Sie sind auf Seite 1von 64

BEGEGNUNG

DEUTSCHE SCHULISCHE ARBEIT IM AUSLAND


4-2017
38. Jahrgang

Mehrsprachigkeit

Mehrsprachigkeit
FOKUS:
MEHRSPRACHIGKEIT
Herausforderung oder
­Selbstverständlichkeit? INLAND AUSLAND
Strategien Deutscher Wie unabhängig sind Schule 4.0 – Digitale Medien an
­Auslandsschulen ­Bildungsstudien? Deutschen Auslandsschulen
Fremdsprachen als
­Wirtschaftsfaktor ORTSTERMIN INLAND
Deutsch in Südtirol Deutscher Schulpreis und
ISSN: 0940-3132

FOKUS:
MEHRSPRACHIGKEIT ­Auslandsschulwettbewerbe
Herausforderung oder
­Selbstverständlichkeit?
Strategien Deutscher
­Auslandsschulen
Fremdsprachen als
­Wirtschaftsfaktor
Mit sprachstark sprachbewusst im Fach unterrichten

NEU: Die Sprachförderhefte


Die Arbeitshefte Sprachförderung TERRA und Zeitreise bieten:
• ausgewählte Schulbuchtexte in vereinfachter Sprache
• Aufgaben zur Erschließung der entlasteten Texte
• fachliche Kernaufgaben mit sprachlichen Hilfen
• Brückenaufgaben, die den Anschluss an das Schülerbuch erreichen
• alle entlasteten Texte als Hörtracks zur Verständnishilfe.

TERRA Arbeitsheft Zeitreise Arbeitsheft


Sprachförderung 1 Sprachförderung 1
ISBN 978-3-12-105032-1 ISBN 978-3-12-451043-3
₣ 9,50 $ ₣ 9,50 $
gehört zu gehört zu

TERRA Erdkunde 1 TERRA Schülerbuch Zeitreise Schülerbuch


Arbeitsheft Sprachförderung
ISBN 978-3-12-104912-7 ISBN 978-3-12-451040-2
TERRA ₣24,95 $ zeitreise 1
Arbeitsheft Sprachförderung
₣22,95 $
Erdkunde 1
Differenzierende Ausgabe
4,4 Mio. v. Chr. – 1500

Nordrhein-Westfalen zeitreise 1
Differenzierende Ausgabe
Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen

Weitere Informationen unter www.klett.de

Bildnachweis: © Fotolia (drubig-photo)

Für persönliche Beratung und Bestellung:


Klett Kundenservice | Postfach 10 26 45 | 70022 Stuttgart | Deutschland
Tel: + 49 711 6672 1333 | Fax: + 49 711 9 880 900 099 | contact@klett.de
www.klett.de
EDITORIAL

Mehrsprachigkeit
F remdsprachenkenntnisse sind die Voraussetzung für den Austausch von Wissen
und Waren, die internationale Zusammenarbeit und den Kontakt verschiede-
ner Kulturen. Aufgrund ihrer wachsenden Bedeutung in einer globalisierten Welt
steht die Mehrsprachigkeit im Fokus dieser Ausgabe. Unter anderem erörtern wir
ab S. 22, wie es derzeit um die schulischen Voraussetzungen dafür in Deutschland
steht. ­Anhand Deutscher Auslandsschulen in Frankreich und Belgien zeigen wir
Positiv­beispiele für die Vermittlung von und den Umgang mit Mehrsprachigkeit.
Wie wichtig Mehrsprachigkeit im Beruf für Europa ist, verdeutlicht das Interview
mit Hermann Funk, Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der
­Universität Jena, ab S. 30.

Gute Beispiele für gelungene schulische Arbeit finden Sie auch in unserer Serie
„Schule 4.0“. Schulbuchforscherin Prof. Dr. Felicitas Macgilchrist berichtet über den
erfolgreichen Einsatz digitaler Bildungsmedien an drei Deutschen Schulen im Aus-
land. Warum das klassische Schulbuch trotz aller technischen Errungenschaften
nicht tot ist, erklärt Macgilchrist ab S. 42.

Das Engagement Deutscher Auslandsschulen für Inklusion und Berufliche Bil-


dung wurde dieses Jahr in zwei Wettbewerben des Auswärtigen Amts ausgezeich-
net. Mehr zu den Preisverleihungen von „DAS – Gemeinsam leben und lernen“ und
„Beruf macht Schule“ lesen Sie ab S. 18. Erstmals traten Deutsche Auslandsschulen
2017 z­ udem regulär beim Wettbewerb um den Deutschen Schulpreis an. Die Deut-
sche Internationale Schule Boston und die Deutsche Schule Rio de Janeiro nahmen
am Finale in Berlin teil. Die DS Rio de Janeiro erhielt einen der begehrten Preise –
nicht zuletzt für ihr Inklusions- und Begegnungskonzept. Ab S. 6 finden Sie die
­Jurybegründung und weitere Details zum Wettbewerb.

Seit dem „PISA-Schock“ im Jahr 2000 ist die Bildungsforschung wieder ins Blick-
feld der Politik gerückt. Auch die Wirtschaft zeigt verstärktes Interesse an Bil-
dungsstudien. Erfahren Sie ab S. 50, welchen Einfluss Politik und Wirtschaft auf
­Wissenschaftler ausüben.

Nach 16 Jahren als Leiter der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen verabschie-
det sich Joachim Lauer in den Ruhestand. Zusammen mit ehemaligen Weggefährten
blickt er ab S. 54 zurück – und nach vorne. Auch die Redaktion der BEGEGNUNG
bedankt sich und wünscht ihm alles Gute für die Zukunft.

Viel Spaß beim Lesen der aktuellen BEGEGNUNG wünschen Ihnen

Boris Menrath Stefany Krath

BEGEGNUNG  4-2017 3
INHALT

In Wettbewerben Bildungsland Deutschland? 10 Herausforderung


ausgezeichnet 6 und 16 In dieser Ausgabe unserer Serie zu aktuel- Mehrsprachigkeit 22
Ob beim „Deutschen Schulpreis“ oder bei len Bildungsthemen geht es um die Wer- Das menschliche Gehirn ist auf Mehr­
den Wettbewerben „DAS – Gemeinsam tigkeit des Abiturs. Stefany Krath sprach sprachigkeit ausgerichtet, doch das deut-
leben und lernen“ und „Beruf macht mit führenden Vertretern von Gewerk- sche Bildungssystem ist bisweilen mit ihr
Schule“ – die Leistungen der Deutschen schaften und Lehrerverbänden über überfordert. Unter welchen Voraussetzun-
Schulen im Ausland stoßen auch im ­Studierfähigkeit und Studier­berechtigung. gen gedeiht Mehrsprachigkeit und mit
­Inland auf ein wachsendes Interesse. welchen Konsequenzen für Einzelperso-
In diesem Sommer wurden bei den drei nen und Gemeinschaft? Wie können
Wettbewerben insgesamt zehn Schulen ­Po­litiker sowie Lehrkräfte im In- und Aus-
prämiert. land den Fremdsprachen­erwerb fördern?

Inhalt
FOKUS:
MEHRSPRACHIGKEIT INLAND

Mehrsprachigkeit: Herausforderung „Das Fremdsprachenlernen beginnt erst Auslandsschulwettbewerb „DAS –


oder Selbstverständlichkeit nach dem Englischen.“ Gemeinsam ­leben und lernen“
Mit der Globalisierung gewinnt die Mehr­- Interview mit Prof. Dr. Hermann Funk, Ausgezeichnete Inklusionsarbeit 16
sprachigkeit zunehmend an Bedeutung. Leiter des Lehrstuhls Didaktik und
Auch die EU setzt sich dafür ein, dass sich ­Methodik/Deutsch als Fremd- und Zweit­- Auslandsschulwettbewerb „Beruf
ihre Bürger neben Englisch mindestens in sprache an der Universität Jena über macht Schule“
einer weiteren Fremdsprache verständi- Mehrsprachigkeit im Beruf. 30 Von der Schulbank in den Beruf 18
gen können. Doch an deutschen Schulen
kommt die Förderung von Mehrsprachig- Evaluation Auslandsschulgesetz
keit nur langsam in Gang. 22 Auf dem Prüfstand 20
INLAND
Do you parles Deutsch? Austauschforum 2017
Wenn es um die Vermittlung von Fremd­- Deutscher Schulpreis 2017 Vernetzt auf allen Ebenen 38
sprachen oder Deutsch als Fremd- oder DS Rio de Janeiro in Berlin prämiert 6
Zweitsprache geht, verfügen Deutsche WDA-Symposium 2017
Auslandsschulen über ausgefeilte Kon­- Serie: Bildungsland Deutschland? Viel Anerkennung für
zepte. Wir stellen zwei Beispiele vor. 26 Was ist das Abitur noch wert? 10 Auslandsschularbeit 40

Neues von PASCH-net


Neuigkeiten aus dem Netzwerk 45

4 BEGEGNUNG  4-2017
INHALT

Schule 4.0 42 Ortstermin Südtirol 36 Einflüsse auf


Der Begriff Digitales Lernen weckt Von den rund 520.000 Menschen, die in Bildungsstudien 50
­Hoffnungen, setzt Schulen und Lehrkräfte Südtirol im Norden Italiens leben, fühlen Gutachten, Umfragen, Statistiken: Die
­jedoch manchmal auch unter Druck. sich knapp 70 Prozent der deutschen und ­Ergebnisse der Bildungsforschung haben
Wie unterschiedlich Deutsche Auslands­ rund ein Viertel der italienischen Sprach- politisches Gewicht, doch auch umge-
schulen mit dem Thema digitale Medien gruppe zugehörig. Zweisprachigkeit ist in kehrt wirken Politik und Wirtschaft auf
um­gehen, hat die Schulbuchforscherin ihrem Alltag selbstverständlich. die Wissenschaft ein. Die Meinungen da­
Prof. Dr. Felicitas Macgilchrist in einem rüber, wie unabhängig Bildungsforscher
Forschungsprojekt an drei Deutschen agieren können, gehen auseinander.
Schulen im Ausland untersucht.

AUSLAND KOLUMNE

Studium in Deutschland an der Serie: Schule 4.0 – „Es gibt mehr „Zwischen den Schallplatten“
RWTH Aachen Freiraum als in Deutschland“ Die Gewinnerin des Kolumnenwettbe-
Ein „kleines Dorf“ für Schüler aus Interview mit Schulbuchforscherin Prof. werbs zum Thema Mehrsprachigkeit 62
­Griechenland 48 Dr. Felicitas Macgilchrist über Digitalisie-
rung an Deutschen Auslandsschulen 42
Wirtschaft und Bildungsforschung
Interpretationsspielraum In der Schule Charakter zeigen Interview mit Joachim Lauer
Bildungsstudie 50 Persönlichkeitsbildung an der German Der Abteilungsleiter der ZfA verab­
­International School Toronto 53 schiedet sich in den Ruhestand 54

Personalia 59
AUSLAND
ORTSTERMIN Schreibtischwechsel 59, 60, 61
Umwelthelden in Thailand
Trash-Hero-Projekt an der Christlichen Südtirol Editorial 3
Deutschen Schule Chiang Mai 34 Zwist um die Zweisprachigkeit 36
Meldungen 9, 14/15, 21, 32/33, 41,
46/47, 58, 60

Impressum 61

BEGEGNUNG  4-2017 5
INLAND

Deutscher Schulpreis 2017 Die Delegation der Deutschen Schule Rio de


Janeiro freut sich mit Prof. Dr. Maria Böhmer,

DS Rio de Janeiro in
Staatsministerin im Auswärtigen Amt (3.v.l.),
über die Auszeichnung beim ­Deutschen
Schulpreis 2017.

Berlin prämiert
Erstmals traten Deutsche Auslandsschulen regulär beim Wettbewerb des Deutschen Schulpreises an.
Beim Finale am 29. Mai erhielt die Deutsche Schule Rio de Janeiro einen der begehrten Preise. Lob gab
es vor allem für das Inklusions- und Begegnungskonzept der Schule.

von Andreas Müllauer und Anna Petersen

S pannung, Jubel, zwei Schritte hinauf auf das Podium und


dann ist es geschafft: Sichtlich begeistert hält Schulleiterin
Anke Junge-Ehmke den geflügelten Klassenzimmerstuhl in den
Deutschen Schulpreis. Zum ersten Mal ging eine davon im regu-
lären Wettbewerb – ebenso wie ein Preisgeld von 25.000 Euro – an
eine Deutsche Auslandsschule: Die Deutsche Schule Rio de Janeiro
Händen. Seit elf Jahren ist er die Trophäe für Preisträger beim durfte sich über eine von fünf Zweitplatzierungen freuen. Die Jury

6 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

prämierte ihr Schulkonzept und attes- haben gelesen. In jeder freien Minute hat- Gedanken, nach ihrem Schulabschluss in
tierte der Auslandsschule „von Respekt ge- ten die ein klassisches deutsches Buch da- Deutschland zu studieren. „Es ist schön,
prägte Begegnungen zwischen Schülern, bei.“ Die Lernenden könnten zudem auf dass die Türen im Leben offen für uns
Eltern, Lehrern sowie dem weiteren Per- einem hohen Niveau „innerhalb eines Sat- sind und wir viele Möglichkeiten haben“,
sonal“, die die Schule „zu einer der belieb- zes“ zwischen Sprachen und Kulturen „hin lobt Oliver die Perspektiven der Schüler-
testen in Rio“ machen würden. Im Beisein und her surfen“. schaft, die sprachlich und kulturell he-
von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel terogen ist. „Kulturenvielfalt haben, leben
konnte das deutsche Auslandsschulwe- Kulturenvielfalt und und fördern“, darauf lege man in Rio viel
sen damit direkt bei der ersten regulären Durchlässigkeit Wert, meint die deutsche Schulleiterin
Teilnahme am Wettbewerb des Deutschen Maria Carolina Martins und Oliver Toni Anke Junge-Ehmke. Sie lobt auch die hohe
Schulpreises einen großen Erfolg feiern. sind zwei dieser Sprachsurfer. Die beiden Durchlässigkeit vom brasilianischen in
2016 hatte es einen Sonderpreis für Deut- Schüler der 11. und 12. Klasse sind als Teil den deutschen Zweig der DS. Das könnte >
sche Auslandsschulen gegeben, dieser ging
damals an die DS Johannesburg.

DS Rio de Janeiro punktet doppelt


Im diesjährigen Finale traten 14 nomi-
nierte Schulen um die sechs prämierten
Plätze an. Zuvor hatte die Jury des Deut-
schen Schulpreises sie vor Ort nach sechs
Kriterien inspiziert: Leistung, Umgang
mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verant-
wortung, Schulleben und Schule als ler-
nende Institution. Die Deutsche Schule in
Rio konnte in ihrer Bewerbung mit den
beiden Kernthemen Inklusion und Be-
gegnung punkten. Die Jury lobte sie als
„inklusive Schule, die konsequent vom
Kindergarten bis zum Abitur die Begeg-
nungen unterschiedlicher Art fordert und
fördert“.

Gleichstellung von Kultur und


Sprache
Rund 1.300 Kinder und Jugendliche in Rio
erleben an ihrer Schule eine Gleichstel- der brasilianischen Delegation zur Preis- 14 Schulen nahmen an der
lung von deutscher und brasilianischer verleihung gereist und freuen sich sehr feierlichen Preisverleihung mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Kultur. Der gesamte Unterricht, jeder El- über den Erfolg ihres Schulkonzepts. Sie
in Berlin teil.
ternabend und alle sonstigen Veranstal- finden, dass ihnen und ihren Mitschü-
tungen finden stets auf Deutsch und auf lern sowohl die „guten deutschen Werte
Portugiesisch statt. Das hat auch Jurymit- als auch die guten brasilianischen Werte“
glied Prof. Dr. Hans Anand Pant von der vermittelt werden. Beide spielen mit dem
Deutschen Schulakademie nachhaltig be-
eindruckt. Besonders faszinierte ihn nach
seinem Besuch vor Ort, „dass man das di-
rekte, ständige und überall vorkommende Die Deutsche Schule Rio de Janeiro ist eine bikulturelle Begegnungsschule und
Zusammenleben unterschiedlicher Kultu- bietet ein zweisprachiges Unterrichtsprogramm in deutscher und portugiesischer
ren miterleben kann“. An der Deutschen Sprache an. Im Leitbild der Schule ist Mehrsprachigkeit als Schlüsselkompetenz für
Schule Rio de Janeiro hätten die Schüler ein besseres Weltverständnis im Leitbild der Schule fest verankert. Außerschulische
eine Nähe zum Kulturwerkzeug Sprache Lern­orte und soziale Projekte werden systematisch in den Unterricht integriert. Rund
gezeigt, die ihm in Deutschland manch- 1.300 Schüler haben die Möglichkeit, neben einem brasilianischen Abschluss auch
mal fehle: „Die Schüler waren gar nicht das deutsche Abitur abzulegen. An der Schule arbeiten 15 aus Deutschland vermit-
daran interessiert, dauernd eine Whats­ telte Auslandslehrkräfte. Weitere Informationen: www.eacorcovado.com.br
App-Nachricht zu schreiben, sondern

BEGEGNUNG  4-2017 7
INLAND

Zufriedene Bostoner
Neben der DS Rio de Janeiro ist auch der German International
School Boston der Sprung ins Finale des Schulpreises gelungen.
Dass erstmals eine Teilnahme am regulären Wettbewerb möglich
war, freut Schulleiter Dr. Jochen Schnack: „Ich finde es wunderbar,
dass in diesem Schuljahr die Auslandsschulen mit den Schulen
in Deutschland im Wettbewerb standen. Das zeigt, dass die Aus-
landsschulen als normale Schulen anerkannt und nach den glei-
chen Kriterien gemessen werden.“ Zwar konnten sich die Bostoner
nicht bei den Preisträgern einreihen, aber Schnack verbucht die
Nominierung als großen Erfolg für seine junge Schule, die er liebe-
voll als „Start-up-Unternehmen“ bezeichnet. Trotz der Fluktuation
bei Schülerschaft und Lehrkräften, die häufig durch auslaufende
Verträge und Berufswechsel der Eltern oder Ehepartner zustande
kommt, könne die GIS Boston nun einen gewaltigen Qualitäts-
nachweis vorlegen. Der Druck von außen ist laut Schnack auf dem
amerikanischen Bildungsmarkt besonders groß, er spricht von
­einer der „dynamischsten Bildungsregionen weltweit“.

Gutes Ergebnis für das deutsche Auslandsschulwesen


Die Deutsche Internationale Schule Boston versteht
die Nominierung als großartige Bestätigung für eine Dass bei der ersten Teilnahme direkt zwei Auslandsschulen auf der
gute schulische Arbeit in einer der „dynamischsten Nominiertenliste der besten deutschen Schulen standen und eine
Bildungsregionen“. davon prämiert wurde, kann als Lob für die deutsche schulische
Arbeit im Ausland allgemein verstanden werden. In Relation zur
als Vorbild für innerdeutsche Schulen dienen: „Wenn wir feststel- Zahl der inländischen Schulen wirke der Erfolg sogar noch größer,
len, dass eine brasilianische Achtklässlerin gute Chancen für die findet Schulentwicklungsberater Ralf Dietl, Mitglied der Vorjury
Aufnahme in den deutschen Zweig hat, kann sie auch später wech- des Deutschen Schulpreises: „Wir haben ungefähr 40.000  Schu-
seln. Innerdeutsche Schulen täten gut daran, nicht zu frühzeitig len in Deutschland. Davon sind zwölf nominiert. Unter den
den Bildungsweg des Einzelnen samt -abschluss festzulegen.“ 140  Auslandsschulen sind es wiederum zwei. Wenn man das in
­Prozentzahlen ausdrückt, ist das schon gewaltig.“
Inklusion vorantreiben
Dass sich die Deutsche Schule in Rio einen der Preise sichern
konnte, lag auch an ihrem ausgefeilten Inklusionskonzept. Dafür
wird laut Junge-Ehmke viel in die Vorbereitung der Lehrkräfte
investiert, sowohl personell als auch finanziell. Bereits in der Ver- Gewinnerin des Deutschen Schulpreises 2017 ist die Elisa-
gangenheit hatte die Deutsche Schule Rio de Janeiro für ihr In- beth-Selbert-Schule aus Hameln. Die Jury lobte unter ande-
klusionskonzept Preise gewonnen. Sie nahm zweimal erfolgreich rem die enge Zusammenarbeit zwischen der berufsbildenden
am Inklusionswettbewerb des Auswärtigen Amts „DAS – gemein- Schule und den regionalen Betrieben, die eine optimale Be-
sam lernen und leben“ teil: 2014 gewann sie dabei den ersten Preis, rufsvorbereitung und direkte Ausbildungsübernahmen
2015 einen Sonderpreis. begünstige.

Körperlich und geistig beeinträchtigte Schüler werden an der


Schule konsequent in den Unterricht integriert. Neben außer-
schulischen Weiterbildungen für Erziehende und Lehrkräfte wer- Bereits bei der Verleihung des Deutschen Schulpreises 2016
den direkte Beratungen zu Lehrplänen und Evaluationsverfahren gab es einen Preis für die deutsche Auslandsschularbeit. Die
angeboten. Darüber hinaus kommen sonderpädagogische Fach- Deutsche Internationale Schule Johannesburg gewann ei-
kräfte und individualisierte, an die Lernfortschritte der Schüler nen mit 25.000 Euro dotierten Sonderpreis für ihre Wertever-
angepasste Unterrichtsmaterialien zum Einsatz. Man habe In- mittlung im Umgang mit Vielfalt und Bildungsgerechtigkeit
klusion bei der Bewerbung für den Schulpreis nicht „einfach nur in Südafrika. Seit diesem Jahr treten Auslandsschulen im regu-
aufgeschrieben“, sondern bereits zuvor jahrelang umgesetzt, so lären Wettbewerb an. Die Ausschreibung für den Deutschen
Junge-Ehmke. Die Inklusion behinderter Kinder und Jugendli- Schulpreis 2018 läuft bereits: www.deutscher-­schulpreis.de.
cher wird auch in der Schülerschaft befürwortet, so Zwölftklässler Die Auszeichnung wird seit 2006 von der Robert Bosch Stif-
Oliver Toni: „Es ist sehr schön, dass sich die Schule auch für ihre tung und der Heidehof Stiftung vergeben.
Schüler ändert und neue Türen öffnet.“

8 BEGEGNUNG  4-2017
MELDUNGEN

Meldungen
Neuer Bundespräsident ist Schirmherr über
deutsches ­Auslandsschulwesen
Berlin. Nach Joachim Gauck hat Bun- hatten sich zuvor gemeinsam für die
despräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier Schirmherrschaft des Bundespräsidenten
die Schirmherrschaft über das deutsche eingesetzt. „Für die Auslandsschulen und
Auslandsschulwesen übernommen. Der die ZfA ist die Schirmherrschaft ein be-
frühere Außenminister betonte in einem sonderes Zeichen der Wertschätzung“, un-
Schreiben an die Zentralstelle für das Aus- terstrich Joachim Lauer, Leiter der ZfA. Die
landsschulwesen (ZfA): „Deutsche Aus- Auswärtige Kultur- und B
­ ildungspolitik
landsschulen sind wichtige Akteure der war dem neuen Schirmherrn bereits wäh-
Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, rend seiner Zeit als Außenminister ein
die Brücken bauen zwischen Deutschland wichtiges Anliegen. Die Gründung der
und den Partnerländern. Sie leisten damit Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“
einen bedeutenden Beitrag zu gegensei- (PASCH) im Jahr 2008, die weltweit mehr
tigem Verständnis und nachhaltiger Ver- als 1.800 Schulen mit Deutschschwer-
netzung, insbesondere auch der jüngeren punkt vernetzt, geht auf Steinmeier
Schon als Außenminister setzte sich
Generationen.“ Die ZfA und der Weltver- ­zurück. [CP] Frank-Walter Steinmeier für das Auslands-
band Deutscher Auslandsschulen  (WDA) schulwesen ein.

Studie: Auslandsschulen im Berlin. Deutschland ist in allen Bereichen der Auswärtigen K


­ ultur-

­internationalen Vergleich ­ und Bildungspolitik (AKBP) gut positioniert, im Bereich Bildung


und Wissenschaft sogar hervorragend. Das geht aus dem Zwischen-
„hervorragend aufgestellt“ bericht einer Studie der Hertie School of Governance im Auftrag des
Auswärtigen Amts hervor. Die Studie verglich die AKBP-Strategien
Regionale Verteilung der Kulturinstitute 2015* und -Aktivitäten verschiedener Staaten, unter anderem in den Be-
reichen Sprache, Bildung und Wissenschaft. Das deutsche Auslands-
500 schulwesen kann demnach mit einem „übergreifenden Konzept
3
punkten, das Deutsche Auslandsschulen und Schulen in nationalen
Bildungssystemen umfasst und in keinem der Vergleichsländer so
400 181
umgesetzt wird.“ Dennoch gibt es laut Studie durchaus Luft nach
oben. Denn der internationale Wettbewerb wird intensiver: China
und Russland haben in den letzten zehn Jahren massiv in die aus-
300
wärtige Bildung investiert. Rund 1.000 sogenannte „Konfuzius-­
73
Klassenzimmer“ sind weltweit an lokale Schulen angeschlossen, um
15
200 106 die chinesische Sprache und Kultur zu fördern. Russland möchte
90 ebenfalls die Unterstützung russischer Schulen und Bildungsein-
158 32 2 richtungen im Ausland verstärken. Die Empfehlung der Studie:
4
100 66 13 42 „Wenn Deutschland seine bislang gute Positionierung behalten will,
27
24 15 15
9 46 56 muss es die Mittel aufstocken und gerade in den geopolitisch ‚um-
17 73 29 35
29 kämpften‘ Regionen seine ­Aktivitäten ausbauen.“ [AM]
4 3 28
0 10 20 10 10 10
Amerika Asien & Ozea- Europa Naher Osten Subsahara-
237 nien 260 496 Nordafrika 128 Afrika 134 Weitere Informationen auf www.hertie-school.org unter dem
­Reiter „Forschung“.
Brazil Cultural Center British Council
Confucius Institute Russkiy Mir Foundation * Für die USA werden hier aufgrund fehlender regionaler Daten nur die
60 Priority American Spaces aufgeführt
Goethe-Institut American Spaces
Institut Français Quelle: Hertie School of Governance/Auswärtiges Amt

BEGEGNUNG  4-2017 9
INLAND

Serie:
Serie: Bildungsland Deutschland? Bildungsland
Deutschland?

Was ist das Abitur noch wert?


Die Abiturnoten werden immer besser. Spricht das für eine Verbesserung der Schüler oder ein Nachlassen der
Anforderungen? Stefany Krath sprach mit Simone Fleischmann, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbands
Bildung und Erziehung (VBE), Josef Kraus, ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL), Heinz-Peter
Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands (DPhV), und Marlis Tepe, Bundesvorsitzende der
­Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Herr Meidinger, befähigt das Abitur die Abiturienten von heute nicht an der Hochschule, sondern an dem, was die Studienanfän-
für das Studium? ger mitbringen. Wir haben eine Ausweitung der Zahl der Studi-
Das große Bestreben des DPhV ist, dass Studienberechtigung und enberechtigten erlebt, die zum Teil auf Kosten der Qualität ging.
Studierfähigkeit nicht auseinanderklaffen. Wir haben in Deutsch- Über die sehr weitgehende Öffnung gegenüber Berufstätigen
land das Konstrukt der allgemeinen Studierfähigkeit. Dazu stehen bin ich nicht besonders begeistert. Die Zahlen sind zwar gering,
wir auch. Wir brauchen ein allgemeinbildendes Abitur. Aller- aber sie steigen Jahr für Jahr im zweistelligen Prozentbereich. Ich
dings war es auch früher schon so, dass man mit einer Vier im glaube schon, dass man für ein Studium bestimmte Voraussetzun-
gen mitbringen muss, die manche Abschlüsse nicht automatisch
gewährleisten.

Sehen Sie denn eine Abiturinflation in Deutschland?


Ich sehe zumindest die Gefahr. Es gibt Anzeichen dafür, dass die
Zertifikate ausgeweitet werden, ohne dass die Qualifikationen
entsprechend steigen. Wir haben allerdings mittlerweile eine an-
dere Diskussion in Deutschland: Vor zehn Jahren hätte noch eine
große Mehrheit in der Bildungspolitik und bei den Verbänden die
Forderung unterstrichen, die Studienberechtigtenzahlen deutlich
auszuweiten. Mittlerweile, glaube ich, hat sich die Erkenntnis ver-
breitet, dass man eine Grenze erreicht hat. Mittlerweile erwerben
über 50 Prozent eines Jahrgangs eine Studienberechtigung und
die Klagen der Universitäten haben massiv zugenommen. Dieser
Trend beruht nicht zuletzt auf einer Fehleinschätzung der OECD,
die sich sehr stark an Quoten orientiert. Wir haben Länder in der
Welt mit 70 bis 80 Prozent Hochschulzugangsberechtigungen.
Man hätte genauer hinschauen müssen, was das dort für Hoch-
schulen sind. Sind sie vergleichbar mit unseren Hochschulen? Ha-
ben diese Länder einen Weg der beruflichen Bildung wie wir? Bei
den letzten Studien hat die OECD ein wenig eingelenkt, weil sie
festgestellt hat, dass Länder mit besonders hohen Studienquoten
„Ein Abitur, das jeder hat, hat keiner“,
sagt Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender massive Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben. Ich erinnere an
des DPhV und seit Juli 2017 gleichzeitig Italien, aber mittlerweile auch Frankreich und Japan, wo die Hoch-
Präsident des DL. schulzugangsberechtigung nicht mehr viel bedeutet, weil sie jeder
hat. Ich sage immer: Ein Abitur, das jeder hat, hat keiner.
Abiturzeugnis in Mathe oft nicht gut beraten war, Mathematik zu
studieren oder den entsprechenden Statistikschein in Soziologie Wie stehen Sie zum Thema Abiturinflation in Deutschland, Frau
zu machen. Jetzt stellt man fest, dass es einen steigenden Anteil Fleischmann?
von Studienberechtigten gibt, die generell massive Schwierig- Die Frage nach der Wertigkeit der Hochschulreifeprüfung ist
keiten an der Hochschule bekommen. Das liegt zum großen Teil elementar. Bayern liegt mit 28 Prozent Abiturienten unter dem

10 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

Herr Kraus, gibt es eine Abiturinflation?


Wenn alle Abitur haben, hat keiner mehr Abitur. Mit der Notenin­
flation geben wir ungedeckte Schecks aus und betrügen die j­ ungen
Leute.

Wie ist es dazu gekommen?


Es ist bildungspolitischer Populismus, den Eltern weiszumachen,
alle Kinder hätten die Begabung zum Abitur und zum Studium.
Eltern bekommen natürlich gerne tolle Zeugnisse für ihre Kinder,
und die Politik sonnt sich in steigenden Quoten. Es ist weniger po-
pulär, den Eltern zu sagen, dass man die Ansprüche wieder anhe-
ben muss. Nicht um den Zugang zum Gymnasium zu begrenzen,
sondern weil wir den Kindern keinen Gefallen tun, wenn wir sie
schlecht vorbereitet ins Leben ziehen lassen. Die Ansprüche sind
heruntergefahren worden. In den letzten Jahren wurden Inhalte
und Stunden abgebaut, die Durchfall- und Sitzenbleiberquoten
wurden niedriger und die Abiturnoten immer besser. Gleichzeitig
wird ständig über Schulstress geredet. Das kann ich nicht nach-
vollziehen. Ich bin niemand, der Bildungspolitik in erster Linie
wirtschaftlich betrachtet, aber durch die Abiturinflation leidet
natürlich der Bereich der beruflichen Bildung. Das führt seit drei
„Die Frage nach der Wertigkeit der Hochschulreifeprüfung ist
elementar“, ist Simone Fleischmann, stellvertretende VBE-­ Jahren in Deutschland dazu, dass wir mehr Studienanfänger ha-
Bundesvorsitzende und Präsidentin des Bayerischen Lehrer- ben als Leute, die eine berufliche Ausbildung beginnen. Mal ganz
und Lehrerinnenverbands, überzeugt. plakativ: Wir haben in Deutschland 330 Berufsbildungsordnungen
und weit über 10.000 Studienordnungen. Die hochqualifizierte be-
rufliche Bildung war immer unser großes Plus, und dies gefährden
wir mit dieser Pseudoakademisierung. Wir haben in Deutschland
Deutschlanddurchschnitt von 35 Prozent. Vor zehn Jahren ha- die niedrigsten Studierquoten, aber die besten Wirtschaftsdaten
ben noch 19 Prozent in einem Jahrgang die Hochschulreife be- und die wenigsten arbeitslosen Jugendlichen. Es bringt nichts, >
kommen. Damit sind wir bei der zentralen Diskussion: Wie scharf
messen die unterschiedlichen Bundesländer Leistung? Im Fö-
deralismus haben wir verschiedene Lehrpläne in den einzelnen
Bundesländern und gleichzeitig einheitliche Standards der Kul-
tusministerkonferenz, nach denen sich die Abschlussprüfungen
richten. Es ist logisch, dass in verschiedenen Bundesländern un-
terschiedliche Inhalte mit unterschiedlichen Bewertungsmaß-
stäben gemessen werden. Und das produziert unterschiedliche
Ergebnisse. Bildungspolitik von der Ergebnisseite zu diskutieren
ist aber die völlig falsche Blickrichtung. Wir sollten Bildungsge-
rechtigkeit, Durchlässigkeit und Bildungsqualität diskutieren und
überlegen, ob die Kinder und Jugendlichen zu den Angeboten pas-
sen, die wir ihnen in Schulen bieten. Es geht nicht darum, dass das
Kind sich der Schule anpasst, sondern dass sich die Schule den in-
dividuellen Stärken und Schwächen der Schüler anpasst. Und was
bringt es dann noch, über Quoten zu sprechen? Der VBE stellt den
Prozess des Lernens, die Individualität in den Mittelpunkt. Wir
wollen natürlich Leistung, wir stehen nicht für Kuschelpädagogik,
aber die Frage ist: Wie wird Leistung erhoben? Es gibt die Möglich-
keit, prozessorientiert und individualisiert Leistung zu erheben.
Warum müssen in der 10. Klasse alle Schüler die gleiche Arbeit
mit dem gleichen Bewertungsschlüssel zum gleichen Zeitpunkt in
der gleichen Zeit schreiben? Weil dann alles objektiv und messbar
Ehemaliger DL-Präsident Josef Kraus:
ist? Das ist ein Trugschluss. Schüler sind Individuen und brauchen „Wir geben mit vielen Abiturzeugnissen
­individuelle Lernangebote. eher eine Studier­berechtigung als eine
Studierbefähigung aus.“

BEGEGNUNG  4-2017 11
INLAND

wenn wir 70 Prozent der jungen Leute ins Studium schicken, wie 30, 50 oder 100 Jahren, wie manche Ausbilder in Betrieben oder
Finnland, das zu Unrecht hochgelobte PISA-Sieger-Land, wo es Hochschullehrer immer wieder klagen. Dieses Gejammer reicht
22 Prozent arbeitslose Jugendliche gibt. In Deutschland haben wir bis zur Zeit der alten Griechen zurück. Fakt ist dagegen, dass die
ein Viertel dieser Quote. jungen Leute heute im Schnitt und in der Masse besser qualifiziert
sind als früher und dass sie zum Teil über ganz andere Kompeten­
zen und Kulturtechniken verfügen als die Vorgängergenerationen,
Stichwort: Netzkompetenz. Aber: Die Schere zwischen sehr gut
und schlechter qualifizierten jungen Menschen geht immer wei-
ter auseinander. Das ist ein Problem für die Gesellschaft und die
Demokratie – spiegelt aber letztlich die soziale Realität in diesem
Lande wider. Deshalb braucht Schule mehr personelle und materi-
elle Ressourcen, um über die Individualisierung der Lernprozesse
für mehr Chancengleichheit sorgen zu können. Dieser Prozess be-
ginnt jedoch nicht erst in der Schule, sondern bereits in der Kita.
Deshalb machen wir uns für den quantitativen und qualitativen
Ausbau der frühkindlichen Bildung stark – ebenso für den Ganz-
tag in einem inklusiven Schulwesen. Kitas und Schulen müssen
soziale und Bildungsbenachteiligungen, die Kinder aus ihren El-
ternhäusern mitbringen, besser als zurzeit möglich ausgleichen.

Frau Fleischmann, steht die Wissensvermittlung auch heute


noch im Fokus von Schule?
Grund- und Basiskompetenzen brauchen wir alle. Kompetente
Menschen sind diejenigen, die Wissen in handlungsorientierten
Situationen anwenden können. Wissen ist das Fundament, auf
dem sich kompetente Menschen zeigen können. Die Frage ist nur,
ob das erlernte Wissen auch die Kompetenz ist, die ich brauche,
„Wir brauchen so viele Menschen wie möglich,
die so gut wie möglich qualifiziert sind“, sagt um im Studium zu bestehen. Ist die Zielrichtung, einen guten Be-
Marlis Tepe, Bundesvorsitzende der GEW. ruf zu bekommen? Es ist eine Frage der Zielperspektive. Schule
bietet eine Basis, um Wissen zu erwerben. Gerade im digitalen
Zeitalter geht es weniger darum, Wissen auswendig wiederzuge-
Sehen Sie eine Abiturinflation, Frau Tepe? ben, sondern darum, Schüler fit zu machen, sich selbstständig, ei-
Nein. Das Wissen und die Anforderungen in unserer Gesell- genverantwortlich, im Team und durch Einzelstudium, gerne auch
schaft steigen ständig. Deshalb brauchen wir so viele Menschen angeregt durch den Input von Lehrern, Wissen anzueignen. Wir
wie möglich, die so gut wie möglich qualifiziert sind. Die Schule werden in 20 Jahren nicht mehr einen Lehrer haben, der vorne
hat sich natürlich verändert und wir unterstützen immer mehr steht und davon ausgeht, wenn er fünf Mal das Gleiche gesagt hat,
junge Menschen auf ihrem Weg zum Abitur. Das ist gut so. Früher werden alle 26 Schüler es verstanden haben. Dass das nicht funk-
sind Menschen ausgeschlossen worden. Als ich beispielsweise die tioniert, wissen wir jetzt schon. Wir machen es nur leider oftmals
4. Klasse beendet hatte, musste ich noch eine Aufnahmeprüfung noch so. Der Ansatz des VBE ist das verständnisintensive Lernen.
für das Gymnasium absolvieren. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Das bedeutet, ich denke mich in den Kopf der Kinder hinein und
Aber das Abitur und ein Studium sind nicht allein der Königs- begleite sie auf ihrem Lernweg. Das geht in einem Setting mit
weg zu einem erfüllten Leben und einer qualifizierten Arbeit, die 26 Schülern, 6 Stunden am Tag und einem Lehrer nur schwierig.
Freude macht. Berufliche und akademische Bildung sind gleich-
wertig. Dafür macht sich die GEW stark. Deshalb setzen wir uns Herr Kraus, reichen die Schulen das Problem der Wissensver-
auch dafür ein, dass Menschen, die sich beruflich qualifiziert ha- mittlung an die nachfolgenden Bildungsinstitutionen weiter?
ben, der Weg an die Hochschulen geöffnet wird – wenn sie dies Leider ist es so. Die Grundschule beispielsweise hat sich poli-
wollen. tisch gewollt zurückgenommen, sie reicht beispielsweise eine
defizitäre Sprachbildung an die weiterführenden Schulen weiter
Die Universitäten klagen darüber, dass viele Jugendliche heute und die Gymnasien reichen das an die Hochschulen weiter. Da-
nicht mehr studierfähig sind. Reichen die Schulen das Prob- rum unterscheide ich mittlerweile zwischen Studierbefähigung
lem der Wissensvermittlung einfach an die nachfolgenden Bil- und Studierberechtigung. Wir geben mit vielen Abiturzeugnissen
dungsinstitutionen weiter? eher eine Studierberechtigung als eine Studierbefähigung aus. Die
Ich will mich nicht auf die unsägliche Diskussion einlassen, Folge: Immer mehr Hochschulen gehen dazu über, Brückenkurse
dass die Schüler heute viel weniger wissen und können als vor in Deutsch und Mathematik einzuführen, um nachzuholen, was

12 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

die Schule nicht mehr vermittelt. Das ist aber nicht die Schuld von Anfang an auf Reflexion, kritische Distanz und eigenständige
der Schulen oder der Lehrer, sondern die Schuld einer Bildungs­ Aneignung geachtet wird. Daneben gibt es andere Schularten,
politik, die auf gefällig macht. die ganz bewusst andere Bildungsziele verfolgen. PISA allerdings
kennt aber eigentlich überhaupt keinen umfassenden Bildungsbe-
Für welchen Weg plädiert der DPhV, Herr Meidinger? griff mehr. Das heißt, die Studie schaut einheitlich bei 15-­Jährigen,
Früher hat man manchmal unterschieden zwischen einer niedri- was sie für Fähigkeiten und Kompetenzen brauchen, um erfolg-
geren und einer höheren Bildung. Dem Gymnasium ist oft unter- reich in der Schule zu sein. Da geht natürlich vieles verloren,
stellt worden, dass es eine höhere Bildung beansprucht und auf Persönlichkeitsbildung, der umfassende Allgemeinbildungsan-
andere Schularten oder auch die praktische Berufsbildung herab- satz. Das Tolle an einem Gymnasium – und das können wenig
blickt. Das ist nicht unsere Sichtweise. Ich sehe es als großen Vor- andere Schularten bieten – ist doch, dass man sehr viele Fächer
teil des deutschen Schulsystems, dass es verschiedene Schularten und Wahlangebote hat, mit denen man Begabungen von Schülern
mit unterschiedlichen Profilen und Bildungsbegriffen gibt. Da ge- erfassen kann. Ich erkenne eine Begabung in Naturwissenschaf-
hört das Gymnasium dazu, das eine sehr breite Allgemeinbildung ten, Rhetorik oder Musik und kann sie umgehend fördern. Diesen
bietet und eben wirklich direkt zur Studierfähigkeit führt, sodass breiten Ansatz sollte man nicht aufgeben.

Welche Abschlüsse erreichen Schüler früher und heute?


Bevölkerung in Deutschland nach Geburtsjahren und allgemeinbildenden Schulabschlüssen (2010) in Prozent

100
13,1 19,6 23,6 25,5 28,0 31,3 34,8 41,5 44,3 42,1 5,5

90 20,1

12,4
80
15,7
10,9 16,8
70 2,5 21,1 12,8
66,3 23,9
26,0
26,1
60
5,2
15,4 32,3 33,0
31,6
50 48,4 14,7
14,4
40 39,8 12,7
34,1 10,3
30 28,9
25,5 23,6
21,6 19,1
20 19,9

10

3,2
0 4,3 4,6 3,8 4,0 4,2 4,0 4,5 3,9 3,4 2,0 56,1
vor 1945 1945–1950 1950–1955 1955–1960 1960–1965 1965–1970 1970–1975 1975–1980 1980–1985 1985–1990 1990–1995

noch in schulischer Ausbildung Abschluss der polytechnischen Hinweise: „Hauptschulabschluss“ einschließlich Volksschulabschluss,
ohne allgemeinbildenden Oberschule (DDR) „Hochschulreife“ einschließlich Fachhochschulreife, „Ohne allgemeinbil-
Abschluss Mittlerer Abschluss denden Abschluss“ einschließlich Abschluss nach höchstens sieben Jahren
Schulbesuch. Die Anteilswerte summieren sich nicht auf 100 Prozent, da die
Hauptschulabschluss Hochschulreife
Kategorie „Ohne Angaben des Schulabschlusses“ hier nicht aufgeführt wird.

Quelle: bpb, Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Wissenschafts­


zentrum Berlin für Sozialforschung/WZB

BEGEGNUNG  4-2017 13
MELDUNGEN

Meldungen
Deutsche Auslands-
schüler treffen
Bundeskanzlerin
Merkel
Mexiko-Stadt. Im Juni besuchte Dr.
­Angela Merkel die Abschlussveranstaltung
des Deutschlandjahrs in Mexiko und be-
kam dabei von Grundschülern der Deut-
schen Schule Alexander von Humboldt
ein selbst gestaltetes Buch überreicht.
Das deutsch-mexikanische Kinderbuch
„Ein Toño in Deutschland“ ist ein Ge-
meinschaftsprojekt von Erstklässlern
der Deutschen Schule in Mexiko-Stadt der Deutschen Schule in Mexiko-Stadt. Schüler der Deutschen Schule Alexander
und der Grundschule Beerwinkel in Ber- Jugendliche der Sekundarstufe beteilig- von Humboldt schenken Angela Merkel
ein selbst gestaltetes Kinderbuch.
lin, der Grundschulleiterin des Campus ten sich zudem an Workshops zu The-
West, Ira Marsch, und dem Kunstlehrer men wie Chemie oder Holzbearbeitung.
Luis Luna. Ältere Schüler verfolgten ei- Während des Deutschlandjahrs fanden freundschaftliche, tolerante und interdis-
nen Vortrag der Kanzlerin, die anlässlich rund 1.300  Veranstaltungen statt, darun- ziplinäre Begegnung der ­Weltkulturen.
eines Science-Slams über ihre Erfahrun- ter Konzerte, Ausstellungen, Workshops [MS]
gen als Physikstudentin sprach. Unter und Symposien. Für eine Grundidee des
den Teilnehmern des Wissenschaftswett- Deutschlandjahrs stand der Namensgeber Weitere Informationen zum Deutsch­land­
streits waren auch Oberstufenschüler der DS Alexander von Humboldt Pate: eine jahr: www.alemania-mexico.com/de

Nationalspieler besuchen Deutsche Schule in Kopenhagen


Kopenhagen. Im Juni standen drei Spie- Vortag. In der Turnhalle der Deutschen guter Verlierer?“, wollte der achtjährige
ler der deutschen Fußballnationalmann- Auslandsschule stellten 70 Schüler der Karl-Friedrich von Wagner wissen. „Geht
schaft Schülern der Sankt Petri Skole in 1. bis 6. Klassen, fast alle in Fanmontur ge- so. Auch beim ‚Mensch ärgere dich nicht‘-
Kopenhagen Rede und Antwort. Anlass kleidet, den Spielern Kevin Trapp, Sandro oder ‚Uno‘-Spielen mit meinen Kindern
der Kinder-Pressekonferenz war ein Test- Wagner und Joshua Kimmich ihre Fragen. möchte ich immer gewinnen“, antwortete
spiel der Nationalelf gegen Dänemark am Darunter auch schwierige: „Bist du ein der Hoffenheimer und lachte. Die selbst
noch jungen Fußballspieler betonten bei
ihrem Besuch die Bedeutung von Bil-
dung: „Schule ist sehr wichtig“, sagte Tor-
schütze Kimmich. „Mir hat es immer Spaß
gemacht, mit all meinen Freunden in die
Schule zu gehen.“ Rund 500 Schüler, Eltern
und Lehrkräfte waren am Vortag zusam-
men ins Brøndby-Stadion gereist, um das
Team anzufeuern. Zu der Pressekonferenz
hatte die Schule die Spieler schon Monate
zuvor eingeladen. [CP]

Nationalspieler Kevin Trapp gibt an der


Deutschen Schule St. Petri Autogramme.

14 BEGEGNUNG  4-2017
MELDUNGEN

Pensionierung von Lehrkräften auf Rekordwert


Wiesbaden. Das Statistische Bundesamt hat aktuelle Zahlen zu Pensionierungen im Landesbereich
der Pensionierung von Lehrkräften im öffentlichen Dienst vorge- Schuldienst, in Tsd.
legt. Rund 27.900 verbeamtete Lehrer wurden 2015 in den Ruhe- 30
stand versetzt – so viele wie noch nie seit Beginn der statistischen
Erfassung im Jahr 1993. Der Grund: In den 70er Jahren waren in- 25
folge einer steigenden Geburtenrate und erhöhter Schülerzah-
20
len zahlreiche Lehrkräfte eingestellt worden. Diese Fachkräfte
gehen nun in Rente. Die Zahl der neu pensionierten Lehrkräfte 15
befindet sich daher seit 2016 auf einem konstant hohen Niveau
mit mindestens 18.000 Neupensionären pro Jahr. Auch im kom- 10
menden Jahr ist eine steigende Anzahl von Pensionierungen zu
5
erwarten. Rund zwölf Prozent der 2015 pensionierten Lehrkräfte
wurden aufgrund von Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhe- 0
stand versetzt. Das Durchschnittsalter der Pensionäre lag 2015 bei 1998 2000 2003 2006 2009 2012 2015
63,5 ­Jahren. [ST]
Erreichen der Altersgrenze Quelle: Statistisches Bundesamt,
Dienstunfähigkeit Wiesbaden 2016

Bildungsgipfel im Flachland
20. – 24. Februar 2018
Hannover ▪ Germany
www.didacta.de

Frühe Bildung
Schule/Hochschule
Berufliche Bildung/Qualifizierung
didacta DIGITAL

BEGEGNUNG  4-2017 15
INLAND

Preisverleihung

Ausgezeichnete Inklusionsarbeit
Deutsche Auslandsschulen sind Orte der Vielfalt. Täglich treffen hier Lernende mit unterschiedlichen
­Hintergründen und Fähigkeiten aufeinander. Mit dem Wettbewerb „DAS – Gemeinsam leben und lernen“ zeichnete
das Auswärtige Amt 2017 erneut vier Schulen für ihr inklusives Engagement aus.

von Heike Schmickler und Johanna Böttges

W ie können Kinder und Jugendliche mit unterschiedlicher


Sprache und Herkunft, mit verschiedenen sozialen Hin-
tergründen und Fähigkeiten gut miteinander leben und lernen?
festigen. „Interessant ist, dass das Sozialpraktikum auf die Schü-
ler einen viel größeren Einfluss hat als das Betriebspraktikum“,
erzählt Jung-Wanders. „Viele Schüler kommen nach der Woche
Diese Frage stellte das Auswärtige Amt den Deutschen Auslands- völlig verändert in die Schule, weil sie sehen, wie gut es ihnen geht.
schulen. „Alles, was eingereicht wurde, ist so unterschiedlich, wie Das ist für junge Erwachsene eine ganz wichtige Erfahrung.“
unsere Schulen sind – und so heterogen, wie unsere Schulen sein
müssen“, sagte Ulla Schmidt, Vizepräsidentin des Deutschen Bun- In der Pilotklasse gemeinsam lernen
destages und Schirmherrin des Inklusionspreises, bei der Preis- Auch das Inklusionskonzept der Deutschen Schule Managua
verleihung. In diesem Jahr waren auch die Schulen zur Teilnahme geht auf die Vielfalt der Schülerschaft ein und nimmt dabei die
aufgerufen, die sich die soziale Inklusion zur Aufgabe gemacht ha- Besonderheiten des kulturellen Hintergrunds Nicaraguas in den
ben. Es wurden drei Preise und ein Sonderpreis mit einem Preis- Blick. Dafür erhielt die Schule einen zweiten Preis. Schulleitung,
geld von insgesamt 21.000 Euro vergeben. Das Auswärtige Amt Psychologen sowie externe Therapeuten, Eltern und Lehrkräfte
ehrte die Sieger im Juni in Berlin zusammen mit den Gewinnern arbeiten an der DS Managua eng in diversen Inklusionsprojek-
des Wettbewerbs „Beruf macht Schule“. ten zusammen. Im sogenannten Panee-Programm werden Kin-
der und Jugendliche mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen
Passgenaue Förderung aufgenommen und individuell betreut. Dabei kann beispielsweise
Den ersten Platz belegte die Deutsche Schule Barcelona (DSB). eine Anpassung des Lernplans erfolgen. Das jüngste Inklusions-
„Mit ihrem beispielgebenden Umgang mit Heterogenität und ih- projekt der DS Managua ist 2016 mit der Einschulung von Nila,
rer Ausstrahlung in das Umfeld bietet uns die Deutsche Schule einem Mädchen mit Downsyndrom, gestartet. Sie geht in eine
Barcelona die Idealform einer zeitgemäßen Interpretation des ho- Pilotklasse, von deren speziell entwickeltem didaktisch-metho-
hen Anspruchs ‚Bildung‘ an – passgenau zugeschnitten für jeden dischem Unterrichtskonzept nicht nur Nila, sondern auch ihre
einzelnen jungen Menschen“, heißt es in der Laudatio der Jury des Mitschüler profitieren. Freiarbeit nach individuellen Lernplänen,
Wettbewerbs, der von der Zentralstelle für das Auslandsschulwe- Unterrichtsrituale und das gemeinsame Reflektieren der Lernin-
sen (ZfA) organisiert wurde. An der DSB bekommen alle Schüler halte erleichtern den Schulalltag aller Kinder. Für Entspannung
mit Förderbedarf einen individuellen Plan, abgestimmt auf ihre sorgen Yoga-Einheiten. Das Konzept wird künftig in allen ersten
Bedürfnisse. Klassen eingeführt.

Die Inklusion gestalten an der DSB Erziehende, Lehrkräfte, El- Inklusiv – auch im Kollegium
tern, Kinder und ein schulpsychologisches Beratungsteam zusam- Einen weiteren zweiten Platz belegte die Deutsche Höhere Pri-
men. Sie haben ein „Gemeinsames Erziehungskonzept“ erarbeitet, vatschule Windhoek (DHPS). Seit 2016 unterrichtet dort Tatjana
in dem Rechte und Pflichten für die gesamte Schulgemeinschaft Metzger in der Grundschule. Aufgrund einer frühkindlichen Hirn-
festgelegt sind. Die Arbeitsgruppe „Inklusion“ setzt sich mit der schädigung benötigt sie zum Laufen eine Gehhilfe und es fällt ihr
inklusiven Arbeit an der Schule auseinander und entwickelt diese schwer, sich im Raum zu orientieren. „Meine Schüler gehen sehr
weiter. Auch eine Kommunikationsgruppe wurde ins Leben geru- offen und ehrlich mit mir und mit sich untereinander um“, sagt
fen. „Es ist wichtig, dass man Kommunikationsstrukturen entwi- sie. Metzger wird von einem Fahrer in die Schule gebracht und
ckelt, um möglichst nahtlos kommunizieren zu können“, erklärt wieder abgeholt. Ihr Klassenraum liegt im Erdgeschoss. Der DHPS
Schulleiterin Annegret Jung-Wanders. Auch die Förderung im ist es ein Anliegen, das „Verständnis für Anderssein“ in der ge-
sozialen Bereich gehört für die DSB zur Inklusion dazu. Paten- samten Schulgemeinde zu stärken. Schon bei der Aufnahme der
projekte unter den Schülern, die Streitschlichter-AG oder das Schüler wird ihr Förderbedarf überprüft und mit Eltern und Leh-
Sozialpraktikum sollen die sozialen Kompetenzen der Schüler rern besprochen. Verschiedene Lernhilfen und Zusatzangebote

16 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

außerhalb des Unterrichts sowie das Ulla Schmidt bei den Preisträgern, be- Die Schulleiterin der DS Barcelona, Annegret
schul­
eigene Diagnose- und Förderzen­ tonte aber auch: „Wir setzen auf das Mul- Jung-Wanders (Mitte), empfing gemeinsam
mit ihrem Team in Berlin den mit 10.000 Euro
trum bieten Schülern zusätzliche Unter- tiplizieren. Alles, was an neuen Angeboten dotierten Hauptpreis (Bild oben).
stützung. Erst kürzlich nahm die DHPS hier vorgestellt wurde, das kann auch an Zu den Gratulanten gehörten Ulla Schmidt,
mit einem paralympischen Team an den ­anderen Schulen umgesetzt werden.“ Schirmherrin des Inklusionswett­bewerbs,
Walter Lindner, Staatssekretär im Auswärti-
Special Olympics World Winter Games in
gen Amt, und ZfA-Leiter Joachim Lauer (Bild
Österreich teil und gewann die Bronzeme- Jetzt in der App der BEGEGNUNG: unten, v. l. n. r.).
daille im Hallenhockey. Annegret Jung-Wanders, Leiterin der
DS ­Barcelona, im Audiointerview über
Lernen nach dem eigenen Können schulische Inklusion
Die RIS Swiss Section – Deutschsprachige
Schule Bangkok bekam für ihre inklusive
Arbeit einen Sonderpreis. Bis zur 6. Klasse
erhalten alle Schüler individuelle und an
ihrem jeweiligen Können ausgerichtete
Aufgaben im Unterricht. Für die Kinder ist
es möglich, in ihren schwächeren Fächern
den Unterricht in einer niedrigeren Klas-
senstufe zu besuchen. Bei Bedarf begleiten
Heilpädagogen sie in den Unterricht. Im
Sinne sozialer Inklusion werden die Mäd-
chen und Jungen durch Besuche in ärme-
ren Stadtteilen zudem für ökonomische
Benachteiligung sensibilisiert.

Mit dem Inklusionspreis prämierte das


Auswärtige Amt zum dritten Mal Deut-
sche Auslandsschulen. „Der Preis ist für
die, die schon etwas tun“, bedankte sich

BEGEGNUNG  4-2017 17
INLAND

Preisverleihung

Von der Schulbank in den Beruf


Mit dem Wettbewerb „Beruf macht Schule“ würdigt das Auswärtige Amt seit 2015 Auslandsschulen im berufs­
bildenden Bereich. Unter den Preisträgern des Jahres 2017 waren vier Schulen aus Spanien, Bulgarien und Brasilien.

von Heike Schmickler und Johanna Böttges

der sie auf die Prüfung zum Deutschen


Sprachdiplom der Kultusministerkon-
ferenz der Stufe I vorbereitet. Nach zwei
Jahren schließen sie mit dem AHK/
DIHK-Abschlusszertifikat „Verkäufer/-in“
sowie dem spanischen Titel „Técnico/a en
Actividades Comerciales“ ab.

Die FEDA verdeutlicht der Jury zufolge in


vorbildlicher Weise, wie „umfangreich und
systematisch verankert ein Netzwerk zwi-
schen Wirtschaft und Schule angelegt sein
kann“. Zudem ist es der Schule wichtig, die
Motivation zu fördern. Schwächere Schüler
bekommen Förderunterricht und können
die Ausbildung auf Wunsch schon nach
einem Jahr als ­­„Kassierer/in“ abschließen.

Über den ersten Preis im Wert von


10.000 Euro freuten sich die Vertreter
der FEDA Madrid, darunter Schul­
leiter Ingo Winter (l.).

„E ine Auslandsschule wird umso at-


traktiver, je mehr sie für gute Be-
rufschancen sorgt“, betonte Walter
sondern einen mittleren spanischen Ab-
schluss haben – aber Interesse daran zei-
gen, durch die Berufsausbildung einen
Besonders Leistungsstarke können nach
einem dritten Ausbildungsjahr den Ab-
schluss Kaufmann oder Kauffrau im Ein-
Lindner, Staatssekretär im Auswärtigen Einstieg in die Arbeitswelt zu bekommen“, zelhandel erlangen. Rund 80 Prozent der
Amt, bei der Preisverleihung in Berlin. Ge- erklärt Schulleiter Ingo Winter. Azubis werden nach der Ausbildung von
meinsam mit Bundestagsvizepräsidentin ihren Unternehmen übernommen.
Ulla Schmidt überreichte er dort im Juni Schon seit 35 Jahren bildet die FEDA in
die mit insgesamt rund 20.000 Euro do- Kooperation mit deutschen Unterneh- Dual studieren in Deutschland
tierten Auszeichnungen. Sowohl Deutsche men sowie der Auslandshandelskammer Frühzeitige Information und kontinu-
Auslandsschulen als auch Sprachdiplom- (AHK) Jugendliche im dualen Modell zu ierliche Begleitung der Schüler spielen
schulen reichten Wettbewerbsbeiträge ein. Industriekaufleuten und Kaufleuten für bei der berufsvorbereitenden Arbeit am
Spedition und Logistik aus. Die Einzel- Profilierten Fremdsprachengymnasium
Im Einzelhandel durchstarten handelsausbildung, die seit 2013 ange- „­Exarch Iossiv I“ (PFG) Lovech in Bulgarien
Für ihre deutsch-spanische duale Ausbil- boten wird, richtet sich an Schüler ohne eine große Rolle. Seit zwei Jahren besteht
dung im Einzelhandel erhielt die Deutsche Deutsch-Vorkenntnisse. Anders als bei den eine enge Kooperation zwischen dem
Auslandsberufsschule Formación Empre­ übrigen Ausbildungsgängen der FEDA, die PFG und der Dualen Hochschule Baden-­
sarial Dual Alemana (FEDA) Madrid den deutschsprachig sind, findet der Unter- Württemberg (DHBW) Mosbach, für die
ersten Preis. „Hier sind Jugendliche ange- richt auf Spanisch statt. Zugleich erhalten das Gymnasium mit dem zweiten Preis
sprochen, die möglicherweise kein Abitur, die Schüler intensiven Deutschunterricht, belohnt wurde. Die Gymnasiasten werden

18 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

bereits in der 11. Klasse über das „Power-


studium“ in Deutschland informiert. Ein
Teil von ihnen erhält die Möglichkeit, an
einem vierwöchigen Bewerberseminar am
DHBW-Campus Bad Mergentheim teilzu-
nehmen. Beim „Sommer im Schloss“ kön-
nen die angehenden Abiturienten in das
duale Studium hineinschnuppern und die
kooperierenden Unternehmen kennenler-
nen. Die Unterstützung ist nicht nur wäh-
rend der Bewerbungsphase groß. Auch
nachdem ein Studium in Deutschland auf-
genommen wurde, besteht ein regelmäßi-
ger Austausch zwischen den Jugendlichen,
ihren Eltern, Lehrern, Professoren und
anderen Programmpartnern.

Erfolg durch Alumni-Arbeit Barcelona mit einem Sonderpreis ausge- Die Schüler des PFG Lovech erhalten
Die Schüler möglichst früh abholen, für zeichnet. Jährlich organisieren die Schulen bei ihrer Bewerbung zum „Sommer im
Schloss“ Unterstützung von ehemaligen
Ausbildung und Beruf begeistern und nie zwei große Veranstaltungen zur Berufs- Teilnehmenden (Bild oben). In Planspie-
wieder aus den Augen verlieren: Das sind und Studienorientierung, die auch Schü- len lernen Jugendliche der Berufsschule
die Leitprinzipien des Berufsbildungszen- lern anderer Deutscher Auslandsschulen des Colégio Humboldt, in wirtschaft­
lichen Zusammenhängen zu agieren
trums des Colégio Humboldt São Paulo, in Spanien offenstehen. Sie nutzen dabei
(Bild unten).
Drittplatzierter im Wettbewerb des Aus- die Synergieeffekte ihrer Zusammenarbeit
wärtigen Amts. Schon in der 10. Klasse und konnten die Zahl der teilnehmenden Für Walter Lindner gelten alle prämierten
werden die Schüler mit dem Thema Be- Betriebe, Hochschulen und Institutio- Schulen als Vorbilder. Denn, so unterstrich
rufswahl konfrontiert. In einer BWL-AG nen deutlich steigern: 2017 nahmen rund der Staatssekretär in seinem Grußwort, er
lernen sie durch Planspiele volks- und 70 Aussteller teil, davon mehr als 30 aus wünscht sich eine noch engere Zusam-
betriebswirtschaftliche Zusammenhänge Deutschland. Die Organisatoren möchten menarbeit Deutscher Auslandsschulen
kennen, das Pflichtpraktikum in der nicht nur umfassend über Studien- und mit Unternehmen.
11.  Klasse können sie bei kooperieren- Ausbildungsmöglichkeiten informieren,
den Unternehmen absolvieren. Wer sich sondern durch den persönlichen Kontakt Ein Audiointerview mit Ingo Winter, Lei-
für die duale Ausbildung entscheidet, be- zwischen Ausstellern und Jugendlichen ter der FEDA Madrid, bietet die kosten-
sucht als Auszubildender die Partnerbe- auf das hohe Potenzial der Auslandsschul- lose App der BEGEGNUNG unter: www.
rufsschule in Bonn-Duisdorf und kommt absolventen aufmerksam machen. auslandsschulwesen.de/E-BEGEGNUNG
mit Unternehmen vor Ort in Berührung.
Auch ist es möglich, parallel die Fachhoch-
schulreife zu erwerben und ein Studium
anzuhängen. Das Berufsbildungszentrum
des Colégio Humboldt steht in engem
Kontakt zu seinen Alumni. Allein 800 Ab-
solventen sind in einem Karrierenetzwerk
verknüpft. Für die Schüler sind die erfolg-
reichen Werdegänge, die regelmäßig im
Schuljournal veröffentlicht werden, bei-
spielhaft. Und sie zeigen Wirkung: In den
vergangenen Jahren ist die Zahl der Be-
werber für die duale Ausbildung gestiegen.

Eine Bildungsmesse, zwei


Standorte
Für die Durchführung gemeinsamer
Bildungsmessen wurden die Deutsche
Schule Madrid und die Deutsche Schule

BEGEGNUNG  4-2017 19
INLAND

Evaluation

Auslandsschulgesetz auf dem Prüfstand


Rund zweieinhalb Jahre nach seinem Inkrafttreten wurde das Auslandsschulgesetz (ASchulG) erstmalig evaluiert.
Mit einem überwiegend positiven Fazit.

Schulleiter, Vorstände und Verwaltungsleiter aller DAS, die nach


dem ASchulG gefördert werden. 94 Prozent nahmen an der Befra-
gung teil. „Die Mehrheit der DAS beurteilt das ASchulG insgesamt
als gut oder sehr gut“, sagt Peter Dicke, Ständiger Vertreter des Lei-
ters der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA). „Das be-
deutet, wir sind auf dem richtigen Weg.“ Positiv gesehen wurden
die Transparenz des Förderverfahrens sowie der Zahlungsfluss.
Auch die Flexibilität beim Einsatz der Mittel und die dreijährige
­Planungssicherheit fanden Anklang.

Weiterentwicklung erwünscht
Für schwierig erachtet wurde dagegen vor allem die Verfügbarkeit
von Lehrkräften mit bestimmten Fächerkombinationen, beispiels-
weise MINT. Ebenfalls problematisch stellte sich aus Schulsicht
die Stellenbesetzung von deutschsprachigen ­
Ortslehrkräften
(OLK) dar.
Rege Beteiligung: 94 Prozent der Schulen nahmen an der Befragung teil.

Für die Gewährung von Sozialermäßigungen werden laut

W elches Alleinstellungsmerkmal von Deutschen Auslands-


schulen (DAS) sehen Sie im Wettbewerb mit vergleichba-
ren Schulen? Wie beurteilen Sie die Transparenz und den Umfang
ASchulG pauschal 1,5 Prozent der für die Förderung anrechen-
baren Wochenstunden addiert, für inklusiven Unterricht wei-
tere 0,5 Prozent. Dies beurteilten die Teilnehmer als zu gering für
der Förderung? Wie bewerten Sie den Aufwand bei der Bearbei- eine qualitative Umsetzung. Eine nachhaltige Wirkung sei somit
tung von Anträgen? Welche Verbesserungsvorschläge möchten Sie ausgeschlossen.
einbringen? 46 Fragen aus unterschiedlichen Bereichen – von der
eigenen Schulentwicklung über Lehrkräftegewinnung bis zu Fra- „Die Evaluation empfiehlt, die Entwicklung der DAS mit einem
gen nach Inklusion und Sozialermäßigung – konnten die Teilneh- strategischen Unterbau zu untermauern, der nicht zuletzt auch
mer der Online-Befragung beantworten. die Errichtung neuer Schulen ermöglicht“, erklärt Dicke. Außer-
dem sollten die finanziellen Anreize für OLK verbessert werden.
Kernstück der Evaluation
Die Befragung durch ein unabhängiges Institut bildete das Kern- Nachdem im Herbst 2016 bereits eine neue Richtlinie mit einer
stück der Erhebung. Zur Teilnahme aufgefordert waren die deutlichen Anpassung der Zuwendungen für vermittelte Lehr-
kräfte veröffentlicht wurde, arbeiten ZfA und Auswärtiges Amt
deshalb derzeit an einem Modell für einen Versorgungszuschlag
Was hat sich durch das ASchulG verbessert? für aus Deutschland beurlaubte OLK. Auch die Erhöhung der In-
80 klusionspauschale werde derzeit mit den zuständigen Stellen
debattiert. „Besonders gefreut hat uns nicht zuletzt auch die Be-
60
wertung unserer geleisteten Arbeit“, resümiert Dicke. 78 Prozent
40 10 der Befragten gaben der Unterstützung durch die ZfA gute oder

20 20 sehr gute Noten.

0 58 % 60 % 78 % Stefany Krath
Verbesserung der Transparenz der Förder­
entscheidungen und Förderverträge Weitere Ergebnisse der Evaluation finden Sie unter:
Verbesserung der Zahlungen der Fördermittel www.auslandsschulwesen.de/auslandsschularbeit/
Zufriedenheit mit der Unterstützung durch die ZfA Quelle: ZfA auslandsschulgesetz.

20 BEGEGNUNG  4-2017
MELDUNGEN

Meldungen
Kita: Mehr als spielen, basteln und betreuen
Wie stark fühlen sich Kitaleitungen von folgenden Personen wertgeschätzt?

50 % 47
40 % 41 43
37
30 % 33 30 31
29
2017

20 % 17 19
14 13 16
10 % 7 7
4 3 5 2 2
0% 1 1 0 0
1 = trifft voll und 6 = trifft über-
2 3 4 5
ganz zu haupt nicht zu

50 % 48
40 % 38 38 36
30 % 29 31
2015

24
20 % 21 17 19
17
13 13 11 13
10 % 7 6
5 5 2 5
0% 0 1 1

Träger Mitarbeiter Eltern Politik Quelle: DKLK-Studie

Köln. Leitungen von Kindertageseinrich- bürokratische Aufgaben zu viel Raum im Coachings und den Besuch passender Wei-
tungen fühlen sich nicht wertgeschätzt. Arbeitsalltag in Anspruch. Freistellungen terbildungsangebote. Die DKLK- Studie zur
Das ist das Ergebnis einer repräsentati- für Leitungsaufgaben gebe es kaum, be- Wertschätzung und Anerkennung von
ven Studie anlässlich des Deutschen Kita­ mängeln 50 Prozent der Befragten. Auf Kita-Leitungen wird seit 2015 jährlich
leitungskongresses 2017 (DKLK). Rund die Situation mit Flüchtlingskindern seien durchgeführt. Rund 2.500 Leitungskräfte
75  Prozent der befragten Führungskräfte die Kitas im Gegensatz zum Vorjahr bes- nahmen online an der Umfrage teil. Die
halten das Vorurteil, in der Kita werde nur ser vorbereitet, doch auch hier fehle es an DKLK-Studie wurde unter anderem vom
gespielt und gebastelt, nach wie vor für Unterstützung. Als bedenklich bezeichnet Informationsdienstleister Wolters Kluwer
existent. Die Wertschätzung von Kollegen, jede vierte Kita-Leitung die gesteigerte initiiert. [HS]
Trägern und Eltern schätzen die Befragten aggressive Haltung von Eltern gegenüber
zwar als hoch ein, von der Politik fühlen Fachkräften und der Kinder untereinan- Die Studie steht unter www.deutscher-
sie sich hingegen weder angesehen noch der. Ein Viertel der pädagogischen Fach- kitaleitungskongress.de/2017 zum Down-
ausreichend unterstützt. Zudem nähmen kräfte wünscht sich mehr individuelle load bereit.

Kompaktes Koffer-Set zur Mechanik


Spannende und abwechslungsreiche Versuche für Ihre Klasse
Koffer-Set mit passenden Versuchsanleitungen
in verschiedenen Sprachen erhältlich:
Best.-Nr. 99799 deutsch
Best.-Nr. 44582 englisch
Best.-Nr. 44583 spanisch r
uche fü
a h lr e ic he Vers is s e
Z ntn
genken
Grundla echanik!
zur M
Kontaktieren Sie unseren
Kundenberater zur
individuellen
Beratung

Nico Brückmann
brueckmann@christiani.de
schule-trifft-technik.de/99799
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

Englis

Mehrsprachigkeit: Herausforderung
oder Selbstverständlichkeit?

Mehrsprachigkeit:
Herausforderung
oder Selbstverständlichkeit?

Global betrachtet ist Mehrsprachigkeit der Normalfall. Wenn es nach der EU geht, sollen sich ihre Bürger neben
Englisch mindestens in einer weiteren Fremdsprache verständigen können. Doch an Schulen in Deutschland kommt
die Förderung von Mehrsprachigkeit nur langsam in Gang.

von Johanna Böttges

22 BEGEGNUNG  4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

M it der Globalisierung wird die Bedeutung von Fremd-


sprachenkenntnissen immer wichtiger. Doch wer daraus
schließt, Mehrsprachigkeit sei ein neues Phänomen, irrt: „Mehr-
aufwächst. Oder das deutschsprachig sozialisierte Kind, das im bi-
lingualen Kindergarten Französisch lernt. Sie alle können sich in
mehreren Sprachen verständigen. Doch Mehrsprachigkeit muss
sprachigkeit hat es immer gegeben. Sie entsteht aus dem Kontakt einem nicht in die Wiege gelegt worden sein: Auch wer sich in

sh? von Gemeinschaften, die miteinander kommunizieren müssen“,


erklärt Prof. Dr. Alexandre Duchêne, Sprachsoziologe an der Uni-
Schule oder Sprachkurs Kompetenzen in einer Fremdsprache an-
geeignet hat, kann im weiteren Sinne als mehrsprachig gelten.
versität Freiburg in der Schweiz. Ob der Austausch von Waren und
Wissen, politische Beziehungen oder schlicht geografische Nähe:
Für die Aneignung fremder Sprachen gibt es viele Gründe. Schon „Wer fremde Sprachen nicht kennt,
das Römische Reich war von Mehrsprachigkeit geprägt: Neben weiß nichts von seiner eigenen.“
den Sprachen der beherrschten Gebiete diente Latein als Staats- Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832
sprache vor allem der schriftlichen Kommunikation. Wo sich ein
Staat neue Territorien einverleibte, entstand meist auch ein Ne-
beneinander verschiedener sprachlicher Domänen. So wurde Mehrere Sprachen zu beherrschen, hat nicht nur praktische Vor-
der Alltag der Österreichisch-Ungarischen Monarchie im 19. und teile. Wer früh mit einer zweiten Sprache konfrontiert wird, pro-
frühen 20. Jahrhundert neben Deutsch und Ungarisch von den fitiert häufig auch in kognitiver Hinsicht. „Durch das ständige
Muttersprachen ihrer Bewohner – etwa Serbisch, Kroatisch oder Umschalten von einem Sprachsystem ins andere wird offenbar das
Rumänisch – bestimmt. Seit Anbeginn der Menschheit sorgt zu- Gehirn ‚trainiert‘. Das wirkt sich positiv auf das Sprachbewusstsein
dem Migration für Mehrsprachigkeit, da Zugewanderte in der Re- aus, beeinflusst aber auch das Problemlösungsverhalten und das
gel auf die Kenntnis der Mehrheitssprache angewiesen sind. kreative Denken“, sagt Kristin Kersten, Professorin für Spracher-
werb an der Universität Hildesheim. Oft falle es diesen Kindern
Austausch, Herrschaft, Migration: Ursachen von leichter, sich in andere hineinzuversetzen und auf deren Situation
Mehrsprachigkeit einzugehen, denn: „Sprache kann unser Denken auf subtile Weise
Besonders stark ist Mehrsprachigkeit laut Duchêne auf dem af- beeinflussen, und mehrere Sprachen können einen anderen Blick-
rikanischen und asiatischen Kontinent vertreten. Während in winkel auf die Welt ermöglichen.“ Studien belegen zudem, dass
Europa die Nationalstaatenbildung zu einer umfassenden Homo- sie im Alter weniger anfällig für Alzheimer sind. Wissenschaftler
genisierung der Sprachen beitrug, wurde in den Kolonialstaaten sprechen von Plurilingualität, um auszudrücken, wie die erworbe-
vor allem die einheimische Elite sprachlich homogenisiert. In nen Sprachen sich im Gehirn vernetzen und aufeinander einwir-
den französischen Kolonien Afrikas beispielsweise mussten aus- ken. Nicht zuletzt werden Kenntnisse auch selten ­gesprochener
gewählte Beherrschte Französisch lernen. Dennoch konnten sich Sprachen im Beruf immer wichtiger.
viele einheimische Sprachen behaupten. Zugleich formte die will-
kürliche Grenzziehung der europäischen Kolonialherren Staaten, Früh starten ist nicht alles
die mehrere Sprachgruppen umfassen. Wie gut eine Zweit- oder Fremdsprache gelernt wird, hängt von
vielen Faktoren ab. Viel diskutiert wird die These, es gebe ein „kri-
Ob in Indien oder der Schweiz, ethnische Minderheiten betrach- tisches Zeitfenster“, in dem Kinder besonders aufnahmefähig für
ten ihre Sprache oft als wichtigen Teil ihrer Tradition, Kultur und Sprachen sind. Dennoch sei das Alter ein gewichtiger Faktor, be-
Identität. Dominante Sprachen zögen jedoch nicht automatisch tont Kersten. „Je jünger Kinder sind, wenn sie mit einer neuen
den Tod von Minderheitensprachen nach sich, betont Duchêne. Sprache konfrontiert werden, je mehr sie diese Sprache selbst
„Man kann eine Sprache bewahren, allerdings braucht es dazu benutzen und je mehr Feedback sie in dieser Sprache bekom-
ziemlich viel Energie. Und es geschieht meistens in Verknüpfung men, desto höher ist die Chance, dass sie ein hohes Niveau errei-
mit einer anderen mächtigen Sprache.“ So profitiert zum Beispiel chen.“ Entscheidend seien zudem Qualität, Intensität und Länge
das von nur 0,5 Prozent der Schweizer gesprochene Rätoroma- des Sprachkontakts: Auf welche Weise, wie viele Male pro Wo-
nisch von seinem Status als anerkannte Nationalsprache. „Die che und über wie viele Jahre kommt ein Kind mit der Sprache in
meisten Sprecher des Rätoromanischen sprechen aber zusätzlich Berührung?
Deutsch, häufig auch Italienisch.“ Dass die globale Sprachenvielfalt
künftig einer Lingua Franca wie Englisch weicht, glaubt Duchêne Bei vertieften Sprachlernprogrammen sind die Bedingungen
nicht: „Das ist auch bei anderen Weltsprachen wie Latein oder meist günstig. So betreuen in den mehr als 1.000 bilingualen Kitas
Griechisch nicht passiert. Sprachen sind etwas Organisches: Sie in Deutschland in der Regel zwei verschiedensprachige Personen
sterben, aber es entstehen auch neue Variationen.“ eine Gruppe von Kindern nach dem Prinzip „Eine Person, eine
Sprache“. Bilinguale Schulen bieten neben dem reinen Fremdspra-
Individuelle Mehrsprachigkeit: Flexibel im Kopf chenunterricht Fächer wie Mathematik, Geschichte oder Biologie
In Deutschland hat Mehrsprachigkeit viele Gesichter: Ein Mäd- auf Englisch, Französisch oder Spanisch an. Beträgt deren Anteil
chen, mit dem die Mutter Deutsch, der Vater Griechisch spricht. mindestens 50 Prozent des Kerncurriculums, spricht man von
Ein Junge, der in einer türkischsprachigen Familie in Deutschland Immersion, dem Eintauchen in eine Sprache. Die sogenannte >

BEGEGNUNG  4-2017 23
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

Bedeutung von Mehrsprachigkeit und hat Nicht nur beim Übergang zwischen Schul-
2011 entsprechende Empfehlungen ver- stufen, auch innerhalb der Schulen müsse
öffentlicht. 2013 gaben die Kultusminis- der Sprachunterricht stärker aufeinander
ter bekannt, dass deutsche Grundschulen abgestimmt werden. Fremdsprachen wür-
inzwischen flächendeckend Fremdspra- den oft so vermittelt, als lernte ein Kind
chenunterricht anbieten, meist Englisch zum ersten Mal eine Sprache. „Das bedeu-
ab der 3. Klasse. In sechs Bundesländern tet viel Zeitverschwendung“, meint Gogo-
wird schon ab Klasse 1 eine Fremdsprache lin. Metasprachliches Wissen, etwa dass
gelehrt. Doch die zum Teil schwer mess- Zukunft und Vergangenheit unterschied-
baren Erfolge rufen immer wieder Kriti- lich ausgedrückt werden, müsse nicht mit
ker auf den Plan. Laut Kersten scheitert jeder Sprache neu vermittelt werden. Spra-
es allerdings nicht am Prinzip des frühen chenvergleichendes Lernen, wie es etwa in
Ingrid Gogolin ist Professorin für
Interkulturelle Erziehungswissen- Sprachenlernens, sondern an den Rah- England verbreitet sei, erleichtere dage-
schaft an der Universität Hamburg. menbedingungen: Es gebe einfach noch zu gen das Verständnis für die neue Sprache
wenige adäquat ausgebildete Lehrkräfte. und lasse die Kinder auf vorhan-
Wie gravierend das Personalproblem ist, denes Wissen aufbauen,
zeigt das Beispiel Baden-Württemberg. sei es aus ihrer Her-
In dem Bundesland, das als eines der ers- kunftssprache oder
ten Englisch ab Klasse 1 einführte, wird
zurzeit über eine Rückkehr zu Englisch
aus bereits gelern-
ten Fremdsprachen.
Polski?
ab Klasse 3 diskutiert. Der Grund: Es feh- Dies berücksichtigt
len Lehrkräfte. Studien, die mangelhafte beispielsweise das
Resultate bei der Sprachvermittlung im von der österreichi-
Primarbereich konstatieren, berücksich- schen Regierung in Auftrag ge-
tigten solche Faktoren selten, argumen- gebene „Curriculum Mehrsprachigkeit“,
tiert Kersten. „Es macht einen großen das „einzelsprachliche Qualifikationen
Unterschied, ob eine Lehrkraft ausgebildet aufgreift, erweitert, miteinander verbin-
Prof. Dr. Kristin Kersten lehrt Psycho-
linguistics und Language Learning an ist oder fachfremd unterrichten muss, ob det und in allgemeinen sprachlichen Ein-
der Universität Hildesheim. sie selbst eine hohe Sprachkompetenz hat sichten fundiert“. Das Curriculum bietet
und ob sie Englisch permanent benutzt Anregungen für Bildungsverantwortliche
oder viel auf Deutsch erklärt.“ Zudem er- und Lehrkräfte aller Schulstufen, ohne
scheinen der Wissenschaftlerin zwei Wo- ein bestimmtes Vorgehen vorzuschreiben.
chenstunden Englisch „mit einem Fokus Voraussetzung ist jedoch die fächerüber-
auf das Verständnis und nicht die Verwen- greifende Koordination unter Verant-
dung der Sprache“ nicht ausreichend, um wortung der Schulleitung. „Wie Sprachen
Sprachkompetenz aufzubauen. sinnvoll aufeinander abgestimmt werden
können, hängt von der Sprachenkonstel-
Übergänge verzahnen, Sprachen lation an der jeweiligen Schule ab“, findet
vernetzen auch Gogolin. „Eine Schule, die viele ara-
Bislang sei außerdem nicht gesichert, dass bischsprachige Schüler hat, kann andere
die gewonnenen Kenntnisse beim Wech- Methoden anwenden als eine Schule mit
sel auf die weiterführende Schule auf- rein deutschsprachigen Schülern.“ Über
Alexandre Duchêne ist Professor für
Sprachsoziologie und Mehrsprachig- gegriffen werden, gibt Ingrid Gogolin zu die Umsetzung könne beispielsweise eine
keit in Freiburg in der Schweiz. bedenken, Professorin für Interkulturelle gemeinsame Fachkonferenz entscheiden,
Erziehungswissenschaft an der Universi- die alle sprachlichen Fächer inklusive der
tät Hamburg. „Die eine Schule weiß nicht, jeweiligen Mehrheitssprache umfasst.
was die andere tut, und der Lernprozess
Vollimmersion, in der der gesamte Unter- wird unterbrochen. Die Schulen müssten Mehr Unterstützung durch die
richt in einer Fremdsprache stattfindet, ist enger zusammenarbeiten und es müsste Politik
in Deutschland jedoch die Ausnahme. eine ausgefeilte Diagnostik bei der Auf- Ein ähnliches Konzept fehlt für Deutsch-
nahme geben.“ Um den verschiedenen land bislang. Dennoch stellt Gogolin eine
Zu wenige qualifizierte Lehrkräfte sprachlichen Voraussetzungen der Kinder Öffnung der Politik fest, „vor allem auf den
Wie die EU bekennt sich auch die Kultus- Rechnung zu tragen, sei zudem ein diffe- Ebenen der Fachleute, die nah an der Pra-
ministerkonferenz (KMK) zur wachsenden renzierter Unterricht notwendig. xis dran sind“. Die Handhabung sei jedoch

24 BEGEGNUNG  4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

je nach Bundesland sehr unterschiedlich und wechsle mitunter in erzogenen Kind nur noch Deutsch sprächen, sobald es in Kin-
jeder Legislaturperiode – ein Hin und Her, das aus Sicht der Pro- dergarten oder Schule gehe. „Die Sprache, über die sich das Kind
fessorin schädlich ist. Positiv bewertet Gogolin, dass die Mehr- die Welt erschließt und die seinen eigentlichen kognitiven Stand
sprachigkeitsforschung inzwischen stärker gefördert werde. In repräsentiert, steht ihm dann nicht mehr zur Verfügung.“ In der
dem vom Bundesbildungsministerium finanzierten Forschungs- Folge könne sich das Kind in keiner der beiden Sprachen altersge-
schwerpunkt „Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit“ un- mäß ausdrücken und in der Entwicklung zurückfallen. Das kann
tersuchen 12 Forschungsteams an verschiedenen Universitäten zu einer „doppelten Halbsprachigkeit“ führen: Am Ende fehlt
unter anderem, wie sich Mehrsprachigkeit im Klassenverband auf dann in beiden Sprachen die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte zu
das Lernen in Fächern wie Mathematik, Physik oder Geografie verstehen und auszudrücken.
auswirkt.
Wer dies beherzigt, kann Kersten zufolge gelassen mit Mehrspra-
Erstsprache konsequent fördern chigkeit umgehen: „In manchen Ländern erfüllen im Lebensum-
Die Angst mancher Eltern, ein Aufwachsen mit mehreren Spra- feld eines Menschen vier oder fünf Sprachen ganz unterschiedliche
chen überfordere ihr Kind, hält Sprachforscherin Kersten für un- Funktionen, zum Beispiel in der Schule, im Freundeskreis, in der
begründet – solange die Erstsprache konsequent gefördert wird. Familie und im institutionellen Bereich. Das menschliche Gehirn
So sei es ein Fehler, wenn Eltern mit ihrem arabischsprachig ist durchaus in der Lage, das in Einklang zu bringen.“

Anteil der Schüler, die eine ausgewählte Fremdsprache Deutschland gesamt


­erlernen, im Schuljahr 2014/2015
in Prozent Englisch
86,9
Französisch
Quelle: Statistisches Bundesamt, Schulen auf einen Blick, 2016 Latein
18,4
8,2

Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg

87,8 82,3 79,3 80,2

26,3 16,7 18,4


6,1 13,4 11,4 6,0 5,3

Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern

79,9 94,4 78,9 83,5

11,8 14,3 17,9 13


3,9 7,1 6,8 4,3

Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland

54,3
100 94,2
73,6
59,7
13,9 17,8 23,4
6,7 10,1 10 3,3

Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen

79,3 85,9 81,3 80,2

16,8 13,5 16,2 10,2 23,5


5,5 4,4 9,2

BEGEGNUNG  4-2017 25
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

Íslenska?
Fremdsprachenunterricht
an Deutschen Auslandsschulen

Do you parles Deutsch? Portugu

Mehrsprachigkeit ist weit mehr als die Addition mehrerer Sprachen. Als „individuell mehrsprachig“ werden
­Men­schen bezeichnet, die sich in mehr als einer Sprache zu verständigen wissen, beispielsweise Kinder aus Familien,
die zu Hause die Sprache ihrer Herkunft sprechen, in der Schule in die Unterrichtssprache wechseln und außerdem
mindestens eine Fremdsprache erlernen – so wie viele Kinder an Deutschen Auslandsschulen. Ein Blick in den
Schulalltag.

von Stefany Krath

26 BEGEGNUNG  4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

K unstunterricht an der Deutschen Schule Toulouse (DST).


Fröhlich laufen Magali, Alastair und Max über den Schul-
hof. Die Siebtklässler freuen sich auf die kommende Stunde,
denn auf dem Programm steht die Fälscherwerkstatt. In Team-
arbeit kopieren die Schüler der DST, des französischen Collège
uês? Victor Hugo und der britischen Sektion des Collège jedes Jahr
Meisterwerke der Kunst. „Aus den englischen, deutschen und
französischen Klassen bilden wir gemischte Gruppen mit mög-
lichst gleichen Anteilen der jeweiligen Muttersprachler“, erklärt
­Susanne Self-Prédhumeau, Schulleiterin der DST das Konzept des
Seit 2010 ist Susanne Self-
„trilingualen Projekts“.
Prédhumeau S ­ chulleiterin der
DS Toulouse. Sie unter­richtet
Ab der 6. Klasse werden die Gruppen in den Fächern Musik und Englisch und Französisch.
Kunst je ein Trimester lang im Wechsel von einer deutschspra-
chigen, englischsprachigen und französischsprachigen Lehrkraft Chance, drei national unterschiedliche Unterrichtsstile kennen-
in der jeweiligen Sprache unterrichtet. Und natürlich werden in zulernen. Und das ganz ohne einen Auslandsaufenthalt“, so die
der Fälscherwerkstatt die Künstler des jeweiligen Landes kopiert. Schulleiterin.
Da die 6. bis 12. Klassen der DST wie auch das Collège in dem öf-
fentlichen französischen Schulzentrum Lycée International Victor An der DST wird nicht nach 1. und 2. Fremdsprache unterschieden,
Hugo untergebracht sind, sei die Zusammenarbeit organisatorisch denn die Übergänge sind fließend. Beispiel Französisch: Die Spra-
äußerst unkompliziert, sagt Self-Prédhumeau. „Alle beteiligten che wird als Fremdsprache auf dem Niveau A und B und zusätz-
Schüler besuchen das gleiche Schulgebäude und begegnen sich lich als Landessprache angeboten. „Unser Fremdsprachenkonzept
auch außerhalb des Unterrichts.“ So findet der Austausch auch in basiert darauf, dass wir in jedem Jahrgang drei Niveau-Gruppen
Pausen und gemeinsamen Arbeitsgemeinschaften, bei Feiern und haben. Französisch Fremdsprache A ist für die Schüler, die die
Projekten statt – mit positiven Folgen für die Schulatmosphäre: Fremdsprache neu erlernen. Französisch Fremdsprache B ist für
„Man kennt sich und grüßt die ‚Trili‘-Lehrer auf den Gängen in Schüler, die schon Vorkenntnisse mitbringen. Und es ist Landes-
ihrer Sprache, ehemalige französische und englische Trili-­Schüler sprache, sprich Muttersprache für die bilingualen deutsch- und
sind in Chor und Band der DST aktiv. Das Projekt stärkt schul­ französischsprachigen Kinder, die an unserer Schule sind“, be-
übergreifend unsere Gemeinschaft“, resümiert die Schulleiterin. richtet Self-Prédhumeau. Von dem differenzierten Französischun-
terricht profitiert allerdings auch eine immer größer werdende
Anzahl rein frankophoner Kinder, die die DST in den letzten Jah-
„In der Schule lerne ich Deutsch. ren aufgenommen hat. Während ihrer Schulzeit haben die Kinder
I listen to music in English je nach individuellem Entwicklungsstand die Möglichkeit, von
I watch movies in English ­einem ins andere Niveau zu wechseln.
Pienso en español.
Ich mag die deutsche Sprache, Komplexes System
aber nicht die Deklination. Egal ob Französisch Fremdsprache A oder B, alle Schüler wer-
Das sind the languages que hablo.“ den je nach Jahrgangsstufe vier oder fünf Stunden in der >
Marina Vicario Villa, Schweizer Schule Madrid

Die Deutsche Schule Toulouse (DST) wurde 1973 gegründet.


Multikulturell lernen 440 Kinder und Jugendliche besuchen die DST, die vom Kin-
Der trilinguale Unterricht wird in den 6. und 7. Klassen bereits seit dergarten über die mittleren Abschlüsse bis zur Reifeprüfung
knapp 20 Jahren durchgeführt. In der 9. Klasse wird seit vier Jahren führt. 64 Lehrkräfte und Fachkräfte für Kindergarten und Be-
dreisprachiger Erdkundeunterricht angeboten, ab dem kommen- treuung sind an der DST tätig, darunter 9 aus Deutschland
den Schuljahr gibt es den Unterricht auch in der 8. Klasse im Fach vermittelte Lehrer. Die Schule ist an zwei Standorten ange-
Geschichte, wobei jede Lehrkraft das Thema „industrielle Revolu- siedelt: Kindergarten, Grundschule und die 5. Klasse der Ori-
tion und Industrialisierung in England, Deutschland, Frankreich“ entierungsstufe sind auf dem Eurocampus in Kooperation
aus Sicht ihres Landes behandelt. „Neben den sprachlichen Vortei- mit der International School of Toulouse untergebracht. Die
len erhalten die Kinder und Jugendlichen zusätzlich die einmalige 6. bis 12. Klassen befinden sich gemeinsam mit dem Collège
Victor Hugo im Lycée International Victor Hugo. Seit 2015
wird außer dem Abitur auch das Abibac angeboten. Der erste
An der Deutschen Schule Toulouse wird Französisch als
Fremdsprache für Anfänger, Schüler mit Vorkenntnissen ­Jahrgang wird diese Prüfung 2020 ablegen.
und zusätzlich als Landessprache angeboten.

BEGEGNUNG  4-2017 27
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

Fremdsprache unterrichtet. Zusätzlich bietet die DST für Querein- Abgestimmter Unterricht als Vision
steiger bis Klasse 8 einen Anfängerkurs in der Mittagspause, um Fachkonferenzen sowohl in DaZ als auch in Französisch und Eng-
Französisch neu zu erlernen. lisch finden an der DST jahrgangsübergreifend statt. Die Schullei-
terin begründet dies nicht zuletzt mit den zwei Schulstandorten,
Laut Schulleiterin sind rund drei Fünftel der Schüler deutsch- und die einen regelmäßigen Austausch noch wichtiger machten.
zwei Fünftel französischsprachig. Deshalb gibt es an der DST ein
umfangreiches Deutsch-als-Zweitsprache-Programm (DaZ), um Derzeit arbeitet die DST an der Verknüpfung des DaZ-­Curriculums
Schüler möglichst schnell in die Lage zu versetzen, dem Unter- mit dem deutschen Fachunterricht. „Die Kollegen, die die Sach-
richt in deutscher Sprache mühelos zu folgen. „Als ich 2010 an die fächer unterrichten, Naturwissenschaften und Mathematik,
DST kam, hatten wir 210 Schüler“, erklärt Self-Prédhumeau. „Jetzt Erdkunde, Politik und Geschichte, müssen auch besondere fremd-
sprachendidaktische Kenntnisse mitbringen, damit sie in der Lage
sind, den Schwierigkeitsgrad der Sachtexte nach den Niveaustufen
„Mi sangre es española, des GER zu beurteilen und dem Schüler entsprechend Hilfestel-
Mi alma también, lung zu geben“, erläutert Self-Prédhumeau. Deshalb wird derzeit
Aber Deutsch ist mein Fundament. ein Schulungskonzept entwickelt.
Mi cabeza piensa en español,
Doch mein Herz pumpt auf Deutsch.“ Sprachbad in Belgien
Ana María Mateo Carretero und Sara Stucki Martínez, Rund 1.000 Kilometer weiter nördlich zeigt sich an der internati-
Schweizer Schule Madrid onalen Deutschen Schule Brüssel (iDSB) ein anderes Bild. Jürgen
Langlet war von 2011 bis 2017 Schulleiter an der iDSB, die allein
durch ihre Lage in der europäischen Metropole eine große Nati-
haben wir 340 Schüler, und dieser Zuwachs ist überwiegend aus onenvielfalt aufweist. „Unsere Schule besuchen Kinder aus mehr
französischen Familien gekommen.“ Hier erfolgt die Zuordnung als 20 Nationen.“
individuell nach den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäi-
schen Referenzrahmens für Sprachen (GER). Am Ende der 5. Klasse Charakteristisch für die Lage ist die hohe Fluktuation. Im Schnitt
müssen die Schüler in Deutsch das Niveau B1 aufweisen, in der wechseln 75 Prozent der Kinder nach drei Jahren, nur 20 Prozent
7. Klasse B2. Bis zur 8. Klasse nehmen sie bei Bedarf zusätzlich an verbringen die komplette Schulzeit an der iDSB. Statt in dieser
einem dreistündigen DaZ-Förderkurs teil. „In der 10. Klasse muss
das C1-Niveau nahezu erreicht sein, damit die Schüler
am Oberstufenunterricht teilnehmen können.“ „Cuando hablamos español,
es todo estupendo
Neben Französisch ab der 1. Klasse bietet porque la gente nos entiende,
Español?
?
die DST Englisch ab der 5. Klasse und als nicht wie bei der Deklination,
AG schon in der Grundschule sowie Spa- die ist manchmal ein Horror,
nisch als AG an. Auch beim Erlernen des aber Deutsch zu sprechen también es un honor.“
Englischen spielt die Förderung durch Bin- Juan Sáez Solana und John Staib Matilla,
nendifferenzierung eine große Rolle, je nachdem zu Schweizer Schule Madrid
welchem Zeitpunkt und mit welchen Fremdsprachenkenntnis-
sen die Kinder an die DST kommen. Das System ist komplex, für
Self-Prédhumeau aber gelebter Alltag an ihrer Schule. Situation auf noch mehr Fremdsprachen zu setzen, intensivierte
Langlet das deutschsprachige Angebot. Anstatt wie so viele Schu-
len im Umfeld ein internationaleres Profil zu schaffen, setzte er
auf den deutschen Ursprung der iDSB. „Eltern interessieren sich
wegen der deutschen Bildung und Sprache für uns“, ist er bis
heute überzeugt. Wie auch an der DST ist die allgemeine Unter-
richtssprache an der iDSB Deutsch. Steigende Schülerzahlen ge-
ben Langlet recht. In den letzten Jahren wählten immer mehr
nichtdeutschsprachige Eltern die iDSB, beispielsweise Familien
aus Osteuropa.
Von 2011 bis 2017 war
­Jürgen Langlet Schulleiter Eine Besonderheit seiner Schule sieht Langlet in der bilingua-
der internationalen Deut-
len Vorschule (BVS), in der die Kinder in ein Sprachbad eintau-
schen Schule Brüssel. Von
1991 bis 1995 unterrichtete chen, wahlweise Deutsch/Französisch oder Deutsch/Englisch.
er an der DS Genua. Alle Gruppen werden von je zwei muttersprachlichen Erziehern

28 BEGEGNUNG  4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

betreut. Am Ende der BVS können die El-


tern dann entscheiden, mit welcher Spra-
che es weitergeht. In der Grundschule
wird die 1.  Fremdsprache durchgehend
dreistündig unterrichtet. Die jeweils an-
dere Sprache wird zusätzlich als Fremd-
sprachen-AG angeboten, ebenso wie
Niederländisch.

Englisch als 1. Fremdsprache


In der Sekundarstufe I erhalten die Kinder
fünf Stunden Englisch- und drei Stunden
Französischunterricht pro Woche. „Bis
vor einem Jahr haben die Schüler beide
Sprachen in der weiterführenden Schule
gleichwertig parallel begonnen“, sagt
Langlet. Das habe jedoch zu einer Überfor-
derung geführt.

Zusätzlich bietet die iDSB in allen Stu-


fen Förderkurse in allen Sprachen, um
Leistungsunterschiede aufzufangen. „Das
Französischniveau muss bei uns gefördert
Français?
werden. Deswegen geben wir parallel oder
ergänzend zusätzliche Förderstunden mit einer Muttersprach- Die bilinguale Vorschule ist eine
lerin“, erläutert der Schulleiter, der selbst Biologie, Chemie, Phi- Besonderheit der internationalen
Deutschen Schule Brüssel.
losophie und Ethik unterrichtet. In der Folge werden die Schüler
Schritt für Schritt im Laufe eines Jahres in den Unterricht einge-
gliedert. In dieser Zeit erhalten sie keine Noten.
unterschiedliche Unterrichtsmethoden austauschen. Langlet wird
In der Oberstufe werden die Schüler weiterhin in Englisch als die Umsetzung allerdings nur aus der Ferne miterleben, denn seit
1. Fremdsprache und Französisch als 2. Fremdsprache unterrich- Sommer 2017 ist er im Ruhestand.
tet. Zudem wird Niederländisch als 3. Fremdsprache angeboten.
Wie lässt sich ein bilinguales Konzept im Kindergarten Deut-
Zum Sprachenprofil der iDSB gehören außerdem ab der 5. Klasse scher Auslandsschulen einführen? Über Erfahrungen der
Latein, das in jahrgangsübergreifenden Kleinstgruppen bis zum ­Pestalozzi-Schule Buenos Aires berichtet die E-­BEGEGNUNG in
Latinum führt, sowie Spanisch in der Mittelstufe. ihrer kostenlosen App:
www.auslandsschulwesen.de/E-BEGEGNUNG
Über den eigenen Schulhof hinaus
Wie auch an der DST gibt es an der iDSB ein DaF- und DaZ-­
Konzept, das sich vom Kindergarten bis zur Oberstufe erstreckt.
Es umfasst eine umfangreiche individuelle Diagnostik und wurde Rund 580 Schüler besuchen die internationale Deutsche
gemeinsam mit einer deutschen Wissenschaftlerin entwickelt. Schule Brüssel (iDSB), die auf eine über 200-jährige Tra-
Mittlerweile hat sich der Erfolg herumgesprochen und andere dition zurückblickt. 13 vermittelte Lehrkräfte arbeiten an
deutsche Schulen, wie die DS Sankt Petersburg, die DS London und der iDSB. Bis heute ist sie in erster Linie eine Schule für
die DIS Den Haag, haben das Konzept adaptiert und ­kooperieren Expat-Kinder: Mitarbeiter von deutschen Unternehmen,
mit der iDSB. Nicht-EU-­Botschaften und Ländervertretungen bilden die
Hauptklientel. Ein Großteil der Schüler absolviert das Deut-
Für das kommende Jahr hat sich die Schule vorgenommen, ge- sche Internationale Abitur, aber auch Haupt- und Real-
meinsame Fachkonferenzen einzuführen. „Es wird künftig eine schulabschluss können abgelegt werden. Die schuleigene
Fachkonferenz Sprachen mit einer Koordinatorin geben. Da wer- Fachoberschule, die seit 2002 in einem zweijährigen Bil-
den dann Niederländisch, Französisch, Spanisch und Englisch dungsgang zur Fachhochschulreife führt, ist ebenso wie die
gemeinsam behandelt“, erklärt Langlet. Der ehemalige Schul- deutsche Sprache ein Alleinstellungsmerkmal der Schule.
leiter verspricht sich davon, dass sich die Lehrkräfte auch über

BEGEGNUNG  4-2017 29
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

Interview

„Das Fremdsprachenlernen
beginnt erst nach dem Englischen.“
Mehrsprachigkeit ist auch für die Wirtschaft von Bedeutung. Studien belegen, dass viele Geschäfte in Europa
aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht zustande kommen. Stefany Krath sprach mit Prof. Dr. Hermann Funk,
Leiter des Lehrstuhls Didaktik und Methodik/Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Jena über
die Verknüpfung von Mehrsprachigkeit und Wirtschaft.

die eine sprachliche Strategie verfolgten, wurde nachgefragt, in-


wieweit sich das auf den Geschäftserfolg auswirkte. Das Ergebnis
war sehr klar: Firmen, die nur auf Englisch setzen oder gar keine
­Sprachenstrategie haben, hatten eindeutig das Nachsehen.

Ist die englische Sprache denn nicht weiterhin weltweiter


Konsens?
Das muss differenziert betrachtet werden. Natürlich ist Englisch
im internationalen Geschäftsleben unverzichtbar. Aber es gibt
eine ganze Reihe anderer Faktoren. Die Sprache des Kunden ist
beispielsweise sehr wichtig, unabhängig davon, wo ich verkaufe.
Und die ist in der Regel eben nicht Englisch. Hinzu kommt, dass
im politischen Bereich Französisch in Europa von wachsender Be-
deutung ist, während es weltweit eher abnimmt. Die EU befindet
sich auch sprachlich gesehen gerade in einer
paradoxen Situation: Wenn England nicht
mehr Teil der EU ist, welches Land wird

Italiano?
die Arbeitssprache Englisch beantra-
Prof. Dr. Hermann Funk ist im „Institut für Deutsch gen? Die Iren haben als Arbeitssprache
als Fremd- und Zweitsprache und interkulturelle Stu- Irisch gewählt. Bliebe also nur noch
dien“ der Universität Jena tätig. Seit 2012 ist er Vorsitzen- Malta als englischsprachiges Land ...
der des wissenschaftlichen Beirats der Zentralstelle für das
Auslandsschulwesen. Inwiefern ist die jeweilige Stand
ortsprache von Bedeutung?
Wir haben bei den meisten großen deutschen Unternehmen eine
regional komplementäre Produktion. Der viel zitierte Joghurtbe-
cher, dessen Deckel in Bratislava hergestellt wird, dessen Inhalt in
Herr Prof. Funk, eine Studie der EU von 2006 kam zu dem Er­ Bayern und dessen Becher in Schweden bedruckt wird, bedingt
gebnis, dass europäische Unternehmen im großen Stil Aufträge eine Kommunikationsstruktur, die nicht zwangsläufig immer auf
verlieren, weil Fremdsprachenkenntnisse fehlen. Warum ist das Englisch basiert. Es zählen auch die Sprachen der Produktions­
immer noch so, obwohl doch das Bildungssystem verstärkt auf standorte. Das bedeutet, wir haben Standortsprachen, Kunden-
die Vermittlung von Fremdsprachen setzt? sprachen, eine internationale Verkehrssprache und eine regionale
Diese Untersuchung war eine Befragung von über 2.000 Unter- Lingua franca. Ein Beispiel: In Osteuropa verstehen immer noch
nehmen, die schätzen sollten, wie hoch die Verluste sind – und eine ganze Reihe von Leuten ganz gut Deutsch und relativ schlecht
die lagen im Millionenbereich. In der Folgestudie von 2011 wurde Englisch. Deutsch ist eine typische zweite Fremdsprache, aber sehr
eine Best-Practice-Erhebung durchgeführt. Bei den Unternehmen, oft im Geschäftsleben auch die Kontaktsprache.

30 BEGEGNUNG  4-2017
FOKUS: MEHRSPRACHIGKEIT

Also ist die deutsche Sprache im Aufwind?


Ich engagiere mich im Netzwerk ERFA Wirtschaft Sprache. In Das Netzwerk ERFA wirtschaft sprache ist eine Interessen-
den mehr als 20 großen Unternehmen, die sich dort zusammen- gemeinschaft von Sprachenverantwortlichen in Unterneh-
geschlossen haben, gab es vor zwei Jahren eine Umfrage. Das Er- men, die ihren Hauptsitz in Deutschland, der Schweiz oder
gebnis war, dass die firmeninternen Deutschkurse und nicht die Österreich haben. Zweimal jährlich treffen sich die Mitglie-
Englischkurse angestiegen sind. Und das hat nichts mit Migra- der zu einer Konferenz mit wissenschaftlichen Vorträgen,
tion zu tun. Die Deutschkurse sind bei den Inpats angestiegen, Work­shops und Berichten aus den Firmen. Ziel ist es dabei,
also denjenigen, die aus anderen Ländern ins Unterneh- den Austausch zwischen Unternehmen und universitärer
men kommen. Audi zum Beispiel baut seinen Q5 seit Forschung zu fördern. Seit 2006 ist Prof. Dr. Hermann Funk
letztem Jahr in Mexiko und hat ein umfassendes ­Wissenschaftlicher Koordinator des Netzwerks.
Deutsch-Programm aufgezogen. Die Mitarbei-

Svensk? ter werden für eine gewisse Zeit von Mexiko


nach Ingolstadt gebracht und bilden Tandems,
damit sie eine Weile im Betrieb mitlaufen kön- ist, und durch die Entscheidung, vielerorts in den nationalen Cur-
nen. Sozialkontakte und Gespräche am Ar- ricula Englisch als erste Fremdsprache zur Pflicht zu machen. Für
beitsplatz: Alles läuft auf Deutsch. Die Sprache am Band, die Mehrsprachigkeit war das eine schlechte Entscheidung. In Bra-
die Sprache der Produktion ist Deutsch, die Sprache der Weiter- silien, Ägypten, der Türkei und im Mittelmeerraum ist die Nach-
bildung auch in Konzernen wie VW und Audi ist immer, wenn es frage nach Deutsch hingegen gestiegen. Deutschland ist und bleibt
technisch wird, Deutsch. in Europa weiterhin ein attraktiver Arbeitsmarkt.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang funktionale Mehr­


sprachigkeit?
Je nach Szenario des wirtschaftlichen Handelns können unter-
schiedliche Sprachen eine Bedeutung haben. Auch für einen ko-
reanischen Autohersteller ist es unter Umständen wichtig, die
Die obersten 10 Sprachen/Situationen, die von Unternehmen
ADAC-Mängelstatistik auszuwerten. Und die liegt nun mal nur
als Grund für verpasste Exportaufträge genannt wurden.
auf Deutsch vor. Wir haben also unterschiedliche Sprachen in un-
terschiedlichen Funktionen in einem sehr differenzierten Hand-
lungsfeld. Die Szenarien implizieren in der Regel Mehrsprachigkeit.
11 %
Welche Trends lassen sich beim Thema berufliche Mehrspra­
chigkeit definieren?
Um die Jahrtausendwende gab es Prognosen, dass Englisch durch
11 %
das Internet die Weltsprache Nummer 1 werden würde. Aber tat- 38 %
sächlich sind nach der Anzahl gerechnet die meisten Internetsei-
ten heute auf Chinesisch. Englisch liegt auf Platz 2. Gerade das 8%
Internet hat dabei geholfen, ein Forum für kleinere, das heißt hier
weniger gelernte Sprachen zu bieten. China betreibt derzeit eine
ganz aktive Sprachpolitik. Von daher ist anzunehmen, dass das In- 8%
teresse an Chinesisch als Fremdsprache weiter steigt. Es ist außer- 3%
dem zu erwarten, dass Spanisch nicht unbedingt zurückgeht, weil 3% 7%
3% 3% 5%
Menschen auch aus Freizeitinteressen lernen. Französisch wird
weiter verlieren. Und der Bedarf an Englisch wird weiter steigen.
Letztlich wird einfach vorausgesetzt werden, dass die Leute Eng-
lisch können, es ist eine Kulturtechnik. Das Fremdsprachenlernen Englisch in Verhandlungen Französisch auf Messen
beginnt erst nach dem Englischen. Deutsch in Korrespondenz Italienisch in Verhandlungen
Englisch in Korrespondenz Russisch in Verhandlungen
Was heißt das für die deutsche Sprache? Französisch in Verhandlungen Chinesisch in Verhandlungen
Wir leben mit dem Status der 2. Fremdsprache ganz gut. Die Stu- Französisch in Korrespondenz andere Sprachsituationen
die „Deutsch als Fremdsprache weltweit“, die das Auswärtige Amt Deutsch in Verhandlungen
alle vier Jahre durchführt, zeigt, dass die Situation sich im Gro-
ßen und Ganzen stabilisiert hat, bei rund 15 Millionen Lernern.
Quelle: ELAN-Studie: „Auswirkungen mangelnder Fremdsprachenkenntnisse
Rückgänge waren in Osteuropa zu verzeichnen, nicht zuletzt auch in den Unternehmen auf die europäische Wirtschaft“, 2005 im Auftrag der
durch eine Generation von Deutschlehrkräften, die weggebrochen Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission

BEGEGNUNG  4-2017 31
MELDUNGEN

Meldungen
Bildung: Reformstau in der EU?
Gütersloh. Experten bemängeln einen Bildungssektor verbessert werden, in dem Reformaktivität im Bereich Sozialpolitik
Reformbedarf der EU-Staaten in Bildung die soziale Herkunft noch immer ein zu EU-Durchschnitt, in Prozent
und Integration. Das zeigt das sogenannte großes Gewicht hat. Schlusslicht ist Groß- Insgesamt
Reformbarometer der Bertelsmann Stif- britannien, einen Handlungsbedarf sieht 45
tung, bei dem mehr als 1.000 Sozialwis- das Reformbarometer jedoch in allen Armutsbekämpfung
senschaftler für den Zeitraum Mitte 2014 EU-Ländern. Kritiker wiederum warnen
39
bis Anfang 2016 zu den sozialen Teilha- vor einem blinden Reformeifer. „So wird
Faire Bildungschancen
bechancen in der EU befragt wurden. Die seit Jahrzehnten – verschärft seit dem groß
EU-Länder sind demnach nicht einmal ein inszenierten PISA-­Schock – drauflos re- 33

Drittel ihrer geplanten Bildungsreformen und deformiert“, so Josef Kraus, ehemaliger Arbeitsmarktzugang
angegangen. Reformen für Lebenslanges Präsident des Deutschen Lehrerverbands 51
Lernen blieben in zehn EU-Ländern so- mit Blick auf das deutsche Bildungssystem Sozialer Zusammenhalt/Bekämpfung von
gar völlig aus. Unterdurchschnittlich aktiv in seinem aktuellen Buch „Wie man eine Diskriminierung
waren Litauen, Griechenland und Spa- Bildungsnation an die Wand fährt“. „Refor- 44
nien, während der Inselstaat Malta mit men über Reformen werden in den Sand Gesundheit
Programmen zur Reduzierung der Schul- gesetzt, ohne Produkthaftung vonseiten 56
abbrecher Bestnoten erhält. Ein Nachhol- derjenigen, die all dies inszeniert haben.“
0 Prozent = Reformbedarf überhaupt
bedarf wird auch Deutschland attestiert. [BS] nicht angegangen
Obwohl viele Reformen in der frühkind- 100 Prozent = Reformbedarf in vollem
lichen Bildung umgesetzt wurden, muss Das Reformbarometer finden Sie auf: Umfang angegangen
die Integration von Flüchtlingen in den www.bertelsmann-stiftung.de Quelle: Bertelsmann Stiftung

Viele Studienabbrecher beginnen eine Ausbildung


Berlin/Hannover. 43 Prozent der Studienabbrecher haben be- und Forschung (BMBF) geförderten Studie des Deutschen Zen­
reits ein halbes Jahr nach dem Verlassen ihrer Hochschule eine trums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Das
Berufsausbildung angefangen, 31 Prozent sind schon erwerbstätig. DZHW hatte anhand des Absolventenjahrgangs 2014 untersucht,
Das ist das Ergebnis einer vom Bundesministerium für Bildung welche Gründe für den Abbruch ausschlaggebend sind und wo
die Abbrecher im Anschluss verbleiben. Knapp ein Drittel aller
Ausschlaggebende Studienabbruchmotive 2014 Bachelorstudenten an Universitäten brechen ihr Studium ab, an
in Prozent den Fachhochschulen sind es etwas weniger. „Der frühe Zeitpunkt
eines Studienabbruchs und der schnelle Wechsel in eine Ausbil-
Leistungsprobleme 30
dung weisen darauf hin, dass viele junge Menschen noch nicht ge-
mangelnde nau wissen, welchen Berufsweg sie einschlagen möchten“, sagt die
Studienmotivation
17
scheidende Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka.
praktische Tätigkeit 15
Gründe für den Abbruch sind oft hohe Leistungsanforderungen
11 und fehlende Studienmotivation. 15 Prozent der Befragten klagen
über zu wenig Praxisbezug. Das BMBF will durch gezielte Bera-
persönliche Gründe 11
tung gegensteuern. So werden seit 2016 zehn Prozent der Mittel
6 aus dem Hochschulpakt 2020 an den Hochschulen für Maßnah-
men gegen Studienabbrüche eingesetzt. „Die Ergebnisse zeigen
Studienbedingungen 5
aber auch, dass ein Studienabbruch kein Scheitern der beruflichen
familiäre Situation 4 Karriere bedeutet“, so die Bildungsministerin. [AM]

Studienorganisation 1
Weitere Informationen finden Sie auf www.dzhw.eu unter dem
Quelle: DZHW-Studienannruchstudie 2016 Reiter „Publikation“.

32 BEGEGNUNG  4-2017
MELDUNGEN

Meldungen
Hürden im Studium für Zuwanderer
Berlin. Ausländische Gaststudenten und Studenten mit Migrati- für einzelne Zuwanderergruppen aufzusetzen“, so Autor Simon
onshintergrund erzielen geringere Bildungserfolge als ihre Kom- Morris-Lange im Interview mit dem Deutschlandfunk. [BS]
militonen. Das geht aus einer Studie des Sachverständigenrats
deutscher Stiftungen für Integration und Migration im Auftrag Die Studie finden Sie unter www.svr-migration.de unter dem
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hervor. Dem- Reiter „Publikationen“.
nach verlassen vier von zehn ausländischen Studenten die deut-
schen Hochschulen ohne Abschluss. Auch die Abbruchquoten der
in Deutschland geborenen Studenten mit Migrationshintergrund Deutschkenntnisse internationaler Studierender
liegen mit 28 bis 41 Prozent überdurchschnittlich hoch. Gründe Anteil der Studierenden, die ihre Deutschkenntnisse im
sind unter anderem Sprachbarrieren und Schwierigkeiten auf- jeweiligen Kompetenzbereich als nicht gut oder nicht
vorhanden einschätzen (in Prozent)
grund der sozialen Herkunft. Laut der Studie sprechen mehr als
ein Drittel der Gaststudenten kaum Deutsch. Hier geborene Stu- 40
denten mit Migrationshintergrund sind zwar sprachlich integriert,
30
jedoch besucht über die Hälfte als erstes Familienmitglied eine
Hochschule. Jeder Fünfte kommt aus einem niedrig gebildeten El- 20
ternhaus. Um die Probleme für Zuwanderer abzubauen, empfeh- 10
len die Forscher, das bereits vorhandene Unterstützungsangebot
0 27 % 24 % 40 % 40 %
besser auf diese Gruppe zuzuschneiden anstatt es kostenintensiv
Zuhören Lesen Sprechen Schreiben
auszuweiten. „Es bedarf definitiv mehr Unterstützung, aber was
Hochschulen nicht tun sollten, ist, jetzt massig Sonderprogramme Quelle: Studie Study & Work, SVR-Forschungsbereich 2016b

Flüchtlinge an deutschen Hochschulen


Bonn. 6.600 Flüchtlinge nahmen 2016 oder Vorstudienzeiten den Zugang zu Förderung an Universitäten und Hoch-
an deutschen Hochschulen an studien- deutschen Hochschulen erleichtern. Seit schulen bei monatlich 420 Euro. Bis 2019
vorbereitenden Sprachkursen teil. Sie 2016 fördert das Programm Deutschkurse stellt das Bundesministerium für Bildung
profitierten dabei vom Förderprogramm für akademische Zwecke, fachspezifische und Forschung bis zu 100 Millionen Euro
„Integra“ des Deutschen Akademischen Vorbereitungskurse sowie die Bewertung für diese Maßnahmen zur Verfügung. Tat-
Austauschdienstes (DAAD). Es soll Flücht- mitgebrachter Zeugnisse ausländischer sächlich fühlten sich bei einer Umfrage
lingen mit einer Hochschulberechtigung Studienbewerber. Pro Person liegt die des Stifterverbands für die Deutsche Wis-
senschaft vor drei Jahren nur 30 Prozent
der staatlichen Hochschulen gut auf die
Integration von Flüchtlingen vorbereitet.
Derzeit unterstützt Integra 172 Projekte
an Fachhochschulen, Universitäten sowie
Studienkollegs. Dreiviertel der geförder-
ten Flüchtlinge kommen aus Syrien, ge-
folgt von Afghanistan und Iran (jeweils
sechs Prozent). [ST]

Weitere Informationen unter:


www.daad.de/der-daad/fluechtlinge

„Integra“ fördert seit 2016 Deutschkurse,


um Flüchtlingen den Hochschulzugang
zu erleichtern.

BEGEGNUNG  4-2017 33
AUSLAND

Umwelthelden in Chiang Mai


Schülern der Christlichen Deutschen Schule Chiang Mai (CDSC) war der Müll in ihrem
Umfeld ein Dorn im Auge. Daher sammelten sie über 1.000 Kilogramm Abfall, hinterfragten
aber auch ihr eigenes Konsumverhalten.

von Martin Stengel

Trinkwasser in wiederverwendbare Me-


tallflaschen abfüllen, statt Einwegfla-
schen zu verkaufen. Die Flaschen sind ein
Markenzeichen der Umweltorganisation
„Trash Hero“, die es sich zur Aufgabe ge-
macht hat, zukünftigen Generationen eine
saubere Welt zu hinterlassen. Dafür sam-
meln Freiwillige regelmäßig Weggeworfe-
nes, beugen aber auch neuen Müllbergen
vor. Nach der Klassenfahrt trug Lehre-
rin Meike Rudolph nicht nur eine solche
Flasche ins Lehrerzimmer der Deutschen
Auslandsschule in Chiang Mai, sondern
auch die Idee, das Umweltbewusstsein
ihrer Schüler zu stärken. Gemeinsam mit
Kollegen und dem lokalen Ableger der
Trash Heroes begann die Planung für zwei
Themenwochen mit dem Schwerpunkt
„Umwelt, Müll und Nachhaltigkeit“.

Mehr als nur Müllsammeln


„Wir wollten nicht, dass die Kinder nur
Müll sammeln. Sie sollten sich vorher ge-
zielt mit der Thematik auseinandersetzen“,
erklärt die Initiatorin. Wie lange braucht
Kunststoff, bis er verrottet ist? Was lässt
Themenwoche „Umwelt, Müll und
Nachhaltigkeit“: Schüler sammeln
Abfall in der Umgebung ihrer Schule. W eißer Sandstrand und türkisblaues,
glasklares Wasser: Die Klassenfahrt
auf die thailändische Insel Koh Lanta ver-
sich aus Abfall noch herstellen? Solche Fra-
gen lieferten den Kindern Denkanstöße.
„Die meisten wussten auf Anhieb nicht
sprach ein Ausflug ins Paradies zu werden. einmal, was für Plastikprodukte sie täglich
Die Christliche Deutsche Schule Doch die Schüler der 10. Klasse der CDSC verwenden“, sagt die Lehrerin für Musik,
­C hiang Mai wurde 1994 gegrün- beeindruckten vor allem die großen Men- Kunst und Geografie. Mit Unterstützung
det und ist eine von zwei Deutschen gen Müll. Unzählige alte Flip-Flops und der Trash Heroes wurde das Thema im Fe-
Auslandsschulen in Thailand. Ihre Plastikflaschen spült das Meer dort Tag bruar und März 2017 zwei Wochen lang
177 Kinder und Jugendlichen werden für Tag an Land. Einige Jugendliche fin- in den einzelnen Unterrichtsfächern teils
von 26 Lehrkräften und Erziehern gen spontan an, den Abfall einzusammeln. theoretisch, teils praktisch behandelt. Im
bilingual auf Deutsch und Englisch Schnell kam die Frage auf, wie er sich ver- Kunstunterricht beispielsweise konnten
unterrichtet. Neben dem Haupt- und meiden lässt. Eine erste Antwort fanden die Kinder feststellen, dass Müll teilweise
Realschulabschluss bietet die Schule die Zehntklässler kurze Zeit später. Bei ei- auch Wertstoff und somit noch zu ge-
die Möglichkeit, das Deutsche Inter- nem Ausflug auf der Insel lernten sie eine brauchen ist. Sie überlegten sich, was sie
nationale Abitur zu erwerben. Aktion kennen, bei der Mitarbeiter von aus leeren Cola-­Dosen, Kronkorken und
Restaurants und Geschäften kostenlos Schokoriegeltüten herstellen könnten,

34 BEGEGNUNG  4-2017
AUSLAND

und bastelten Kerzenhalter, Mäppchen zu viel Müll da draußen. Viele der Schüler
oder bunte Haarspangen. Diese selbst- haben nicht die ganze Route geschafft“, er- Die „Trash Hero“-Bewegung wurde
gemachten Müllprodukte und -kunst- klärt die Lehrerin. Am Ende kamen rund 2013 auf der thailändischen Insel Koh
werke stellten die Kinder später auf einem 1.000 Kilogramm zusammen. Darunter Lipe ins Leben gerufen. Inzwischen
Schulflohmarkt aus und konnten sie sogar waren für die Kinder einige Überraschun- ist sie neben Thailand in Indonesien,
verkaufen. Rudolph war „sehr beeindruckt gen, wie eine am Straßenrand zurückge- Malaysia, Myanmar, China, Singapur,
von dem kreativen Umgang der Schüler lassene Couch oder einfach eine lustig Tschechien, der Schweiz, den USA
mit Dingen, die eigentlich in der Tonne aussehende Zahnbürste. und auf den Philippinen vertreten.
landen würden.“ Bei über 1.800 Aufräumaktionen,
Sisyphos und der Plastikmüllberg? sogenannten „Cleanups“, haben die
„Schatzsuche“ um die Schule Das Projekt kam bei den Schülern, Eltern mehr als 47.000 Freiwilligen bisher
Die Themenwochen endeten schließlich und Lehrkräften so gut an, dass die Schule rund 350 Tonnen Müll gesammelt.
mit einer gemeinsamen Aufräumaktion. weitere Aufräumaktionen plant, zum Bei- Weitere Informationen unter:
Am Morgen machten sich Schülergruppen spiel im nahegelegenen Nationalpark. https://trashhero.org
trotz Hitze auf, um die Schulumgebung Eine spätere Projektphase soll den Kin-
und das Nachbardorf vom Zivilisations- dern Schritt für Schritt vermitteln, was
müll zu befreien. Wer hat als Erster seinen mit dem gesammelten Müll geschieht. Der Metallflasche der Trash Heroes. Sie ist
Beutel voll, wer sammelt die meisten Kilo- Besuch einer Recyclinganlage ist nur eine eines von vielen Beispielen, anhand de-
gramm Abfall? Unter den Kindern breitete von vielen anvisierten Maßnahmen, um rer die Kinder gelernt haben: Der Weg
sich schnell Sportsgeist aus. „Das war wie ihr Bewusstsein für Umweltschutz und zu ­einer sauberen Umwelt beginnt mit
bei einer Schatzsuche nach dem skurrils- Nachhaltigkeit zu stärken. Aber nicht nur ­kleinen, aber konkreten Schritten.
ten Fundstück“, erinnert sich Rudolph. besondere Aktionen seien wichtig, gibt
Obwohl eineinhalb Stunden eingeplant Rudolph zu bedenken. Es sei der Alltag, der
waren, um die Straßen und Reisfelder sich ändern müsse. Die Schule verbannte
rings um die Schule zu durchsuchen, ka- bereits Plastikstrohhalme, Einweggeschirr
men die ersten Gruppen bereits nach einer und -flaschen aus der Kantine. Als Alter-
Lehrkräfte, Schüler und Trash Heroes
Dreiviertelstunde zurück: Ihre Beutel wa- native nutzen viele Schüler und Lehr- präsentieren den gesammelten Müll
ren bis zum Rand gefüllt. „Es war einfach kräfte inzwischen die wiederbefüllbare ihres ersten gemeinsamen „Cleanups“.

BEGEGNUNG  4-2017 35
ORTSTERMIN

Zwist um die Zweisprachigkeit

In Südtirol wird traditionell strikt einer Minderheit. In Südtirol ist das an- ordnet sich der italienischen Sprachgruppe
zwischen deutsch- und italienisch­ ders. Etwas mehr als 520.000 Menschen zu, fünf Prozent der ladinischen.
leben in der autonomen Region im Nor-
sprachigen Schulen getrennt. Doch
den Italiens. Knapp 70 Prozent fühlen sich Zweisprachigkeit im Alltag ein
immer mehr von ihnen öffnen der deutschen Sprachgruppe zugehörig. Muss
sich der Mehrsprachigkeit. Denn Sie fallen unter den Minderheitenschutz Multikulturalität und Mehrsprachig-
die Zahl der Südtiroler, die sich als der italienischen Provinz, der ihnen das keit sind fester Teil des Südtiroler Alltags.
Recht auf den Gebrauch der Mutterspra- ­Straßen- und Ortsschilder sind deutsch
bilingual betrachten, steigt.
che zusichert. Alle zehn Jahre werden die und italienisch bedruckt. „Es gibt ganz we-
Einwohner Südtirols befragt, welcher nige Bereiche, in denen man einsprachig
von Andreas Müllauer Sprachgruppe sie angehören: Deutsch, durchkommt. Die gesamte öffentliche
Italienisch oder der romanischen Dialekt- Verwaltung erfordert den Nachweis der
gruppe Ladinisch. Die Ergebnisse bestim- Zweisprachigkeit“, erklärt Prof. Dr. Stepha-
men über die Vergabe von Budgetmitteln nie Risse, Sprachwissenschaftlerin an der

N immt eine Gruppe mehr als zwei


Drittel einer Gesellschaft ein, dann
spricht man für gewöhnlich nicht von
der regionalen Landesverwaltung, Arbeits-
plätzen im öffentlichen Dienst und Sozial-
leistungen. Etwa ein Viertel der Einwohner
Universität Bozen. „Jeder Arzt, jeder Po-
lizist, jede Person im öffentlichen Dienst
muss das vorweisen. De facto muss man

36 BEGEGNUNG  4-2017
ORTSTERMIN

auch in der freien Wirtschaft zweisprachig Immersion, CLIL und Mehrsprachigkeit Muttersprache im Klaren sind, öffnen sie
sein. Sonst kann man hier einfach keinen an unserem bewährten deutschen Schul- sich bewusst der Mehrsprachigkeit. Die
Beruf ausüben.“ system gesägt.“ CLIL ist die Kurzform für Zahl derer, die bei der Volksbefragung den
„Content and Language Integrated Le- Zettel zur Bestimmung ihrer Sprachzu-
Die Heterogenität der Region geht auf die arning“ und bezeichnet die Vermittlung gehörigkeit ausfüllen, ist laut Risse stark
politischen Entwicklungen des 20. Jahr- von Lerninhalten in einer Fremdspra- gesunken. „Viele sagen: ‚Ich bin bilingual‘,
hunderts zurück. Mit Ende des Ersten che außerhalb des Sprachunterrichts. und geben einen weißen Zettel ab.“
Weltkriegs wurde der südliche Teil des ös- Die Regierung fördert seit einigen Jahren
terreichischen Tirol Italien zugeschlagen. ­Pilotprojekte zu dieser Methode.
Unter Mussolini wanderten Zehntausende
Italiener nach Südtirol ein, der Gebrauch Auch die Schule von Martina Adami un-
der deutschen Sprache wurde zwischen- terrichtet nach dem CLIL-Prinzip. Die
zeitlich sogar verboten. Erst 1972 trat nach Vorbehalte des Schützenbunds teilt die
sozialen Unruhen die sogenannte Neue Schulleiterin nicht: „Ich finde es extrem
Südtirol-Autonomie in Kraft und dem positiv, dass Schüler eben nicht nur im
Land Südtirol wurden zahlreiche Gesetz- Sprachunterricht eine Sprache lernen,
gebungs- und Verwaltungszuständigkei- sondern sie auch in anderen Fachberei-
ten übertragen. chen anwenden.“ An ihrem Gymnasium
wird unter anderem Recht und Wirtschaft
Strikte Trennung bei den Schulen auf Italienisch unterrichtet, Geschichte
Diese Autonomie greift auch beim Bil- auf Spanisch und Biologie auf Englisch.
Linguistik-Professorin
dungssystem: In Südtirol gibt es deutsch-, Eine gute Sache, findet die 21-jährige Dr. Stepha­nie Risse beobachtet,
italienisch- und ladinischsprachige Schu- Jenny Unterkofler, die in Südtirol deutsch- dass die Südtiroler immer mehr
len, die separat verwaltet werden. Alle sprachig aufgewachsen ist und am Gym- auf Bilingualität setzen.

Zweige haben einen eigenen Landesrat nasium „Walther von der Vogelweide“ ihre
und Schulamtsleiter. Grund ist der Min- Matura gemacht hat: „Ich sehe überhaupt
derheitenschutz, der Unterricht in der nichts Negatives daran, auch in anderen
eigenen Muttersprache garantiert. An Sprachen zu unterrichten. Unser Dialekt
deutschsprachigen Schulen spielt Italie- wird sowieso nie verschwinden“, ist sie
nisch als Zweitsprache nur eine unterge- überzeugt. „Man wird nie eine Südtiroler
ordnete Rolle. Laut einer Elternumfrage Familie finden, die zu Hause Englisch oder
aus dem Jahr 2015 spricht sich jedoch mit Hochdeutsch spricht. Wenn Südtiroler
77 Prozent die Mehrheit der deutschspra- miteinander sprechen, sprechen wir unser
chigen Eltern für eine stärkere Berück- Südtirolerisch.“
sichtigung von Italienisch in der Schule
aus. Die Hälfte aller Befragten wünscht Abgrenzung und Öffnung
Dr. Martina Adami bemerkt,
sich eine Intensivierung des Englischun- Der Südtiroler Dialekt wird der bairischen dass an ihrer Schule der
terrichts. Diese Entwicklung bemerkt Mundart zugerechnet. Sprachwissen- Wunsch nach mehrsprachigem
auch Martina Adami, Leiterin des Boze- schaftlerin Risse beobachtet in den letzten Unterricht größer wird – vor
allem von Elternseite.
ner Gymnasiums „Walther von der Vogel- zehn Jahren, „dass er gerade bei der jünge-
weide“: „Es ist der Wunsch vieler Eltern, ren deutschsprachigen Generation identi-
dass ihre Kinder die Zweitsprache, vor al- tätsstiftend ist“. Unterkofler bestätigt das:
lem aber auch Fremdsprachen gut lernen.“ „Es ist wieder cool geworden, Dialekt zu
benutzen, besonders in den sozialen Me-
Streitthema Mehrsprachigkeit dien.“ Da wird aus „mit Freunden feiern
Politisch ist das brisant: Nicht überall gehen“ schnell ein „mit Freinden stravan-
wird Mehrsprachigkeit wohlwollend auf- zen“. Risse sieht darin auch ein Mittel der
genommen. Manche deutschsprachigen Abgrenzung. „Weniger den Italienern ge-
Interessenvertreter fürchten eine „Italieni­ genüber – da würde Deutsch ja reichen –,
sierung“ des Südtiroler Bildungssystems. sondern gegenüber dem übrigen deutsch-
So kritisierte Efrem Oberlechner, Medi- sprachigen Raum.“
enreferent des Südtiroler Schützenbunds,
Die gebürtige Südtirolerin
in einer Diskussionsrunde in Leifers: Obwohl sich somit die deutschsprachi- Jenny Unterkofler glaubt an die
„Neuerdings wird mit Experimenten wie gen Südtiroler über die Bedeutung ihrer Beständigkeit ihres Dialekts.

BEGEGNUNG  4-2017 37
INLAND

Vernetzt auf allen Ebenen


Beim Austauschforum kommen jährlich Vertreter von
Schulleitungen, -verwaltungen und -vorständen aus
aller Welt zusammen. Sie vertiefen das Verständnis für
die Perspektive des anderen und sorgen für einen Teilnehmerbefragung vor, die ebenfalls positiv ausfiel. Es sei
regionsübergreifenden Austausch. ein sehr guter Start gelungen, fasste ZfA-Leiter Joachim Lauer
zusammen.

Leitungsstellen attraktiver machen


von Johanna Böttges Eine der größten Herausforderungen für die Deutschen Auslands-
schulen sahen die Forumsteilnehmer in der Personalsituation.
Insbesondere die Akquise von Schulleitern gestaltet sich demnach –
ähnlich wie im Inland – teilweise schwierig. Gemeinsam disku-

E s ist ein Austausch auf Augenhöhe, der jährlich in Berlin


stattfindet. An U-förmig angeordneten Tischen einander ge-
genübersitzend, berichten die rund 20 Teilnehmer des Austausch-
tierten die Anwesenden mögliche Ursachen und Lösungsansätze
für den Schulleitermangel, zum Beispiel ein gemeinsames Rollen-
verständnis. Neben finanziellen Anreizen sei auch eine wertschät-
forums, was sie im letzten Jahr beschäftigt hat. Fortschritte bei der zende „Unternehmenskultur“ an den Schulen von Bedeutung,
regionalen Vernetzung, knappes Personal und aufwendige Evalua- betonte Lauer. Unzufriedenheit lasse sich nur durch eine inten-
tionen: Das sind nur einige der Themen, die beim zweiten Aus- sivere Kommunikation mit Eltern und Vorständen reduzieren.
tauschforum diskutiert wurden, das im Mai 2017 in den Räumen Ein konkretes Ergebnis der Tagung: Eine Arbeitsgruppe wird das
der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) in Berlin statt- Thema „Arbeitsplatzattraktivität für Schulleitungen“ vertiefen.
fand. Seit 2016 treffen sich in diesem Rahmen je drei Mitglieder
des Direktorenbeirats, des Verwaltungsleiterbeirats und der Schul- Neue Blickwinkel, gemeinsame Lösungen
vorstände mit Vertretern der ZfA, des Auswärtigen Amts und der Auch für Andreas Beckmann vom Vorstand der internationalen
Länder. Auch Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissen- Deutschen Schule Brüssel gehört die Personalgewinnung zu den
schaft, des Verbands deutscher Lehrer im Ausland sowie des Welt- drängendsten Themen des Treffens. Er betrachtet das Forum als
verbands Deutscher Auslandsschulen nehmen teil. Möglichkeit, auch einmal kritisch nachzufragen und Details zu
diskutieren. „Das Format hat sich bewährt“, resümiert Reiner Ries.
Zuspruch für Regionale Netzwerktagungen Er ist überzeugt, dass der Austausch dazu beiträgt, Konflikte zu
Im Rahmen des Auslandsschulqualitätsmanagements (AQM) wird versachlichen oder gemeinsame Lösungen zu finden. „Wichtig ist,
die Netzwerkarbeit im Auslandsschulwesen systematisch wei- dass die verschiedenen Stakeholder an den Schulen ein Verständ-
terentwickelt. Ein wichtiger und erfolgreicher Schritt war 2016 nis für die Rolle des anderen entwickeln. So versteht man, aus wel-
die Einführung Regionaler Netzwerktagungen (RNT) unter Be- chem Rollenverständnis heraus eine Entscheidung gefällt wurde.“
teiligung von Vorständen, Verwaltungen und Schulleitungen. Almut Hennings, Leiterin der Deutschen Botschaftsschule Peking,
Das Austauschforum setzt die regionale Vernetzung auf globaler schätzt den offenen Austausch im Forum. Er helfe, „die andere
Ebene fort. „Damit haben wir eine Kommunikation auf drei Ebe- Seite besser zu verstehen und manches Missverständnis auszu-
nen: lokal auf der Schulebene, regional bei den Netzwerktagun- räumen.“ Sie erhofft sich jedoch, dass sich aus den Treffen künftig
gen und überregional im Austauschforum“, erklärt Reiner Ries, noch mehr konkrete Konsequenzen ergeben.
Leiter des Fachbereichs Pädagogisches Qualitätsmanagement und
­Fortbildung der ZfA.

Die Anwesenden zogen ein positives Fazit der RNT. Joachim In der 2017 erschienenen ZfA-Broschüre „Qualität ist das
Herrmann, Verwaltungsleiter an der German European School Ganze“ berichten unter anderem Schulleitungen, Schulträger,
Singapore, bezeichnete die Tagung in seiner Region als „Aha- Verwaltungsleitungen, Prozessbegleitungen, Bund-Länder-
Erlebnis“ und lobte die harmonische Zusammenarbeit der Gre- Inspektoren und Wissenschaftler, wie sie das Qualitätsma-
mien. Die Vorstandsvertreter regten an, die Ergebnisse künftig nagement der Deutschen Auslandsschulen voranbringen.
nicht nur auf regionaler Ebene zu dokumentieren, sondern al- Download und Bestellung auf www.auslandsschulwesen.de
len Beteiligten eine Zusammenfassung zur Verfügung zu s­ tellen. unter „Presse“ – „Publikationen“.
Ries stellte die Themen der RNT sowie eine Auswertung der

38 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

Konstruktiver Austausch: Mitglieder des Direktoren­ der Schulen stärker herauszuarbeiten. Dazu gehörten die deut-
beirats, des Verwaltungsleiterbeirats und der schen Abschlüsse ebenso wie die Wertevermittlung im Unterricht.
Schul­vorstände trafen sich mit Vertretern der ZfA,
des Auswärtigen Amts und der Länder auf dem
­Austauschforum 2017 in Berlin. Kaufmännische Perspektive hinzugefügt
Die Frage des Schülernachwuchses war vor allem den Verwal-
tungsleitungen ein Anliegen. Daneben kamen Personal- und
Erfahrung teilen, Nachwuchs sichern ­Finanzthemen wie der Versorgungszuschlag für Ortslehrkräfte
Wie wichtig Vernetzung auf allen Ebenen ist, wurde im Verlauf oder die Freistellungspraxis der Bundesländer zur Sprache. Ver-
des Forums immer wieder deutlich. „Es ist ganz viel Erfahrung da“, waltungsleiter Edward K. Schlieben von der German Internatio­
unterstrich Oliver Schramm, Leiter des Auslandsschulreferats des nal School New York begrüßt es, dass kaufmännische Aspekte
Auswärtigen Amts bis August 2017. Diese zu teilen und zu nutzen durch die Teilnahme von Verwaltungsvertretern gewürdigt wer-
bringe das gesamte Auslandsschulwesen voran. Den Erfahrungs- den. Er und die anderen Mitglieder des 2015 gegründeten Ver-
austausch hält Schramm beispielsweise im Hinblick auf Steuer- waltungsleiterbeirats legen Wert auf Kontinuität: Mindestens ein
und Statusfragen im Sitzland für sinnvoll. Ein wichtiges Thema für Teilnehmer aus dem Vorjahr soll im jeweiligen Folgejahr wieder
sein Referat bleibe die Sicherheit an Schulen. Um die Deutschen im Austauschforum vertreten sein. Schlieben ist bereits lange an
Auslandsschulen im Wettbewerb um junge Deutschlernende Deutschen Auslandsschulen tätig und freut sich besonders über
konkurrenzfähiger zu machen, plädierte die Ländervorsitzende den konstruktiven Austausch über alle Ebenen hinweg. Aus seiner
im Bund-Länder-Ausschuss für schulische Arbeit im Ausland Sicht hat sich das Auslandsschulwesen in dieser Zeit weiterentwi-
(­BLASchA) Dorothée Bauni dafür, die Alleinstellungsmerkmale ckelt: „Vor zehn Jahren wäre das unvorstellbar gewesen.“

BEGEGNUNG  4-2017 39
INLAND

Viel Anerkennung für Auslandsschularbeit


Internationale Lehrerbildung, Fachkräftezuwachs und die künftige Unterstützung für Deutsche Auslandsschulen
im Bundestag: Diese Themen diskutierten Vertreter von Schulen, Politik, Verwaltung und Wissenschaft beim
Symposium des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen (WDA).

„D ie Anerkennung des Auslandsschul-


wesens als ein Part des gesamten
deutschen Schulwesens“: Dieses Ziel be-
kräftigte Ulla Schmidt (SPD), bis dato Vi-
zepräsidentin des Deutschen Bundestags
und Mitglied im Unterausschuss Aus-
wärtige Kultur- und Bildungspolitik (UA
AKBP), beim WDA-Symposium im Juni
2017 in Berlin. Das Auslandsschulwe-
sen sei nicht nur ein Bildungs-, sondern
ein Querschnittsthema, unterstrich Dr.
Thomas Feist (CDU), ebenfalls Mitglied
des Unterausschusses. Michael Leutert
(Die Linke), zu diesem Zeitpunkt Mitglied
des Haushaltsausschusses im Bundestag,
fasste das Einvernehmen der Parlamenta-
rier zusammen, das sich in einer der zen-
tralen Podiumsdiskussionen abzeichnete:
„Wir sind uns über die Parteigrenzen hin-
weg einig: Die Deutschen Auslandsschulen
sind wichtig.“ Omid Nouripour (Bündnis
90/Die Grünen), damals stellvertretendes
Vertreter aus Politik, Verwaltung und
Mitglied im UA AKBP, plädierte dafür, die Wissenschaft diskutierten mit Vor-
Auslandsschulen als Orte der Völkerver- Joachim Lauer, Leiter der Zentralstelle für standsmitgliedern und Schulleitungen
ständigung stärker zu würdigen. das Auslandsschulwesen. In zehn Bundes- auf dem WDA-Symposium 2017.

ländern bereiteten ehemalige Auslands-


Inlandsschulen profitieren von lehrkräfte beispielsweise zugewanderte
Auslandserfahrungen Kinder auf die Prüfungen zum Deutschen Standortfaktor“, sagte Dr. Barbara Dorn
„Potenziale nutzen – Karrieren fördern“, Sprachdiplom der Kultusministerkonfe- von der Bundesvereinigung der Deut-
so hieß das Motto des WDA-­Symposiums. renz (KMK) vor. Über ein Vorreiterprojekt schen Arbeitgeberverbände. Sie leisten
Der Verband, der die gemeinnützigen an der Goe­the-Universität Frankfurt be- überdies einen Beitrag zur qualifizier-
Träger 118 Deutscher Auslandsschulen richtete Andreas Hänssig von der dortigen ten Fachkräftemigration nach Deutsch-
vertritt, hatte Vertreter aus Politik, Ver- International Teacher Education – Akade- land, wie eine neu vorgestellte Studie des
waltung und Wissenschaft eingeladen, mie für Bildungsforschung und Lehrer- WDA und der Bertelsmann Stiftung zeigt.
um mit Vorstandsmitgliedern und Schul- bildung, die angehende Lehrkräfte bei der Dass es im Auslandsschulwesen auch um
leitungen zu diskutieren. Ein zentrales Karriere­planung berät. In Kooperation mit Wertevermittlung geht, verdeutlichte Dr.
Thema war die Internationalisierung der den Deutschen Auslandsschulen in Singa- Thomas Drescher, Bildungsstaatssekre-
Lehrerbildung. Oliver Schramm, Leiter pur und Hongkong vermittelt sie gezielt tär in Brandenburg und KMK-Vertreter.
des Auslandsschulreferats im Auswärtigen ­Praxissemester im Ausland. So schätzten die Eltern „die Ausbildung
Amt bis August 2017, bezeichnete das Aus- zur Urteilsfähigkeit, zur Verantwortungs-
landsschulwesen als „Frontrunner“ bei der Standortfaktor Auslandsschule bereitschaft sowie die Erziehung zum
Vermittlung interkultureller Kompeten- Aus Sicht der deutschen Wirtschaft mündigen Bürger.“
zen. Die positiven Effekte von Auslands­ seien die Deutschen Schulen im Aus-
erfahrungen auf das Inland betonte auch land ein „nicht zu unterschätzender Johanna Böttges

40 BEGEGNUNG  4-2017
MELDUNGEN

Meldungen
Expertise gegen Rückkehr zu G9
Essen. Die Bundesländer sollten nicht zu G9 zurückkehren,
sondern den jeweiligen Status quo erhalten. Zu dieser Empfeh-
lung kommt eine von der Stiftung Mercator beauftragte Exper-
tise von Prof. Dr. Olaf Köller vom Leibniz-Institut in Kiel. Dessen
Auswertung empirischer Studien kommt zu dem Ergebnis: Eine
Rückkehr zu G9 würde Schülern keine signifikanten Vorteile bie-
ten. Zwar sorgt der 2003 durchgeführte Umstieg auf G8 für we-
niger Freizeit bei den Schülern, hat jedoch zu keinem Abfall bei
Bildungsqualität und Schülerleistungen oder zu anderen nega-
tiven Effekten geführt. Eine abermalige Neustrukturierung des
deutschen Bildungssystems würde daher laut Expertise massive
Kosten ohne nennenswerten Mehrwert verursachen. „Ressour-
cen sollten nicht in Strukturdebatten gebunden werden, sondern
genutzt, um wichtigen Herausforderungen im Bildungsbereich,
wie zum Beispiel der Qualität im Ganztag, zu begegnen“, sagt Win-
fried Kneip, Sprecher der Geschäftsführung der Stiftung Mercator. Auch die neue Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen hat
Andere Auswertungen weisen in eine andere Richtung als Köller: sich darauf geeinigt. [AM]
Eine Studie der Uni Tübingen mit rund 5.000 Abiturienten ergab,
dass die Schüler aus den G8-Jahrgängen öfter über Erschöpfung, Die Expertise „Verkürzung der Gymnasialzeit in Deutschland“ und
Druck und Überforderung klagen. Niedersachsen und Bayern ha- weitere Informationen finden Sie unter:
ben bereits die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren beschlossen. www.stiftung-mercator.de/expertiseG8G9

MINT-Fächer: Viele Fortbildungen, aber wenig effektiv


Bonn. Es ist eigentlich ein erfreuliches Forsa im Auftrag der Deutsche Telekom zufrieden. Doch in der Praxis kommt
Ergebnis: Lehrkräfte der sogenannten Stiftung. Zwei Drittel der befragten Lehr- trotzdem nicht viel an. Ein Viertel der be-
MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, kräfte hatten in den letzten sechs Mo- fragten Lehrer erklärte, das Gelernte aus
Naturwissenschaft und Technik – bilden naten eine Fortbildung absolviert. Neun Zeitgründen gar nicht im Unterricht ein-
sich gerne und häufig fort. Weniger erfreu- von zehn Lehrkräften werden im Bereich bringen zu können. „Die Gründe für das
lich: Auf den Unterricht haben diese Fort- Weiterbildung von ihrer Schulleitung ernüchternde Ergebnis sind vor allem im
bildungen kaum Einfluss. Das ergab eine unterstützt, und die große Mehrheit ist System zu suchen“, meint Dr. Ekkehard
Umfrage des Meinungsforschungsinstituts mit den besuchten Veranstaltungen auch Winter, Geschäftsführer der Telekom Stif-
tung. „Nach wie vor sind Fortbildungen
Bedeutung verschiedener Rahmenbedingungen bei Fortbildungen (Angaben in Prozent) meist einmalige Impulse, die Teilnehmen-
sehr wichtig weniger un- den besuchen sie allein und fern der eige-
wichtig wichtig wichtig* nen Schule.“ Tatsächlich hat fast die Hälfte
Konkrete Tipps zur Umsetzung der 66 31 3 0 der Befragten an ihrer letzten Fortbildung
Fortbildungsinhalte im Schulalltag
allein teilgenommen, obwohl zwei Drittel
Die Schulleitung unterstützt die Teilnahme
T an 51 42 5 1
der Fortbildung und die Umsetzung der Inhalte der Lehrkräfte es wichtig fänden, sich mit
Die Fortbildung ist interaktiv, Eigenarbeit Kollegen ihrer Schule gemeinsam fortzu-
31 49 16 3
ist gefordert bilden. Zudem halten fast alle Befragten
Die Fortbildung wird gemeinsam mit Kollegen 19 48 27 5 eine gemeinsame Unterrichtsentwicklung
wahrgenommen
für sinnvoll. [HS]
Die Fortbildung beinhaltet auch digital 8 35 44 13
unterstützte Selbstlernphasen
Die Fortbildung besteht aus mehreren 5 21 51 20 Alle Ergebnisse finden Sie auf www.
Sitzungen telekom-stiftung.de unter „Publikatio-
* an 100 Prozent fehlende Angaben = weiß nicht Quelle: Forsa nen“ im Bereich „Studien“.

BEGEGNUNG  4-2017 41
AUSLAND

Serie: Schule 4.0 Serie: Schule 4.0

„Es gibt mehr Freiraum


als in Deutschland.“
Wohldurchdacht, voller Begeisterung oder mit selbst-
bewusster Lässigkeit: Der Umgang Deutscher Auslands-
schulen mit digitalen Medien hat viele Facetten.
Schulbuchforscherin Prof. Dr. Felicitas Macgilchrist
sprach mit Andreas Müllauer über ihr Forschungs­
projekt an drei Deutschen Schulen im Ausland.

Frau Prof. Macgilchrist, worum ging es bei Ihrer Studie?


Wir wollten den Blick auf einige Preisträgerschulen der Exzellenz-
initiative für innovatives Lernen lenken und in Erfahrung brin-
gen, wie digitale Bildungsmedien an Deutschen Auslandsschulen
genutzt werden. Im Prinzip hatten wir drei Fragen: Wie werden
Bildungsmedien eingesetzt? Wie sieht der nationale, internatio- Felicitas Macgilchrist ist Leiterin der Abteilung „Schulbuch
nale und transnationale Kontext aus? Was sind die Wege in Zu- als Medium“ am „Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für
kunft? Wir haben dann drei Schulen ausgewählt, die uns erlaubt internationale Schulbuchforschung“ und Professorin für Me-
haben, sie drei Wochen zu besuchen und zu beobachten. Wir dienforschung mit dem Schwerpunkt Bildungsmedien an der
­waren in Boston, Singapur und im bolivianischen La Paz. Universität Göttingen. Ihr besonderer Fokus liegt auf dem so-
zialen und politischen Kontext von Bildung in der digitalen
Können Sie nun sagen, wie erfolgreich Deutsche Auslandsschu- Welt.
len digitale Bildungsmedien einsetzen?
In allen drei Fällen sehr erfolgreich, aber auch sehr unterschied-
lich. Wir konnten in allen Schulen eine bestimmte Umgangskul- nicht mehr: „Das sind aber schicke, coole neue Sachen“, sondern
tur feststellen, also die Art und Weise, wie die Schulen digitale digitale Geräte gehören zum Alltag. Es gibt einen Stift, es gibt ein
Bildungsmedien aufgreifen. Die Deutsche Internationale Schule iPad und es gibt ein Notebook. Man benutzt eben das, was für die
Boston ist eine Schule, die eher überlegt: „Was machen wir jetzt zu bewältigende Aufgabe am naheliegendsten ist.
mit Medien im Unterricht? Wie machen wir das? Wie können wir
die technische Infrastruktur umwandeln, um unsere Ziele zu er- Wie wird das Lernverhalten der Schüler durch den Einsatz
reichen?“ Die DS La Paz hingegen ist eine sehr enthusiastische ­digitaler Medien beeinflusst?
Schule. Dort teilen sie sehr viel miteinander und experimentieren In allen drei Schulen haben wir ein hohes Engagement und eine
viel. Die Deutsche Europäische Schule Singapur war die digitalste hohe Motivation der Schülerinnen und Schüler beobachtet. Be-
Schule, fast schon post-digital. Sie hat auch schon seit Langem die sonders ist, dass sie durch die Einbindung der digitalen Medien
gesamte Infrastruktur ausgebaut. Man könnte die Atmosphäre die Möglichkeit haben, selber zu produzieren. In Boston haben sie
dort als selbstbewusste Lässigkeit beschreiben. Man denkt dort Kurzfilme gedreht, in denen sie klassische Balladen aufgeführt ha-
ben. In Singapur wurden Podcasts zum Thema Mobbing produ-
ziert, in La Paz ein Online-Quiz erstellt. Es ist eine ganz andere Art
von Lernen, wenn man etwas selbst produziert.

In der Serie „Schule 4.0“ kommen Wissenschaftler und Inwiefern spielt der kulturelle Hintergrund der Schüler eine
­Praktiker zu Wort, die sich mit dem digitalen Lernen und Rolle?
­seinen unterschiedlichen Facetten beschäftigen. Wir haben kein Gefälle zwischen den Schulen erkennen kön-
nen. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass digitale Medien ein

42 BEGEGNUNG  4-2017
AUSLAND

universelles Phänomen sind. Bei Kreativität, Kollaboration, Kom- Wie kann die Zukunft der digitalen Bildung in den Schulen
munikation und kritischem Denken gab es keine Unterschiede aussehen?
zwischen den Deutschen Auslandsschulen. Da gibt es ein paar Zündpunkte, die mit einer Öffnung der Schule
zu tun haben: Zum einen haben wir bei der Studie eine Verschie-
Was sollten Lehrkräfte beim Einsatz digitaler Medien beachten? bung von Autorität beobachtet. Zum Beispiel wird manchmal die
Die Lehrkräfte sagen selbst: Die größte Herausforderung bezie- Tafel als Projektionsfläche für das Tablet eines Schülers benutzt.
hungsweise Sorge ist der Umgang mit der Technik. Wenn die Me- Der einzelne Schüler übernimmt also die Steuerung der Tafel
dien im Klassenzimmer nicht funktionieren, verliert man Zeit. Sie selbst. Daraus entsteht eine Verflachung der Hierarchie. Es gilt
nicht mehr, dass vorne die Lehrkraft an der Tafel steht und die
Kinder das Wissen alleine aufgreifen. Der zweite Zündpunkt wäre
„Es gibt einen Stift, es gibt ein iPad und es gibt ein eine Öffnung der Schule im Sinne von fächerübergreifenden Pro-
Notebook. Man benutzt eben das, was für die zu jekten. In Singapur gibt es beispielsweise das Design Technology
bewältigende Aufgabe am naheliegendsten ist.“ Lab. Hier arbeiten die Schülerinnen und Schüler über längere Zeit
an einem Projekt. Sie recherchieren online, stellen etwas Handfes-
tes wie einen Obstkorb oder ein Schminkschränkchen mit Smart-
haben auch Sorge vor Bildschirmmüdigkeit, also dass Schülerin- phonehalter her und dokumentieren ihre Arbeit mithilfe des
nen und Schüler einfach zu lange einen oder mehrere Bildschirme Notebooks. Hier stehen nicht die einzelnen Schulfächer im Mit-
vor sich haben. Auch der etwaige Verlust von menschlichem telpunkt des Schulalltags, sondern das interdisziplinäre, projekt­
Kontakt ist ein Thema, also dass man zu viel individuell mit dem orientierte Lernen. Der dritte Punkt wäre eine Öffnung über die
Gerät macht und nicht genügend untereinander oder mit den
­Lehrpersonen kommuniziert.
„Wenn junge Kinder stundenlang vor
Einige Wissenschaftler fordern, dass man vor allem kleine dem PC sitzen und nur zugucken,
Kinder von digitalen Medien fernhalten solle. Wie ist Ihr dann ist das problematisch.“
Standpunkt?
Für mich ist die zentrale Frage nicht, ob die Medien benutzt wer-
den, sondern wie sie benutzt werden. Die gleiche Diskussion gab Schulmauern hinaus. In Singapur sind die Schüler in einen Park
es doch schon beim Fernsehen. Wenn junge Kinder stundenlang gegangen und haben mithilfe eines Programms eine interaktive
vor dem PC sitzen und nur zugucken, dann ist das problema- Karte erstellt. Dann geht das Schulleben über die Mauern hinweg.
tisch. Wenn der Unterricht interaktiv gestaltet wird und die Kin- Das gab es auch schon ohne digitale Medien, dennoch ist die Form
der selbst etwas machen, kann man auch schon im Kindesalter über die Digitalisierung neu und simpler. >
super Ergebnisse hinsichtlich Motivation,
Lernen, Kreativität und Kollaboration er-
kennen. Es kommt darauf an, wie digitale
Medien benutzt werden – das haben wir
auch in den Schulen gesehen.

War der Umgang der Schüler mit Medien


gänzlich un­­problematisch?
Es gibt eine Diskussion über „Lernen mit
Medien“ und „Lernen über Medien“. Wir
haben in diesem Fall sehr viel Lernen mit
Medien beobachtet. Die Jugendlichen ha-
ben weniger reflektiert. Zum Beispiel: Was
bedeutet Datenschutz? Was passiert mit
meinen Daten? Welche kommerziellen
Interessen stecken hinter den Medien, die
wir nutzen? Diese Kompetenz sollte auch
zur Sprache gebracht werden.

An der Deutschen Europäischen


Schule Singapur gehören digitale
Medien zum Alltag der Schüler.

BEGEGNUNG  4-2017 43
AUSLAND

Interessierte Schüler lernen erste


Schritte des Programmierens im
Science-Raum der Deutschen Inter-
nationalen Schule Boston.

Inwiefern sind die Errungenschaften der


untersuchten Schulen auf innerdeutsche
Schulen oder andere Deutsche Auslands-
schulen übertragbar?
Diese Schulen hatten zwei Voraussetzun-
gen, die sehr wichtig waren. Und ich bin
mir nicht sicher, inwiefern diese Kriterien
an anderen Schulen gegeben sind. Das eine
ist die technische Infrastruktur und perso-
nelle Unterstützung. Sie sind alle wirklich
gut ausgestattet. Die DS La Paz hat drei
IT-Kräfte in Vollzeitbeschäftigung. Die ge-
hen mindestens einmal im Monat in jeden
Raum und kontrollieren die Funktion der
Geräte. In Singapur gibt es ein Team von
EdTech-Coaches, die Mini-Workshops für die Lehrenden anbie- hier ja um Leuchtturmschulen, die bereits Preise für innovatives
ten. Die EdTech-Coaches arbeiten natürlich auch mit den Kin- Lernen gewonnen haben.
dern und betreuen die Hardware. In Deutschland sind das Sachen,
Hat das klassische Schulbuch bei all der Digitalisierung im
­Klassenzimmer überhaupt noch eine Zukunft?
Nun ja, ein Schulbuch bleibt ein Schulbuch, egal ob es digital oder
gedruckt ist. Die ersten digitalen Schulbücher waren nur einfache
PDF-Dateien. So etwas hat wenig Mehrwert, wenn man es dem
gedruckten Buch gegenüberstellt. Mittlerweile sind sie interak-
tiver aufgestellt, mit Videos und vielem mehr. Da bleibt das di-
gitale Schulbuch aber immer noch ein Schulbuch, mit einzelnen
Kapiteln und so weiter. Viele Lehrkräfte sagen, dass der logische
Aufbau, der sich am Lehrplan des ganzen Jahres orientiert, hilf-
reich ist. Wenn dann beispielsweise Videos oder Internetlinks mit
eingebaut sind, hat das auch einen Mehrwert für die Schülerinnen
und Schüler.

Wie gelingt die Förderung digitaler Bildung im deutschen


­Inland? Über Kritik am vom Bundesbildungsministerium initi-
ierten Digitalpakt informiert die App der BEGEGNUNG.

An der Deutschen Schule La Paz


werden die Lehrer und Schüler von
drei IT-Vollzeitkräften unterstützt.
Zwischen August und Dezember 2016 untersuchten Mit-
die meistens noch ein bis zwei Lehrpersonen zusätzlich erledigen arbeiterinnen des „Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut
müssen. Das sind radikal unterschiedliche Voraussetzungen. Auch für internationale Schulbuchforschung“ im Zuge des dig-
das WLAN ist in allen Schulen stark genug. Das ist in Deutschland DAS-Projekts drei Deutsche Auslandsschulen im Hinblick
noch lange nicht der Fall. auf ihren Einsatz digitaler Bildungsmedien im Schulalltag.
Die untersuchten Schulen waren Preisträger der Exzellenz-
Was ist die zweite wichtige Voraussetzung? initiative innovatives Lernen des Auswärtigen Amts. Sie zielt
Der Freiraum für die Lehrkräfte. Die Lehrkräfte in den untersuch- darauf ab, das Interesse von Schülern an einem Studium der
ten Auslandsschulen berichteten von mehr Freiraum, um Neues MINT-Fächer zu wecken. Weitere Informationen unter:
auszuprobieren. Das hat mit dem Lehrplan zu tun und auch mit digitale-medien-und-deutsche-auslandsschulen.gei.de
dem transnationalen Kontext, in dem sie arbeiten. Es handelt sich

44 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

Neues Neues www.pasch-net.de – die Website der


Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“

von PASCH-net
von PASCH-net

www.pasch-net.de – die Website der

Wettbewerbe:
Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“

rt?“
„Wie hat Deutsch dein Leben verände
: Partner der Zukunft“
2018 feiert die Initiative „Schulen
. Anlässlich des Jubi-
(PASCH) ihr zehnjähriges Bestehen
Malwettbewerb für die
läums schreibt PASCH-net einen
die Sprachniveaustu- Filmreihe:
Primarstufe und Wettbewerbe für
tbewerbe zum Thema
PASCH – Mein Ticket nach Deutschland
fen A1/A2 und B1+ aus. Die Wet
Wie ist es, in Deutschland zu studieren? Von Archi-
ndert?“ laufen bis März
„Wie hat Deutsch dein Leben verä
tektur bis Elektrotechnik, von Weimar bis Hamburg –
r anderem eine Reise
2018. Zu gewinnen gibt es unte
zehn PASCH-Alumni berichten in kurzen Filmen über
nach Berlin.
ihr Studentenleben in Deutschland an verschiedenen
www.pasch-net.de/wettbewerbe
Hochschulstandorten und mit ganz unterschiedlichen
Studiengängen.
www.pasch-net.de/mein-ticket

Filmserie:
Studieren in Deutschland
Schüler, die sich für ein Studium in Deutschland inte­
ressieren, können Katja aus St. Petersburg und Felix aus
München in vier kurzen Filmen an einer deutschen Uni
begleiten. Dabei lernen sie unterschiedliche Lehrveran-
staltungen kennen. Sie erfahren, welche Unterschiede es
zwischen einer Vorlesung, einem Tutorium, einer Übung
und einem Seminar gibt. Außerdem bekommen sie
Tipps, wie man einen Professor kontaktiert.
www.pasch-net.de/filmserie-studieren

BEGEGNUNG  4-2017 45
MELDUNGEN

Meldungen
Bildungsniveau junger Menschen gestiegen
Köln. Viele junge Menschen in Deutsch- Bildungsmobilität im Vergleich zum Vater und zur Mutter
land haben ein höheres Bildungsniveau in Prozent, Stand 2013/2014
als ihre Eltern. Das geht aus einer Studie Alter
des arbeitgebernahen Instituts der deut-
25–34 25,8 26,5
schen Wirtschaft Köln (IW) hervor. Mehr Jahre 16,2 34,8
als jeder vierte 25- bis 34-Jährige verfügte
2014 über einen höheren Abschluss als 35–44 21,6 29,1
der Vater, im Vergleich zur Mutter sind es Jahre
11,3 40,4
etwa ein Drittel. In der Altersgruppe der
35- bis 44-Jährigen weisen etwa 40 Pro- 45–54 17,9 31,3
zent einen höheren Bildungsstand auf Jahre 7,3 47,9
als die Mutter. Im Vergleich zum Vater ist
jeder Dritte ein Bildungsaufsteiger. „Ein Bildungsabsteiger gegenüber dem Vater Bildungsaufsteiger gegenüber dem Vater
Grund dafür ist, dass immer mehr junge Bildungsabsteiger gegenüber der Mutter Bildungsaufsteiger gegenüber der Mutter
Menschen studieren“, sagt IW-Bildungs- Quelle: Blossfeld et al., 2011, The German National Educational Panel Study (NEPS);
ökonom Wido Geis. Die durchschnitt- Institut der deutschen Wirtschaft Köln
liche Qualifikation der Bevölkerung in
Deutschland wird sich dennoch in den steigen wird. Die Auswertungen zeigen unter den Hochschulabsolventen sind
kommenden Jahren voraussichtlich nicht zudem, dass ein hoher Bildungsstand es nur rund sieben Prozent. Das Institut
verbessern. Durch die erhöhte Zuwande- häufig ein höheres Einkommen bedeu- nutzte für die Studie Daten des Nationalen
rung aus dem Ausland prognostizieren tet: Etwa ein Drittel der Personen ohne Bildungspanels. [PB]
die Autoren der Studie, dass der Anteil der beruflichen Abschluss zählen in Deutsch-
Niedrigqualifizierten in der Bevölkerung land zu den Einkommensschwachen, Weitere Infos unter www.iwkoeln.de

Mehr Bildung in den Maghreb-Staaten


Berlin. Mehr Jugendliche in Algerien, Nachfrage nach Studienplätzen wird der-
Marokko und Tunesien können heute le- zeit die Hochschullandschaft in allen drei
sen und schreiben. Das schreibt die Bun- Staaten ausgebaut. In vielen Fällen berech-
desregierung in ihrer Antwort auf eine tigt das „Baccalauréat“ auch zum Zugang
Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Die zu deutschen Hochschulen oder Studi-
grüne Bundestagsfraktion hatte nach der enkollegs. Mehr als 103.000 Menschen in
Entwicklung von Bildung und Wissen- Algerien, Marokko und Tunesien lernen
schaft in den Maghreb-Staaten gefragt. Deutsch, wie die Erhebung „Deutschler-
Der Alphabetisierungsgrad der Bevöl- nen weltweit“ 2015 ergab, die auf Initi-
kerung ist demnach in den vergange- ative des Auswärtigen Amts gemeinsam
nen 25 Jahren stark angestiegen. In allen mit dem Goethe-Institut, dem Deutschen
drei Ländern hat sich die Einschulungs- Akademischen Austauschdienst und der
rate auf nahezu 100 Prozent erhöht; fast Zentralstelle für das Auslandsschulwesen
alle Schüler schließen die Grundschule durchgeführt wurde. Zu den Deutschler-
ab. Der Sekundarschulabschluss „Bac- nern zählen auch die Schüler der 16 Schu-
calauréat“ wird sowohl in Algerien und len der Initiative „Schulen: Partner der
Marokko als auch in Tunesien durch zen- Zukunft“ (PASCH), die das Auswärtige Amt
trale Abschlussprüfungen erworben und ins Leben gerufen hat. Das PASCH-Netz-
ermöglicht ein Hochschulstudium im werk und mit ihm die Fortbildung von
Die Zahl jugendlicher
Analphabeten ist in den Maghreb- Heimatland. Der Hälfte der Anwärter ge- Deutschlehrkräften vor Ort soll künftig
Staaten stark gesunken. lingt der Abschluss. Wegen der großen ausgebaut werden. [HS]

46 BEGEGNUNG  4-2017
MELDUNGEN

Nur ein Prozent der Neuntklässler nutzt Computer an der Schule


München/Berlin. 73 Prozent der Neunt- orientierten Beruf auszuüben. Eine Studie Deutschland“, obwohl laut OECD ge-
klässler nutzen zu Hause fast täglich einen der OECD zeigt hingegen, dass der Anteil rade einmal 4,3 Prozent des deutschen
Computer, in der Schule geschieht dies nur der Absolventen in MINT-­Studienfächern Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus-
bei einem Prozent regelmäßig. Das ist das in der Bundesrepublik bei 37 Prozent liegt gegeben werden. Der Durchschnitt der
Ergebnis des MINT-Nachwuchsbarometers und damit so hoch wie in keinem anderen OECD-­Staaten liegt bei 5,2 Prozent. [AM]
2017, das von der Deutschen Akademie der Industriestaat. Die scheidende Bildungs-
Technikwissenschaften in Kooperation mit ministerin Johanna Wanka spricht von Weitere Informationen unter: www.
der Körber-Stiftung erstellt wird. Für die „guten Nachrichten für das Hightechland acatech.de/MINT-Nachwuchsbarometer
Metastudie werden Daten zur Entwicklung
der Fächergruppen Mathematik, Infor- Digitalkompetenzen: In Zukunft dringend erforderlich
matik, Naturwissenschaften und Technik
ausgewertet. 99 Prozent der Schüler und 99 % 89 %
knapp die Hälfte der Lehrer wünschen sich der Schüler wünschen
sich mehr Unterricht dass Medienkompetenz
demzufolge mehr Unterricht mit und über zu digitalen Themen. stärker in der Schule
digitale Geräte. Prof. Dr. Ortwin Renn, wis- vermittelt werden
senschaftlicher Leiter der Studie, mahnt: sollte.
„Digitale Kompetenzen lassen sich mit
Tafel und Kreide nur schwer aufbauen. In 87 % 71 %
Deutschland erwerben Schüler ihr digitales der Unternehmen in der Eltern sind der Ansicht,
Deutschland sind der dass digitale Medien heut-
Know-how weitgehend in der Freizeit.“ Ein Meinung, dass Digital- zutage grundlegender
weiteres Studienergebnis: Lediglich 15 Pro- kompetenz künftig Bestandteil aller Schul-
genauso wichtig sein fächer sein sollten.
zent der deutschen Schüler können sich wird wie fachliche oder
vorstellen, einen naturwissenschaftlich soziale Kompetenz. Quelle: aratech und Körber-Stiftung

Mehr Service. Mehr Hintergrund.


Mehr BEGEGNUNG.
Lesen Sie die BEGEGNUNG jetzt auch als digitales Magazin mit vielen
zusätzlichen Features auf Ihrem Tablet, Smartphone oder E-Reader.

Laden Sie einfach unsere App herunter und seien Sie noch näher dran
an der Welt der Auslandsschulen und des Bildungswesens.

Mehr Informationen unter www.auslandsschulwesen.de/e-begegnung

Holen Sie sich www.auslandsschulwesen.de


jetzt unsere App. Tel.: 0228 / 993 58 - 86 53, E-Mail: ZfA@bva.bund.de
INLAND

Studium in Deutschland

„Ein kleines Dorf“


für Schüler aus Griechenland
Seit zehn Jahren arbeitet die RWTH Aachen mit der Deutschen Schule Athen und der Deutschen Schule
­Thessaloniki zusammen. Deutsche und griechische Schüler der beiden Auslandsschulen können so den deutschen
­Hochschulalltag kennenlernen.

von Andreas Müllauer

J oanna Khouki hört sehr genau zu. Zwar


findet der Vortrag, dem die Griechin
lauscht, auf Griechisch statt. Doch immer
wieder fallen deutsche Wörter: kompli-
zierte Begriffe wie „Materialwissenschaf-
ten“, „Werkstoffverarbeitung“ oder
„Pflichtpraktikumsplatz“. Die Elftklässle-
rin der DS Athen ist eine von rund 30 stu-
dieninteressierten Schülern, die in dieser
Woche die Zentrale Studienberatung der
Rheinisch-Westfälischen Technischen
Hochschule (RWTH) in Aachen besuchen.
Joanna gefällt es hier gut: „Ich mag, dass es
sich wie ein kleines Dorf anfühlt. Wie ein
richtiger Campus.“

Griechischer Hochschulnachwuchs
Von Athen nach Aachen: Schüler
Seit zehn Jahren kooperiert die DS Athen aus Griechenland lernen das
und seit 2010 auch die DS Thessaloniki Studentenleben kennen.
mit der RWTH Aachen, der größten Uni-
versität für technische Studiengänge in auf Exkursion, die sich in der Stadt im Weg, um den internationalen Studieren-
Deutschland. Im Juni 2017 schickte die Dreiländereck unter die 60.000 Aachener dennachwuchs zu fördern, meint Biegi:
DS Athen erneut eine Gruppe Schüler Studierenden mischte. Eine Gruppe der „Wir haben als Hochschule den Anspruch,
DS  Thessaloniki war bereits drei Monate weltweit die Studierenden zu finden, die
zuvor zu Besuch gewesen. „Es kommen zu uns passen und die an der RWTH gut
seit Langem viele Griechen zum Studieren aufgehoben sind.“
Interessierte Schüler und Lehr- nach Deutschland. Da gibt es traditionell
kräfte Deutscher Auslandsschu- sehr enge Bindungen“, sagt Dr. Mandana Die Schüler der DS Athen und der DS Thes-
len informiert die RWTH Aachen Biegi, Leiterin der Zentralen Studienbera- saloniki durchlaufen bei ihrem einwöchi-
mit einem Newsletter über ihr Stu- tung der RWTH Aachen. Mit der Koope- gen Deutschlandbesuch ein intensives
dien- und Beratungsangebot sowie ration soll den Schülern der Deutschen Programm: Gespräche mit Fachstudienbe-
Bewerbung und Einschreibung. An- Auslandsschulen ein Studium in Deutsch- ratern und Studierenden, Besichtigungen
meldung unter: https://mailman. land nähergebracht werden. Vor Ort kön- der Institute und – für Biegi ganz wich-
rwth-aachen.de/mailman/listinfo/ nen sie sich aus erster Hand über die tig – Vorlesungsbesuche. Denn die jungen
auslandsschulennews dortigen Studienanforderungen informie- Erwachsenen sollen ein wirklichkeitsge-
ren. Für die RWTH ist das ein effektiver treues Bild vom Studienalltag bekommen.

48 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

mehrere Abiturienten seines Jahrgangs, in


Aachen zu studieren. „Das war total spon-
tan“, sagt er lachend. „Plötzlich waren wir
hier zu zehnt.“ Mit vielen ehemaligen Mit-
schülern ist er bis heute eng befreundet.

Charalambos Oikonomopoulos freut sich


über den Erfolg der Studienfahrten. Der
Mathematiklehrer von der DS Athen orga-
nisiert die regelmäßigen Exkursionen. „Die
RWTH ist eine Eliteuniversität“, betont
er. „Das bedeutet, dass die Lehre und die
späteren beruflichen Möglichkeiten sehr
gut sind. Man hat hier zudem einen en-
Joanna Khouki kann sich Dr. Mandana Biegi will den interna-
ein Studium in Deutschland gen Kontakt zur Industrie.“ Das technisch tionalen Studiennachwuchs an der
gut vorstellen. orientierte Studienangebot begeistert RWTH Aachen fördern.
den Lehrer: Die RWTH bietet insgesamt
34 verschiedene Bachelorstudiengänge an.
Aus jahrelanger Erfahrung weiß Biegi, dass „Die meisten Schüler sind an Natur- oder
die Abiturienten aus Griechenland oft we- Ingenieurswissenschaften interessiert“, so
niger Hintergrundwissen mitbringen als Oikonomopoulos. Der Grieche hat selbst
Schüler, die in Deutschland Abitur ma- an der Deutschen Auslandsschule seinen
chen. „Der Beratungsbedarf ist eindeutig Abschluss gemacht und unterrichtet dort
ein anderer. Man fängt viel weiter an der seit 17 Jahren. Er möchte den Horizont
Basis an.“ Einige Schüler erschraken etwa der Jugendlichen durch die Auslandser-
vor den strengen Zulassungsbeschränkun- fahrung erweitern, auch wenn sie in der
gen für das Medizinstudium an der RWTH. neuen Umgebung mit viel Ungewohn-
Das sei zwar ernüchternd, meint Biegi, tem konfrontiert sind: „Früher hat diese
aber auch der Sinn einer Studienbera- Fahrt im Wintersemester stattgefunden,
tung. Sie will eine realistische ­Perspektive da ist es sehr kalt in Deutschland. Zum Teil
vermitteln. hat es geschneit – das sind die Griechen
nicht gewohnt.“ So gehört auch das deut-
Abitur in Griechenland, Studium sche Klima zu den Alltagserfahrungen,
Nikolas Papadopoulos studiert
in Aachen die die Schüler griechischer und anderer bereits seit 2013 in Aachen.
Dass die Kooperation Früchte trägt, zeigt ­Herkunft in Aachen kennenlernen.
sich am Beispiel von Nikolas Papadopou-
los. Seit 2013 studiert der Grieche Elektro- Deutschland als Ziel Nummer eins
technik an der RWTH, davor hatte er sein Aachen wurde nicht nur wegen der Hoch-
Abitur an der DS Athen abgelegt. Er konnte schule ausgewählt, sondern auch „weil es
Aachen bereits als Schüler besuchen. eine typische, kleinere Studentenstadt ist“,
Das hat ihm die spätere Entscheidung, in erklärt Oikonomopoulos. Nächstes Jahr
Deutschland zu studieren, leicht gemacht. werden die Abiturienten eine Abschluss­
„Ich habe alle Aspekte eines Studentenle- fahrt nach Berlin unternehmen, um eine
bens hier sehen dürfen. Das fand ich toll.“ deutsche Metropole kennenzulernen.
Da er von der deutsch-­griechischen Zu- Denn neben Aachen sind auch andere
sammenarbeit profitiert hat, will er seine deutsche Standorte unter den Auslands-
Erfahrungen weitergeben. Er ist einer der schulabsolventen aus Thessaloniki und
vortragenden Studierenden in der Zen- Athen beliebt. Fast die Hälfte der Absol-
tralen Studienberatung und kennt die venten beider Schulen beginnt ein Stu-
drängendsten Fragen der jungen Leute: dium in Deutschland. Zu ihnen könnte
Wo kann ich wohnen? Wie finde ich An- auch bald Joanna Khouki zählen, die sich
Lehrer und Studienfahrtleiter
schluss? Kontakte fand Nikolas selbst un- besonders für Algorithmen interessiert. Charalambos Oikonomopoulos
ter anderem dank seiner Schulzeit. Ohne Ihr Studienwunsch: Informatik – am möchte den Horizont seiner Schüler
vorherige Absprache entschieden sich ­besten in Deutschland. erweitern.

BEGEGNUNG  4-2017 49
INLAND

Interpretationsspielraum
Bildungsstudie
Seit dem „PISA-Schock“ im Jahr 2000 ist die Bildungsforschung wieder in das Blickfeld der Politik gerückt.
Auch die Wirtschaft zeigt Interesse an Bildungsstudien. Inwiefern ist die Arbeit der Wissenschaftler von
wirtschaftlichen und politischen Einflüssen geprägt?

von Pia Behme

A nfang Mai veröffentlichte der Ak-


tionsrat Bildung das Gutachten
„Bildung 2030“. Die Ergebnisse fanden
waren tatsächlich statistisch sig­nifikant
niedrigere Kompetenzen. Während der
Medienwissenschaftler Prof. Ralf Lankau
Internationalen Grundschul-Lese-Unter-
suchung (IGLU) und TIMSS, beteiligt. So
viele habe in Deutschland noch kein an-
Aufmerksamkeit in den Medien, auch weil nun den Verzicht auf Rechner erwarten derer gemacht, sagt der Bildungsforscher.
ein Satz aus der Studie im Nachhinein kor- würde, betont der Bildungsforscher Prof. Ihren Anfang finden die meisten Studien
rigiert werden musste: Statistisch deutlich Wilfried Bos, der Fehler ändere über- laut Bos auf der Generalversammlung der
bessere Kompetenzen in Mathematik und haupt nichts an der Kernaussage des über International Association for the Evalua-
Naturwissenschaften bei Grundschülern, 200-seitigen Gutachtens. Die korrekten tion of Educational Achievement (IEA).
in deren Unterricht mindestens einmal Daten seien schon vor Jahren in anderen Hier diskutieren Wissenschaftler, wo es
wöchentlich Computer eingesetzt wurden, Studien, wie der Trends in International noch Bedarf an Studien gibt und wer ge-
Mathematics and Science Study (TIMSS), eignet ist, sie durchzuführen. „Ein inter-
veröffentlicht worden. nationales Team erstellt anschließend ein
Konzept“, so Bos. „Die IEA fragt dann bei
In der Studie wurden neben der Digitali- den IEA-Verbänden der einzelnen Länder
sierung elf weitere Entwicklungsprozesse nach, ob sie sich beteiligen möchten.“ Dort
im Hinblick auf das Bildungssystem un- wird wiederum ein nationales Konzept
tersucht, etwa Migration und Integration, entwickelt.
demografische Entwicklungen und Wer-
tewandel. Für die Berichterstattung in den „In Deutschland entscheidet die Kultus-
Medien war dennoch vornehmlich das ministerkonferenz anhand dieser Ausar-
Thema Digitalisierung relevant. „Die Schu- beitungen, ob die Daten wichtig sind und
len müssen digitaler werden“, lautete die die Studie durchgeführt werden soll“, er-
Forderung des Aktionsrats Bildung – unter klärt Bos. Falls ja, müsse man nach wei-
anderem gestützt auf die falsche Aussage. terer finanzieller Unterstützung suchen.
Lankau ist ein bekannter Kritiker der Di- „In der Regel teilen sich die KMK und
gitalisierung von Schulen. Bos ist Mitautor das Bundesministerium für Bildung und
der Studie. Ihre unterschiedlichen Ansich- ­Forschung die Kosten.“
Ralf Lankau ist Grafiker, Philologe und ten zeigen: Es gibt einen Spielraum bei der
Kunstpädagoge. Seit 2002 unterrichtet er Interpretation von Bildungsstudien. Aber Zweifel an Gemeinnützigkeit
als Professor für Mediengestaltung und wovon hängt die Tendenz der Auswertun- Wenn diese Regel nicht eintritt, finan-
Medientheorie an der Hochschule Of- gen ab: vom Forschungsschwerpunkt der zieren häufig gemeinnützige Stiftungen
fenburg, an der er auch die grafik.werk- Wissenschaftler, von den Zielen der Politik die Forschung. Prof. Ralf Lankau sieht
statt leitet. Sein Forschungsschwerpunkt oder von den Interessen der Geldgeber? bei unternehmensnahen Stiftungen, wie
ist experimentelle Medienproduktion der Bertelsmann oder der Deutsche Tele-
in Kunst, Lehre und Wissenschaft. Hier Themen und Finanzierung kom Stiftung, wirtschaftliche Interessen
untersucht er, wie man mit digitalen Wilfried Bos von der Technischen Uni- als Beweggrund. „Die Bertelsmann Stif-
­Medien künstlerisch arbeiten kann. versität Dortmund war bisher an neun tung gibt Studien in Auftrag, deren Er-
großen internationalen Studien, wie der gebnisse die Interessen von Bertelsmann

50 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

als Unternehmen bedienen“, sagt Lankau. Geschäftsbericht erwirtschaftete sie 2016 Laut der Studie „Bildung 2030“
„Statt mit der Wissenschaftsgemeinschaft einen Umsatz von 142 Millionen Euro. ­beeinflussen Themen wie Migration,
Integration, Wertewandel und
zu besprechen, wo Bedarf an Studien ist, Digitalisierung die zukünftige Ent-
gibt Bertelsmann die Themen vor.“ Im Fo- Wer so argumentiere, könne genauso gut wicklung des Bildungssystems.
kus stehe dabei die Digitalisierung der Bil- hinter Studien von nicht unternehmens-
dung, ein millionenschwerer Absatzmarkt. nahen Organisationen Wirtschaftsinteres-
sen vermuten, sagt Bos. Die Organisation
Wilfried Bos sieht das anders. Zusammen für wirtschaftliche Zusammenarbeit und werden durchaus auch im Hinblick auf
mit der Bertelsmann Stiftung hat er bei- Entwicklung (OECD), die unter anderem ökonomisches Wachstum gelesen. Prof.
spielsweise die jährlich erscheinende Stu- die PISA-Studie herausgibt, stehe für pros­ Ludger Wößmann vom Institut für Wirt-
die „Chancenspiegel“ erstellt. „Ich kann perierende Wirtschaft in den Mitglieds- schaftsforschung verwies etwa in Bezug
keinen Zusammenhang zwischen Unter- ländern. „Da kann man natürlich fragen, auf die PISA-Studie 2015 auf die Bedeu-
nehmenserfolg und einer Untersuchung ob die in den Studien gemessenen Kom- tung des Humankapitals für Deutschland:
zur Chancengerechtigkeit im Bildungswe- petenzen dazu dienen, das Humankapital „Wir Deutschen leben in der globalisier-
sen erkennen“, sagt er. Für Dr. Jörg Dräger, noch effizienter zu machen, oder ob sie ten Welt davon, dass wir eine Wissens-
Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stif- tatsächlich im Sinne des Humboldt’schen gesellschaft sind, und das Humankapital
tung, ist die Digitalisierung der Bildung Bildungsideals sind“, so der Bildungsfor- ist entscheidend für unseren künftigen
„Teil der Lösung für mehr Chancenge- scher. Nach Wilhelm von Humboldt soll ­wirtschaftlichen Erfolg.“
rechtigkeit“. Lässt sich von hier nicht eine die ganzheitliche Ausbildung in Küns-
Verbindung zum Unternehmenserfolg zie- ten und Wissenschaften den Menschen Bildungsforschung und Politik
hen? Die Bertelsmann Education Group zu einem autonomen Individuum ent- Statt ökonomischer Interessen beobach-
will mit digitalen Bildungsangeboten das falten. Die Nützlichkeit für den Arbeits- tet Wilfried Bos vielmehr einen Einfluss
„Lernen im 21. Jahrhundert“ gestalten. Laut markt gehört nicht dazu. Bildungsstudien von politischer Seite. Beispielsweise sei >

BEGEGNUNG  4-2017 51
INLAND

Interessen zum Zuge, aber das kann ich als Nur Momentaufnahmen
Leser einschätzen.“ Terhart ist Mitglied des Wissenschaftler wie Ewald Terhart verfü-
wissenschaftlichen Kuratoriums im Insti- gen sicherlich über die Kompetenz, sol-
tut zur Qualitätsentwicklung im Bildungs- che Entscheidungen für sich zu fällen
wesen (IQB). Er sieht ein wechselseitiges und bei der Interpretation von Studien
Verhältnis zwischen Bildungsforschung auch eventuelle Interessen Mitwirkender
und Politik. Einfluss würde von beiden einzukalkulieren. Ob mögliche Einflüsse
Seiten ausgeübt. „Der ‚PISA-Schock‘ 2000 jedem Leser bewusst sind, ist jedoch frag-
hat dazu beigetragen, dass die Bildungs- lich. Nicht selten sind die Erwartungen
forschung von der Politik wieder wahrge- an Bildungsstudien zudem höher als der
nommen wurde“, so der Wissenschaftler. Anspruch der Autoren. „Die Ergebnisse
„Heute besteht ein arbeitsteiliges, nicht zeigen nur Schnappschüsse des Bildungs-
immer konfliktfreies Verhältnis zwischen systems. Sie führen nicht zu unmittel-
bildungspolitischen Erwartungshaltungen baren Handlungskonsequenzen“, meint
Wilfried Bos ist Professor für Bil- einerseits und den tatsächlichen Ansätzen Ewald Terhart. Die Erklärungskraft der
dungsforschung und Qualitätssiche- und Ergebnissen der Bildungsforschung großen, ländervergleichenden Studien
rung an der Technischen Universität andererseits.“ werde überschätzt. „Das Bildungssystem
Dortmund. Als Direktor des Arbeitsbe- hat eine hohe Eigendynamik, und beson-
reichs Bildungsmonitoring und Schul- Zu hohe Erwartungen ders die Handlungsebene, die hundert-
entwicklungsforschung liegen seine Die Politik braucht operatives Wissen, die tausend Klassenzimmer, sind von außen
Schwerpunkte auf der international Forschung hat eher eine analytische Per- schwer zu steuern. Man kann von der Wis-
vergleichenden Bildungsforschung. spektive. „Das passt nicht immer zusam- senschaft nicht die Lösung aller Probleme
Er ist zudem Leiter der IGLU- und der men“, meint Terhart. Auch Bos betont die der Bildungswelt erwarten.“
TIMS-Studie für Deutschland. analytische Funktion der Wissenschaft.
„Wenn wir Ergebnisse haben, aus denen
wir Handlungsbedarf entnehmen, dann
machen wir die Politik vorsichtig dar-
auf aufmerksam. Aber die politische Be-
der Vorschlag der IEA, die Umstellung auf wertung ist Sache der entsprechenden
G8 zu evaluieren, von der Kultusminister- ­Parteien, Institutionen und Ministerien.“
konferenz abgelehnt worden. Auch habe
die KMK keine vertiefende Auswertung Wenn Wissenschaftler nur reine Daten lie-
der ICIL-Studie finanzieren wollen, die die fern, inwiefern besteht dann ein Spielraum
Medienkompetenzen von Achtklässlern zur Interpretation? Laut Lankau kommt es
international vergleicht. Stattdessen sei auf die Fragen an, die gestellt werden, und
die Deutsche Telekom Stiftung als Geld- darauf, wie die Ergebnisse präsentiert wer-
geber eingesprungen. In der Studie „Total den. „Wenn die Ausstattung mit Compu-
Digital?“ wurde untersucht, wie und wo tern an Schulen untersucht wird, sollten
Jugendliche Kompetenzen im Umgang erst mal alle auf dieselben Ergebnisse kom-
mit neuen Medien erwerben. „Dass die men“, sagt Lankau. „Bei der ICIL-Studie
Telekom Stiftung oder ihr Mutterhaus ir- 2013 hieß es dann, dass sich 11,5 Schüler
gendetwas mit neuen Medien zu tun hat, in Deutschland einen Computer teilen, in
ist eine andere Sache“, so Bos. „In diesem Norwegen aber nur 2,4. Daraus wurde ge- Als Professor für Allgemeine Didak-
Fall war die Unterstützung sehr hilfreich schlussfolgert, wir hätten zu wenig Rech- tik und Schulpädagogik lehrt Ewald
und der Anlass ein wissenschaftlicher.“ ner an den Schulen. Dabei ist das damit Terhart seit 2002 an der Westfälischen
doch noch nicht bewiesen, weil die Anzahl Wilhelms-Universität Münster. Er ist
Ewald Terhart, Professor an der Univer- der Geräte nichts über ihren Sinn im Un- Mitglied des wissenschaftlichen Kurato-
sität Münster, schätzt die Finanzierung terricht aussagt.“ Interpretieren müsse die riums im Institut zur Qualitätsentwick-
von Bildungsstudien durch unterneh- Studien jeder für sich, meint Wilfried Bos. lung im Bildungswesen in Berlin und
mensnahe Stiftungen nicht als problema- „Wenn ich ein Glas mit Wasser habe, ist sitzt in verschiedenen Studien-Beiräten,
tisch ein. „Die Stiftungen bedienen sich es die Aufgabe des Wissenschaftlers, den etwa im Beirat des Instituts für Schul-
schließlich wissenschaftlicher Expertise. Strich da zu machen, wo das Wasser ist. Ob entwicklungsforschung der Techni-
Ähnlich wie bei den Wirtschaftswissen- das Glas halb voll oder halb leer ist, muss schen Universität Dortmund.
schaften kommen zwar unterschiedliche jeder für sich entscheiden.“

52 BEGEGNUNG  4-2017
AUSLAND

In der Schule Charakter zeigen


Die German International School Toronto (GIST) hat die Persönlichkeitsbildung ihrer
Schüler zum Schwerpunkt der Schulentwicklung gemacht. Das Programm „CHARAKTER“
durchzieht den gesamten Schulalltag.

U nterricht, Hausaufgaben und Lernen


für die nächste Klassenarbeit – viel
Zeit zum Reflektieren bleibt Schülern oft
nicht. Reine Wissensvermittlung reiche
jedoch für die Entwicklung eines gefes-
tigten Charakters nicht aus, ist sich Mark
Benkelmann sicher, Leiter der GIST bis
Juli 2017. Die Deutsche Auslandsschule
stellt deshalb den Begriff „Charakter“ seit
2016 in den Mittelpunkt des Schullebens.
Ein hoher Qualitätsanspruch und Selbst-
ständigkeit, aber auch Empathie und Res­
pekt gehören zu den Eigenschaften, die
die GIST vermitteln möchte. „Viele kana-
dische Schulen legen Wert auf Persönlich-
keitsbildung, konzentrieren sich jedoch
häufig auf wenige einzelne Aspekte. Die
GIST strebt hingegen einen ganzheitlichen
Ansatz an“, erklärt Benkelmann. Er ist
überzeugt: „Charakterbildung muss sich in
allen Bereichen des Schullebens ganz sub-
Am „Pink Shirt Day“ bekennen alle
til mit dem Tagesgeschäft einschleichen: Schüler und Lehrkräfte der German
im Umgang miteinander und im Lernen.“ International School Toronto Farbe charakterstarken, wertebewussten Men-
Gemeinsam mit Vorstand und Verwaltung gegen Mobbing. schen zu unterstützen hält Benkelmann
beschloss er darum, das Thema zu einem für wichtiger denn je. Er hofft, dass die
„prägenden Teil der Schule“ zu machen. Idee vielleicht auch ins deutsche Inlands-
So diskutieren Schüler beispielsweise im schulwesen zurückstrahlt.
Lernen mit moralischem Kompass Fach Deutsch, auf welche Eigenschaften
Jeden Monat setzen sich die Kinder in das Handeln von Romanfiguren schließen Martin Stengel
Schülerversammlungen mit verschiede- lässt – und wie sie zu bewerten sind.
nen Charakterzügen auseinander. Sie füh-
ren kleine Theaterstücke auf, präsentieren Weder deutsch noch kanadisch,
eigene Ideen und drehen Videos. Zudem sondern international Die German International School
bekommen sie von der Grundschule bis Benkelmann betont, dass die GIST zwar Toronto wurde 1999 gegründet und
zur 8. Klasse monatliche Aufgaben, die eine Deutsche Auslandsschule sei, es aber ist eine von zwei Deutschen Aus-
sie persönlich herausfordern: Sie unter- nicht darum gehe, vermeintlich spezifisch landsschulen in Kanada. 2016/2017
stützen zum Beispiel ein Frauenhaus oder deutsche Eigenschaften zu vermitteln. unterrichteten 13 Lehrkräfte und
organisieren für Bedürftige Lebensmittel. Stereotype Zuschreibungen möchte er Erziehende rund 65 Kinder und Ju-
Durch selbst gebastelte Plakate in Fluren vermeiden. Vielmehr handele es sich um gendliche vom Kindergarten bis zur
und Klassenzimmern teilen sie ihre Erfah- international gültige Werte: „Schließlich 8. Klasse. Weitere Informationen zum
rungen und rufen das Thema stets in Er- müssen sich die Schüler später auf einem Programm „CHARAKTER“ unter:
innerung. Das „CHARAKTER“-Programm globalisierten Arbeitsmarkt behaupten.“ www.gistonline.ca/charakter
erstreckt sich auch auf den Unterricht. Die Kinder in ihrer Entwicklung zu

BEGEGNUNG  4-2017 53
INLAND

„Das Auslandsschulwesen war und ist ein


aufregendes Arbeitsfeld.“
27 Jahre lang war Joachim Lauer für die Zentralstelle für das Auslandsschul- unserer Arbeit, pädagogische Profis, eh-
wesen (ZfA) im Bundesverwaltungsamt tätig, die letzten 16 als ihr Leiter. renamtliche Schulträger und Politiker:
Unterstützung zu erleben, eine Reaktion
Im Interview mit Stefany Krath zieht er das Fazit einer spannenden, heraus-
auf eigene Impulse zu erfahren und mehr
fordernden und sehr intensiven Zeit. zurückzubekommen, als man eingebracht
hat. Für mich als Pädagogen ist das allem
voran die exzellente bikulturelle Ausbil-
Herr Lauer, worin lag der Reiz Ihrer lang- und internationale Politik so unmittelbar dung vieler junger Menschen, die an den
jährigen Tätigkeit für die ZfA? verzahnt sind wie bei den Auslandsschu- Auslandsschulen lernen und gelernt ha-
Es ist schon etwas Besonderes, fachliche len. Konkret bestand der Reiz für mich ben. Als Lehrer habe ich konkret erfahren,
Verantwortung übernehmen zu dürfen über 27 Jahre im Umgang mit sehr vielen was Bildung junger Menschen im Wort-
für einen zentralen Bereich der Auswärti- Menschen aus Deutschland und aus aller sinn bedeutet. Neben den Eltern bleibt
gen Kultur- und Bildungspolitik, den das Welt, großartigen Persönlichkeiten, die der Lehrer auch im digitalen Zeitalter eine
Auswärtige Amt vor fast 50 Jahren der neu an und für Auslandsschulen arbeiten und Schlüsselfigur im Bildungsprozess, und er-
gegründeten Zentralstelle übertragen hat. Verantwortung tragen, kompetente und folgreiche Biographien sind der Lohn für
Ich wüsste nicht, wo pädagogische Arbeit engagierte, hochmotivierte Unterstützer die mitunter mühsame Arbeit. Den Aus-
landslehrer faszinierte, mit welcher Selbst-
verständlichkeit Kinder und Jugendliche
lernen, sich in zwei oder mehr Sprachen
und Kulturen zu bewegen, und Begeg-
nungsbrücken bauen, die eine enorme
Tragfestigkeit haben. Auslandsschulen ha-
ben mich seitdem nicht mehr losgelassen,
und mit vielen Menschen, Lehrern und
Unterstützern aus Deutschland und vielen
anderen Ländern, mit der gleichen Mo-
tivation zusammenarbeiten zu können,
macht den besonderen Reiz der Arbeit,
auch den der reinen Verwaltungsarbeit,
in der Zentralstelle aus. Dieses Selbstver-
ständnis teilen alle ZfA-Mitarbeiter.

Welches persönliche Fazit ziehen Sie?


Auf einen Nenner gebracht: Das Auslands­
schulwesen war und ist ein aufregendes
Arbeitsfeld. Herausfordernd waren die
vielen Mitspieler, die turnusmäßig einer
Rotation unterliegen, seien es Schulleiter,
Lehrkräfte, Schulvorstände, Mitarbeiter
des Auswärtigen Amts in den Auslands-
vertretungen und in der Zentrale oder
Persönlichkeiten in der Politik. Auch
ZfA-Mitarbeiter sind über die Jahre ge-
gangen, neue sind hinzugekommen. Es
war eine reizvolle Aufgabe, bei allen ge-
hört zu werden, sie zu gewinnen, um
das Auslandsschulwesen nach vorne zu
bringen und mit einem Höchstmaß an

54 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

Verwaltungsleiterbeirat und jetzt, gerade den 90er Jahren, eine Erfolgsgeschichte, die
im Entstehen, der Beirat unserer Schulver- bis heute andauert. Ausgesprochen froh
einsvorstände. Ich hoffe, dass gerade durch bin ich darüber, dass die Partnerschulini­
diesen Beirat über die pädagogische Fach- tiative des Auswärtigen Amts, die es nun
arbeit hinaus das Qualitätsmanagement schon seit fast zehn Jahren gibt, fortgesetzt
an den Schulen weiter vorangebracht wurde, und ich hoffe, dass dies auch in den
werden und bei den 140 ehrenamtlichen kommenden Jahren der Fall sein wird. Die
Schulträgern das gemeinsame Verständnis Steigerung der Zahl ausländischer Schu-
darüber gestärkt werden kann. len, die von unseren Fachberatern bei
ihrem  ­erweiterten Deutsch­unterricht un-
Was werten Sie persönlich als Ihren terstützt werden, und damit das enorme
größten Erfolg? Anwachsen der Zahl von Schulabsol-
Noch einmal: Die ZfA hatte immer die venten weltweit, die mit dem Deutschen
Unterstützung und das Vertrauen des Sprachdiplom in Deutschland studieren
Auswärtigen Amts und der Leitung des können und wollen, beeindruckt mich
Bundesverwaltungsamts. Beides braucht nach wie vor. Durch sie hat auch un-
Einvernehmen umzusetzen. Über all die sie auch. Wie auch das Vertrauen, ja auch sere Förderung des Deutschunterrichts
Jahre vielfältige und starke Unterstützung die Leidenschaft zahlreicher Mitspieler, an Schulen neuen Schwung bekommen.
zu erfahren von den Mitarbeiterinnen und ohne die die Auslandsschularbeit nicht Und nicht zuletzt rückten mit der Grün-
Mitarbeitern in der ZfA, von der Leitung funktioniert. Über all die Jahre betrach- dung des Unterausschusses für Auswärtige
des Bundesverwaltungsamts, von den Ak- tet, lassen sich die Herausforderungen Kultur- und Bildungspolitik die Deut-
­
teuren an den Schulen, auch von Kollegen nur schwer miteinander vergleichen. Was schen Auslandsschulen noch stärker in das
und Kolleginnen der Länder, die mit uns sich wie ein roter Faden hindurchzieht, ist, Blickfeld der Politik. Wenn es über all die
im Bund-Länder-Ausschuss für schulische wie sicherlich überall, das Ringen um die Jahre gelungen ist, den Wert und die Quali-
Arbeit im Ausland (BLASchA) zusammen- Haushaltsmittel. Wie oft mussten wir mit tät unserer deutschen Auslandsschularbeit
arbeiten, dem Auswärtigen Amt (AA), in Kürzungen umgehen und sie vor unse- im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und
dessen Auftrag wir die geförderten Schu- ren Akteuren und Partnern rechtfertigen! Bildungsarbeit deutlich zu machen, und
len betreuen, bis hin zum Bundestag und Dann aber gab es auch immer wieder Pha- die Auslandsschularbeit nach wie vor
seinen Abgeordneten, die parteiübergrei- sen der Konsolidierung. So in den vergan- eine hohe Wertschätzung genießt, dann
fend das Auslandsschulwesen unterstüt- genen Jahren, als das Auslandsschulgesetz vor allem dadurch, dass es stets genügend
zen. Es waren spannende und erfüllende verabschiedet wurde und als die Gehäl- Akteure gab, die die Arbeit mit Herzblut
Jahre. ter für die Auslandslehrer endlich erhöht betrieben und vorangetrieben haben. Das
werden konnten. Gerne denke ich auch gilt nicht zuletzt für die Mitarbeiter in der
Was war Ihr letztes Projekt? zurück an den Aufbau der Lehrerentsen- ZfA. Denn als Leiter ist man immer nur so
Ein Schlussstein dieser umfassenden, kon- deprogramme in Mittel- und Osteuropa in erfolgreich wie das Team. >
sensualen Arbeit mit unterschiedlichsten
Playern war das Auslandsschul-Qualitäts-
Statement
management-Projekt: Will man unsere
Auslandsschulen auf den internationalen
Bildungsmärkten zukunftsfähig machen, Das Gesetz, das 2014 in Kraft getreten ist,
muss die pädagogische Arbeit auf höchs- schafft Planungssicherheit für Auslands-
tem Vergleichsniveau stattfinden, aber schulen, deren Finanzierung zuvor stark
auch das Management unserer Deutschen von der Haushaltslage des Bundes ab-
Auslandsschulen muss überall so profes- hängig war. Damit ist es Herrn Lauer ge-
sionell und attraktiv sein, dass es mit an- lungen, die Institution zu stärken, die für
gelsächsisch orientierten kommerziellen so viel Ansehen im Ausland sorgt und so
Bildungsanbietern mithalten kann. Das grundlegend deutsche Sprache und Kul-
gelingt nur, wenn man das unterschied- tur vermittelt wie keine andere.“
liche Know-how an unseren Schulen zu- „Mit enormem Engagement und gegen
sammenführt und allen zugänglich macht. große Widerstände hat Herr Lauer für Dr. Peter Gauweiler, ehemaliger Vorsit-
Dazu haben wir Beiräte gegründet: Schon das Auslandsschulgesetz gekämpft und zender des Unterausschusses Auswärtige
lange beraten uns Wissenschaftler in ei- es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Kultur- und Bildungspolitik im Deut-
nem Beirat und die Schulleiter im Direk- Auslandsschulwesen dadurch zu stärken. schen Bundestag
torenbeirat; neu hinzugekommen sind der

BEGEGNUNG  4-2017 55
INLAND

Würden Sie aus heutiger Sicht etwas


Statement
­anders machen?
Die ZfA wird von den vielen Akteuren und
Partnern ganz unterschiedlich gesehen. und dankbarer Erinnerung geblieben.
Wir müssen nicht selten mit Widerstän- Die vielen gemeinsamen Sitzungen im
den umgehen, die nicht so sehr sachlich Bund-Länder-Ausschuss oder anderen
als vielmehr durch die jeweils der ZfA Gremien des ASW waren darüber hi­naus
zugestandene Rolle begründet sind. Ich prägend für mein Verständnis für das
hätte mir gewünscht, dass es nachhaltiger ASW, dessen Herausforderungen und des-
gelingt, unsere Rolle als Unterstützer der sen herausragender Bedeutung für unser
schulischen Arbeit zu festigen. Denn nicht kulturelles und bildungspolitisches Anse-
selten werden konkurrierende Erwar- hen in der Welt. Über allem steht natür-
tungen an die ZfA als Schulaufsicht des „Die ZfA, das deutsche Auslandsschul- lich für mich das in dieser gemeinsamen
Bundes herangetragen, sodass es einfache wesen (ASW) als tragende Säule der Aus- Zeit erarbeitete und umgesetzte ASW-­
Lösungen kaum gibt. Vor allem Auslands- wärtigen Kultur- und Bildungspolitik Reformprojekt unter der Überschrift
schulneulinge verstehen oft nicht, dass ohne Joachim Lauer sind undenkbar. Die ‚Schulen: Partner der Zukunft‘ (PASCH).“
wir im „Biotop Auslandsschule“ moderie- tägliche enge, freundschaftliche Zusam-
rend für Ausgleich sorgen und alle Seiten menarbeit in den vier Jahren, in denen Peter Dettmar, ehemaliger Leiter des
berücksichtigen müssen. Auch im Bereich ich das Schulreferat im Auswärtigen Amt ­Referats für Deutsche Auslandsschulen,
der Förderung der deutschen Sprache im zwischen 2004 und 2008 leiten durfte, Internationale Schul-, Jugend und Sport-
Schulbereich ist es uns nicht immer ge- sind mir bis heute in besonders positiver beziehungen im Auswärtigen Amt
lungen, unsere Leistungen darzustellen, zu
überzeugen und Konkurrenzdenken abzu-
bauen. Und natürlich hat es auch hin und Partnerländer unsere Deutschprogramme serer Partner voraus. Und dabei ist der von
wieder Personalentscheidungen gegeben, in die nationalen Curricula und die schu- uns erforderliche Mitteleinsatz sehr gering.
die man heute anders treffen würde. lischen Prüfungs- und Abschlussverfahren
integrieren. Das hat mit Frankreich begon- Die Deutschen Auslandsschulen stehen
Was wünschen Sie sich für die Zukunft? nen und den Deutschunterricht dort nach- mehr denn je in Konkurrenz. Bildung ist
In der schulischen Zusammenarbeit in haltig gestärkt. Die Zusammenarbeit mit zum Geschäft geworden. Wir spüren das
Deutsch als Fremdsprache haben wir noch den Franzosen ist eine einzigartige Erfolgs- besonders in Asien, wo unglaublich viel
sehr viele Möglichkeiten, im Rahmen der geschichte und Vorbild für andere Länder. Geld im Bildungsbereich umgesetzt wird.
Partnerschulinitiative, aber auch mit den Diese Projekte sind von hoher Nachhaltig- Wir müssen unsere Schulen leistungsstark
sogenannten Länderprojekten, in denen keit und setzen ein großes Vertrauen un- halten, ohne sie zu Schulen für Geldeli-
ten zu machen. Wir müssen den Wert der
deutschen Sprache angesichts der Domi-
Statement
nanz des Englischen verdeutlichen. Das
gilt auch für Deutsch als „Amtssprache“
auf Seiten seiner Behörde für eine ange- an den Schulen. Das besondere pädagogi-
messene Sach- und Personalausstattung sche Profil der Deutschen Auslandsschu-
des DSD zu sorgen. Besonders deutlich len muss klarer herausgestellt und die
wurde das beim DSD I für den Bereich Marke „Deutsche Auslandsschule“ muss
der Erstbeschulung von Schülerin- ­sichtbarer werden.
nen und Schülern mit Migrations- und
Fluchthintergrund im Inland. Hier hat Das Auslandsschulgesetz, das der Deut-
er die Chance für das DSD gesehen und sche Bundestag verabschiedet hat, hat für
ergriffen, die sich durch das Interesse aus das Auslandsschulwesen eine historische
„Das Deutsche Sprachdiplom der Kul- Hamburg an unserem Programm eröff- Dimension. Es bildet einen in der auswär-
tusministerkonferenz (DSD) hat sich in net hatte. Das war beispielgebend für die tigen Kulturpolitik einzigartigen Rahmen
der Zeit Joachim Lauers als Leiter der ZfA Entwicklung auch in anderen Ländern.“ für nachhaltige Arbeit im Bereich der Aus-
kontinuierlich weiterentwickelt, sowohl landsschulen, die unserer Verantwortung
was die Teilnehmerzahlen als auch die Thomas Mayer, Vorsitzender des gegenüber den uns anvertrauten Schülern
Ausgestaltung des Programms angeht. ­Zentralen Ausschusses für das DSD der Rechnung trägt. Dieses Gesetz ist nicht
Dabei war es ihm immer ein Anliegen, Kultusministerkonferenz nur eine Absicherung von Haushaltsmit-
teln, sondern es beinhaltet eine besondere

56 BEGEGNUNG  4-2017
INLAND

Verpflichtung aller Akteure und der ZfA.


Statement
Das Gesetz schafft den gleichen Anspruch
für alle anerkannten Schulen. Für die
Schulen im Aufbau würde ich mir jedoch der Auslandsdienstlehrkräfte und Bun-
eine großzügigere Anschubfinanzierung desprogrammlehrkräfte nachhaltig zu
wünschen, damit sie schneller wirtschaft- verbessern, nicht lediglich in einzelnen
lich stabil werden und den Eltern attrak- Details, sondern den gesamten Zuwen-
tive pädagogische Angebote bis hin zum dungsbereich ‚aus einem Guss‘, wie er
Sekundarabschluss machen können. seine Zielsetzung zu charakterisieren
pflegte. Dies ist ihm und seinen Mit-
Und was wünschen Sie sich speziell für streitern letztendlich mit großem Erfolg
die ZfA? 2016 gelungen. Dafür gebührt Herrn
Ich wünsche mir, dass man der Zentral- „Aufgeben ist seine Sache nicht: Herr Lauer und allen Beteiligten Dank und
stelle als fachlich kompetenter Arbeitsein- Lauer hat trotz widriger Umstände mit Anerkennung.“
heit auch in Zukunft den Spielraum gibt, nicht nachlassendem Engagement über
den sie braucht, um erfolgreich für die viele Jahre hinweg das Ziel verfolgt, den Dr. Hans-Joachim Czoske, ehemaliger
Schulen zu agieren. Dies gilt auch für den Auslandsschuldienst auch finanziell at- Leiter verschiedener Deutscher Schulen
Bereich der Förderung der deutschen Spra- traktiv zu machen und die Besoldung im Ausland
che im Schulbereich. Mit dem Deutschen
Sprachdiplom der Kultusministerkonfe-
renz haben wir ein Unterrichtsprogramm, Wertschätzung erfahren, wie sie mir ent- Stellungnahmen und Statistiken viel zu
das im Ausland große Anerkennung fin- gegengebracht wurde. Die ZfA braucht das wenig gelesen. Einfach mal wieder Zeit zu
det und das sich mittlerweile auch im In- Vertrauen der Partner, um im Dienste der haben für Literatur in größerem Umfang,
land bei der sprachlichen Erstintegration Auswärtigen Kultur- und B
­ ildungspolitik das wird zumindest die kommende Win-
im schulischen Bereich großer Nachfrage wirksam zu sein. terzeit prägen. Und was das Reisen angeht,
erfreut. Es wäre schön, wenn sowohl das möchte ich neben dem Ziel den Weg glei-
Programm und seine päda­gogische Qua- Haben Sie schon Pläne für Ihre Zeit im chermaßen erfahrbar machen. Das heißt:
lität als auch die Leistungen der ZfA, die Ruhestand? umsteigen vom Flugzeug aufs Fahrrad,
das Programm erstellt, weiter­entwickelt Da ich während meiner ZfA-Zeit sehr möglichst lange noch ohne E-Unterstüt-
und den Einsatz des DSD fachlich beglei- viel unterwegs war, ist im privaten Um- zung. Grundsätzlich habe ich jedoch zu-
tet, etwas stärker wahrgenommen wür- feld vieles zu kurz gekommen. Das gilt nächst den Plan, nicht allzu viele Pläne zu
den. Ich wünsche mir zudem, dass meine nicht zuletzt für Haus und Hof, wo meine machen. Wenn etwas zeitlicher Abstand da
Nachfolgerin und das gesamte ZfA-Team Frau endlich Entlastung erwartet. In den ist, werde ich sicher meine Bedürfnisse als
auch in Zukunft von allen Partnern die letzten Jahren habe ich neben Berichten, Ruheständler genauer definieren können.

Statement

nicht immer einer Meinung und haben so Schulen‘, authentisch, überzeugend und
manche Debatte geführt, stets engagiert, unbedingt loyal. Seine aufrichtige Über-
bisweilen auch hitzig, aber klar in den zeugung hat geholfen, manche Klippe
Positionen. zu überwinden.

Auf unzähligen Podiumsdiskussionen hat Natürlich hat er auch so manchem


er die Rolle der Deutschen Auslandsschu- Schulträger die Leviten gelesen, aber
len erläutert, gewürdigt und gegenüber den das geschah immer aus Sorge um das
Schulträgern die – manchmal schwer zu Wohlergehen der Schüler und Lehrer,
„Joachim Lauer und ich haben uns vor vermittelnden – Entscheidungen der för- die Qualität und den Fortbestand der
fast 16 Jahren kennengelernt. Seitdem dernden Stellen verteidigt und begründet. Schule.“
begleiten wir gemeinsam die Deutschen
Auslandsschulen auf einem ereignis- Trotz mancher unterschiedlicher Posi­ Detlef Ernst, ­Vorstandsvorsitzender
reichen, anspruchsvollen und auch be- tionen war er in seinem Engagement für des Weltverbands Deutscher
schwerlichen Weg. Wir waren dabei die Deutschen Auslandsschulen, ‚seine Auslandsschulen

BEGEGNUNG  4-2017 57
MELDUNGEN

Meldungen
Die Schüler der DS New Delhi interviewten
auch die „Self Employed Women ­Association“,
die Textil­arbeiterinnen hilft, ihre Ware ohne
Zwischenhändler für e­ inen höheren Profit an
größere Firmen zu verkaufen.

keinen Zugang zu Bildung. Diese gesell-


schaftliche Diskrepanz thematisierten die
Achtklässler in einem kurzen Dokumen-
tarfilm, den sie mithilfe des Journalisten
Stefan Mauer von der Deutschen Presse-
agentur drehten. „Die Interviews mit den
Frauen der Organisationen sind sehr gut
Achtklässler drehen Dokumentarfilm verlaufen und wir haben viele interes-
sante Sachen in Erfahrung gebracht“, so
Neu-Delhi. In einem Schulprojekt haben Women Association“ und der Gesellschaft die Schüler Elaine Wuttke und Laurenz
sich Achtklässler der Deutschen Schule für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Weber. Das Projekt zum Thema „Gen-
New Delhi mit der gesellschaftlichen Stel- Sie fanden heraus, dass viele Frauen in In- der“ wurde in den Fächern Deutsch und
lung indischer Frauen beschäftigt. Um dien berufstätig sind und ein modernes ­Erdkunde ­durchgeführt. [PB]
einen Eindruck von der Situation der Leben führen. Doch besonders in länd-
Frauen zu erhalten, sprachen die Schüler lichen Regionen gelten sie weiterhin als Weitere Infos unter:
mit den Organisationen „Self Employed nachrangiges Familienmitglied und haben www.dsnd.de/unsere-schule

Schüler der Deutschen Botschaftsschule Peking überzeugt Jury


Ingelheim. Kai Jan Schmidt-Brauns von der Deutschen Bot-
schaftsschule Peking gewann beim Landeswettbewerb Rheinland-­
Pfalz „Schüler experimentieren“ in der Sparte Physik den ersten
Platz. Der Wettbewerb ist die Juniorensparte von „Jugend forscht“.
Der Neuntklässler konnte sich beim Wettbewerb in Ingelheim am
27. und 28. April gegen zehn konkurrierende Schüler und Schüler-
gruppen durchsetzen. In seinem Projekt „Relais – ­weder geöffnet
noch geschlossen“ führte er einen dritten Zustand in einer elekt-
rischen Schaltvorrichtung herbei. Seine Fertigkeiten in Mechanik,
Elektronik und Programmierung beeindruckten die Jury: „Kai Jan
Schmidt-Brauns beweist mit seinem Projekt eine sehr hohe Fach-
kompetenz und verbindet dabei viele Teildisziplinen. Die Kombi-
nation aus Physik, Informatik, 3D-Druck und Steuerungstechnik
hat die Jury überzeugt.“ Der Preis ist mit 250 Euro dotiert. [AM]

Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Deutschen


Botschaftsschule Peking unter: www.dspeking.cn

Setzte sich mit seinem Jugend-forscht-Projekt im Bereich


Physik als Landessieger durch: Kai Jan Schmidt-Brauns von
der Deutschen Botschaftsschule Peking.

58 BEGEGNUNG  4-2017
PERSONALIA

Personalia
AA Guido Kemmerling ist seit Anfang September 2017 Leiter des Referats Deutsche Auslandsschulen und Inter-
nationale Sportförderung im Auswärtigen Amt (AA) in Berlin. 1986 trat er in das Auswärtige Amt ein. Nach Aus-
landsposten in Abidjan, Seoul, Genf und Wien befasste er sich von 2010 bis 2016 mit der Förderung deutschen
Personals und der deutschen Sprache in den EU-Institutionen – zunächst an der Ständigen Vertretung Deutsch-
lands bei der EU und anschließend in der Europaabteilung des Auswärtigen Amts. 2016/2017 organisierte er als
Leiter eines Arbeitsstabs das Jahresforum der EU-Ostseestrategie, das Mitte Juni im Auswärtigen Amt stattfand.

Oliver Schramm leitete von August 2014 bis August 2017 das Referat Deutsche Auslandsschulen und Interna-
tionale Sportförderung im Auswärtigen Amt in Berlin. Davor war er Ständiger Vertreter und Leiter Wirtschaft an
der Deutschen Botschaft Lima. Dort kam er beispielsweise über die Arbeit mit dem Berufsbildungszentrum der
Deutschen Schule Lima eng in Berührung mit der deutschen Auslandsschularbeit, die er aus seinen vorigen Aus-
landstätigkeiten in Seoul und Rom schon kennen- und schätzen gelernt hatte. Der Diplom-Volkswirt begann 1991
seine Ausbildung beim 46. Attaché-Lehrgang, dem ersten gesamtdeutschen Diplomatenjahrgang des AA. Weitere
Stationen neben den Zentralen in Bonn und Berlin sowie einem Masterstudium in Harvard waren das Bundes-
kanzleramt sowie Seoul, Washington und Rom. Sein neuer Posten führt Oliver Schramm nach London, wo er die
Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft leitet.

Schreibtischwechsel
Argentinien Nach einer „äußerst interessanten und unglaublich intensiven Zeit“ an der Deutschen Schule Villa Ballester
hat sich Sebastian Schimmer Ende Juli 2017 nach Deutschland verabschiedet. Der Lehrer für Biologie und Ge-
schichte war in Argentinien unter anderem als Koordinator für das Pädagogische Qualitätsmanagement sowie
den Deutschsprachigen Fachunterricht zuständig. Seine neue Tätigkeit führt ihn ans Schönbuch-Gymnasium
­Holzgerlingen
­ in Baden-Württemberg.

Frankreich Im August hat Thomas Seidl seine neue Stellung als Leiter der Deutschen Abteilung am Deutsch-Französischen
Gymnasium Buc angetreten. Damit kehrte der vormalige Seminarlehrer und Fachreferent Geografie der regiona-
len Schulaufsicht zu seinen Wurzeln zurück: Bereits von 1994 bis 1999 unterrichtete Thomas Seidl als Auslands-
dienstlehrkraft für Deutsch und Geografie in Buc. „Ich gehe zurück, um meine Erfahrung aus verschiedensten
schulischen Bereichen in das deutsch-französische Projekt einzubringen“, erklärt er. Bis vor Kurzem war Seidl als
stellvertretender Schulleiter am bayerischen Gymnasium Stein beschäftigt.

Kanada Zum 15. August hat Elke Rühl als Fachberaterin nach Toronto gewechselt. Frühere Auslandsaufenthalte führten
die Gymnasiallehrerin mit den Fächern Englisch und Deutsch als Lektorin des Deutschen Akademischen Aus-
tauschdienstes nach Exeter in Großbritannien sowie als Fachberaterin für Deutsch ins US-amerikanische Portland.
Rühl war als Personalrätin bei der Bezirksregierung Köln tätig und hat als Regionalbeauftragte der Zentralstelle
für das Auslandsschulwesen (ZfA) von 2012 bis 2016 die Deutschen Auslandsschulen in Afrika und der Türkei
betreut. Im letzten Jahr unterstützte sie die Arbeit des Fachbereichs ZfA 3 (Deutsches Sprachdiplom/Fachbera-
terbetreuung).

Friedrich Broeckelmann, Fachberater für Kanada Ost, verabschiedet sich ab Oktober in den Ruhestand. Seit 2009
betreute er in Toronto nicht nur das DSD-Programm, sondern auch Schülertheater und -kabarett. Schon zuvor
war er im Auslandsschulwesen tätig, unter anderem als Fachbereichsleiter für Deutsch an der Deutschen Schule
Washington D.C. und im Auslandsschulreferat des Sekretariats der Kultusministerkonferenz. Dabei hat er viel über
die deutsche Kultur gelernt: „Mit fremden Augen sieht man besser auf das eigene Land“, ist der Lehrer für Deutsch
und Sozialwissenschaften überzeugt. Ganz zur Ruhe setzen wird er sich nicht – nach seiner Pensionierung möchte
Broeckelmann die Auslandsschularbeit weiter unterstützen.

Polen Jörg Frobieter hat nach fünf Jahren seine Position als Schulleiter an der Willy-Brandt-Schule in Warschau verlas-
sen, um sich am Gymnasium Schenefeld in Schleswig-Holstein neuen Leitungsaufgaben zu stellen. Sein Interesse
an der polnischen Kultur wurde 1995 bei einem vierjährigen Einsatz als Bundesprogrammlehrkraft in Elbing (Elb-
ląg) geweckt. 2012 wechselte er von Hamburg erneut nach Polen, diesmal in die Hauptstadt. In der Retroperspek-
tive ist der Schulleiter dankbar für „vielfältige Aufgaben mit sehr unterschiedlichen Anforderungen“. Von seinen
Erfahrungen im Ausland habe er profitiert: „Ein Blick über die Grenze ist immer auch ein Blick über den eigenen
Tellerrand.“

Neue Leiterin der Willy-Brandt-Schule in Warschau ist Mechthilde Hinsberger-Boguski, die dort ganz im Sinne
des Namensgebers „den deutsch-polnischen Dialog voranbringen“ möchte. Bisher engagierte sie sich als Fach-
beraterin für Französisch am Regierungspräsidium Tübingen, wo sie unter anderem Fortbildungen leitete und
konzipierte, Examensprüfungen und Lehrproben abnahm und für das Landesinstitut für Schulentwicklung Ar-
beitsmaterialien erstellte. Zudem unterrichtete die Lehrerin Latein, Griechisch und Französisch am Evangelischen
Seminar Blaubeuren. Im Rahmen ihres Studiums absolvierte sie eine Sprachassistenz in Nantes und schloss an der
dortigen Universität mit dem französischen Abschluss Maîtrise ab.

BEGEGNUNG  4-2017 59
PERSONALIA

Polen Die seit mehr als 20 Jahren mit dem deutschen Auslandsschulwesen verbundene Dorothea Burdzik, zuletzt
Fachberaterin/Koordinatorin in Breslau, ging im August in Pension. 1996 nahm die Lehrerin für Mathematik, In-
formatik und Russisch eine Stelle als Fachschaftsberaterin im polnischen Oppeln (Opole) an. Sie bereute ihre
Entscheidung nie: „Viele Lehrkräfte wechseln ihr ganzes Berufsleben lang nicht ihre Schule, was sehr schade ist,
da sie gerade im Ausland eine völlig neue Perspektive auf ihre Heimat bekommen.“ Später war Burdzik als ZfA-­
Fachberaterin/Koordinatorin neben Oppeln auch in Warschau tätig. Sie möchte sich künftig ehrenamtlich in der
Betreuung von Flüchtlingen engagieren.

Serbien Dr. Boris Menrath, bisheriger Leiter des Regionalbüros Südosteuropa und Fachberater für Deutsch in Belgrad,
befindet sich seit August im Ruhestand. 28 Jahre lang war er für die ZfA tätig. Seinen ersten Auslandsdienst ab-
solvierte der Sonderpädagoge in den 80er Jahren an der DS Mexiko-Stadt. Von 2001 bis 2006 zog es ihn erneut
nach Lateinamerika, diesmal als Fachberater in Buenos Aires. Nach seiner Rückkehr übernahm er die Leitung
des DSD-Bereichs bis zu seiner Vermittlung nach Serbien im Jahr 2010. Dem Magazin BEGEGNUNG bleibt Boris
­Menrath nach seiner Pensionierung noch ein weiteres Jahr als Herausgeber erhalten.

Taiwan Neuer Schulleiter der Deutschen Schule Taipei ist seit August Roland Heinmüller. Bis dato war der Deutsch-,
Englisch- und DaF-Lehrer am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Leverkusen tätig. Dort verantwortete er neben
dem Fachvorsitz Deutsch auch die Koordination des International Baccalaureate (IB). Auslandserfahrung sam-
melte Heinmüller bereits als Oberstufenlehrer und IB-Koordinator an der Deutschen Europäischen Schule Manila.
Die Zeit auf den Philippinen bestärkte ihn in seiner Entscheidung, nach Taipei zu gehen: „Ich habe meinen letzten
Auslandsaufenthalt in bester Erinnerung und vermisse das Leben unter Globalisierungsnomaden.“

Ungarn Judith Nitsch ist seit August neue Schulleiterin der Deutschen Schule Budapest. Die bisherige stellvertretende
Schulleiterin des Gymnasiums Tutzing in Bayern hat während ihres Studiums als Fremdsprachenassistentin in
England und Frankreich erste Lehrerfahrungen im Ausland gesammelt. In dieser Zeit war es Nitsch möglich, ihre
Fächerkombination Englisch und Französisch einem Praxistest zu unterziehen und mit den dortigen Kulturen in
Dialog zu treten.

Meldungen
VERA 3-Ergebnisse: Nachholbedarf in Mathe und Deutsch
Berlin. Berliner Schüler haben Defizite in Mathe und Deutsch. Vierten war das Verstehen einfacher Texte zu schwer. Immerhin
Das zeigen die Testergebnisse der Vergleichsarbeiten in der drit- 60 Prozent entsprachen beim Lesen und Zuhören dem geforder-
ten Jahrgangsstufe der Grundschule (VERA 3) für das Schuljahr ten Bildungsniveau oder übertrafen die Erwartungen. An den
2015/2016. Jeder dritte Schüler erreichte bei einfachen Rechen- Berliner Tests nahmen fast 28.000 Schüler aus 435 Schulen teil.
vorgängen und beim Lesen den Mindeststandard nicht; für jeden VERA 3 ist Teil des Bildungsmonitorings der Kultusministerkon-
ferenz und untersucht die Lernstände der Drittklässler in Mathe
Ergebnisse Deutsch – Lesen und Deutsch. Neben Berlin veröffentlicht lediglich Brandenburg
Kompetenzstufen (KS) der Berliner Drittklässler von die Testergebnisse. Dort schnitten die Schüler im Rechnen ähn-
I = Mindestanforderungen nicht erfüllt bis V = Erwartungen lich ab, beim Lesen waren die Brandenburger etwas besser. Ob
weit übertroffen
die Ergebnisse auch im nächsten Jahr wieder veröffentlicht wer-
100 % den, wird derzeit in beiden Bundesländern diskutiert. Berlin
11 % überlegt, die Tests wegen des hohen Niveaus in die 4. Klasse zu
schieben. Eine umstrittene Entscheidung, wie die Vorsitzende
80 % 25 % 23 % 12 %
28 % des CDU-­Landesfachausschusses Bildung, Katrin Schultze-Bernd,
32 %
15 % in der „Berliner Zeitung“ äußert: „Anstatt eine große Sprachlern-
60 % 18 %
18 % 19 % Offensive in Kita und 1. Klassen zu starten, lässt sich der Senat ein
15 % 21 % 16 % Jahr länger Zeit, die Kinder auf den Standard zu bringen.“ [HS]
15 %
40 % 16 %
14 % 16 %
13 % 13 % Die Studie kann unter www.isq-bb.de unter dem Reiter „VERA“
20 % 12 % heruntergeladen werden.

0% 28 % 31 % 25 % 20 % 45 % KS I KS II KS III KS IV KS V
gesamt Jungen Mädchen Deutsch Andere Quelle: Vergleichsarbeiten in der Jahrgangsstufe 3 im Schuljahr 2015/16,
Geschlecht Verkehrssprache ­Landesbericht Berlin

60 BEGEGNUNG  4-2017
PERSONALIA

Ungarn Nach jahrelangem Engagement für die Audi Hungaria Schule Györ hat der bisherige Schulleiter Helmut Seiler
Ende Juli seine Pension angetreten. In der Vergangenheit hat sich der Lehrer für Mathematik, Physik und Informa-
tik unter anderem als Leiter des Ungarndeutschen Bildungszentrums in Baja sowie als Schulkoordinator für Mittel-
und Osteuropa betätigt. Den Standort Ungarn behält er aufgrund der „deutschfreundlichen Einstellung seitens
der Regierung und der Entscheidungsträger“ und des „großen Interesses an gemeinsamen deutsch-ungarischen
Projekten im schulischen Bereich“ in positiver Erinnerung.

Vietnam Dr. Jörg Helmke ist seit August Fachberater/Koordinator in Hanoi. Der Lehrer für Spanisch, Wirtschaft und Theory
of Knowledge war zuletzt am Bremer Hermann-Böse-Gymnasium als IB-Koordinator und Fachbereichsleiter
„Bilingualer Unterricht“ tätig. Mit fremden Kulturen kam der Oberstudienrat schon früh in Kontakt. Als Kind
verbrachte er drei Jahre in Tansania, ferner absolvierte er ein Highschooljahr im Ausland. Im Rahmen seiner Dis-
sertation forschte Dr. Helmke als Stipendiat der mexikanischen Forschungsgemeinschaft CONACYT in Mexiko-
Stadt und Zacatecas. Für den Auslandsdienst hat er sich entschieden, weil „ich weiß, wie bereichernd und prägend
interkulturelle Begegnungen für alle Beteiligten sind und weil mich eine große Neugier und Begeisterung für
andere Menschen und Kulturen antreibt.“

Impressum
Herausgeber Sportförderung; Dr. Boris Menrath, ehemaliger Lei- S. 45 o. und u. r. PASCH-net; S. 45 u. l. Goethe-Institut;
Dr. Boris Menrath (v.i.S.d.P.) im Auftrag des ter des ZfA-Regionalbüros Südosteuropa S. 46 i­stock©piccaya; S. 47 (Personen) iStock©enot-
Auswärtigen Amts, Berlin, und des Bundes-
­ maks; S. 50 Dan Curticapean; S. 51 istock©SolStock;
verwaltungsamts, Köln – Zentralstelle für das Wissenschaftlicher Beirat der ZfA S.  52 o. Institut für Schulentwicklungsforschung
­Auslandsschulwesen (ZfA) Vorsitzender: Prof. Dr. Hermann Funk (IFS) der TU Dortmund; S. 52 u. WWU/Peter Grewer;
E-Mail: boris.menrath@t-online.de E-Mail: hermann.funk@uni-jena.de S.  53 German International School Toronto; S.  54
www.auslandsschulwesen.de ­Michael Schröter, Much, www.tueschenbonnen.de;
www.facebook.com/auslandsschulwesen Gestalterisches Konzept, Layout & Satz S. 55 o. ZfA/Bettina Meyer-Engling; S. 55 u. Dr. Peter
Wolf & Gäbelein GmbH Gauweiler; S. 56 o. Deutsche Botschaft Minsk; S. 57
Koordination Lichtstr. 49, 50825 Köln u. DS Shanghai/PR; S. 58 o. DS New Delhi; S.  58 u.
Bettina Meyer-Engling (ZfA) E-Mail: agentur@wolfgaebelein.de Deutsche Botschaftsschule Peking; S. 59 Personalia:
www.wolfgaebelein.de Auswärtiges Amt; S.  59–60 (Schreibtischwechsel)
Redaktionelles Konzept privat; S.  60 (Menrath) die-­journalisten.de; S. 61 o.
die-journalisten.de GmbH Art Direction, Layout (Seiler) DS Audi Hungaria Györ; S. 61 o. (Helmke)
Maarweg 139, 50933 Köln Christiane G. Schmidt, Anne Böhm ZfA/Bettina Meyer-Engling; S. 61 u. shutterstock
E-Mail: redaktion@die-journalisten.de ©Oleg Kozlov
www.die-journalisten.de Korrektorat
Diethelm Kaminski, Kirsten Skacel Gesamtherstellung und Druck
Chefredakteurin Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG
Stefany Krath [SK] Bildnachweis Sontraer Str. 6, 60386 Frankfurt am Main
Titelbild, S.  22 photocase©misterQM; S.  6–8 Max E-Mail: hans-juergen.ehrhardt@zarbock.de
Leitende Redakteurin Lautenschläger; S.  9 o. Bundesregierung/Steffen www.zarbock.de
Johanna Böttges [JB] Kugler; S. 10 DPhV; S. 11 o. BLLV; S. 11 u. DL; S. 12 Kay
Herschelmann; S. 14 o. Año Dual Alemania-México Rechtlicher Hinweis
Redaktion 2016–2017; S.  14 u. GES Sportfoto; S.  17–18 Dirk Beiträge von Gastautoren geben nicht in jedem
Pia Behme [PB], Andreas Müllauer [AM], Heike Enters/ZfA; S.  19 o. Eva Zick; S.  19 u. Deutsche Be- Fall die Meinung der Herausgeber wieder. Die Re-
Schmickler [HS], Benedikt Schmitz [BS], Anna Peter- rufsschule des Colégio Humboldt; S. 20 DS Lima, S. 20 daktion behält sich das Recht vor, Fremd­beiträge
sen [AP], Carolina Philipps [CP], Martin Stengel [MS], (Checkliste), S.  47 (Smartphone, Computer, Person ­redaktionell zu bearbeiten.
Sotirios Tersudis [ST] am Flipchart) i­Stock©fonikum; S.  24 o. Scholz­foto;
S. 24 M., 37 u., 56 u., 57 o., 62 privat; S. 24 u. Alexandre Die BEGEGNUNG enthält Verknüpfungen zu
Gastautoren dieser Ausgabe Duchêne; S. 26–27 s.miegel; S. 28 Maren Stuch; S. 29 Web­sites Dritter. Für die Inhalte ist der jeweilige
Diana Dehelean FKPH; S. 30 Judith Weyer/ZfA; S. 33 u. istock©track5; Anbieter der verlinkten Website verantwortlich.
S. 34–35 Aaron Wernli; S. 36 istock©canebisca; S. 37 o. Rechts­widrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der
Redaktioneller Beirat Annelie Bortolotti; S. 37 M. Gymnasium Walther von Verlinkung nicht erkennbar.
Yvonne Büscher, Sekretariat der Ständigen Konfe- der Vogelweide Bozen; S. 39, 48–49 die-­journalisten.
renz der Kultusminister der Länder, Referat Aus- de GmbH; S. 40 WDA/Jan Michalko; S. 41 o. istock© Im Magazin BEGEGNUNG wird die männliche
landsschulen; N. N., Auswärtiges Amt, Referat 605, Goodluz; S. 42–43 Georg-­Eckert-Institut; S. 44 o. Ger- Form stets generisch gebraucht und bezieht folglich
Deutsche Auslandsschulen und Internationale man International School Boston; S. 44 u. DS La Paz; die weibliche Form mit ein.

BEGEGNUNG
DEUTSCHE SCHULISCHE ARBEIT IM AUSLAND
1-2018
39. Jahrgang

Vorschau Lernen = Bildung?

Die BEGEGNUNG 1-2018 mit dem Schwerpunktthema


­„Lernen = Bildung?“ erscheint im Februar 2018.

BEGEGNUNG  4-2017 61
KOLUMNE

Die Gewinnerin der Schülerkolumne „Mehrsprachigkeit“

Zwischen den Schallplatten


A nspruchsvolle Formen. Schwarze Muster auf dem Schnee-
weiß des Blattes. Geheimnisvolle Bedeutungen einer
­unbekannten Sprache.

Das kleine Mädchen hatte in der Schule eine fantastische Entde-


ckung gemacht: das anlockende Alphabet einer fremden Sprache!
Sobald es von seiner Großmutter abgeholt wurde, stieß die Frage
mit unvorhersehbarer Kraft heraus: „Was für eine Sprache ist das,
Oma?“ - „Das ist Russisch, Kleine.“ „Ich möchte, dass du mir Rus-
sisch beibringst, Oma.“ Die Antwort fiel abrupt und durchschnitt
dem Mädchen den Faden der Begeisterung wie ein Fallbeil: „Ich
kann kein Russisch und habe es niemals gekonnt!“

Ein paar Monate später fand das Mädchen die Antwort auf ihre
immer noch brennende Frage. Plötzlich standen diese Zeichen
wieder vor ihren Augen, versteckt zwischen Hunderten von Diana erhielt ihren Namen vor 18 Jahren als Erinnerung an die
Schallplatten. Und beschrieben den berühmten Святослав Рихтер, römische Göttin, Schützerin der Tiere, der Natur und des Mon-
Swjatoslaw Richter, der das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky des. Aus Dianas Sicht reist ihre freie Seele durch Zeit und Raum.
spielte. Was für ein Wunder! Das kleine Mädchen blieb ein paar Dadurch vereint sie Ideen und Gefühle, die sie durch die Be-
Tage neben dem Grammophon sitzen und vertiefte sich in die gegnung mit unterschiedlichen Menschen und Kulturen, Aus-
schönen rundlichen Buchstaben. Wer hätte erwartet, dass Richter drucksformen und Künsten entwickelt hat. Es gibt aber ein paar
ein ausgezeichneter Russischlehrer sein würde? Dinge, die sie immer bei sich hat: die Liebe für ihre Familie und
einen Plüschhund.
Viele Jahre vergingen, bis das Mädchen verstand, dass Worte die
vielleicht stärksten Waffen sind, welche im Laufe der Zeit dem
menschlichen Verstand gedient haben. Mit Worten haben Men- wurde im Laufe der Zeit von vielen Regierungen ausgenutzt. Die
schen neue Welten aufgebaut oder Leben vernichtet. Das Mäd- Angst um die Identität hat sich durch Propaganda oft in Xenopho-
chen konnte nun die Weigerung seiner Großmutter verstehen, bie und Hass umgewandelt und zu undenkbaren Katastrophen
nach dem Zweiten Weltkrieg Russisch zu lernen. Damals war es geführt.
eine mutige Tat der Rebellion gewesen. Dagegen hatten diejeni-
gen, die Russisch lernten, die Möglichkeit, in Moskau zu studieren Ich bin überzeugt, dass die Offenheit, andere Sprachen kennenzu-
und Karriere zu machen … lernen, von riesiger Wichtigkeit ist. Eine unwissende Gesellschaft
wird leicht zum Ziel der Manipulation, während eine Gruppe mit
Letztendlich muss man sich entscheiden: Man wählt entweder vielfältigen Erfahrungen, Mehrsprachigkeit und Multikulturalität
einen Himmel der verschlossenen Luftballons oder einen freien sich der eigenen Stärken bedienen kann.
Himmel als Agora aller bunten Vögel. Ich stehe, wie das kleine
Mädchen, für die zweite Möglichkeit. Ich glaube, dass die Mehr- Das kleine Mädchen hat übrigens in Berlin ein zweites Zuhause
sprachigkeit ein unermessliches Weltkulturerbe ist und für das gefunden und wurde eine berühmte Sprachwissenschaftlerin
Zusammenschweißen unterschiedlicher Menschengruppen steht. für Russisch und Hebräisch. Tschaikowskys Konzerte hat sie für
Auf der anderen Seite befindet sich die Angst der Menschen, ihre ­immer in ihr Herz geschlossen.
Ahnensprache in einer globalisierten Welt zu verlieren: „Ohne
meine Sprache kann ich nicht mehr ich sein!“ Dieses Gefühl von Diana Dehelean
11. Klasse, Nikolaus-Lenau-Lyzeum, Temeswar, Rumänien

Auch für das Heft 2-2018 freuen wir uns auf die Einsendung
von Schülerkolumnen, diesmal zum Thema Schule & Ge- Drei weitere ausgewählte Kolumnen, einen Cartoon und ein
sundheit. Einsendeschluss ist der 1. Februar 2018. ­Video bietet die kostenlose App der BEGEGNUNG:
www.auslandsschulwesen.de/E-BEGEGNUNG

62 BEGEGNUNG  4-2017
1800 SCHULEN –
1 ADRESSE!

WWW.PASCH-NET.DE
DAS NETZWERK FÜR DEUTSCHLERNENDE*
Die Initiative „Schulen: Für Schülerinnen und Schüler Für Lehrerinnen und Lehrer
Partner der Zukunft“ (PASCH)
weltweit • Lesetexte auf verschiedenen • Materialien für den DaF-
Sprachniveaustufen Unterricht
• Interaktive Weltkarte und • Deutsch lernen in der • Online-Fortbildungen
Porträts von PASCH-Schulen Community • Virtuelle Kurs- und Arbeits-
• Informationen zu PASCH- • PASCH-Global: die Online- räume auf der PASCH-
Projekten weltweit Schülerzeitung Lernplattform
• Aktuelles aus der PASCH-Welt • Austauschprojekte und Wett- • Länderübergreifende
• Blogs und Reportagen aus bewerbe Vernetzungsprojekte
verschiedenen Weltregionen • Tipps zum Studium in • Austausch in der Community
• Schulpartnerbörse Deutschland

JETZT MITMACHEN!
* Die Website der PASCH-Initiative vernetzt weltweit rund 1.800 Schulen, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat.

• Präsentationsplattform
In Zusammenarbeit mit:
• Austauschprojekte
• Deutschlernangebote
• Kooperatives Lernen
• Unterrichtsmaterial
Aus Hamburg in die Welt
Ihr Lieferant für Deutsche Schulen im Ausland.

Unsere Kunden in Deutschland


und der ganzen Welt
• Kindergärten
• Schulen
• Universitäten
• Bibliotheken
• Kultureinrichtungen
• Buchhändler
• Sprachschulen
• Zentralstelle für das Auslandsschulwesen

Unser Sortiment
umfasst Schulbücher, Bibliotheksbücher und Lehrmittel aller
Verlage und Lehrmittelhersteller und deckt den kompletten
Bedarf Internationaler Bildungseinrichtungen in allen
Lehrbereichen ab.

Bücher • Leh
rm
Einrichtungsg ittel • Möbel
Möbel und
egenstände
Einrichtungsgegenstände für
• Klassenräume und Lehrerzimmer
• Verwaltungsräume
• Kindergärten
• Bibliotheken und Turnhallen
• Aulen und Hörsäle
• Computerräume und Mensen
• Naturwissenschaftliche Unterrichtsräume

Unser Service übernimmt für Sie


– Die Kommunikation mit allen Verlagen und Herstellern
– Die Sortierung der Waren nach Ihren Wünschen
– Den Versand aller Waren in einer einzigen Sendung
– Auf Wunsch die Lieferung der Waren direkt an Ihre Schule
– Bequeme Nachlieferungen auf dem schnellsten Weg

Bitte forden Sie uns zu einem kostenlosen Vergleichs-


angebot auf, wir erstellen Ihnen gerne eine Offerte.
Alles aus eine
r Hand

Rahlau 4-6 • D-22045 Hamburg • Telefon +49 - 40 - 44 15 55 • Fax +49 - 40 - 44 63 45


info@schul-knickmann.de • www.schul-knickmann.de • www.buch-knickmann.de

Das könnte Ihnen auch gefallen