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Fenstersturz in Prag
Am Vormittag des 23. Mai 1618 drängte eine beständig
wachsende Men schenmenge durch das Zentrum von Prag;
sie zog vom Karolinum, wo sich die Vertreter der Stände
versammelt hatten, zum Hradschin, zur Burg, wo die
Statthalter des Kaisers residierten. Die kaiserlichen Beamten
sollten zur Rede gestellt und gefragt werden, weshalb sie die
Ständeversammlung des böhmischen Adels und der Städte
nun schon zum zweiten Mal hatten verbieten lassen und wer
für den, wie die Ständevertreter meinten, rüden Ton des
kaiserlichen Verbotsschreibens verantwortlich sei. [1]
Manche der in Richtung Burg Drängenden meinten, das
Schreiben sei überhaupt nicht in Wien, sondern in Prag
verfasst worden, und man glaubte aus ihm die Auffassung
einiger Standesgenossen herauszuhören, die der
katholischen Gegenreformation eng verbunden waren, vor
allem die des Jaroslaw von Martinitz und des Wilhelm
Slawata. Auch machten in der Menge Gerüchte die Runde,
denen zufolge die kaiserlichen Statthalter einen Anschlag
auf die Ständeversammlung planten, um ein «absolutes
Dominat» der Habsburger in Böhmen durchzusetzen.
Dagegen wollte man sich wehren.
An der Spitze des Zuges marschierten Joachim Andreas
von Schlick, der Führer des böhmischen Adels, ein
Lutheraner, der bislang eher auf eine zurückhaltende und
vorsichtige Politik gegenüber dem habsburgischen
Kaiserhaus gesetzt hatte, und Heinrich Matthias von Thurn,
ein Calvinist, der seit langem für entschiedenen Widerstand
gegen die Eingriffe der kaiserlichen Beamten in die Rechte
des böhmischen Adels eintrat. Die unterschiedlichen
Einstellungen der beiden protestantischen Konfessionen, der
Lutheraner und der Calvinisten, gegenüber dem
Landesherrn spielten auch in Böhmen eine Rolle. Nun
allerdings marschierten die beiden gemeinsam. Die
kaiserlichen Beamten hatten es zu weit getrieben. Das einte
Lutheraner und Reformierte und verband selbst so
gegensätzliche Charaktere wie den gemäßigten Schlick und
den Heißsporn Thurn. [2]
Der Konflikt, der an diesem Vormittag offen ausbrach,
betraf die ständischen Rechte. Es handelte sich um einen
Verfassungskonflikt, der mit der unterschiedlichen
Interpretation von Verträgen und Vereinbarungen
zusammenhing. Gleichzeitig betraf er aber auch die freie
Religionsausübung in Böhmen, also das Recht der
Menschen, sich den eigenen Vorstellungen gemäß um ihr
Seelenheil zu sorgen. Das Dokument, auf das sich die Stände
als Hüter der Freiheit und Sicherheit Böhmens beriefen, war
der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. aus dem Juli 1609. In
ihm wurden die Protestanten – im Text als «Utraquisten»
bezeichnet – den Katholiken gleichgestellt, was auf die
organisatorische Eigenständigkeit ihrer Kirche hinauslief
und bedeutete, dass sie ungehindert Kirchen- und
Schulgebäude errichten durften. Zudem erlaubte ihnen der
Majestätsbrief, aus ihrer Mitte «Defensoren» zu wählen, die
als Verteidiger ihrer Rechte auftraten. [3] Matthias, seit 1611
Rudolfs Nachfolger als böhmischer König, hatte diese
Privilegien bestätigt, und auch Erzherzog Ferdinand, der ein
Jahr zuvor neu gewählte böhmische König, hatte
ausdrücklich zugesagt, dass er die den Böhmen im
Majestätsbrief zugesicherten religiösen Freiheiten
uneingeschränkt anerkenne. Darauf hatte die dem neuen
König huldigende Ständeversammlung – die Huldigung war
«der herrschaftsstiftende Akt am Anfang einer
Regierung» [4] – Wert gelegt.
Dafür gab es aus ihrer Sicht gute Gründe, und einer davon
war, dass Ferdinand in der Steiermark eine rigorose Politik
der Rekatholisierung betrieben hatte. Einige befürchteten,
er werde auch in Böhmen auf diese Weise vorgehen. Dass es
unter den Adligen des Landes eine kleine Gruppe gab, die
nichts sehnsüchtiger erwartete, als gemeinsam mit dem
Landesherrn der Gegenreformation zum Sieg zu verhelfen,
war allgemein bekannt. Jaroslaw von Martinitz etwa, einer
der Statthalter des Kaisers in Prag, spielte dabei eine
wichtige Rolle. Der von ihm erteilte Erlass, wer von den
Untertanen seiner Besitzungen nicht zur katholischen
Beichte und Kommunion gehe, müsse 50 Taler Strafe zahlen,
richtete sich eindeutig gegen die Protestanten und verletzte
die im Majestätsbrief jedem Bürger und Bauern zugesicherte
Religionsfreiheit. [5] Die allgemeine Unruhe wurde noch
dadurch gesteigert, dass die weitgehend protestantische
Altstadt von Prag einen Rat erhalten hatte, der zu mehr als
der Hälfte aus Katholiken bestand. [6] Generell ließ sich
beobachten, dass bei der Ämtervergabe in der
landesherrschaftlichen Administration entschiedene
Anhänger der Gegenreformation bevorzugt wurden. Das sich
ausbreitende Misstrauen gegenüber dem Landesherrn und
den von ihm eingesetzten Beamten kam also nicht von
ungefähr. Aber es war bislang eher diffus geblieben. Am
frühen Vormittag des 23. Mai 1618 wurde es zum Antrieb für
eine politische Aktion.
Aber das war nur der Anfang: Im Juni 1609 überließ der
Kaiser dem Bayernherzog die Stadt als Pfand für die
Maximilian bei der Vollstreckung der Reichsacht
entstandenen Ausgaben. Da Donauwörth für die von
Maximilian geforderte Summe von 250000 Gulden –
vornehmlich handelte es sich dabei um den Sold für die
aufgebotenen Soldaten – nicht aufkommen konnte, wurde sie
zu einer bayerischen Provinzstadt. Unter Berufung auf seine
landesherrschaftliche Kirchenhoheit verbot Maximilian, das
protestantische Bekenntnis in der Stadt weiter auszuüben.
Alle, die sich diesem Verbot nicht unterwerfen wollten,
wurden vertrieben. So entstand eine weitere Gruppe von
Exilanten, der mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges noch
viele folgen sollten; mit Flugschriften wurde ein
Propagandakrieg um die Affäre von Donauwörth geführt, der
die Unversöhnlichkeit beider Konfessionen immer mehr
verfestigte. «Maximilian, Maximilian, ihr kennt nicht die
Folgen eures Tuns», soll Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-
Neuburg geklagt haben, als er von der Besetzung
Donauwörths durch bayerisches Militär erfuhr. [9]
Die Gründung von Union und Liga
Das bayerische Vorgehen in Donauwörth hat die einander
keineswegs wohlgesonnenen Protestantengruppen im Reich
aufgeschreckt. Die Unterdrückung des evangelischen
Bekenntnisses in der einstigen Reichsstadt war geeignet, die
immer wieder kursierende Behauptung zu bestätigen,
wonach es eine stillschweigende Übereinkunft der
Katholiken gab, den Protestantismus in Deutschland
zurückzudrängen und schließlich gänzlich auszurotten. Das
Ziel dieser Verschwörung sei, die religionspolitischen
Verhältnisse wiederherzustellen, wie es sie vor der
Reformation gegeben hatte. Solche
«Verschwörungstheorien» waren aufgekommen, als ein
zunehmend selbstbewusst auftretender politischer
Katholizismus unter Berufung auf eine bestimmte Auslegung
des Augsburger Religionsfriedens damit begann, die
Restitution aller nach 1552 säkularisierten Kirchengüter zu
fordern. Dadurch wurde der territoriale Besitz der meisten
protestantischen Herrschaftsgebiete in Frage gestellt. Eine
solche Restitutionspolitik hätte, konsequent durchgeführt,
die politische Landkarte des Reichs grundlegend verändert
und die Macht der protestantischen Fürsten erheblich
beschnitten. Man konnte bezweifeln, dass diese danach noch
in der Lage gewesen wären, einem entschlossen
auftretenden Katholizismus erfolgreich Widerstand zu
leisten. Die Restitutionsforderungen, so argumentierte die
protestantische Bewegungspartei, die einer solchen
Entwicklung nicht tatenlos zusehen wollte, seien Teil des
großen jesuitischen Plans, den Protestantismus im Reich
auszulöschen – und Donauwörth stehe für den Anfang davon.
Mit dem Schlag gegen Donauwörth habe der große
Endkampf zwischen den «Kindern des Lichts» und den
«Kindern der Finsternis» begonnen. Ein Konflikt, bei dem es
zunächst nur um das offene Tragen von Prozessionsfahnen
gegangen war, wurde schon bald danach in apokalyptischen
Bildern beschrieben.
Verschwörungstheorien haben die fatale Eigenschaft, dass
sie unabhängig voneinander eingetretene Ereignisse,
politische Projekte Einzelner und gelegentliche Äußerungen
von Personen, die dem engeren Machtzirkel zugerechnet
werden, in einen Zusammenhang bringen; mit einem Mal
sind Dinge klar, die bislang unklar waren, und was zuvor
unverbunden nebeneinandergestanden hat, erweist sich aus
solch einer Perspektive als Element eines großen Vorhabens.
Derartige Erklärungen entwickeln ihre eigene Suggestivität,
wie sich auch an der innerprotestantischen Debatte über die
Absichten der katholischen Seite beobachten lässt: Der
wiedererstarkte Katholizismus, so war aus Heidelberg, dem
politischen Zentrum der Reformierten, zu hören, hole
nunmehr zum entscheidenden Schlag gegen den
Protestantismus aus, und auf diesen Schlag müsse man
vorbereitet sein. Das aber hieß: Bündnisse schmieden, um
geschlossen handeln zu können und sich nicht
gegeneinander ausspielen zu lassen. Am besten sei es, dem
Schlag der katholischen Seite zuvorzukommen und
seinerseits zuzuschlagen, solange die Gegenseite nicht damit
rechnete. Christian von Anhalt-Bernburg, seit 1595
Statthalter in der Oberpfalz und strategischer Kopf der
kurpfälzischen Politik, war von dem Gedanken umgetrieben,
dass es, wenn man noch länger zuwarte und zaudere, schon
bald zu spät sein werde, um der katholischen Seite noch
effektiven Widerstand entgegenzusetzen. Christian zog mit
solchen Überlegungen eine Reihe brillanter Köpfe an –
neben Ludwig Camerarius sind die Brüder Christoph und
Achatius von Dohna sowie Vollrad von Plessen und Hippolyt
von Colli zu nennen –, die diese Sichtweise teilten: Der große
Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten sei
unvermeidlich, [1] und deswegen könne man nichts Besseres
tun, als diesen Krieg politisch vorzubereiten.
Christian und seine Anhänger waren unentwegt damit
beschäftigt, protestantische Bündnisse zu entwerfen, um der
von den beiden Linien der Habsburger sowie Papst und
Jesuiten vorangetriebenen «Verschwörung» entgegentreten
zu können. Sie entwickelten über mehr als ein Jahrzehnt
rege diplomatische Aktivitäten, und dabei variierte
eigentlich nur die Reichweite der Bündnisprojekte, die sie
verfolgten. Die Niederlande waren darin immer
eingeschlossen, was schon aufgrund der personellen
Verbindungen zwischen der Kurpfalz und dem Haus Nassau-
Oranien nahelag. Den Oraniern oblag die militärische
Führung im Krieg der Niederlande gegen Spanien, und in
ihrem Heer dienten auch zahlreiche pfälzische Offiziere.
Neben der kurpfälzisch-niederländischen Achse als Zentrum
aller Bündnisprojekte spielte im einen Fall der französische
König Heinrich IV. eine besondere Rolle, im anderen der
englische König Jakob I., dem die politische Führung des
internationalen Protestantismus zugetraut wurde, und fast
immer waren die Mächte des Nordens, Dänemark und
Schweden, in den antikatholisch-antihabsburgischen
Bündnisplänen der Heidelberger mit von der Partie. [2] Die
auf katholischer Seite virulente Vorstellung einer mächtigen
«protestantischen Internationalen» war zwar ebenfalls eine
Verschwörungstheorie, die Disparates zu einem großen
Ganzen ordnete; sie hatte in den kurpfälzischen
Bündnisprojekten wenigstens so etwas wie einen politisch
identifizierbaren Kern.
Die meisten dieser Bündnisprojekte waren typische
Intellektuellenprodukte: Sie orientierten sich an den
politischen Idealperspektiven der ins Auge gefassten
Mächte, schenkten deren tatsächlicher Politik, den
konkreten Verhältnissen des Landes, seinen internationalen
Interessen und Verwicklungen sowie den Neigungen und
Fähigkeiten der Personen, die es beherrschten, jedoch nur
wenig Beachtung. Der vorsichtige und zögerliche Jakob I.
dachte nicht daran, «sich an die Spitze eines internationalen
protestantischen Bündnisses zu stellen», und dem
französischen König Heinrich IV. ging es zunächst darum,
einen «neuen Glaubenskrieg in Europa» zu verhindern, «der
den schwer errungenen und mühsam bewahrten inneren
Frieden Frankreichs gefährden würde». [3] Dänemark und
Schweden wiederum konkurrierten miteinander um die
Hegemonie im Ostseeraum, und es war unwahrscheinlich,
dass sie, obwohl beide dem Luthertum verpflichtet,
gemeinsam in ein antikatholisches Bündnis eintreten
würden; [4] dafür war das gegenseitige Misstrauen zu groß.
Derlei schnöde Interessenpolitik spielte in den Entwürfen
der reformierten Intellektuellen jedoch eine allenfalls
nachrangige Rolle; ihr Blick war ganz auf die große
Auseinandersetzung gerichtet, in der sich das Überleben des
wahren Glaubens und damit das Seelenheil der Menschen
entscheiden würde.
Was die operative Politik in dem Jahrzehnt vor
Kriegsbeginn und während der ersten Jahre des Krieges
anbetrifft, so erwiesen sich die Heidelberger
Bündnisprojekte als Hirngespinste, und wer sich auf sie
verließ, endete in einer politischen Katastrophe – wie sich
das dann auch am Schicksal des Kurfürsten Friedrich V.
zeigen sollte. Überblickt man indes den Krieg in seiner
ganzen Länge, so wird in den Bündnisprojekten eine geniale
Antizipation langfristiger Interessen und Gegensätze
erkennbar, denn alle von den reformierten Intellektuellen
auf antihabsburgischer Seite als Partner ins Kalkül
gezogenen Länder traten irgendwann in ihn ein. Sie taten
das freilich nacheinander und immer erst dann, wenn eine
zuvor in den Krieg eingetretene antikatholische oder
antihabsburgische Macht auf die Verliererstraße geraten
war. Dementsprechend agierten diese Mächte niemals als
einheitlicher Block, wie das die kurpfälzischen
Projektemacher vorgesehen hatten. Hätten sie so agiert, wie
man sich das in Heidelberg und Amberg vorgestellt hatte,
dann hätte der Krieg wohl einen anderen Verlauf
genommen: Er hätte deutlich kürzer gedauert, und die
habsburgische Macht wäre stark zurückgedrängt, wenn
nicht vernichtet worden. Danach aber wäre diese Koalition
auch wieder zerfallen, und die unterschiedlichen Interessen
der für geraume Zeit verbündeten Länder wären wieder in
aller Schärfe hervorgetreten. Der Protestantismus war eine
wertepolitische Klammer, mit der die Interessengegensätze
für einige Zeit hintangestellt, aber nicht zum Verschwinden
gebracht werden konnten. Die Heidelberger Projekte waren
analytisch genial, aber realpolitisch naiv. So wurden sie zum
europäischen Verhängnis.
Eines der großen Probleme, mit denen die kurpfälzische
Politik zu kämpfen hatte, war die notorische Distanz
Kursachsens gegenüber der für die Heidelberger
elementaren Annahme, der Krieg sei unvermeidlich. In
Dresden war man der Überzeugung, mit etwas gutem Willen
und entsprechender Kompromissbereitschaft lasse sich der
Frieden im Reich bewahren. Grundlage dieser Politik der
Friedenswahrung war für Kursachsen die Orientierung am
Augsburger Religionsfrieden, und auch wenn dieser von
Katholiken und Protestanten immer wieder unterschiedlich
ausgelegt wurde – in Anbetracht der Formelkompromisse
und der vielen Zusatzvereinbarungen kaum verwunderlich –,
so gab es doch keinen Grund anzunehmen, dass man in
strittigen Fragen nicht zu einem für beide Seiten
akzeptablen Ausgleich kommen könne. Das war eine Sicht,
die sich im Großen und Ganzen nicht von der Kardinal Klesls
unterschied, aber in einem grundlegenden Gegensatz zu der
stand, die in Heidelberg vorherrschte – insofern stand die
kursächsische Politik vor dem Krieg und noch in dessen
erstem Jahrzehnt dem katholischen Kaiser näher als den
protestantischen Glaubensbrüdern in Heidelberg, den
«Calvinern», wie man sie in Dresden nannte, denen
gegenüber man eine tiefe Abneigung pflegte. [5]
Wenn schon in Deutschland keine geschlossene Front des
Protestantismus herzustellen war, so einer der Einwände
gegen die kurpfälzische Politik, wie sollte das dann im
internationalen Rahmen möglich sein? Gerade wegen der
Uneinigkeit in Deutschland, so die Antwort der
Heidelberger, müsse man auf internationale Bündnisse
setzen, denn nur auf diese Weise lasse sich die politische
Schwäche des deutschen Protestantismus ausgleichen, die
auf die katholische Seite wie eine Einladung zum Angriff
wirken müsse; dies ließe sich schon an den zunehmenden
Restitutionsforderungen erkennen. Damit wurde eine
weitere Trennlinie innerhalb des deutschen Protestantismus
sichtbar: In Kursachsen, das sich als Hüter und Oberhaupt
des orthodoxen Luthertums sah, nahm man die politischen
Konflikte als Herausforderungen im Kontext des Reichs
wahr – man könnte mit einem anachronistischen
Zungenschlag auch von einer nationalen Perspektive
sprechen [6] – und fürchtete, dass die Internationalisierung
der Glaubensspaltung die mit ihr verbundenen politischen
Probleme endgültig unlösbar machen werde. In Heidelberg
sah man die Dinge dagegen genau umgekehrt: Hier war man
der Überzeugung, dass der Protestantismus in Deutschland
nur durch die Internationalisierung des Konflikts überleben
könne.
In dieser gegensätzlichen Beurteilung der politischen Lage
kamen zu Beginn des 17. Jahrhunderts die jeweiligen
Entstehungsbedingungen der beiden Zweige des
Protestantismus zum Vorschein: die politischen und sozialen
Faktoren sowie die unterschiedlichen theologischen
Grundausrichtungen Luthers und Calvins. Martin Luther
hatte in den kämpferischen Schriften der 1520er Jahre die
Reformation des Glaubens eng mit den Gravamina der
Deutschen Nation gegenüber der römischen Kurie
verbunden. [7] Der Adressat von Luthers Schriften waren
«die Deutschen». Dadurch hatte er zahlreiche Humanisten
zu Parteigängern der Reformation gemacht, hatte
politischen Rückhalt bei einigen Landesherren gefunden und
die Sympathien breiter Kreise der Bevölkerung für sich
mobilisiert. Das war bei dem Flüchtling Jean Calvin anders,
der, aus seiner französischen Heimat vertrieben, von Genf
aus eine über viele Länder verstreute Anhängerschaft zu
organisieren hatte. Von daher lag bei den lutherischen
Kursachsen eine «nationale» Wahrnehmung der politischen
Konstellationen nahe, während die Heidelberger
Reformierten von vornherein gewohnt waren, in
internationalen Zusammenhängen zu denken und
bedrohlichen Entwicklungen in diesem Kontext zu begegnen.
Dementsprechend betrachteten sie die Jesuiten als
Speerspitze der Gegenreformation und als ihre
Hauptgegner; die Lutheraner dagegen nahmen die von den
Jesuiten ausgehende Herausforderung lange Zeit nicht
sonderlich ernst. Was für die Reformierten in Heidelberg ein
internationales Netzwerk war, das einen beherrschenden
Einfluss auf die Politik der katholischen Fürsten erlangt
hatte, war für die Dresdner Lutheraner bloß ein neuer
Orden, der in den katholischen Teilen Deutschlands einige
Universitäten und Konvikte übernommen beziehungsweise
gegründet hatte. Diese Sichtweise bewegte sich innerhalb
der Vorgaben des Augsburger Religionsfriedens und
berührte nicht den Status quo. Also gab es auch keinen
Grund, die reichskonservative Politik zu überprüfen oder gar
in Frage zu stellen.
Ein weiterer Unterschied zwischen Lutheranern und
Calvinisten in der Wahrnehmung politischer
Herausforderungen resultierte aus der Luther’schen
Obrigkeitslehre sowie der Calvin’schen Auffassung von der
Prädestination. Luther hatte unter Rekurs auf Römer 13
immer wieder betont, dass jeder Christ der Obrigkeit
Gehorsam schuldig sei, denn diese sei von Gott als «Amt»,
als Institution, eingesetzt und diene dazu, der Bosheit in der
Welt zu wehren. Ohne Gehorsam gegenüber der Obrigkeit
werde jede Gesellschaft im Chaos der Gewalttätigkeit
versinken. Das stellte sich für Calvinisten, die nicht, wie
Luther, auf den Rückhalt des Landesherrn zählen konnten,
sondern heftigen Verfolgungen ausgesetzt waren, gänzlich
anders dar; unter dem Eindruck einer sie bekämpfenden
Obrigkeit entwickelten sie monarchomachische Theorien, in
denen Widerstand gegen die Obrigkeit gerechtfertigt,
mitunter sogar gefordert wurde. [8] Für Kursachsen war der
Kaiser eine dem Landesherrn übergeordnete Obrigkeit, und
der war man Gehorsam schuldig, wie der Dresdner
Oberhofprediger Matthias Hoë von Hoënegg seinem Herrn,
Kurfürst Johann Georg, immer wieder versicherte. In
Heidelberg dagegen sah man im Kaiser und seinen
Verbündeten eine Obrigkeit, gegen die jede Form von
Widerstand gerechtfertigt war.
Neben diesen Differenzen in der «politischen Theologie»
spielten bei der unterschiedlichen Lagebeurteilung in
Heidelberg und Dresden auch genuin theologische Fragen
eine Rolle: In Luthers Theologie kam der Vorstellung von der
Gnade Gottes eine zentrale Bedeutung zu, und auf diese
Gnade musste der Christ vertrauen; im Zentrum der
Calvin’schen Theologie stand dagegen der Gedanke einer
doppelten Prädestination, durch die im Leben eines
Menschen von Anfang an festgelegt war, ob er zu den
Erlösten oder zu den Verdammten gehörte. Es war also
naheliegend, dass man in Heidelberg von der
Unvermeidlichkeit eines großen Krieges zwischen
Katholiken und Protestanten überzeugt war, wobei freilich
nur die Auserwählten zu erkennen vermochten, worauf die
Entwicklung hinauslief. Dass die Lutheraner Einwände
gegen diese Sicht hatten, zeigte – aus calvinistischer
Perspektive – nur, dass sie nicht zu den Erwählten zählten.
Für die reformierte Aktionspartei war der große Konflikt
determiniert. Dagegen setzte man in Dresden darauf, dass
Gott, wenn er nur wolle, die Dinge jederzeit zum Guten
wenden und den Frieden erhalten könne, und dabei dürfe
ihm die Politik nicht durch fehlendes Vertrauen in seine Güte
und Gnade im Wege stehen.
Für Christian von Anhalt war das ein großer Erfolg der
protestantischen Aktionspartei: Auf dem Unionstag in
Schwäbisch Hall hatten sich die versammelten Fürsten und
Städte nach anfänglichem Zögern entschlossen, die
Possedierenden zu unterstützen, und damit faktisch offensiv
agiert; außerdem hatten die oberdeutschen
Unionsmitglieder, als Erzherzog Leopold in seinen
Bistümern Passau und Straßburg mit Truppenwerbungen
begann und mehrere Regimenter Fußsoldaten sowie
berittene Einheiten aufstellen ließ, diese blockiert und am
Durchzug in Richtung Niederrhein gehindert, so dass sie den
bedrängten Verteidigern Jülichs nicht zu Hilfe kommen
konnten; schließlich waren Truppen der Union in
Straßburger Gebiet eingefallen und hatten das dort
bereitgestellte Militär Leopolds «zerstreut» – bei alldem
hatte auf Seiten der Protestanten Kursachsen kaum eine
Rolle gespielt. Währenddessen hatte die katholische Liga
dem Scheitern Erzherzog Leopolds am Niederrhein tatenlos
zugesehen und darauf verzichtet, militärisch einzugreifen.
[20] Es dürften nicht zuletzt diese Erfolge im Jülicher
Erbfolgekrieg gewesen sein, die Christian acht Jahre später
davon überzeugt sein ließen, dass die Union beim
böhmischen Ständeaufstand gegen Habsburg zu einer
ähnlich geschlossenen Politik und einer ebenso
wirkungsvollen Unterstützung der protestantischen Sache
fähig sein werde. Das war ein Irrtum mit weitreichenden
Folgen.
Bereits damals gab es Anzeichen dafür, dass die Union zu
einer offensiven Politik, wie sie Christian vorschwebte,
ungeeignet war und dass bei riskanteren Entscheidungen
eine größere Zahl von Bündnispartnern für strikte
Zurückhaltung eintreten würde. Das zeigte sich auf dem
Unionstag von Heilbronn, der ein halbes Jahr nach den
Beschlüssen von Schwäbisch Hall ein ganz anderes Gesicht
der Union zeigte. Als die Versammlung am 29. Juni 1610
eröffnet wurde, hatte die Belagerung Jülichs noch nicht
begonnen, und es war nicht absehbar, wie sich die Lage am
Niederrhein entwickeln würde. Stattdessen kam aus Prag
die Nachricht, der Kaiser wolle in Übereinstimmung mit den
katholischen und den von Sachsen angeführten
konservativen protestantischen Ständen die Unierten zu
Landfriedensbrechern erklären und bestrafen. Sosehr man
sich in der Jülicher Angelegenheit im Recht sah, so unsicher
waren sich nun viele wegen des offensiven Vorgehens auf
Straßburger Gebiet. Einige machten geltend, derlei sei
durch die Beschlüsse von Schwäbisch Hall nicht gedeckt; es
handele sich dabei um die Aktionen einiger Fürsten, bei der
man die Städte nicht gefragt habe, weswegen sie für die
entstandenen Kosten nicht aufkommen würden. [21] Neben
den unterschiedlichen Sichtweisen der Reformierten und der
Lutheraner trat damit der alte Gegensatz zwischen Städten
und Fürsten hervor, und die Städte wehrten sich gegen eine
Entwicklung der Union, bei der sie für die Kosten dessen
aufkommen mussten, worüber die Fürsten allein entschieden
hatten. Die Städte befanden sich bei diesem Konflikt in einer
starken Position, denn die Fürsten waren auf ihr Geld
angewiesen: Die finanziellen Mittel der Städte machten sie
von den Steuerbewilligungen ihrer Landstände unabhängig
und verschafften ihnen einen politischen Spielraum, den sie
sonst nicht gehabt hätten. Das wussten die Reichsstädte und
spielten ihre Karten dementsprechend aus. Die
Versammlung in Heilbronn zeigte, dass die Union alles
andere als eine geschmeidige Waffe in der Hand der
kurpfälzischen Politik war.
Tatsächlich war der Jülicher Erfolg der Union mit einem
Zurückweichen in drei anderen Fragen verbunden: erstens
dem am 6. September in Willstätt unterzeichneten Vergleich
mit dem Stift Straßburg, wonach die Union unverzüglich
ihre Truppen aus Straßburger Gebiet abzog und im
Gegenzug die dort für Leopold geworbenen Truppen
entlassen wurden. Zweitens verzichtete man auf ein
offensives Vorgehen gegen Herzog Maximilian, durch das
dieser gezwungen werden sollte, die ursprünglichen
Verhältnisse in Donauwörth wiederherzustellen. Dieser
Verzicht wiederum war, drittens, die Voraussetzung dafür,
dass man sich mit Maximilian darauf verständigen konnte,
dass beide Seiten, Union und Liga, abrüsteten und bis zum
15. November 1610 das angeworbene Militär wieder
abdankten. So entledigte sich die Union der
«Unternehmungen, die ihr zu schwer zu werden
begannen» [22]. Nur weil der Erfolg im Jülicher Erbfolgekrieg
dieses Zurückweichen in anderen Fragen überstrahlte,
konnten die Vertreter der protestantischen Aktionspartei
glauben, mit der Union lasse sich offensive Politik betreiben.
Der Ausnahmefall Jülich täuschte über die tiefen Gegensätze
innerhalb der Union hinweg, die in Heilbronn für den, der
sie sehen wollte, gut erkennbar geworden waren. Die Union
funktionierte nur, wenn die Interessen all ihrer Mitglieder
verletzt wurden. Wer dieses Bündnis offensiv einsetzen
wollte, musste es zwangsläufig zerstören. Andererseits
zeigte sich in dem Übereinkommen zwischen Union und Liga
aber auch, dass der Vorrat an Verständigungswillen und
Kompromissbereitschaft noch nicht aufgebraucht war und
man Übereinkünfte treffen konnte, die den Frieden
bewahrten.
Auf Bündnissuche
Der böhmisch-pfälzische Krieg kam nur zögerlich in Gang.
Zum einen hatten die beiden Konfliktparteien keine
Streitkräfte zur Hand, mit denen sie sogleich hätten
losschlagen können; zum anderen waren sie zunächst damit
beschäftigt, die Verhältnisse im Innern ihrer Herrschaft zu
konsolidieren und potenzielle Gegner des Waffengangs
auszuschalten. Vor allem aber ging es über einen Zeitraum
von mehr als einem Jahr darum, Verbündete und
Unterstützungsmächte zu finden und dabei die für den Krieg
erforderlichen Ressourcen zu sammeln. Das kostete Zeit,
nicht nur wegen der schwierigen Entscheidungsprozesse bei
den um Hilfe Gebetenen, sondern auch wegen der
Langsamkeit der Kommunikationswege, die in der Regel der
Reisedauer der Gesandten entsprach. Bis zum Sommer 1620
gab es lediglich sporadische Kampfhandlungen, die jedoch
nur dem gegenseitigen Abtasten der Heere und der
Demonstration militärischer Handlungsfähigkeit dienten.
Die innere Machtkonsolidierung auf Seiten der
Habsburger begann mit dem Sturz des Kardinals Klesl, der
unter Kaiser Matthias die Staatsgeschäfte geleitet hatte.
Klesl wollte die Böhmen durch scharfe Mandate in die
Schranken weisen, setzte ansonsten aber auf Verhandlungen
und unternahm keine energischen Anstrengungen, um
Streitkräfte aufzustellen, mit denen man eine militärische
Entscheidung hätte suchen können. [1] Dazu hätte er sich
freilich auch an die Stände der österreichischen Erblande
wenden müssen, die aufgrund ihrer Sympathien für den
böhmischen Ständeaufstand nicht bereit waren, ein
kaiserliches Heer für den Feldzug gegen die Böhmen zu
finanzieren. Das Geld für die Kriegführung musste
anderweitig beschafft werden. Obendrein war der
schwerkranke Kaiser weder willens noch in der Lage, einen
Unterwerfungskrieg gegen die Böhmen zu führen. Die
Verhaftung Klesls, die von den Erzherzögen Ferdinand und
Maximilian angeordnet wurde, und seine anschließende
Deportierung nach Tirol zielten deshalb vor allem auf Kaiser
Matthias, dem damit sein politisches Ausführungsinstrument
aus der Hand geschlagen wurde. Als Ferdinand und
Maximilian an Matthias’ Krankenbett traten, um dem Noch-
Kaiser von Klesls Verhaftung zu berichten, wurde dieser
«erst von Grimm, dann von Angst erfaßt, um sich schließlich
ins Unvermeidliche zu schicken» [2]. Es ist also durchaus
zutreffend, wenn die Verhaftung Klesls als «Staatsstreich»
(oder «Hausstreich») bezeichnet wird, [3] durch den der
Kaiser entmachtet und Erzherzog Ferdinand zur
entscheidenden Person in Wien wurde.
Die Machtverteilung in Wien wurde neu geordnet, aber
das wäre kaum ohne die Einwilligung der spanischen Linie
möglich gewesen. Graf Oñate, der Madrider Botschafter am
Kaiserhof, scheint von Anfang an in den Coup d’État der
beiden Erzherzöge eingeweiht gewesen zu sein, und
vermutlich war er bei der Vorbereitung der Aktion sogar die
treibende Kraft im Hintergrund. In Madrid war man zuvor
nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Gesamtinteressen des Hauses Habsburg großen Schaden
nehmen würden, wenn man die rebellischen Böhmen
gewähren lasse und nicht mit aller Entschiedenheit gegen
sie vorgehe. Da solches mit Kaiser Matthias nicht möglich
war, musste man dem Schwerkranken seine rechte Hand
nehmen, um das aus spanischer Sicht erforderliche
militärische Vorgehen gegen die Böhmen durchsetzen zu
können.
Der Schlachtenmaler Friedrich Wilhelm (Fritz) L’Allemand (1812 bis 1866) hat in
seinem Aquarell «Das Heer sammelt sich vor der Hofburg in Wien und ruft nach
‹Nandl› [Erzherzog Ferdinand]» dem Kriegsbeginn einen markant heroischen
Anfang verliehen: Eine Kürassiereinheit ist vor die Hofburg geritten und ruft nach
ihrem Oberbefehlshaber – unübersehbar eine Rückprojektion der bellizistischen
Vorstellungswelt des 19. Jahrhunderts in die Anfänge des Dreißigjährigen Krieges.
Offenbar handelt es sich bei der Szene um die Ankunft der Dampierre’schen
Kürassiere am 11. Juni 1619, durch die Erzherzog Ferdinand aus der Bedrängnis
durch die Landstände befreit wurde.
Durch die Berichte der Beteiligten sind wir über den Ablauf
der Kaiserwahl gut informiert: Alle wurden nacheinander
einzeln um einen Wahlvorschlag und die anschließende
Stimmabgabe gebeten. [19] Kurfürst Schweikhard eröffnete
den Wahlakt, indem er den Trierer Kurfürsten um die
Stimmabgabe bat. Der nannte König Ferdinand, Erzherzog
Albrecht (den Statthalter der spanischen Niederlande) und
Herzog Maximilian als geeignete Kandidaten und gab
schließlich seine Stimme für Ferdinand ab. Ihm folgte der
Kurfürst von Köln, der erklärte, er wisse, dass sein Bruder,
der Bayernherzog Maximilian, auf die Kandidatur verzichte,
und seine Stimme ebenfalls König Ferdinand gab. Das war
der entscheidende Augenblick der Wahl: Eigentlich wäre den
Regeln nach jetzt die böhmische Stimme abzugeben
gewesen, aber Schweikhard wandte sich an den pfälzischen
Gesandten, den Grafen Johann Albrecht von Solms-
Braunfels, der daraufhin sechs Kandidaten für wählbar
erklärte: König Christian IV. von Dänemark, Kurfürst Johann
Georg von Sachsen, König Ferdinand, Erzherzog Albrecht
sowie die Herzöge Maximilian von Bayern und Karl Emanuel
von Savoyen. Da Kurfürst Friedrich V., für den er spreche,
wünsche, dass die traurigen Verhältnisse, in denen sich das
Reich seit langem befinde, beendet würden, halte er Herzog
Maximilian von Bayern für den am besten Geeigneten. Das
war ein letzter Versuch der Pfälzer, die katholische Phalanx
aufzusprengen, indem sie Maximilian doch noch ins Spiel
brachten; nach der vorangegangenen Erklärung des Kölner
Kurfürsten musste er aber ins Leere laufen. Schweikhard
forderte nach der pfälzischen Erklärung Ferdinand zur
Stimmabgabe auf, doch der bat darum, dass in Anbetracht
seiner besonderen Situation erst die anderen Wähler befragt
wurden. Also wurde der sächsische Gesandte aufgerufen,
der sich ohne Einschränkung für Ferdinand aussprach. Der
anschließend befragte Brandenburger Gesandte nannte noch
einmal Erzherzog Albrecht und Herzog Maximilian, stimmte
dann aber für Ferdinand, da Maximilian die Wahl ja
ausschlagen würde. Schweikhard gab daraufhin seine eigene
Stimme ab, und zwar ebenfalls für Ferdinand, nachdem auch
er Albrecht und Maximilian für geeignet erklärt hatte. Nun
war Ferdinand daran, sich zu erklären, und unter Verweis
auf die Goldene Bulle gab er sich selbst die Stimme. Damit
hatten sechs der sieben Wahlberechtigten für Ferdinand
gestimmt, und es war klar, dass der Pfälzer Gesandte am
Ergebnis der Kaiserwahl nichts mehr würde ändern können.
Gefragt, ob er sich von der Mehrheit absondern oder doch
Ferdinand die Stimme geben wolle, erklärte sich Graf Solms
ebenfalls für Ferdinand, der damit einstimmig zum neuen
Kaiser gewählt war. [20]
Die Wahl Ferdinands war eine desaströse Niederlage der
pfälzischen Politik, mit der alle zuvor erzielten Erfolge
zunichte waren. Als bedeutungslos hatten sich auch einige
Maßnahmen im Vorfeld der Wahl erwiesen. So hatte man
Truppen der Union in der Umgebung Frankfurts
zusammengezogen – angeblich um ligistische Anschläge auf
die Kaiserwahl zu verhindern, [21] tatsächlich eher eine
Machtdemonstration der Protestanten, die deutlich machen
sollte, dass die katholische Partei trotz ihrer Mehrheit im
Kurfürstenkollegium im Reich keineswegs das Sagen hatte.
Der Rat der Reichsstadt Frankfurt, der den Unierten
zuneigte, hatte zudem von der Union zwei Kompanien mit je
zweihundert Mann ausgeliehen, um mit ihrer Hilfe die Stadt
gegen Anschläge zu sichern. Das hatte bei den geistlichen
Kurfürsten erhebliche Besorgnis ausgelöst: Der Kölner
Kurfürst dachte zeitweilig über die Auflösung des Treffens
nach, und der Mainzer fürchtete gar eine zweite
Bartholomäusnacht, bei der nicht die Protestanten, sondern
die Katholiken die Opfer sein würden. [22] Zuletzt freilich
blieb die militärische Machtdemonstration folgenlos, da sich
die kurfürstlichen Wähler nicht einschüchtern ließen und die
Pfälzer Seite sich nicht traute, das Militär einzusetzen, um
die Kaiserwahl zu verhindern.
Der einzige Erfolg, den die Pfälzer im Verlauf dieser für
den weiteren Gang der Ereignisse entscheidenden
Zeitspanne erzielt hatten, war die am 26. August 1619, also
zwei Tage vor der Frankfurter Entscheidung, erfolgte Wahl
Friedrichs V. zum böhmischen König. Friedrich war
keineswegs der von den Böhmen bevorzugte Kandidat
gewesen. Außer ihm waren noch Herzog Karl Emanuel von
Savoyen und Kurfürst Johann Georg von Sachsen im Spiel.
Karl Emanuel, der sich immer wieder auf riskante Projekte
einließ, wenn sie ihm Macht und Prestige versprachen, war
nicht wirklich ein aussichtsreicher Kandidat, da sein
Herrschaftsgebiet zu weit entfernt lag und es keine
mächtigen Verbündeten in seinem Gefolge gab. Das war
anders bei Kurfürst Johann Georg von Sachsen, den die von
Graf Schlick angeführten Lutheraner in Böhmen
präferierten. Johann Georgs Herrschaftsgebiet grenzte
unmittelbar an Böhmen, und zusammen mit den in der
Confoederatio Bohemica zusammengeschlossenen Ländern
hätte Kursachsen einen beachtlichen Machtblock in
Mitteleuropa bilden können. Außerdem war Johann Georg
das Haupt der Lutheraner im Reich, konnte also in
Norddeutschland, im ober- und niedersächsischen
Reichskreis, auf eine Reihe von Verbündeten zurückgreifen,
zu denen im Falle eines Krieges gegen den Kaiser auch die
Reformierten mit den in der Union verbündeten
süddeutschen Lutheranern gehören würden. Unter diesen
Umständen war der Kurfürst von Sachsen die erste Wahl.
Aber der Kandidat wies alle diesbezüglichen Ansinnen
zurück. [23] Johann Georg, seit 1611 Kurfürst, war kein
entschlossener Machtpolitiker, und man sagte ihm nach, er
könne erst ab Mittag politische Entscheidungen treffen, weil
er dann so viele Kannen Bier geleert habe, dass er seiner
Sinne nicht mehr mächtig sei. Jedenfalls galt «Bierjörge»,
wie man ihn nannte, als ein großer Zecher und
leidenschaftlicher Jäger, der die meiste Zeit mit dem Verzehr
von Wildbret und Bier verbrachte. In politischen
Entscheidungen folgte er seinem Hofprediger Matthias Hoë
von Hoënegg, [24] der auf ihn einen ähnlich großen Einfluss
hatte wie die (jesuitischen) Beichtväter auf die katholischen
Fürsten; in militärischen Fragen verließ Johann Georg sich,
nachdem er schließlich doch in den Krieg eingetreten war,
völlig auf seinen General Hans Georg von Arnim-
Boitzenburg. Letzteres war auch angezeigt, denn Arnim war
ein erfahrener Soldat, [25] während der Kurfürst sich auf dem
Schlachtfeld als kopflos und furchtsam erwies. So jedenfalls
sah ihn die protestantische Aktionspartei, die Johann Georg
wegen seiner konservativ-reichstreuen Politik verachtete
und diese auf persönliche Laster und Schwächen des
Kurfürsten zurückführte.
Man kann den Sachsen indes auch in ein besseres Licht
rücken, wenn man das politisch-militärische Scheitern der
Aktionspartei in Böhmen und der Pfalz sowie schließlich im
niedersächsisch-dänischen Krieg dagegenstellt und das Leid
und Elend bedenkt, das durch die Hochrisikopolitik der
Pfälzer verursacht wurde. Schließlich stand der sächsische
Kurfürst später auch dem schwedischen und dem
französischen Eingreifen in den Krieg ausgesprochen
skeptisch gegenüber, obwohl es auf protestantischer Seite
erfolgte; er fürchtete, dass die «Internationalisierung» des
Krieges diesen nur verlängern und seine Beendigung
erschweren würde. In der Beurteilung der Lage hatte er
durchaus recht, nur spielte das für die operative Politik
keine Rolle, denn der Krieg war durch die niederländischen
Subsidien für die aufständischen Böhmen, vor allem aber
durch die massive päpstliche wie spanische Hilfe für
Ferdinand von Anfang an «internationalisiert». Indem
Sachsen sich heraushielt, wurde es allerdings nicht, wie man
sich das in Dresden wohl vorgestellt hatte, zur «dritten
Partei», die als Vermittler und Friedensstifter auftreten
konnte, sondern zum Objekt der Entscheidungen anderer –
zunächst denen Ferdinands, später auch denen Gustav
Adolfs, für beide war Johann Georg eine wichtige, letzten
Endes aber nicht ausschlaggebende Größe. Dennoch gehörte
er am Ende des Krieges zu den Gewinnern, denn die beiden
Lausitzen, die er gleich bei Kriegsbeginn weitgehend
kampflos besetzt hatte, wurden ihm im Frieden von Münster
zugesprochen. Andererseits hatte das Kurfürstentum
Sachsen einen hohen Preis dafür zu zahlen, denn es wurde
in der zweiten Kriegshälfte zum Durchzugsgebiet,
Schlachtfeld und Quartier für die Heere beider Seiten.
Das Bild – ein Holzstich nach einem Gemälde von Werner Schuch – zeigt die
Vorstellung, die man sich Ende des 19. Jahrhunderts in der akademischen
Historienmalerei vom Dreißigjährigen Krieg und den berüchtigten
Söldnerverbänden Ernst von Mansfelds gemacht hat: keine Heersäulen, keine
nach Infanterie und Kavallerie geordneten Verbände, auch keine Trennung von
Tross und Kampftruppen, sondern alles in bunter Mischung. Im Zentrum ein
schwerer Wagen, der über einen vom Regen aufgeweichten Weg gezogen wird;
Fass und Frau unter der Zeltplane lassen vermuten, dass es sich um einen
Marketenderwagen handelt. Rechts davon ein störrischer Esel, der vorangeprügelt
wird: Dieser Trupp hat es nicht auf den Feind, sondern auf das nächste Gehöft
oder Dorf abgesehen.
Im Herbst 1619 sah es für die Böhmen indes noch recht gut
aus. Der Einfall Bethlen Gábors nach Ungarn war
erfolgreich, die Verbände des Siebenbürgers stießen vor bis
Preßburg, das heutige Bratislava, und eroberten die Stadt.
Damit war der Weg nach Wien offen, so dass dem in Böhmen
stehenden Bucquoy vom kaiserlichen Kriegsrat der Befehl
erteilt wurde, sich mit seinen Einheiten zurückzuziehen, um
das Zentrum der habsburgischen Lande zu decken. [16] In
diesen Rückzug hineinzustoßen und dem Gegner dabei
größere Verluste zuzufügen, ihm vor allem den Tross und die
mitgeführten Kanonen wegzunehmen, wäre die Chance des
böhmischen Ständeheeres gewesen. In einer geordneten
Schlacht hätten die kriegsunerfahrenen Bauernsoldaten
dieses Heeres die wallonisch-flandrischen Berufssoldaten
Bucquoys kaum besiegen können, aber fortgesetzte Attacken
auf einen nicht in Gefechtsformation befindlichen Heereszug
hätten gute Erfolgsaussichten gehabt. Die Böhmen ließen
diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen und folgten den
Kaiserlichen erst in größerem Abstand. Es fehlte die
militärische Initiative, um den «Beobachtungskrieg» in einen
auf militärische Entscheidungen ausgerichteten Krieg zu
verwandeln, und es fehlte am Sold, um die Truppen für die
erforderlichen Anstrengungen zu motivieren: Als sie den
Befehl erhielten, den abziehenden Gegner zu verfolgen,
erklärten ihre Wortführer, sie würden ihre Stellungen erst
verlassen, nachdem ihnen zumindest ein Teil des
rückständigen Soldes ausbezahlt worden sei.
Gleich zu Beginn des Krieges zeigte sich hier ein Problem,
das immer wieder auftreten sollte: der «Kampfstreik»
beziehungsweise die Befehlsverweigerung von Truppen, die
seit längerem keinen Sold erhalten hatten. Indem die
Truppen meuterten, griffen sie auf das einzige ihnen zur
Verfügung stehende Mittel zurück, um Soldzahlungen,
zumindest Abschlagszahlungen auf den Sold, zu erzwingen.
Sie verweigerten die Befehle, um die ihnen gegebenen
Zusagen durchzusetzen und den Kriegsherrn zur
Vertragstreue zu zwingen. [17] Die Alternative zur Meuterei
war die Desertion, aber damit gab der Betreffende seinen
Anspruch auf den ausstehenden Sold auf. [18] Beides,
Meuterei wie Desertion, stand unter strenger Strafe, und
diese Strafen waren in den Artikelbriefen, die den
Kriegsknechten bei ihrer Anwerbung verlesen wurden,
eingehend beschrieben. Desertion war im Prinzip ein
individueller Vorgang, auch wenn es im Verlauf des Krieges
immer wieder zu Massendesertionen kam; Meuterei dagegen
war nur im Kollektiv möglich und setzte ein gefestigtes
Vertrauensverhältnis innerhalb der Truppe voraus. Dass
Soldaten desertierten, war ein normaler Begleitvorgang der
Kriegführung dieser Zeit, und in bestimmten Phasen nahm
die militärische Führung Desertion hin, ohne größere
Anstrengungen dagegen zu unternehmen. Sie wurde
verschiedentlich als ein Vorgang der Reinigung der Truppe
von unwilligen und unfähigen Soldaten angesehen und hatte
erhebliche Soldersparnis zur Folge. Desertion in großem Stil
führte dazu, dass eine Einheit auf ihre Kaderstruktur
abgeschmolzen wurde. [19] Das war manchem Obristen in
Phasen, in denen das Kriegsgeschehen stillstand, durchaus
recht. Vor und während einer Schlacht war das anders: Hier
wurde Desertion als Feigheit und Verrat begriffen und hart
bestraft – in der Regel mit dem Tod. Dementsprechend
wurden in gefechtsnahen Konstellationen auch geeignete
Vorkehrungen getroffen.
Meutereien dagegen waren stets eine überaus ernst zu
nehmende Herausforderung für die Heeresführung, und sie
verlangten eine unmittelbare Reaktion – in der Regel
Abschlagszahlungen auf den Sold, mit denen die Situation
beruhigt wurde. So war es auch beim böhmischen Heer im
Herbst 1619. Als es sich endlich in Bewegung setzte, war die
Gelegenheit vertan, die Truppen Bucquoys auf dem Rückzug
anzufallen und in Einzelgefechte zu verwickeln. [20]
Schließlich kam es am 24. Oktober bei Ulrichskirchen doch
noch zu einem Zusammenstoß beider Seiten, der sich aber
nicht zu einer Schlacht entwickelte, da Bucquoy dem
kräftemäßig überlegenen Gegner auswich und sich über die
Donau zurückzog. Die Kaiserlichen brachen die
Donaubrücke hinter sich ab, und so konnten Thurn und
Hohenlohe mit den Böhmen nicht nachsetzen. Die
böhmischen Truppen bezogen links der Donau Stellung, und
Thurn und Hohenlohe begaben sich nach Preßburg, wo sie
mit Bethlen Gábor das weitere Vorgehen besprachen. Man
kam überein, einen Vorstoß auf Wien zu unternehmen, wobei
freilich offen blieb, welches strategische Ziel dabei verfolgt
werden sollte: die Einnahme Wiens und damit die Besetzung
des feindlichen Zentrums, die Verheerung des Landes, um
die Ressourcen des Kaisers für eine offensive Kriegführung
nach Böhmen und Mähren hinein zu vermindern, oder die
Unterstützung der österreichischen Opposition gegen die
Habsburger, die eine Rebellion der Landstände anstoßen
sollte, um nach böhmischem Vorbild die Absetzung des
Landesherrn zu betreiben.
Das Problem des von den aufständischen Böhmen und
Bethlen Gábor geführten Koalitionskrieges war, dass man
sich nie auf einen gemeinsamen Zweck des Krieges
verständigen konnte, so dass beide Seiten ihre je eigenen
Ziele verfolgten. [21] Das Ergebnis war strategisches Chaos.
Um Wien zu erobern, fehlte den verbündeten Heeren, die am
21. November bei Preßburg in einer Stärke von mehr als
40000 Mann die Donau überschritten, das schwere
Geschütz, mit dem man die Mauern der stark befestigten
Stadt hätte brechen können. Die beiden anderen Ziele
schlossen sich gegenseitig aus: Wenn man einen Aufstand
gegen die Habsburger entfachen wollte, musste man die
Bevölkerung gut behandeln und durfte sie nicht
ausplündern. Genau das aber tat das Heer: die Böhmen, um
sich für den rückständigen Sold durch Beute schadlos zu
halten, und die Reiter Bethlens, weil sie genau dafür in den
Krieg gezogen waren. Die Dörfer und Städte auf dem Weg
nach Wien wurden ausgeplündert, einige niedergebrannt.
Die siebenbürgischen Reiter Bethlens, denen sich
inzwischen auch Ungarn angeschlossen hatten, taten sich
dabei durch besondere Grausamkeiten hervor. [22]
Graf Thurn wiederum scheint darauf gesetzt zu haben,
dass ihm dieses Mal gelingen werde, woran er im Frühjahr
des Jahres bei seinem ersten Vorstoß vor die Tore Wiens
gescheitert war: die österreichischen Stände zum Aufstand
gegen die Habsburger zu bringen und damit den Krieg
erfolgreich zu beenden. Obwohl Thurn Anfang Juni mit einer
sehr viel geringeren Heeresmacht vor Wien aufgetaucht
war – es dürften 10000 Mann gewesen sein, die sich bis zum
Abzug Mitte Juni auf 5000 Mann verringerten –, waren seine
Erfolgsaussichten damals erheblich größer gewesen als
jetzt. Als sich die Truppen beim ersten Vorstoß am 5. Juni
den Vorstädten Wiens näherten, war die Stadt nämlich so
gut wie nicht verteidigungsbereit. [23] Ferdinand, der sich zu
dieser Zeit in Wien aufhielt, reagierte auf die Bedrohung,
indem er seine geistlichen Übungen verdoppelte;
gleichzeitig erteilte er die Anweisung, die in der näheren
Umgebung stehenden eigenen Militärverbände umgehend
nach Wien in Marsch zu setzen. Am Vormittag des 5. Juni
empfing er die protestantischen Landstände zu einer
Audienz, bei der diese von ihrem Landesherrn in harschem
Ton verlangten, den Krieg gegen die böhmischen
Glaubensgenossen zu beenden und in den österreichischen
Erblanden dieselbe Religionsfreiheit zu gewährleisten, die
den Böhmen im Majestätsbrief zugestanden worden war. Es
ist unklar, ob sich die Szene tatsächlich so zugetragen hat
oder ob es sich um eine nachträgliche Stilisierung zu einem
Mythos des historischen Augenblicks handelt. Jedenfalls
wird berichtet, Ferdinand habe dieses Ansinnen in großer
Ruhe und Gelassenheit zurückgewiesen, woraufhin die
Ständevertreter eine drohende Haltung eingenommen
hätten. Just in diesem Moment seien vier Kornetts des
Kürassierregiments Dampierre in die Wiener Hofburg
eingeritten, womit sich die Lage sofort verändert habe. Die
Ständevertreter hätten sich schleunigst entfernt, und die
«fünfte Kolonne», die in Wien bereitgestanden habe, um den
vor der Stadt stehenden Böhmen die Tore zu öffnen, habe
sich eine solche Aktion nicht mehr zugetraut und sei untätig
geblieben. Da Thurn die Voraussetzungen für eine
Belagerung der Stadt oder gar ihrer Erstürmung fehlten,
trat er eine Woche später den Rückzug an. Wahrscheinlich
nötigte ihn dazu auch der militärische Erfolg, den die in
Böhmen operierenden kaiserlichen Verbände unter Bucquoy
bei Sablat errungen hatten. Mansfeld hatte unvorsichtig
agiert und war in eine Falle gegangen. Seine Söldner hatten
erhebliche Verluste erlitten, und das in Österreich stehende
Heer der Böhmen geriet in Gefahr, von seinen rückwärtigen
Verbindungen abgeschnitten zu werden. [24] «Der Zug des
Grafen Thurn gegen Wien», so das Urteil Moriz Ritters,
«bezeichnete einen Höhepunkt, aber auch die vorläufige
Grenze der böhmischen Erfolge.» [25]
Der neuerliche Vorstoß auf Wien Ende November 1619
verlief nach demselben Muster – allerdings befanden sich
dieses Mal von Anfang an starke Verbände in Wien, so dass
an einen Sturm trotz der sehr viel größeren Zahl der
Angreifer nicht zu denken war. [26] Bucquoy war nämlich
nicht in Böhmen geblieben, sondern hatte sich nach Wien
zurückgezogen, wo die Einquartierung seiner Soldaten in
Bürgerhäusern für erhebliche Unruhe sorgte. Eine längere
Belagerung der Stadt kam für die Böhmen nicht in Frage, da
die Versorgung einer so großen Armee zu viele Probleme mit
sich gebracht hätte. Der Einfall polnischer leichter Reiter
nach Siebenbürgen veranlasste Bethlen und mit ihm auch
Thurn schließlich zum Rückzug. Es war das letzte Mal, dass
die Böhmen zu einer strategischen Offensive in der Lage
waren, denn nun stellte Bethlen Gábor das Bündnis mit der
Confoederatio Bohemica in Frage. Für ihn zeichnete sich ab,
dass er in das Bündnis mehr investieren musste, als er im
günstigsten Fall an Gewinn einstreichen konnte. Er schloss
mit dem Kaiser einen Vertrag, der ihn und seine Nachfolger
in den Besitz größerer Teile Ungarns brachte. Ferdinand ließ
sich auf so weitgehende Konzessionen ein, weil er hoffte,
dadurch den Fürsten von Siebenbürgen auf längere Zeit
militärisch neutralisieren und sich ganz auf einen Krieg
gegen die Confoederatio Bohemica konzentrieren zu können:
Gegen sie wollte er im Jahr 1620 die Entscheidung
herbeiführen. Die Voraussetzung dafür schuf er, indem er
die Böhmen Schritt für Schritt von ihren Verbündeten
trennte und mögliche Nebenkriegsschauplätze schloss.
Dadurch war er in der Lage, alle verfügbaren Kräfte gegen
das Zentrum der antihabsburgischen Koalition einzusetzen.
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz
in Böhmen
Unterdessen zog Friedrich von der Pfalz mit großer Pracht
in Prag ein und ließ sich zum König von Böhmen krönen. Von
Heidelberg aus war er zunächst nach Amberg gereist, dem
Verwaltungszentrum der Oberpfalz, wo der kaiserliche
Gesandte Graf Fürstenberg ihn noch einmal von seinem
Vorhaben, die böhmische Königskrone anzunehmen,
abzuhalten suchte. Er brachte einen eigens dafür
einberufenen Reichstag ins Gespräch, auf dem alle
kontroversen Fragen geklärt werden sollten. Von einem
Reichstag, so Friedrichs Entgegnung, sei keine Lösung zu
erwarten, wie ja auch die letzten Reichstage zu nichts
geführt hätten, und was die böhmische Krone anbetreffe, so
wolle er sich diese Frage noch offenhalten. [1] Nach
einwöchigem Aufenthalt in Amberg reiste der Kurfürst bis
zur böhmischen Grenze, wo ihn eine Delegation aus Prag
erwartete, die ihn als neuen König begrüßte. Von dort zog
der über 500 Personen umfassende Hofstaat über Eger
weiter nach Prag, wo man am frühen Morgen des
31. Oktober ankam. Prächtige Kutschen, über 1000 reich
ausstaffierte Reiter, zahllose Bürger, die Spalier standen –
der Einzug Friedrichs soll etwa 50000 Gulden gekostet
haben. Das war in Anbetracht der Soldrückstände, unter
denen die Armee litt und die gerade im Winter 1619/20
dramatische Ausmaße annahmen, eher unangemessen.
Ludwig Camerarius, einer der Friedrich begleitenden Räte,
stellte dazu in einem Brief an den kurpfälzischen Kanzler
Johann Christoph von der Grün fest: «Meo judicio [nach
meinem Urteil] wäre das Geld zu Zahlung des Kriegsvolks
besser angelegt gewest.» [2]
Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, wird im Prager Veitsdom zum König von
Böhmen gekrönt. Die Zeremonie wird nicht von dem Prager Erzbischof
vorgenommen, sondern von dem utraquistischen Administrator Georg Dicastus.
Friedrich ist umgeben von den Direktoren der Confoederatio Bohemica, die ihm
huldigen, indem sie die Krone berühren. An der Zeremonie nehmen nur wenige
Reichsfürsten teil; sie sitzen auf den bezifferten Plätzen am linken unteren
Bildrand, wo sie als Beglaubiger der Krönung dienen. Der zeitgenössische Stich
zeigt, wie man Friedrich salbt, ihm den Königsmantel anlegt und die Krone
aufsetzt.
Ein satirisches Flugblatt auf die Versuche des als «Winterkönig» verspotteten
Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, wieder in den Besitz des in der Schlacht am
Weißen Berg verlorenen Königreichs Böhmen zu gelangen. Auf dem linken
Bilddrittel reißt der kaiserliche Adler dem am Boden liegenden Friedrich die Krone
vom Kopf; das Szepter in Friedrichs Hand ist zerbrochen. Die im geöffneten Zelt
hinter dem Adler stehenden Kurfürsten statten diesen mit neuen Federn aus: von
Oppenheim über Creütznach bis Simmeren Städte aus Friedrichs
Herrschaftsgebiet. Das mittlere Bilddrittel zeigt Friedrich auf dem Heidelberger
Fass («vorzeit voll Wein jetzt bodenloß») mit einem Affen sitzend; der Genuss des
böhmischen Bieres ist ihm nicht bekommen, und so speit er «Länder / Stätt und
Cron», die er sich einverleibt hatte, wieder aus. Die drei Männer, die den
Fasswagen ziehen, hoffen im Gasthof Geld und Gut zu bekommen, werden aber
abgewiesen, während die Räte, die den Pfalzgrafen zu dem böhmischen
Abenteuer verführt haben, niedergeschlagen dem Wagen folgen; über ihnen
einige Vögel, die vom Zelt wegfliegen: «Die Predicanten mit Geheul / Fliegen
davon wie Kauz und Eul.» Noch aber ist Hoffnung: Ein mit Gold beladener Esel
lockt englische Soldaten herbei, und ein dahinjagender Reiter steht für die Hilfe
aus dem Südosten: «Bethlen kombt / bringt Türcken mit.»
Das war auch in der Schlacht bei Höchst der Fall: Aus der
von Christian gewählten Aufstellung – der Anlehnung seines
rechten Flügels an das Sumpfgebiet der Nidda vor deren
Mündung in den Main und der Anlehnung des linken Flügels
an den Schäferberg, eine kleinere Erhebung in dem sonst
eher ebenen Gelände – schlussfolgerte Tilly, dass Christians
Attacke bei Sossenheim erfolgen würde, weshalb er dem
Dorf gegenüber seine zwölf Kanonen aufstellte. [24] In ihrem
konzentrischen Feuer erlitt Christians Kavallerie schwere
Verluste; es gelang ihr nicht, bis zu den gegnerischen
Kanonen vorzudringen, um diese auszuschalten, geschweige
denn Tillys Infanterie in Unordnung zu bringen. Es kam
hinzu, dass von den drei Geschützen, die Christian südlich
von Sossenheim am Knick des Sulzbachs zur Unterstützung
des Angriffs aufgestellt hatte, eines aufgrund von
Überladung zerbarst und ein weiteres durch einen
Volltreffer seitens Tillys Artillerie zerstört wurde. Christians
Kanoniere waren unerfahren, die Tillys hingegen Meister
ihres Fachs. Christian ließ wegen des ins Stocken geratenen
Kavallerieangriffs seine Infanterie vorrücken, woraufhin
auch Tilly seine Infanteriemassen zum Angriff vorgehen ließ.
Sossenheim fiel in die Hände von Tillys Truppen, und damit
war die Position Christians unhaltbar geworden.
Merians Kupferstecher, der den Kampf zwischen Tilly und Christian von
Braunschweig um den Mainübergang im Juni 1622 festgehalten hat, war, da im
nahe gelegenen Frankfurt tätig, mit den geographischen Verhältnissen gut
vertraut. Die Mündung der Nidda in den Main ist gut zu erkennen. Gekämpft wird
auf der linken Bildhälfte, wo die Infanterieformationen stehen und der Rauch
abgefeuerter Kanonen zu sehen ist. In der unteren Bildmitte das befestigte
Höchst, davor, ganz am unteren Bildrand, Trosswagen und Kavalleristen, die der
Brücke über den Main zustreben, dem Nadelöhr des Rückzugs, wo das Desaster
für Christian seinen Lauf nahm.
Die Verluste beider Seiten waren mit 2000 bis 3000 Mann
etwa gleich groß, und beide beanspruchten hernach den
Sieg für sich: Mansfeld und Christian, weil sie den
Durchbruch erzwungen hatten, die Spanier, weil sie nach
dem Durchzug der Söldner das Schlachtfeld wieder besetzen
konnten, was üblicherweise als Zeichen des Sieges galt. In
diesem Fall aber täuschte die Symbolik, denn strategisch
hatten sich Mansfeld und Christian durchgesetzt, und
Córdoba hatte die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllt. Als
die Truppen Anfang Oktober vor Bergen op Zoom eintrafen,
mussten die Spanier die Belagerung aufheben. Das war ein
herber Rückschlag für sie, zumal sie auf einen schnellen und
durchschlagenden Erfolg gesetzt hatten. Der lag nun in
weiter Ferne.
Bei den von ihm angeführten Kavallerieattacken hatte
Christian einen Schuss in den Arm bekommen; einige
sprechen von einem Durchschuss der linken Hand, andere
von einem Einschuss vier Finger oberhalb des Ellbogens. [9]
Vorerst war keine Zeit, die Wunde zu behandeln, da das
Heer eilends weiterziehen musste. Nach einigen Tagen hatte
Wundbrand den Arm befallen, und als das Heer in Breda,
einer Festungsstadt der Generalstaaten, angelangt war,
musste der Arm amputiert werden. Die Art, wie Christian
diese Amputation vornehmen ließ, war typisch für den
«tollen Halberstädter»: Sie fand in Anwesenheit des Heeres
statt, jedenfalls der braunschweigischen Truppen, und
Christian ließ während des Schneidens und Sägens die
Trommel schlagen, um seine Schmerzensschreie zu
übertönen. Christian tat alles, um den Eindruck zu
vermeiden, er werde als Versehrter nun aus dem
Kriegsgeschehen ausscheiden. Als er nach der Amputation,
so berichtet das Theatrum Europaeum, in Breda das Bett
hüten musste, ließ er einen spanischen Trompeter, der sich
wegen des Austauschs von Gefangenen in der Stadt aufhielt,
an sein Lager kommen und trug ihm auf, «dem Spinola zu
sagen, der tolle Herzog hätte zwar seinen einen Arm
verloren, aber den anderen behalten, sich an seinen Feinden
zu rächen» [10]. Seinem Bruder schrieb Christian, «und ob
zwar der eine Arm großen Mangel erlitten, so verhoffen
[wir] doch dem Vaterlande noch mit dem übrigen gute
Dienste zu erweisen» [11]. Aus der bei Fleurus gemachten
Beute ließ er Münzen mit der Aufschrift «Altera restat»
schlagen – der andere ist geblieben. Das war, wie auch die
Spínola zugesandte Botschaft, als Beleg eines
Durchhaltewillens zu verstehen.
Symbolkrieg, Propagandakrieg und die
Übertragung der Kurwürde
Christian von Braunschweig wusste um den Wert politischer
Symbole und hatte eine ausgeprägte Neigung zu großen
Gesten. Solche hatte er bereits gezeigt, als er aus dem
Paderborner Domschatz «Pfaffenthaler» schlug oder als er
den Handschuh Elisabeths, den diese hatte fallen lassen,
erst wieder zurückzugeben versprach, wenn sie durch seine
Hilfe als böhmische Königin nach Prag zurückgekehrt sei.
Als er 1623 die Niederlande verließ, um im
niedersächsischen Kreis Truppen zu werben, die den Krieg
um die Pfalz wiederaufnehmen sollten, ließ er auf seiner
Leibfahne die Parole Tout pour Dieu et pour Elle anbringen:
Für Gott und für Sie, womit Elisabeth gemeint war. Andere
Fahnen trugen neben dem Namenszug Christians die
Aufschrift Recuperare aut mori, Zurückgewinnen oder
Sterben, womit das Programm seiner Kriegführung umrissen
sein sollte. [1] Die Parole Tout pour Dieu et pour Elle war
jedoch nicht nur eine Reverenz an die Gemahlin Friedrichs,
sondern zugleich auch eine Verhöhnung Tillys, der ein
glühender Marienverehrer war und dessen Leibregiment
Fahnen mit Symbolen der Marienverehrung führte. Eine
davon zeigte die Wallfahrtskapelle von Altötting, die Tilly
selbst mehrfach aufgesucht hatte, und oberhalb der Kapelle
Maria mit dem Jesuskind im Strahlenkranz. [2] Tillys
Kommandofahne, die in der Schlacht von Breitenfeld in
schwedische Hände fiel – sie wird heute als Trophäe aus
dem Dreißigjährigen Krieg in Stockholm aufbewahrt –, trug
die auf Bernardino da Siena zurückgehende Symbolik
«IHS» – für griechisch Iesous, Hyos, Soter: Jesus, Sohn
(Gottes), Retter/Heiland –, und auf dem Querbalken des «H»
war ein Kreuz mit Maria und Johannes sowie ein von Lanzen
und Kreuznägeln durchbohrtes Herz zu sehen. Es war die
marienzentrierte Heiligensymbolik des
gegenreformatorischen Katholizismus, die Tilly als
militärische Emblematik nutzte, um deutlich zu machen,
worin die Legitimation seines Kampfes bestand. Höhepunkt
dieser Marienverehrung war im Jahr 1638, also noch
während des Krieges, die Errichtung der Mariensäule im
Zentrum Münchens: Maria als Patrona Bavariae,
Schutzheilige Bayerns, ist darauf umgeben von vier Putten,
die als Kämpfer gegen Hunger, Pest, Krieg und Ketzerei
dargestellt werden – die gegenreformatorische Variante der
vier apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des
Johannes. [3]
Die böhmischen Reformierten hatten gegen den
katholischen Marienkult opponiert, indem sie auf den
Bildern, die in ihre Hände fielen, den Heiligen und vor allem
der Mutter Gottes die Augen ausstachen. Das war eine
demonstrative Provokation, ergab aber keine eigene
politisch-religiöse Symbolik. Der «tolle Halberstädter» war
da mit der Aufschrift Tout pour Dieu et pour Elle einen
Schritt weiter; der Elisabeth-Bezug war eine Symbolik seines
ritterlichen Minnedienstes, spielte aber für die Soldaten
seines Heeres keine Rolle. Christian hatte offenbar ein
Gespür für die symbolpolitische Schwachstelle des
Protestantismus – was Mansfeld dagegen völlig abging –,
konnte jedoch keine wirkliche Lösung anbieten. Das pour
Elle blieb auf ihn und die Verhöhnung Tillys beschränkt.
Dem «geharnischten Mönch» wurde eine für ihre
körperliche Schönheit gerühmte Frau entgegengestellt.
Die Belagerung einer Festung war somit nicht nur für die
Einwohner der befestigten Stadt eine Periode des Grauens,
sondern auch für die Landbevölkerung in einem Umkreis von
20 bis 30 Kilometern. Im Vergleich dazu war die
Feldschlacht ein Vorgang, der nur die Soldaten selbst betraf
und bei dem die Bauern sich Entschädigung verschafften,
indem sie nach dem Kampf auf dem Schlachtfeld erschienen
und die Toten und Schwerverwundeten ausplünderten. Von
mitgeführten Wertgegenständen bis zu den Stiefeln war für
sie alles von Interesse, was zur Folge hatte, dass auf einem
Schlachtfeld wenige Tage später zumeist nur noch nackte
Körper lagen, bei denen sich weder durch die Bekleidung
noch die als Erkennungszeichen getragenen Armbinden
feststellen ließ, welcher Seite die Toten einmal angehört
hatten. Nur die Leichen höherer Offiziere wurden geborgen
und ihren Familien überbracht, wie das Tilly mit dem bei
Lutter getöteten zweiten Sohn des Landgrafen von Hessen-
Kassel tat. [13] Die einfachen Soldaten ließ man liegen, und
neben den Bauern machten sich die Leute aus dem Tross des
siegreichen Heeres an die «Resteverwertung» des
Schlachtfelds. Als die Schweden am Tag nach der Schlacht
von Lützen ihren toten König Gustav Adolf suchten, war er,
als man ihn endlich fand, bereits völlig ausgeplündert. [14]
Und die Wallenstein’schen Kürassiere, die nach dem Gefecht
bei Landsberg an der Warthe nach ihrem Kommandeur, dem
Oberst Pechmann, suchten, fanden von ihm nur noch ein
paar Stücke seiner Rüstung. [15]
Die Belagerung Wolfenbüttels zog sich über drei Monate
hin. Ende November war Pappenheim klar, dass er, wenn die
Verteidiger nicht bald kapitulierten, die Belagerung
aufheben und in die Winterquartiere abziehen musste. Um
doch noch zum Erfolg zu kommen, ließ er die Bauern der
Umgebung zusammentreiben und einen Staudamm
aufschütten, durch den das Flüsschen Oker in die Stadt
hinein umgeleitet wurde und diese überflutete. Als Erstes
liefen die Keller voll, und bald standen auch die
Erdgeschosse der Häuser unter Wasser. [16] Am 9. Dezember
kapitulierten die Verteidiger Wolfenbüttels, nachdem sie für
sich freien Abzug herausgehandelt hatten. «Ich habe aber
die Maisten underwegs niederhaun, teils auch unterstoßen
lassen», schrieb Pappenheim in einem Brief an den
Markgrafen von Kulmbach. [17] Ritterlichkeit gab es nur sehr
begrenzt, wenn man es nicht mit adligen Standesgenossen
zu tun hatte: Wer von den Soldaten nicht in Pappenheims
Dienste treten wollte (was mit «unterstoßen» gemeint ist),
wurde kurzerhand niedergemacht.
Tilly brauchte das gesamte Jahr 1627, um den dänischen
Festungsgürtel Glied für Glied aufzubrechen. An einen
Vorstoß in die Territorien des Dänenkönigs war danach nicht
mehr zu denken. Das war die Art von Tillys strategischem
Vorgehen: Er wollte die Festungen nicht umgehen, sondern
sie erobern, bevor er sich auf einen Vorstoß nach Holstein
einließ. Die Folge war, dass Tilly dieses Mal gegenüber
Wallenstein das Nachsehen hatte. Der stand in Schlesien
zwar ebenfalls vor der Aufgabe, eine größere Anzahl von
Festungen erobern zu müssen, ging die Herausforderung
aber gänzlich anders an. Wallenstein befehligte im Frühjahr
1628 ein Heer von mehr als 100000 Mann, und das setzte er
für ein großes strategisches Projekt ein: Er wollte den Feind
in Schlesien innerhalb kurzer Zeit schlagen und gleichzeitig
verhindern, dass sich größere Verbände des dänischen
Heeres oderaufwärts bis zu dem zwischen Elbe und Havel
stehenden Markgrafen von Baden-Durlach zurückziehen
konnten, um mit diesem gemeinsam eine neue
Widerstandslinie zu bilden. Das hätte Wallensteins Vorstoß
nach Nordwesten, bei dem er Tilly zu überholen
beabsichtigte, verzögert oder aufgehalten. Nachdem er das
zurückliegende Jahr in Ungarn verloren hatte, wollte
Wallenstein den Dänenkrieg noch in diesem Jahr beenden –
und zwar so gründlich, dass Christian IV. sich danach nie
wieder in die Angelegenheiten des Reichs einmischen
würde. Also ließ er bereits im April den Unterlauf der Havel
und die Brücken über die Oder mit starken Kräften besetzen.
Dadurch sollte ein Netz gespannt werden, in dem aus
Schlesien entkommende Truppen gefangen und an der
Verbindung mit dem bei Havelberg stehenden Markgrafen
gehindert wurden. Die Havellinie war die letzte der
«Mausefallen», [18] die Wallenstein für die ihrer Vernichtung
in Schlesien entgangenen Truppen aufstellte. Dass er die
Truppen Christians zerschlagen würde, stand für ihn außer
Frage: Im Heerlager an der Neiße hatte er mehr als
40000 Mann zusammengezogen, um mit ihnen nach
Schlesien einzufallen. Er war dem Feind somit um fast das
Dreifache überlegen. Außerdem führte er einen gewaltigen
Geschützpark mit sich, dem die Mauern der nicht auf dem
neuesten Stand befindlichen Festungen Schlesiens kaum
standhalten würden.
Innerhalb von 24 Stunden kapitulierte die Garnison von
Leobschütz, und die meisten Soldaten wechselten in
Wallensteins Dienste; [19] in Jägerndorf wurde eine Woche
lang Widerstand geleistet, bevor die Verteidiger aufgaben;
schließlich hielten die Protestanten nur noch die starke
Festung Cosel an der Oder, bei der man mit einer längeren
Belagerung rechnete, aber Wallenstein fand einen Weg
durch das versumpfte Gebiet, das die Festung umgab, und
eroberte sie nach nur vier Tagen. Die dänische Kavallerie
entkam, was von Wallenstein offenbar beabsichtigt war,
wurde jedoch von Pechmanns Kürassieren an der Warthe
gestellt und aufgerieben. Teschen war als Nächstes dran,
danach Troppau, das mit zwei Wochen den längsten
Widerstand leistete. Ende Juli war Schlesien in Wallensteins
Hand.
Das Bild zeigt Wallensteins «Flotte» vor Wismar. Die Werftkapazitäten der
Ostseehäfen waren begrenzt, und der Bau von Schiffen kostete Zeit. Daran
scheiterte Wallensteins Vorhaben, innerhalb eines Jahres eine Flotte bauen zu
lassen, die es mit der Seemacht Dänemarks aufnehmen und die
Machtverhältnisse im Ostseeraum verändern konnte. Nur wenige Schiffe wurden
fertiggestellt, und diese wenigen kamen nicht zum Einsatz.
Am 23. Mai 1628 war Arnim mit 8000 Mann in das Hainholz
nahe von Stralsund eingerückt und hatte dort größere
Schanzen aufwerfen lassen. Damit begann im strengen Sinn
die Belagerung der Stadt. Der Kampf reichte freilich bis in
den Dezember 1627 zurück, als der kaiserliche Oberst Ernst
Georg Sparr den Rat der Stadt mit einer
Kontributionsforderung von 150000 Talern konfrontiert
hatte, wobei er ein Drittel umgehend einziehen wollte. [5] Bei
dieser Forderung handelte es sich um das übliche Verfahren
Wallensteins, Kontributionen zum Unterhalt des Heeres
einzutreiben: Nur wenn die Stadt zahle, werde sie von
Einquartierungen verschont bleiben. Die Stralsunder
erklärten sich nach längeren Beratungen bereit, 30000 Taler
zu zahlen, wollten aber Garantien dafür, dass ihnen
Einquartierungen dann auch tatsächlich erspart blieben, und
obendrein wollten sie diese Sonderzahlung auf die von ihnen
zu entrichtende Landsteuer angerechnet wissen. Sie
begannen also zu verhandeln, wie sie das als Kaufleute
gewohnt waren. Da sie dabei recht selbstbewusst auftraten,
anworteten Wallensteins Offiziere mit Drohungen. Der Rat
von Stralsund reagierte darauf, indem er die Bürgerschaft in
Verteidigungsbereitschaft versetzte. Zusätzlich zu den
4000 Mann, die zur Verfügung standen, wurden 500 Söldner
angeworben. Außerdem wurden die Wälle, Mauern und
Türme der Stadtbefestigung instandgesetzt und die
80 Kanonen, die in den städtischen Arsenalen standen, in
Stellung gebracht. [6]
Im Theatrum Europaeum [7] wurden die Zurüstungen
Stralsunds so beschrieben: «Wie nun die Stralsunder
gemerkt, daß es ernst werden wollte, haben sie sich zur
Gegenwehr aufs beste, [wie] sie konnten, gefaßt gemacht,
die Stücke [Kanonen] auf die Wälle gezogen, und etlichen
hohen Häusern die Dächer abgebrochen, dieselben obenher
mit Wasen [ausgestochenen Rasenstücken] und Erden, damit
ihnen nicht leicht die Feuerkugeln und Granaten schaden
möchten, beschüttet und Geschütz darauf gestellt. […] Und
damit nicht zuviel an Proviant in der Stadt verzehrt, noch
einige Zagheit unter ihnen verursacht werden möchte,
haben etliche ihre Weib und Kinder samt ihrem besten
Schatz an Gold, Silber und anderem Mobilien zur Vorsorge
beseits geschafft und auf Schiffen nach Lübeck, Hamburg
und andern Orten abführen lassen und nur alte
Weibspersonen zum Kochen und Waschen, heiß Wasser,
Pech und andere Sachen zum Sturm zu bereiten, bei sich
behalten.» [8]
Arnim hatte die der Stadt vorgelagerte Insel Dänholm
besetzen lassen; er hoffte, von dort aus die Zufahrt der
Schiffe nach Stralsund blockieren zu können. In Stralsund
reagierte man darauf mit einer Gegenblockade der Insel, um
die Soldaten von Munitions- und
Versorgungsgüterlieferungen abzuschneiden. Als Oberst
Monro sich mit drei Kompanien schottischer Infanteristen
Stralsund näherte, dessen Verteidiger er im Auftrag des
dänischen Königs verstärken sollte, wurde sein Schiff von
Dänholm aus unter Feuer genommen, um es zur Umkehr zu
zwingen. «Am 28. Mai [= 7. Juni]», so Monro in seinem
Bericht, «kamen wir nicht ohne Gefahren zu Wasser und zu
Lande in die Stadt Stralsund hinein. Die kaiserliche Armee
lag davor und hatte ihre Batterien ganz nahe am Wasser
stehen. Als wir hineinsegelten, schossen sie unseren Mast
ab, nachdem wir schon vorher auf Grund gelaufen waren, so
daß wir nun in Gefahr gerieten, zu ertrinken oder getötet zu
werden.» [9] Doch das Schiff kam wieder frei, und die
schottischen Soldaten wurden in Stralsund angelandet. Die
neuen Einheiten wurden dringend benötigt. «Wir stellten
uns auf dem Marktplatz auf, wurden aber sofort
losgeschickt, die Stellungen am Frankentor einzunehmen,
um die andere Abteilung [die bereits früher in Stralsund
eingetroffenen Kompanien des schottischen Regiments]
abzulösen, die dort drei Tage und Nächte Wache gehalten
hatte, denn das war der schwächste Abschnitt der ganzen
Stadtbefestigung und die einzige Stelle, die vom Feind
angegriffen wurde. […] Wir hielten dort 48 Stunden Wache,
bis wir von der anderen Abteilung wieder abgelöst wurden,
und das ging singulis noctibus per vices [alle Nächte im
Wechsel] sechs Wochen lang, so daß ich nicht aus den
Kleidern kam, ausgenommen, ich wechselte den Anzug oder
die Wäsche.» [10]
Inzwischen ließ Arnim die Stadt regelmäßig des Nachts
bestürmen; als er schließlich feststellen musste, dass er es
nicht mehr nur mit bewaffneten Bürgern, sondern mit
erfahrenen Soldaten zu tun hatte, wechselte er das
Vorgehen und ließ die Stadt durchgehend mit Kanonen und
Mörsern beschießen. Als Mörser bezeichnet man
Steilfeuergeschütze mit kurzem Rohr, die vorzugsweise bei
der Belagerung von Städten eingesetzt wurden. Sie
verschossen Hohlgranaten mit Spreng- oder Brandladung,
die in der Stadt selbst – und nicht etwa an deren
Umwallung – Zerstörungen anrichten und Brände auslösen
sollten. Aufgrund ihrer ballistischen Flugbahn
durchschlugen sie die Gebäude von oben her, wo diese am
wenigsten geschützt waren und die Granaten die größte
Durchschlagskraft hatten. Auch Monro musste mit solchen
Geschossen Erfahrungen machen, als er infolge einer
Verwundung nicht auf Wache stand, sondern sich in einem
Notlazarett in der Stadt befand: Eine Sprengkugel
durchschlug die Unterkunft vom Dach bis zum Erdgeschoss,
wo Monro lag und sich nicht bewegen konnte. «Ich befahl
meine Seele in Gottes Hand und dachte bei mir, daß der gut
beschützt ist, den der Herr beschützt. Und da er mich schon
aus so vielen Gefahren errettet hatte, vertraute ich ihm, Er
werde nicht zulassen, daß ich unter Mauertrümmern
ersticke.» [11] Nach einigen Tagen stellte Arnim den
Beschuss ein und nahm wieder Verhandlungen auf; er wollte
erreichen, dass die schottischen Truppen in dänischen
Diensten aus Stralsund abzogen. [12] Wallenstein selbst, der
sich auf dem Weg zu den Belagerern befand, hatte die
neuerlichen Gespräche befürwortet, seinem Feldmarschall
Arnim aber gleichzeitig verboten, es zu einem Abschluss
kommen zu lassen; es gehe bloß darum, «die Verteidiger
schläfriger zu machen». [13]
Tatsächlich hatte jedoch der Kaiser nach einem Gutachten
seines Hofkriegsrats Wallenstein dringlich von weiterer
Gewaltanwendung gegen Stralsund abgeraten, um zu
verhindern, dass sich weitere Hansestädte in die
Botmäßigkeit der Dänen oder Schweden begaben. Damit
war das Dilemma der kaiserlichen Seite umrissen: Sie hatte
ein Interesse daran, den Krieg gegen Christian IV. bald zu
beenden, entfernte sich von diesem Ziel aber immer mehr, je
stärker die Hansestädte infolge des auf sie ausgeübten
Drucks die Dänen oder auch die Schweden zu Hilfe riefen.
So dauerte der Krieg fort, während die Klagen über die
Belastungen durch die Truppen Wallensteins immer lauter
wurden. Der Kaiser äußerte nur Bedenken und überließ es
Wallenstein, damit umzugehen, wie er dies für richtig hielt.
Aber auch Wallenstein war unschlüssig, welches Verhalten
Stralsund gegenüber richtig sei. Das erklärt die bedächtige
Langsamkeit, mit der er sich von Prag aus, wo er mit dem
Kaiser konferiert hatte, zu seinen Truppen vor Stralsund
begab. Der Widerstand der Stadt hatte die strukturelle
Schwäche der kaiserlichen Position an der Ostseeküste
offengelegt.
Nachdem Wallenstein am 26. Juni bei den Belagerern
eingetroffen war und ihnen Verstärkungen zugeführt hatte,
ließ er in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli erneut angreifen.
[14] Die Angreifer hatten jedoch das Problem, dass sie nur an
wenigen Stellen über Land bis an die Wälle, Mauern und
Tore der Stadt vordringen konnten, da die
Verteidigungsanlagen sonst von Wasser umgeben waren und
ein Angriff mit Booten keinerlei Erfolgschance hatte. Die
Tore und deren unmittelbare Umgebung stellten aus Sicht
der Verteidiger die neuralgischen Punkte der
Stadtbefestigung dar. Hier hatte man zur Verstärkung
Dreiecksschanzen, sogenannte Ravelins, aufgeworfen, so
dass die Angreifer zunächst diese Außenwerke überwinden
mussten, bis sie zum Tor vordringen konnten. Während
Arnim alle drei Tore der Stadt, zu denen es Zugänge gab,
gleichzeitig angegriffen hatte, konzentrierte Wallenstein sich
auf das Frankentor, wo er sich die besten Chancen
ausrechnete. In drei Abteilungen wurden etwa 4000 Mann
Fußvolk gegen dieses Tor und seine Vorfeldbefestigungen
zum Sturm geführt. Monro berichtet: «Zwischen 10 und
11 Uhr nachts gaben unsere Wachtposten Feuer und riefen
uns zu den Waffen. Als wir aufsprangen, sahen wir schon,
wie der Feind in einer Stärke von über 1000 Mann unter
dem Ruf ‹Sa Sa Sa Sa Sa Sa› heranstürmte.» [15] – «Ich halte
es für angebracht», hat Monro das Sturmgeschrei der
Angreifer später kommentiert, «hier etwas über die
Angewohnheit der Kaiserlichen zu sagen, die beim Angriff
wie die Türken brüllten, als ob Gebrüll entschlossene
Soldaten erschrecken könnte.» [16]
Es gelang den Angreifern, eine erste Schanze zu nehmen
und in den Raum zwischen Schanze und Tor einzudringen,
aber sie vermochten sich dort nicht festzusetzen, sondern
wurden durch einen entschlossenen Gegenangriff
schwedischer Kompanien unter Oberst Rosladin
zurückgeworfen. [17] So wogte der Kampf die ganze Nacht
hin und her, und als sich die Angreifer im Morgengrauen
zurückzogen, hatten sie über 1000 Mann verloren, aber
nichts erreicht. Dem standen Verluste von etwa 200 Mann
auf Seiten der Verteidiger gegenüber. Wallenstein erkannte,
dass Stralsund, nachdem kriegserprobte Einheiten die
Verteidigung übernommen hatten, nicht im Sturm zu
nehmen war. Hätte er es nur mit bewaffneter Bürgerschaft
und ein paar hundert Söldnern zu tun gehabt, so wäre die
Stadt in der Nacht vom 7. zum 8. Juli wohl gefallen. Die
Gegenangriffe der Verteidiger zeigten, dass sie sich nicht
demoralisieren ließen und standhalten würden. Außerdem
erhielten sie über See regelmäßig Verstärkungen, dazu
Verpflegung und Munition, so dass sie eine Belagerung
durchzuhalten vermochten, so lange sie auch dauern würde.
Das hätte sich nur ändern lassen, wenn Wallenstein über
eine kriegsstarke Flotte verfügt hätte. «Ich habe wohl bei
dreizehn Schiffe, aber mit keinem kann ich auf die See»,
schrieb er damals an Collalto, «denn Gabriel de Roi hat die
Matrosen und Büchsenmeister entlassen.» [18] Also begann
Wallenstein wieder zu verhandeln.
Doch auch in den Verhandlungen konnte er seinen Willen
nicht durchsetzen: Weder wurden die fremden Truppen
abgezogen, noch nahm die Stadt eine kaiserliche Garnison
auf, und zu einer Geldzahlung an den Kaiser war sie auch
nicht bereit. Im Gegenteil: An die Stelle des dänischen
Einflusses in Stralsund trat eine zunehmende Abhängigkeit
von Schweden. Es war der Herzog Bogislaw von Pommern,
der durch fortgesetzte Vermittlungsdienste schließlich ein
Übereinkommen zustande brachte, das Wallenstein
ermöglichte, die Belagerung ohne gravierenden
Gesichtsverlust aufzuheben. Hinzu kam der große Sieg über
die dänische Armee, den er am 2. September bei Wolgast
errang und der die Schlappe von Stralsund verdeckte.
Gegenüber dem Kaiser versuchte er, die vergebliche
Belagerung als eine belanglose Episode darzustellen, aber
diese Darstellung entsprach keineswegs der tatsächlichen
Lage: Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt war nun
definitiv am Ende. Wie gezeigt, [19] war es zuvor ohnehin
nicht gut vorangekommen, und die Hansestädte, die man für
einen Erfolg brauchte, hatten die Verhandlungen über die
Bereitstellung von Schiffen immer wieder hinausgezögert.
Wallensteins hartes Auftreten gegenüber Stralsund dürfte
nicht zuletzt den Zweck gehabt haben, die Hansestädte
angesichts der kaiserlichen Forderungen gefügig zu machen.
Das war gründlich misslungen. Nach dem Fehlschlag von
Stralsund würden sie sich erst recht nicht auf ein Bündnis
mit dem Kaiser gegen Dänemark und Schweden einlassen;
der angeschlagene Christian war auf See nach wie vor ein
Machtfaktor, und Gustav Adolf hatte gezeigt, dass mit ihm
zu rechnen war, wenn es darauf ankam.
Im Sommer 1628 haben sich auf den Verteidigungswällen
von Stralsund und in den Angriffsgräben vor den Toren der
Stadt die Machtverhältnisse im Norden wieder verschoben,
und daran vermochte auch Wallensteins eindrucksvoller Sieg
bei Wolgast nichts zu ändern. Wallenstein zog daraus die
Konsequenz, auf einen schnellen Friedensschluss mit
Dänemark zu drängen.
Der Lübecker Friedensschluss und das
kaiserliche Restitutionsedikt
Bislang hatten die weitreichenden Forderungen des Kaisers
und der Liga gegenüber Christian von Dänemark die
Aufnahme von Friedensverhandlungen unmöglich gemacht.
Es kam freilich noch ein weiteres Problem hinzu, das eher im
Hintergrund eine Rolle spielte, und das war die stete
Forderung der Reichsstände nach einer deutlichen
Verringerung der Truppen. Die Frage dabei war, welche
Einheiten aufgelöst werden sollten: die des Kaisers oder die
der Liga. Seitens der katholischen Reichsstände ging es vor
allem um die Verkleinerung des Wallenstein’schen Heeres,
wozu der Kaiser durchaus bereit war, wenn auch ligistische
Regimenter aufgelöst würden. Doch wer sollte den Anfang
machen, und wie sollte das Abrüstungsverhältnis zwischen
Wallensteins Heer und dem sehr viel kleineren Heer der
Liga aussehen? Wie ließ sich vermeiden, dass die so
dringlich gewünschte Abrüstung auf eine Entwaffnung der
katholischen Reichsstände hinauslief? Es war das
Misstrauen der Verbündeten untereinander, das der
Aufnahme von Friedensgesprächen mehr entgegenstand als
ihr Verhältnis zum Feind. So legte Kurfürst Maximilian
plötzlich wieder großen Kriegseifer an den Tag und ließ
seinen Feldmarschall Pappenheim einen Plan ausarbeiten,
wie die dänischen Inseln doch noch angegriffen und
Christian seiner restlichen Macht beraubt werden könne. [1]
Wallenstein wies den Vorschlag Pappenheims jedoch mit der
Bemerkung zurück, es gebe bequemere Mittel, mit den
Dänen zu Rande zu kommen. Ihm ging es um zügige
Friedensverhandlungen, und dabei wollte er es sein, der die
Verhandlungen führte. Deswegen lehnte er auch die
mehrfach angebotene Vermittlerrolle des Herzogs Friedrich
von Schleswig-Holstein-Gottorf ab. Um Herr der
Verhandlungen zu sein, musste Wallenstein mit Christian
direkt verhandeln. Es war eine Reihe verwirrender
Schachzüge, die im Vorfeld der Lübecker Verhandlungen
getätigt wurden und die mehr mit den Machtverhältnissen
im Reich als mit dem zukünftigen Verhältnis zu Dänemark zu
tun hatten.
Andererseits war es naheliegend, die Verhandlungen bald
zu beginnen und zügig zu führen, da England gerade in
einen Krieg gegen Frankreich verwickelt war, in dem es um
die Unterstützung der Hugenotten in La Rochelle ging, so
dass der dänische König nicht mit einer größeren
Unterstützung durch die Engländer rechnen konnte, wie die
Haager Allianz sie vorgesehen hatte. Die Zerstrittenheit der
antihabsburgischen Mächte führte auch dazu, dass Spanien
seine Erwartungen gegenüber Kaiser und Liga erhöhte:
Beiden Mächten hatte man in den zurückliegenden Jahren
immer wieder unter die Arme gegriffen, und nun sollten sie
Spanien im Kampf gegen die Niederlande helfen. Wenn
Kaiser und Liga nicht in wirtschaftlicher Hinsicht über das
Ostseeprojekt, auf das man in Madrid so große Hoffnung
gesetzt hatte, Druck auf die Niederlande ausüben würden,
dann musste dieser Druck eben in militärischer Form
hergestellt werden, etwa indem Teile des kaiserlichen oder
des ligistischen Heeres an der niederländischen Grenze
zusammengezogen wurden. Mit dieser Vorstellung konnten
sich einige Liga-Mitglieder überhaupt nicht anfreunden, weil
das hieß, dass ein erheblicher Teil des Heeres in ihren
Territorien einquartiert wurde. Wenn man denn Spanien
Hilfe leisten müsse, so rieten sie, solle man das in Italien
tun, wo der Streit um die Nachfolge des kinderlosen Herzogs
von Mantua zu eskalieren drohte, weil Spanien und
Frankreich unterschiedliche Nachfolgekandidaten
favorisierten. [2] Die Truppen sollten demnach nicht nach
Westen, sondern nach Süden verlegt werden. Die
Voraussetzung für das eine wie das andere aber war die
Beendigung des Krieges mit Dänemark.
Drei Fragen standen einem baldigen Beginn der
Friedensverhandlungen entgegen: Es galt zu entscheiden,
wo die Gespräche stattfinden sollten; wer bei den
Gesprächen auf Seiten von Kaiser und Liga federführend
sein würde; und schließlich, wie die Bedingungen für einen
Friedensschluss aussehen sollten. Alle diese Fragen hingen
miteinander zusammen. Da die zuletzt von Wallenstein und
Tilly formulierten Bedingungen für die dänische Seite nicht
annehmbar waren, musste man sich aufeinander zubewegen,
aber wer sollte auf kaiserlich-ligistischer Seite die
erforderlichen Konzessionen bewilligen? Die Entscheidung
über den Ort der Verhandlungen war so etwas wie ein
Präjudiz für die Konzessionsbereitschaft beider Seiten. Das
waren dieselben Fragen, die auch bei der Vorbereitung der
Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück
eineinhalb Jahrzehnte später eine zentrale Rolle spielen
sollten; in beiden Fällen führten sie dazu, dass die
Verhandlungen nicht sogleich in Gang kamen.
Was den Ort der Verhandlungen anbetraf, war die
Verständigung am leichtesten. Wallenstein hatte Kiel oder
Lauenburg vorgeschlagen, was Christian nicht akzeptieren
wollte, da beide Orte in den vom Gegner besetzten
Territorien seines Reichs lagen und dort geführte
Friedensverhandlungen ein Symbol der dänischen
Niederlage gewesen wären. Christian hatte stattdessen
Hamburg und Lübeck vorgeschlagen, Hansestädte, die nicht
am Krieg beteiligt gewesen waren und somit als neutral
angesehen werden konnten. Man einigte sich auf Lübeck.
Beim Problem der Verhandlungsführerschaft ging es um die
Rangfolge zwischen Kaiser und Bayernherzog
beziehungsweise Wallenstein und Tilly. Die Liga bestand
darauf, dass Tilly nicht als «Assistenzrat und Adjunkt,
sondern als ein kaiserlicher Mitkommissarius» an den
Verhandlungen beteiligt sein solle, [3] wogegen man in Wien
nichts einzuwenden hatte, solange der Vorrang Wallensteins
gegenüber Tilly gewahrt blieb. Ausweichend reagierte man
in Wien hingegen auf die Forderung Maximilians, das
Ergebnis der Verhandlungen müsse von den Kurfürsten
gebilligt werden. Das würde heißen, so der Einwand aus
Wien, dass die beiden protestantischen Kurfürsten, der
Sachse und der Brandenburger, auf die Verhandlungen
Einfluss gewännen, was man in Wien unter allen Umständen
verhindern wollte. Man verwies stattdessen die katholischen
Kurfürsten darauf, dass sie durch Tilly ja an den
Verhandlungen beteiligt seien.
Die Friedensbedingungen, die von den Siegern vorgelegt
wurden, ließen indes keine schnelle Einigung erwarten:
Christian, so der den Dänen am 12. März 1629 offiziell
übergebene Friedensentwurf der kaiserlich-ligistischen
Seite, sollte auf Holstein, Schleswig und Dithmarschen
verzichten und Jütland so lange an den Kurfürsten von
Sachsen abtreten, bis dieser dort für seine dem Kaiser
geleisteten Dienste entschädigt war. Weiterhin sollten der
dänische König und sein Sohn allen Ansprüchen auf die
Bistümer und Stifte in Norddeutschland entsagen. Vor allem
aber sollte Dänemark den Kaiser und die Liga für sämtliche
Kriegskosten entschädigen, den Öresund für die Feinde des
Reichs sperren und ihn für dessen Freunde offen halten. [4]
Christians Gegenforderungen standen denen des Kaisers
und der Liga nicht nach: Er verlangte, dass die kaiserlichen
Truppen sein Land umgehend räumen und Ersatz für den
dort angerichteten Schaden leisten sollten. [5]
Das Flugblatt bringt das neue Selbstbewusstsein der deutschen Protestanten nach
den militärischen Erfolgen Gustav Adolfs zum Ausdruck. Einem Jesuiten wird der
Kopf gewaschen, als Stellvertreter für den Papst – das Wappen Urbans VIII. ist an
der Seite des Thrones zu sehen – und den Kaiser, der im Untertext als Opfer
jesuitischen Machtwillens erwähnt wird: «Wir wollten tilgen Luthers Lehr», gesteht
der Jesuit, «Nuhn sitzen wir im Badt / Daß Keyserthum haben wir Regiert / Sampt
des Papstes Stuhl guberniert.» Da meint selbst der am linken Rand stehende
«Dorff Pfaff»: «Besser man jagt euch auß dem Landt.»
Gustav II. Adolf, König von Schweden. Der um 1640 angefertigte Stich geht auf ein
Gemälde zurück, das Gustav Adolf kurz vor Beginn seiner Intervention in den
«deutschen Krieg» zeigt. Das Staatsporträt verbindet die Insignien des Herrschers
und des Feldherrn miteinander.
Deutlicher als sonst der Fall, tritt bei Franz Mehring die
geschichtspolitische Grundierung in der Beschäftigung mit
dem Schwedenkönig zutage: Man schreibt über Gustav Adolf
und hat dabei stets die Fragen und Herausforderungen der
eigenen Zeit vor Augen beziehungsweise stellt bewusst
Parallelen zwischen dem Schwedenkönig und einigen
politischen Akteuren der Gegenwart her. Diese
geschichtspolitische Nutzung Gustav Adolfs geht bis auf den
Preußenkönig Friedrich II. zurück, der mit Blick auf die
begrenzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Schwedens und
die herausragenden Leistungen seiner Armee eine
Wahlverwandtschaft zwischen sich und Gustav Adolf erkannt
hat. Einiges daran traf auf frappierende Weise zu, denn
eigentlich war Schweden im 17. Jahrhundert ebenso wenig
wie Preußen im 18. Jahrhundert ökonomisch den Aufgaben
gewachsen, die den beiden Ländern von ihren Herrschern
aufgebürdet wurden. Diese Hypertrophie militärischer
Macht im Verhältnis zu politischer, ökonomischer und
kultureller (oder ideologischer) Macht wird üblicherweise
als Militarismus bezeichnet, [9] und ganz zweifellos ist der in
diesem Sinn verstandene Militarismus ein Bindeglied
zwischen dem Aufstieg Schwedens und dem Preußens. Zu
den Bindegliedern gehört indes auch, dass keine der beiden
Mächte ihre Kriege ohne Subsidien anderer hätte führen
können. Clausewitz hat das in einer prägnanten Formel
zusammengefasst: «Gustav Adolf betrieb ein Geschäft,
welches weit die Grenzen seiner Kräfte überstieg, wie der
Kaufmann durch bloßen Kredit.» [10] Die Armee, so lässt sich
diese Formulierung weiterführen, war durch ihre
Leistungsfähigkeit der Garant des Kredits. Das ist eine
weitere Definition von Militarismus: Militarismus liegt vor,
wenn die Armee – und nur die Armee – die internationale
Kreditfähigkeit eines Landes garantiert und diese Armee
mitsamt ihren Generälen durch Dritte finanziert wird, damit
sie bestimmte Aufgaben in deren Interesse erledigt.
Werden aus dem Motivbündel Gustav Adolfs einzelne
«eigentliche» Beweggründe herausgelöst, hinter denen man
propagandistische Zwecke und eine legitimatorische
Ideologie vermutet, dient das vor allem dem
geschichtspolitischen Kampf. Es geht dabei nicht darum, der
komplexen Vorstellungswelt Gustav Adolfs gerecht zu
werden, sondern ihn als politisches Vorbild oder Schreckbild
zu präsentieren. Das Gustav-Adolf-Bild der proschwedischen
Schriften, wie es zwischen 1630 und 1633 entstanden ist,
wird dekonstruiert. Doch diese Dekonstruktion eröffnet
entgegen einer weitverbreiteten Vorstellung keineswegs den
Blick auf eine unverstellte Wirklichkeit, sondern legt nur die
Elemente frei, aus denen ein «politisches Image» geformt
worden ist. Das Bedürfnis nach geschichtspolitischen
Konstruktionen besteht unterdessen fort und will befriedigt
werden. Das zeigt sich an der Gustav-Adolf-Biographie
Günter Barudios, der den Schwedenkönig, indem er ihn als
einen Verfechter des «libertären Verfassungsstaats»
beschreibt, für die Bundesrepublik Deutschland und die
Europäische Union anschlussfähig gemacht hat. [11] Einem
solchen Vorbild kann dann nach Barudios Auffassung auch
zugesprochen werden, was unter Historikern gänzlich aus
der Mode gekommen ist: historische Größe. [12] Demnach hat
Gustav Adolf interveniert, um dem aufkommenden
Absolutismus der Habsburger Grenzen zu setzen und all
denen zu Hilfe zu kommen, die im Reich ständische Libertät
bewahren wollten. [13] Auch das ist eher Geschichtspolitik als
eine Analyse der komplexen Motivlage Gustav Adolfs.
Es sind solche geschichtspolitischen Indienstnahmen des
Königs, von seiner Ausdeutung als «Christ und Held» bis zur
Interpretation als Repräsentant des neuzeitlichen
Verfassungsstaates, die den Zugang zu Gustav Adolf so
schwer und mühsam gemacht haben. Viel besser lässt sich
das Entscheiden und Handeln des Königs nachvollziehen,
wenn man hinnimmt, dass es für ihn zwischen einer
Militärintervention, die den bedrängten Protestantismus in
Deutschland unterstützen sollte, und einer Politik der
entschlossenen Verfolgung schwedischer Interessen keinen
Widerspruch gab. Ohnehin flossen in der zeitgenössischen
Wahrnehmung politische und religiöse Motive zusammen,
und dementsprechend nahmen sich die Kontrahenten auch
gegenseitig wahr. Der sächsische Oberhofprediger Matthias
Hoë von Hoënegg warf in seiner Eröffnungspredigt zum
Leipziger Konvent der Liga und dem Kaiser vor, es gehe
ihnen um politische und religiöse Macht, und deswegen
versuchten sie, mit militärischem wie dogmatischem Druck
den Protestantismus in Deutschland zu vernichten. [14]
Zumeist wurde der Krieg als ein Strafgericht Gottes
wahrgenommen, [15] und zwar unabhängig davon, ob man ihn
wesentlich als einen Kampf zwischen Gut und Böse,
zwischen Gott und Teufel begriff, wie das die Radikalen
beider Seiten taten. [16] Der militärische Kampf ist immer
auch als eine spirituelle Auseinandersetzung angesehen
worden, [17] weswegen es wenig sinnvoll ist, im Rückblick
den geostrategisch denkenden Machtpolitiker Gustav Adolf
gegen den Glaubenskämpfer Gustav Adolf auszuspielen,
wenn man dessen Selbstverständnis und seinen
«eigentlichen» Motiven auf die Spur kommen will.
Obendrein war für den Verlauf des Krieges nicht wichtig,
welche Motive Gustav Adolf insgeheim hatte und welche er
öffentlich verbreitete; vielmehr kam es bei der Suche nach
Verbündeten darauf an, was diese potenziellen Partner über
die Gründe dachten, die Gustav Adolf zur Intervention in
Deutschland veranlasst hatten. Dabei sollte man die
potenziellen Bündnispartner des Königs weder für dumm
noch für naiv halten, indem man davon ausgeht, sie seien
der schwedischen Propaganda einfach auf den Leim
gegangen. Der Krieg dauerte bereits zu lange, und die
Propagandisten beider Seiten hatten in den zurückliegenden
Jahren ihre Instrumente schon allzu häufig eingesetzt, als
dass eine solche Annahme plausibel wäre.
Das Streben nach Neutralität: Die
Zögerlichkeit der protestantischen
Fürsten, sich den Schweden
anzuschließen
Nach seiner Landung auf Usedom blieb Gustav Adolf
zunächst auf sich allein gestellt. Die protestantischen
Fürsten im östlichen Norddeutschland hielten sich zurück
und reklamierten im Konflikt zwischen König und Kaiser
Neutralität für sich. Während der ersten Wochen war die
Hansestadt Stralsund der einzige Verbündete der Schweden,
und nur die vertriebenen Herzöge von Mecklenburg, die
nichts mehr zu verlieren hatten, schickten Gesandte ins
schwedische Lager, um Unterstützung anzubieten. Die
bestand indes in nicht mehr als gutem Willen und der
Hoffnung, Gustav Adolf werde sie, wenn er militärisch
erfolgreich sei, wieder in ihre Herzogtümer einsetzen. Alle
anderen warteten zunächst einmal ab, wie sich die Lage
entwickelte. Einige, allen voran Kurfürst Johann Georg von
Sachsen, misstrauten dem Schweden und hätten es lieber
gesehen, wenn er sich aus dem Krieg in Deutschland
herausgehalten hätte. [1] So distanziert wie der sächsische
verhielt sich der brandenburgische Kurfürst nicht;
schließlich war er der Schwager Gustav Adolfs und hatte in
den zurückliegenden Jahren mehrfach versucht, den
Schweden in den Krieg hineinzuziehen. Aber auch er wollte
zunächst abwarten, ob es dem König gelingen würde, sich in
Deutschland festzusetzen. Und so beanspruchte er ebenso
wie Herzog Bogislaw von Pommern, in dessen Gebiet die
Schweden gelandet waren, die Anerkennung der Neutralität
durch die Schweden. Genau die aber konnte und wollte
Gustav Adolf keinem von ihnen zugestehen; stattdessen
drängte er darauf, sich zu entscheiden, ob sie ihm
gegenüber «Freund oder Feind» sein wollten. [2]
Es gab eine Reihe von Gründen dafür, dass die deutschen
Fürsten zunächst einmal abwarten wollten. Nur zu deutlich
hatte man das politische Schicksal derer vor Augen, die sich
fünf Jahre zuvor auf die Seite des Dänenkönigs Christian
geschlagen hatten und in dessen Scheitern hineingerissen
worden waren. Christian selbst mochte zwar im Lübecker
Frieden glimpflich davongekommen sein, doch das galt nicht
für seine deutschen Parteigänger, die im Stich zu lassen eine
der Voraussetzungen dafür gewesen war, dass Christian
selbst so günstige Friedensbedingungen erhalten hatte. Das
kaiserliche Restitutionsedikt bedrohte zwar nahezu alle
protestantischen Landesherren mit Gebietsverlusten, was
ein guter Grund gewesen wäre, sich auf die Seite des
Schweden zu schlagen, aber die offene politische und erst
recht militärische Parteinahme gegen den Kaiser konnte
schnell, wie das Beispiel des Pfalzgrafen oder der Herzöge
von Mecklenburg zeigte, mit dem Verlust des gesamten
Herrschaftsgebiets enden. Man hatte die Stärke des
Wallenstein’schen Heeres in den letzten Jahren
kennengelernt und wusste nicht, ob Gustav Adolf dem
gewachsen sein würde. Wie, so scheinen sich die meisten
gefragt zu haben, wollte er mit seinen begrenzten
Ressourcen gegen diese gewaltige Übermacht ankommen?
Die glaubensfesten Protestanten mochten im schwedischen
König den seit langem erwarteten Befreier sehen, aber die
Fürsten und ihre Räte hatten die Kräfteverhältnisse zu
bedenken und auf dieser Grundlage Voraussagen zu machen,
wie sich der Krieg entwickeln werde. Es sprach zunächst
wenig dafür, dass es Gustav Adolf anders ergehen würde als
Christian von Dänemark.
Die jetzt einsetzende Propagandaschlacht war eine
innerprotestantische Auseinandersetzung um die Frage, ob
man Gustav Adolf eine grundlegende Wende in diesem Krieg
zutrauen könne und sich ihm anschließen solle oder ob es
ratsam sei, auf Abstand zu bleiben und zunächst einmal
abzuwarten. Die Analogien zwischen dem schwedischen
König und den großen Gestalten des Alten Testaments, die
Stilisierung Gustav Adolfs zu einem neuen Luther und
schließlich die christusähnliche Zeichnung des Königs, der
als Befreier von der Macht des Bösen gekommen sei, [3]
waren Formeln, die Mut machen sollten; sie versicherten,
dass der Schwede kein zweiter Christian sei, denn Gott
selbst sei mit ihm. Wie sehr es dabei um eine
innerprotestantische Streitfrage ging, zeigt sich an der
Parallelisierung Gustav Adolfs mit Martin Luther; der
nämlich hatte den Gebrauch von Waffengewalt im Konflikt
mit dem Papsttum abgelehnt und darauf bestanden, dass es
sich um eine Auseinandersetzung handele, die allein mit
Wort und Schrift auszutragen sei. Auf Luthers Ablehnung
von Waffengewalt berief man sich vor allem in Kursachsen.
So sah man sich ganz in der Tradition des Reformators, als
man in Dresden die Bündnisangebote des Schweden
dilatorisch behandelte und trotz des Restitutionsedikts an
einer kaisernahen und reichstreuen Politik festhielt.
Dagegen wandte sich die Darstellung Gustav Adolfs als
«neuer Luther», wie sie in einer Reihe von Predigten und
Flugschriften zu finden ist: Man sei in eine neue Etappe des
heilsgeschichtlichen Kampfes eingetreten, in der, da sich der
Antichrist in Rom bewaffnet habe, auch die Protestanten zu
den Waffen greifen und in dem großen apokalyptischen
Ringen solcherart gerüstet auf die Seite Gottes treten
müssten. [4] Die apokalyptische Grundierung brachte zum
Ausdruck, dass es um einen Kampf zwischen Gott und Teufel
ging, bei dem es keine Neutralität und kein zögerliches
Beiseitestehen geben konnte.
Die Frage, ob sich Gustav Adolf würde behaupten können,
bezog ihre Dramatik nicht nur aus dem Blick auf die realen
Kräfteverhältnisse, die im Herbst 1630 für Schweden in
Nordostdeutschland so schlecht gar nicht waren, sondern
auch aus den Enttäuschungen eines Jahrzehnts der
Niederlagen, die zu allgemeiner Niedergeschlagenheit und
fehlendem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten geführt
hatten. Gegen diesen Geist gingen die Flugschriften mit
biblischen Analogien an, in denen durch die Verheißung
eines gottgesandten Anführers die Kräfteverhältnisse
umgekehrt und die Resignation überwunden werden sollten.
Mehr noch als die Befreiung des Gottesvolkes aus der
Babylonischen Gefangenschaft wurde dabei auf die
Herausführung der Juden aus Ägypten verwiesen: [5] Es war
ein Fremder – Moses –, der kam und zum Retter des Volkes
wurde, und obwohl die Streitmacht des Pharao den
Israeliten um ein Vielfaches überlegen war, wurde sie doch
besiegt. Gustav Adolf war ein neuer Moses, den Gott den
deutschen Protestanten zu Hilfe gesandt hatte, und so hatte
man ihm zu folgen. Einmal mehr zeigt sich in dieser
Argumentation die enge Verbindung politischer und
religiöser Fragen, die den Krieg am Brennen hielt.
Nun gab es freilich neben dem sozialpsychologischen
Erfordernis neuer Zuversicht auch einen
politikorganisatorischen Handlungsbedarf: Das schwedische
Heer war zwar kriegserprobt, aber recht klein; es musste,
um den Kräften des Kaisers gewachsen zu sein, durch
Werbungen deutlich vergrößert werden. Aber wie sollte das
arme Schweden eine solche Vergrößerung finanzieren? «Die
neue Großmacht», so der Historiker Theodor Lorentzen, der
sich mit dem schwedischen Militärwesen eingehend
beschäftigt hat, «war ein Koloss mit thönernen Füssen.» [6]
Der schwedische Diplomat Johan Adler Salvius hat das auf
die griffige Formel gebracht: «Andere Völker fangen Krieg
an, weil sie reich sind, Schweden, weil es arm ist.» [7] Die
potenziellen Verbündeten konnten sich ausrechnen, dass sie
für die Kosten des schwedischen Heeres würden aufkommen
müssen, auch und gerade dann, wenn es siegreich war. Es
war daher nicht unbedingt verlockend, sich in ein Bündnis
mit Schweden zu begeben: Wenn der Feldzug scheiterte und
die Schweden sich wieder zurückziehen mussten, verfiel
man dem Strafgericht des Kaisers, und wenn die Schweden
siegten und die kaiserliche Macht zurückdrängten, würde
man die schwedische Heeresmacht für lange Zeit finanzieren
müssen, und das würde wohl teurer kommen als die
Forderungen, die der Kaiser zuletzt geltend gemacht hatte.
Also beanspruchten die pommerschen und
brandenburgischen Gesandten, die bei Gustav Adolf
auftauchten, dass der König die Neutralität ihrer Länder
respektiere.
Von 1625 bis 1649 hat der kaiserlich-ligistische Söldner Peter Hagendorf in einem
Tagebuch festgehalten, was ihm widerfahren ist – in einer bemerkenswert
sorgfältigen Schrift. Offenbar hat Hagendorf seine Aufzeichnungen um 1647/48 in
eine systematische Niederschrift gebracht. Das Tagebuch Hagendorfs wurde 1988
von Jan Peters in der Handschriftenabteilung der Berliner Staatsbibliothek
gefunden. Es scheint 1803 aus dem Nachlass eines Predigers dorthin gelangt zu
sein.
Tilly und Gustav Adolf scheinen sich bis zum Vorabend des
17. September nicht sicher gewesen zu sein, ob sie die
Schlacht annehmen sollten, die ihnen ihr jeweiliges
Gegenüber offenbar anbot. Es waren andere, die ihnen die
Entscheidung abnahmen oder zumindest erleichterten: bei
Tilly einmal mehr der ungestüme Pappenheim und bei
Gustav Adolf der gerade erst als Verbündeter gewonnene
Kurfürst von Sachsen, der darauf drängte, den in sein Land
eingedrungenen Feind so schnell wie möglich wieder
hinauszuwerfen. Anscheinend hat der König erwogen, Tillys
Heer mit Diversionsoperationen aus Kursachsen
herauszudrängen und dabei eine Entscheidungsschlacht zu
vermeiden. Das entsprach dem damaligen Stand der
Kriegslehre: Bei einer Schlacht ließ man sich auf eine Fülle
von Unwägbarkeiten ein, man begab sich in die Hand der
Glücksgöttin Fortuna, bei der man nicht wusste, wem sie
gewogen war. Dagegen hatte man in der Manöverstrategie,
dem Operieren gegen die Versorgungslinien des Feindes, die
Vorgänge sehr viel besser unter Kontrolle. Seit der
Vereinigung mit dem sächsischen Heer war Gustav Adolf
dem Gegner zahlenmäßig überlegen, doch was die gerade
erst geworbene sächsische Armee zu leisten imstande war,
hatte sie noch nicht unter Beweis gestellt. Die sächsischen
Rekruten mussten sich gegen Tillys altgediente, in vielen
Schlachten erprobte Krieger behaupten. Am Schluss setzten
sich bei Gustav Adolf die politischen gegen die militärischen
Argumente durch, und der König ließ sich auf die Schlacht
ein. Seinem Temperament entsprechend tat er dies,
nachdem er die Entscheidung erst einmal getroffen hatte,
mit großer Entschlossenheit.
Bei Tilly lagen die Dinge etwas anders: Er war dem
anrückenden Feind von Leipzig aus entgegenmarschiert, wie
oben dargestellt in der Annahme, es handele sich nur um die
sächsische Armee. Dann trafen Meldungen ein, dass auch
die Schweden heranzogen, und das hieß, dass der Gegner
kräftemäßig überlegen war. Tilly berief einen Kriegsrat ein
und gab zu bedenken, ob es nicht besser sei, den Zuzug der
Verstärkungen abzuwarten und sich erst dann zur Schlacht
zu stellen. Feldmarschall Pappenheim vermutete hinter
diesem Vorschlag einmal mehr jene Zögerlichkeit, über die
er sich oft beklagte. Er hatte kein Zutrauen mehr zu Tillys
Urteilskraft und Entscheidungsfähigkeit. Mit einer starken
Kavallerieeinheit unternahm er einen Erkundungsvorstoß
nach Norden, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, auf
wen man treffen werde. Er stieß auf sächsische Kavallerie,
die er in die Flucht schlug; Gefangene ließ er mit der
Bemerkung zum eigenen Heer bringen, man habe es
offenbar doch nur mit den Sachsen zu tun. Tillys
Aufforderung, sich zurückzuziehen, folgte Pappenheim nicht.
Schließlich stieß er auf die Hauptarmee des Gegners und
teilte Tilly mit, jetzt sei ein Rückzug zu gefährlich, er
brauche 2000 Mann Verstärkung. [9] Da war Tilly klar, dass
Pappenheim ihn zur Schlacht zwingen wollte und er dem
nichts entgegenzusetzen hatte. «Dieser Kerl», soll er im
Zorn gerufen haben, «wird mich um meine Ehre und meinen
guten Ruf bringen und den Kaiser um sein Land und sein
Volk.» [10]
Vor Beginn der Schlacht wurden die Feldzeichen
ausgegeben und der Schlachtruf festgelegt: Auf Seiten Tillys
handelte es sich um weiße Armbänder und den Ruf «Jesu
Maria!»; bei Schweden und Sachsen war es ein grüner
Zweig, der am Hutband befestigt wurde, und der Ruf «Gott
mit uns!». Tilly hatte seinen spanischen Vorlieben gemäß
eine tiefe Aufstellung gewählt, was darauf hinweist, dass er
die Schlacht von Anfang an offensiv führen wollte. Im
Zentrum waren die aus Musketieren und Pikenieren
zusammengesetzten Tercios schachbrettförmig angeordnet.
Sie sollten nach vorbereitendem Artilleriefeuer und
Kavallerieattacken auf die gegnerischen Flügel den
entscheidenden Stoß führen, und dabei vertraute Tilly auf
die Angriffswucht seiner Veteranen. Die Einheiten des linken
Flügels kommandierte Pappenheim, die des rechten Flügels
Fürstenberg. Gustav Adolf hatte sich für eine deutlich
flachere Aufstellung entschieden; sie verschaffte höhere
Feuerkraft und größere Beweglichkeit, ließ aber nicht zu,
derart kraftvoll anzugreifen wie Tillys Tercios. Im Prinzip
führte Gustav Adolf das schwedische Zentrum selbst. Da er
jedoch, wie oben angedeutet, die Angewohnheit hatte,
dorthin zu reiten, wo sich gerade das Hauptgeschehen
abspielte, übernahmen die Obersten Wolf Matthias von
Teuffel und John Hepburn das Kommando; Generalleutnant
Johan Banér kommandierte den rechten, Feldmarschall
Gustav Horn den linken Flügel. Die schwedische Aufstellung
war eher defensiv, und ein Offensivstoß sollte aus der
Verteidigung heraus geführt werden. Das sächsische Heer
wiederum, das sich an den linken Flügel der Schweden
anschloss, hatte eine ganz eigene, eher kompakte
Aufstellung gewählt, bei der ebenfalls die Flügel von
Kavallerie und das Zentrum von Infanterieeinheiten gebildet
wurden, wobei Kavallerie und Infanterie in Form von
Dreiecken mit der Spitze gegen den Feind positioniert
waren. Der erfahrene Feldmarschall Arnim, der, auch wenn
sich Kurfürst Johann Georg bei der Armee befand, de facto
das sächsische Heer führte, misstraute offenbar der
Kampfkraft seiner Truppen und stellte deswegen seine
Regimenter so auf, dass sie sich gegenseitig Rückhalt gaben.
Wenn sie dem Angriff von Tillys rechtem Flügel standhalten
würden, hatten sie ihren Beitrag zur Schlacht geleistet.
Gustav Adolf entfaltete bei Beginn des Gefechts seinen
starken rechten Flügel – ob er das aus taktischen
Überlegungen heraus tat oder nur, um Sand und Staub
auszuweichen, mag dahingestellt bleiben –, so dass der ihm
gegenüberstehende Pappenheim sich immer weiter von
Tillys Zentrum entfernte, zumal dieses sich nach rechts
bewegte, da Tilly relativ früh die Sachsen als Schwachstelle
der gegnerischen Front ausgemacht hatte. Dadurch entstand
in Tillys Aufstellung eine Lücke zwischen dem linken Flügel
und dem Zentrum, in die Gustav Adolf hineinstieß, nachdem
sein eigener linker Flügel unter Horn am Nachmittag den
Angriff der kaiserlich-ligistischen Hauptmacht aufgefangen
und zurückgeschlagen hatte. Zuvor freilich hatte die
Schlacht auf Messers Schneide gestanden, da ein Großteil
der sächsischen Armee dem Angriff von Tillys rechtem
Flügel unter Fürstenberg nicht standgehalten hatte und vom
Schlachtfeld geflohen war. Gustav Adolfs Plan ging auf: Aus
einer stabilen Defensive heraus führte er, nachdem sich der
Gegner durch fortgesetzte Angriffe erschöpft hatte, den
entscheidenden Gegenangriff, den Tilly nicht mehr parieren
konnte. Tilly hatte keine Reserven mehr, denn diese waren
in der offensiven Aufstellung der Spanischen Tercios nicht
vorgesehen.
Der Kupferstich aus Merians Theatrum Europaeum zeigt die Entwicklung der
Schlacht bei Breitenfeld aus Sicht der siegreichen Schweden. Gustav Adolfs linker
Flügel geht zu einem massiven Angriff vor, dem die Kaiserlichen nicht standhalten
können. An ihrem hinteren Rand lösen sich Tillys Einheiten auf. Ganz links stehen
verlassene Kanonen, die auf die Flucht der Sachsen hindeuten. Währenddessen
geht das in mehrere Treffen gegliederte schwedische Zentrum zusammen mit
dem linken Flügel zum Angriff über. Der Kupferstecher hat den Kampf der
Infanteriemassen ins Zentrum seiner Darstellung gerückt; wer sich in das Bild
hineinliest, findet darin eine bemerkenswert analytische Schlachtdarstellung.
Nach dem Abzug Tillys von Tauber und Main nahm Gustav
Adolf die Politik der Eroberung wieder auf. Wie schon im
vergangenen Jahr schickte er seine Truppen nicht ins
Winterquartier, sondern setzte den Feldzug fort. Das begann
damit, dass er Oberst Christoph Hubald den Auftrag erteilte,
mit dem blauen Regiment – «blau», weil das
Infanterieregiment blaue Jacken trug [33] – die Festung
Hanau einzunehmen. Es gelang den Schweden, die
kaiserliche Besatzung zu überrumpeln und gefangen zu
nehmen. [34] Wer diese Festung besaß, kontrollierte die
fruchtbare Wetterau, die in den zurückliegenden
Kriegsjahren für die Versorgung der Truppen überaus
wichtig gewesen war. [35] Kurz darauf zogen die kaiserlichen
Garnisonen aus Gelnhausen, Friedberg und Höchst ab, weil
sie mit dem Verlust der Festung Hanau ihre strategische
Bedeutung verloren hatten. Damit war die Mainlinie für
Gustav Adolf gesichert.
Am 25. November hielt der König in Hanau Einzug. Dort
empfing er eine Gesandtschaft aus Frankfurt, die geltend
machte, die Krönungsstadt der Kaiser könne keine
ausländische Besatzung aufnehmen; außerdem sei die
Anwesenheit von Truppen den Messen in der Stadt
abträglich. Gustav Adolf fragte zurück, wie man von
Jahrmärkten reden könne, wenn es um die Freiheit
Deutschlands und die Zukunft des Protestantismus gehe.
Wenn man sich nicht in Güte fügen wollte, so habe er
Kanonen, um Fügsamkeit zu erzwingen. [36] Das genügte: Am
27. November zog er in Frankfurt ein; die gesamte Armee
rückte nach Sachsenhausen ein, überquerte den Main auf
der großen Brücke, marschierte durch Frankfurt und verließ
die Stadt wieder am Mainzer Tor. Das war eher eine
symbolische Inbesitznahme als eine Besetzung. Der Grund
für dieses Entgegenkommen war, dass sich der Rat der Stadt
verpflichtet hatte, Frankfurt gegen die Feinde des Königs zu
verteidigen, ihm selbst aber jederzeit Einlass zu gewähren.
Die linksmainische Festung Sachsenhausen wurde jedoch
von schwedischen Truppen dauerhaft besetzt. [37]
Das schwedische Heer paradiert im November 1631 an den Befestigungen des
linksmainischen Sachsenhausen vorbei, bis es nach rechts abbiegt und über den
Wassergraben hinweg nach Sachsenhausen hineinmarschiert, die Festung, von
deren Wällen herab Salut geschossen wird, durchschreitet und an der Mainbrücke
wiederauftaucht, auf dieser den Main überquert, um anschließend durch Frankfurt
zu marschieren, am Kaiserdom vorbei zum Mainzer Tor, wo es die Stadt wieder
verlässt. Auf dem Main sind Schiffe zu sehen, die Kanonen und Munition
transportieren: In der Wahl- und Krönungsstadt der Kaiser demonstriert Gustav
Adolf seine Macht.
Für Tilly stellte sich die Lage anders dar: «Nicht nur das
Bayernland ist in Gefahr», schrieb er an den Kaiser,
«sondern das gesamte Heilige Römische Reich. Wenn man
den Fortschritten und Machinationen des Feindes nicht
unverzüglich einen hinreichend schnellen und energischen
Widerstand entgegensetzt, und zwar seitens Ihrer
Kaiserlichen Majestät und aller katholischen Staaten, dann
ist es tatsächlich unrettbar um alle und auch um uns
geschehen. Ich bitte Eure Kaiserliche Majestät daher
inständig, […] die Armee, die Eure Kaiserliche Majestät
soeben aufgestellt hat, ohne Verzögerung und verderblichen
Aufzug [Verzug] in Marsch setzen zu lassen […].» [18] An
diesem Schreiben Tillys ist zweierlei bemerkenswert:
zunächst die Selbstverständlichkeit, mit der er davon
ausging, dass es sich um einen Religionskrieg handelte und
dass mit Blick auf die Konfession auch die Frage, wer
Freund oder wer Feind sei, beantwortet werden könne.
Während Ferdinand diese Sicht teilte, sah Wallenstein das
selbstverständlich anders, und auch Tillys Dienstherr, der
bayerische Kurfürst, hatte bei den
Neutralitätsverhandlungen mit Gustav Adolf auf eine andere
Deutung des Krieges gesetzt. Bemerkenswert ist zweitens,
dass Tilly annahm, der Kaiser könne die von Wallenstein neu
geschaffene Armee in Bewegung setzen, indem er seinem
Oberkommandierenden entsprechende Weisungen erteilte.
Aus der Zeit der gemeinsamen Kriegführung hätte Tilly
wissen können, dass das Verhältnis zwischen Wallenstein
und dem Kaiser gänzlich anders war als das zwischen ihm,
Tilly, und Maximilian. Wallenstein nahm stets eine deutlich
größere Unabhängigkeit für sich in Anspruch, als Tilly sie je
besessen hatte. Eigentlich hätte er also Wallenstein selbst
schreiben müssen (was er davor und danach auch tat). Dass
Tilly sich in diesem Fall an den Kaiser wandte, hatte wohl
damit zu tun, dass er Wallensteins aus Zorn und Verachtung
gespeiste Haltung gegenüber Maximilian kannte und sie
umgehen wollte.
Wallenstein kam Tilly aus den oben genannten Gründen
nicht zu Hilfe, und Donauwörth wurde von den vorrückenden
Schweden schnell erobert. [19] Einmal mehr konnte Lennart
Torstensson seine Fähigkeiten als Artilleriekommandeur
unter Beweis stellen. Herzog Rudolf Maximilian von
Sachsen-Lauenburg, der mit acht Infanteriekompanien,
einem halben Kavallerieregiment sowie einer größeren
Anzahl Milizsoldaten die Stadt halten sollte, beantwortete
die schwedische Kapitulationsaufforderung mit der
Erklärung, er habe dafür nur «Kraut und Kot sowie die
blanke Spitze des Degens» übrig, [20] aber als die Schweden
von einem höhergelegenen Hügel aus mit 20 Kanonen das
Feuer auf die Stadt eröffneten, schlug die Stimmung rasch
um: Die Bürger beschworen den Herzog, die Stadt zu
übergeben. In der Nacht vom 5. auf den 6. April zogen die
ligistischen Truppen ab; damit kamen sie einem Sturm der
Schweden gerade noch zuvor. Gustav Adolf hatte die Donau
erreicht. Nach Oder und Elbe, Main und Rhein musste er nur
noch sie unter seine Kontrolle bringen, um Deutschland zu
beherrschen.
Die Entscheidung darüber sollte am Lech fallen. Tilly hatte
sich entschlossen, die Lechlinie zu halten, da er nur so die
Donaulinie würde verteidigen können; dazu hatte er nahe
dem Städtchen Rain ein festes Lager errichtet, von dem aus
er seine Kräfte lechaufwärts in Richtung Augsburg, aber
auch donauabwärts in Richtung Ingolstadt verschieben
konnte. Die Mündung des Lech in die Donau war für ihn die
Spitze eines Dreiecks, dessen Schenkel, die durch die beiden
Flussläufe gebildet wurden, er verteidigen wollte. Tilly hatte
16800 Fußsoldaten und 5300 Reiter sowie 20 Kanonen zur
Verfügung; dem standen auf Seiten Gustav Adolfs
24600 Infanteristen, 14800 Kavalleristen und 72 Kanonen
gegenüber. [21] Der König hatte beschlossen, weder an der
Donau noch lechaufwärts einen Flussübergang zu suchen,
von dem aus er Tilly umgehen konnte, sondern dessen Lager
bei Rain anzugreifen. Seine Generäle hatten davon
abgeraten und auf die hohen Verluste hingewiesen, die bei
einer Frontalattacke zu erwarten waren, aber Gustav Adolf
hatte diesen Einwand unter Verweis auf seinen erfolgreichen
Rheinübergang bei Oppenheim abgewehrt. Er wollte die
Gelegenheit nutzen, sich der Loyalität der schwäbischen
Protestanten sowie der Stadt Ulm zu versichern, und da er
damit rechnen musste, dass Wallenstein Tilly doch noch zu
Hilfe kommen würde, war ihm eine großräumige Umgehung
des ligistischen Lagers bei Rain zu riskant: Wenn die Dinge
schlecht liefen, konnte er zwischen Tilly und Wallenstein
geraten. Er wollte den Feind vor sich haben und nicht neben
oder hinter sich.
Tilly ließ seine Position durch die Anlage von Erdwerken
befestigen. Ihr Zentrum bildete das durch Wälle geschützte
Hauptlager, das 700 bis 800 Meter vom Lechufer entfernt
lag; dort waren auch die schweren Kanonen aufgestellt.
Näher am Ufer befanden sich drei kleinere Lager, in denen
die leichten Kanonen postiert waren, die so den Fluss und
das Ufer mit ihrem Feuer bestreichen konnten. Die
Lechbrücke bei Rain wurde abgebrochen; außerdem ließ
Tilly seine Kavallerie nach beiden Seiten ausschwärmen, um
festzustellen, ob die Schweden an einer anderen Stelle den
Lech zu überschreiten versuchten. Durch die
Schneeschmelze in den Alpen und starke Regenfälle war der
sonst nicht besonders tiefe Fluss angeschwollen und bildete
eine passable Barriere gegen einen schwedischen Angriff.
Offenbar ging Tilly davon aus, Gustav Adolf werde wie bei
Oppenheim versuchen, den Fluss mit Booten zu überqueren.
Die drei kleineren Lager in Ufernähe sollten sicherstellen,
dass seine Soldaten sogleich zur Stelle waren, wenn die
Boote den Fluss überquerten. Tillys Stellung am Lech hatte
den Nachteil, dass das gegenüberliegende Ufer, an dem die
Schweden standen, um einige Meter höher lag, was sich bei
einem Artillerieduell rächen konnte. Obendrein befand sich
das Lager im Inneren einer Flussschleife: Von hier aus
konnte man die Umgebung zwar gut kontrollieren, dafür
konnte der Gegner das Lager nicht nur frontal, sondern auch
von den Seiten her unter Feuer nehmen. So gut, wie man auf
den ersten Blick meinen mochte, war Tillys Position nicht
gewählt.
Gustav Adolfs Angriffsplan sah ein langanhaltendes
Artillerieduell und die Überquerung des Flusses mit Hilfe
einer Pontonbrücke vor. Die für den Bau der Brücke
notwendigen Bretter und Balken verschaffte er sich durch
den Abbruch von Häusern der naheliegenden Ortschaft
Oberndorf. [22] Südlich der Lechschleife, wo Tillys Stellungen
lagen, befand sich in der Flussmitte eine schmale Insel, die
den Angreifern als Sprungbrett dienen konnte. Die
schwedischen Ingenieure, die sich mit den Möglichkeiten
eines Brückenschlags beschäftigten, schlugen vor, die
Pontons knapp unter der Wasseroberfläche zu halten, so
dass die Brücke kaum auszumachen und durch
Kanonenbeschuss nur schwer zu zerstören war.
An zwei Stellen überschreiten die Schweden im April 1632 den Lech: auf einer
Brücke (Mitte der linken Bildhälfte) und mit Reitern, die den Fluss durchqueren
(ganz rechts). Die Masse des schwedischen Fußvolks befindet sich noch auf dem
linken Ufer, und man fragt sich, ob die wenigen schwedischen Soldaten auf der
anderen Seite dem massiven Angriff von Tillys Infanterie standhalten können. Der
Kupferstecher hat übersehen, dass sich zwischen ihnen und den Truppen Tillys ein
weiterer Flussarm befand, so dass die schwedische Avantgarde sich auf einer Insel
im Lech festsetzen konnte, um ihre Artillerieüberlegenheit auszuspielen. Hier erlitt
Tilly die schwere Verwundung, an der er bald darauf verstarb.
Gustav Adolf konnte sich mit weniger als 20000 Mann nicht
zur Schlacht stellen. [13] Aber Nürnberg als strategische
Position und wichtigen Verbündeten aufgeben konnte und
wollte er auch nicht. Also ließ er um die Reichsstadt eine
zweite, ungefähr 16 Kilometer lange Umwallung errichten,
die sich wie ein äußerer Ring um die eigentlichen
Befestigungsanlagen der Stadt zog, und dazwischen brachte
er sein Heer unter. Der Ring um Nürnberg war zu groß, als
dass Wallenstein ihn selbst noch einmal einschließen konnte,
und das ermöglichte Gustav Adolf, Nachschub,
Verstärkungen und das für die Verpflegung der Soldaten
Erforderliche heranzuführen. Wenn Wallenstein die
Umwallung angreifen wollte, so musste er gegen gut
gesicherte Schanzen anrennen, und seine Sturmtruppen
waren dem schwedischen Abwehrfeuer deckungslos
ausgesetzt. Doch Wallenstein griff nicht an, sondern ließ bei
Zirndorf in der Nähe von Fürth ebenfalls ein Lager
errichten, in dem er das Gros seiner Truppen konzentrierte.
Des Weiteren baute er in größerem Abstand um Nürnberg
eine Reihe befestigter Lager auf, von denen aus er die
Versorgungslinien des schwedischen Heeres abschneiden
wollte. Man kann das als indirekte Belagerung bezeichnen,
die darauf setzte, dass mit der Zeit die
Nahrungsmittelvorräte in Nürnberg knapp wurden und das
schwedische Heer daran zugrunde ging – oder den Kampf
annahm. Der Stellungskrieg bei Nürnberg war ein Ringen
mit der Zeit, und die Zeit konkretisierte sich in dem auf
beiden Seiten um sich greifenden Hunger und der Hoffnung,
dass die in solchen Situationen zwangsläufig auftretenden
Seuchen als Erstes dem Gegner zusetzen würden.
Um in dieser Lage die Initiative zurückzugewinnen, musste
Gustav Adolf seine auf diverse Nebenkriegsschauplätze
verteilten Truppen zu sich heranziehen. Die Frage war, wo
sich Truppen abziehen ließen, ohne dass dies gravierende
Folgen hatte. Zunächst bot sich hierfür Sachsen an, da mit
dem Abzug des Wallenstein’schen Hauptheeres die für das
Kurfürstentum drohende Gefahr geschwunden war. Arnim
hatte die Kaiserlichen schon wieder aus der Lausitz
hinausgedrängt und stieß nunmehr nach Schlesien vor. Er
eroberte Breslau und Glogau und besetzte auch Wallensteins
Fürstentum Sagan, wo er nicht so rücksichtsvoll auftrat wie
zuvor bei der Besetzung von Teilen Friedlands. Wallenstein
ließ sich zu einem Vergeltungsfeldzug provozieren: Sein
Generalwachtmeister Holk drang mit den im Raum
Bamberg/Forchheim stehenden Truppen in die Gegend um
Meißen vor, die er nach Kräften verwüstete. Dabei kam Holk
bis vor die Tore Dresdens, so dass Kurfürst Johann Georg
Nacht für Nacht die brennenden Dörfer in der Umgebung
seiner Hauptstadt sehen konnte. Aber Holks
Diversionsfeldzug bewirkte das Gegenteil des Bezweckten:
Johann Georg, dessen politische Unzuverlässigkeit Gustav
Adolf das ganze Frühjahr über beschäftigt hatte, rückte
wieder fest an die schwedische Seite. Der sorgenvolle Blick
des Königs nach Dresden erübrigte sich vorerst, und mehr
noch: Johann Georg schickte ihm einige seiner Regimenter
zu Hilfe.
Weniger erfreulich entwickelte sich die Lage im
niedersächsischen Kreis, wo Pappenheim in schnellen
Bewegungen die Schweden unter General Baudissin, die
hessischen Truppen des Landgrafen Wilhelm sowie die
kleine Armee Georg von Lüneburgs beschäftigte und ihnen
immer wieder Niederlagen zufügte. Doch so erfolgreich, wie
Pappenheim in seiner Operationsführung war, so ignorant
war er im Hinblick auf die strategische Gesamtlage. So ließ
er sich dazu verleiten, die von den Niederländern bedrängte
spanische Festung Maastricht zu unterstützen, womit sich
die Lage im niedersächsischen Kreis entspannte und
Wilhelm von Hessen-Kassel einige seiner Regimenter nach
Franken in Marsch setzen konnte. Am überschaubarsten war
aus schwedisch-protestantischer Sicht die Lage in Bayern,
wo es nach dem Abzug der ligistischen Mobilarmee aus
Regensburg nicht länger nötig war, starke Kräfte
bereitzuhalten. Banér und Bernhard von Weimar sollten, so
die Anweisung des Königs, mit 10000 Mann ins westliche
Franken marschieren, wo Oxenstierna, der sich mit Horns
Hilfe am Rhein Luft verschafft hatte, eine Entsatzarmee
zusammenführte, um mit ihr auf Nürnberg vorzustoßen und
dem König zu Hilfe zu kommen.
In Nürnberg selbst und im schwedischen Lager war es
derweil nicht zu der dramatischen Zuspitzung gekommen,
mit der Wallenstein gerechnet hatte. Weder war die
Blockade so dicht, dass keine Lebensmittel zu den Schweden
hereinkamen, noch waren Seuchen ausgebrochen, die das
Heer dezimiert hätten. Es dürfte das weitläufige Areal, das
Gustav Adolf hatte umwallen lassen, gewesen sein, das den
Ausbruch von Seuchen verhinderte. Das größte Problem war
der Futtermangel für die Pferde, und es war absehbar, dass
man bald keine leistungsfähige Kavallerie mehr haben
würde. Andererseits hatte auch Wallenstein erhebliche
Schwierigkeiten bei der Versorgung seiner Truppen. Zwar
hatte er einen besseren Zugriff auf die Ressourcen des
Landes, aber er musste die doppelte Anzahl von Soldaten
versorgen, und dabei hatte er keine Stadt wie Nürnberg mit
ihren Provianthäusern, Mühlen und Bäckereien im Rücken.
Alles, worauf Gustav Adolf in Nürnberg zurückgreifen
konnte, musste Wallenstein selbst aufbauen. So stand die
Lage in etwa im Patt, als nach einem sechswöchigen
Stellungskrieg Ende August die Entsatzarmee Oxenstiernas
heranrückte und zu den Truppen des Königs Verbindung
aufnahm. Gustav Adolf ging davon aus, dass er jetzt die
Oberhand hatte, und nach langem untätigen Warten drängte
es ihn, die Initiative an sich zu reißen und die befestigten
Stellungen Wallensteins anzugreifen. Der Kampf um die Alte
Veste, eine alte Burgruine nahe Fürth, wurde zum nächsten
Schritt im Nürnberger Stellungskrieg. [14]
Gustav Adolf hatte sich jedoch gründlich verrechnet, als er
darauf setzte, dass ihm die größere Zahl der nun
verfügbaren Soldaten beim Angriff auf Wallensteins
Hauptlager den Sieg sicherte. Zwei Umstände dürften bei
dieser Fehlkalkulation zusammengekommen sein: zum einen
das Vertrauen, dass er mit seinen kampferfahrenen Truppen
bei entsprechender artilleristischer Vorbereitung jeden
Gegner aus seinen Stellungen werfen könne, und zum
anderen die Ungeduld des Königs, der sich nach einem
knappen Jahr weit ausgreifender Operationen und
unausgesetzter Siege von Wallenstein für sechs Wochen in
Nürnberg festgenagelt sah und das seinem Gegner nun
heimzahlen wollte. Nirgendwo sonst als im Kampf um die
Alte Veste traten die unterschiedlichen Temperamente des
Schweden und des Böhmen sowie ihre gegensätzlichen
strategischen Leitvorstellungen deutlicher zutage. Gustav
Adolf hatte stets das Gefühl, er müsse jede sich bietende
Gelegenheit zur Entscheidung ergreifen. In den Monaten
nach seiner Landung auf Usedom hatte er sich kontrolliert
und über längere Zeit eher vorsichtig und zurückhaltend
agiert – etwa bei Werben, wo er sich Tilly nicht zur Schlacht
gestellt hatte –, doch nach den Erfolgen im Anschluss an den
Sieg von Breitenfeld hatte er diese Zurückhaltung verloren.
Die Ungeduld gewann die Kontrolle über ihn. Er spürte, dass
er bei einem sich hinziehenden Krieg in Deutschland im
Nachteil war und deshalb die schnelle Entscheidung suchen
musste, was seiner Vorliebe für die Offensive und die
Schlacht als Hauptmittel der Kriegführung entsprach.
Wallenstein war darin das genaue Gegenteil. Es mochte sein,
dass man in Wien von ihm eine schnelle Entscheidung im
Duell mit dem Schweden erwartete, aber davon ließ er sich
nicht aus dem Konzept bringen. Seine abgrundtiefe
Verachtung für die Schreibtischstrategen des Hofkriegsrats
war ein festes Bollwerk, das ihn gegen dessen Erwartungen
schützte. Nach den unguten Erfahrungen, die er 1626 in
Ungarn gemacht hatte, [15] ließ er sich auf eine offensive
Operationsführung nur noch ein, wenn er kräftemäßig um
das Doppelte überlegen war; ansonsten agierte er aus einer
stabilen Defensive heraus. Rein militärisch betrachtet, lag
Wallenstein damit durchaus richtig: Er hatte die Zeit auf
seiner Seite. Politisch betrachtet war das jedoch keineswegs
der Fall, denn je länger er brauchte, um den Krieg
erfolgreich zu Ende zu bringen, desto größer wurde die
Anzahl seiner Kritiker, die ihm vorwarfen, untätig zu sein
oder gar den Feind wohlwollend zu schonen. Im Kampf um
die Alte Veste zeigten sich erstmals die Grunddispositionen,
an denen beide, Gustav Adolf wie Wallenstein, schließlich
scheitern sollten: Ersterer an seiner ungestümen
Entschlossenheit, die ihn zunächst von Sieg zu Sieg geführt
hatte; Letzterer an seinem mangelnden Gespür für die
unterschiedlichen Zeitspannen, die ihm in militärischer und
in politischer Hinsicht zur Verfügung standen.
Wallensteins Lager bei Fürth ist in der rechten unteren Bildhälfte dargestellt, das
Gustav Adolfs in der oberen Bildmitte. An der Kante von Wallensteins Lager ist die
Alte Veste (im Stich «Altenburg» genannt) zu erkennen. Wallensteins Lager liegt
auf einer Erhebung, was einen Angriff zusätzlich erschwert. Beide Lager sind
durch Erdaufwürfe geschützt. Die schwedischen Regimenter haben ihr Lager
verlassen und bilden eine Angriffslinie; die kaiserlichen haben sich gesammelt und
stehen zur Unterstützung der an den Schanzen eingesetzten Verbände bereit.
Louis Braun ist vor allem als Maler des Deutsch-Französischen Krieges von
1870/71 hervorgetreten; die dabei gewonnenen Eindrücke hat er in die bald
250 Jahre frühere Schlacht von Lützen zurückgespiegelt: der König Gustav II. Adolf
vor der Front einer Kavallerieeinheit beim Gebet, unmittelbar hinter ihm Reiter mit
schwedischen Fahnen, vor ihm Gefallene der vorangegangenen Kämpfe. Dieser
Holzstich nach Brauns Gemälde wurde 1894 in der Gartenlaube abgedruckt, die
von einem überwiegend weiblichen Publikum gelesen wurde.
Die Nachricht vom Tod des Königs verstärkte auf dem linken
schwedischen Flügel die Neigung der Soldaten, die Flucht
zu ergreifen. Das war der kritische Augenblick der Schlacht:
Wäre jetzt eine große Panik ausgebrochen, wäre die
Schlacht für die Schweden verloren gewesen. Es waren vor
allem zwei Männer, die das verhinderten: der Feldprediger
Jacob Fabricius, der die Behauptung ausstreute, der König
sei gar nicht tot, sondern nur verwundet, und mit einigen
hundert Mann den Choral «Erhalte uns, Herr, bei Deinem
Wort» anstimmte, [42] und Herzog Bernhard, der die
zurückweichenden Truppen sammelte und erneut zum
Angriff führte. Die sich abzeichnende Panik schlug ins
Gegenteil um, als Bernhard die Soldaten mit dem Ruf
anfeuerte, sie müssten ihren König rächen. Aus der
drohenden «Rückwärtspanik» wurde jetzt eine
«Vorwärtspanik», und die schwedischen Truppen drangen
mit berserkerhafter Wut auf den Feind ein, der nun
seinerseits zurückwich. Bernhard von Weimar hatte sich
zuvor kurzzeitig mit Knyphausen beraten, der für den
Rückzug stimmte. Der achtundzwanzigjährige Bernhard
entschied sich für den Angriff und entriss damit Wallenstein
den schon fast sicheren Sieg. Sein kometenhafter Aufstieg
begann am Tag von Lützen. [43]
Nahezu gleichzeitig mit dem schwedischen König fand
auch Feldmarschall Pappenheim den Tod. Nach einer kurzen
Einweisung hatte er das Kommando auf dem linken Flügel
der Kaiserlichen übernommen. Seiner Gewohnheit
entsprechend ritt er an die Spitze des Angriffs, mit dem er
die bedrohliche Lage entschärfen wollte. Da traf ihn die
Kugel einer schwedischen Regimentskanone (anderen
Berichten zufolge war er bereits zuvor von mehreren
Pistolenschüssen getroffen worden) [44] und riss ihm die
Seite auf. Der ihn begleitende Trompeter brachte ihn aus
dem Kampfgeschehen heraus. Man legte ihn in eine Kutsche,
um die Wunden zu versorgen. In Windeseile verbreitete sich
die Nachricht vom Ausfall des Feldmarschalls, und in der
Folge breitete sich Panik unter den von Pappenheim
herangeführten Kavalleristen aus. Einige ergriffen die
Flucht, andere verweigerten den Befehl zum Angriff,
darunter auch Offiziere. Hier mag dahingestellt bleiben, ob
dabei deren protestantisches Bekenntnis eine Rolle spielte,
wie häufig angeführt, oder ob vielmehr der Umstand
ausschlaggebend war, dass die Männer seit Mitternacht im
Sattel gesessen hatten und vor dem Angriff nicht mehr
hatten verpflegt werden können. Voll Verzweiflung soll
Pappenheim noch beobachtet haben, dass sich mit der
Flucht «seiner» Reiterregimenter die Lage auf Wallensteins
rechtem Flügel weiter verschlechterte. «Ist denn keiner
mehr, der für den Kaiser treulich fechten will», soll der
Schwerverwundete gerufen haben. [45] Dann wurde
Pappenheim in der Kutsche weggefahren. Ob er die
Pleißenburg bei Leipzig noch lebend erreicht hat, ist unklar:
Einige berichten, er sei dort unter qualvollen Schmerzen
gegen drei Uhr morgens gestorben; andere gehen davon
aus, dass er bereits unterwegs verstorben ist. [46]
Beinahe gleichzeitig mit dem schwedischen König fand auch Graf Pappenheim in
der Schlacht bei Lützen den Tod. «Ist denn keiner mehr, der für den Kaiser treulich
fechten will», soll der Schwerverwundete noch gerufen haben, als er seine
Kavallerie flüchten sah. Auf der Zeichnung von René Reinicke ist zu sehen, wie der
sterbende Feldmarschall vom Schlachtfeld gebracht wird.
Der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen musste von den Protestanten
verarbeitet werden: Der schwedische König hatte nicht nur Sieg um Sieg
errungen, sondern auch die notorisch zerstrittenen Protestanten politisch geeint.
Das Flugblatt zeigt Gustav Adolf im Kampf mit einem vielköpfigen Drachen, dem
er die meisten Köpfe schon abgeschlagen hat. Der Drache beherrscht nur noch
einen kleinen Teil des Landes, der von seinem langen Schwanz umschlungen wird.
Die dem König auferlegte Aufgabe, so die Botschaft, ist fast erledigt.
Politische Bewegung, militärischer
Stillstand
Mit der Schlacht von Lützen ging das Kriegsjahr 1632 zu
Ende; beide Seiten waren mit der Reorganisation ihrer
Kräfte beschäftigt, und keiner hatte die Kraft, den Ausgang
der Schlacht militärisch auszunutzen oder deren Ergebnis zu
revidieren. Wallenstein zog sich mit den Überresten seines
Heeres nach Böhmen und Schlesien zurück. Er ließ das Heer
also entgegen seinen ursprünglichen Plänen nicht im
Feindesland überwintern, sondern musste ein weiteres Mal
die kaiserlichen Erblande dafür in Anspruch nehmen. Das
gab seinen Kritikern erneut Auftrieb. Auf schwedischer Seite
führte Bernhard von Weimar, der noch auf dem Schlachtfeld
von Lützen das Kommando über das Heer übernommen
hatte, [1] die Truppen nach Naumburg zurück, wo sie neu
zusammengestellt und wieder aufgefüllt werden konnten.
Zunächst aber waren die Schweden mit dem Tod ihres
Königs und dessen Folgen beschäftigt. Weit mehr noch als
Tilly und Pappenheim war Gustav Adolf das Idol des Heeres
gewesen, und es blieb abzuwarten, wie dieses auf den
Verlust reagieren würde. Der König war der Kopf und das
Herz der schwedischen Kriegführung in Deutschland
gewesen, und es musste geklärt werden, wer an seine Stelle
treten konnte.
Die politische Leitung, das zeichnete sich früh ab, würde
Reichskanzler Axel Oxenstierna übernehmen, der diese
Aufgabe bereits früher verschiedentlich innegehabt hatte.
Einen unmittelbaren Nachfolger auf dem Thron gab es nicht,
da Gustav Adolfs einzige Tochter Christina noch unmündig
war. Oxenstierna war sich darüber im Klaren, dass die
schwedische Politik nur von Deutschland aus zu leiten war,
da er nur so die erforderliche Autorität aufbringen konnte,
um die eigenwilligen deutschen Verbündeten
zusammenzuhalten. Also blieb er in Mainz, wo die
Kommunikationswege zu den Verbündeten Frankreich und
Niederlande kurz waren. Oxenstierna wurde für das
kommende Jahrzehnt zum Kopf der schwedischen Politik,
und diese Aufgabe hat er auch in schwierigen, mitunter
verzweifelten Situationen gemeistert. [2] Die operative
Führung des Heeres konnte Oxenstierna jedoch nicht
übernehmen, da ihm das Kriegswesen und die begeisternd-
mitreißende Art, über die Gustav Adolf verfügt hatte,
fernlag. Die Heeresführung teilten sich bis zur Katastrophe
von Nördlingen im Jahr 1634 Bernhard von Weimar und
Horn, später übernahmen Banér und dann Torstensson. Das
Herz der schwedischen Politik, das für ihre Dynamik und
den Rhythmus des politisch-militärischen Geschehens
gesorgt hatte, konnte jedoch nicht ersetzt werden, und das
hatte zur Folge, dass die Direktionsgewalt über die
Entwicklungen zunehmend von Schweden auf Frankreich
überging. Die alles beherrschende Autorität Gustav Adolfs,
sein Selbstbewusstsein und sein Siegercharisma hatten dem
bis dahin entgegengestanden.
Axel Oxenstierna, zu Lebzeiten des Königs bereits dessen engster und wichtigster
Mitarbeiter, übernahm nach Gustav Adolfs Tod die Leitung der schwedischen
Politik und zeitweilig auch die Militärführung in Deutschland. Bis Kriegsende blieb
er die politisch beherrschende Gestalt Schwedens.
Der Krieg, der sich längst verselbständigt hat, wird hier als Monstrum gezeigt: Der
menschliche Arm hält Waffen, Partisane, Reiterpistole und Brandfackel, der
gepanzerte Menschenfuß tritt einen Soldaten nieder. Mit der Löwenpranke stopft
sich das Monster Geldbeutel, Schätze und liturgisches Gerät in den Rachen. Der
Wolfskopf steht für Gier, der Pferdefuß für Zügellosigkeit. Das Monster ist nicht
allein, denn an seinem Schwanz folgen ihm Schlangen, Ratten und Kröten, die für
die Übel im Gefolge des Krieges stehen, vor allem für Hunger und Pest.
Rubens hat also eine andere Seite des Krieges dargestellt als
Velázquez. Ging es diesem um die Symbolik von Sieg und
Niederlage und die Einhegung der Gewalt durch Rituale und
Kriegsrecht, so hat Rubens den Wandel des Krieges vom
faszinierenden Anfang zum Schrecken ohne Ende ins Bild
gesetzt. Er hat nicht die kriegführenden Parteien und schon
gar nicht die Feldherren als beherrschende Akteure gemalt,
sondern zeigt den Krieg als ein verselbständigtes
Geschehen, auf das allenfalls Venus und Alecto Einfluss
haben, die Sehnsucht nach häuslicher Ruhe und die Lust an
der Zerstörung. Mars ist zwischen beiden hin- und
hergerissen, aber es ist doch unübersehbar, dass die Lust an
der Zerstörung ihn für sich gewinnt. Geht man von der
Attraktivität der beiden um Mars konkurrierenden
Frauengestalten aus, ist es nicht leicht nachzuvollziehen,
warum dieser Alecto folgt. Es muss in ihm einen Trieb
geben, der stärker ist als die Anziehungskraft der beiden
Frauen, und dieser Trieb wird in der tiefsten und
eigentlichen Schicht von Rubens’ Gemälde subtil sichtbar
gemacht: Der Krieg ist von außen nicht beherrschbar, er
macht, was er will, und sein Wollen ist zutiefst unvernünftig.
Die Kosten dieser Unvernunft sind unermesslich, und was
am Schluss bleibt, sind Elend und Zerstörung. Velázquez’
Bild steht für die Sichtweise, die bei den politischen
Entscheidungseliten in der ersten Kriegshälfte vorherrschte;
Rubens’ Bild zeigt, dass sich seit Mitte des Krieges etwas
geändert hat und man das Kriegsgeschehen nicht mehr als
eine Folge von Entschlüssen und Handlungen der
kriegführenden Parteien ansehen kann. Was zuvor als
Resultat betrachtet wurde, hat sich als der eigentliche
Akteur entpuppt, und dieser lässt sich kaum aufhalten.
Die Schlacht bei Nördlingen und der
Zusammenbruch der schwedischen Macht
in Oberdeutschland
Das Kriegsjahr 1634 begann, wie das Kriegsjahr 1633
geendet hatte: mit einer Konzentration auf Oberdeutschland.
Mit Wallensteins Tod war auf kaiserlicher Seite derjenige
verschwunden, für den Sachsen und Brandenburg die
strategisch entscheidenden Kriegsschauplätze gewesen
waren und der das Gebiet an der Donau immer nur als
Nebenkriegsschauplatz angesehen hatte. Wallensteins
Nachfolger dagegen machten Süddeutschland zum
Hauptkriegsschauplatz. Dafür gab es eine Reihe von
Gründen. Zunächst standen hier mit den Armeen Horns und
Herzog Bernhards die Hauptkräfte der schwedisch-
protestantischen Seite, und im Unterschied zu Wallenstein,
der auf die Schwachstellen des Gegners gezielt hatte, wollte
man nun den Krieg durch einen Angriff auf dessen
Hauptkräfte entscheiden. Des Weiteren hatte der
Heilbronner Bund, politische wie finanzielle Grundlage der
schwedischen Macht im Reich, seine wichtigsten Territorien
in Süddeutschland, so dass militärische Erfolge hier nicht
nur die Heeresmacht der Schweden schwächten, sondern
auch deren Stellung in ganz Deutschland erschütterten.
Schließlich war eine Verlagerung des Kriegsgeschehens in
den Donauraum auch deswegen naheliegend, weil im Verlauf
des Jahres mit dem Zuzug spanischer Truppen zu rechnen
war, die über Tirol nach Bayern kommen und von dort zum
Rhein marschieren sollten, entlang dem es dann in die
südlichen Niederlande weiterging. Es bot sich an, diese
Truppen auf ihrem Marsch zu nutzen, um die schwedischen
Armeen aus Süddeutschland zu verdrängen. Einige
kaiserliche und bayerische Generäle hatten bereits im Jahr
1633 auf einen ähnlichen Kriegsplan gesetzt, als der Herzog
von Fería spanische Truppen nach Deutschland führte, doch
das Vorhaben war gescheitert, weil Wallenstein eine
stärkere spanische Präsenz in Deutschland ablehnte und die
Truppen des Herzogs wenig leistungsfähig waren. [1] Das
sollte im Jahr 1634 anders werden.
Nach Wallensteins Ermordung hatte der Kaiser seinen
ältesten Sohn, den König von Ungarn und Böhmen, der
ebenfalls den Namen Ferdinand trug, zum neuen
Oberkommandierenden des Heeres bestimmt und ihm
Matthias Gallas als Generalleutnant zur Seite gestellt. Im
Prinzip lag die Operationsführung bei Gallas, der ein
umsichtiger Kommandeur war, bis er in den darauffolgenden
Jahren dem Alkohol verfiel und als «Heerverderber» in die
österreichische Militärgeschichte einging. [2] Der König von
Ungarn und Böhmen, damals gerade sechsundzwanzig Jahre
alt, verstand den Titel des Oberkommandierenden jedoch
nicht nur als einen formalen Rang und war, ganz im
Unterschied zu seinem Vater, darum bemüht, militärisches
Charisma zu erwerben. Also war er während des Feldzugs
ständig beim Heer und nahm Einfluss auf die militärischen
Entscheidungen. [3] Es gab aber noch einen weiteren guten
Grund für seine Anwesenheit beim Heer, ging es doch nun
um gemeinsame Operationen des kaiserlichen Heeres mit
einem spanischen Heer, das wiederum von einem Bruder
König Philipps IV. geführt wurde. Ferdinand von Spanien,
allgemein als Kardinalinfant bezeichnet, [4] verfügte im
Unterschied zu den anderen Mitgliedern des Hauses
Habsburg über militärische Fähigkeiten, die er als
Statthalter der Niederlande gegen die Oranier unter Beweis
stellte. Eine solche Kooperation konnte und wollte man nicht
Gallas überlassen, der seit 1632 zwar Reichsgraf war, damit
aber deutlich unter dem Kardinalinfanten stand. Außerdem
war das Zusammenwirken der beiden Ferdinands eine gute
Gelegenheit, die enge Kooperation zwischen der spanischen
und der österreichischen Linie des Hauses Habsburg zu
zeigen und so vom Fehlen Wallensteins abzulenken, der in
den vergangenen Jahren der Garant für die Kriegserfolge
des Kaisers gewesen war. Wie auch immer das Verhältnis
der beiden tatsächlich beschaffen war – bei den Operationen
im Spätsommer 1634 arbeiteten sie sehr gut zusammen. [5]
Im Unterschied dazu war auf der Gegenseite das Verhältnis
zwischen Gustav Horn, dem Schwiegersohn Oxenstiernas,
und Bernhard von Weimar ausgesprochen
spannungsgeladen. Beide hatten nach Gustav Adolfs Tod
damit gerechnet, das Oberkommando des Heeres zu
erhalten – Horn als Marschall von Schweden und «rechte
Hand» des verstorbenen Königs, Bernhard als derjenige, der
die Schlacht von Lützen zu Ende geführt und für den
schwedischen Erfolg gesorgt hatte. Obendrein war Bernhard
jetzt der höchste Offizier des Heilbronner Bundes.
Oxenstierna hatte es vermieden, zwischen beiden eine
Entscheidung zu treffen, und dann führte der Umstand, dass
Horn in Schwaben und Bernhard in Franken und der
Oberpfalz standen, auch noch dazu, dass sie zur Kooperation
genötigt waren.
Rubens’ Bild feiert die Einheit des Hauses Habsburg, die sich auch auf dem
Schlachtfeld bewährt. Der Kaisersohn Ferdinand mit dem dunklen Umhang und
der ungarischen Kopfbedeckung in der Linken begrüßt seinen Cousin Fernando,
der spanische Regimenter herangeführt hat. Der über beiden schwebende Adler
bringt die Lorbeerkränze als Zeichen des Sieges. Im Hintergrund eine Kirche,
stellvertretend für die zu schützende Institution. Im Vordergrund links der alte
Flussgott Donau, rechts von ihm die auf einen Schild mit Doppeladler gestützte
Germania, trauernd über das neuerliche Blutvergießen.
Erst einmal sah freilich alles so aus, als könnte das Jahr
1635 zu einem großen Erfolg der kaiserlichen Politik
werden, denn immer mehr Reichsstände traten dem Prager
Frieden bei. Nur wenige, wie etwa Landgraf Wilhelm von
Hessen-Kassel, widersetzten sich dieser Entwicklung.
Oxenstierna sprach davon, der Kaiser habe «mit diesem
Frieden mehr erreicht als mit zwei Schlachten bei
Nördlingen». [25] Die schwedische Position in Deutschland
wurde durch die Beitritte der Fürsten immer weiter
geschwächt, insofern war Oxenstiernas Behauptung
wahrscheinlich durchaus zutreffend. Bestätigt wurde damit
Wallensteins zuletzt verfolgte Politik, die nicht auf
militärische Siege, sondern auf die politische Aufweichung
der durch Gustav Adolfs Erfolge geeinten Front der
Protestanten gesetzt hatte. «In summa», so Oxenstierna,
«haben nun Unbeständigkeit, Bosheit und Torheit bei diesen
Verbündeten überall die Oberhand gewonnen und so tiefe
Wurzeln geschlagen, daß man ihnen nicht mehr helfen kann.
Sie laufen in ihr eigenes Verderben, und fast niemand ist
übrig von denen, die mit uns kooperieren sollten. Trotzdem»,
so muntert sich Oxenstierna selbst auf, «will ich für meine
Person meiner Pflicht nachkommen, es ist mein höchstes
Gesetz, dieses schwache, nunmehr schiefe Werk aufrecht zu
erhalten, so lange ich kann.» [26]
Das aber war nur möglich, wenn sich Schweden aus
Süddeutschland zurückzog und den Kriegsschauplatz am
Rhein den Franzosen überließ, die am Oberrhein mit den von
ihnen finanzierten Truppen Herzog Bernhards auftraten,
während sie am Mittelrhein zwischen Mainz und Koblenz
sowie an der Mosel eigenes Militär einsetzten. Die
Schweden suchten sich dagegen auf dem norddeutschen
Kriegsschauplatz festzusetzen, wo Feldmarschall Johan
Banér das Kommando führte und allmählich die Initiative
zurückerlangte. Zunächst musste er jedoch Meutereien von
Soldaten niederschlagen, die eine sofortige Auszahlung ihres
Soldes verlangten, was infolge der prekären Haushaltslage
nicht möglich war. In einer Mischung aus Härte und
Versprechen gelang es Banér, die Disziplin
wiederherzustellen. Er war sich darüber im Klaren, dass er
sich damit nur Zeit gekauft und keineswegs die Probleme
des schwedischen Heeres gelöst hatte. Es bedurfte eines
großen Sieges, um die Reputation der schwedischen Waffen
zu erneuern und so viel Beute zu machen, dass die Soldaten
in materieller Hinsicht vorerst zufriedengestellt waren.
Banér musste also die Schlacht suchen und diese zur Not
auch unter ungünstigen Bedingungen annehmen. Im
Sommer und Herbst 1635 hing die schwedische Position in
Deutschland erneut fast ausschließlich vom Kriegsglück ab.
Doch Banér war der richtige Mann, um mit diesem
Entscheidungs- und Erfolgsdruck umzugehen.
Banér stammte nicht aus der schwedischen
Militäraristokratie, sondern war innerhalb des Militärs
aufgestiegen. [27] Als Kommandeur hielt er seine Truppen
ständig in Bewegung und sorgte dafür, dass sie
ununterbrochen Feindkontakt hatten. Er war ein Meister der
Kleinkriegführung und verfügte über bemerkenswerte
taktische Fähigkeiten. Von strategischen Fragen verstand er
wenig, sie interessierten ihn auch nicht. Er überließ sie
Oxenstierna, was offenbar die Voraussetzung dafür war,
dass die beiden miteinander auskamen. Banér war kaum zur
Kooperation fähig. Oxenstiernas politische Autorität jedoch
erkannte er an, und dessen strategische Vorgaben stellte er
niemals in Frage. Auch mit Lennart Torstensson, dem
zweiten Mann der Armee, kam Banér gut zurecht. Ansonsten
war er notorisch damit beschäftigt, seine Generäle
gegeneinander auszuspielen, zum einen, weil er ihnen
misstraute, zum andern, weil er überzeugt war, sie ließen
sich so zu besseren Leistungen motivieren. Banér war nach
dem Urteil des Kriegshistorikers William Guthrie eine der
abstoßendsten Gestalten des gesamten Krieges, zynisch und
brutal, ein Alkoholiker und Weiberheld – eine
Charakterisierung im Übrigen, die in der Kriegsgeschichte
immer wieder auftaucht.
Schiller mit Wallensteins Lager sowie Brecht mit seiner Mutter Courage haben
unsere Vorstellung vom Heerlager im Dreißigjährigen Krieg geprägt. Das hier
abgebildete, im Unterricht der 1930er Jahre eingesetzte Schulwandbild entspricht
dieser Vorstellung: Dem reich gedeckten Tisch und den bereitstehenden Fässern
nach zu urteilen, sind die Soldaten gut versorgt, besser jedenfalls als die drei sich
von links nähernden Gestalten, die offenbar etwas vom Festmahl der Soldaten
abhaben wollen. Die abgestellten Wagen und die Zelte zeigen, dass sich das
Militär hier für einige Zeit eingerichtet hat.
[…]
Als ein Auf und Ab von Glück und Unglück hat dagegen Hans
Jakob Christoffel von Grimmelshausen den Krieg
beschrieben. Die von dem großen Dichter des
Dreißigjährigen Krieges entworfenen Romanfiguren, der
zunächst weltfremde und dann überaus weltkundige
Simplicius Simplicissimus, die Erzbetrügerin und
Landstreicherin Courage und der Soldat und spätere
Kriegsversehrte Springinsfeld, sind Gestalten, die der Krieg
hervorgebracht, geformt und geprägt hatte. In ihrer
Einfältigkeit wie Niedertracht, ihrem naiven
Glücksvertrauen wie reflektierten Lernen aus Erfahrungen
sind sie Typen, die vom Krieg ebenso profitieren, wie sie an
ihm leiden. Sie alle haben sich dem rotierenden Glücksrad
der Fortuna anvertraut, also Gottvertrauen und
Gottergebenheit durch die Bereitschaft ersetzt, sich den
Launen des Glücks auszusetzen und durch Entschlusskraft
wie Gerissenheit das Beste daraus zu machen. Es gibt für sie
nichts, auf das sie sich dauerhaft verlassen können, immer
wieder aufs Neue steigen sie in das Spiel mit dem Glück ein,
das ihnen nach oben verhilft und Reichtümer beschert, aber
sie anschließend auch wieder nach unten reißt und ihnen
alles nimmt. Was Simplicius, Courage und Springinsfeld
voneinander unterscheidet, ist der Umgang mit diesem Auf
und Ab: [24] Simplicius steigt letztlich aus dem Glücksspiel
aus, lässt das Soldatenleben hinter sich und wendet sich
einem sittlichen und frommen Leben zu; die Courage bleibt
trotz mehrerer «Ausstiege» im Kriegsgeschäft und landet am
Schluss bei einer Bande umherziehender Zigeuner, deren
Anführerin sie dank ihrer grenzenlosen Durchtriebenheit
wird; Springinsfeld, der im Krieg ein Bein verloren hat und
sich selbst nunmehr als «Stelzvoraus» bezeichnet, [25]
verliert seine einstige Unbekümmertheit und wird zum
Skeptiker; dennoch kann er von dem Spiel mit dem Glück
nicht lassen. Er ist das Mittelglied zwischen dem reuigen
Simplicius und der störrischen Courage. Die drei stehen für
die unterschiedlichen Möglichkeiten, mit Leid und Unglück
zurande zu kommen.
Es ist ein ganz eigenartiger Satyr, der auf der Erstausgabe des Simplicissimus den
Leser begrüßt. Üblicherweise sind Satyrn Mischwesen aus Mensch und
Ziegenbock. Auf sie ist bis ins 18. Jahrhundert die literarische Gattung der Satire
zurückgeführt worden, in die sich auch der Roman Grimmelshausens einordnet.
Der hier zu sehende Satyr ist freilich ein Mischwesen aus Mensch, Bock, Vogel und
Fisch; das Satirische überbietet sich also selbst. Die Masken auf dem Boden
verweisen auf die ständigen Identitätswechsel der Hauptperson, und die Bilder in
dem weit geöffneten Buch zeigen, dass wir in eine Welt der Gaukler eintreten:
Man muss das Erzählte durchschauen, wenn man ihm auf den Grund gehen will.
Jacques Callot, «Die Anwerbung der Truppen», aus dem Zyklus Les Misères et les
Malheurs de la Guerre (1633).
Das fünfte Bild aus Callots Zyklus, «Die Plünderung auf einem Bauernhof».
Nicht jedoch beim Dreißigjährigen Krieg, und so beginnt die
Darstellung des für ihn typischen Elends und Unglücks bei
Callot erst nach der Schlacht. Dafür stehen vor allem die
fünf Blätter mit den Titeln «Die Plünderung», «Die
Plünderung auf einem Bauernhof», «Die Zerstörung eines
Klosters», «Zerstörung und Verbrennung eines Dorfes» und
«Der Überfall auf die Kutsche». Die Gewalt breitet sich im
Land aus und richtet sich nicht mehr gegen den bewaffneten
Feind, sondern gegen eine weithin wehrlose Bevölkerung; es
geht nicht mehr um den Sieg, sondern um die persönliche
Bereicherung der Marodeure, die sich aus disziplinierten
Soldaten in Raub- und Mordgesellen verwandelt haben.
Stellvertretend für diese fünf Radierungen soll hier «Die
Plünderung auf einem Bauernhof» [49] beschrieben werden.
Man sieht den Innenraum eines stattlichen Bauernhofs, in
den mehr als ein Dutzend Soldaten eingedrungen sind,
erkennbar an ihren breitkrempigen Hüten, die sie von den
Bewohnern des Hofs unterscheiden. In der vorderen
Bildmitte sind Soldaten um einen Tisch versammelt, auf dem
geschlachtetes Federvieh liegt, daneben tote Schafe und
Ferkel. Einer der Eindringlinge versucht, mit seiner
Hellebarde Vorräte herunterzuholen, die an der Decke des
Raums aufgehängt sind, während auf der rechten Bildseite
jemand eine Leiter bestiegen hat, um an Würste zu
gelangen. Davor werden in der Nähe einer Tür
Wandverkleidungen entfernt, wohl weil man dahinter
Schätze zu finden hofft. Wie die auf dem Boden stehenden
Kisten und Truhen zeigen, die von einem Soldaten
durchsucht werden, war die Vermutung nicht falsch, dass
der Bauer seine Wertsachen versteckt hat. Womöglich hat
das auch die im Hintergrund gefolterte Person verraten. Sie
baumelt mit dem Kopf nach unten über einem qualmenden
Feuer; daneben sitzt eine weitere Person, die dazu
gezwungen wird, ihre Füße ganz nahe an die Flammen zu
halten. Sie wird von einem hinter ihr stehenden Soldaten
offenbar gewürgt. Im Hintergrund der Bildmitte ein großes
Bett, auf dem eine Frau von zwei Soldaten vergewaltigt
wird; andere stehen daneben, einer davon mit
hocherhobenem Humpen, sie warten darauf, dass sie «an
der Reihe» sind. Links vom Bett gibt eine Tür den Blick auf
einen Raum mit großen Fässern frei, aus denen sich die
Soldaten mit Bier oder Wein versorgen, links daneben
stehen Männer in drohender Haltung vor einer Person, die
vor ihnen auf die Knie gefallen ist und sie anfleht. Im
Vordergrund der linken Bildhälfte ein Soldat, der einem auf
den Rücken geworfenen Mann die Degenspitze an den Hals
gesetzt hat; ganz am linken Bildrand ein weiterer Soldat, der
eine mit ihrem Kind flüchtende Frau am Haar gepackt hat.
Vergewaltigt wird im Übrigen nicht nur auf dem großen Bett
in der Bildmitte, sondern auch in einem kleinen Raum hinter
einer Tür auf der rechten Bildhälfte. Ganz rechts verlässt ein
Soldat mit einem großen Packen auf dem Rücken den Raum.
Marolles’ Kommentar zu diesem Bild lautet: «Die Schurken
tun sich noch mit ihren Streichen groß, / verheeren alles
rings und lassen nichts mehr los, / der eine foltert, bis sie
ihm das Gold verraten, / der andre stachelt auf zu tausend
Missetaten, / und insgeheim vergehn sie sich an alt und
jung / mit Diebstahl, Raub, Mord, Vergewaltigung.» [50]
Eine in vieler Hinsicht vergleichbare Gewaltszene findet
sich am Anfang von Grimmelshausens Der abenteuerliche
Simplicissimus: Die Reiter, die den elterlichen Bauernhof im
Spessart überfallen, «durchstürmten das Haus unten und
oben; ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam ob
wäre das gölden Fell von Kolchis darinnen verborgen.
Andere machten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat
große Päck zusammen, als ob sie irgends einen
Krempelmarkt anrichten wollten; was sie aber nicht
mitzunehmen gedachten, wurde zerschlagen; etliche
durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie
nicht Schaf und Schwein genug zu stechen gehabt hätten;
etliche schütteten die Federn aus den Betten und fülleten
hingegen Speck, andere Dürrfleisch und sonst Gerät hinein,
als ob alsdann besser darauf zu schlafen gewest wäre. […]
Unsere Magd ward im Stall dermaßen traktiert, daß sie
nicht mehr daraus gehen konnte, welches zwar eine Schand
ist zu melden. Den Knecht legten sie gebunden auf die Erd,
steckten ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm
einen Melkkübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib: das
sie ein schwedischen Trunk nenneten, wodurch sie ihn
zwungen, ein Partei [eine weitere Gruppe von Reitern]
anderwärts zu führen, allda sie Viehe und Menschen
hinwegnahmen und in unsern Hof brachten, unter welchen
mein Knan [Vater], meine Meuder [Mutter] und unser Ursele
[Simplicius’ Schwester] auch waren. Da fing man erst an, die
Steine [Zündsteine] von den Pistolen und hingegen an deren
Statt die Bauren Daumen aufzuschrauben und die arme
Schelmen so zu foltern, als wenn man hätt Hexen brennen
wollen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren
bereits in Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her
waren, man gesehen er noch nichts bekennt hatte. Einem
andern machten sie ein Seil um den Kopf und raitelten
[drehten] es mit einem Bengel [Prügel] zusammen, daß ihm
das Blut zu Mund, Nas und Ohren heraussprang. […] Allein
mein Knan war meinem damaligen Bedünken nach der
glückseligste, weil er mit lachendem Munde bekennete, was
andere mit Schmerzen und jämmerlicher Wehklag sagen
mußten; und solche Ehre widerfuhr ihm ohne Zweifel darum,
weil er der Hausvater war; dann setzten sie ihn zu einem
Feuer, banden ihm, daß er weder Händ noch Füß regen
konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtetem
Salz, welches ihm unser alte Geiß wieder ablecken und
dadurch so kützeln mußte, daß er vor Lachen hätte bersten
mögen. […] In solchem Gelächter bekannte er seine
Schuldigkeit und öffnete den verborgenen Schatz, welcher
von Gold, Perlen und Kleinodien viel reicher war als man
hinter Bauren hätte suchen mögen. Von den gefangenen
Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich nichts
zu sagen, weil mich die Krieger nicht zusehen ließen, wie sie
mit ihnen umgiengen. Das weiß ich noch wohl, daß man hin
und wieder in den Winkeln erbärmlich schreien hörte;
schätze wohl, daß es meiner Meuder und unserm Ursele nit
besser gangen als den andern.» [51]
Die bei Callot auf fünf Blättern ausführlich dargestellten
Verbrechen der Marodeure enden, wie auf der neunten
Radierung zu sehen, mit der Entdeckung und Festnahme der
Übeltäter durch eine Soldateneinheit, die losgeschickt
wurde, um die Bevölkerung vor den schlimmsten Verbrechen
zu schützen. Auf einer Lichtung werden die Marodeure
zusammengetrieben und entwaffnet. Einige verstecken sich
im Unterholz, werden aber, wie am linken Bildrand zu sehen,
von mit Spießen bewaffneten Männern aufgestöbert. Ein
Offizier zu Pferde, offenbar der Profos des Regiments, führt
den Zug der Festgenommenen, an dessen Spitze ein
gebückter Fährtenleser zu sehen ist, der weiteren Räubern
und Plünderern auf der Spur ist. Es handelt sich also nicht
um eine Zufallsentdeckung; die Kommandeure des Heeres
sind gewillt, systematisch gegen das Marodeurstum
vorzugehen. Marolles’ Kommentar lässt keinen Zweifel an
dem, was die Gefangenen erwartet: «Nachdem sie manche
schnöde Missetat begangen, / versuchet man mit Fleiß, die
Schändlichen zu fangen. / Nichtswürdig, ohne Ruhm, sieht
man die Bösen hier, / wie sie der Feldprofoß verbringt ins
Standquartier. / Schon lauert das Gericht, die Strafe wird
entsprechen / den allzulang verübten schrecklichen
Verbrechen.» [52]
Den fünf Blättern mit den Gewaltszenen der Marodeure
korrespondieren fünf Blätter, auf denen Callot die
unterschiedlichen Bestrafungen dargestellt hat, denen die
Marodeure zugeführt werden: «Der Wippgalgen», «Die
Gehenkten», «Die Erschießung», «Der Scheiterhaufen» und
«Das Rad». In den Bildunterschriften erläutert Marolles,
wofür der Delinquent verurteilt wurde und weshalb gerade
diese Strafe an ihm vollzogen wird. Die anwesenden
Heereseinheiten werden nicht aufgeboten, um zu
verhindern, dass die Straftäter von der aufgebrachten
Bevölkerung befreit oder aber massakriert werden, sondern
um ihnen vor Augen zu führen, womit sie rechnen müssen,
wenn sie Verbrechen begehen und gegen die
Soldatendisziplin verstoßen. Der Adressat des Strafvollzugs
ist das Militär selbst, weswegen auf Callots Radierungen nur
sehr wenige Zivilpersonen zu sehen sind, während die
Soldaten so aufgestellt wurden, dass sie zur Exekution
blicken – was sinnlos wäre, wenn es darum ginge, den
Vollzug der Strafe gegen Zivilisten zu sichern.
Jacques Callot, «Die Gehenkten».
Eines der fünf Blätter, das mit dem Titel «Die Gehenkten»,
zeigt die Strafe für Diebstahl und Plünderung. Es hat den
engsten Bezug zu den Verbrechen bei der «Plünderung auf
einem Bauernhof». Marolles’ Kommentar lautet: «Uns zeigt
das Diebsgesindel, das hier dicht gedrängt / wie unheilvolles
Obst an einem Baume hängt, / daß das Verbrechen selbst /
(verrufne, finstre Sache) / schon sei ein Instrument der
Züchtigung und Rache; / denn früher oder später stellt den
Bösewicht / ein unerbittlich Los vors himmlische
Gericht.» [53] Rechts und links des mächtigen Galgenbaums
sind mehrere Regimenter in Reih und Glied angetreten; sie
haben Gefechtsformation eingenommen, vorn die
Musketiere mit geschultertem Gewehr, dahinter die
Pikeniere mit hochgerichteten Lanzen, die wie eine
Umzäunung der Hinrichtung wirken; in den
Musketierpelotons die entrollten Regimentsfahnen, die den
offiziellen Charakter des Ereignisses unterstreichen.
Zwischen den beiden Fronten des Militärs ist eine Zeltstadt
zu sehen, was darauf hindeutet, dass die Exekution in
unmittelbarer Nähe des Feldlagers stattfindet. Doch all das
ist nur die Staffage für das Geschehen im Bildzentrum: An
einem gewaltigen alten Baum mit ausladenden Ästen hängen
etwa zwei Dutzend Männer, die Beine leicht gespreizt, die
Leichname im Winde schaukelnd. Links unterhalb des
Baumes stehen Unteroffiziere mit Hellebarden, die die
Exekution überwachen, sowie weitere Delinquenten, die auf
ihre Hinrichtung warten; dazu zwei Geistliche, die diese
darauf vorbereiten, einer mit erhobenem Kreuz auf einer an
den Baum gelehnten Leiter. Rechts unterhalb des Baumes
sind ebenfalls Hellebardenträger zu sehen sowie zwei
weitere Delinquenten, die auf einer Trommel ihre
Habseligkeiten abliefern. Womöglich würfeln sie nach
Landsknechtstradition um ihr Leben. Zuvor mussten sie
Stiefel und Obergewand ablegen, wie die Hüte und Kleider
im vorderen Bildzentrum zeigen. Der Weg zum Galgenbaum
ist einer der Entkleidung all dessen, was die Männer als
Soldaten gekennzeichnet hat; die Leiber der Baumelnden
sind nur noch mit einem Hemd bekleidet. Vor der
Hinrichtung wird dem Soldaten die Ehre genommen. Dass
die Exekution noch einige Zeit weitergehen wird, lassen
nicht bloß die unter dem Baum auf den Tod Wartenden
vermuten, sondern auch ein am äußersten rechten Bildrand
noch mit Stiefeln, Hose und Obergewand Herangeführter,
dem ein Mönch Trost für seinen letzten Gang zuspricht.
Callots Radierungen sind, zumindest was die ersten
vierzehn Blätter anbetrifft, auch eine Bearbeitung des
Elends und eine Bewältigung des Unglücks. Sie zeigen,
gemessen an den Gepflogenheiten der Kriegführung und
beurteilt nach dem Recht des Krieges, aus der Bahn
geratene Gewalt in ungeschönter Deutlichkeit, aber sie
führen auch vor, wie diese Gewalt abgestraft wird – und das
in einer Härte und Konsequenz, dass heutige Betrachter der
Callot’schen Radierungen häufig Mitleid mit den
Marodeuren haben. Dabei wird meist übersehen, dass es
nicht nur um die Genugtuung ging, die dem
zeitgenössischen Betrachter der Bilder im Nachhinein
verschafft wurde, sondern ebenso darum zu zeigen, dass die
Führung des Heeres bemüht war, das Marodeurswesen so
weit wie möglich einzudämmen. Callot beschränkt sich nicht
darauf, die Gewalt des Unrechts ins Bild zu setzen, vielmehr
führt er auch die Gewalt des Rechts vor Augen. Das
Vertrauen, dass sich die Ordnung gegen die andringenden
Kräfte ihrer Zerstörung selbst behaupten kann, wird so
wiederhergestellt. Ob unrechtmäßige und strafende Gewalt
dazu das richtige Mittel ist, steht auf einem anderen Blatt;
Callots Radierungen bilden ihrer Intention nach in jedem
Fall einen strikten Gegensatz zu den apokalyptischen
Darstellungen des Krieges.
Der Aufstieg des aus dem Trentino stammenden Matthias Gallas erfolgte zunächst
im Gefolge Wallensteins, der Gallas sehr schätzte und ihn förderte. Der Höhepunkt
in Gallas’ Karriere war der Sieg bei Nördlingen, wo ihm die taktische Führung des
kaiserlichen Heeres oblag. Mit strategischen Aufgaben war er jedoch überfordert:
Er scheiterte als Oberbefehlshaber mehrfach und erhielt schließlich den
Spottnamen «Heerverderber».
Die Präliminarfriedensvereinbarung
Von den 1630er Jahren an nahmen die Bemühungen um
eine Beendigung des Krieges zu, bei den einen, weil sie dem
Sterben und der Verheerung des Landes ein Ende machen
wollten, bei den anderen, weil sie die militärisch günstigen
Konstellationen des Augenblicks in eine politisch dauerhafte
Form überführen wollten. Es gab viele Gründe, den Krieg zu
beenden, aber es war gerade die Vielfalt an Motiven und
Gründen, die den Weg zum Frieden immer wieder
versperrte. Das ist eine weitere Paradoxie des Krieges: Das
Vielerlei der Motivationen führte zu einem ausgeprägten
Misstrauen gegenüber dem Friedenswunsch der anderen.
War dieser nur ein weiteres Element in einem Machtkampf,
der bislang mit Waffen ausgetragen wurde? Würde der
Friede, um eine bekannte Umkehrung der Clausewitz’schen
Formel zu gebrauchen, womöglich nichts anderes sein als
eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln? Dieses
Misstrauen sorgte dafür, dass der Krieg weiterging, obwohl
sich bei den meisten Beteiligten längst die Einsicht
durchgesetzt hatte, dass er militärisch nicht zu gewinnen
war. Aber gerade deswegen wollten die einen am
Verhandlungstisch nicht verlieren, was sie im Kriegsverlauf
an Erfolgen erzielt hatten, und den anderen war daran
gelegen, dass die materiellen Verluste und Zerstörungen, die
das Land erfahren hatte, nicht gänzlich vergebens gewesen
sein sollten. Bevor man beginnen konnte, über die
Friedensbedingungen zu beraten, musste man also zunächst
einmal ein Minimum gegenseitigen Vertrauens schaffen. [1]
Herkömmlicherweise kommt Vermittlern, die in das
Kriegsgeschehen nicht involviert sind, die Aufgabe zu, das
Vertrauensdefizit zu überbrücken und als Garant von
Vertrauensvorschüssen zu dienen. Beim Dreißigjährigen
Krieg war es jedoch so, dass es eine solche dritte Partei
aufgrund der vielfältigen Kriegsgründe und der langen
Dauer des Krieges nicht gab: Alle europäischen Großmächte
hatten entweder selbst in den Krieg eingegriffen oder waren
doch interessierte Partei, und die Mächte, die tatsächlich
abseits gestanden und sich weder mit eigenen Truppen noch
mit Hilfszahlungen in das Geschehen eingemischt hatten,
das Reich des russischen Zaren und das Reich des
osmanischen Sultans, kamen als Friedensvermittler nicht in
Frage; der eine gehörte nicht der lateinischen Christenheit
an, der andere war kein christlicher Herrscher. Die religiös-
kulturelle Zugehörigkeit war eine zwingende Voraussetzung
dafür, das Misstrauen der Beteiligten überbrücken zu
können. [2] Das ist die zweite Paradoxie auf dem Weg zum
Frieden: dass man zwar nicht zuletzt wegen Glaubensfragen
gegeneinander Krieg führte, aber auf die Gemeinsamkeit
dieses Glaubens angewiesen war, um Frieden schließen zu
können.
Zwei Akteure unternahmen von der Mitte der 1630er Jahre
an unabhängig voneinander den Versuch, die
Friedensgespräche in Gang zu bringen: Dänemark und der
Papst. [3] Das protestantische Dänemark, das im Lübecker
Frieden aus dem Krieg ausgeschieden war, stand aber vor
allem bei den Schweden im Verdacht, es wolle nunmehr auf
diplomatischem Wege erreichen, was ihm im Krieg mit
militärischen Mitteln nicht gelungen war. Es habe lediglich
das Schwert mit der Feder vertauscht, doch die leitende
Absicht, die Sicherung der dänischen Vormachtrolle in der
Ostsee, sei die gleiche geblieben. Habe sich das dänische
Schwert vor allem gegen den Kaiser und die katholische
Liga gerichtet, so ziele die dänische Feder nun gegen
Schweden, dem man die starke Position, die es durch seine
militärischen Erfolge erlangt hatte, am Verhandlungstisch
wieder streitig machen wolle – so jedenfalls sah man es in
Stockholm. Es kann daher nicht überraschen, dass die
Schweden alles taten, um Dänemark aus den
Friedensverhandlungen hinauszudrängen, da sie ihm die
Rolle eines Vermittlers nicht zugestehen wollten – bis dahin,
dass Schweden einen Krieg gegen Dänemark begann, in
dessen Folge die dänische Gesandtschaft den
Verhandlungsort Osnabrück verließ und nicht mehr dorthin
zurückkehrte. [4]
Waren es im Falle Dänemarks machtpolitische Aspekte,
die seiner Akzeptanz als Vermittler entgegenstanden, so war
es beim Papst dessen zwangsläufige Parteilichkeit in der
konfessionellen Frage. Dass die Kurie in der Anfangsphase
des Krieges Kaiser und Liga mit Subsidien unterstützt hatte,
spielte dabei eine geringere Rolle. Aber den Papst als
Gastgeber eines Friedenskongresses zu akzeptieren hätte
für die Protestantischen bedeutet, ihm in der europäischen
Politik eine Rolle zuzugestehen, die zu bestreiten eines der
Grundanliegen der Reformation gewesen war. Man hatte
nichts gegen die Vermittlungen einzuwenden, die der
päpstliche Nuntius Fabio Chigi bei den Verhandlungen in
Münster dann tatsächlich leistete, aber Chigi war umso
effektiver, je weniger er dabei sichtbar in Erscheinung trat.
Als Patron eines Friedenskongresses kam der Papst
jedenfalls nicht in Frage, und daran scheiterte auch das von
Urban VIII. betriebene Projekt, im Anschluss an den Prager
Frieden und auf diesem aufbauend eine Lösung für die
«internationale» Komponente des Krieges zu finden. Dass
der Papst bei den protestantischen Mächten, den
Generalstaaten und Schweden, kein Gehör finden würde,
war klar. Doch hatten auch er selbst und sein Legat Marzio
Ginetti ein Problem damit, mit häretischen Mächten
Gespräche zu führen. Dass Ginetti selbst die katholischen
Mächte, also Frankreich, Spanien und den Kaiser, nicht an
einen Tisch bringen konnte, zeigt, wie schwierig die Lage
war. [5] So wurde der Kölner Kongress, der durch eine
päpstliche Friedensinitiative zustande kommen sollte, zu
einem weiteren Fehlschlag auf dem Weg zum Frieden.
Gänzlich nutzlos waren Ginettis Bemühungen indes nicht,
denn sie klärten die Probleme, die vor dem Beginn von
Friedensverhandlungen zu bearbeiten waren. [6] Da war
zunächst die Frage des Vorrangs: Üblicherweise stand die
erste Position dem Kaiser zu, doch er war in diesem Fall ja
Kriegspartei. Die kaiserliche Präzedenz widersprach
überdies dem zentralen Kriegsziel Frankreichs, das die
traditionelle Pyramide der politischen Ordnung Europas
durch ein Gleichgewicht der Kräfte ablösen wollte, in dem
Frankreich nach Richelieus Plan die Rolle eines Stabilisators
und Schiedsrichters zufallen sollte. [7] Richelieus geschickte
Reaktion auf den kaiserlichen Präzedenzanspruch bestand
darin, dass er diesen nicht grundsätzlich in Frage stellte,
sondern bestritt, dass Ferdinand III. rechtmäßiger Kaiser
sei. An seiner Wahl habe weder die Kurpfalz noch Kurtrier
teilgenommen; der Trierer Erzbischof und Kurfürst Philipp
Christoph von Sötern sei durch seine Wiener Gefangenschaft
sogar mit Gewalt von der Wahl ferngehalten worden. Das
war ein starkes Argument, das es der französischen Politik
während der gesamten Verhandlungen ermöglichte, um die
Anerkennung des Kaisers als Oberhaupt der westlichen
Christenheit herumzukommen, ohne die Frage nach
Hierarchie oder Gleichgewicht wirklich zur Debatte stellen
zu müssen. Die einschneidende Veränderung in der
politischen Ordnung Europas, die im Verlauf der
Friedensverhandlungen Platz griff, die Umstellung von
Hierarchie auf Gleichgewicht, vollzog sich, ohne dass
darüber verhandelt wurde. [8] Das war bei den
Vorgesprächen zum Kölner Kongress noch nicht absehbar,
doch wurden hier die Voraussetzungen für diesen Wechsel
geschaffen.
Das zweite große Problem war, dass Richelieu und der
Kaiser gänzlich andere Vorstellungen von dem Weg zum
Frieden beziehungsweise der Art des Friedens hatten:
Während Richelieu einen Universalfriedensvertrag
anstrebte, der von allen kriegsbeteiligten europäischen
Mächten multilateral ausgehandelt werden sollte, setzte der
Kaiser auf Separatfriedensverträge mit Schweden und
Frankreich, die bilateral verhandelt und als Ergänzung des
Prager Friedens von 1635 gelten sollten. Daran konnte
Richelieu kein Interesse haben, da die Anerkennung des
Prager Friedens als Grundlage des europäischen Friedens
die kaiserliche Präzedenz bestärkt hätte. Faktisch wäre der
Kaiser damit zum Herr des Friedens geworden, und
obendrein wäre es Richelieu dann nicht möglich gewesen,
das enge Band zwischen Madrid und Wien aufzulösen und
die Machtballung der Casa d’Austria zu beenden. Die
Auflösung der politisch wie militärisch engen Bindungen
beider Stränge des Hauses Habsburg war aber die
Voraussetzung dafür, dass ein Gleichgewicht der Mächte in
Europa entstehen konnte.
Letzteres zu verhindern war die Leitlinie der Wiener wie
der Madrider Politik. Die Wiederannäherung beider Mächte
nach den wechselseitigen Enttäuschungen des
Mantuanischen Erbfolgekrieges seit 1633 war auch eine
Reaktion darauf, dass die Zielrichtung der französischen
Politik zunehmend erkennbar wurde. Bei den von Kardinal
Ginetti geführten Sondierungsgesprächen zur Vorbereitung
des Kölner Kongresses trat die Absicht der französischen
Diplomaten dann in aller Deutlichkeit hervor. Daraufhin
rückten die Habsburger noch enger zusammen: Im
September 1639 schlossen sie im Ebsdorfer Vertrag ein
Militärbündnis, das sich die Rückeroberung
Vorderösterreichs zur Aufgabe machte, worunter man den
südwestdeutschen Streubesitz der Habsburger sowie das
Elsass verstand. Unmittelbar motiviert war das Bündnis
durch die Niederlagen der kaiserlichen Armeen gegen
Bernhard von Weimar und den Verlust eines wichtigen Teils
der «spanischen Gasse»; [9] politikstrategisch lief der Vertrag
von Ebsdorf auf eine scharfe Frontstellung gegen Frankreich
hinaus. Die Herrschaft über das Elsass auf der
linksrheinischen und große Teile Südwestdeutschlands auf
der rechtsrheinischen Seite bekam so eine Bedeutung, die
weit über die physische Kontrolle des Raumes hinausging:
An ihr entschied sich das Grundmuster der politischen
Ordnung Europas. Es kam somit nicht von ungefähr, dass
dieser Raum mit dem Fortgang der Friedensbemühungen zu
den am heftigsten umkämpften Gebieten der 1640er Jahre
wurde.
Nicht immer traten Meinungsverschiedenheiten dort
zutage, wo sie tatsächlich virulent waren; häufig drehte sich
der Streit um Fragen, die nur deshalb umstritten waren, weil
sie auf ein ganz anderes Problem verwiesen. Die Frage nach
dem Umgang mit den nondum reconciliati, den dem Prager
Frieden noch nicht Beigetretenen beziehungsweise vom
Kaiser explizit davon Ausgeschlossenen, war ein solcher Fall.
Nach Wiener Auffassung war das Reich seit dem Prager
Frieden in seinem Innern befriedet; bei den anstehenden
Friedensverhandlungen konnte es also nur darum gehen, die
im Prager Frieden ungelöst gebliebenen Probleme zu
bearbeiten. Ausdrücklich hatte man nicht vor, die Prager
Lösungen noch einmal aufzuschnüren und neu zu
verhandeln. Die nondum reconciliati sollten dem Prager
Frieden beitreten beziehungsweise den Kaiser um Gnade
bitten, aber kein Thema bei den noch zu führenden
Friedensgesprächen mit den äußeren Interventen sein. Das
sahen Frankreich und Schweden als Verbündete dieser
nondum reconciliati gänzlich anders, schließlich waren sie
offiziell in den Krieg eingetreten, um deren Anliegen zu
verteidigen, auch wenn im Hintergrund noch ganz andere
Motive eine Rolle gespielt haben mochten. Für Schweden
wäre ein Einschwenken auf die kaiserliche Sicht
gleichbedeutend damit gewesen, dass es seine
protestantischen Verbündeten, ähnlich wie Dänemark das
1629 getan hatte, im Stich ließ, um aus dem Krieg
herauszukommen; für Frankreich hätte es bedeutet, dass es
seinen wichtigsten Hebel zur Durchsetzung von
Universalfriedensverhandlungen aus der Hand gab. Es
waren also recht unterschiedliche Motive, aus denen heraus
beide Mächte die nondum reconciliati in den Mittelpunkt
ihrer Verhandlungsstrategie stellten; für das
Zustandekommen der Friedensgespräche – oder deren
Scheitern – spielten sie eine zentrale Rolle. Eine
Schlüsselposition kam dabei Hessen-Kassel zu, das zu
Schweden und Frankreich seit langem eine enge Verbindung
unterhielt. Die kleine Landgrafschaft in einer eher armen
Gegend Deutschlands bekam so ein außergewöhnlich großes
politisches Gewicht.
Lennart Torstensson war der fähigste General der Schweden. Sein Aufstieg
begann als Artilleriekommandeur Gustav Adolfs, und in dieser Position entwickelte
er neue Formen des taktischen Gebrauchs von Artillerie in der Schlacht. Von 1641
bis 1646 war er Oberbefehlshaber des schwedischen Heeres in Deutschland und
legte durch mehrere große Siege die Grundlage für die starke
Verhandlungsposition Schwedens in Münster und Osnabrück. Das Bild zeigt
Torstensson zu Pferde; da er an der Gicht litt, musste er sich als
Oberkommandierender jedoch zumeist in einer Sänfte aufs Schlachtfeld bringen
lassen.
Die Seeschlacht bei Fehmarn am 23. Oktober 1644. Zwar führen die Schiffe (vor
allem die der rechten Bildhälfte) auch Feuergefechte gegeneinander, aber die
Entscheidung fällt, indem die feindlichen Schiffe geentert werden.
Dementsprechend nahe beieinander sind die an der Mastbeflaggung zu
erkennenden schwedischen und dänischen Schiffe in den Gefechten, die auf der
linken Bildhälfte ausgetragen werden. In der Bildmitte ein großes dänisches
Kriegsschiff, das in Brand geraten ist und für die sich abzeichnende Niederlage der
dänischen Flotte steht.
Der Stich stellt die zweite und letzte Phase der Schlacht von Jankau dar, als sich
die kaiserlich-bayerische Armee nach schweren Verlusten aufzulösen beginnt –
erkennbar an den auf beiden Flanken flüchtenden Reitern, die in zwei
ameisenähnlichen Bewegungsbahnen in das Hügelland des Bildhintergrunds
streben. Auch das Waldstück, in das sich die Überreste des Fußvolks zurückziehen
werden, ist in der oberen Bildmitte zu sehen. Davor, ziemlich genau im
geometrischen Mittelpunkt, die Szene, in welcher der in Gefangenschaft geratene
Graf Hatzfeld dem schwedischen Sieger Torstensson vorgeführt wird, beide vom
Kupferstecher namentlich bezeichnet.
Gerard ter Borchs Bild «Einzug des Gesandten Adriaan Pauw» (um 1646)ist
zunächst ein Familienporträt, denn es zeigt den Diplomaten mit seiner Frau Anna
van Ruytenburgh und der sechsjährigen Enkeltochter; alle drei wenden sich in
«Fotografierpose» dem Betrachter zu. Zugleich zeugt das Bild vom
Selbstbewusstsein der niederländischen Republik, die ihren Gesandten
sechsspännig und in bewaffneter Begleitung zum Friedenskongress entsandt hat.
Im Hintergrund ist Münster zu sehen.
Ein klares Datum für den Verhandlungsbeginn gibt es nicht.
Ab 1644 wurde jedoch ernstlich verhandelt, da nun auch die
Gesandtschaften der Großmächte eingetroffen waren.
Zunächst ging es um Fragen des Protokolls, denn es war
umstritten, wer den Vorrang vor wem hatte, wem der
Botschafterstatus zugestanden wurde und wem nur der
Status eines Deputierten. [5] Dass der Kaiser den ersten Rang
einnahm, war inzwischen kein großes Problem mehr, da
hinter der protokollarischen Präzedenz keine große
militärische Macht mehr stand – aber wem stand der zweite
Rang zu, Frankreich oder Spanien? Solche Rangfragen
spielten beim Einzug der Delegationen eine wichtige Rolle.
[6] Zu klären war etwa auch, ob man Republiken, wie die
Niederlande und Venedig, den Monarchien gleichstellen
durfte. Als den Niederlanden als einem der großen und
wichtigen Akteure der Botschafterrang zugestanden wurde,
gab es keinen Grund mehr, diesen Venedig zu verweigern,
woraufhin die Kurfürsten des Reichs denselben Anspruch
erhoben, der ihnen schließlich ebenfalls zugestanden wurde.
Die Rangerhöhung Venedigs war für den Verlauf der
Verhandlungen im Übrigen von einiger Bedeutung, denn
Alvise Contarini, der Botschafter der Seerepublik, wurde
durch seine Vermittlungstätigkeit zu einer der prägenden
Gestalten des Kongresses. [7]
Die Größe der Delegationen scheint ein Instrument im
Rangordnungsstreit gewesen zu sein. Die französische
Gesandtschaft war mit bald 600 Personen die bei weitem
größte: Wenn man den Kaiserlichen in der offiziellen
Rangfolge schon den Vortritt lassen musste und auch die
Präzedenz gegenüber Spanien nicht wirklich geklärt war, so
trumpfte man wenigstens mit der eigenen Gesandtschaft auf.
Auch in den Gesellschaftskreisen Münsters wurde um die
Rangfolge gekämpft, und als 1646 Anne Geneviève de
Bourbon-Condé, die Frau des französischen
Hauptbevollmächtigten, in Münster eintraf, hatten die
Franzosen deutlich die Nase vorn. Die schwedische
Gesandtschaft umfasste 165, die spanische 112 Personen.
Die Generalstaaten, eine vom Geist des Calvinismus
geprägte Republik, die pompösem Prunk eher distanziert
gegenüberstand, hatten acht Gesandte nach Münster
geschickt. [8]
Die Größe einer Gesandtschaft markierte jedoch nur den
Anspruch auf einen vorderen Platz in der Rangfolge der
europäischen Mächte; für die Verhandlungen selbst war sie
eher bedeutungslos. Hier war ausschlaggebend, wer die
Delegation leitete, die Linie der Verhandlungsführung
vorgab, der heimischen Regierung Kompromisse
schmackhaft machte und abweichende Auffassungen im
eigenen Lager ausgleichen konnte. Gerade in der
französischen Delegation herrschten erhebliche
Meinungsverschiedenheiten, die auf die unterschiedlichen
Strömungen in Paris beziehungsweise deren Wahrnehmung
in Münster zurückzuführen waren. Die Grafen d’Avaux und
Abel Servien, von denen die Gesandtschaft anfangs geleitet
wurde, repräsentierten die Gegensätze, die in der
französischen Politik seit Beginn des Jahrhunderts im
Verhältnis zu Spanien, dem Kaiser sowie den Kurfürsten
immer wieder sichtbar geworden waren. Erst als Henri
d’Orléans, Herzog von Longueville, als
Hauptbevollmächtigter Frankreichs im Jahr 1645 die Leitung
der Gesandtschaft übernahm, konnte deren Selbstblockade
überwunden werden. [9]
Die schwedische Gesandtschaft wurde von Johan
Oxenstierna geführt, dem Sohn des Reichskanzlers, der sich
vor allem um die Berichte nach Stockholm kümmerte und
darum bemüht war, die Vorgaben aus Schweden in
Osnabrück zur Geltung zu bringen. Die Verhandlungen
leitete im Wesentlichen der Sekundargesandte Johan Adler
Salvius. Auch zwischen Oxenstierna und Salvius kam es
wiederholt zu Konflikten, die zum Teil lange zurückreichten
und mit den schwedischen Kriegszielen zu tun hatten,
teilweise aber auch in unterschiedlichen Vorstellungen von
professioneller Verhandlungsführung begründet waren.
Salvius jedenfalls wurde zu einem der Architekten der
Westfälischen Ordnung. [10] Der eigentliche Standort der
schwedischen Verhandlungsdelegation war Osnabrück, aber
man kam nicht umhin, auch in Münster eine kleine
Delegation zu unterhalten, die den Kontakt zu den
Franzosen pflegte und dafür sorgte, dass sich die beiden
miteinander verbündeten Mächte nicht gegeneinander
ausspielen ließen.
Im Vergleich zu Frankreich und Schweden spielte die von
Graf Peñaranda geführte spanische Delegation eine sehr viel
geringere Rolle. Sie war nur an den Verhandlungen mit den
Niederländern und denen mit Frankreich über die
Beendigung der jeweils gegeneinander geführten Kriege
beteiligt, nicht aber an denen mit dem Kaiser. Auch in die
Fragen des Religionsfriedens im Reich waren die Spanier
nicht involviert. Das zeigt die schwierige Lage, in der sich
das Weltreich inzwischen befand: Es hatte sich von Anfang
an mit Geld und Truppen am Krieg in Deutschland beteiligt
und war bis zum Eingreifen Schwedens unter den
auswärtigen Mächten der Hauptfinanzier gewesen; jetzt
aber, da es um die Aushandlung des Friedens ging, war
Spanien darauf beschränkt, über den Ausgang der eigenen
Kriege, dem gegen die Niederlande und dem gegen
Frankreich, zu verhandeln. Mit den Niederlanden wurde
man sich bereits am 30. Januar 1648 in Münster einig. Der
Friedensvertrag, der vor allen anderen und unabhängig von
ihnen unterzeichnet wurde, beendete den Achtzigjährigen
Krieg zwischen dem Weltreich und seinen abtrünnigen
Provinzen. [11] Die Verhandlungen mit Frankreich dagegen
führten zu keinem Ergebnis, und so wurde der Krieg beider
Länder bis 1659 weitergeführt. [12] Die Kriege, die Spanien
auf der Iberischen Halbinsel in der Zeit der Verhandlungen
auszutragen hatte, hinderten es daran, in Münster eine
größere Rolle zu spielen. [13] Alles in allem war Spanien der
große Verlierer der in Münster und Osnabrück
geschlossenen Verträge, und das auch deshalb, weil sich der
Kaiser im Münsterischen Frieden verpflichtete, weder als
Reichsoberhaupt noch als österreichischer Erzherzog den
Madrider Habsburgern künftig militärische Hilfe zu leisten.
Nimmt man die militärischen Konstellationen Mitte der
1640er Jahre zum Maßstab, so befand sich die kaiserliche
Delegation in einer überaus schwierigen Lage. Man hatte,
wie beschrieben, lange Zeit darauf gesetzt, dass die
Verhältnisse innerhalb des Reichs im Prager Frieden geklärt
waren und es nur noch darauf ankam, mit den zwei
auswärtigen Interventionsmächten, Schweden und
Frankreich, Frieden zu schließen. Dabei hatte man über
längere Zeit an den Lübecker Frieden von 1629 als Vorbild
gedacht. Im Hamburger Präliminarfrieden hatte der Kaiser
jedoch bereits das weitreichende Zugeständnis machen
müssen, dass mit Schweden und Frankreich nicht separate
Verhandlungen geführt wurden, sondern an zwei getrennten
Orten ein einziger großer gesamteuropäischer
Friedenskongress stattfand. Dieser Kompromiss war die
Grundlage dafür, dass die Schweden in Osnabrück und die
Franzosen in Münster verhandelten, wobei es die Schweden
verstanden, mit einigen nach Münster entsandten Vertretern
auch dort Präsenz zu demonstrieren. [14] Und schließlich
hatte der Kaiser noch hinnehmen müssen, dass sich auch die
Reichsstände – vor allem in Osnabrück – versammelten und
damit seinen Anspruch konterkarierten, für das Reich in
seiner Gesamtheit zu sprechen. Die Ziele, mit denen die
kaiserliche Gesandtschaft nach Münster reiste, [15] standen
somit von Anfang an unter einem großen Vorbehalt. Es war
der kaiserliche Hauptgesandte Maximilian Graf von
Trauttmansdorff, der zwischen 1645 und 1647 entscheidend
zur Verständigung zwischen den Kriegsparteien trug und
deshalb als der eigentliche «Schöpfer des Friedens» gelten
darf. So hat ihn Fritz Dickmann in seiner nach wie vor
maßgeblichen Studie zum Westfälischen Frieden bezeichnet.
[16]
Der Westfälische Frieden
Mindestens vier Jahre lang ist in Münster und Osnabrück
verhandelt worden, wobei sich das «mindestens» darauf
bezieht, dass es keine offizielle Eröffnung des
Friedenskongresses gab. Irgendwann und irgendwie begann
der Kongress dann doch, nachdem sich bereits erste Zweifel
breitgemacht hatten, ob er je eröffnet werde. Die
Friedensverhandlungen nahmen also ganz ähnlich ihren
Anfang wie zuvor die Kriegführung, die ebenfalls nicht mit
einer offiziellen Erklärung und den sie begleitenden Ritualen
begonnen wurde. So, wie «irgendwann» zwischen 1618 und
1619 plötzlich Krieg war, kam auch in Münster und
Osnabrück «irgendwann» ein Verhandlungsprozess in Gang,
der dann seine eigene Dynamik entfaltete. «Der ‹Kongreß›»,
so Konrad Repgen, «begann via facti, durch die sukzessive
Anreise der Gesandten in den Jahren 1643 bis 1646, und auf
eine ähnlich unspektakuläre Weise endete er durch die
Abreise der Unterhändler zwischen 1647 und 1649.» [1]
Es waren die beschriebenen Rangordnungsfragen, die es
erschwerten, den Kongress förmlich und mit einer
Zusammenkunft aller Gesandtschaften zu eröffnen. Indem
man einfach anfing, vermied man die Eskalation der mit der
Präzedenzfrage verbundenen Streitigkeiten, die leicht dazu
hätten führen können, dass der Kongress zu Ende gewesen
wäre, bevor er überhaupt begann. Außerdem gab es das
Problem der zwei Verhandlungsorte: Die Frage, an welchem
von ihnen die offizielle Eröffnung des Kongresses stattfinden
sollte, hätte sich ebenso wenig einvernehmlich klären lassen.
Man schlich sich also gewissermaßen in die Verhandlungen
ein. Wie es üblich geworden ist, den Prager Fenstersturz als
Kriegsbeginn anzusehen, so ist es üblich geworden, die
Vorlage der ersten Friedenspropositionen durch Frankreich
und Schweden am 4. Dezember 1644 als Beginn der
Friedensverhandlungen anzusehen. Man kann in beiden
Fällen darüber streiten, denn weder begannen die
Kampfhandlungen mit dem Prager Fenstersturz noch waren
mit der Vorlage der schwedischen und französischen
Bedingungen für den Friedensschluss bereits alle
Delegationen in Westfalen eingetroffen. Die offizielle
Einladung des Kaisers zum Westfälischen Friedenskongress
erging erst am 29. August 1645 an alle Reichsstände.
Geht man von diesem Datum als offiziellem
Verhandlungsbeginn aus, so muss man die bis dahin
geführten, teilweise recht erfolgreichen Gespräche, zu
«Vorverhandlungen» erklären, wie Fritz Dickmann das getan
hat. [2] Die eigentlichen Verhandlungen begannen demnach
erst mit der Ankunft des kaiserlichen Hauptbevollmächtigten
Maximilian Graf von Trauttmansdorff am 29. November
1645. Wählt man Trauttmansdorffs Eintreffen in Münster als
offiziellen Verhandlungsbeginn, so hat man freilich den
Kaiser zum Herrn des Friedenskongresses gemacht und die
Präzedenzfrage «durch die Hintertür» beantwortet. Die
Debatte der Wissenschaftler über den offiziellen Beginn des
Friedenskongresses und die Aporien, in die sie dabei
geraten, zeigen rückblickend die politische Klugheit der in
Westfalen versammelten Diplomaten, die «irgendwann»
einfach angefangen haben zu verhandeln.
Beim Schreiben dieses Buches stellte ich fest, dass ich mir –
und damit auch den Lesern – sehr viel mehr erklären
musste, als ich anfangs dachte. Dabei verdanke ich mancher
im späten 19. Jahrhundert verfassten Publikation mindestens
ebenso viel wie den jüngeren Forschungen. Das hat nicht
zuletzt damit zu tun, dass die älteren historiographischen
Arbeiten sich für Aspekte des Geschehens interessiert
haben, die in der neueren Forschung keine Rolle mehr
spielen. Letztere interessiert sich stärker für Strukturen als
für Abläufe und gibt deswegen dem Analytischen gegenüber
dem Narrativen den Vorzug. Da ich eine Verbindung von
beidem, der erzählenden Darstellung des Geschehens und
dessen analytischer Durchdringung, im Sinn hatte, war es
unerlässlich, nicht nur die jüngere Forschungsliteratur,
sondern auch die ausführlichen Darstellungen der älteren
Historiographie einzubeziehen. Bei der Beschaffung dieses
mehrere Bücherregale füllenden Materials war mir Hana
Rydza eine unentbehrliche Hilfe. Ohne ihr Engagement und
ihre Zuverlässigkeit wäre manches nicht möglich gewesen.
Ihr gilt mein herzlicher Dank.
Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die großzügige
Förderung durch die Carl Friedrich von Siemens Stiftung,
deren Geschäftsführer Prof. Dr. Heinrich Meier mir ein
einjähriges Siemens-Fellowship in München angeboten hat.
In der wunderbaren Umgebung der Schellingstraße hatte ich
die Chance, mich ganz auf die Niederschrift zu
konzentrieren. München, eines der politischen
Steuerungszentren des Dreißigjährigen Krieges, war der
richtige Ort, ein Buch über diesen Krieg zu schreiben. Wenn
es mir an Motivation fehlte, bin ich ein paar hundert Meter
zur Feldherrnhalle gegangen und habe mir den dort als
Statue postierten Tilly angesehen oder die daneben
befindliche maximilianische Residenz, deren Bau mit
Kriegsbeginn abgeschlossen worden war und die Gustav
Adolf, als er München besetzt hatte, so gut gefiel, dass er sie
am liebsten auf Räder gestellt hätte, um sie nach Schweden
zu schaffen. Manches aus München würde ich – bei
bescheideneren Wünschen – auch gerne mitnehmen, nicht
zuletzt die vorzüglichen Mittagessen in Jürgen Wolfsgrubers
«Sparkling Bistro» in den Amalienhöfen – um auch Brechts
«Fragen eines lesenden Arbeiters» zu beantworten. Vor
allem aber trage ich die Dankbarkeit für eine Situation
ungestörten Nachdenkens und Schreibens mit nach Hause.
Ich danke Heinrich Meier ganz herzlich dafür, dass er mich
als Fellow der Carl Friedrich von Siemens Stiftung
vorgeschlagen hat, und dem Stiftungsrat danke ich, dass er
diesem Vorschlag gefolgt ist. Mein Dank gilt auch Frau
Carola Schütt von der Siemens Stiftung für die aufmerksame
Sorge, mit der sie das Jahr in München begleitet hat.
Danken möchte ich zudem der Humboldt-Universität in
Berlin, seit einem Vierteljahrhundert der Ort meiner
akademischen Existenz, die mich für ein Jahr von meinen
akademischen Verpflichtungen entbunden hat. Dr. Felix
Wassermann hat mich in dieser Zeit vertreten; er hat das so
achtsam getan, dass mich die Berliner Fragen und
Angelegenheiten während der Arbeit am Buch kaum
erreichten. Dass in diesem Jahr die Dinge am Lehrstuhl
ihren geordneten Gang nahmen, verdanke ich in erster Linie
aber Karina Hoffmann, die in bewährter Umsicht dafür
gesorgt hat, dass ich mich in München nur um einen
Bruchteil der eingehenden Mails und Anrufe kümmern
musste. Die Aufgaben von Organisation und Kommunikation,
die inzwischen wohl die Hälfte der Arbeitszeit eines
deutschen Hochschullehrers einnehmen, wurden so von mir
ferngehalten. Ohne Karina Hoffmann als Hüterin meiner
Konzentration wäre das Buch nicht entstanden. Ihr gilt mein
herzlicher Dank, auch deshalb, weil sie meine Manuskripte,
die jeden Morgen in ihrem Faxgerät lagen, abgeschrieben
und die anschließenden Korrekturen eingearbeitet hat.
«Manuskript» ist in meinem Fall wörtlich zu nehmen: Ich
habe den gesamten Text mit dem Füllfederhalter
geschrieben. Ohne Karina Hoffmann wäre dieser Luxus des
Schreibens nicht möglich gewesen.
Weiterhin möchte ich dem Rowohlt . Berlin Verlag danken:
Einmal mehr hat Gunnar Schmidt die Entstehung dieses
Buches mit stets wachem Interesse begleitet, mich immer
wieder ermutigt und ermuntert. Das ist alles andere als
selbstverständlich. Für all das mein herzlicher Dank.
Vor allem aber gilt mein Dank meiner Frau
Prof. Dr. Marina Münkler, die mir im Werden des Buches,
und zwar in allen seinen Phasen, eine aufmerksame
Gesprächspartnerin war, die den Text gelesen, kritisiert und
verbessert hat, und sich davon auch nicht durch ihre
eigenen Verpflichtungen und Belastungen hat abhalten
lassen. Durch ihre sorgfältige Lektüre, den kritischen Blick
für Unschärfen wie unnötige Überspitzungen und nicht
zuletzt durch aufmunternden Zuspruch hat sie mir mehr
geholfen, als ich im Text durch Hinweise hätte kenntlich
machen können. Ihr ist das Buch gewidmet.
Bildnachweis
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