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Mehrsprachigkeit
Mehrsprachigkeit
FOKUS:
MEHRSPRACHIGKEIT
Herausforderung oder
Selbstverständlichkeit? INLAND AUSLAND
Strategien Deutscher Wie unabhängig sind Schule 4.0 – Digitale Medien an
Auslandsschulen Bildungsstudien? Deutschen Auslandsschulen
Fremdsprachen als
Wirtschaftsfaktor ORTSTERMIN INLAND
Deutsch in Südtirol Deutscher Schulpreis und
ISSN: 0940-3132
FOKUS:
MEHRSPRACHIGKEIT Auslandsschulwettbewerbe
Herausforderung oder
Selbstverständlichkeit?
Strategien Deutscher
Auslandsschulen
Fremdsprachen als
Wirtschaftsfaktor
Mit sprachstark sprachbewusst im Fach unterrichten
Nordrhein-Westfalen zeitreise 1
Differenzierende Ausgabe
Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen
Mehrsprachigkeit
F remdsprachenkenntnisse sind die Voraussetzung für den Austausch von Wissen
und Waren, die internationale Zusammenarbeit und den Kontakt verschiede-
ner Kulturen. Aufgrund ihrer wachsenden Bedeutung in einer globalisierten Welt
steht die Mehrsprachigkeit im Fokus dieser Ausgabe. Unter anderem erörtern wir
ab S. 22, wie es derzeit um die schulischen Voraussetzungen dafür in Deutschland
steht. Anhand Deutscher Auslandsschulen in Frankreich und Belgien zeigen wir
Positivbeispiele für die Vermittlung von und den Umgang mit Mehrsprachigkeit.
Wie wichtig Mehrsprachigkeit im Beruf für Europa ist, verdeutlicht das Interview
mit Hermann Funk, Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der
Universität Jena, ab S. 30.
Gute Beispiele für gelungene schulische Arbeit finden Sie auch in unserer Serie
„Schule 4.0“. Schulbuchforscherin Prof. Dr. Felicitas Macgilchrist berichtet über den
erfolgreichen Einsatz digitaler Bildungsmedien an drei Deutschen Schulen im Aus-
land. Warum das klassische Schulbuch trotz aller technischen Errungenschaften
nicht tot ist, erklärt Macgilchrist ab S. 42.
Seit dem „PISA-Schock“ im Jahr 2000 ist die Bildungsforschung wieder ins Blick-
feld der Politik gerückt. Auch die Wirtschaft zeigt verstärktes Interesse an Bil-
dungsstudien. Erfahren Sie ab S. 50, welchen Einfluss Politik und Wirtschaft auf
Wissenschaftler ausüben.
Nach 16 Jahren als Leiter der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen verabschie-
det sich Joachim Lauer in den Ruhestand. Zusammen mit ehemaligen Weggefährten
blickt er ab S. 54 zurück – und nach vorne. Auch die Redaktion der BEGEGNUNG
bedankt sich und wünscht ihm alles Gute für die Zukunft.
BEGEGNUNG 4-2017 3
INHALT
Inhalt
FOKUS:
MEHRSPRACHIGKEIT INLAND
4 BEGEGNUNG 4-2017
INHALT
AUSLAND KOLUMNE
Studium in Deutschland an der Serie: Schule 4.0 – „Es gibt mehr „Zwischen den Schallplatten“
RWTH Aachen Freiraum als in Deutschland“ Die Gewinnerin des Kolumnenwettbe-
Ein „kleines Dorf“ für Schüler aus Interview mit Schulbuchforscherin Prof. werbs zum Thema Mehrsprachigkeit 62
Griechenland 48 Dr. Felicitas Macgilchrist über Digitalisie-
rung an Deutschen Auslandsschulen 42
Wirtschaft und Bildungsforschung
Interpretationsspielraum In der Schule Charakter zeigen Interview mit Joachim Lauer
Bildungsstudie 50 Persönlichkeitsbildung an der German Der Abteilungsleiter der ZfA verab
International School Toronto 53 schiedet sich in den Ruhestand 54
Personalia 59
AUSLAND
ORTSTERMIN Schreibtischwechsel 59, 60, 61
Umwelthelden in Thailand
Trash-Hero-Projekt an der Christlichen Südtirol Editorial 3
Deutschen Schule Chiang Mai 34 Zwist um die Zweisprachigkeit 36
Meldungen 9, 14/15, 21, 32/33, 41,
46/47, 58, 60
Impressum 61
BEGEGNUNG 4-2017 5
INLAND
DS Rio de Janeiro in
Staatsministerin im Auswärtigen Amt (3.v.l.),
über die Auszeichnung beim Deutschen
Schulpreis 2017.
Berlin prämiert
Erstmals traten Deutsche Auslandsschulen regulär beim Wettbewerb des Deutschen Schulpreises an.
Beim Finale am 29. Mai erhielt die Deutsche Schule Rio de Janeiro einen der begehrten Preise. Lob gab
es vor allem für das Inklusions- und Begegnungskonzept der Schule.
6 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
prämierte ihr Schulkonzept und attes- haben gelesen. In jeder freien Minute hat- Gedanken, nach ihrem Schulabschluss in
tierte der Auslandsschule „von Respekt ge- ten die ein klassisches deutsches Buch da- Deutschland zu studieren. „Es ist schön,
prägte Begegnungen zwischen Schülern, bei.“ Die Lernenden könnten zudem auf dass die Türen im Leben offen für uns
Eltern, Lehrern sowie dem weiteren Per- einem hohen Niveau „innerhalb eines Sat- sind und wir viele Möglichkeiten haben“,
sonal“, die die Schule „zu einer der belieb- zes“ zwischen Sprachen und Kulturen „hin lobt Oliver die Perspektiven der Schüler-
testen in Rio“ machen würden. Im Beisein und her surfen“. schaft, die sprachlich und kulturell he-
von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel terogen ist. „Kulturenvielfalt haben, leben
konnte das deutsche Auslandsschulwe- Kulturenvielfalt und und fördern“, darauf lege man in Rio viel
sen damit direkt bei der ersten regulären Durchlässigkeit Wert, meint die deutsche Schulleiterin
Teilnahme am Wettbewerb des Deutschen Maria Carolina Martins und Oliver Toni Anke Junge-Ehmke. Sie lobt auch die hohe
Schulpreises einen großen Erfolg feiern. sind zwei dieser Sprachsurfer. Die beiden Durchlässigkeit vom brasilianischen in
2016 hatte es einen Sonderpreis für Deut- Schüler der 11. und 12. Klasse sind als Teil den deutschen Zweig der DS. Das könnte >
sche Auslandsschulen gegeben, dieser ging
damals an die DS Johannesburg.
BEGEGNUNG 4-2017 7
INLAND
Zufriedene Bostoner
Neben der DS Rio de Janeiro ist auch der German International
School Boston der Sprung ins Finale des Schulpreises gelungen.
Dass erstmals eine Teilnahme am regulären Wettbewerb möglich
war, freut Schulleiter Dr. Jochen Schnack: „Ich finde es wunderbar,
dass in diesem Schuljahr die Auslandsschulen mit den Schulen
in Deutschland im Wettbewerb standen. Das zeigt, dass die Aus-
landsschulen als normale Schulen anerkannt und nach den glei-
chen Kriterien gemessen werden.“ Zwar konnten sich die Bostoner
nicht bei den Preisträgern einreihen, aber Schnack verbucht die
Nominierung als großen Erfolg für seine junge Schule, die er liebe-
voll als „Start-up-Unternehmen“ bezeichnet. Trotz der Fluktuation
bei Schülerschaft und Lehrkräften, die häufig durch auslaufende
Verträge und Berufswechsel der Eltern oder Ehepartner zustande
kommt, könne die GIS Boston nun einen gewaltigen Qualitäts-
nachweis vorlegen. Der Druck von außen ist laut Schnack auf dem
amerikanischen Bildungsmarkt besonders groß, er spricht von
einer der „dynamischsten Bildungsregionen weltweit“.
8 BEGEGNUNG 4-2017
MELDUNGEN
Meldungen
Neuer Bundespräsident ist Schirmherr über
deutsches Auslandsschulwesen
Berlin. Nach Joachim Gauck hat Bun- hatten sich zuvor gemeinsam für die
despräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier Schirmherrschaft des Bundespräsidenten
die Schirmherrschaft über das deutsche eingesetzt. „Für die Auslandsschulen und
Auslandsschulwesen übernommen. Der die ZfA ist die Schirmherrschaft ein be-
frühere Außenminister betonte in einem sonderes Zeichen der Wertschätzung“, un-
Schreiben an die Zentralstelle für das Aus- terstrich Joachim Lauer, Leiter der ZfA. Die
landsschulwesen (ZfA): „Deutsche Aus- Auswärtige Kultur- und B
ildungspolitik
landsschulen sind wichtige Akteure der war dem neuen Schirmherrn bereits wäh-
Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, rend seiner Zeit als Außenminister ein
die Brücken bauen zwischen Deutschland wichtiges Anliegen. Die Gründung der
und den Partnerländern. Sie leisten damit Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“
einen bedeutenden Beitrag zu gegensei- (PASCH) im Jahr 2008, die weltweit mehr
tigem Verständnis und nachhaltiger Ver- als 1.800 Schulen mit Deutschschwer-
netzung, insbesondere auch der jüngeren punkt vernetzt, geht auf Steinmeier
Schon als Außenminister setzte sich
Generationen.“ Die ZfA und der Weltver- zurück. [CP] Frank-Walter Steinmeier für das Auslands-
band Deutscher Auslandsschulen (WDA) schulwesen ein.
BEGEGNUNG 4-2017 9
INLAND
Serie:
Serie: Bildungsland Deutschland? Bildungsland
Deutschland?
Herr Meidinger, befähigt das Abitur die Abiturienten von heute nicht an der Hochschule, sondern an dem, was die Studienanfän-
für das Studium? ger mitbringen. Wir haben eine Ausweitung der Zahl der Studi-
Das große Bestreben des DPhV ist, dass Studienberechtigung und enberechtigten erlebt, die zum Teil auf Kosten der Qualität ging.
Studierfähigkeit nicht auseinanderklaffen. Wir haben in Deutsch- Über die sehr weitgehende Öffnung gegenüber Berufstätigen
land das Konstrukt der allgemeinen Studierfähigkeit. Dazu stehen bin ich nicht besonders begeistert. Die Zahlen sind zwar gering,
wir auch. Wir brauchen ein allgemeinbildendes Abitur. Aller- aber sie steigen Jahr für Jahr im zweistelligen Prozentbereich. Ich
dings war es auch früher schon so, dass man mit einer Vier im glaube schon, dass man für ein Studium bestimmte Voraussetzun-
gen mitbringen muss, die manche Abschlüsse nicht automatisch
gewährleisten.
10 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
BEGEGNUNG 4-2017 11
INLAND
wenn wir 70 Prozent der jungen Leute ins Studium schicken, wie 30, 50 oder 100 Jahren, wie manche Ausbilder in Betrieben oder
Finnland, das zu Unrecht hochgelobte PISA-Sieger-Land, wo es Hochschullehrer immer wieder klagen. Dieses Gejammer reicht
22 Prozent arbeitslose Jugendliche gibt. In Deutschland haben wir bis zur Zeit der alten Griechen zurück. Fakt ist dagegen, dass die
ein Viertel dieser Quote. jungen Leute heute im Schnitt und in der Masse besser qualifiziert
sind als früher und dass sie zum Teil über ganz andere Kompeten
zen und Kulturtechniken verfügen als die Vorgängergenerationen,
Stichwort: Netzkompetenz. Aber: Die Schere zwischen sehr gut
und schlechter qualifizierten jungen Menschen geht immer wei-
ter auseinander. Das ist ein Problem für die Gesellschaft und die
Demokratie – spiegelt aber letztlich die soziale Realität in diesem
Lande wider. Deshalb braucht Schule mehr personelle und materi-
elle Ressourcen, um über die Individualisierung der Lernprozesse
für mehr Chancengleichheit sorgen zu können. Dieser Prozess be-
ginnt jedoch nicht erst in der Schule, sondern bereits in der Kita.
Deshalb machen wir uns für den quantitativen und qualitativen
Ausbau der frühkindlichen Bildung stark – ebenso für den Ganz-
tag in einem inklusiven Schulwesen. Kitas und Schulen müssen
soziale und Bildungsbenachteiligungen, die Kinder aus ihren El-
ternhäusern mitbringen, besser als zurzeit möglich ausgleichen.
12 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
die Schule nicht mehr vermittelt. Das ist aber nicht die Schuld von Anfang an auf Reflexion, kritische Distanz und eigenständige
der Schulen oder der Lehrer, sondern die Schuld einer Bildungs Aneignung geachtet wird. Daneben gibt es andere Schularten,
politik, die auf gefällig macht. die ganz bewusst andere Bildungsziele verfolgen. PISA allerdings
kennt aber eigentlich überhaupt keinen umfassenden Bildungsbe-
Für welchen Weg plädiert der DPhV, Herr Meidinger? griff mehr. Das heißt, die Studie schaut einheitlich bei 15-Jährigen,
Früher hat man manchmal unterschieden zwischen einer niedri- was sie für Fähigkeiten und Kompetenzen brauchen, um erfolg-
geren und einer höheren Bildung. Dem Gymnasium ist oft unter- reich in der Schule zu sein. Da geht natürlich vieles verloren,
stellt worden, dass es eine höhere Bildung beansprucht und auf Persönlichkeitsbildung, der umfassende Allgemeinbildungsan-
andere Schularten oder auch die praktische Berufsbildung herab- satz. Das Tolle an einem Gymnasium – und das können wenig
blickt. Das ist nicht unsere Sichtweise. Ich sehe es als großen Vor- andere Schularten bieten – ist doch, dass man sehr viele Fächer
teil des deutschen Schulsystems, dass es verschiedene Schularten und Wahlangebote hat, mit denen man Begabungen von Schülern
mit unterschiedlichen Profilen und Bildungsbegriffen gibt. Da ge- erfassen kann. Ich erkenne eine Begabung in Naturwissenschaf-
hört das Gymnasium dazu, das eine sehr breite Allgemeinbildung ten, Rhetorik oder Musik und kann sie umgehend fördern. Diesen
bietet und eben wirklich direkt zur Studierfähigkeit führt, sodass breiten Ansatz sollte man nicht aufgeben.
100
13,1 19,6 23,6 25,5 28,0 31,3 34,8 41,5 44,3 42,1 5,5
90 20,1
12,4
80
15,7
10,9 16,8
70 2,5 21,1 12,8
66,3 23,9
26,0
26,1
60
5,2
15,4 32,3 33,0
31,6
50 48,4 14,7
14,4
40 39,8 12,7
34,1 10,3
30 28,9
25,5 23,6
21,6 19,1
20 19,9
10
3,2
0 4,3 4,6 3,8 4,0 4,2 4,0 4,5 3,9 3,4 2,0 56,1
vor 1945 1945–1950 1950–1955 1955–1960 1960–1965 1965–1970 1970–1975 1975–1980 1980–1985 1985–1990 1990–1995
noch in schulischer Ausbildung Abschluss der polytechnischen Hinweise: „Hauptschulabschluss“ einschließlich Volksschulabschluss,
ohne allgemeinbildenden Oberschule (DDR) „Hochschulreife“ einschließlich Fachhochschulreife, „Ohne allgemeinbil-
Abschluss Mittlerer Abschluss denden Abschluss“ einschließlich Abschluss nach höchstens sieben Jahren
Schulbesuch. Die Anteilswerte summieren sich nicht auf 100 Prozent, da die
Hauptschulabschluss Hochschulreife
Kategorie „Ohne Angaben des Schulabschlusses“ hier nicht aufgeführt wird.
BEGEGNUNG 4-2017 13
MELDUNGEN
Meldungen
Deutsche Auslands-
schüler treffen
Bundeskanzlerin
Merkel
Mexiko-Stadt. Im Juni besuchte Dr.
Angela Merkel die Abschlussveranstaltung
des Deutschlandjahrs in Mexiko und be-
kam dabei von Grundschülern der Deut-
schen Schule Alexander von Humboldt
ein selbst gestaltetes Buch überreicht.
Das deutsch-mexikanische Kinderbuch
„Ein Toño in Deutschland“ ist ein Ge-
meinschaftsprojekt von Erstklässlern
der Deutschen Schule in Mexiko-Stadt der Deutschen Schule in Mexiko-Stadt. Schüler der Deutschen Schule Alexander
und der Grundschule Beerwinkel in Ber- Jugendliche der Sekundarstufe beteilig- von Humboldt schenken Angela Merkel
ein selbst gestaltetes Kinderbuch.
lin, der Grundschulleiterin des Campus ten sich zudem an Workshops zu The-
West, Ira Marsch, und dem Kunstlehrer men wie Chemie oder Holzbearbeitung.
Luis Luna. Ältere Schüler verfolgten ei- Während des Deutschlandjahrs fanden freundschaftliche, tolerante und interdis-
nen Vortrag der Kanzlerin, die anlässlich rund 1.300 Veranstaltungen statt, darun- ziplinäre Begegnung der Weltkulturen.
eines Science-Slams über ihre Erfahrun- ter Konzerte, Ausstellungen, Workshops [MS]
gen als Physikstudentin sprach. Unter und Symposien. Für eine Grundidee des
den Teilnehmern des Wissenschaftswett- Deutschlandjahrs stand der Namensgeber Weitere Informationen zum Deutschland
streits waren auch Oberstufenschüler der DS Alexander von Humboldt Pate: eine jahr: www.alemania-mexico.com/de
14 BEGEGNUNG 4-2017
MELDUNGEN
Bildungsgipfel im Flachland
20. – 24. Februar 2018
Hannover ▪ Germany
www.didacta.de
Frühe Bildung
Schule/Hochschule
Berufliche Bildung/Qualifizierung
didacta DIGITAL
BEGEGNUNG 4-2017 15
INLAND
Preisverleihung
Ausgezeichnete Inklusionsarbeit
Deutsche Auslandsschulen sind Orte der Vielfalt. Täglich treffen hier Lernende mit unterschiedlichen
Hintergründen und Fähigkeiten aufeinander. Mit dem Wettbewerb „DAS – Gemeinsam leben und lernen“ zeichnete
das Auswärtige Amt 2017 erneut vier Schulen für ihr inklusives Engagement aus.
Die Inklusion gestalten an der DSB Erziehende, Lehrkräfte, El- Inklusiv – auch im Kollegium
tern, Kinder und ein schulpsychologisches Beratungsteam zusam- Einen weiteren zweiten Platz belegte die Deutsche Höhere Pri-
men. Sie haben ein „Gemeinsames Erziehungskonzept“ erarbeitet, vatschule Windhoek (DHPS). Seit 2016 unterrichtet dort Tatjana
in dem Rechte und Pflichten für die gesamte Schulgemeinschaft Metzger in der Grundschule. Aufgrund einer frühkindlichen Hirn-
festgelegt sind. Die Arbeitsgruppe „Inklusion“ setzt sich mit der schädigung benötigt sie zum Laufen eine Gehhilfe und es fällt ihr
inklusiven Arbeit an der Schule auseinander und entwickelt diese schwer, sich im Raum zu orientieren. „Meine Schüler gehen sehr
weiter. Auch eine Kommunikationsgruppe wurde ins Leben geru- offen und ehrlich mit mir und mit sich untereinander um“, sagt
fen. „Es ist wichtig, dass man Kommunikationsstrukturen entwi- sie. Metzger wird von einem Fahrer in die Schule gebracht und
ckelt, um möglichst nahtlos kommunizieren zu können“, erklärt wieder abgeholt. Ihr Klassenraum liegt im Erdgeschoss. Der DHPS
Schulleiterin Annegret Jung-Wanders. Auch die Förderung im ist es ein Anliegen, das „Verständnis für Anderssein“ in der ge-
sozialen Bereich gehört für die DSB zur Inklusion dazu. Paten- samten Schulgemeinde zu stärken. Schon bei der Aufnahme der
projekte unter den Schülern, die Streitschlichter-AG oder das Schüler wird ihr Förderbedarf überprüft und mit Eltern und Leh-
Sozialpraktikum sollen die sozialen Kompetenzen der Schüler rern besprochen. Verschiedene Lernhilfen und Zusatzangebote
16 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
außerhalb des Unterrichts sowie das Ulla Schmidt bei den Preisträgern, be- Die Schulleiterin der DS Barcelona, Annegret
schul
eigene Diagnose- und Förderzen tonte aber auch: „Wir setzen auf das Mul- Jung-Wanders (Mitte), empfing gemeinsam
mit ihrem Team in Berlin den mit 10.000 Euro
trum bieten Schülern zusätzliche Unter- tiplizieren. Alles, was an neuen Angeboten dotierten Hauptpreis (Bild oben).
stützung. Erst kürzlich nahm die DHPS hier vorgestellt wurde, das kann auch an Zu den Gratulanten gehörten Ulla Schmidt,
mit einem paralympischen Team an den anderen Schulen umgesetzt werden.“ Schirmherrin des Inklusionswettbewerbs,
Walter Lindner, Staatssekretär im Auswärti-
Special Olympics World Winter Games in
gen Amt, und ZfA-Leiter Joachim Lauer (Bild
Österreich teil und gewann die Bronzeme- Jetzt in der App der BEGEGNUNG: unten, v. l. n. r.).
daille im Hallenhockey. Annegret Jung-Wanders, Leiterin der
DS Barcelona, im Audiointerview über
Lernen nach dem eigenen Können schulische Inklusion
Die RIS Swiss Section – Deutschsprachige
Schule Bangkok bekam für ihre inklusive
Arbeit einen Sonderpreis. Bis zur 6. Klasse
erhalten alle Schüler individuelle und an
ihrem jeweiligen Können ausgerichtete
Aufgaben im Unterricht. Für die Kinder ist
es möglich, in ihren schwächeren Fächern
den Unterricht in einer niedrigeren Klas-
senstufe zu besuchen. Bei Bedarf begleiten
Heilpädagogen sie in den Unterricht. Im
Sinne sozialer Inklusion werden die Mäd-
chen und Jungen durch Besuche in ärme-
ren Stadtteilen zudem für ökonomische
Benachteiligung sensibilisiert.
BEGEGNUNG 4-2017 17
INLAND
Preisverleihung
18 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
Erfolg durch Alumni-Arbeit Barcelona mit einem Sonderpreis ausge- Die Schüler des PFG Lovech erhalten
Die Schüler möglichst früh abholen, für zeichnet. Jährlich organisieren die Schulen bei ihrer Bewerbung zum „Sommer im
Schloss“ Unterstützung von ehemaligen
Ausbildung und Beruf begeistern und nie zwei große Veranstaltungen zur Berufs- Teilnehmenden (Bild oben). In Planspie-
wieder aus den Augen verlieren: Das sind und Studienorientierung, die auch Schü- len lernen Jugendliche der Berufsschule
die Leitprinzipien des Berufsbildungszen- lern anderer Deutscher Auslandsschulen des Colégio Humboldt, in wirtschaft
lichen Zusammenhängen zu agieren
trums des Colégio Humboldt São Paulo, in Spanien offenstehen. Sie nutzen dabei
(Bild unten).
Drittplatzierter im Wettbewerb des Aus- die Synergieeffekte ihrer Zusammenarbeit
wärtigen Amts. Schon in der 10. Klasse und konnten die Zahl der teilnehmenden Für Walter Lindner gelten alle prämierten
werden die Schüler mit dem Thema Be- Betriebe, Hochschulen und Institutio- Schulen als Vorbilder. Denn, so unterstrich
rufswahl konfrontiert. In einer BWL-AG nen deutlich steigern: 2017 nahmen rund der Staatssekretär in seinem Grußwort, er
lernen sie durch Planspiele volks- und 70 Aussteller teil, davon mehr als 30 aus wünscht sich eine noch engere Zusam-
betriebswirtschaftliche Zusammenhänge Deutschland. Die Organisatoren möchten menarbeit Deutscher Auslandsschulen
kennen, das Pflichtpraktikum in der nicht nur umfassend über Studien- und mit Unternehmen.
11. Klasse können sie bei kooperieren- Ausbildungsmöglichkeiten informieren,
den Unternehmen absolvieren. Wer sich sondern durch den persönlichen Kontakt Ein Audiointerview mit Ingo Winter, Lei-
für die duale Ausbildung entscheidet, be- zwischen Ausstellern und Jugendlichen ter der FEDA Madrid, bietet die kosten-
sucht als Auszubildender die Partnerbe- auf das hohe Potenzial der Auslandsschul- lose App der BEGEGNUNG unter: www.
rufsschule in Bonn-Duisdorf und kommt absolventen aufmerksam machen. auslandsschulwesen.de/E-BEGEGNUNG
mit Unternehmen vor Ort in Berührung.
Auch ist es möglich, parallel die Fachhoch-
schulreife zu erwerben und ein Studium
anzuhängen. Das Berufsbildungszentrum
des Colégio Humboldt steht in engem
Kontakt zu seinen Alumni. Allein 800 Ab-
solventen sind in einem Karrierenetzwerk
verknüpft. Für die Schüler sind die erfolg-
reichen Werdegänge, die regelmäßig im
Schuljournal veröffentlicht werden, bei-
spielhaft. Und sie zeigen Wirkung: In den
vergangenen Jahren ist die Zahl der Be-
werber für die duale Ausbildung gestiegen.
BEGEGNUNG 4-2017 19
INLAND
Evaluation
Weiterentwicklung erwünscht
Für schwierig erachtet wurde dagegen vor allem die Verfügbarkeit
von Lehrkräften mit bestimmten Fächerkombinationen, beispiels-
weise MINT. Ebenfalls problematisch stellte sich aus Schulsicht
die Stellenbesetzung von deutschsprachigen
Ortslehrkräften
(OLK) dar.
Rege Beteiligung: 94 Prozent der Schulen nahmen an der Befragung teil.
0 58 % 60 % 78 % Stefany Krath
Verbesserung der Transparenz der Förder
entscheidungen und Förderverträge Weitere Ergebnisse der Evaluation finden Sie unter:
Verbesserung der Zahlungen der Fördermittel www.auslandsschulwesen.de/auslandsschularbeit/
Zufriedenheit mit der Unterstützung durch die ZfA Quelle: ZfA auslandsschulgesetz.
20 BEGEGNUNG 4-2017
MELDUNGEN
Meldungen
Kita: Mehr als spielen, basteln und betreuen
Wie stark fühlen sich Kitaleitungen von folgenden Personen wertgeschätzt?
50 % 47
40 % 41 43
37
30 % 33 30 31
29
2017
20 % 17 19
14 13 16
10 % 7 7
4 3 5 2 2
0% 1 1 0 0
1 = trifft voll und 6 = trifft über-
2 3 4 5
ganz zu haupt nicht zu
50 % 48
40 % 38 38 36
30 % 29 31
2015
24
20 % 21 17 19
17
13 13 11 13
10 % 7 6
5 5 2 5
0% 0 1 1
Köln. Leitungen von Kindertageseinrich- bürokratische Aufgaben zu viel Raum im Coachings und den Besuch passender Wei-
tungen fühlen sich nicht wertgeschätzt. Arbeitsalltag in Anspruch. Freistellungen terbildungsangebote. Die DKLK- Studie zur
Das ist das Ergebnis einer repräsentati- für Leitungsaufgaben gebe es kaum, be- Wertschätzung und Anerkennung von
ven Studie anlässlich des Deutschen Kita mängeln 50 Prozent der Befragten. Auf Kita-Leitungen wird seit 2015 jährlich
leitungskongresses 2017 (DKLK). Rund die Situation mit Flüchtlingskindern seien durchgeführt. Rund 2.500 Leitungskräfte
75 Prozent der befragten Führungskräfte die Kitas im Gegensatz zum Vorjahr bes- nahmen online an der Umfrage teil. Die
halten das Vorurteil, in der Kita werde nur ser vorbereitet, doch auch hier fehle es an DKLK-Studie wurde unter anderem vom
gespielt und gebastelt, nach wie vor für Unterstützung. Als bedenklich bezeichnet Informationsdienstleister Wolters Kluwer
existent. Die Wertschätzung von Kollegen, jede vierte Kita-Leitung die gesteigerte initiiert. [HS]
Trägern und Eltern schätzen die Befragten aggressive Haltung von Eltern gegenüber
zwar als hoch ein, von der Politik fühlen Fachkräften und der Kinder untereinan- Die Studie steht unter www.deutscher-
sie sich hingegen weder angesehen noch der. Ein Viertel der pädagogischen Fach- kitaleitungskongress.de/2017 zum Down-
ausreichend unterstützt. Zudem nähmen kräfte wünscht sich mehr individuelle load bereit.
Nico Brückmann
brueckmann@christiani.de
schule-trifft-technik.de/99799
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
Englis
Mehrsprachigkeit: Herausforderung
oder Selbstverständlichkeit?
Mehrsprachigkeit:
Herausforderung
oder Selbstverständlichkeit?
Global betrachtet ist Mehrsprachigkeit der Normalfall. Wenn es nach der EU geht, sollen sich ihre Bürger neben
Englisch mindestens in einer weiteren Fremdsprache verständigen können. Doch an Schulen in Deutschland kommt
die Förderung von Mehrsprachigkeit nur langsam in Gang.
22 BEGEGNUNG 4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
BEGEGNUNG 4-2017 23
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
Bedeutung von Mehrsprachigkeit und hat Nicht nur beim Übergang zwischen Schul-
2011 entsprechende Empfehlungen ver- stufen, auch innerhalb der Schulen müsse
öffentlicht. 2013 gaben die Kultusminis- der Sprachunterricht stärker aufeinander
ter bekannt, dass deutsche Grundschulen abgestimmt werden. Fremdsprachen wür-
inzwischen flächendeckend Fremdspra- den oft so vermittelt, als lernte ein Kind
chenunterricht anbieten, meist Englisch zum ersten Mal eine Sprache. „Das bedeu-
ab der 3. Klasse. In sechs Bundesländern tet viel Zeitverschwendung“, meint Gogo-
wird schon ab Klasse 1 eine Fremdsprache lin. Metasprachliches Wissen, etwa dass
gelehrt. Doch die zum Teil schwer mess- Zukunft und Vergangenheit unterschied-
baren Erfolge rufen immer wieder Kriti- lich ausgedrückt werden, müsse nicht mit
ker auf den Plan. Laut Kersten scheitert jeder Sprache neu vermittelt werden. Spra-
es allerdings nicht am Prinzip des frühen chenvergleichendes Lernen, wie es etwa in
Ingrid Gogolin ist Professorin für
Interkulturelle Erziehungswissen- Sprachenlernens, sondern an den Rah- England verbreitet sei, erleichtere dage-
schaft an der Universität Hamburg. menbedingungen: Es gebe einfach noch zu gen das Verständnis für die neue Sprache
wenige adäquat ausgebildete Lehrkräfte. und lasse die Kinder auf vorhan-
Wie gravierend das Personalproblem ist, denes Wissen aufbauen,
zeigt das Beispiel Baden-Württemberg. sei es aus ihrer Her-
In dem Bundesland, das als eines der ers- kunftssprache oder
ten Englisch ab Klasse 1 einführte, wird
zurzeit über eine Rückkehr zu Englisch
aus bereits gelern-
ten Fremdsprachen.
Polski?
ab Klasse 3 diskutiert. Der Grund: Es feh- Dies berücksichtigt
len Lehrkräfte. Studien, die mangelhafte beispielsweise das
Resultate bei der Sprachvermittlung im von der österreichi-
Primarbereich konstatieren, berücksich- schen Regierung in Auftrag ge-
tigten solche Faktoren selten, argumen- gebene „Curriculum Mehrsprachigkeit“,
tiert Kersten. „Es macht einen großen das „einzelsprachliche Qualifikationen
Unterschied, ob eine Lehrkraft ausgebildet aufgreift, erweitert, miteinander verbin-
Prof. Dr. Kristin Kersten lehrt Psycho-
linguistics und Language Learning an ist oder fachfremd unterrichten muss, ob det und in allgemeinen sprachlichen Ein-
der Universität Hildesheim. sie selbst eine hohe Sprachkompetenz hat sichten fundiert“. Das Curriculum bietet
und ob sie Englisch permanent benutzt Anregungen für Bildungsverantwortliche
oder viel auf Deutsch erklärt.“ Zudem er- und Lehrkräfte aller Schulstufen, ohne
scheinen der Wissenschaftlerin zwei Wo- ein bestimmtes Vorgehen vorzuschreiben.
chenstunden Englisch „mit einem Fokus Voraussetzung ist jedoch die fächerüber-
auf das Verständnis und nicht die Verwen- greifende Koordination unter Verant-
dung der Sprache“ nicht ausreichend, um wortung der Schulleitung. „Wie Sprachen
Sprachkompetenz aufzubauen. sinnvoll aufeinander abgestimmt werden
können, hängt von der Sprachenkonstel-
Übergänge verzahnen, Sprachen lation an der jeweiligen Schule ab“, findet
vernetzen auch Gogolin. „Eine Schule, die viele ara-
Bislang sei außerdem nicht gesichert, dass bischsprachige Schüler hat, kann andere
die gewonnenen Kenntnisse beim Wech- Methoden anwenden als eine Schule mit
sel auf die weiterführende Schule auf- rein deutschsprachigen Schülern.“ Über
Alexandre Duchêne ist Professor für
Sprachsoziologie und Mehrsprachig- gegriffen werden, gibt Ingrid Gogolin zu die Umsetzung könne beispielsweise eine
keit in Freiburg in der Schweiz. bedenken, Professorin für Interkulturelle gemeinsame Fachkonferenz entscheiden,
Erziehungswissenschaft an der Universi- die alle sprachlichen Fächer inklusive der
tät Hamburg. „Die eine Schule weiß nicht, jeweiligen Mehrheitssprache umfasst.
was die andere tut, und der Lernprozess
Vollimmersion, in der der gesamte Unter- wird unterbrochen. Die Schulen müssten Mehr Unterstützung durch die
richt in einer Fremdsprache stattfindet, ist enger zusammenarbeiten und es müsste Politik
in Deutschland jedoch die Ausnahme. eine ausgefeilte Diagnostik bei der Auf- Ein ähnliches Konzept fehlt für Deutsch-
nahme geben.“ Um den verschiedenen land bislang. Dennoch stellt Gogolin eine
Zu wenige qualifizierte Lehrkräfte sprachlichen Voraussetzungen der Kinder Öffnung der Politik fest, „vor allem auf den
Wie die EU bekennt sich auch die Kultus- Rechnung zu tragen, sei zudem ein diffe- Ebenen der Fachleute, die nah an der Pra-
ministerkonferenz (KMK) zur wachsenden renzierter Unterricht notwendig. xis dran sind“. Die Handhabung sei jedoch
24 BEGEGNUNG 4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
je nach Bundesland sehr unterschiedlich und wechsle mitunter in erzogenen Kind nur noch Deutsch sprächen, sobald es in Kin-
jeder Legislaturperiode – ein Hin und Her, das aus Sicht der Pro- dergarten oder Schule gehe. „Die Sprache, über die sich das Kind
fessorin schädlich ist. Positiv bewertet Gogolin, dass die Mehr- die Welt erschließt und die seinen eigentlichen kognitiven Stand
sprachigkeitsforschung inzwischen stärker gefördert werde. In repräsentiert, steht ihm dann nicht mehr zur Verfügung.“ In der
dem vom Bundesbildungsministerium finanzierten Forschungs- Folge könne sich das Kind in keiner der beiden Sprachen altersge-
schwerpunkt „Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit“ un- mäß ausdrücken und in der Entwicklung zurückfallen. Das kann
tersuchen 12 Forschungsteams an verschiedenen Universitäten zu einer „doppelten Halbsprachigkeit“ führen: Am Ende fehlt
unter anderem, wie sich Mehrsprachigkeit im Klassenverband auf dann in beiden Sprachen die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte zu
das Lernen in Fächern wie Mathematik, Physik oder Geografie verstehen und auszudrücken.
auswirkt.
Wer dies beherzigt, kann Kersten zufolge gelassen mit Mehrspra-
Erstsprache konsequent fördern chigkeit umgehen: „In manchen Ländern erfüllen im Lebensum-
Die Angst mancher Eltern, ein Aufwachsen mit mehreren Spra- feld eines Menschen vier oder fünf Sprachen ganz unterschiedliche
chen überfordere ihr Kind, hält Sprachforscherin Kersten für un- Funktionen, zum Beispiel in der Schule, im Freundeskreis, in der
begründet – solange die Erstsprache konsequent gefördert wird. Familie und im institutionellen Bereich. Das menschliche Gehirn
So sei es ein Fehler, wenn Eltern mit ihrem arabischsprachig ist durchaus in der Lage, das in Einklang zu bringen.“
54,3
100 94,2
73,6
59,7
13,9 17,8 23,4
6,7 10,1 10 3,3
BEGEGNUNG 4-2017 25
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
Íslenska?
Fremdsprachenunterricht
an Deutschen Auslandsschulen
Mehrsprachigkeit ist weit mehr als die Addition mehrerer Sprachen. Als „individuell mehrsprachig“ werden
Menschen bezeichnet, die sich in mehr als einer Sprache zu verständigen wissen, beispielsweise Kinder aus Familien,
die zu Hause die Sprache ihrer Herkunft sprechen, in der Schule in die Unterrichtssprache wechseln und außerdem
mindestens eine Fremdsprache erlernen – so wie viele Kinder an Deutschen Auslandsschulen. Ein Blick in den
Schulalltag.
26 BEGEGNUNG 4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
BEGEGNUNG 4-2017 27
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
Fremdsprache unterrichtet. Zusätzlich bietet die DST für Querein- Abgestimmter Unterricht als Vision
steiger bis Klasse 8 einen Anfängerkurs in der Mittagspause, um Fachkonferenzen sowohl in DaZ als auch in Französisch und Eng-
Französisch neu zu erlernen. lisch finden an der DST jahrgangsübergreifend statt. Die Schullei-
terin begründet dies nicht zuletzt mit den zwei Schulstandorten,
Laut Schulleiterin sind rund drei Fünftel der Schüler deutsch- und die einen regelmäßigen Austausch noch wichtiger machten.
zwei Fünftel französischsprachig. Deshalb gibt es an der DST ein
umfangreiches Deutsch-als-Zweitsprache-Programm (DaZ), um Derzeit arbeitet die DST an der Verknüpfung des DaZ-Curriculums
Schüler möglichst schnell in die Lage zu versetzen, dem Unter- mit dem deutschen Fachunterricht. „Die Kollegen, die die Sach-
richt in deutscher Sprache mühelos zu folgen. „Als ich 2010 an die fächer unterrichten, Naturwissenschaften und Mathematik,
DST kam, hatten wir 210 Schüler“, erklärt Self-Prédhumeau. „Jetzt Erdkunde, Politik und Geschichte, müssen auch besondere fremd-
sprachendidaktische Kenntnisse mitbringen, damit sie in der Lage
sind, den Schwierigkeitsgrad der Sachtexte nach den Niveaustufen
„Mi sangre es española, des GER zu beurteilen und dem Schüler entsprechend Hilfestel-
Mi alma también, lung zu geben“, erläutert Self-Prédhumeau. Deshalb wird derzeit
Aber Deutsch ist mein Fundament. ein Schulungskonzept entwickelt.
Mi cabeza piensa en español,
Doch mein Herz pumpt auf Deutsch.“ Sprachbad in Belgien
Ana María Mateo Carretero und Sara Stucki Martínez, Rund 1.000 Kilometer weiter nördlich zeigt sich an der internati-
Schweizer Schule Madrid onalen Deutschen Schule Brüssel (iDSB) ein anderes Bild. Jürgen
Langlet war von 2011 bis 2017 Schulleiter an der iDSB, die allein
durch ihre Lage in der europäischen Metropole eine große Nati-
haben wir 340 Schüler, und dieser Zuwachs ist überwiegend aus onenvielfalt aufweist. „Unsere Schule besuchen Kinder aus mehr
französischen Familien gekommen.“ Hier erfolgt die Zuordnung als 20 Nationen.“
individuell nach den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäi-
schen Referenzrahmens für Sprachen (GER). Am Ende der 5. Klasse Charakteristisch für die Lage ist die hohe Fluktuation. Im Schnitt
müssen die Schüler in Deutsch das Niveau B1 aufweisen, in der wechseln 75 Prozent der Kinder nach drei Jahren, nur 20 Prozent
7. Klasse B2. Bis zur 8. Klasse nehmen sie bei Bedarf zusätzlich an verbringen die komplette Schulzeit an der iDSB. Statt in dieser
einem dreistündigen DaZ-Förderkurs teil. „In der 10. Klasse muss
das C1-Niveau nahezu erreicht sein, damit die Schüler
am Oberstufenunterricht teilnehmen können.“ „Cuando hablamos español,
es todo estupendo
Neben Französisch ab der 1. Klasse bietet porque la gente nos entiende,
Español?
?
die DST Englisch ab der 5. Klasse und als nicht wie bei der Deklination,
AG schon in der Grundschule sowie Spa- die ist manchmal ein Horror,
nisch als AG an. Auch beim Erlernen des aber Deutsch zu sprechen también es un honor.“
Englischen spielt die Förderung durch Bin- Juan Sáez Solana und John Staib Matilla,
nendifferenzierung eine große Rolle, je nachdem zu Schweizer Schule Madrid
welchem Zeitpunkt und mit welchen Fremdsprachenkenntnis-
sen die Kinder an die DST kommen. Das System ist komplex, für
Self-Prédhumeau aber gelebter Alltag an ihrer Schule. Situation auf noch mehr Fremdsprachen zu setzen, intensivierte
Langlet das deutschsprachige Angebot. Anstatt wie so viele Schu-
len im Umfeld ein internationaleres Profil zu schaffen, setzte er
auf den deutschen Ursprung der iDSB. „Eltern interessieren sich
wegen der deutschen Bildung und Sprache für uns“, ist er bis
heute überzeugt. Wie auch an der DST ist die allgemeine Unter-
richtssprache an der iDSB Deutsch. Steigende Schülerzahlen ge-
ben Langlet recht. In den letzten Jahren wählten immer mehr
nichtdeutschsprachige Eltern die iDSB, beispielsweise Familien
aus Osteuropa.
Von 2011 bis 2017 war
Jürgen Langlet Schulleiter Eine Besonderheit seiner Schule sieht Langlet in der bilingua-
der internationalen Deut-
len Vorschule (BVS), in der die Kinder in ein Sprachbad eintau-
schen Schule Brüssel. Von
1991 bis 1995 unterrichtete chen, wahlweise Deutsch/Französisch oder Deutsch/Englisch.
er an der DS Genua. Alle Gruppen werden von je zwei muttersprachlichen Erziehern
28 BEGEGNUNG 4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
BEGEGNUNG 4-2017 29
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
Interview
„Das Fremdsprachenlernen
beginnt erst nach dem Englischen.“
Mehrsprachigkeit ist auch für die Wirtschaft von Bedeutung. Studien belegen, dass viele Geschäfte in Europa
aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht zustande kommen. Stefany Krath sprach mit Prof. Dr. Hermann Funk,
Leiter des Lehrstuhls Didaktik und Methodik/Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Jena über
die Verknüpfung von Mehrsprachigkeit und Wirtschaft.
Italiano?
die Arbeitssprache Englisch beantra-
Prof. Dr. Hermann Funk ist im „Institut für Deutsch gen? Die Iren haben als Arbeitssprache
als Fremd- und Zweitsprache und interkulturelle Stu- Irisch gewählt. Bliebe also nur noch
dien“ der Universität Jena tätig. Seit 2012 ist er Vorsitzen- Malta als englischsprachiges Land ...
der des wissenschaftlichen Beirats der Zentralstelle für das
Auslandsschulwesen. Inwiefern ist die jeweilige Stand
ortsprache von Bedeutung?
Wir haben bei den meisten großen deutschen Unternehmen eine
regional komplementäre Produktion. Der viel zitierte Joghurtbe-
cher, dessen Deckel in Bratislava hergestellt wird, dessen Inhalt in
Herr Prof. Funk, eine Studie der EU von 2006 kam zu dem Er Bayern und dessen Becher in Schweden bedruckt wird, bedingt
gebnis, dass europäische Unternehmen im großen Stil Aufträge eine Kommunikationsstruktur, die nicht zwangsläufig immer auf
verlieren, weil Fremdsprachenkenntnisse fehlen. Warum ist das Englisch basiert. Es zählen auch die Sprachen der Produktions
immer noch so, obwohl doch das Bildungssystem verstärkt auf standorte. Das bedeutet, wir haben Standortsprachen, Kunden-
die Vermittlung von Fremdsprachen setzt? sprachen, eine internationale Verkehrssprache und eine regionale
Diese Untersuchung war eine Befragung von über 2.000 Unter- Lingua franca. Ein Beispiel: In Osteuropa verstehen immer noch
nehmen, die schätzen sollten, wie hoch die Verluste sind – und eine ganze Reihe von Leuten ganz gut Deutsch und relativ schlecht
die lagen im Millionenbereich. In der Folgestudie von 2011 wurde Englisch. Deutsch ist eine typische zweite Fremdsprache, aber sehr
eine Best-Practice-Erhebung durchgeführt. Bei den Unternehmen, oft im Geschäftsleben auch die Kontaktsprache.
30 BEGEGNUNG 4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT
BEGEGNUNG 4-2017 31
MELDUNGEN
Meldungen
Bildung: Reformstau in der EU?
Gütersloh. Experten bemängeln einen Bildungssektor verbessert werden, in dem Reformaktivität im Bereich Sozialpolitik
Reformbedarf der EU-Staaten in Bildung die soziale Herkunft noch immer ein zu EU-Durchschnitt, in Prozent
und Integration. Das zeigt das sogenannte großes Gewicht hat. Schlusslicht ist Groß- Insgesamt
Reformbarometer der Bertelsmann Stif- britannien, einen Handlungsbedarf sieht 45
tung, bei dem mehr als 1.000 Sozialwis- das Reformbarometer jedoch in allen Armutsbekämpfung
senschaftler für den Zeitraum Mitte 2014 EU-Ländern. Kritiker wiederum warnen
39
bis Anfang 2016 zu den sozialen Teilha- vor einem blinden Reformeifer. „So wird
Faire Bildungschancen
bechancen in der EU befragt wurden. Die seit Jahrzehnten – verschärft seit dem groß
EU-Länder sind demnach nicht einmal ein inszenierten PISA-Schock – drauflos re- 33
Drittel ihrer geplanten Bildungsreformen und deformiert“, so Josef Kraus, ehemaliger Arbeitsmarktzugang
angegangen. Reformen für Lebenslanges Präsident des Deutschen Lehrerverbands 51
Lernen blieben in zehn EU-Ländern so- mit Blick auf das deutsche Bildungssystem Sozialer Zusammenhalt/Bekämpfung von
gar völlig aus. Unterdurchschnittlich aktiv in seinem aktuellen Buch „Wie man eine Diskriminierung
waren Litauen, Griechenland und Spa- Bildungsnation an die Wand fährt“. „Refor- 44
nien, während der Inselstaat Malta mit men über Reformen werden in den Sand Gesundheit
Programmen zur Reduzierung der Schul- gesetzt, ohne Produkthaftung vonseiten 56
abbrecher Bestnoten erhält. Ein Nachhol- derjenigen, die all dies inszeniert haben.“
0 Prozent = Reformbedarf überhaupt
bedarf wird auch Deutschland attestiert. [BS] nicht angegangen
Obwohl viele Reformen in der frühkind- 100 Prozent = Reformbedarf in vollem
lichen Bildung umgesetzt wurden, muss Das Reformbarometer finden Sie auf: Umfang angegangen
die Integration von Flüchtlingen in den www.bertelsmann-stiftung.de Quelle: Bertelsmann Stiftung
Studienorganisation 1
Weitere Informationen finden Sie auf www.dzhw.eu unter dem
Quelle: DZHW-Studienannruchstudie 2016 Reiter „Publikation“.
32 BEGEGNUNG 4-2017
MELDUNGEN
Meldungen
Hürden im Studium für Zuwanderer
Berlin. Ausländische Gaststudenten und Studenten mit Migrati- für einzelne Zuwanderergruppen aufzusetzen“, so Autor Simon
onshintergrund erzielen geringere Bildungserfolge als ihre Kom- Morris-Lange im Interview mit dem Deutschlandfunk. [BS]
militonen. Das geht aus einer Studie des Sachverständigenrats
deutscher Stiftungen für Integration und Migration im Auftrag Die Studie finden Sie unter www.svr-migration.de unter dem
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hervor. Dem- Reiter „Publikationen“.
nach verlassen vier von zehn ausländischen Studenten die deut-
schen Hochschulen ohne Abschluss. Auch die Abbruchquoten der
in Deutschland geborenen Studenten mit Migrationshintergrund Deutschkenntnisse internationaler Studierender
liegen mit 28 bis 41 Prozent überdurchschnittlich hoch. Gründe Anteil der Studierenden, die ihre Deutschkenntnisse im
sind unter anderem Sprachbarrieren und Schwierigkeiten auf- jeweiligen Kompetenzbereich als nicht gut oder nicht
vorhanden einschätzen (in Prozent)
grund der sozialen Herkunft. Laut der Studie sprechen mehr als
ein Drittel der Gaststudenten kaum Deutsch. Hier geborene Stu- 40
denten mit Migrationshintergrund sind zwar sprachlich integriert,
30
jedoch besucht über die Hälfte als erstes Familienmitglied eine
Hochschule. Jeder Fünfte kommt aus einem niedrig gebildeten El- 20
ternhaus. Um die Probleme für Zuwanderer abzubauen, empfeh- 10
len die Forscher, das bereits vorhandene Unterstützungsangebot
0 27 % 24 % 40 % 40 %
besser auf diese Gruppe zuzuschneiden anstatt es kostenintensiv
Zuhören Lesen Sprechen Schreiben
auszuweiten. „Es bedarf definitiv mehr Unterstützung, aber was
Hochschulen nicht tun sollten, ist, jetzt massig Sonderprogramme Quelle: Studie Study & Work, SVR-Forschungsbereich 2016b
BEGEGNUNG 4-2017 33
AUSLAND
34 BEGEGNUNG 4-2017
AUSLAND
und bastelten Kerzenhalter, Mäppchen zu viel Müll da draußen. Viele der Schüler
oder bunte Haarspangen. Diese selbst- haben nicht die ganze Route geschafft“, er- Die „Trash Hero“-Bewegung wurde
gemachten Müllprodukte und -kunst- klärt die Lehrerin. Am Ende kamen rund 2013 auf der thailändischen Insel Koh
werke stellten die Kinder später auf einem 1.000 Kilogramm zusammen. Darunter Lipe ins Leben gerufen. Inzwischen
Schulflohmarkt aus und konnten sie sogar waren für die Kinder einige Überraschun- ist sie neben Thailand in Indonesien,
verkaufen. Rudolph war „sehr beeindruckt gen, wie eine am Straßenrand zurückge- Malaysia, Myanmar, China, Singapur,
von dem kreativen Umgang der Schüler lassene Couch oder einfach eine lustig Tschechien, der Schweiz, den USA
mit Dingen, die eigentlich in der Tonne aussehende Zahnbürste. und auf den Philippinen vertreten.
landen würden.“ Bei über 1.800 Aufräumaktionen,
Sisyphos und der Plastikmüllberg? sogenannten „Cleanups“, haben die
„Schatzsuche“ um die Schule Das Projekt kam bei den Schülern, Eltern mehr als 47.000 Freiwilligen bisher
Die Themenwochen endeten schließlich und Lehrkräften so gut an, dass die Schule rund 350 Tonnen Müll gesammelt.
mit einer gemeinsamen Aufräumaktion. weitere Aufräumaktionen plant, zum Bei- Weitere Informationen unter:
Am Morgen machten sich Schülergruppen spiel im nahegelegenen Nationalpark. https://trashhero.org
trotz Hitze auf, um die Schulumgebung Eine spätere Projektphase soll den Kin-
und das Nachbardorf vom Zivilisations- dern Schritt für Schritt vermitteln, was
müll zu befreien. Wer hat als Erster seinen mit dem gesammelten Müll geschieht. Der Metallflasche der Trash Heroes. Sie ist
Beutel voll, wer sammelt die meisten Kilo- Besuch einer Recyclinganlage ist nur eine eines von vielen Beispielen, anhand de-
gramm Abfall? Unter den Kindern breitete von vielen anvisierten Maßnahmen, um rer die Kinder gelernt haben: Der Weg
sich schnell Sportsgeist aus. „Das war wie ihr Bewusstsein für Umweltschutz und zu einer sauberen Umwelt beginnt mit
bei einer Schatzsuche nach dem skurrils- Nachhaltigkeit zu stärken. Aber nicht nur kleinen, aber konkreten Schritten.
ten Fundstück“, erinnert sich Rudolph. besondere Aktionen seien wichtig, gibt
Obwohl eineinhalb Stunden eingeplant Rudolph zu bedenken. Es sei der Alltag, der
waren, um die Straßen und Reisfelder sich ändern müsse. Die Schule verbannte
rings um die Schule zu durchsuchen, ka- bereits Plastikstrohhalme, Einweggeschirr
men die ersten Gruppen bereits nach einer und -flaschen aus der Kantine. Als Alter-
Lehrkräfte, Schüler und Trash Heroes
Dreiviertelstunde zurück: Ihre Beutel wa- native nutzen viele Schüler und Lehr- präsentieren den gesammelten Müll
ren bis zum Rand gefüllt. „Es war einfach kräfte inzwischen die wiederbefüllbare ihres ersten gemeinsamen „Cleanups“.
BEGEGNUNG 4-2017 35
ORTSTERMIN
In Südtirol wird traditionell strikt einer Minderheit. In Südtirol ist das an- ordnet sich der italienischen Sprachgruppe
zwischen deutsch- und italienisch ders. Etwas mehr als 520.000 Menschen zu, fünf Prozent der ladinischen.
leben in der autonomen Region im Nor-
sprachigen Schulen getrennt. Doch
den Italiens. Knapp 70 Prozent fühlen sich Zweisprachigkeit im Alltag ein
immer mehr von ihnen öffnen der deutschen Sprachgruppe zugehörig. Muss
sich der Mehrsprachigkeit. Denn Sie fallen unter den Minderheitenschutz Multikulturalität und Mehrsprachig-
die Zahl der Südtiroler, die sich als der italienischen Provinz, der ihnen das keit sind fester Teil des Südtiroler Alltags.
Recht auf den Gebrauch der Mutterspra- Straßen- und Ortsschilder sind deutsch
bilingual betrachten, steigt.
che zusichert. Alle zehn Jahre werden die und italienisch bedruckt. „Es gibt ganz we-
Einwohner Südtirols befragt, welcher nige Bereiche, in denen man einsprachig
von Andreas Müllauer Sprachgruppe sie angehören: Deutsch, durchkommt. Die gesamte öffentliche
Italienisch oder der romanischen Dialekt- Verwaltung erfordert den Nachweis der
gruppe Ladinisch. Die Ergebnisse bestim- Zweisprachigkeit“, erklärt Prof. Dr. Stepha-
men über die Vergabe von Budgetmitteln nie Risse, Sprachwissenschaftlerin an der
36 BEGEGNUNG 4-2017
ORTSTERMIN
auch in der freien Wirtschaft zweisprachig Immersion, CLIL und Mehrsprachigkeit Muttersprache im Klaren sind, öffnen sie
sein. Sonst kann man hier einfach keinen an unserem bewährten deutschen Schul- sich bewusst der Mehrsprachigkeit. Die
Beruf ausüben.“ system gesägt.“ CLIL ist die Kurzform für Zahl derer, die bei der Volksbefragung den
„Content and Language Integrated Le- Zettel zur Bestimmung ihrer Sprachzu-
Die Heterogenität der Region geht auf die arning“ und bezeichnet die Vermittlung gehörigkeit ausfüllen, ist laut Risse stark
politischen Entwicklungen des 20. Jahr- von Lerninhalten in einer Fremdspra- gesunken. „Viele sagen: ‚Ich bin bilingual‘,
hunderts zurück. Mit Ende des Ersten che außerhalb des Sprachunterrichts. und geben einen weißen Zettel ab.“
Weltkriegs wurde der südliche Teil des ös- Die Regierung fördert seit einigen Jahren
terreichischen Tirol Italien zugeschlagen. Pilotprojekte zu dieser Methode.
Unter Mussolini wanderten Zehntausende
Italiener nach Südtirol ein, der Gebrauch Auch die Schule von Martina Adami un-
der deutschen Sprache wurde zwischen- terrichtet nach dem CLIL-Prinzip. Die
zeitlich sogar verboten. Erst 1972 trat nach Vorbehalte des Schützenbunds teilt die
sozialen Unruhen die sogenannte Neue Schulleiterin nicht: „Ich finde es extrem
Südtirol-Autonomie in Kraft und dem positiv, dass Schüler eben nicht nur im
Land Südtirol wurden zahlreiche Gesetz- Sprachunterricht eine Sprache lernen,
gebungs- und Verwaltungszuständigkei- sondern sie auch in anderen Fachberei-
ten übertragen. chen anwenden.“ An ihrem Gymnasium
wird unter anderem Recht und Wirtschaft
Strikte Trennung bei den Schulen auf Italienisch unterrichtet, Geschichte
Diese Autonomie greift auch beim Bil- auf Spanisch und Biologie auf Englisch.
Linguistik-Professorin
dungssystem: In Südtirol gibt es deutsch-, Eine gute Sache, findet die 21-jährige Dr. Stephanie Risse beobachtet,
italienisch- und ladinischsprachige Schu- Jenny Unterkofler, die in Südtirol deutsch- dass die Südtiroler immer mehr
len, die separat verwaltet werden. Alle sprachig aufgewachsen ist und am Gym- auf Bilingualität setzen.
Zweige haben einen eigenen Landesrat nasium „Walther von der Vogelweide“ ihre
und Schulamtsleiter. Grund ist der Min- Matura gemacht hat: „Ich sehe überhaupt
derheitenschutz, der Unterricht in der nichts Negatives daran, auch in anderen
eigenen Muttersprache garantiert. An Sprachen zu unterrichten. Unser Dialekt
deutschsprachigen Schulen spielt Italie- wird sowieso nie verschwinden“, ist sie
nisch als Zweitsprache nur eine unterge- überzeugt. „Man wird nie eine Südtiroler
ordnete Rolle. Laut einer Elternumfrage Familie finden, die zu Hause Englisch oder
aus dem Jahr 2015 spricht sich jedoch mit Hochdeutsch spricht. Wenn Südtiroler
77 Prozent die Mehrheit der deutschspra- miteinander sprechen, sprechen wir unser
chigen Eltern für eine stärkere Berück- Südtirolerisch.“
sichtigung von Italienisch in der Schule
aus. Die Hälfte aller Befragten wünscht Abgrenzung und Öffnung
Dr. Martina Adami bemerkt,
sich eine Intensivierung des Englischun- Der Südtiroler Dialekt wird der bairischen dass an ihrer Schule der
terrichts. Diese Entwicklung bemerkt Mundart zugerechnet. Sprachwissen- Wunsch nach mehrsprachigem
auch Martina Adami, Leiterin des Boze- schaftlerin Risse beobachtet in den letzten Unterricht größer wird – vor
allem von Elternseite.
ner Gymnasiums „Walther von der Vogel- zehn Jahren, „dass er gerade bei der jünge-
weide“: „Es ist der Wunsch vieler Eltern, ren deutschsprachigen Generation identi-
dass ihre Kinder die Zweitsprache, vor al- tätsstiftend ist“. Unterkofler bestätigt das:
lem aber auch Fremdsprachen gut lernen.“ „Es ist wieder cool geworden, Dialekt zu
benutzen, besonders in den sozialen Me-
Streitthema Mehrsprachigkeit dien.“ Da wird aus „mit Freunden feiern
Politisch ist das brisant: Nicht überall gehen“ schnell ein „mit Freinden stravan-
wird Mehrsprachigkeit wohlwollend auf- zen“. Risse sieht darin auch ein Mittel der
genommen. Manche deutschsprachigen Abgrenzung. „Weniger den Italienern ge-
Interessenvertreter fürchten eine „Italieni genüber – da würde Deutsch ja reichen –,
sierung“ des Südtiroler Bildungssystems. sondern gegenüber dem übrigen deutsch-
So kritisierte Efrem Oberlechner, Medi- sprachigen Raum.“
enreferent des Südtiroler Schützenbunds,
Die gebürtige Südtirolerin
in einer Diskussionsrunde in Leifers: Obwohl sich somit die deutschsprachi- Jenny Unterkofler glaubt an die
„Neuerdings wird mit Experimenten wie gen Südtiroler über die Bedeutung ihrer Beständigkeit ihres Dialekts.
BEGEGNUNG 4-2017 37
INLAND
Die Anwesenden zogen ein positives Fazit der RNT. Joachim In der 2017 erschienenen ZfA-Broschüre „Qualität ist das
Herrmann, Verwaltungsleiter an der German European School Ganze“ berichten unter anderem Schulleitungen, Schulträger,
Singapore, bezeichnete die Tagung in seiner Region als „Aha- Verwaltungsleitungen, Prozessbegleitungen, Bund-Länder-
Erlebnis“ und lobte die harmonische Zusammenarbeit der Gre- Inspektoren und Wissenschaftler, wie sie das Qualitätsma-
mien. Die Vorstandsvertreter regten an, die Ergebnisse künftig nagement der Deutschen Auslandsschulen voranbringen.
nicht nur auf regionaler Ebene zu dokumentieren, sondern al- Download und Bestellung auf www.auslandsschulwesen.de
len Beteiligten eine Zusammenfassung zur Verfügung zu s tellen. unter „Presse“ – „Publikationen“.
Ries stellte die Themen der RNT sowie eine Auswertung der
38 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
Konstruktiver Austausch: Mitglieder des Direktoren der Schulen stärker herauszuarbeiten. Dazu gehörten die deut-
beirats, des Verwaltungsleiterbeirats und der schen Abschlüsse ebenso wie die Wertevermittlung im Unterricht.
Schulvorstände trafen sich mit Vertretern der ZfA,
des Auswärtigen Amts und der Länder auf dem
Austauschforum 2017 in Berlin. Kaufmännische Perspektive hinzugefügt
Die Frage des Schülernachwuchses war vor allem den Verwal-
tungsleitungen ein Anliegen. Daneben kamen Personal- und
Erfahrung teilen, Nachwuchs sichern Finanzthemen wie der Versorgungszuschlag für Ortslehrkräfte
Wie wichtig Vernetzung auf allen Ebenen ist, wurde im Verlauf oder die Freistellungspraxis der Bundesländer zur Sprache. Ver-
des Forums immer wieder deutlich. „Es ist ganz viel Erfahrung da“, waltungsleiter Edward K. Schlieben von der German Internatio
unterstrich Oliver Schramm, Leiter des Auslandsschulreferats des nal School New York begrüßt es, dass kaufmännische Aspekte
Auswärtigen Amts bis August 2017. Diese zu teilen und zu nutzen durch die Teilnahme von Verwaltungsvertretern gewürdigt wer-
bringe das gesamte Auslandsschulwesen voran. Den Erfahrungs- den. Er und die anderen Mitglieder des 2015 gegründeten Ver-
austausch hält Schramm beispielsweise im Hinblick auf Steuer- waltungsleiterbeirats legen Wert auf Kontinuität: Mindestens ein
und Statusfragen im Sitzland für sinnvoll. Ein wichtiges Thema für Teilnehmer aus dem Vorjahr soll im jeweiligen Folgejahr wieder
sein Referat bleibe die Sicherheit an Schulen. Um die Deutschen im Austauschforum vertreten sein. Schlieben ist bereits lange an
Auslandsschulen im Wettbewerb um junge Deutschlernende Deutschen Auslandsschulen tätig und freut sich besonders über
konkurrenzfähiger zu machen, plädierte die Ländervorsitzende den konstruktiven Austausch über alle Ebenen hinweg. Aus seiner
im Bund-Länder-Ausschuss für schulische Arbeit im Ausland Sicht hat sich das Auslandsschulwesen in dieser Zeit weiterentwi-
(BLASchA) Dorothée Bauni dafür, die Alleinstellungsmerkmale ckelt: „Vor zehn Jahren wäre das unvorstellbar gewesen.“
BEGEGNUNG 4-2017 39
INLAND
40 BEGEGNUNG 4-2017
MELDUNGEN
Meldungen
Expertise gegen Rückkehr zu G9
Essen. Die Bundesländer sollten nicht zu G9 zurückkehren,
sondern den jeweiligen Status quo erhalten. Zu dieser Empfeh-
lung kommt eine von der Stiftung Mercator beauftragte Exper-
tise von Prof. Dr. Olaf Köller vom Leibniz-Institut in Kiel. Dessen
Auswertung empirischer Studien kommt zu dem Ergebnis: Eine
Rückkehr zu G9 würde Schülern keine signifikanten Vorteile bie-
ten. Zwar sorgt der 2003 durchgeführte Umstieg auf G8 für we-
niger Freizeit bei den Schülern, hat jedoch zu keinem Abfall bei
Bildungsqualität und Schülerleistungen oder zu anderen nega-
tiven Effekten geführt. Eine abermalige Neustrukturierung des
deutschen Bildungssystems würde daher laut Expertise massive
Kosten ohne nennenswerten Mehrwert verursachen. „Ressour-
cen sollten nicht in Strukturdebatten gebunden werden, sondern
genutzt, um wichtigen Herausforderungen im Bildungsbereich,
wie zum Beispiel der Qualität im Ganztag, zu begegnen“, sagt Win-
fried Kneip, Sprecher der Geschäftsführung der Stiftung Mercator. Auch die neue Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen hat
Andere Auswertungen weisen in eine andere Richtung als Köller: sich darauf geeinigt. [AM]
Eine Studie der Uni Tübingen mit rund 5.000 Abiturienten ergab,
dass die Schüler aus den G8-Jahrgängen öfter über Erschöpfung, Die Expertise „Verkürzung der Gymnasialzeit in Deutschland“ und
Druck und Überforderung klagen. Niedersachsen und Bayern ha- weitere Informationen finden Sie unter:
ben bereits die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren beschlossen. www.stiftung-mercator.de/expertiseG8G9
BEGEGNUNG 4-2017 41
AUSLAND
In der Serie „Schule 4.0“ kommen Wissenschaftler und Inwiefern spielt der kulturelle Hintergrund der Schüler eine
Praktiker zu Wort, die sich mit dem digitalen Lernen und Rolle?
seinen unterschiedlichen Facetten beschäftigen. Wir haben kein Gefälle zwischen den Schulen erkennen kön-
nen. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass digitale Medien ein
42 BEGEGNUNG 4-2017
AUSLAND
universelles Phänomen sind. Bei Kreativität, Kollaboration, Kom- Wie kann die Zukunft der digitalen Bildung in den Schulen
munikation und kritischem Denken gab es keine Unterschiede aussehen?
zwischen den Deutschen Auslandsschulen. Da gibt es ein paar Zündpunkte, die mit einer Öffnung der Schule
zu tun haben: Zum einen haben wir bei der Studie eine Verschie-
Was sollten Lehrkräfte beim Einsatz digitaler Medien beachten? bung von Autorität beobachtet. Zum Beispiel wird manchmal die
Die Lehrkräfte sagen selbst: Die größte Herausforderung bezie- Tafel als Projektionsfläche für das Tablet eines Schülers benutzt.
hungsweise Sorge ist der Umgang mit der Technik. Wenn die Me- Der einzelne Schüler übernimmt also die Steuerung der Tafel
dien im Klassenzimmer nicht funktionieren, verliert man Zeit. Sie selbst. Daraus entsteht eine Verflachung der Hierarchie. Es gilt
nicht mehr, dass vorne die Lehrkraft an der Tafel steht und die
Kinder das Wissen alleine aufgreifen. Der zweite Zündpunkt wäre
„Es gibt einen Stift, es gibt ein iPad und es gibt ein eine Öffnung der Schule im Sinne von fächerübergreifenden Pro-
Notebook. Man benutzt eben das, was für die zu jekten. In Singapur gibt es beispielsweise das Design Technology
bewältigende Aufgabe am naheliegendsten ist.“ Lab. Hier arbeiten die Schülerinnen und Schüler über längere Zeit
an einem Projekt. Sie recherchieren online, stellen etwas Handfes-
tes wie einen Obstkorb oder ein Schminkschränkchen mit Smart-
haben auch Sorge vor Bildschirmmüdigkeit, also dass Schülerin- phonehalter her und dokumentieren ihre Arbeit mithilfe des
nen und Schüler einfach zu lange einen oder mehrere Bildschirme Notebooks. Hier stehen nicht die einzelnen Schulfächer im Mit-
vor sich haben. Auch der etwaige Verlust von menschlichem telpunkt des Schulalltags, sondern das interdisziplinäre, projekt
Kontakt ist ein Thema, also dass man zu viel individuell mit dem orientierte Lernen. Der dritte Punkt wäre eine Öffnung über die
Gerät macht und nicht genügend untereinander oder mit den
Lehrpersonen kommuniziert.
„Wenn junge Kinder stundenlang vor
Einige Wissenschaftler fordern, dass man vor allem kleine dem PC sitzen und nur zugucken,
Kinder von digitalen Medien fernhalten solle. Wie ist Ihr dann ist das problematisch.“
Standpunkt?
Für mich ist die zentrale Frage nicht, ob die Medien benutzt wer-
den, sondern wie sie benutzt werden. Die gleiche Diskussion gab Schulmauern hinaus. In Singapur sind die Schüler in einen Park
es doch schon beim Fernsehen. Wenn junge Kinder stundenlang gegangen und haben mithilfe eines Programms eine interaktive
vor dem PC sitzen und nur zugucken, dann ist das problema- Karte erstellt. Dann geht das Schulleben über die Mauern hinweg.
tisch. Wenn der Unterricht interaktiv gestaltet wird und die Kin- Das gab es auch schon ohne digitale Medien, dennoch ist die Form
der selbst etwas machen, kann man auch schon im Kindesalter über die Digitalisierung neu und simpler. >
super Ergebnisse hinsichtlich Motivation,
Lernen, Kreativität und Kollaboration er-
kennen. Es kommt darauf an, wie digitale
Medien benutzt werden – das haben wir
auch in den Schulen gesehen.
BEGEGNUNG 4-2017 43
AUSLAND
44 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
von PASCH-net
von PASCH-net
Wettbewerbe:
Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“
rt?“
„Wie hat Deutsch dein Leben verände
: Partner der Zukunft“
2018 feiert die Initiative „Schulen
. Anlässlich des Jubi-
(PASCH) ihr zehnjähriges Bestehen
Malwettbewerb für die
läums schreibt PASCH-net einen
die Sprachniveaustu- Filmreihe:
Primarstufe und Wettbewerbe für
tbewerbe zum Thema
PASCH – Mein Ticket nach Deutschland
fen A1/A2 und B1+ aus. Die Wet
Wie ist es, in Deutschland zu studieren? Von Archi-
ndert?“ laufen bis März
„Wie hat Deutsch dein Leben verä
tektur bis Elektrotechnik, von Weimar bis Hamburg –
r anderem eine Reise
2018. Zu gewinnen gibt es unte
zehn PASCH-Alumni berichten in kurzen Filmen über
nach Berlin.
ihr Studentenleben in Deutschland an verschiedenen
www.pasch-net.de/wettbewerbe
Hochschulstandorten und mit ganz unterschiedlichen
Studiengängen.
www.pasch-net.de/mein-ticket
Filmserie:
Studieren in Deutschland
Schüler, die sich für ein Studium in Deutschland inte
ressieren, können Katja aus St. Petersburg und Felix aus
München in vier kurzen Filmen an einer deutschen Uni
begleiten. Dabei lernen sie unterschiedliche Lehrveran-
staltungen kennen. Sie erfahren, welche Unterschiede es
zwischen einer Vorlesung, einem Tutorium, einer Übung
und einem Seminar gibt. Außerdem bekommen sie
Tipps, wie man einen Professor kontaktiert.
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BEGEGNUNG 4-2017 45
MELDUNGEN
Meldungen
Bildungsniveau junger Menschen gestiegen
Köln. Viele junge Menschen in Deutsch- Bildungsmobilität im Vergleich zum Vater und zur Mutter
land haben ein höheres Bildungsniveau in Prozent, Stand 2013/2014
als ihre Eltern. Das geht aus einer Studie Alter
des arbeitgebernahen Instituts der deut-
25–34 25,8 26,5
schen Wirtschaft Köln (IW) hervor. Mehr Jahre 16,2 34,8
als jeder vierte 25- bis 34-Jährige verfügte
2014 über einen höheren Abschluss als 35–44 21,6 29,1
der Vater, im Vergleich zur Mutter sind es Jahre
11,3 40,4
etwa ein Drittel. In der Altersgruppe der
35- bis 44-Jährigen weisen etwa 40 Pro- 45–54 17,9 31,3
zent einen höheren Bildungsstand auf Jahre 7,3 47,9
als die Mutter. Im Vergleich zum Vater ist
jeder Dritte ein Bildungsaufsteiger. „Ein Bildungsabsteiger gegenüber dem Vater Bildungsaufsteiger gegenüber dem Vater
Grund dafür ist, dass immer mehr junge Bildungsabsteiger gegenüber der Mutter Bildungsaufsteiger gegenüber der Mutter
Menschen studieren“, sagt IW-Bildungs- Quelle: Blossfeld et al., 2011, The German National Educational Panel Study (NEPS);
ökonom Wido Geis. Die durchschnitt- Institut der deutschen Wirtschaft Köln
liche Qualifikation der Bevölkerung in
Deutschland wird sich dennoch in den steigen wird. Die Auswertungen zeigen unter den Hochschulabsolventen sind
kommenden Jahren voraussichtlich nicht zudem, dass ein hoher Bildungsstand es nur rund sieben Prozent. Das Institut
verbessern. Durch die erhöhte Zuwande- häufig ein höheres Einkommen bedeu- nutzte für die Studie Daten des Nationalen
rung aus dem Ausland prognostizieren tet: Etwa ein Drittel der Personen ohne Bildungspanels. [PB]
die Autoren der Studie, dass der Anteil der beruflichen Abschluss zählen in Deutsch-
Niedrigqualifizierten in der Bevölkerung land zu den Einkommensschwachen, Weitere Infos unter www.iwkoeln.de
46 BEGEGNUNG 4-2017
MELDUNGEN
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an der Welt der Auslandsschulen und des Bildungswesens.
Studium in Deutschland
Griechischer Hochschulnachwuchs
Von Athen nach Aachen: Schüler
Seit zehn Jahren kooperiert die DS Athen aus Griechenland lernen das
und seit 2010 auch die DS Thessaloniki Studentenleben kennen.
mit der RWTH Aachen, der größten Uni-
versität für technische Studiengänge in auf Exkursion, die sich in der Stadt im Weg, um den internationalen Studieren-
Deutschland. Im Juni 2017 schickte die Dreiländereck unter die 60.000 Aachener dennachwuchs zu fördern, meint Biegi:
DS Athen erneut eine Gruppe Schüler Studierenden mischte. Eine Gruppe der „Wir haben als Hochschule den Anspruch,
DS Thessaloniki war bereits drei Monate weltweit die Studierenden zu finden, die
zuvor zu Besuch gewesen. „Es kommen zu uns passen und die an der RWTH gut
seit Langem viele Griechen zum Studieren aufgehoben sind.“
Interessierte Schüler und Lehr- nach Deutschland. Da gibt es traditionell
kräfte Deutscher Auslandsschu- sehr enge Bindungen“, sagt Dr. Mandana Die Schüler der DS Athen und der DS Thes-
len informiert die RWTH Aachen Biegi, Leiterin der Zentralen Studienbera- saloniki durchlaufen bei ihrem einwöchi-
mit einem Newsletter über ihr Stu- tung der RWTH Aachen. Mit der Koope- gen Deutschlandbesuch ein intensives
dien- und Beratungsangebot sowie ration soll den Schülern der Deutschen Programm: Gespräche mit Fachstudienbe-
Bewerbung und Einschreibung. An- Auslandsschulen ein Studium in Deutsch- ratern und Studierenden, Besichtigungen
meldung unter: https://mailman. land nähergebracht werden. Vor Ort kön- der Institute und – für Biegi ganz wich-
rwth-aachen.de/mailman/listinfo/ nen sie sich aus erster Hand über die tig – Vorlesungsbesuche. Denn die jungen
auslandsschulennews dortigen Studienanforderungen informie- Erwachsenen sollen ein wirklichkeitsge-
ren. Für die RWTH ist das ein effektiver treues Bild vom Studienalltag bekommen.
48 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
BEGEGNUNG 4-2017 49
INLAND
Interpretationsspielraum
Bildungsstudie
Seit dem „PISA-Schock“ im Jahr 2000 ist die Bildungsforschung wieder in das Blickfeld der Politik gerückt.
Auch die Wirtschaft zeigt Interesse an Bildungsstudien. Inwiefern ist die Arbeit der Wissenschaftler von
wirtschaftlichen und politischen Einflüssen geprägt?
50 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
als Unternehmen bedienen“, sagt Lankau. Geschäftsbericht erwirtschaftete sie 2016 Laut der Studie „Bildung 2030“
„Statt mit der Wissenschaftsgemeinschaft einen Umsatz von 142 Millionen Euro. beeinflussen Themen wie Migration,
Integration, Wertewandel und
zu besprechen, wo Bedarf an Studien ist, Digitalisierung die zukünftige Ent-
gibt Bertelsmann die Themen vor.“ Im Fo- Wer so argumentiere, könne genauso gut wicklung des Bildungssystems.
kus stehe dabei die Digitalisierung der Bil- hinter Studien von nicht unternehmens-
dung, ein millionenschwerer Absatzmarkt. nahen Organisationen Wirtschaftsinteres-
sen vermuten, sagt Bos. Die Organisation
Wilfried Bos sieht das anders. Zusammen für wirtschaftliche Zusammenarbeit und werden durchaus auch im Hinblick auf
mit der Bertelsmann Stiftung hat er bei- Entwicklung (OECD), die unter anderem ökonomisches Wachstum gelesen. Prof.
spielsweise die jährlich erscheinende Stu- die PISA-Studie herausgibt, stehe für pros Ludger Wößmann vom Institut für Wirt-
die „Chancenspiegel“ erstellt. „Ich kann perierende Wirtschaft in den Mitglieds- schaftsforschung verwies etwa in Bezug
keinen Zusammenhang zwischen Unter- ländern. „Da kann man natürlich fragen, auf die PISA-Studie 2015 auf die Bedeu-
nehmenserfolg und einer Untersuchung ob die in den Studien gemessenen Kom- tung des Humankapitals für Deutschland:
zur Chancengerechtigkeit im Bildungswe- petenzen dazu dienen, das Humankapital „Wir Deutschen leben in der globalisier-
sen erkennen“, sagt er. Für Dr. Jörg Dräger, noch effizienter zu machen, oder ob sie ten Welt davon, dass wir eine Wissens-
Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stif- tatsächlich im Sinne des Humboldt’schen gesellschaft sind, und das Humankapital
tung, ist die Digitalisierung der Bildung Bildungsideals sind“, so der Bildungsfor- ist entscheidend für unseren künftigen
„Teil der Lösung für mehr Chancenge- scher. Nach Wilhelm von Humboldt soll wirtschaftlichen Erfolg.“
rechtigkeit“. Lässt sich von hier nicht eine die ganzheitliche Ausbildung in Küns-
Verbindung zum Unternehmenserfolg zie- ten und Wissenschaften den Menschen Bildungsforschung und Politik
hen? Die Bertelsmann Education Group zu einem autonomen Individuum ent- Statt ökonomischer Interessen beobach-
will mit digitalen Bildungsangeboten das falten. Die Nützlichkeit für den Arbeits- tet Wilfried Bos vielmehr einen Einfluss
„Lernen im 21. Jahrhundert“ gestalten. Laut markt gehört nicht dazu. Bildungsstudien von politischer Seite. Beispielsweise sei >
BEGEGNUNG 4-2017 51
INLAND
Interessen zum Zuge, aber das kann ich als Nur Momentaufnahmen
Leser einschätzen.“ Terhart ist Mitglied des Wissenschaftler wie Ewald Terhart verfü-
wissenschaftlichen Kuratoriums im Insti- gen sicherlich über die Kompetenz, sol-
tut zur Qualitätsentwicklung im Bildungs- che Entscheidungen für sich zu fällen
wesen (IQB). Er sieht ein wechselseitiges und bei der Interpretation von Studien
Verhältnis zwischen Bildungsforschung auch eventuelle Interessen Mitwirkender
und Politik. Einfluss würde von beiden einzukalkulieren. Ob mögliche Einflüsse
Seiten ausgeübt. „Der ‚PISA-Schock‘ 2000 jedem Leser bewusst sind, ist jedoch frag-
hat dazu beigetragen, dass die Bildungs- lich. Nicht selten sind die Erwartungen
forschung von der Politik wieder wahrge- an Bildungsstudien zudem höher als der
nommen wurde“, so der Wissenschaftler. Anspruch der Autoren. „Die Ergebnisse
„Heute besteht ein arbeitsteiliges, nicht zeigen nur Schnappschüsse des Bildungs-
immer konfliktfreies Verhältnis zwischen systems. Sie führen nicht zu unmittel-
bildungspolitischen Erwartungshaltungen baren Handlungskonsequenzen“, meint
Wilfried Bos ist Professor für Bil- einerseits und den tatsächlichen Ansätzen Ewald Terhart. Die Erklärungskraft der
dungsforschung und Qualitätssiche- und Ergebnissen der Bildungsforschung großen, ländervergleichenden Studien
rung an der Technischen Universität andererseits.“ werde überschätzt. „Das Bildungssystem
Dortmund. Als Direktor des Arbeitsbe- hat eine hohe Eigendynamik, und beson-
reichs Bildungsmonitoring und Schul- Zu hohe Erwartungen ders die Handlungsebene, die hundert-
entwicklungsforschung liegen seine Die Politik braucht operatives Wissen, die tausend Klassenzimmer, sind von außen
Schwerpunkte auf der international Forschung hat eher eine analytische Per- schwer zu steuern. Man kann von der Wis-
vergleichenden Bildungsforschung. spektive. „Das passt nicht immer zusam- senschaft nicht die Lösung aller Probleme
Er ist zudem Leiter der IGLU- und der men“, meint Terhart. Auch Bos betont die der Bildungswelt erwarten.“
TIMS-Studie für Deutschland. analytische Funktion der Wissenschaft.
„Wenn wir Ergebnisse haben, aus denen
wir Handlungsbedarf entnehmen, dann
machen wir die Politik vorsichtig dar-
auf aufmerksam. Aber die politische Be-
der Vorschlag der IEA, die Umstellung auf wertung ist Sache der entsprechenden
G8 zu evaluieren, von der Kultusminister- Parteien, Institutionen und Ministerien.“
konferenz abgelehnt worden. Auch habe
die KMK keine vertiefende Auswertung Wenn Wissenschaftler nur reine Daten lie-
der ICIL-Studie finanzieren wollen, die die fern, inwiefern besteht dann ein Spielraum
Medienkompetenzen von Achtklässlern zur Interpretation? Laut Lankau kommt es
international vergleicht. Stattdessen sei auf die Fragen an, die gestellt werden, und
die Deutsche Telekom Stiftung als Geld- darauf, wie die Ergebnisse präsentiert wer-
geber eingesprungen. In der Studie „Total den. „Wenn die Ausstattung mit Compu-
Digital?“ wurde untersucht, wie und wo tern an Schulen untersucht wird, sollten
Jugendliche Kompetenzen im Umgang erst mal alle auf dieselben Ergebnisse kom-
mit neuen Medien erwerben. „Dass die men“, sagt Lankau. „Bei der ICIL-Studie
Telekom Stiftung oder ihr Mutterhaus ir- 2013 hieß es dann, dass sich 11,5 Schüler
gendetwas mit neuen Medien zu tun hat, in Deutschland einen Computer teilen, in
ist eine andere Sache“, so Bos. „In diesem Norwegen aber nur 2,4. Daraus wurde ge- Als Professor für Allgemeine Didak-
Fall war die Unterstützung sehr hilfreich schlussfolgert, wir hätten zu wenig Rech- tik und Schulpädagogik lehrt Ewald
und der Anlass ein wissenschaftlicher.“ ner an den Schulen. Dabei ist das damit Terhart seit 2002 an der Westfälischen
doch noch nicht bewiesen, weil die Anzahl Wilhelms-Universität Münster. Er ist
Ewald Terhart, Professor an der Univer- der Geräte nichts über ihren Sinn im Un- Mitglied des wissenschaftlichen Kurato-
sität Münster, schätzt die Finanzierung terricht aussagt.“ Interpretieren müsse die riums im Institut zur Qualitätsentwick-
von Bildungsstudien durch unterneh- Studien jeder für sich, meint Wilfried Bos. lung im Bildungswesen in Berlin und
mensnahe Stiftungen nicht als problema- „Wenn ich ein Glas mit Wasser habe, ist sitzt in verschiedenen Studien-Beiräten,
tisch ein. „Die Stiftungen bedienen sich es die Aufgabe des Wissenschaftlers, den etwa im Beirat des Instituts für Schul-
schließlich wissenschaftlicher Expertise. Strich da zu machen, wo das Wasser ist. Ob entwicklungsforschung der Techni-
Ähnlich wie bei den Wirtschaftswissen- das Glas halb voll oder halb leer ist, muss schen Universität Dortmund.
schaften kommen zwar unterschiedliche jeder für sich entscheiden.“
52 BEGEGNUNG 4-2017
AUSLAND
BEGEGNUNG 4-2017 53
INLAND
54 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
Verwaltungsleiterbeirat und jetzt, gerade den 90er Jahren, eine Erfolgsgeschichte, die
im Entstehen, der Beirat unserer Schulver- bis heute andauert. Ausgesprochen froh
einsvorstände. Ich hoffe, dass gerade durch bin ich darüber, dass die Partnerschulini
diesen Beirat über die pädagogische Fach- tiative des Auswärtigen Amts, die es nun
arbeit hinaus das Qualitätsmanagement schon seit fast zehn Jahren gibt, fortgesetzt
an den Schulen weiter vorangebracht wurde, und ich hoffe, dass dies auch in den
werden und bei den 140 ehrenamtlichen kommenden Jahren der Fall sein wird. Die
Schulträgern das gemeinsame Verständnis Steigerung der Zahl ausländischer Schu-
darüber gestärkt werden kann. len, die von unseren Fachberatern bei
ihrem erweiterten Deutschunterricht un-
Was werten Sie persönlich als Ihren terstützt werden, und damit das enorme
größten Erfolg? Anwachsen der Zahl von Schulabsol-
Noch einmal: Die ZfA hatte immer die venten weltweit, die mit dem Deutschen
Unterstützung und das Vertrauen des Sprachdiplom in Deutschland studieren
Auswärtigen Amts und der Leitung des können und wollen, beeindruckt mich
Bundesverwaltungsamts. Beides braucht nach wie vor. Durch sie hat auch un-
Einvernehmen umzusetzen. Über all die sie auch. Wie auch das Vertrauen, ja auch sere Förderung des Deutschunterrichts
Jahre vielfältige und starke Unterstützung die Leidenschaft zahlreicher Mitspieler, an Schulen neuen Schwung bekommen.
zu erfahren von den Mitarbeiterinnen und ohne die die Auslandsschularbeit nicht Und nicht zuletzt rückten mit der Grün-
Mitarbeitern in der ZfA, von der Leitung funktioniert. Über all die Jahre betrach- dung des Unterausschusses für Auswärtige
des Bundesverwaltungsamts, von den Ak- tet, lassen sich die Herausforderungen Kultur- und Bildungspolitik die Deut-
teuren an den Schulen, auch von Kollegen nur schwer miteinander vergleichen. Was schen Auslandsschulen noch stärker in das
und Kolleginnen der Länder, die mit uns sich wie ein roter Faden hindurchzieht, ist, Blickfeld der Politik. Wenn es über all die
im Bund-Länder-Ausschuss für schulische wie sicherlich überall, das Ringen um die Jahre gelungen ist, den Wert und die Quali-
Arbeit im Ausland (BLASchA) zusammen- Haushaltsmittel. Wie oft mussten wir mit tät unserer deutschen Auslandsschularbeit
arbeiten, dem Auswärtigen Amt (AA), in Kürzungen umgehen und sie vor unse- im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und
dessen Auftrag wir die geförderten Schu- ren Akteuren und Partnern rechtfertigen! Bildungsarbeit deutlich zu machen, und
len betreuen, bis hin zum Bundestag und Dann aber gab es auch immer wieder Pha- die Auslandsschularbeit nach wie vor
seinen Abgeordneten, die parteiübergrei- sen der Konsolidierung. So in den vergan- eine hohe Wertschätzung genießt, dann
fend das Auslandsschulwesen unterstüt- genen Jahren, als das Auslandsschulgesetz vor allem dadurch, dass es stets genügend
zen. Es waren spannende und erfüllende verabschiedet wurde und als die Gehäl- Akteure gab, die die Arbeit mit Herzblut
Jahre. ter für die Auslandslehrer endlich erhöht betrieben und vorangetrieben haben. Das
werden konnten. Gerne denke ich auch gilt nicht zuletzt für die Mitarbeiter in der
Was war Ihr letztes Projekt? zurück an den Aufbau der Lehrerentsen- ZfA. Denn als Leiter ist man immer nur so
Ein Schlussstein dieser umfassenden, kon- deprogramme in Mittel- und Osteuropa in erfolgreich wie das Team. >
sensualen Arbeit mit unterschiedlichsten
Playern war das Auslandsschul-Qualitäts-
Statement
management-Projekt: Will man unsere
Auslandsschulen auf den internationalen
Bildungsmärkten zukunftsfähig machen, Das Gesetz, das 2014 in Kraft getreten ist,
muss die pädagogische Arbeit auf höchs- schafft Planungssicherheit für Auslands-
tem Vergleichsniveau stattfinden, aber schulen, deren Finanzierung zuvor stark
auch das Management unserer Deutschen von der Haushaltslage des Bundes ab-
Auslandsschulen muss überall so profes- hängig war. Damit ist es Herrn Lauer ge-
sionell und attraktiv sein, dass es mit an- lungen, die Institution zu stärken, die für
gelsächsisch orientierten kommerziellen so viel Ansehen im Ausland sorgt und so
Bildungsanbietern mithalten kann. Das grundlegend deutsche Sprache und Kul-
gelingt nur, wenn man das unterschied- tur vermittelt wie keine andere.“
liche Know-how an unseren Schulen zu- „Mit enormem Engagement und gegen
sammenführt und allen zugänglich macht. große Widerstände hat Herr Lauer für Dr. Peter Gauweiler, ehemaliger Vorsit-
Dazu haben wir Beiräte gegründet: Schon das Auslandsschulgesetz gekämpft und zender des Unterausschusses Auswärtige
lange beraten uns Wissenschaftler in ei- es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Kultur- und Bildungspolitik im Deut-
nem Beirat und die Schulleiter im Direk- Auslandsschulwesen dadurch zu stärken. schen Bundestag
torenbeirat; neu hinzugekommen sind der
BEGEGNUNG 4-2017 55
INLAND
56 BEGEGNUNG 4-2017
INLAND
Statement
nicht immer einer Meinung und haben so Schulen‘, authentisch, überzeugend und
manche Debatte geführt, stets engagiert, unbedingt loyal. Seine aufrichtige Über-
bisweilen auch hitzig, aber klar in den zeugung hat geholfen, manche Klippe
Positionen. zu überwinden.
BEGEGNUNG 4-2017 57
MELDUNGEN
Meldungen
Die Schüler der DS New Delhi interviewten
auch die „Self Employed Women Association“,
die Textilarbeiterinnen hilft, ihre Ware ohne
Zwischenhändler für e inen höheren Profit an
größere Firmen zu verkaufen.
58 BEGEGNUNG 4-2017
PERSONALIA
Personalia
AA Guido Kemmerling ist seit Anfang September 2017 Leiter des Referats Deutsche Auslandsschulen und Inter-
nationale Sportförderung im Auswärtigen Amt (AA) in Berlin. 1986 trat er in das Auswärtige Amt ein. Nach Aus-
landsposten in Abidjan, Seoul, Genf und Wien befasste er sich von 2010 bis 2016 mit der Förderung deutschen
Personals und der deutschen Sprache in den EU-Institutionen – zunächst an der Ständigen Vertretung Deutsch-
lands bei der EU und anschließend in der Europaabteilung des Auswärtigen Amts. 2016/2017 organisierte er als
Leiter eines Arbeitsstabs das Jahresforum der EU-Ostseestrategie, das Mitte Juni im Auswärtigen Amt stattfand.
Oliver Schramm leitete von August 2014 bis August 2017 das Referat Deutsche Auslandsschulen und Interna-
tionale Sportförderung im Auswärtigen Amt in Berlin. Davor war er Ständiger Vertreter und Leiter Wirtschaft an
der Deutschen Botschaft Lima. Dort kam er beispielsweise über die Arbeit mit dem Berufsbildungszentrum der
Deutschen Schule Lima eng in Berührung mit der deutschen Auslandsschularbeit, die er aus seinen vorigen Aus-
landstätigkeiten in Seoul und Rom schon kennen- und schätzen gelernt hatte. Der Diplom-Volkswirt begann 1991
seine Ausbildung beim 46. Attaché-Lehrgang, dem ersten gesamtdeutschen Diplomatenjahrgang des AA. Weitere
Stationen neben den Zentralen in Bonn und Berlin sowie einem Masterstudium in Harvard waren das Bundes-
kanzleramt sowie Seoul, Washington und Rom. Sein neuer Posten führt Oliver Schramm nach London, wo er die
Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft leitet.
Schreibtischwechsel
Argentinien Nach einer „äußerst interessanten und unglaublich intensiven Zeit“ an der Deutschen Schule Villa Ballester
hat sich Sebastian Schimmer Ende Juli 2017 nach Deutschland verabschiedet. Der Lehrer für Biologie und Ge-
schichte war in Argentinien unter anderem als Koordinator für das Pädagogische Qualitätsmanagement sowie
den Deutschsprachigen Fachunterricht zuständig. Seine neue Tätigkeit führt ihn ans Schönbuch-Gymnasium
Holzgerlingen
in Baden-Württemberg.
Frankreich Im August hat Thomas Seidl seine neue Stellung als Leiter der Deutschen Abteilung am Deutsch-Französischen
Gymnasium Buc angetreten. Damit kehrte der vormalige Seminarlehrer und Fachreferent Geografie der regiona-
len Schulaufsicht zu seinen Wurzeln zurück: Bereits von 1994 bis 1999 unterrichtete Thomas Seidl als Auslands-
dienstlehrkraft für Deutsch und Geografie in Buc. „Ich gehe zurück, um meine Erfahrung aus verschiedensten
schulischen Bereichen in das deutsch-französische Projekt einzubringen“, erklärt er. Bis vor Kurzem war Seidl als
stellvertretender Schulleiter am bayerischen Gymnasium Stein beschäftigt.
Kanada Zum 15. August hat Elke Rühl als Fachberaterin nach Toronto gewechselt. Frühere Auslandsaufenthalte führten
die Gymnasiallehrerin mit den Fächern Englisch und Deutsch als Lektorin des Deutschen Akademischen Aus-
tauschdienstes nach Exeter in Großbritannien sowie als Fachberaterin für Deutsch ins US-amerikanische Portland.
Rühl war als Personalrätin bei der Bezirksregierung Köln tätig und hat als Regionalbeauftragte der Zentralstelle
für das Auslandsschulwesen (ZfA) von 2012 bis 2016 die Deutschen Auslandsschulen in Afrika und der Türkei
betreut. Im letzten Jahr unterstützte sie die Arbeit des Fachbereichs ZfA 3 (Deutsches Sprachdiplom/Fachbera-
terbetreuung).
Friedrich Broeckelmann, Fachberater für Kanada Ost, verabschiedet sich ab Oktober in den Ruhestand. Seit 2009
betreute er in Toronto nicht nur das DSD-Programm, sondern auch Schülertheater und -kabarett. Schon zuvor
war er im Auslandsschulwesen tätig, unter anderem als Fachbereichsleiter für Deutsch an der Deutschen Schule
Washington D.C. und im Auslandsschulreferat des Sekretariats der Kultusministerkonferenz. Dabei hat er viel über
die deutsche Kultur gelernt: „Mit fremden Augen sieht man besser auf das eigene Land“, ist der Lehrer für Deutsch
und Sozialwissenschaften überzeugt. Ganz zur Ruhe setzen wird er sich nicht – nach seiner Pensionierung möchte
Broeckelmann die Auslandsschularbeit weiter unterstützen.
Polen Jörg Frobieter hat nach fünf Jahren seine Position als Schulleiter an der Willy-Brandt-Schule in Warschau verlas-
sen, um sich am Gymnasium Schenefeld in Schleswig-Holstein neuen Leitungsaufgaben zu stellen. Sein Interesse
an der polnischen Kultur wurde 1995 bei einem vierjährigen Einsatz als Bundesprogrammlehrkraft in Elbing (Elb-
ląg) geweckt. 2012 wechselte er von Hamburg erneut nach Polen, diesmal in die Hauptstadt. In der Retroperspek-
tive ist der Schulleiter dankbar für „vielfältige Aufgaben mit sehr unterschiedlichen Anforderungen“. Von seinen
Erfahrungen im Ausland habe er profitiert: „Ein Blick über die Grenze ist immer auch ein Blick über den eigenen
Tellerrand.“
Neue Leiterin der Willy-Brandt-Schule in Warschau ist Mechthilde Hinsberger-Boguski, die dort ganz im Sinne
des Namensgebers „den deutsch-polnischen Dialog voranbringen“ möchte. Bisher engagierte sie sich als Fach-
beraterin für Französisch am Regierungspräsidium Tübingen, wo sie unter anderem Fortbildungen leitete und
konzipierte, Examensprüfungen und Lehrproben abnahm und für das Landesinstitut für Schulentwicklung Ar-
beitsmaterialien erstellte. Zudem unterrichtete die Lehrerin Latein, Griechisch und Französisch am Evangelischen
Seminar Blaubeuren. Im Rahmen ihres Studiums absolvierte sie eine Sprachassistenz in Nantes und schloss an der
dortigen Universität mit dem französischen Abschluss Maîtrise ab.
BEGEGNUNG 4-2017 59
PERSONALIA
Polen Die seit mehr als 20 Jahren mit dem deutschen Auslandsschulwesen verbundene Dorothea Burdzik, zuletzt
Fachberaterin/Koordinatorin in Breslau, ging im August in Pension. 1996 nahm die Lehrerin für Mathematik, In-
formatik und Russisch eine Stelle als Fachschaftsberaterin im polnischen Oppeln (Opole) an. Sie bereute ihre
Entscheidung nie: „Viele Lehrkräfte wechseln ihr ganzes Berufsleben lang nicht ihre Schule, was sehr schade ist,
da sie gerade im Ausland eine völlig neue Perspektive auf ihre Heimat bekommen.“ Später war Burdzik als ZfA-
Fachberaterin/Koordinatorin neben Oppeln auch in Warschau tätig. Sie möchte sich künftig ehrenamtlich in der
Betreuung von Flüchtlingen engagieren.
Serbien Dr. Boris Menrath, bisheriger Leiter des Regionalbüros Südosteuropa und Fachberater für Deutsch in Belgrad,
befindet sich seit August im Ruhestand. 28 Jahre lang war er für die ZfA tätig. Seinen ersten Auslandsdienst ab-
solvierte der Sonderpädagoge in den 80er Jahren an der DS Mexiko-Stadt. Von 2001 bis 2006 zog es ihn erneut
nach Lateinamerika, diesmal als Fachberater in Buenos Aires. Nach seiner Rückkehr übernahm er die Leitung
des DSD-Bereichs bis zu seiner Vermittlung nach Serbien im Jahr 2010. Dem Magazin BEGEGNUNG bleibt Boris
Menrath nach seiner Pensionierung noch ein weiteres Jahr als Herausgeber erhalten.
Taiwan Neuer Schulleiter der Deutschen Schule Taipei ist seit August Roland Heinmüller. Bis dato war der Deutsch-,
Englisch- und DaF-Lehrer am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Leverkusen tätig. Dort verantwortete er neben
dem Fachvorsitz Deutsch auch die Koordination des International Baccalaureate (IB). Auslandserfahrung sam-
melte Heinmüller bereits als Oberstufenlehrer und IB-Koordinator an der Deutschen Europäischen Schule Manila.
Die Zeit auf den Philippinen bestärkte ihn in seiner Entscheidung, nach Taipei zu gehen: „Ich habe meinen letzten
Auslandsaufenthalt in bester Erinnerung und vermisse das Leben unter Globalisierungsnomaden.“
Ungarn Judith Nitsch ist seit August neue Schulleiterin der Deutschen Schule Budapest. Die bisherige stellvertretende
Schulleiterin des Gymnasiums Tutzing in Bayern hat während ihres Studiums als Fremdsprachenassistentin in
England und Frankreich erste Lehrerfahrungen im Ausland gesammelt. In dieser Zeit war es Nitsch möglich, ihre
Fächerkombination Englisch und Französisch einem Praxistest zu unterziehen und mit den dortigen Kulturen in
Dialog zu treten.
Meldungen
VERA 3-Ergebnisse: Nachholbedarf in Mathe und Deutsch
Berlin. Berliner Schüler haben Defizite in Mathe und Deutsch. Vierten war das Verstehen einfacher Texte zu schwer. Immerhin
Das zeigen die Testergebnisse der Vergleichsarbeiten in der drit- 60 Prozent entsprachen beim Lesen und Zuhören dem geforder-
ten Jahrgangsstufe der Grundschule (VERA 3) für das Schuljahr ten Bildungsniveau oder übertrafen die Erwartungen. An den
2015/2016. Jeder dritte Schüler erreichte bei einfachen Rechen- Berliner Tests nahmen fast 28.000 Schüler aus 435 Schulen teil.
vorgängen und beim Lesen den Mindeststandard nicht; für jeden VERA 3 ist Teil des Bildungsmonitorings der Kultusministerkon-
ferenz und untersucht die Lernstände der Drittklässler in Mathe
Ergebnisse Deutsch – Lesen und Deutsch. Neben Berlin veröffentlicht lediglich Brandenburg
Kompetenzstufen (KS) der Berliner Drittklässler von die Testergebnisse. Dort schnitten die Schüler im Rechnen ähn-
I = Mindestanforderungen nicht erfüllt bis V = Erwartungen lich ab, beim Lesen waren die Brandenburger etwas besser. Ob
weit übertroffen
die Ergebnisse auch im nächsten Jahr wieder veröffentlicht wer-
100 % den, wird derzeit in beiden Bundesländern diskutiert. Berlin
11 % überlegt, die Tests wegen des hohen Niveaus in die 4. Klasse zu
schieben. Eine umstrittene Entscheidung, wie die Vorsitzende
80 % 25 % 23 % 12 %
28 % des CDU-Landesfachausschusses Bildung, Katrin Schultze-Bernd,
32 %
15 % in der „Berliner Zeitung“ äußert: „Anstatt eine große Sprachlern-
60 % 18 %
18 % 19 % Offensive in Kita und 1. Klassen zu starten, lässt sich der Senat ein
15 % 21 % 16 % Jahr länger Zeit, die Kinder auf den Standard zu bringen.“ [HS]
15 %
40 % 16 %
14 % 16 %
13 % 13 % Die Studie kann unter www.isq-bb.de unter dem Reiter „VERA“
20 % 12 % heruntergeladen werden.
0% 28 % 31 % 25 % 20 % 45 % KS I KS II KS III KS IV KS V
gesamt Jungen Mädchen Deutsch Andere Quelle: Vergleichsarbeiten in der Jahrgangsstufe 3 im Schuljahr 2015/16,
Geschlecht Verkehrssprache Landesbericht Berlin
60 BEGEGNUNG 4-2017
PERSONALIA
Ungarn Nach jahrelangem Engagement für die Audi Hungaria Schule Györ hat der bisherige Schulleiter Helmut Seiler
Ende Juli seine Pension angetreten. In der Vergangenheit hat sich der Lehrer für Mathematik, Physik und Informa-
tik unter anderem als Leiter des Ungarndeutschen Bildungszentrums in Baja sowie als Schulkoordinator für Mittel-
und Osteuropa betätigt. Den Standort Ungarn behält er aufgrund der „deutschfreundlichen Einstellung seitens
der Regierung und der Entscheidungsträger“ und des „großen Interesses an gemeinsamen deutsch-ungarischen
Projekten im schulischen Bereich“ in positiver Erinnerung.
Vietnam Dr. Jörg Helmke ist seit August Fachberater/Koordinator in Hanoi. Der Lehrer für Spanisch, Wirtschaft und Theory
of Knowledge war zuletzt am Bremer Hermann-Böse-Gymnasium als IB-Koordinator und Fachbereichsleiter
„Bilingualer Unterricht“ tätig. Mit fremden Kulturen kam der Oberstudienrat schon früh in Kontakt. Als Kind
verbrachte er drei Jahre in Tansania, ferner absolvierte er ein Highschooljahr im Ausland. Im Rahmen seiner Dis-
sertation forschte Dr. Helmke als Stipendiat der mexikanischen Forschungsgemeinschaft CONACYT in Mexiko-
Stadt und Zacatecas. Für den Auslandsdienst hat er sich entschieden, weil „ich weiß, wie bereichernd und prägend
interkulturelle Begegnungen für alle Beteiligten sind und weil mich eine große Neugier und Begeisterung für
andere Menschen und Kulturen antreibt.“
Impressum
Herausgeber Sportförderung; Dr. Boris Menrath, ehemaliger Lei- S. 45 o. und u. r. PASCH-net; S. 45 u. l. Goethe-Institut;
Dr. Boris Menrath (v.i.S.d.P.) im Auftrag des ter des ZfA-Regionalbüros Südosteuropa S. 46 istock©piccaya; S. 47 (Personen) iStock©enot-
Auswärtigen Amts, Berlin, und des Bundes-
maks; S. 50 Dan Curticapean; S. 51 istock©SolStock;
verwaltungsamts, Köln – Zentralstelle für das Wissenschaftlicher Beirat der ZfA S. 52 o. Institut für Schulentwicklungsforschung
Auslandsschulwesen (ZfA) Vorsitzender: Prof. Dr. Hermann Funk (IFS) der TU Dortmund; S. 52 u. WWU/Peter Grewer;
E-Mail: boris.menrath@t-online.de E-Mail: hermann.funk@uni-jena.de S. 53 German International School Toronto; S. 54
www.auslandsschulwesen.de Michael Schröter, Much, www.tueschenbonnen.de;
www.facebook.com/auslandsschulwesen Gestalterisches Konzept, Layout & Satz S. 55 o. ZfA/Bettina Meyer-Engling; S. 55 u. Dr. Peter
Wolf & Gäbelein GmbH Gauweiler; S. 56 o. Deutsche Botschaft Minsk; S. 57
Koordination Lichtstr. 49, 50825 Köln u. DS Shanghai/PR; S. 58 o. DS New Delhi; S. 58 u.
Bettina Meyer-Engling (ZfA) E-Mail: agentur@wolfgaebelein.de Deutsche Botschaftsschule Peking; S. 59 Personalia:
www.wolfgaebelein.de Auswärtiges Amt; S. 59–60 (Schreibtischwechsel)
Redaktionelles Konzept privat; S. 60 (Menrath) die-journalisten.de; S. 61 o.
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Schmickler [HS], Benedikt Schmitz [BS], Anna Peter- rufsschule des Colégio Humboldt; S. 20 DS Lima, S. 20 daktion behält sich das Recht vor, Fremdbeiträge
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Yvonne Büscher, Sekretariat der Ständigen Konfe- der Vogelweide Bozen; S. 39, 48–49 die-journalisten.
renz der Kultusminister der Länder, Referat Aus- de GmbH; S. 40 WDA/Jan Michalko; S. 41 o. istock© Im Magazin BEGEGNUNG wird die männliche
landsschulen; N. N., Auswärtiges Amt, Referat 605, Goodluz; S. 42–43 Georg-Eckert-Institut; S. 44 o. Ger- Form stets generisch gebraucht und bezieht folglich
Deutsche Auslandsschulen und Internationale man International School Boston; S. 44 u. DS La Paz; die weibliche Form mit ein.
BEGEGNUNG
DEUTSCHE SCHULISCHE ARBEIT IM AUSLAND
1-2018
39. Jahrgang
BEGEGNUNG 4-2017 61
KOLUMNE
Ein paar Monate später fand das Mädchen die Antwort auf ihre
immer noch brennende Frage. Plötzlich standen diese Zeichen
wieder vor ihren Augen, versteckt zwischen Hunderten von Diana erhielt ihren Namen vor 18 Jahren als Erinnerung an die
Schallplatten. Und beschrieben den berühmten Святослав Рихтер, römische Göttin, Schützerin der Tiere, der Natur und des Mon-
Swjatoslaw Richter, der das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky des. Aus Dianas Sicht reist ihre freie Seele durch Zeit und Raum.
spielte. Was für ein Wunder! Das kleine Mädchen blieb ein paar Dadurch vereint sie Ideen und Gefühle, die sie durch die Be-
Tage neben dem Grammophon sitzen und vertiefte sich in die gegnung mit unterschiedlichen Menschen und Kulturen, Aus-
schönen rundlichen Buchstaben. Wer hätte erwartet, dass Richter drucksformen und Künsten entwickelt hat. Es gibt aber ein paar
ein ausgezeichneter Russischlehrer sein würde? Dinge, die sie immer bei sich hat: die Liebe für ihre Familie und
einen Plüschhund.
Viele Jahre vergingen, bis das Mädchen verstand, dass Worte die
vielleicht stärksten Waffen sind, welche im Laufe der Zeit dem
menschlichen Verstand gedient haben. Mit Worten haben Men- wurde im Laufe der Zeit von vielen Regierungen ausgenutzt. Die
schen neue Welten aufgebaut oder Leben vernichtet. Das Mäd- Angst um die Identität hat sich durch Propaganda oft in Xenopho-
chen konnte nun die Weigerung seiner Großmutter verstehen, bie und Hass umgewandelt und zu undenkbaren Katastrophen
nach dem Zweiten Weltkrieg Russisch zu lernen. Damals war es geführt.
eine mutige Tat der Rebellion gewesen. Dagegen hatten diejeni-
gen, die Russisch lernten, die Möglichkeit, in Moskau zu studieren Ich bin überzeugt, dass die Offenheit, andere Sprachen kennenzu-
und Karriere zu machen … lernen, von riesiger Wichtigkeit ist. Eine unwissende Gesellschaft
wird leicht zum Ziel der Manipulation, während eine Gruppe mit
Letztendlich muss man sich entscheiden: Man wählt entweder vielfältigen Erfahrungen, Mehrsprachigkeit und Multikulturalität
einen Himmel der verschlossenen Luftballons oder einen freien sich der eigenen Stärken bedienen kann.
Himmel als Agora aller bunten Vögel. Ich stehe, wie das kleine
Mädchen, für die zweite Möglichkeit. Ich glaube, dass die Mehr- Das kleine Mädchen hat übrigens in Berlin ein zweites Zuhause
sprachigkeit ein unermessliches Weltkulturerbe ist und für das gefunden und wurde eine berühmte Sprachwissenschaftlerin
Zusammenschweißen unterschiedlicher Menschengruppen steht. für Russisch und Hebräisch. Tschaikowskys Konzerte hat sie für
Auf der anderen Seite befindet sich die Angst der Menschen, ihre immer in ihr Herz geschlossen.
Ahnensprache in einer globalisierten Welt zu verlieren: „Ohne
meine Sprache kann ich nicht mehr ich sein!“ Dieses Gefühl von Diana Dehelean
11. Klasse, Nikolaus-Lenau-Lyzeum, Temeswar, Rumänien
Auch für das Heft 2-2018 freuen wir uns auf die Einsendung
von Schülerkolumnen, diesmal zum Thema Schule & Ge- Drei weitere ausgewählte Kolumnen, einen Cartoon und ein
sundheit. Einsendeschluss ist der 1. Februar 2018. Video bietet die kostenlose App der BEGEGNUNG:
www.auslandsschulwesen.de/E-BEGEGNUNG
62 BEGEGNUNG 4-2017
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