedeutung des Speichermenge, trotz des bereits erreichten Entwick-
Wasserstoffs als umweltfreundliches Kreislaufsystem lungsstandes, begrenzt. So wäre bereits für eine Pkw-
geht aus . Abb. 22.53 hervor. Reichwerte von 200 km ein Tankgewicht von mehreren
Idealerweise – aber noch extrem teuer – wird Hundert kg erforderlich. Beim Flüssigspeicher wird
Wasserstoff mittels regenerativ erzeugtem Strom zum der Wasserstoff auf −253 °C abgekühlt und in einem
Beispiel aus Sonnenenergie oder Wasserkraft oder Kryotank mit Hochleistungsisoliertechnik gespeichert
Windenergie per Elektrolyse gewonnen. Bei seiner (LH2). Der hohe Energieaufwand für die Tiefkühlung
Verbrennung im Ottomotor treten außer NOx aus belastet allerdings die Energiebilanz beträchtlich. Es
der Luft praktisch weder Schadstoffe noch CO2 auf, kommt hinzu, dass bei längerem Stillstand des Fahr-
sondern Wasser in Dampfform, das wieder in den zeugs Wasserstoffverluste durch Abblasen entstehen.

Bezeichnung Einheit Stoffwert


Dichte der Flüssigkeit bei 20,3 °K [kg/m3] 70,79
3
Dichte des Gases bei 20,3 °K [kg/m ] 1,34
3
Dichte des Gases bei 273,15 °K [kg/m ] 0,09
Verdampfungswärme [kJ/kg] 445,4
unterer Heizwert Hu [MJ/kg] 119,97
untere Zündgrenze in Luft [% (V/V)] 4,0 – 4,1
obere Zündgrenze in Luft [% (V/V)] 75,0 – 79,2
* bei 1,013 bar abs.

..Abb. 22.54  Stoffwerte von Wasserstoff* [4, 10]


1048 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Bezeichnung Abkür- Siede- Dichte Dampf- ROZ MOZ Heiz- Verdamp- O2-
1 zung punkt 20 °C druck wert fungs- Gehalt
Hu wärme
22 [°C] [kg/m3][Hpa] [MJ/l] [kJ/kg] [% (m/m)]
Methylalkohol Methanol 64,7 791,2 32 114,4 94,6 15,7 1100 49,93

23 Ethylalkohol Ethanol 78,3 789,4 17


S: 60 – 70
114,4 94,0 21,2 910 34,73

Super Kraftstoff SOK 30 – 215 725 – 780 95 85 circa 41 380 – 500 0–2
W: 80 – 90
4
..Abb. 22.55  Stoffwerte von Methanol und Ethanol im Vergleich zu SOK [4, 9]

5 Beim derzeitigen Entwicklungsstand muss man bis zu sinnvoll. Zusätzlich muss eine geeignete Infrastruktur
> 2 % pro Tag rechnen. Der Tankvorgang erfordert ei- für die Betankung entsprechender Fahrzeuge geschaf-
nen außergewöhnlich großen Aufwand, da neben der fen werden. Die Verwendung eines Elektromotors bei
6 Beherrschung der Tieftemperatur auch eine vollstän- Fahrzeugen mit Brennstoff-Technologie hat in letzter
dige Evakuierung von Feuchtigkeit und Luft notwendig Zeit auch eine weitere langfristige Alternative für eine
7 ist. Diese Herausforderung an die Betankungstechnik
ist mittlerweile gelöst und es wurde in der Praxis so-
nachhaltige Mobilität in die Diskussion gebracht: den
Elektroantrieb. Aber ähnlich wie bei der Wasserstoff-
wohl die vollautomatische Roboterbetankung als auch Technologie müssen auch bei der Elektromobilität
8 die konventionelle Betankung durch den Kunden er- erst noch grundlegende Probleme, wie zum Beispiel
folgreich erprobt. Der zuerst lange Zeit in Anspruch Erhöhung der Energiespeicherdichte der Batterien,
nehmende Tankvorgang konnte bereits auf annehm- Reduktion des Batteriegewichtes und -volumens, In-
9 bare Werte gesenkt werden. Für die kommerzielle An- stallation einer Beladungs-Infrastruktur und nicht zu-
wendung sind noch Weiterentwicklungen zu erwarten. letzt ausreichend elektrischer Strom auf regenerativer
10 Als Energieumwandler im Fahrzeug sind sowohl der
Ottomotor als auch die Brennstoffzelle denkbar. Für
Basis, überwunden werden, damit Marktreife erlangt
werden kann.
den Ottomotor waren die Gemischaufbereitung und
11 Steuerung der Verbrennung neu zu entwickeln. Opti- Alkoholkraftstoffe
mal hinsichtlich der Steuerung des Verbrennungsab- Alkohole sind Kohlenwasserstoff-Sauerstoffverbin-
laufs und der NOx-Emission wäre die Verbrennung im dungen, sogenannte Oxygenate, deren besonderes
12 deutlich mageren Bereich, die allerdings mit Leistungs- Kennzeichen die im Molekül an Stelle eines Wasser-
verlust verbunden ist. Bei geringerem Luftüberschuss stoffatoms vorhandene OH-Gruppe ist. Kurzkettige
13 ist zur Steuerung der Verbrennung unter Umständen primäre Alkohole (eine OH-Gruppe) sind prinzipiell
eine zusätzliche Wassereinspritzung ins Saugrohr not- gut für den Fahrzeugantrieb mit Ottomotor geeignet.
wendig, weil sonst Rückzündungen ins Einlasssystem Die Techniken für ihre Herstellung sind bekannt und
14 auftreten können. Ideal wäre es, den Wasserstoff flüssig ausgereift. Transport, Lagerung und Verteilung kön-
direkt in den Brennraum einzuspritzen. Es sei noch nen praktisch im vorhandenen System erfolgen. Die
15 darauf hingewiesen, dass wegen der hohen Zündwil-
ligkeit von Wasserstoff der Ottomotor nicht sehr hoch
Stoffwerte für die wichtigsten Alkohole wurden bereits
in . Abb. 22.24 dargestellt. Für die hier angestellte Be-
verdichtet werden kann, womit ein geringerer thermo- trachtung sind als Ergänzungskraftstoffe nur Methanol
16 dynamischer Wirkungsgrad verbunden ist. Die Lösung und insbesondere Ethanol interessant. In . Abb. 22.55
des NOx-Problems dürfte noch einige Zeit in An- sind noch einmal ihre Stoffwerte im Vergleich zu Su-
spruch nehmen. Durch die in den letzten Jahren welt- perkraftstoff dargestellt.
17 weit vorangetriebene Entwicklung der Brennstoffzelle Gravierende Unterschiede für die Praxis ergeben
mit elektromotorischem Antrieb für Kfz kann man sich in der Klopffestigkeit, im Heizwert und in der
18 erwarten, dass dieses System für die Wasserstoffnut- Verdampfungswärme. Von besonderem Vorteil ist
zung besser geeignet ist als der Ottomotor. Allerdings die hohe Klopffestigkeit, die über ein entsprechend
müssen zunächst noch die Produktionsverfahren für erhöhtes Verdichtungsverhältnis zur Verbesserung
19 die Brennstoffzelle optimiert werden. Die Erzeugung des Wirkungsgrades genutzt werden kann. Sie wei-
von Wasserstoff auf der Basis fossiler Energieträger ist sen auch eine höhere Brenngeschwindigkeit auf, die
20 nicht zielführend. Als Energiequelle für die H2-Pro-
duktion erscheint nur die Fotovoltaik vor dem Hin-
eine entsprechende Anpassung des Zündkennfeldes
erfordert (vergleiche „Rennkraftstoffe“). Der deutlich
tergrund der umwelttechnischen Herausforderungen niedrigere volumetrische Heizwert hat allerdings ei-
22.1 • Kraftstoffe
1049 22

Kennwert Einheit Sommer Winter


Methanol % (m/m)] minimal 82 minimal 82
HC total* % (m/m)] minimal 10, maximal 13
Butan % (m/m)] maximal 1,5 maximal 2,5
3
Dichte 15 °C kg/m ] 770 – 990
Dampfdruck RVP kPa] 55– 70** 75– 90**
Wassergehalt ppm] minimal 2.000, maximal 5.000***
höhere Alkohole % (m/m)] maximal 5
Ameisensäure ppm maximal 5
Gesamtsäure**** ppm maximal 20
Abdampfrückstand mg/kg maximal 5
Chlor ppm maximal 2
Blei ppm maximal 30
Phosphor ppm maximal 10
Schwefel ppm maximal 10
Additive % maximal 1
* Art der Kohlenwasserstoffe, Siedeverhalten und Menge je nach Einsatzart
** Beispiel für Mitteleuropa
*** mit Korrosionsinhibitor
**** als Essigsäure gemessen

..Abb. 22.56  Spezifikation für Methanolkraftstoff [10]

nen dementsprechend höheren Verbrauch zur Folge. die Verwendung besonderer Additive. Alkohole kön-
Die wesentlich größere Verdampfungswärme bewirkt nen sowohl in reiner Form als auch in Mischungen
eine starke Abkühlung des Kraftstoff-Luft-Gemisches, mit Kohlenwasserstoffen eingesetzt werden. Geringe
was über die bessere Innenkühlung zu besserer Füllung Konzentrationen, wie in ▶ Abschn. 22.1.2.1 beschrie-
und damit Leistung führt. Die ausgeprägte Volumen- ben, erfordern keine Änderungen am Fahrzeug mit der
vergrößerung des Kraftstoff-Luft-Gemisches nach der Ausnahme, dass auch schon hier die Verträglichkeit
Kraftstoffverdampfung ermöglicht höhere Mitteldrü- von Elastomeren im Kraftstoffsystem sichergestellte
cke als bei Benzin und bietet einen höheren thermo- sein muss. Höhere Konzentrationen wie zum Beispiel
dynamischen Wirkungsgrad im Motor. Im Übrigen ist 15 % (V/V) Methanol im OK bedingen entsprechende
der Zündbereich eines Alkohol-Luft-Gemisches größer Anpassungen. Die Grundlagen hierfür wurden in ei-
als bei Benzin, was einen größeren Luftüberschuss bei nem Gemeinschaftsprojekt der deutschen Fahrzeug-
Teillast ermöglicht. Die Auswirkungen auf die Abgas- und Mineralölindustrie mit Förderung durch das Bun-
Rohemissionen sind ebenfalls günstig. Der jeweils hö- desforschungsministerium vor 20  Jahren erarbeitet.
here Siedepunkt im Vergleich zum Siedebeginn und Zur Herstellung und Anwendung von Methanol und
der niedrigere Dampfdruck in Verbindung mit der auf Ethanol ist noch Folgendes von Interesse:
Grund der hohen Verdampfungswärme eintretenden Das einfache Alkoholmolekül CH3OH (Metha-
starken Abkühlung erfordert, insbesondere bei nied- nol) wird aus den Synthesegasen CO und H2 her-
rigen Temperaturen, besondere Vorkehrungen, wie gestellt, die ihrerseits aus allen kohlenstoffhaltigen
zum Beispiel Vorwärmung des Ansaugsystems. Der Primärenergieträgern, heute vorzugsweise aus Erd-
Temperaturabfall des theoretischen Gemisches ohne gas, gewonnen werden können. Es hat einen hohen
Vorwärmung ist im Vergleich zu Benzin für Metha- H2-Anteil (C/H-Verhältnis 4:1), weshalb es auch als
nol 120 °C und für Ethanol 63 °C. Die Aggressivität Ausgangsprodukt für die Wasserstoffherstellung im
von Alkoholen gegenüber Metallen und Elastomeren, Zusammenhang mit der Infrastruktur für die Brenn-
insbesondere in Mischungen mit konventionellem stoffzellentechnologie, zumindest in der Anlaufphase,
Ottokraftstoff, erfordert besondere Werkstoffe und interessant ist. Es kann als Benzin-Methanol-Misch-
1050 Kapitel 22 • Betriebsstoffe

Zuckerhaltig Zellulosehaltig
1
Zuckerrohr Getreide Waldrestholz, schnell wachsende Bäume
22 Zuckerrübe
Zuckerhirse
Mais
Maniok
Hanf, Kenaf
Bagasse, Stroh,
Kartoffeln Strünke, Schalen, Hülsen
23 Altpapier

..Abb. 22.57  Pflanzliche Rohstoffe für die Ethanolerzeugung [4, 9]


4
kraftstoff, zum Beispiel M 15 (15 % MEOH in OK) Rückstände bilden können. Außerdem müssen sie ge-
5 oder als Methanolkraftstoff (M 100) zur Verwendung gen korrosiven Motorverschleiß besonders additivier

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