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Herfried Münkler

Der Dreißigjährige Krieg


Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648
Über dieses Buch

Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg: Herfried


Münklers grandiose Gesamtschau

Noch heute gilt «Dreißigjähriger Krieg» als Metapher für die


Schrecken des Krieges schlechthin, dauerte es doch
Jahrzehnte, bis sich Deutschland von den Verwüstungen
erholte, die der längste und blutigste Religionskrieg der
Geschichte angerichtet hatte. Dabei war, als am 23. Mai
1618 protestantische Adelige die Statthalter des römisch-
deutschen Kaisers Ferdinand II. aus den Fenstern der
Prager Burg stürzten, kaum abzusehen, was folgen sollte:
ein Flächenbrand, der erste im vollen Sinne «europäische
Krieg». Fesselnd erzählt Herfried Münkler vom
Schwedenkönig Gustav Adolf und dem Feldherrn
Wallenstein, von Kardinälen und Kurfürsten, von den
Landsknechten und den durch Krieg und Krankheiten – ein
Drittel der Bevölkerung fand den Tod – verheerten
Landschaften Deutschlands. Auch die europäische
Staatenordnung lag in Trümmern – und doch entstand auf
diesen Trümmern eine wegweisende Friedensordnung, mit
der eine neue Epoche ihren Ausgang nahm.
Herfried Münkler führt den Krieg in all seinen Aspekten
vor Augen, behält dabei aber immer unsere Gegenwart im
Blick: Der Dreißigjährige Krieg kann uns, wie er zeigt,
besser als alle späteren Konflikte die heutigen Kriege
verstehen lassen. – Eine packende Gesamtdarstellung, die
große Geschichtsschreibung und politische Analyse vereint.
Über Herfried Münkler

Herfried Münkler, geboren 1951, ist Professor für


Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität
und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften. Viele seiner Bücher gelten mittlerweile als
Standardwerke, etwa «Die neuen Kriege» (2002),
«Imperien» (2005), «Die Deutschen und ihre Mythen»
(2009), das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse
ausgezeichnet wurde, sowie «Der Große Krieg» (2013) und
«Die neuen Deutschen» (2016), die beide monatelang auf
der «Spiegel»-Bestsellerliste standen.
Für Marina
Einleitung
Deutsche Erinnerung und deutsches
Trauma

Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg war das große


Trauma der Deutschen, bis dieses Trauma durch die
kollektive Erinnerung an die Gewalt und Zerstörung
abgelöst wurde, die mit den beiden Weltkriegen
einhergingen. Die Verwüstung der Städte, die Verheerung
des Landes und das massenhafte Sterben der Menschen in
den Jahren von 1618 bis 1648 standen beispielhaft für die
Schrecken des Krieges, [1] doch diente der Dreißigjährige
Krieg darüber hinaus als Erklärung dafür, warum die
deutsche Geschichte, so die Annahme, seit dem
17. Jahrhundert ganz anders verlaufen sei als die der
meisten europäischen Nationen: Während diese politisch
handlungsfähige Staaten gebildet und ihre jeweiligen
Interessen in gegenseitiger Konkurrenz zur Geltung
gebracht hätten, sei Deutschland zum Tummelplatz für die
Heere ebenjener Mächte geworden und habe erst mit großer
Verspätung einen eigenen Nationalstaat bilden können. Dass
die Deutschen unter den Europäern zur «verspäteten
Nation» wurden, wie die von dem Soziologen Helmuth
Plessner geprägte Formel lautet, [2] hat dieser Erinnerung
zufolge ihre Ursache im Dreißigjährigen Krieg, der
seinerseits wiederum auf die konfessionelle Spaltung des
Landes zurückzuführen sei.
Gemäß dieser Beschreibung ist Deutschland einen
«Sonderweg» gegangen: Während sich bei den mächtigen
Akteuren der europäischen Politik, bei Frankreich und
England, Spanien und Schweden, eine verbindliche
Konfession durchsetzte, blieb Deutschland konfessionell
gespalten, und im Westfälischen Frieden wurde dies
festgeschrieben. Die Spaltung, so die geschichtspolitische
Meistererzählung weiter, habe sich im 18. Jahrhundert zum
machtpolitischen Gegensatz zwischen dem protestantischen
Preußen und dem katholischen Österreich, zwischen der
Herrscherfamilie der Hohenzollern und dem Hause
Habsburg zugespitzt, der bald zwei Jahrhunderte lang einer
deutschen Nationalstaatsgründung entgegenstand. Folgt
man dieser Sichtweise, so ist der im Dreißigjährigen Krieg
ausgetragene Konflikt erst 1866 in der Schlacht bei
Königgrätz (beziehungsweise Sadowa, wie man in Österreich
sagt) zugunsten des protestantischen Nordens entschieden
worden – geographisch nicht zufällig in Böhmen, also dort,
wo der Dreißigjährige Krieg seinen Anfang genommen hat.
Der Krieg habe Deutschland gegenüber seinen Nachbarn um
zwei Jahrhunderte zurückgeworfen, und deswegen müssten
die Deutschen in Jahrzehnten nachholen, wozu andere
Jahrhunderte Zeit gehabt hätten. Die Trauma-Erzählung
wurde damit zum Beschleunigungsimperativ der Politik.
Als Spätankömmling, so die politische Pointe der
Erzählung, habe Deutschland sich seinen Platz unter den
europäischen Großmächten nachträglich erobern müssen,
und dabei sei es vor allem mit jenen Mächten in Konflikt
geraten, die sich im Dreißigjährigen Krieg Einfluss auf die
deutsche Politik verschafft und diesen Einfluss im
Westfälischen Frieden auf Dauer gefestigt hätten. Die drei
Einigungskriege, die Preußen zwischen 1864 und 1870
geführt hat, konnten demnach als Revision der Ergebnisse
des Dreißigjährigen Krieges angesehen werden, und die den
Deutschen angetane Gewalt wurde zur Rechtfertigung für
die nunmehr von den Deutschen den anderen zugefügte
Gewalt. Wer sich als Opfer begreift, hat oft keine Probleme
damit, andere zum Opfer zu machen. Noch bei Beginn des
Ersten Weltkriegs gehörte es zu den gängigen
Begründungen für das militärisch offensive Vorgehen der
Deutschen, man dürfe nicht zulassen, dass dem neuen Reich
dasselbe Schicksal widerfahre wie dem alten Reich im
Dreißigjährigen Krieg. Das im kollektiven Gedächtnis der
Nation verankerte Trauma wurde zur Rechtfertigung eines
aggressiven Auftretens und zum Imperativ, die
Wiederholung eines solchen Krieges auf deutschem
Territorium unter allen Umständen zu verhindern. Das
Mittel, das die Geschichtserzählung nahelegte, war eine
Außenpolitik, die vor einem Präventivkrieg nicht
zurückschreckte. Dies wiederum, so die Anschlusserzählung
von einem zweiten Trauma, habe dazu beigetragen, dass es
in Europa im 20. Jahrhundert zu einem weiteren
«Dreißigjährigen Krieg» gekommen sei, wie die beiden zu
einem Geschehen zusammengefügten Weltkriege bezeichnet
worden sind [3] – eine überaus bittere Pointe, wenn vom
«Lernen aus der Geschichte» die Rede ist.
Lange Zeit stand neben dem traumagespeisten Imperativ
aggressiver Machtpolitik die ebenfalls durch den Rückbezug
auf den Dreißigjährigen Krieg gestützte Überzeugung, einen
derart langen und gesellschaftlich verheerenden Krieg nicht
noch einmal zulassen zu dürfen. Es war der greise
Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke, der legendäre
Sieger von Königgrätz und Sedan, der am 14. Mai 1890 in
einer Reichstagsrede vor einem neuen großen Krieg in
Europa warnte, einem Krieg, der nicht «in einem oder in
zwei Feldzügen» erledigt sein werde; «es kann ein
siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden, –
und wehe dem, der Europa in Brand steckt, der zuerst die
Lunte in das Pulverfaß schleudert!» [4]
Nahm man diese Warnung ernst, so lief sie darauf hinaus,
die Entstehung von politischen Konstellationen zu
verhindern, die denen vor Beginn des Dreißigjährigen
Krieges ähnelten. Das konnte zu einer klug angelegten
Entspannungspolitik führen, ebenso aber zur Planung kurzer
Kriege, die in schnellen Feldzügen entschieden werden
sollten. In diesem Fall wirkte das Geschichtsnarrativ des
Dreißigjährigen Krieges wie eine Aufforderung, Kriege nach
der zügig gesuchten Entscheidungsschlacht umgehend
wieder zu beenden. Das Problem der deutschen Politik vor
1914 war, dass sie zwischen beiden Optionen, der
Kriegsverhinderung auf der einen und der schnellen
Niederwerfung des Gegners auf der anderen Seite, hin und
her schwankte. Die Trauma-Erzählung ließ keine eindeutige
Entscheidung und Festlegung zu.
Als Helmuth von Moltke vor einem neuen Dreißigjährigen
Krieg warnte, äußerte er sich nicht nur als professioneller
Militär, sondern brachte auch die Vorstellungswelt des
deutschen Bürgertums zum Ausdruck, die durch die
Schilderungen des Dreißigjährigen Kriegs in Gustav
Freytags weitverbreitetem Werk Bilder aus der deutschen
Vergangenheit – erschienen in mehreren Bänden zwischen
1859 und 1867 – geprägt war. «Wie der Kampf», so
resümiert Freytag die Situation nach Ende des Krieges,
«waren auch die Zustände, welche nach dem Kriege
eintraten, außer allem Vergleich mit anderen Niederlagen
kultivierter Völker. Gewiß sind in einzelnen Zeiträumen der
Völkerwanderung große Landschaften Europas noch mehr
verödet worden, zuweilen hat im Mittelalter eine Pest die
Bewohner großer Städte ebensosehr dezimiert; aber solches
Unglück war entweder lokal oder wurde leicht durch den
Überschuß von Menschenkraft geheilt, der aus der
Umgegend auf dem geleerten Grund zusammenströmte,
oder es fiel in eine Zeit, wo die Völker nicht fester auf dem
Boden standen als lockere Sanddünen am Strand, welche
leicht von einer Stelle zur andern geweht werden.» [5]
Freytag ging es darum, das Exzeptionelle dieses Krieges
herauszustellen, seine Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit
vor allem im Hinblick auf das Unglück und Elend, das den
Deutschen widerfahren sei: «Hier aber wird eine große
Nation mit alter Kultur, mit vielen hundert festgemauerten
Städten, vielen tausend Dorffluren, mit Acker- und
Weideland, das durch mehr als dreißig Generationen
desselben Stammes bebaut war, so verwüstet, daß überall
leere Räume entstehen, in denen die wilde Natur, die so
lange im Dienste des Menschen gebändigt war, wieder die
alten Feinde des Menschen aus dem Boden erzeugt,
wucherndes Gestrüpp und wilde Tiere. Wenn ein solches
Unglück plötzlich über eine Nation hereinbräche, es würde
ohne Zweifel auch eine kleine Zahl der Überlebenden
unfähig machen ein Volk zu bilden, ja schon das Entsetzen
würde sie vernichten; hier aber hat das allmähliche
Eintreten der Verringerung den Überlebenden das
Schreckliche zur Gewohnheit gemacht. Eine ganze
Generation war aufgewachsen innerhalb der Zeit der
Zerstörung. Die gesamte Jugend kannte keinen anderen
Zustand als den der Gewalttat, der Flucht, der allmählichen
Verkleinerung von Stadt und Dorf, des Wechsels der
Konfession.» [6] Gustav Freytags Zeilen können als
Kurzfassung der deutschen Trauma-Erzählung gelten.
Das von ihm prominent entfaltete Opfernarrativ hatte eine
ambivalente Wirkung: [7] Auf der einen Seite fügte es sich in
einen Zustand der Trauer, des melancholischen Erinnerns
und der politischen Zurückhaltung; auf der anderen Seite
verschaffte es denen, die als Opfer der Geschichte und der
geopolitischen Konstellationen vorgestellt wurden, ein gutes
Gewissen, wenn es darum ging, die eigenen Ansprüche
durchzusetzen: Man war ja Opfer und hatte in der
Vergangenheit gelitten, weswegen Gegenwart und Zukunft
dafür entschädigen mussten. Je eindringlicher das
Opfernarrativ, desto größer der Anspruch auf Ausgleich. Das
lässt sich an der Haltung des deutschen Bürgertums
beobachten, dem die meisten Leser Gustav Freytags
entstammten und von dem er, ein politisch Liberaler,
erwartete, dass es im neugeschaffenen Deutschen Reich eine
führende Rolle spielen werde. [8] Es war vor allem das
Bildungsbürgertum, das die Opfererzählung des
Dreißigjährigen Krieges aufsaugte und daraus
schlussfolgerte, man dürfe unter keinen Umständen noch
einmal in diese Rolle hineingedrängt werden. Man verstand
Machtpolitik darum nicht als ein Projekt, dessen Chancen
und Risiken, Erträge und Kosten kühl kalkuliert werden
mussten, sondern glaubte, ein Recht auf die Umkehrung der
früheren Konstellationen zu haben. Sobald moralische
Ansprüche ins Spiel kommen, erscheinen
Risikokalkulationen und Kosten-Nutzen-Erwägungen als
kleinliches Denken gegenüber dem, was als historische
Gerechtigkeit verstanden wird. Hierin lag die politische
Wirkung der Opfererzählung und der traumatischen
Fixierung auf den Dreißigjährigen Krieg in der kollektiven
Erinnerung der Deutschen.
Historische Zäsuren und antiquarisches
Interesse
Aber ist die Darstellung der Kriegsfolgen bei Gustav Freytag
überhaupt zutreffend? Oder hatte er maßlos übertrieben?
Hatte sich das deutsche Bürgertum im 19. Jahrhundert
womöglich in ein Trauma «hineinerzählen» lassen, für das es
keine Grundlage gab? Diente der Dreißigjährige Krieg nur
als Pauschalentschuldigung für alles, was in der deutschen
Geschichte schiefgelaufen war, und als Generalerklärung für
alle Unterschiede etwa zur Entwicklung Frankreichs, das
man sich ebenso zum Vorbild nahm, wie man zu ihm auf eine
ressentimentgeladene Distanz ging? Musste man den
Deutschen vielleicht das Narrativ ihrer
Selbsttraumatisierung nehmen, um ihnen die Chance zu
eröffnen, einen normalen Platz in der europäischen
Völkerfamilie zu finden?
Zwei ihrer Herkunft nach deutsche Autoren haben in
englischsprachigen Arbeiten diesen Weg beschritten und die
These verfochten, der Dreißigjährige Krieg habe keineswegs
so tief in die deutsche Geschichte eingegriffen, wie dies von
vielen Historikern behauptet worden sei. In seinem 1956
erschienenen Buch The Myth of the All-Destructive Fury of
the Thirty Years War hat Robert Ergang die Zahl der
Kriegstoten heruntergerechnet, indem er nur die in
Schlachten und Gefechten zu Tode Gekommenen als solche
gelten ließ und die Opfer von Hunger und Seuchen, beides
unmittelbare Folgen des Krieges, kurzerhand
herausnahm [1] – ein Verfahren, das der sonst üblichen
Berechnung von Menschenverlusten entgegenstand und das
gerade in diesem Krieg, in dem die Verwüstung des Landes
eine bewusst eingesetzte Strategie war, in die Irre führen
musste. [2] Der Dreißigjährige Krieg wird bei Ergang zur
Sammelbezeichnung für einige Schlachten, die sich von
denen der Kriege davor und danach eigentlich nicht
unterscheiden.
Zu einer größeren Debatte führte dann das zehn Jahre
darauf erschienene Buch The Thirty Years War and the
Conflict for European Hegemony von Sigfried H. Steinberg,
in dem dieser die Folgen des Krieges für Wirtschaft und
Gesellschaft in Deutschland als vernachlässigbar darstellte
und die These vertrat, die Bevölkerung in den Kriegsjahren
sei insgesamt sogar leicht gewachsen. [3] «An die Stelle der
Fabel von der allgemeinen Verwüstung und dem
Massenelend», so Steinberg, «ist daher die weniger
sensationelle Erkenntnis zu setzen, daß zwischen 1600 und
1650 in Deutschland eine Umschichtung der Bevölkerungen
und des Besitzes stattfand, die einigen Gegenden,
Ortschaften und Personen zum Vorteil und anderen zum
Schaden gereichte. […] Im Jahre 1648 war Deutschland
weder besser noch schlechter daran als im Jahre 1609: es
war lediglich anders, als es ein halbes Jahrhundert zuvor
gewesen war.» [4] Dass Hunderte Dörfer und Tausende
Gehöfte verschwanden, wird von Steinberg
dementsprechend eher auf das Wirken feudaler
Großgrundbesitzer zurückgeführt denn als Folge des
Dreißigjährigen Krieges begriffen. [5]
Wissenschaftlich sind Steinbergs Thesen längst widerlegt;
hier geht es um ihre geschichtspolitische Funktion, den
Deutschen das Narrativ von den verheerenden Wirkungen
des Dreißigjährigen Krieges als rechtfertigende Erklärung
für den Verlauf ihrer Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert
zu entwinden: Während Ergang und Steinberg in der
englischsprachigen Historiographie eher geringe Spuren
hinterlassen haben, [6] fanden sie hierzulande über Hans-
Ulrich Wehlers Deutsche Gesellschaftsgeschichte Eingang in
die Forschung und das Bild der Kriegsfolgen. «Unstreitig»,
schreibt Wehler, «hat jedoch auch der Mythos des großen
Brennens und Mordens die realhistorische Wirkung der
Feldzüge und Epidemien übermäßig dramatisiert. Das muß
zurechtgerückt werden.» [7] Wehler verweist auf den
wirtschaftlichen Abschwung, der sich seit dem Ende der
1630er Jahre überall in Europa bemerkbar gemacht habe,
«so daß es sich bei der ökonomischen Stockung keineswegs
um eine deutsche Besonderheit handelte». [8] Die Folgen des
Krieges als «ökonomische Stockung» zu bezeichnen, ist
freilich mindestens ein Euphemismus, eine Beschönigung
und Verharmlosung der Kriegsfolgen. Sofern diese Wertung
nicht aus einer unkritischen Übernahme der Thesen Ergangs
und Steinbergs resultiert, [9] ist sie nur aus dem
geschichtspolitischen Motiv heraus zu verstehen, dem
deutschen Selbstverständigungsdiskurs den Verweis auf den
Dreißigjährigen Krieg als allgemeine Erklärung und
Entschuldigung für den weiteren Verlauf der Geschichte zu
entreißen. Diese Revision einer geschichtspolitischen
Betrachtung des Krieges läuft darauf hinaus, ihn als
historische Zäsur in Frage zu stellen und eher als einen
Verstärker der großen Krisen zu begreifen, von denen die
gesellschaftliche Entwicklung Europas in der frühen Neuzeit
geprägt worden ist. Wichtiger als der Krieg waren demnach
die sozioökonomischen Krisen, mit denen man sich
stattdessen beschäftigen solle. Das ist in zugespitzter Form
die Sicht der Gesellschaftsgeschichte, die in kritischer
Absetzung von der herkömmlichen Politikgeschichte
entworfen wurde.
Es hätte dieser Perspektivenkontroverse in der
Geschichtswissenschaft indes nicht bedurft, um die
Bedeutung des Dreißigjährigen Krieges für das
Selbstverständnis der Deutschen zu relativieren: Die beiden
Weltkriege haben den Dreißigjährigen Krieg
geschichtspolitisch längst in den Hintergrund gedrängt. Er
ist wohl nicht aus der historischen Erinnerung der
Deutschen verschwunden, dient aber nicht mehr als
Erklärungsmuster: Wenn gegenwärtige Entwicklungen in
Deutschland oder besondere Mentalitäten der Deutschen
erklärt werden sollen, dann findet sich so gut wie keine
Bezugnahme mehr auf den Dreißigjährigen Krieg. Der
zeitliche Abstand ist zu groß geworden, als dass sich noch
plausible Kontinuitätslinien bis zur Gegenwart ziehen ließen.
Das zeigt sich auch im historischen Wissen über einzelne
Städte und Regionen: Die Erinnerung an Belagerungen und
Durchzüge von «Kriegsvölkern» in der Zeit des
Dreißigjährigen Krieges sind zu einer Angelegenheit der
Lokalhistoriker geworden, und das Wissen um verwüstete
und aufgegebene Ortschaften ist nur noch in
Gemarkungsnamen präsent. Dass der Zweite Weltkrieg im
historischen Gedächtnis der Deutschen inzwischen die Stelle
des Dreißigjährigen Krieges einnimmt, dürfte auch damit zu
tun haben, dass er, ebenso wie der Dreißigjährige Krieg,
nicht auf das Kampfgeschehen im engeren Sinn beschränkt
blieb; als Vernichtungskrieg in Osteuropa und dann auch als
Bombenkrieg richtete er sich vor allem gegen die
Zivilbevölkerung und ließ einen völlig verwüsteten Raum
zurück. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs haben im
Geschichtsbewusstsein der Deutschen, wie eingangs
erwähnt, die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges
überlagert und verdrängt.
Geschichtspolitisch hat der Zweite Weltkrieg jedoch eine
ganz andere Funktion als der Dreißigjährige Krieg: Stand in
dessen Zentrum die große Erzählung von den Deutschen als
Opfer – Opfer ihrer konfessionellen Zerrissenheit, Opfer der
geopolitischen Konstellationen, Opfer des Machtwillens der
Nachbarstaaten –, so steht bei der Beschäftigung mit dem
Zweiten Weltkrieg seit den 1980er Jahren die deutsche
Täterrolle im Mittelpunkt. Lief das Geschichtsnarrativ des
Dreißigjährigen Krieges immer auch auf eine Anklage der
anderen hinaus – in der katholischen Historiographie
erschien der Schwedenkönig Gustav Adolf als Aggressor und
Eroberer, während in der protestantischen Historiographie
der imperialen Politik Spaniens und des Kaisers eine
vergleichbare Rolle zukam –, so wurde die Beschäftigung mit
dem Zweiten Weltkrieg zur Auseinandersetzung mit der
eigenen Schuld und Verantwortung, von der Erpressungs-
und Annexionspolitik Hitlers vor Kriegsbeginn bis zum
millionenfachen Mord an den europäischen Juden. Aus dem
Trauma der Opferrolle ist das Trauma der Schuld an
furchtbaren Verbrechen geworden. [10] Die Vorstellung von
der großen Zäsur in der deutschen Geschichte hat sich
verschoben: Nicht mehr 1618 bis 1648, sondern 1933 bis
1945 war der tiefe Zivilisationsbruch.
Inzwischen freilich ist auch das tiefsitzende Bedürfnis zu
beobachten, die erinnerungspolitisch komfortable Position
des Opfers zurückzuerlangen. Seit einiger Zeit bemüht man
sich etwa, den Zweiten Weltkrieg umzuerzählen oder
einzelne Etappen herauszugreifen: Die Konzentration auf
den Bombenkrieg zwischen 1943 und 1945, als Deutschland
verstärkt zum Ziel alliierter Bomberflotten wurde, ist ein
solches Verfahren der Umerzählung. [11] Damit ist die
Grundkonstellation der Erzählung vom Dreißigjährigen
Krieg wiederhergestellt – und schon begegnen wir auch
wieder vergleichbaren Folgen. Die Warn- und
Verbotsschilder, die vordem zu Vorsicht und Zurückhaltung
im politischen Reden und Handeln aufgefordert haben, sind
umgestellt worden oder verschwunden, und es macht sich,
wo die Umerzählung vorherrscht, eine Stimmung des
Trotzes und der Revision breit. Dazu gehört die Obsession,
von den «Anderen» bedroht zu sein, die schnell in
Aggression umschlagen kann: Man sei der Welt nichts
schuldig und habe auf nichts und niemand Rücksicht zu
nehmen. Das ist eine Mentalität, wie sie durch das Trauma-
und Opfernarrativ des Dreißigjährigen Krieges befördert
wurde, und insofern ist nachzuvollziehen, warum einige
Historiker dieses Narrativ destruieren wollten. Sie wollten
korrigieren, was sie als Folge einer bestimmten
Geschichtspolitik ausgemacht hatten.

Die Kontroversen über die Folgen des Dreißigjährigen


Krieges für die deutsche Geschichte gehören inzwischen der
Vergangenheit an. Das Opfernarrativ lässt sich nicht nur
wegen der zeitlichen Distanz und der beiden Weltkriege
nicht mehr reaktivieren; es ist auch das Unverständnis für
die konfessionellen Konflikte hinzugekommen. Dass man ein
Land verheert und verwüstet, Menschen massenhaft tötet
oder deren Lebensgrundlagen auf Jahre hinaus zerstört, weil
man unterschiedliche Gottesvorstellungen hat und einen
anderen Umgang mit dem Sakralen pflegt, ist für uns nicht
mehr nachvollziehbar. Die große Distanz zum
Dreißigjährigen Krieg als politisch-kulturellem
Identitätsmarker der Deutschen resultiert nicht zuletzt
daraus, dass wir gegenüber religiösen Kontroversen
gleichgültig geworden sind. Wo man Derartiges beobachtet,
wie in den Kriegen, Bürgerkriegen und terroristischen
Attacken der islamischen Welt, reagiert man mit Abscheu
und Unverständnis – um anschließend mit Erstaunen zur
Kenntnis zu nehmen, dass es solche Kriege auch in unserer
eigenen Geschichte gegeben hat. Geographischer Abstand
im einen und historischer Abstand im anderen Fall sorgen
jedoch dafür, dass diese Konflikte als etwas zutiefst Fremdes
begriffen werden. [12]
Friedrich Nietzsche hat die überhandnehmende
Vergangenheitsorientierung ohne Bezug zur Gegenwart und
ohne Nutzen für das Begreifen ihrer Herausforderungen als
«antiquarisch» bezeichnet. Ein antiquarisches Interesse an
der Geschichte sei vorherrschend, «wenn die Historie dem
vergangenen Leben so dient, daß sie das Weiterleben und
gerade das höhere Leben untergräbt, wenn der historische
Sinn das Leben nicht mehr konserviert, sondern
mumisiert […]. Die antiquarische Historie entartet selbst in
dem Augenblicke, in dem das frische Leben der Gegenwart
sie nicht mehr beseelt und begeistert. Jetzt dorrt die Pietät
ab, die gelehrtenhafte Gewöhnung besteht ohne sie fort und
dreht sich egoistisch-selbstgefällig um ihren eigenen
Mittelpunkt. Dann erblickt man […] das widrige Schauspiel
einer blinden Sammelwut, eines rastlosen
Zusammenscharrens alles einmal Dagewesenen. Der Mensch
hüllt sich in Moderduft; es gelingt ihm, selbst eine
bedeutendere Anlage, ein edleres Bedürfnis durch die
antiquarische Manier zu unersättlicher Neugier, richtiger
Alt- und Allbegier herabzustimmen; oftmals sinkt er so tief,
daß er zuletzt mit jeder Kost zufrieden ist und mit Lust
selbst den Staub bibliographischer Quisquilien frisst.» [13]
Wer die in den letzten zwei, drei Jahrzehnten entstandene
Literatur zum Dreißigjährigen Krieg durchstöbert, stößt
immer wieder auf ein solches antiquarisches Interesse; die
Ereignisse von 1618 bis 1648 sind von den Historikern im
buchstäblichen Sinn historisiert worden. Der Krieg gehört,
liest man die einschlägigen Arbeiten, einer Vergangenheit
an, die definitiv vergangen ist – im Unterschied zu den
Vergangenheiten, von denen formelhaft gesagt wird, dass sie
«nicht vergehen wollen». Kaum etwas ist so kennzeichnend
für die Abgeschlossenheit eines Geschichtsabschnitts wie die
Art seiner Darstellung: Wenn die Aufsätze zu Einzelaspekten
des Geschehens überhandnehmen und so gut wie keine
großen Gesamtdarstellungen mehr verfasst werden, dann
zeigt das, dass der fragliche Geschichtsabschnitt tatsächlich
nur noch von antiquarischem Interesse ist, Gegenstand eines
Gesprächs von Fachgelehrten, die sich gegenseitig darauf
hinweisen, welche speziellen Aspekte des Krieges und seiner
Folgen trotz aller bisherigen Bemühungen noch genauer
untersucht werden müssen, aber mit keinem Wort darauf
eingehen, welchen Erkenntniswert die weitere Erforschung
dieser Spezialaspekte für uns heute haben könnte.
Das ist kein Einwand gegen den Wert solcher
Forschungen; außerdem ist die Eigenlogik der Wissenschaft
selbstreferenziell, und die Frage nach dem Ertrag oder – mit
Nietzsche – «Nutzen» der Forschung wird an eine
wissenschaftliche Disziplin zumeist von außen
herangetragen. Wo die Wissenschaft, zumal die Geistes- und
Sozialwissenschaften, sich von vornherein unter den
Imperativ gesellschaftlicher und politischer Nützlichkeit
stellen soll, wird sie schnell zur bestellten Expertise, deren
Wert und Bedeutung an die Interessen des Bestellers
gebunden sind, was dem Selbstverständnis von Wissenschaft
zuwiderläuft. Im Schatten der politischen und
gesellschaftlichen Aufmerksamkeit lässt sich sehr viel
ruhiger und gelassener forschen, als wenn jedes Ergebnis,
und sei es noch so vorläufig und fragil, sogleich im Fokus
des allgemeinen Interesses steht. Das alles ist wahr. Und
doch ist es für die Beschäftigung mit einem historischen
Thema wichtig, dass sie irgendwann auf ein Interesse stößt,
das über die freundliche Aufmerksamkeit der Fachkollegen
hinausgeht. Dafür muss es freilich Gründe geben, die in der
Sache selbst liegen. Die hier vorgelegte Darstellung des
Dreißigjährigen Krieges geht davon aus, dass es seit
geraumer Zeit solche Gründe gibt.
Nietzsches Beschreibung des antiquarischen Interesses
soll ihr als Warnschild dienen: Es gibt keine unmittelbaren
Verbindungslinien zwischen uns und der Zeit des
Dreißigjährigen Krieges, und dass dieser sich auf einem
Territorium abgespielt hat, das im Wesentlichen mit dem
heutigen Deutschland identisch ist, berührt uns wenig –
solange man nicht bei Grabungen auf Skelette von Getöteten
einer großen Schlacht dieses Krieges stößt, wie vor
geraumer Zeit nahe Wittstock an der Dosse. Wenn so etwas
geschieht, lässt sich mit Hilfe moderner
Untersuchungsmethoden ein genaueres Bild von der
Ernährung und den Krankheiten der Bestatteten gewinnen.
[14] Das Urteil über den Krieg selbst revidieren solche Funde
und ihre Auswertung indes nicht: Sie sind ein Fall fürs
Museum, und wenn sie entsprechende Aufmerksamkeit
erregen, vergrößern sie die Zahl der Besucher oder werden
unter Umständen gar zum Publikumsmagneten, der sich
touristisch bewirtschaften lässt. Unser geneigtes Interesse
wird befriedigt, unser Wissen vermehrt, aber unser
politisches Selbstbild ändert sich dadurch nicht. Ganz
anders ist das, sobald wir uns mit den jüngsten Kriegen an
der europäischen Peripherie beziehungsweise der Peripherie
der globalen Wohlstandszonen beschäftigen und mit
Erstaunen feststellen, dass es strukturelle Ähnlichkeiten
zwischen ihnen und dem Dreißigjährigen Krieg gibt. Ist
dieser Krieg, den wir eben noch als ein überwundenes
Trauma der Deutschen betrachtet haben, womöglich so
etwas wie eine Blaupause für die Kriege des
21. Jahrhunderts? Das ist das nichtantiquarische Interesse,
das im Hintergrund dieser Darstellung steht. [15]
Die Westfälische Ordnung, der Aufstieg
des Staates und die Verstaatlichung des
Krieges
Dass uns der Dreißigjährige Krieg inzwischen so fernliegt
und fremd geworden ist, hat auch mit dem Westfälischen
Frieden zu tun, der ihn beendete, vor allem aber mit der in
Münster und Osnabrück ausgehandelten Ordnung, die von
der amerikanischen Politikwissenschaft als «Westfälisches
System» oder «Westfälische Ordnung» bezeichnet worden
ist. [1] Wenngleich man diese Bezeichnungen des
Friedensschlusses als Westfälische Ordnung wiederholt
kritisiert hat, [2] bringen sie doch eine grundlegende
Veränderung im Verhältnis der Mächte zum Ausdruck. Der
Westfälische Frieden hat, auch wenn er mit dem Anspruch
formuliert wurde, ein «immerwährender», ein «ewiger»
Friede zu sein, [3] die Praxis des Kriegführens zur
Durchsetzung politischer Ziele keineswegs beendet, und
eigentlich war das auch nicht beabsichtigt. Er hat vielmehr
den Krieg reguliert, ihn als das Recht eines jeden Souveräns
festgeschrieben (ius ad bellum) und dadurch die
Kriegführung einer Reihe von auf Symmetrie ausgelegten
Regeln (ius in bello) unterworfen. Die Äquivalenz der
Souveräne trat an die Stelle der Hierarchie, an deren Spitze
der Kaiser als Garant der Friedensordnung stand. Die
Anwendung von Gewalt, um einen politischen Willen
durchzusetzen, war aus seiner Sicht, zumindest innerhalb
des Reichs, Rebellion und Aufstand gewesen. Solange das so
war, blieb die Beachtung des Kriegsrechts prekär. Es kommt
nicht von ungefähr, dass nur wenige der am Dreißigjährigen
Krieg beteiligten Mächte sich offiziell den Krieg erklärt
hatten. In der Westfälischen Ordnung dagegen war (und ist
nach wie vor) der souveräne Staat verpflichtet, dafür zu
sorgen, dass die Regeln des Krieges beachtet und befolgt
werden, und das beginnt mit dem Akt der Kriegserklärung.
Die Westfälische Ordnung war so angelegt, dass die
Durchsetzung der Regeln im Interesse der Staaten lag und
es dafür keiner übergeordneten Instanz bedurfte. [4] Sie war
und ist eine «Ordnung ohne Hüter».
Dem Grundsatz nach wurde die Entscheidung über Krieg
und Frieden in der Westfälischen Ordnung gemäß den
Interessen der Staaten und nicht unter Bezug auf
Wertbindungen oder religiöse Verpflichtungen getroffen. [5]
Das hat den Krieg nicht aus der Welt geschafft, ihn aber sehr
viel stärker einem rationalen Kalkül unterstellt, was nicht
bedeutet, dass sich ein solches Kalkül immer durchsetzen
konnte oder Fehlkalkulationen vermieden worden wären.
Kalkülrational geführte Kriege sind jedenfalls in der Regel
schneller und leichter zu beenden als Kriege, in denen
Identität und Werte, Ambitionen und Verpflichtungen,
Machtgier und religiöse Solidarität ineinander verschränkt
sind wie im Dreißigjährigen Krieg. Wo es in erster Linie um
Macht und Interessen geht, sind Kompromisse sehr viel
leichter zu finden, und jeder Beteiligte verfügt über einen
prinzipiellen Maßstab, an dem sich ablesen lässt, ob die
Fortführung des Krieges den eigenen Interessen noch
entspricht oder nicht mehr; dazu müssen nur die
wahrscheinlichen Kosten mit dem möglichen Nutzen ins
Verhältnis gesetzt werden. Hätte man das im
Dreißigjährigen Krieg getan – er hätte keine dreißig Jahre
gedauert.
Die entscheidende Veränderung, die mit der Westfälischen
Ordnung gegenüber der vorherigen Ordnung des Politischen
eintrat, war die Separierung der Kriegstypen und die
Entflechtung der Konfliktebenen. Die lange Dauer des
Krieges resultierte nämlich auch daraus, dass in ihm
unterschiedliche Kriegstypen und unterschiedliche
Konfliktebenen ineinander verschränkt und miteinander
verflochten waren. Alle den westfälischen Verhandlungen
vorangegangenen Versuche, den Krieg zu beenden, sind an
dieser Komplexität gescheitert. Sie vermochten sie nicht
aufzulösen. Der Westfälische Frieden schuf die Grundlagen
dafür, dass die Komplexität eines Krieges in die Ordnung des
Friedens überführt werden konnte. Unter dem Eindruck der
beiden Weltkriege ist das in Vergessenheit geraten. Die
jüngsten Kriege im Nahen Osten, in der Maghrebregion und
in der Sahelzone erinnern uns wieder daran.
Hierarchie und Gleichgewicht
Der amerikanische Politikwissenschaftler Kenneth Waltz hat
die These vertreten, internationale Konstellationen seien
entweder nach dem Prinzip der Hierarchie oder dem der
Anarchie strukturiert. [1] Das ist angesichts der Fülle
möglicher Ordnungsbildungen zu schematisch. So lässt sich
als Variante dessen, was Waltz als Anarchie bezeichnet,
durchaus ein sich selbst regulierendes Gleichgewicht
vorstellen, ebenso eines, das keinen hegemonialen, sondern
einen bloß balancierenden Ordnungshüter hat – eine Rolle,
die Großbritannien im 18. und 19. Jahrhundert häufig
zugeschrieben wurde. [2] Beides ist kaum angemessen als
Anarchie zu beschreiben, ebenso wenig aber kann die Rolle
des Hegemons in einem System sich prinzipiell als gleich
anerkennender Staaten als Hierarchie bezeichnet werden.
Eher kann man diese Konstellation als eine Zwischenform,
als Hybridbildung von Hierarchie und Anarchie begreifen,
wenn man denn auf das Oppositionspaar als heuristisches
Hilfsmittel nicht verzichten will. [3] Für eine analytische
Beschreibung des Dreißigjährigen Krieges ist das insofern
relevant, weil dieser sich nicht zuletzt um die Frage des
politischen Ordnungsideals gedreht hat: Sollte Europa
künftig nach den Vorgaben einer Hierarchie geordnet sein
oder nach denen eines Systems gleichberechtigter Akteure,
deren Interessen durch einen Hegemon in gewisser Weise
gelenkt würden? [4] Dabei spielten von vornherein die
konkreten Interessen der großen Mächte eine Rolle,
schließlich war zu entscheiden, wer am Ende davon
profitieren würde, wenn eine hierarchische Ordnung durch
eine des potenziellen Gleichgewichts abgelöst wurde.
Insofern war dieser Krieg ein «Welt»-Ordnungskrieg, der als
Hegemonialkrieg geführt wurde.
Der Kaiser im «Heiligen Römischen Reich deutscher
Nation», wie die offizielle Bezeichnung lautete, war der erste
Aspirant auf die Position an der Spitze der europäischen
Hierarchie; um diese aber wirklich einnehmen zu können,
mangelte es ihm seit dem 13. Jahrhundert an den
erforderlichen Ressourcen. Das Reich war der Verfassung
nach ein Wahlkaisertum, und sobald der Kaiser die Mittel
des Reichs in Anspruch nehmen wollte, war er auf die
Zustimmung der Reichsstände angewiesen, die ihm häufig
versagt blieb oder nur unter stark einschränkenden
Bedingungen bewilligt wurde. Möglicherweise wäre im
Verlauf des Dreißigjährigen Krieges Wallenstein der Mann
gewesen, das zu ändern, doch gerade weil sie das
befürchteten, zwangen die Kurfürsten den Kaiser im Jahre
1630 zur Entlassung seines Generalissimus.
Im Unterschied zum Wiener Zweig des Hauses Habsburg
verfügte dessen Madrider Linie über wirkliche Macht, und
spätestens Philipp II. herrschte über ein Reich, in dem, wie
sein Vater Karl V. es einmal formuliert haben soll, «die
Sonne nie unterging». Die Grundlage der spanischen Macht
waren die Silbervorkommen der Neuen Welt und eine; –
wesentlich aus diesem Silber finanzierte – Infanterie, die bis
in den Dreißigjährigen Krieg hinein als das militärisch Beste
galt, was es in Europa gab. [5] König Philipp III. sowie sein
Sohn Philipp IV. und deren leitender Minister Olivares
verfolgten vor und während des Krieges eine Politik, die im
Bündnis mit der Wiener Linie der Casa d’Austria an einer
imperialen Ordnung mit den Habsburgern an der Spitze
ausgerichtet war. [6] Hätten sie sich durchgesetzt, so wäre
dies wohl auf eine Erneuerung des hierarchischen Modells
der politischen Ordnung in Europa hinausgelaufen. Aber die
spanische Macht war nach demographischen und
fiskalischen Krisen im Kernland verwundbar, und ihre
legendäre Infanterie stieß im Unabhängigkeitskrieg der
Niederlande an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. [7] Die
Niederländer hatten sich neue Formen militärischer
Disziplin und taktischen Agierens angeeignet, die sich denen
der Spanier nach einiger Zeit als ebenbürtig erwiesen. [8] Im
Kriegsverlauf wurde die Kluft zwischen dem imperialen
Anspruch und der schwindenden Macht Spaniens immer
deutlicher. Die politische Ordnung in Europa wechselte auch
deshalb, weil es niemanden mehr gab, der die erforderlichen
Ressourcen für die Rolle des Hierarchen hatte. Der Krieg
war gewissermaßen ein sich hinziehender Test auf
kontinuierliche Ressourcenverfügbarkeit.
Ein weiterer Aspirant auf den Platz an der Spitze der
europäischen Hierarchie war die Römische Kurie, deren
Einfluss in großen Teilen Europas mit Ausbreitung der
Reformation jedoch deutlich abgenommen hatte. Zwar war
die Papstkirche mit dem Konzil von Trient und dem Beginn
der Gegenreformation beziehungsweise der katholischen
Reform [9] wieder in die Offensive gekommen; es stand aber
außer Zweifel, dass der Protestantismus nur in einem
großen Krieg umfassend zurückgedrängt werden konnte.
Unter diesen Umständen wäre eigentlich zu erwarten
gewesen, dass der Papst eifrig den Kaiser und Spanien
unterstützte, denn diese hatten sich den Kampf für den
katholischen Glauben auf die Fahnen geschrieben. Seit
Errichtung des Kirchenstaates war der Papst jedoch auch
ein italienischer Regionalfürst, und als solcher stimmte seine
Machträson mit den Imperativen der Universalkirche nicht
überein. Die spanische Macht in Italien schränkte die
Handlungsfähigkeit der dortigen Fürsten ein, weshalb
Urban VIII. ein starkes Interesse daran hatte, Spanien zu
schwächen und ein Gleichgewicht mit Frankreich
herzustellen. Es kam also nicht zu einem Dreibund zwischen
Kurie, Kaiser und Spanien, stattdessen unterstützte
Urban VIII. die antihabsburgische Politik Kardinal
Richelieus. [10] Die konfessionellen Fronten des
Dreißigjährigen Kriegs waren keineswegs so eindeutig, wie
die Bezeichnung als Konfessionskrieg es nahelegt; immer
wieder kam es zu Koalitionsbildungen über die
Glaubensbekenntnisse hinweg. Schon das macht es schwer,
den Konflikt wesentlich als Religionskrieg zu sehen. [11] Er
war das zweifellos, aber zugleich war er noch viel mehr.
Die französische Politik war in ihrer Opposition zur
imperialen Stellung des Hauses Habsburg keineswegs von
Anfang an darauf ausgerichtet, ein System
gleichberechtigter Staaten mit Frankreich als Schiedsrichter
zu schaffen. Der sogenannte Große Plan Heinrichs IV., den
der Herzog von Sully ausgearbeitet hat, drehte sich
ebenfalls um die Oberhoheit über Europa – in diesem Fall
freilich die Frankreichs. In dem von Ludwig XIII. und
Ludwig XIV. zeitweilig verfolgten Projekt, sich zum Kaiser
des Heiligen Römischen Reichs wählen zu lassen, ist ein
Nachklang dessen zu finden. Während des Dreißigjährigen
Krieges stellte Richelieu derart weitgesteckte Ziele in den
Hintergrund und beschränkte sich darauf, eine
habsburgische Universalmonarchie, wie die zeitgenössische
Bezeichnung für ein gesamteuropäisches Imperium lautete,
zu verhindern. [12] Das hatte auch damit zu tun, dass
Frankreich im konfessionellen Bürgerkrieg eine relative
Schwächung erfuhr und der hugenottische Widerstand
periodisch wieder auflebte. [13] Selbst der schwedische König
Gustav II. Adolf scheint nach seinem Sieg bei Breitenfeld im
Jahr 1631 mit der Vorstellung geliebäugelt zu haben, sich
zum deutschen Kaiser wählen zu lassen, womit das
Übergewicht der Katholiken im Reich durch das der
Evangelischen abgelöst worden wäre. Inwieweit damit die
schwedische Ostseehegemonie hätte flankiert werden sollen
oder ob sich die Herrschaft Gustav Adolfs von Schweden
nach Deutschland, von Stockholm nach Frankfurt oder
Nürnberg verlagert hätte, mag hier dahingestellt bleiben. [14]
Bedeutsam für die Beschreibung des Krieges als Hybrid
zwischen Imperial- und Hegemonialkrieg ist, dass selbst der
«Löwe aus dem Norden», der in seinen offiziellen
Proklamationen das schwedische Eingreifen mit der
Verteidigung des evangelischen Glaubens begründete, sich
den imperialen Suggestionen nicht entziehen konnte,
nachdem er zu einem maßgeblichen Kriegsakteur geworden
war. [15] Sobald eine Großmacht militärisch die Oberhand
bekam, stand sie vor der Frage, ob sie das in einer
imperialen oder hegemonialen Ordnung politisch
festschreiben wollte.
Der ständige Wechsel des Kriegsglücks führte jedoch dazu,
dass die imperialen Projekte schnell zurückgestutzt wurden.
Das Ergebnis des Krieges war die Aufteilung Europas in
Hegemonialsphären, die zur Grundlage der europäischen
Pentarchie wurden, der Ordnung der fünf großen Mächte.
Sie bestand im 17. Jahrhundert aus Spanien, Frankreich,
England, dem Kaiserhaus in Wien und Schweden. Mit dem
Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert schieden Spanien
sowie Schweden aus und wurden schrittweise durch
Preußen und Russland ersetzt. Die Aufteilung der
Hegemonialzonen, von denen die normative Ordnung der
souveränen Staaten machtpolitisch überlagert wurde, ist im
Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs ausgefochten worden.
Diese Zonen waren so etwas wie ein realpolitischer
Kompromiss zwischen den imperialen Ambitionen der
Großmächte und dem System souveräner Staaten, als das
die Westfälische Ordnung in den Völkerrechtstexten
beschrieben wird. Die Bildung eines solchen souveränen
Staates fand in Deutschland jedoch nicht statt; das Heilige
Römische Reich deutscher Nation blieb als Überrest der
imperialen Ordnung bestehen.
Die geopolitische Mitte des europäischen Raumes, also
Deutschland, wurde auch deshalb zum Kriegsschauplatz der
alten imperialen Mächte und der neuen
Hegemonialaspiranten, weil am Reichsgedanken die
Legitimität der alten Ordnung hing. [16] Nach dem
Westfälischen Frieden geriet das Reich in die ökonomischen
und politischen Einflusssphären der europäischen
Pentarchie, die Zugriff auf die Verhältnisse in seinem Innern
hatte: Schweden, insofern es mit dem Friedensvertrag zum
Reichsstand wurde; Frankreich, dem das zuvor
habsburgische Elsass zufiel, indem es eine bis zum Rhein
und mitunter darüber hinaus reichende Einflusszone in
Südwestdeutschland errichtete; die Habsburger in Wien
durch ihre Stellung als Kaiser des Reichs; schließlich
England, das den Handel in der Nordsee schrittweise unter
seine Kontrolle brachte und dadurch die norddeutsche
Wirtschaft kontrollierte. Allein Spanien hatte durch die in
Münster festgeschriebene Trennung der Wiener von der
Madrider Linie der Habsburger seinen Einfluss auf das
Reich verloren, und nach einiger Zeit schied es ganz aus der
europäischen Pentarchie aus und zog sich auf die
außereuropäischen Territorien zurück.
Die der Westfälischen Ordnung zugrundeliegenden
Normen gleichberechtigter souveräner Staaten entsprachen
also ebenso wenig der machtpolitischen Realität Europas,
wie das zuvor die hierarchische Ordnungsvorstellung des
Mittelalters getan hatte. Insofern ist es ratsam, die
Normstruktur des Völkerrechts nicht mit den realen
Machtkonstellationen zu verwechseln. Dennoch wirkten die
neuen Normen auf die tatsächlichen Machtverhältnisse ein
und veränderten sie dahingehend, dass die Vorstellung von
einer christlichen Einheit mit hierarchischer Spitze
zunehmend obsolet wurde. Die großen Kriege wurden
nunmehr um die Reichweite der Hegemonialzonen geführt.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein ging es in Europa nicht mehr
um prinzipiell andere Ordnungsmodelle.
Die Vielfalt der Kriegstypen
Mit der Charakterisierung des Krieges als Ständeaufstand,
Staatenkrieg, Konfessionskrieg sowie Imperial- und
Hegemonialkrieg ist die Fülle der zwischen 1618 und 1648
ineinander verschränkten Kriegstypen noch immer nicht
erschöpft. Der Dreißigjährige Krieg enthielt obendrein
Elemente eines genuinen Bürgerkriegs, insofern es in
seinem Verlauf zu Bauernaufständen kam, die vom Militär
niedergeschlagen wurden. [1] Es gab diese Bauernaufstände
in vielen Gebieten des Reichs, auch wenn sie nirgendwo die
Ausdehnung und Intensität des oberösterreichischen
Aufstandes annahmen. Andernorts mündeten sie in einen
Kleinkrieg gegen einzelne Soldatentrupps, die von den
Bauern überfallen und niedergemacht wurden. Das waren
Racheakte für die Gewalt, die marodierende Söldner wie
reguläre Einheiten den Bauern auf der Suche nach Geld und
Gut angetan hatten. [2] Dabei entstammten die meisten
Söldner selbst der Bauernschaft und waren Soldaten
geworden, um der Drangsalierung durch das Militär zu
entgehen. Das berühmteste Beispiel für einen solchen
Wechsel ist Grimmelshausens mit autobiographischen Zügen
ausgestattete Romanfigur Simplicius Simplicissimus:
Simplicissimus wird nach einem Überfall schwedischer
Soldaten auf den elterlichen Bauernhof nach einiger Zeit
selbst Soldat und verübt Überfälle auf Bauern und Reisende,
bis er sich schließlich wieder in einen Bauern
zurückverwandelt. [3] So entwickelte sich neben den anderen
Kriegstypen ein «Krieg im Kriege», der durchaus Züge eines
Bürgerkrieges trug.
Dieser «kleine Krieg» wurde im Verlauf der 1620er Jahre
zum ständigen Begleiter des «großen Krieges». Es gehört zu
den folgenreichen Leistungen der Westfälischen Ordnung,
den «großen Krieg» reguliert und den «kleinen Krieg» auf
die bewaffnete Macht des Gegners gerichtet zu haben. [4]
Für mehrere Jahrhunderte wurde der kleine Krieg zu einer
auf die Logistik der gegnerischen Armeen zielenden
Strategie. Erst im antinapoleonischen Partisanenkrieg der
Spanier ist er als «Volkskrieg» in die europäische
Kriegführung zurückgekehrt, und prompt stellten sich
erneut die Grausamkeiten gegen die ländliche Bevölkerung
ein, wie sie für den Dreißigjährigen Krieg typisch waren.
Francisco de Goya hat in seinen an die Arbeiten Hans Ulrich
Francks erinnernden Desastres de la Guerra diese
Grausamkeiten festgehalten. Davor und auch wieder danach
gelang es im Rahmen der Westfälischen Ordnung, die
völkerrechtliche Trennung von Kombattanten und
Nonkombattanten bis in die Kleinkriegführung
durchzusetzen. Sieht man von Entwicklungen an der
europäischen Peripherie ab, in Spanien, auf dem Balkan und
im Kaukasus, so hatte sie bis ins 20. Jahrhundert Bestand. [5]
Um dieser Trennung zwischen Kombattanten und
Nonkombattanten als Kernbestand regulierter Kriegführung
Geltung zu verschaffen, bedurfte es nach dem
Dreißigjährigen Krieg einer grundlegenden Veränderung des
Militärwesens. Diese lässt sich unter der Überschrift
«Verstaatlichung» zusammenfassen: An die Stelle der
Söldnerverbände, die von Kriegsunternehmern aufgestellt
worden waren, traten nun Armeen, die «des Königs Rock»
trugen, also aus staatlichen Magazinen uniformiert und
bewaffnet und aus Staatsmitteln versorgt und besoldet
wurden. Vorläufer und erste Ansätze lassen sich bereits
während des Dreißigjährigen Krieges beobachten; [6] die
Geschichte des Krieges ist ein ständiges Hin und Her
zwischen Verstaatlichung und Entstaatlichung. In der
Westfälischen Ordnung mussten die Truppen im Kriegsfall
nicht erst angeworben werden, sondern standen in den
Garnisons- und Festungsstädten zum Einsatz bereit. Sie
mussten lediglich, wie es zeitgenössisch hieß, vom
«Friedens- auf den Kriegsfuß» versetzt werden, was
bedeutet, dass die für landwirtschaftliche Arbeiten
abgestellten Soldaten zu ihren Einheiten zurückbeordert
wurden. Die Unterhaltskosten des stehenden Heeres waren
im Frieden niedriger als im Krieg, doch war der Unterschied
nicht mehr so groß wie zuvor, als Frieden hieß, dass
sämtliche Truppen abgedankt wurden. [7] Obendrein wurden
jetzt systematisch und von langer Hand Magazine zur
Versorgung des Militärs errichtet, und es wurde ein
Staatsschatz gebildet, durch den die Kosten eines Krieges
für einige Zeit gedeckt waren. So wurde zum Ausnahmefall,
was im Dreißigjährigen Krieg noch die Regel war: dass die
angeworbenen Verbände keinen regelmäßigen Sold
erhielten und, da sie nicht anderweitig versorgt wurden,
raubten und plünderten. Dass der Dreißigjährige Krieg zum
Trauma der Deutschen wurde, lag mehr am «kleinen» als am
«großen Krieg».
Die Vermischung der unterschiedlichen Kriegstypen war
es, die es so ungemein schwierig gemacht hat, den Krieg zu
beenden. Wäre es nur darum gegangen, mit Waffengewalt
die Frage zu klären, ob ein bestimmter Landstreifen oder
eine Region zu diesem oder jenem Herrscher gehörten, so
hätte sich das in einer Entscheidungsschlacht der beiden
Konkurrenten schnell klären lassen. Da aber im
Dreißigjährigen Krieg die Probleme der unterschiedlichen
Kriegstypen noch hinzukamen, war keine Schlacht
ausreichend, um von den kriegführenden Parteien als
Entscheidung anerkannt zu werden. Es waren zu viele
Fragen, die gleichzeitig beantwortet werden mussten. Erst
in der Westfälischen Ordnung wurde der Krieg als
praktikable Entscheidungsinstanz politischer Konflikte
wiederhergestellt.
Ressourcenverbrauch, Kriegsfinanzierung
und Heeresversorgung
Jeder Krieg ist eine Form erhöhten und letztlich
unproduktiven Ressourcenverbrauchs. Aber die Kriege
unterscheiden sich durch das Maß, in dem ihr
Ressourcenverbrauch den in Friedenszeiten übertrifft.
Ebenso unterscheiden sie sich durch die Folgen, die sich bei
ihrem Ende aus dem zeitweilig erhöhten
Ressourcenverbrauch ergeben. Die oben diskutierten Thesen
Ergangs, Steinbergs und Wehlers, denen zufolge die
Verwüstungen und Menschenverluste im Dreißigjährigen
Krieg lange Zeit überschätzt worden seien, beruhen auf der
Annahme, dass für den erhöhten Ressourcenverbrauch im
Krieg ausschließlich die Waffentechnik verantwortlich sei.
Insbesondere Steinberg hat seine Thesen daher mit dem
Verweis auf die sehr viel größere Zerstörungskraft der
Waffen begründet, die in den Weltkriegen des
20. Jahrhunderts eingesetzt wurden. [1] Dabei wird der
Einfluss der Militärorganisation auf den
Ressourcenverbrauch übersehen, und dieser Einfluss dürfte
mindestens ebenso groß gewesen sein wie die der
Waffentechnik geschuldeten Effekte.
Die Beschäftigung mit dem Niveau des
Ressourcenverbrauchs im Krieg ermöglicht einen neuen
Blick auf die traumatischen Folgen des Dreißigjährigen
Krieges in Deutschland. Die Westfälische Ordnung hat Krieg
unter anderem dadurch wieder führbar gemacht, dass sie
die ineinander verschränkten Kriegstypen voneinander
getrennt und den Krieg einer an den Staatsinteressen
ausgerichteten Kalkülrationalität unterworfen hat. Zugleich
hat sie den Ressourcenverbrauch im Krieg so weit gesenkt,
dass dieser wieder als ein Mittel der Politik, «ein wahres
politisches Instrument», wie es bei Clausewitz heißt, gelten
konnte. [2] Allgemein formuliert bedeutet das: Das Militär
wurde so reorganisiert, dass der Ressourcenverbrauch in
Friedenszeiten erhöht und die Ressourcenvernichtung in
Kriegszeiten begrenzt wurde. Die Folge war, dass die
Differenz zwischen Krieg und Frieden nicht mehr als so
dramatisch erfahren wurde, wie das im Dreißigjährigen
Krieg der Fall war.
Diese eher abstrakte Überlegung zum Verhältnis von
Militärwesen und Kriegführung lässt sich an einigen
Beobachtungen zur Heeresversorgung im Dreißigjährigen
Krieg konkretisieren. Dabei sind vier Versorgungstypen zu
unterscheiden. Da ist zunächst das System der
Kontributionen, das Wallenstein während seines ersten
Generalats von 1625 bis 1630 perfektionierte. [3] Dieses
System beruhte darauf, dass die Truppen über einen
größeren Landstrich verteilt und «einquartiert» wurden, was
heißt, dass diese Gebiete nicht nur Unterkünfte und
Lebensmittel für die Soldaten bereitstellen, sondern auch
noch für ihre Besoldung aufkommen mussten. Zumeist
erfolgten solche Einquartierungen in «Feindesland». Sie
waren der Preis, den eine Bevölkerung zu zahlen hatte,
wenn ihr Landesherr Krieg führte, aber sein Territorium
nicht vor gegnerischen Truppen schützen konnte.
Einquartierung bedeutete, dass das Mehrprodukt des
Landes, sein Überschuss an Gütern, von den
Besatzungstruppen verzehrt wurde. Das traf zunächst den
Landesherrn, denn eigentlich war er es ja, der sich dieses
Mehrprodukt in Form von Abgaben aneignete, um seine
Hofhaltung, seine Repräsentationsprojekte, sein Heer und
anderes mehr damit zu finanzieren. Einquartierungen
verwehrten einem Landesherrn also den Zugriff auf das
Mehrprodukt seines Landes. Solange es dabei blieb, waren
die Folgen begrenzt. Sobald aber die für die einquartierten
Truppen aufzubringenden Leistungen höher waren als das,
was der Landesherr in Friedenszeiten abschöpfte, hatte die
gesamte Bevölkerung schwer zu leiden. Das Besondere an
der von Wallenstein praktizierten Methode der
Einquartierung bestand darin, dass er sie nicht auf
gegnerisches Gebiet beschränkte, sondern auch auf eigene
Territorien ausdehnte, was im Ergebnis auf die Eintreibung
einer Steuer zur Finanzierung der Armee hinauslief.
Wallenstein scheint eine sehr genaue Vorstellung davon
gehabt zu haben, dass ein stehendes Heer einen effektiven
Steuerstaat zur Voraussetzung hatte. [4]
Im Prinzip war dieses System eine Land und Leute
belastende, aber relativ erträgliche Form der
Kriegsfinanzierung. Da Nachhaltigkeit belohnt wurde und
die Soldaten selbst davon profitierten, wenn sie Menschen,
Vieh und Gebäude schonend behandelten, kam es in der
Regel nicht zu sinnlosen Zerstörungen. Außerdem ließ sich
die Disziplin des für längere Zeit einquartierten Militärs
leidlich aufrechterhalten. Das war anders beim zweiten
Versorgungstyp, der dadurch gekennzeichnet war, dass die
Truppen in Bewegung waren und das Interesse der Soldaten
am schonenden Umgang mit Land und Leuten schwand. Man
hat das Heer auf dem Marsch als «wandernde Stadt»
bezeichnet, [5] weil eigentlich alles mitgeführt wurde, was
zum täglichen Leben erforderlich war. Wenn aber die
mitgeführten Vorräte zur Neige gingen und es für die
Soldaten zu einer Frage des Überlebens wurde, wo und wie
sie an Nahrungsmittel kamen, verwandelte sich das Heer in
eine große Zerstörungsmaschine. Mochten die Ersten, die
ein Dorf plünderten, noch allerhand Brauchbares
zurücklassen, so fand doch jede Gruppe, die danach kam,
immer weniger vor, und wenn auch mit Gewalt und Folter
bei den Bauern nichts mehr zu holen war, nahm die Wut
überhand. Die Bauern, ihre Frauen, Kinder und Knechte
wurden erschlagen, ihre Höfe in Brand gesetzt. Dass die
Soldaten damit sich selbst schadeten, wenn sie einige
Wochen später erneut durch die verwüstete Gegend
marschierten, spielte dabei keine Rolle.
Was bei der Armee auf dem Marsch immer wieder vorkam,
war bei Söldnerverbänden wie denen Ernst von Mansfelds
die Regel; sie stehen für den dritten Versorgungstyp. Da
diese Söldner ständig den Auftraggeber wechselten, gab es
für sie keinen wirklichen Unterschied zwischen Feindes- und
Freundesland. Längere Einquartierungen kamen nicht vor,
da sie nur für den Einsatz und nicht für die Präsenz in einem
bestimmten Raum besoldet wurden. Es gab für die Söldner
also keinen Grund, die Bevölkerung zu schonen. Ihre Art der
Kriegführung folgte den Grundsätzen der
Verwüstungsstrategie, selbst wenn dabei keine strategische
Devise zugrunde lag. [6] Während der ersten Phase des
Krieges gehörten die Mansfeld’schen Reiter zu den am
meisten gefürchteten Söldnern. Wo sie auftauchten,
verbreiteten sie Angst und Schrecken. Sie hinterließen eine
Spur der Verwüstung, und dies hatte nicht einmal den
Zweck, dem Gegner einen politischen Willen aufzuzwingen,
sondern war schlichtweg das typische Verhalten dieser
Söldner. Es gab aber auch Heerführer, von denen die
Verwüstung eines Landes in strategischer Absicht eingesetzt
wurde, beispielsweise Gustav Adolf, der das bis dahin vom
Krieg noch kaum berührte Bayern systematisch verwüsten
ließ [7] – sei es aus Rache für die vorherige Plünderung der
protestantischen Gebiete, sei es, weil der Schwedenkönig
damit Kurfürst Maximilian in die Knie zwingen wollte. War
Maximilian erst einmal ausgeschaltet, glaubte Gustav Adolf
mit dem Kaiser leichtes Spiel zu haben – was sich als
Fehlrechnung erweisen sollte.
Die schlimmsten Folgen hatte aber die Bildung von
Marodeurshaufen, die plündernd und sengend durchs Land
zogen. Das war der vierte Versorgungstyp. Die Marodeure
glichen mehr großen Räuberbanden als einem
Truppenverband. Grimmelshausen berichtet in dem Kapitel
«Von dem Orden der Merode-Brüder» seines Simplicissimus:
«Wenn ein Reiter sein Pferd oder ein Musketier seine
Gesundheit verliert oder wenn ihm seine Frau oder sein Kind
krank wird und zurückbleiben will, so hat man schon
anderthalb Merode-Brüder – ein Völkchen, das sich am
ehesten mit den Zigeunern vergleichen lässt, weil es nach
eigenem Belieben vor oder hinter oder neben der Armee
oder mittendrin herumstreicht, und das diesen auch in Sitten
und Gebräuchen ähnelt.» [8] Grimmelshausen wollte die
Marodeure gegen die Soldaten absetzen, aber er wusste
durchaus, dass auch sie ein Produkt des Krieges waren:
«Denn sie gleichen den Drohnen in den Bienenkörben, die,
wenn sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr arbeiten
und keinen Honig mehr machen, sondern nur noch fressen
können.» [9] Diese als «Marode-Brüder» oder «Schnapp-
Hahnen» bezeichneten Banden trugen die Verheerungen des
Krieges in alle Gebiete Deutschlands und beschränkten sich
im Unterschied zu den Streifscharen, die den Durchzug
eines Heeres begleiteten, nicht auf einen spezifischen
Kriegsschauplatz.
Das hatte Folgen für den Grad der Verwüstungen, die der
Krieg hinterließ: Wo die Schröpfung der Landbevölkerung
auf das Gebiet begrenzt blieb, in dem für einen Sommer und
Herbst «das Kriegstheater aufgeschlagen» worden war, bot
sich die Möglichkeit zur Erholung der bäuerlichen
Wirtschaft im darauffolgenden Jahr – wenn denn der Krieg
nicht erneut in diesem Gebiet stattfand. Die Bauern hatten
nämlich die Gewohnheit, ihr Vieh in die Wälder zu treiben
und auch Frauen und Kinder dort zu verstecken, sobald sich
die Nachricht von heranziehenden Soldatentrupps
verbreitete. Das im Wald verborgene Vieh war nach Abzug
der Soldaten die Grundlage für die Wiederaufnahme der
bäuerlichen Wirtschaft.
Mit den Marodeursbanden entwickelte sich der bereits
erwähnte Kleinkrieg zwischen Soldateska und
Landbevölkerung. Nachdem die großen Schlachten in der
Mitte des Krieges keine Entscheidung gebracht hatten und
das Kriegsgeschehen mehr und mehr zerfaserte, griff das
Marodeurswesen um sich. Die intensive Kriegsgewalt, wie
sie bei Belagerungen und Feldschlachten anzutreffen war,
verschwand zwar nicht völlig aus dem Kriegsgeschehen,
aber sie wurde durch eine diffuse Gewalt überlagert, die
dem Krieg seine desaströse Wirkung verlieh. Wer nur die
von der Waffentechnik abhängige Intensität der
Kriegsgewalt im Auge hat, wie Ergang, Steinberg und
Wehler, um auf dieser Grundlage die mittel- und
langfristigen Folgen des Krieges abzuschätzen, hat das für
den Dreißigjährigen Krieg Typische übersehen: die lange
Dauer der diffusen Gewalt. Viel stärker als die großen
Schlachten, die keine Entscheidung im Ringen um Macht
und Einfluss gebracht haben, hat sie den Krieg in das
kollektive Gedächtnis der Deutschen eingeschrieben.
Das ist im Übrigen einer der Aspekte, die den
Dreißigjährigen Krieg im Europa des 17. Jahrhunderts mit
einigen Kriegen unserer Gegenwart an der Peripherie
Europas verbinden. Diese Kriege werden nicht nach den
Vorgaben der von Clausewitz so bezeichneten
«Niederwerfungsstrategie» [10] geführt und kulminieren
demzufolge auch nicht in großen Entscheidungsschlachten,
die auf den Abschluss eines Friedensvertrags hoffen lassen.
Eher folgten sie einer «Ermattungsstrategie», selbst wenn
sie vermutlich nicht so geplant worden sind. [11] Diese
Ermattungsstrategie ist häufig mit einer
Verwüstungsstrategie gepaart. Die Ermattung der
Kriegsparteien ist das, worauf der Krieg hinausläuft, wenn
keine Seite die Fähigkeit besitzt, den Gegner
niederzuwerfen und ihm den eigenen Willen aufzuzwingen.
Wenn die Kriegsparteien es in einer solchen Situation nicht
schaffen, den Krieg zu beenden, dauert er an, bis alle
Beteiligten so entkräftet sind, dass der Krieg aus purer
Erschöpfung, gleichsam «von selbst», zu Ende geht. In
mancher Hinsicht war das auch 1648 der Fall.
Der Dreißigjährige Krieg und wir
Der Dreißigjährige Krieg war das große Trauma der
Deutschen, aber er ist es nicht mehr. Das mag auch der
Grund dafür sein, dass in den letzten Jahrzehnten keine
umfassende Darstellung dieses Krieges mehr geschrieben
worden ist. Zugespitzt kann man sagen, dass die letzte große
Darstellung die von Cicely Veronica Wedgwood ist, und sie
stammt aus dem Jahre 1938. Was zumal nach dem Zweiten
Weltkrieg in Deutschland veröffentlicht wurde, waren
entweder Analysen des Krieges, die voraussetzten, dass man
mit seinem Verlauf gut vertraut war, oder aber Einzelstudien
zu speziellen Fragen und Aspekten. Der Dreißigjährige Krieg
ist zu einem Thema im Normalbetrieb der Wissenschaft
geworden. Das kann als ein zuverlässiger Indikator für die
Enttraumatisierung eines Themas beziehungsweise
Abschnitts der Geschichte angesehen werden. Andererseits
zeigt das Fehlen von Gesamtdarstellungen oder auch das
Ausweichen auf Biographien prägender Gestalten wie
Wallenstein oder Gustav Adolf, dass eine ausgeprägte
Zurückhaltung besteht, sich auf dieses Terrain zu begeben.
Symptomatisch dafür könnte sein, dass der Verfasser dieses
Buches von seiner akademischen Profession her
Politikwissenschaftler ist – und eben nicht Historiker.
Es gibt zwei Gründe, warum der Dreißigjährige Krieg
gerade aus politikwissenschaftlicher Perspektive ein
wichtiger und für gegenwärtige Fragen hochgradig
aufschlussreicher Abschnitt der deutschen und europäischen
Geschichte ist, und zumindest einer dieser Gründe hat nichts
mit der vordem so dominanten Traumabearbeitung zu tun:
Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Dreißigjährige
Krieg als Paradigma und Analysefolie für einige Kriege der
Gegenwart und vor allem die der Zukunft dienen kann. Diese
Frage geht aus von der These, dass die Ära der klassischen
Staatenkriege, der «Westfälischen Kriege», definitiv zu Ende
gegangen ist, dass damit entgegen einer zumal in
Deutschland verbreiteten Vorstellung der Krieg jedoch nicht
verschwunden, sondern in veränderter Gestalt
wiederaufgetaucht ist. Aber welche Gestalt ist das, und wie
lassen sich diese Kriege analytisch fassen, um der Politik
Handreichungen für deren Vermeidung oder Beendigung zu
geben? Die Vermutung, die neuen Kriege besäßen
strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Dreißigjährigen Krieg,
also dem großen Krieg vor Installierung der Westfälischen
Ordnung, ist in jüngster Zeit immer wieder geäußert
worden, aber um darauf eine Antwort geben zu können,
muss dieser Krieg zunächst einmal sorgfältig beschrieben
werden: im Hinblick auf die Motivlagen der beteiligten
Mächte, auf seine strukturellen Faktoren, seinen Verlauf,
den Kriegseintritt immer neuer Mächte, die den Krieg nicht
«ausbrennen» ließen, und schließlich die Faktoren seiner
Beendigung. Das ist eine komplexe Aufgabe, die nur in einer
umfangreichen Darstellung zu bewältigen ist. Diese
Darstellung, in der erzählende und analytische Teile
einander abwechseln, ist die Grundlage für das
Schlusskapitel des Buches, das die Frage behandelt, ob und
inwiefern wir aus der Beschäftigung mit dem
Dreißigjährigen Krieg lernen können, um die politischen
Herausforderungen unserer Gegenwart besser zu
bewältigen.
Der zweite Grund, weshalb der Dreißigjährige Krieg
gerade aus politiktheoretischer Perspektive interessant ist,
besteht in dem gravierenden Defizit an strategischem
Denken in der politisch interessierten deutschen
Öffentlichkeit. Stark vereinfacht kann man vielleicht sagen,
dass die vorherrschende Reaktion auf politikstrategische
Herausforderungen hierzulande der Verweis auf juridische
Regelungen ist, zumeist solche des Völkerrechts, wobei
generell unterstellt wird, dass die Rahmenbedingungen nicht
nur für die Geltung, sondern auch für das Geltendmachen
des Rechts selbstverständlich gegeben seien und die
Rechtsdurchsetzung mit der Bewältigung der
Herausforderung identisch sei. Die Auseinandersetzung mit
dem Dreißigjährigen Krieg ist eine vorzügliche Übung zur
Desillusionierung solcher Erwartungen. In der Anfangsphase
des Krieges nämlich sind alle Parteien in der festen
Überzeugung in den Konflikt hineingegangen, das Recht auf
ihrer Seite zu haben, und dementsprechend haben sie den
eigenen Gewaltgebrauch als einen Akt der Rechtswahrung
und Rechtsdurchsetzung legitimiert. Das wird nachfolgend
im Einzelnen dargestellt. Die ersten Kriegsjahre zumindest
veranschaulichen auf erschreckende Weise die römische
Formel summum ius, summa iniuria, die den Umschlag von
Rechtsinsistenz in eine Anhäufung von Unrechtsakten auf
den Begriff bringt. Wer die Vorgeschichte und die ersten
Jahre des Krieges studiert, wird gegenüber der Fixierung auf
das Recht als Bewältigungsform politischer
Herausforderungen skeptisch werden und darüber
nachdenken, ob nicht strategische Kompromissbildung
sinnvoller ist als das dogmatische Insistieren auf rechtlichen
Bestimmungen. Diese Fragen werden implizit im ersten und
zweiten Kapitel des Buches behandelt.
Neben dem Reaktionsmodell des Rechtlichen steht
hierzulande das des Moralischen. Die Erörterung politischer
Herausforderungen im Horizont moralischer Normen und
Imperative ist vielfach an die Stelle strategischen Denkens
getreten. Das kann man sich leisten, solange nicht die
Gefahr droht, die aufgezeigten Werte und die aus ihnen
resultierenden Verpflichtungen durchsetzen zu müssen,
jedenfalls nicht außerhalb des eigenen Staatsgebiets. Sobald
die Moralkommunikation jedoch folgenreich wird, gerät sie
unter die Vorgaben strategischer Überlegungen, bei denen
die Kosten der Wertdurchsetzung gegen deren Risiken
abgewogen werden, und auch dieses Abwägen erweist sich
als ein weiterer Prozess der Desillusionierung. Über die
verhängnisvollen Folgen unbedingter Wertbindung lässt sich
anhand des Dreißigjährigen Krieges sehr viel lernen – unter
anderem auch, dass es ohne eine Abkehr davon zu keinem
Friedensschluss gekommen wäre. Die auf ihren Werten
insistierende Römische Kurie hat deswegen dem auf
Kompromissen beruhenden Friedensschluss von 1648 nicht
zugestimmt, sondern ihn verurteilt. Die Paradoxien
unbedingter Wertbindung lassen sich am Beispiel des
Dreißigjährigen Krieges sehr genau studieren.
Aber strategisches Denken lässt sich nicht dekretieren,
sondern will geübt sein. Ein Krieg, der sich über einen
Zeitraum von dreißig Jahren erstreckt hat, ist ein
vorzüglicher Übungsplatz für strategisches Denken. Das ist
der Grund, warum sich die nachfolgende Darstellung immer
wieder auf strategische Entscheidungen einlässt, indem sie
sowohl die Motive und Zielsetzungen als auch deren
unbeabsichtigte Effekte beschreibt – von Fragen der
Fortsetzung oder Beendigung der Krieges über solche der
Eröffnung neuer Kriegsschauplätze beziehungsweise
Schließung bestehender und der Planung von Feldzügen,
insbesondere zur Zeit Tillys, Wallensteins und Gustav Adolfs,
mit der Alternative einer «Verselbständigung» des Krieges,
bei der jegliche Strategie von den Erfordernissen der
Logistik aufgezehrt wird, bis hin zu den taktischen
Dispositionen bei der Führung von Schlachten. Mit diesen
Fragen beschäftigen sich die Kapitel zwei bis sieben. Sie
sind – auch – eine Übung in strategischem Denken und eine
Betrachtung von Erfolg und Scheitern.
1. Kapitel
«Ihr kennt nicht die Folgen eures Tuns»:
Anfänge und Vorgeschichten

Fenstersturz in Prag
Am Vormittag des 23. Mai 1618 drängte eine beständig
wachsende Men schenmenge durch das Zentrum von Prag;
sie zog vom Karolinum, wo sich die Vertreter der Stände
versammelt hatten, zum Hradschin, zur Burg, wo die
Statthalter des Kaisers residierten. Die kaiserlichen Beamten
sollten zur Rede gestellt und gefragt werden, weshalb sie die
Ständeversammlung des böhmischen Adels und der Städte
nun schon zum zweiten Mal hatten verbieten lassen und wer
für den, wie die Ständevertreter meinten, rüden Ton des
kaiserlichen Verbotsschreibens verantwortlich sei. [1]
Manche der in Richtung Burg Drängenden meinten, das
Schreiben sei überhaupt nicht in Wien, sondern in Prag
verfasst worden, und man glaubte aus ihm die Auffassung
einiger Standesgenossen herauszuhören, die der
katholischen Gegenreformation eng verbunden waren, vor
allem die des Jaroslaw von Martinitz und des Wilhelm
Slawata. Auch machten in der Menge Gerüchte die Runde,
denen zufolge die kaiserlichen Statthalter einen Anschlag
auf die Ständeversammlung planten, um ein «absolutes
Dominat» der Habsburger in Böhmen durchzusetzen.
Dagegen wollte man sich wehren.
An der Spitze des Zuges marschierten Joachim Andreas
von Schlick, der Führer des böhmischen Adels, ein
Lutheraner, der bislang eher auf eine zurückhaltende und
vorsichtige Politik gegenüber dem habsburgischen
Kaiserhaus gesetzt hatte, und Heinrich Matthias von Thurn,
ein Calvinist, der seit langem für entschiedenen Widerstand
gegen die Eingriffe der kaiserlichen Beamten in die Rechte
des böhmischen Adels eintrat. Die unterschiedlichen
Einstellungen der beiden protestantischen Konfessionen, der
Lutheraner und der Calvinisten, gegenüber dem
Landesherrn spielten auch in Böhmen eine Rolle. Nun
allerdings marschierten die beiden gemeinsam. Die
kaiserlichen Beamten hatten es zu weit getrieben. Das einte
Lutheraner und Reformierte und verband selbst so
gegensätzliche Charaktere wie den gemäßigten Schlick und
den Heißsporn Thurn. [2]
Der Konflikt, der an diesem Vormittag offen ausbrach,
betraf die ständischen Rechte. Es handelte sich um einen
Verfassungskonflikt, der mit der unterschiedlichen
Interpretation von Verträgen und Vereinbarungen
zusammenhing. Gleichzeitig betraf er aber auch die freie
Religionsausübung in Böhmen, also das Recht der
Menschen, sich den eigenen Vorstellungen gemäß um ihr
Seelenheil zu sorgen. Das Dokument, auf das sich die Stände
als Hüter der Freiheit und Sicherheit Böhmens beriefen, war
der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. aus dem Juli 1609. In
ihm wurden die Protestanten – im Text als «Utraquisten»
bezeichnet – den Katholiken gleichgestellt, was auf die
organisatorische Eigenständigkeit ihrer Kirche hinauslief
und bedeutete, dass sie ungehindert Kirchen- und
Schulgebäude errichten durften. Zudem erlaubte ihnen der
Majestätsbrief, aus ihrer Mitte «Defensoren» zu wählen, die
als Verteidiger ihrer Rechte auftraten. [3] Matthias, seit 1611
Rudolfs Nachfolger als böhmischer König, hatte diese
Privilegien bestätigt, und auch Erzherzog Ferdinand, der ein
Jahr zuvor neu gewählte böhmische König, hatte
ausdrücklich zugesagt, dass er die den Böhmen im
Majestätsbrief zugesicherten religiösen Freiheiten
uneingeschränkt anerkenne. Darauf hatte die dem neuen
König huldigende Ständeversammlung – die Huldigung war
«der herrschaftsstiftende Akt am Anfang einer
Regierung» [4] – Wert gelegt.
Dafür gab es aus ihrer Sicht gute Gründe, und einer davon
war, dass Ferdinand in der Steiermark eine rigorose Politik
der Rekatholisierung betrieben hatte. Einige befürchteten,
er werde auch in Böhmen auf diese Weise vorgehen. Dass es
unter den Adligen des Landes eine kleine Gruppe gab, die
nichts sehnsüchtiger erwartete, als gemeinsam mit dem
Landesherrn der Gegenreformation zum Sieg zu verhelfen,
war allgemein bekannt. Jaroslaw von Martinitz etwa, einer
der Statthalter des Kaisers in Prag, spielte dabei eine
wichtige Rolle. Der von ihm erteilte Erlass, wer von den
Untertanen seiner Besitzungen nicht zur katholischen
Beichte und Kommunion gehe, müsse 50 Taler Strafe zahlen,
richtete sich eindeutig gegen die Protestanten und verletzte
die im Majestätsbrief jedem Bürger und Bauern zugesicherte
Religionsfreiheit. [5] Die allgemeine Unruhe wurde noch
dadurch gesteigert, dass die weitgehend protestantische
Altstadt von Prag einen Rat erhalten hatte, der zu mehr als
der Hälfte aus Katholiken bestand. [6] Generell ließ sich
beobachten, dass bei der Ämtervergabe in der
landesherrschaftlichen Administration entschiedene
Anhänger der Gegenreformation bevorzugt wurden. Das sich
ausbreitende Misstrauen gegenüber dem Landesherrn und
den von ihm eingesetzten Beamten kam also nicht von
ungefähr. Aber es war bislang eher diffus geblieben. Am
frühen Vormittag des 23. Mai 1618 wurde es zum Antrieb für
eine politische Aktion.

Der unmittelbare Anlass für die erste Einberufung der


böhmischen Stände im März 1618 waren die
Auseinandersetzungen um protestantische Kirchenbauten in
Braunau und Klostergrab gewesen. Lutheraner hatten in
Braunau auf dem Land des dortigen Benediktinerklosters
eine Kirche errichtet, die der Abt des Klosters unter Verweis
auf seine Besitzrechte wieder schließen ließ. Die
kaiserlichen Statthalter in Prag unterstützten das, indem sie
die Braunauer, die gegen die Anordnung des Abts
protestierten, in einem Schreiben anwiesen, den
Kirchenschlüssel im Kloster abzuliefern. Als einige von ihnen
daraufhin nach Wien reisten, um sich bei Kaiser Matthias
unter Verweis auf die im Majestätsbrief zugesicherten
Rechte zu beschweren, wurden sie kurzerhand in Arrest
genommen. In Klostergrab wiederum hatte der Prager
Erzbischof die auf seinem Grund stehende evangelische
Kirche einfach abreißen lassen und evangelische
Gottesdienste verboten. Letzteres war fraglos ein Verstoß
gegen den Majestätsbrief. Am 11. März 1618 hatte die
Ständeversammlung dann ein Schreiben an den Kaiser
aufgesetzt, in dem dieser aufgefordert wurde, die Braunau
und Klostergrab betreffenden Beschwerden der
Bürgerschaft zur Kenntnis zu nehmen und die Rechte der
Böhmen zu respektieren. In der kaiserlichen Antwort vom
21. März wurde die Ständeversammlung daraufhin für
ungesetzlich erklärt, und die Magistrate der böhmischen
Städte wurden angewiesen, keine Abordnungen dorthin zu
entsenden. Das Vorgehen der Stände wurde «als Anlaß zu
Aufruhr und Zwietracht verurteilt», den «Anstiftern ein
Strafverfahren angekündigt». [7]
Die Reaktion aus Wien schweißte die unterschiedlichen
Gruppen des böhmischen Adels und der Bürgerschaft fürs
Erste zusammen. Die einen fühlten sich von Erzherzog
Ferdinand betrogen, der den Majestätsbrief ja ausdrücklich
bestätigt hatte, die anderen argwöhnten, bei dieser Antwort
aus Wien hätten die Prager Statthalter die Feder geführt
und weder Kaiser Matthias noch Erzherzog Ferdinand
wüssten, worum es gehe. Sie täuschten sich, denn «der
wirkliche Verfasser des kaiserlichen Schreibens war […] der
Kardinal Klesl, der es diesmal für angezeigt hielt, eine
energische Sprache zu führen und, wie er sich brieflich
gegen einige Vertrauenspersonen ausdrückte, es für
zweckmäßig erachtete, daß der Kaiser nicht schleichend
‹wie ein Fuchs›, sondern gewaltsam ‹wie ein Löwe›
auftrete». [8] Dass Melchior Klesl, der eher auf Ausgleich und
Kompromiss bedachte Direktor des Geheimen Rates in
Wien, [9] in dieser Frage Kompromisslosigkeit und Schärfe
den Vorzug gab, ist ein weiteres Indiz dafür, wie verhärtet
die Fronten inzwischen waren. Klesl, Sohn eines Bäckers
und evangelisch getauft, hatte durch die Protektion der
Jesuiten in Kirche und Universität Karriere gemacht und war
von seiner inneren Überzeugung her sicherlich ein
«kompromissloser Reformkatholik»; [10] aber er war auch ein
geschickter Politiker, der in großen Zusammenhängen
dachte und auf lange Sicht plante. Es war eigentlich nicht
seine Art, Dinge übers Knie zu brechen. Wenn Klesl geglaubt
hatte, auf diese Weise die Böhmen einschüchtern zu können,
so hatte er sich jedenfalls getäuscht. Am 21. Mai trafen sich
die Stände im Prager Karolinum erneut, um über die
kaiserliche Antwort zu beraten und auf sie zu reagieren.
Kaum war die Versammlung am 21. Mai eröffnet, wurde
ihr im Auftrag der Statthalter ein neuer Erlass des Kaisers
vorgelegt, der, wenn auch in verbindlicherem Ton, ihr
Zusammentreten untersagte und die Versammelten
aufforderte, unverzüglich auseinanderzugehen. Damit war in
Prag eingetreten, was am Anfang einer jeden europäischen
Revolution stand – vom Abfall der Niederlande über die
beiden englischen Revolutionen bis zur Französischen
Revolution von 1789: Das Zusammenwirken von
Landesherrschaft und Ständeversammlung hatte sich nach
einer längeren Periode atmosphärischer Störungen und
gehäufter Missverständnisse in einen antagonistischen
Konflikt verwandelt, dessen gewaltsame Austragung nur
noch durch das demütige Nachgeben einer Seite hätte
vermieden werden können. Die große Mehrheit der
böhmischen Ständevertreter war dazu nicht bereit. Ihr Zorn
richtete sich gegen die kaiserlichen Statthalter in der Burg:
Man wollte von ihnen wissen, ob sie das
Versammlungsverbot gebilligt oder gar dazu geraten hatten.
Um sie zur Rede zu stellen, zog man am besagten Morgen
des 23. Mai los. Auf dem Weg zur kaiserlichen Burg
schlossen sich dem Zug immer mehr Personen an;
schließlich war es eine große Menschenmenge, die sich
Zutritt zum Hradschin verschaffte, und die Burgwache sah
angesichts dieser Überzahl keine Möglichkeit, sie am
Betreten der Burg zu hindern. Wäre nur eine Delegation der
im Karolinum Versammelten in die Burg gekommen, so hätte
man sie hier leicht festsetzen und dann die Burgtore
schließen können. Dass eine führungslose Menge danach in
der Lage gewesen wäre, den Hradschin zu stürmen, darf
bezweifelt werden. So aber überrumpelte man die
Statthalter mitsamt der Burgwache und bekam das Heft des
Handelns in die Hand.
In der Burg angekommen, begaben sich die
Ständevertreter zunächst in den Landtagssaal, wo die von
den Defensoren verfasste Antwort auf das kaiserliche Dekret
verlesen wurde. Man verständigte sich darauf, diesen Text
den Statthaltern vorzutragen. Also ging es vom Landtagssaal
weiter in deren Sitzungszimmer, wo sich vier von ihnen
aufhielten: der Oberstburggraf Adam von Sternberg, dessen
Schwiegersohn Jaroslaw von Martinitz, der
Oberstlandrichter Wilhelm Slawata sowie der Grandprior
des Malteserordens Diepold von Lobkowitz; bei ihnen befand
sich noch der Sekretär Philipp Fabricius. Zdenko von
Lobkowitz, der Großkanzler des Königreichs Böhmen, fehlte,
da er sich zu Amtsgeschäften in Wien aufhielt.
«Unangemeldet, gar keck und mit großer Importunitet», also
Frechheit oder Rücksichtslosigkeit, seien sie
hereingekommen, schrieb Martinitz später in seinem Bericht
über die Ereignisse, «daß gemeldete Canzlei fast allein von
denen Herren- und Ritterstandspersonen ganz voll gewesen,
die Bürger aber meistenteils draußen vor der Tür, welche
deshalben auch ganz offen bleiben müssen, gestanden». [11]
Martinitz hält genau fest, wer bei dem Aufruhr welche Rolle
spielte: Es war vor allem der Hochadel, der sich gegen den
Kaiser stellte. Nach einem kurzen Wortgeplänkel verlas Paul
von Rziczan die Antwort der Stände auf das
Versammlungsverbot: Auch auf die Gefahr hin, «Leib und
Leben, Ehre und Gut» zu verlieren, habe man sich
miteinander verbunden, um der Exekution des Dekrets zu
widerstehen. Man wisse, dass dieses Schreiben auf
Veranlassung einiger Feinde der freien Religionsausübung in
Böhmen verfasst worden sei, und wolle deswegen von den
Anwesenden darüber Auskunft, «ob sie, oder etliche von
ihnen, von gemeltem [besagtem] Schreiben gewußt, dazu
geraten oder dasselbig approbiert hätten» [12].
Der Oberstburggraf verweigerte auf diese fordernde Frage
zunächst jede Auskunft; man habe sich durch Eid zur
Geheimhaltung aller Verhandlungen verpflichtet. Wenn die
Herren wissen wollten, wer dem Kaiser zu diesem Schreiben
geraten habe, so müssten sie sich an den Kaiser selbst
wenden. Einzelne aus der Gruppe der Ständevertreter riefen
dazwischen, man wisse ja ohnehin, dass Martinitz und
Slawata bei der Antwort ihre Finger im Spiel gehabt hätten,
und werde sie dafür bestrafen. Sie hätten das Gemeinwohl
geschädigt. Graf Thurn wiederholte daraufhin die Frage, wer
der Verfasser des kaiserlichen Dekrets sei und welchen
Anteil die Statthalter daran hätten. Vom Auftreten der
Eindringlinge eingeschüchtert und wohl auch unter dem
Eindruck ihrer Waffen, erklärte der Oberstburggraf, nur
unter äußerem Zwang verletze er das Dienstgeheimnis, und
versicherte, dass das Schreiben nicht in Prag entworfen
worden sei. Doch die Situation war inzwischen zu
aufgeheizt, als dass mit dieser Auskunft die Gemüter hätten
beruhigt werden können. Adam von Sternberg und Diepold
von Lobkowitz wurden aus dem Saal herausgedrängt,
während sich einige Ständevertreter der Herren Slawata
und Martinitz bemächtigten, sie zu den weit geöffneten
Fenstern zerrten und in den 17 Meter tiefen Schlossgraben
warfen. Und weil sie schon dabei waren, warfen sie den
Sekretär Fabricius noch hinterher. Das Ganze spielte sich
zwischen neun und zehn Uhr ab. Aus den Vertretern der
Stände waren politische Rebellen geworden.

Es dürfte sich bei dem Fenstersturz keineswegs um eine


spontane, aus Wortwechsel und Handgemenge entstandene
Aktion gehandelt haben. Er scheint vielmehr, zumindest in
seinen Grundzügen, geplant und vorbereitet gewesen zu
sein – von der Konzentration auf Martinitz und Slawata bis
zu dem Umstand, dass man gegen die beiden keine Waffen
gebrauchte, sie nicht mit dem Degen niederstieß oder
Pistolen auf sie abfeuerte, sondern «defenestrierte». Damit
wiederholte man einen Vorgang, der sich ziemlich genau
zweihundert Jahre vorher ebenfalls in Prag abgespielt hatte:
Am 30. Juli 1419 waren Anhänger des vier Jahre zuvor auf
dem Konstanzer Konzil verbrannten Theologen Jan Hus in
das Rathaus der Neustadt eingedrungen, um dort inhaftierte
Glaubensgenossen zu befreien. Im Zuge dieser
Befreiungsaktion hatten sie den Bürgermeister, mehrere
Ratsherren und Richter sowie einige Gemeindeälteste,
insgesamt zehn Personen, aus dem Fenster geworfen, die
dann im Hof von einer aufgebrachten Menge mit Hiebwaffen
totgeschlagen wurden. Dieser erste Prager Fenstersturz
steht für den Anfang der Hussitenkriege, in denen sich die
Böhmen gegen die Ritterheere des Kaisers militärisch
behauptet hatten; zuletzt trotzten sie ihren Widersachern
eine Reihe religionspolitischer Zugeständnisse ab. [13] Man
stellte sich am 23. Mai 1618 also in eine politische Tradition,
vollzog gewissermaßen ein spezifisch böhmisches
Aufstandsritual und ging davon aus, dass der danach zu
erwartende Krieg für die Aufständischen ähnlich erfolgreich
verlaufen werde wie die früheren Hussitenkriege.
Es scheint aber nicht nur das mit der Wiederholungstat
verbundene Erfolgsversprechen gewesen sein, das Graf
Thurn und seine Anhänger dazu veranlasste, die beiden
Statthalter samt Sekretär aus dem Fenster zu werfen; die
Wiederholungsinszenierung dürfte auch dazu gedient haben,
die Bedenken eines Großteils der Ständevertreter, was einen
Mord an den kaiserlichen Statthaltern anlangt, zu
schmälern. Bis zum 23. Mai nämlich waren Thurn und seine
auf offene Konfrontation mit dem Haus Habsburg setzenden
Anhänger immer wieder auf den Widerstand der Moderaten
unter den Ständevertretern gestoßen, zumeist Lutheraner,
die zwar ihre Rechte verteidigen, es aber nicht zum offenen
Bruch mit den Habsburgern kommen lassen wollten. Thurn
und seine Anhängerschaft hingegen wollten den Bruch, und
dazu brauchten sie eine Tat, deren Symbolkraft so groß war,
dass keine Seite mehr hinter sie zurückkonnte. Zugleich
musste sie so angelegt sein, dass sie von den Moderaten
mitvollzogen werden konnte. Was lag da näher als die
Reinszenierung des ersten Prager Fenstersturzes?
Matthäus Merians Theatrum Europaeum, das über die großen Ereignisse in der
Politik und auf den Schlachtfeldern berichtete, enthielt zahlreiche Kupferstiche.
Die von Merian ins Bild gesetzte Szene des Prager Fenstersturzes ist übersichtlich
angelegt: Der Großteil der Personen, die in die Prager Burg eingedrungen sind,
befindet sich außerhalb des Raumes, in dem die «Defenestration» stattfindet; von
links stürmt eine Gruppe Bewaffneter herein; in einem angrenzenden Raum wird
beratschlagt. Das eigentliche Geschehen wird durch Dreiergruppen bestimmt, je
zwei Rebellen, die einen der drei Männer ergriffen haben, die sie sogleich aus dem
Fenster stürzen werden: die kaiserlichen Statthalter Martinitz und Slawata sowie
den Sekretär Fabricius.

Man hatte sich jedoch mit dem ersten Prager Fenstersturz


von 1419 nicht besonders gründlich beschäftigt, sonst hätte
man damit gerechnet, dass ein Sturz aus größerer Höhe
nicht zwangsläufig mit dem Tod endet. Damals hatte man
Leute bereitgehalten, die den durch den Sturz Verletzten
den Garaus machten. Darauf hatte man bei der
Reinszenierung verzichtet, sei es, weil man zusätzliche
Personen ins Vertrauen hätte ziehen müssen und so das
Risiko einer vorzeitigen Aufdeckung des Komplotts erhöht
hätte, sei es, weil man offenes Blutvergießen scheute und
darauf setzte, dass die bei einem Sturz aus solcher Höhe
zugezogenen Verletzungen zum Tode führen würden. Doch
genau das trat nicht ein: Alle drei «Defenestrierten»
überlebten. Sie schlugen nicht auf hartem Steinpflaster auf,
sondern landeten auf einem großen Abfallhaufen, wie er in
Burggräben allenthalben zu finden war; offenbar hatten
auch die weiten Mäntel die Fallgeschwindigkeit gebremst,
und die drei rutschten eher an der abgeschrägten
Burgmauer hinunter, als dass sie in freiem Fall stürzten.
Jedenfalls verletzte sich nur Slawata so schwer, dass er aus
eigener Kraft kaum gehen konnte.
Als die Rebellen an den Fenstern der Burg bemerkten,
dass die drei überlebt hatten, feuerten sie ihre Pistolen auf
sie ab, trafen aber nicht. Martinitz gelang noch in der Nacht
die Flucht aus Prag, von wo aus er sich nach Regensburg
und München begab, um über den ungeheuerlichen Vorfall
zu berichten. Auch der Sekretär Fabricius konnte
entkommen; er reiste nach Wien, wo er dem Kaiser die erste
Nachricht von den Ereignissen in Prag übermittelte. Fünf
Jahre später wurde ihm der treffliche Adelstitel «von
Hohenfall» verliehen. Slawata wurde von seiner
herbeigelaufenen Dienerschaft in das Haus des Zdenko von
Lobkowitz gebracht, seinem gerade in Wien weilenden
Kollegen aus dem Statthalterkollegium. Als Thurns Leute
anrückten, um ihn aus dem Lobkowitz’schen Anwesen
herauszuholen, trat ihnen Polyxena von Lobkowitz entgegen
und sorgte dafür, dass sich Thurn und seine Leute wieder
zurückzogen. In diesem Zurückweichen zeigte sich die
Halbherzigkeit und Inkonsequenz der Prager
Aufständischen. Polyxena von Lobkowitz hatte in der Zeit
davor als «Muse der Rekatholisierung» in Böhmen gewirkt;
[14] wirklich entschlossene Aufständische hätten sich durch
sie nicht bremsen lassen. Dass sie vor Polyxena
zurückwichen, ließ von Beginn an Zweifel aufkommen, ob
dieser Aufstand erfolgreich sein würde.
Der Anfang des Dreißigjährigen Krieges war von einer
Paradoxie geprägt: Man scheute vor Blutvergießen zurück
und setzte doch (was man indes nicht wissen konnte) einen
Krieg in Gang, der zu einem der größten Blutvergießen der
Geschichte werden sollte. Der von einer mutigen und
entschlossenen Frau gerettete Slawata blieb bis zu seiner
Genesung in deren Haus; danach verließ auch er heimlich
Prag, um angesichts der eskalierenden Lage nicht erneut in
Gefahr zu kommen.

Der Prager Fenstersturz wurde unmittelbar danach bereits


von beiden Seiten propagandistisch ausgebeutet: von den
protestantischen Aufständischen als Anknüpfung an die
Hussitenkriege und den heroischen Widerstand der Böhmen
gegen die fremden Eindringlinge, worauf man mit der
Reinszenierung des ersten Prager Fenstersturzes ja
hingearbeitet hatte; von Seiten der katholischen
Landesherrschaft, indem man das Überleben der
«Defenestrierten» auf das Eingreifen der Jungfrau Maria
zurückführte, die ihren Sturz gebremst habe. Die
propagandistische Absicht war im letzteren Fall klar: Wie die
Gottesmutter den dreien beigestanden und sie gerettet habe,
so werde sie auch den für die katholische Sache Kämpfenden
in dem bevorstehenden Krieg beistehen. Diese Zuversicht
beseelte das ligistische Heer tatsächlich; sie ging auf die
Wundererzählung von der Rettung der Defenestrierten
zurück und zog sich wie ein roter Faden durch das erste
Jahrzehnt des Krieges. Bis zu Tillys Niederlage gegen die
Schweden bei Breitenfeld galten die der Jungfrau Maria
gewidmeten Fahnen und Standarten des ligistischen Heeres
als Garanten dafür, dass man den Sieg davontragen werde
und dass, wenn der Sieg denn das Leben kostete, die
Gottesmutter den im Kampf Gefallenen beim Jüngsten
Gericht als Fürsprecherin zur Seite stehen werde. Maria
wurde so zum Siegeszeichen der Katholischen.
Die Behauptung, die beiden Statthalter und ihr Sekretär
seien durch das Eingreifen der Heiligen Jungfrau gerettet
worden, findet sich erstmals in dem von Martinitz
angefertigten Bericht über den Fenstersturz: Als Erster sei
er selbst mit dem Kopf voran aus dem Fenster geworfen
worden und habe in diesem Augenblick gerufen: «Jesu – fili
Dei, miserere mei, Mater Dei, memento mei – Jesus, Sohn
Gottes, erbarme dich meiner, Mutter Gottes, gedenke
meiner!» Dieser Ausruf habe ihn gerettet: «Als er [Martinitz]
aber allzeit oft nacheinander die heiligsten Namen ‹Jesu-
Maria› stark ausgeruft, hat ihn solcher erschröckliche Wurf
und Fall, aus sonderbarer, durch vornehmste unser lieben
Frauen Vorbitte erlangten Gnade und Barmherzigkeit
Gottes, nicht allein am Leben nichts, sondern auch an der
Gesundheit wenig geschadet.» [15] Gottesfürchtige Leute
hätten gesehen, so Martinitz weiter, wie «die allerseeligste
und lobenswürdigste Jungfrau Maria, Mutter Gottes, als
seine [Martinitz] vortreffliche Patronin erschienen [sei],
welche ihn mit ihrem ausgebreiteten und unterlegten Mantel
in dem Fall gleichsam aufgehalten, desto sanfter zur Erden
mählich fallen lassen und also von gewissem Tod beim Leben
und Gesundheit gnädiglich zu erhalten geholfen hat». [16]
Im Vergleich zur protestantischen Anknüpfung an die
Hussitenkriege war das zweifellos die stärkere Erzählung. In
ihrem großen Werk über den Dreißigjährigen Krieg, halb
historische Darstellung, halb historischer Roman, hat die
Schriftstellerin Ricarda Huch die Folgen dieser
Wundererzählung ausführlich dargestellt: Einem
geschlossenen Reisewagen entsteigen in Regensburg zwei in
dicke Mäntel gehüllte Männer und begeben sich eilends zum
Kollegium der Jesuiten. Dort angelangt, offenbart sich einer
der beiden dem Rektor des Kollegs als Jaroslaw von
Martinitz und berichtet von dem, was ihm in Prag
widerfahren ist. «Indem er laut die benedeite Jungfrau lobte,
kniete der Rektor vor Martinitz nieder; er müsse durchaus
demjenigen Verehrung erweisen, sagte er, den die Heilige
Jungfrau so sichtbarlich beschützt habe.» [17] Von all dem
müsse der Bischof erfahren, und umgehend begab er sich
mit Martinitz zu dessen Amtssitz. Dort musste Martinitz
erneut berichten. «‹Was für ein herrliches Wunder›, rief der
Bischof, und der Rektor fügte mit funkelnden Augen hinzu,
da alles so wohl abgegangen sei, müsse man frohlocken, daß
die Unkatholischen einmal ihre Tücke und mehr als
herodische Grausamkeit gründlich offenbart hätten. Nun
müsse doch jedermann und auch der Kaiser einsehen, daß
Moderation da nicht am Platze wäre, sondern daß Disteln
und Dornen nur mit Feuer könnten ausgerottet werden.» [18]
Die Radikalen beider Seiten spielten sich in die Hände,
und durch dieses Zusammenspiel wurden die politisch
Gemäßigten mehr und mehr ausgeschaltet. In Böhmen
waren das die Lutheraner, die auf eine Übereinkunft mit
dem Hause Habsburg gesetzt hatten, und in Wien war es
Kardinal Klesl, der auch nach den Prager Ereignissen an
einer Politik des Ausgleichs festhalten wollte. Die Erzählung
vom wunderbaren Eingreifen der Gottesmutter stand nicht
zuletzt auch für eine Politik der Konfrontation und wurde
zum Einspruch gegen all diejenigen, die auf
kompromissorientierte Verhandlungen mit den Böhmen
setzten: Die Gottesmutter selbst wollte, dass mit der
Rückgewinnung Böhmens für den Katholizismus ernst
gemacht wurde.
Anlässe und Ursachen
Mit dem Prager Fenstersturz begann der Dreißigjährige
Krieg – auch wenn im Mai 1618 keiner der Beteiligten eine
Vorstellung davon hatte, wie lange dieser Krieg dauern und
wie viel Leid und Unglück er über die Menschen bringen
würde. Die aufständischen Böhmen orientierten sich außer
an den Hussitenkriegen ihrer Vorfahren am Beispiel der
Niederlande, die sich in einem langewährenden Krieg
erfolgreich gegen das übermächtige Spanien behauptet
hatten. [1] In Wien dagegen setzte man darauf, dass man den
Aufstand des böhmischen Adels – denn um mehr handelte es
sich zunächst ja nicht – schnell niederwerfen könne. Nur zu
gut wusste man um die Zerstrittenheit der Böhmen, um die
Gegensätze zwischen Tschechen und Deutschen,
Lutheranern und Calvinisten, hohem und niederem Adel,
städtischem Bürgertum und bäuerlichen Schichten, und ob
sich die Markgrafschaften Mähren, Nieder- und Oberlausitz
sowie das Herzogtum Schlesien den Prager Aufständischen
anschließen würden, war noch völlig offen. [2] Im Augenblick
jedenfalls waren die Böhmen auf sich allein gestellt, und
einige kaiserliche Berater in Wien betrachteten den
Aufstand als eine gute Gelegenheit, die seit den
Hussitenkriegen gemachten Konzessionen zurückzunehmen,
vor allem die im Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. gewährten
Privilegien, und im Zuge einer entschiedenen
Rekatholisierungspolitik ein straffes landesherrschaftliches
Regiment in Böhmen durchzusetzen. Aus ihrer Sicht bot der
Prager Fenstersturz die Chance für eine Politik, die von
einigen schon vor langem entworfen worden, aber stets an
der Zögerlichkeit der Kaiser Rudolf und Matthias gescheitert
war.
Matthias war, als der Prager Aufstand begann, schwer
krank, und sein Tod war absehbar. Mit seinem
voraussichtlichen Nachfolger Ferdinand, der bereits
böhmischer König war, würde man eine entschlossenere
Politik betreiben können. So jedenfalls dachten diejenigen,
die mit Klesls Kurs des Verhandelns und Ausgleichens
zutiefst unzufrieden waren und jetzt die «Ära der Schwäche»
beenden wollten. In der Frage, wie es in Böhmen
weitergehen solle, standen sich zwei Parteien gegenüber,
die in den zurückliegenden zehn Jahren bereits im Reich auf
Konfrontationskurs gegangen waren. Hatte es bislang jedoch
immer wieder Möglichkeiten des Sich-Arrangierens, des
Hinausschiebens und der Formelkompromisse gegeben, so
war das in der böhmischen Angelegenheit kaum noch der
Fall. Der Fenstersturz hatte eine Entwicklung in Gang
gesetzt, die von den Radikalen auf beiden Seiten als
unumkehrbar betrachtet wurde. Nicht das Ereignis selbst
führte zum Krieg, sondern eine bestimmte Interpretation
dieses Ereignisses und seine politische Verbindlichmachung.
War der Prager Fenstersturz somit die Ursache des
Dreißigjährigen Krieges? Oder war er doch nur der Anlass,
den seit langem schwelenden Konflikt in einen offenen Krieg
zu überführen, wozu auch jeder andere Anlass hätte dienen
können? War der große Krieg in Mitteleuropa unvermeidlich,
weil sich zwischen den Parteien so viel Konfliktstoff
angesammelt hatte, dass er mit politischen Mitteln nicht
mehr zu entschärfen war? Oder hätte er bei einem anderen
Verlauf des zwischen Landesherrn und Ständevertretung
ausgetragenen böhmischen Machtkampfs vermieden werden
können? Ob der Funkenflug, der die mitteleuropäischen
Spannungen explodieren ließ, vermeidbar oder
unvermeidbar war, ob er von einigen aus Leichtsinn oder
mutwillig und im Bewusstsein der möglichen Folgen erzeugt
wurde – das ist eine Frage, zu deren Beantwortung immer
wieder zwischen Anlass und Ursache unterschieden worden
ist. [3]

Die geschichts- wie politiktheoretisch elementare und doch


so überaus heikle Unterscheidung von Anlass und Ursache
geht auf den griechischen Historiker Thukydides zurück,
dessen Werk auch in anderer Hinsicht für die Analyse des
Dreißigjährigen Krieges aufschlussreich ist. Thukydides hat
die aus einer Abfolge verschiedener Kriege bestehende
Epoche der athenisch-spartanischen Konfrontation in den
letzten Jahrzehnten des 5. vorchristlichen Jahrhunderts zu
einem einzigen Krieg, dem «Peloponnesischen Krieg»,
zusammengefasst; seine Darstellung wurde daher zunächst
auch unter dem Titel Xyngraphe, «Zusammenschreibung»,
überliefert. [4] Die Historiographie des großen Krieges im
17. Jahrhundert hat sich an dieser thukydideischen Vorgabe
orientiert, als sie die durch Waffenstillstände und
Friedensschlüsse voneinander getrennten Kriege zwischen
1618 und 1648 in Mitteleuropa ebenfalls zu einem einzigen
zusammenhängenden Krieg, dem Dreißigjährigen Krieg,
«zusammenschrieb». [5] Thukydides ging es bei dieser
«Zusammenschreibung» darum, die außerordentliche
Ausdehnung des Krieges und damit seine paradigmatische
Bedeutung gegenüber allen anderen Kriegen
herauszustellen: Der von Homer beschriebene Trojanische
Krieg hatte zehn Jahre gedauert, die von Herodot
behandelten Perserkriege hatten sich über zwanzig Jahre
hingezogen, aber der Krieg zwischen Athen und Sparta hatte
sich über nahezu dreißig Jahre erstreckt. [6] Allein durch
seine Dauer war er der Krieg aller Kriege, und wer die in
ihm ausgetragenen Konflikte, ihre Ursachen und ihre Folgen
betrachtete, drang zum Kern des Politischen vor. Die
«Zusammenschreibung» der einzelnen Kriege zu einem
einzigen Krieg war also die Voraussetzung dafür, dass dieser
Krieg einen paradigmatischen Charakter erhielt, durch den
er alle anderen Kriege in den Schatten stellte. «Wer […] das
Gewesene klar erkennen will», so Thukydides am Ende
seiner Vorrede über die Bedeutung des Peleponnesischen
Krieges, «und damit auch das Künftige, das wieder einmal,
nach der menschlichen Natur, gleich oder ähnlich sein wird,
der mag sie [die Darstellung dieses Krieges] für nützlich
halten, und das soll mir genug sein: zum dauernden Besitz,
nicht als Prunkstück fürs einmalige Hören ist sie verfaßt.» [7]
Dieser Wertung konnten sich die meisten Autoren, die seit
Mitte des 17. Jahrhunderts das Erlebte und Gehörte zu
begreifen versuchten, durchaus anschließen: Der große
Krieg in Mitteleuropa war der schrecklichste, der je
stattgefunden hatte, und da dieses Urteil der allgemeinen
Wahrnehmung entsprach, hat sich die Bezeichnung
«Dreißigjähriger Krieg» schnell und umstandslos
durchgesetzt. So heißt es im Widmungstraktat zum sechsten
Band von Matthäus Merians Theatrum Europaeum, der sich
mit der Schlussphase des Krieges beschäftigt, dass die
Zeitzeugen dieses Ereignisses «auf dem Theatro oder
Schawplatz deß Teutschlands in praxi, zumalen als viel die
Materiam von Krieg und Frieden belanget, so viel gelernet
und erfahren haben, als hiebevor und für Alters keiner in
etlichen seculis thun können». [8] Dieser Krieg übertreffe
durch seine Länge und die Härte der Auseinandersetzung
alle früheren historischen Beispiele, aus ihm sei ein Wissen
über Krieg und Frieden zu gewinnen, das allem anderen
Wissen so weit überlegen sei, dass sich daraus sogar ein
privilegierter Standort gegenüber dem der Antike ergebe. [9]
Das wollte etwas heißen in einer Zeit, da die Ereignisse und
Konstellationen der Antike noch allgemein als unerreichtes
Vorbild wie Wahrzeichen galten. Ein solcher Krieg konnte
angesichts seiner zeitlichen Dauer und räumlichen
Ausdehnung nicht die Folge eines einzigen Ereignisses sein,
schon gar nicht die Folge eines so randständigen Vorgangs,
wie es der Prager Fenstersturz nun einmal war. Die
Historiker mussten die untergründigen Entwicklungen
herausfinden, die zu diesem Krieg geführt hatten, und dabei
mussten sie zeigen, dass alle Ereignisse, die sich in der
Vorgeschichte des Krieges zugetragen hatten, in dessen
Richtung wiesen.
«Den wahrsten Grund [für die Entstehung des Krieges]
freilich», schrieb Thukydides, «zugleich den
meistbeschwiegensten, sehe ich im Wachstum Athens, das
die erschreckten Spartaner zum Kriege zwang.» [10] Auf
diesen stummen Zwang der Entwicklungsprozesse kam er
immer wieder zu sprechen: dass die Athener nicht länger
Athener hätten bleiben können, wenn sie den Spartanern die
Furcht vor dem ständigen und selbst im Frieden
anhaltenden Machtzuwachs Athens hätten nehmen wollen.
Die Spartaner dachten bei ihren Entscheidungen mehrfach
darüber nach, ob sie sich Athen mit Krieg entgegenstellen
sollten und ob dieser Krieg wirklich unvermeidlich war. [11]
Während sie in Thukydides’ Darstellung zögerten und vor
dem Krieg zurückschreckten, weil sie dessen furchtbare
Folgen zu kennen glaubten, gab es in Athen eine Reihe von
Politikern, die im Prinzip an der Erhaltung des Friedens
interessiert waren, zumal Athen davon ja in besonderem
Maße profitierte – aber, da auch sie davon überzeugt waren,
der Krieg werde zwangsläufig kommen, eine Politik
betrieben, die von der Gegenseite als aggressiv verstanden
werden musste: «Denn sie meinten, der Peloponnesische
Krieg werde auch so kommen, und wollten Kerkyra nicht den
Korinthern überlassen mit seiner großen Flotte, sondern die
beiden [Kerkyra und Korinth] sollten sich möglichst
aneinander reiben, damit im Notfall, wenn Athen Krieg
führen müsse, Korinth und die anderen Seemächte schon
geschwächt wären.» [12] Unter solchen Umständen waren
alle Ereignisse, die den Krieg auslösten, bloße Anlässe; die
eigentliche Ursache des Krieges lag in einer weithin
selbstläufigen Entwicklung, jenseits der Reichweite der
politischen Akteure: im steten Wachstum des auf Handel und
Wandel angelegten Athen und in der sozioökonomischen
Stagnation des Militärstaats Sparta. [13]
Wer in seiner Darstellung des Dreißigjährigen Krieges der
thukydideischen Unterscheidung zwischen Anlass und
Ursache folgte, musste historisch weit zurückgreifen, um
jene Entwicklungen auszumachen, die zwangsläufig zum
Krieg führten, ihn unvermeidlich machten. Friedrich Schiller
etwa geht in seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
ein ganzes Jahrhundert zurück, wenn er mit den Anfängen
der Reformation in Sachsen beginnt, sich danach mit dem
Augsburger Religionsfrieden beschäftigt, um anschließend
auf das Zerwürfnis von Lutheranern und Calvinisten
einzugehen. Erst dann kommt er zu den genuin politischen
Konflikten im Vorfeld des Krieges, der Reichsexekution
gegen Donauwörth, der Bildung der protestantischen Union
und der katholischen Liga, dem Erbfolgestreit von Jülich-
Kleve-Berg, bevor er sich schließlich den Konstellationen in
Böhmen und dem Prager Fenstersturz zuwendet. Die
aufgeführten politischen Konflikte, die auch anders hätten
ausgehen können und deswegen eher dem weiten Feld der
Kontingenz zugehören als dem der Determination, sind für
Schiller nur ein Ausdruck des großen Streits zwischen den
Konfessionen. Bei einer solchen Herleitung konnten die
Ereignisse in Prag bloß der Anlass des Krieges, nicht aber
dessen Ursache sein. Diese lag, wenn man bis zur
Reformation zurückging, wesentlich in der
Glaubensspaltung. Schiller war jedoch nicht der Auffassung,
die Glaubensspaltung habe zwangsläufig zum Krieg führen
müssen; er beschreibt sie vielmehr als die Grundierung von
Konstellationen, in denen machtpolitische Konflikte eine
deutlich größere Eskalationsdynamik und damit
Kriegswahrscheinlichkeit entfalteten, als das üblicherweise
der Fall gewesen wäre. Wer unter solchen Bedingungen den
Krieg vermeiden wollte, musste eine sehr viel aktivere und
weitsichtigere Friedenspolitik betreiben als sonst.
Seit Anfang des 17. Jahrhunderts, so Schillers implizite
Kriegsursachenanalyse, kam es im Reich zu einer
eskalatorischen Abfolge von Konflikten, die einen großen
Krieg immer wahrscheinlicher machten und eine Reihe von
Problemen derart miteinander verknoteten, dass, sobald der
Krieg einmal begonnen hatte, nicht mehr mit einem
schnellen Ende zu rechnen war. Die Ätiologie des Krieges
bei Schiller ist zugleich die Erklärung seiner langen Dauer
und des Verstreichens so vieler Gelegenheiten, bei denen es
für rationale Akteure nahegelegen hätte, den Krieg zu
beenden. Der Prager Fenstersturz ist aus der Sicht Schillers
nur der Schlussakt einer Entwicklung, die in den
vorangegangenen Jahrzehnten immer schneller auf den
Krieg zulief und im Frühjahr und Sommer 1618 von
niemandem mehr zu stoppen war. Diesem von Schiller
vorgegebenen Modell der Kriegsursachenanalyse sind die
meisten Historiker gefolgt, zumal Moriz Ritter, dessen
zwischen 1889 und 1908 veröffentlichte dreibändige
Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und
des Dreißigjährigen Krieges bis heute das an Detailreichtum
der Darstellung unübertroffene Standardwerk dieser Epoche
darstellt. Fast alle Reihenwerke der Zeit behandeln
Reformation, Gegenreformation und Dreißigjährigen Krieg
in einem Zusammenhang – und das heißt in der Regel: in
einem Band. [14] Der Dreißigjährige Krieg ist bei diesem
Ansatz fest an die Geschichte des 16. Jahrhunderts
rückgebunden: Das 16. Jahrhundert ist die Vorgeschichte
des Krieges, und im Krieg kulminiert alles, was sich im
16. Jahrhundert entwickelt hat.

Ricarda Huch ist einen anderen Weg gegangen, als sie in


ihrem mehr als tausendseitigen Werk Der Dreißigjährige
Krieg, zunächst in drei Bänden zwischen 1912 und 1914
unter dem Titel Der große Krieg in Deutschland
veröffentlicht, die von den Historikern in die Zeit vor 1618
eingezeichneten Hauptlinien des Konflikts in eine Fülle von
Episoden aufgelöst hat; diese stehen unvermittelt
nebeneinander, und erst im Nachhinein erschließt sich, wie
sie zusammenhängen und was sie mit dem Krieg zu tun
haben. Huch schleicht sich gleichsam über diverse
Erzählstränge in das Geschehen ein: Der Krieg entsteht fast
unmerklich aus einer Reihe von politischen Projekten,
Machenschaften und Intrigen, mit denen die fraglichen
Akteure beschäftigt sind. Es gibt in Huchs Erzählung keine
Zäsur, die für das Ende des Friedens und den Beginn des
Krieges steht. Der Krieg schleicht sich ein, nicht überall,
sondern nur in begrenzten Räumen, und man hat den
Eindruck, diese Kriege, die zunächst nicht mehr als eine
bewaffnete Fortsetzung der vorangegangenen
Machenschaften und Intrigen sind, könnten auch schnell
wieder beendet werden. An die Stelle der großen Erzählung
vom unversöhnlichen Gegensatz zwischen Protestanten und
Katholiken tritt bei Huch ein mosaikförmiges Bild vom
Wollen und Tun zahlloser Akteure, die auf ihren Vorteil
bedacht sind und ihre Position im verwirrenden Spiel um
Macht und Reichtum zu verbessern trachten. Der Übergang
vom Frieden zum Krieg ändert dieses Spiel nicht
grundsätzlich; eigentlich machen alle unter den
Bedingungen des Krieges so weiter, wie sie zuvor im Frieden
agiert haben. Mit einem Mal ist Krieg, und kaum einer hat
gemerkt, wie es dazu kam. Bei Schiller entsteht der Krieg,
weil einflussreiche Akteure ihn bewusst angesteuert haben,
nachdem ihnen die Konflikte der Zeit nicht mehr anders
lösbar schienen; bei Huch ist er die Folge dessen, dass sich
die politischen Akteure nicht entschiedener um die
Bewahrung des Friedens gekümmert, sondern den
Ereignissen ihren Lauf gelassen haben.
In Huchs Darstellung hätte die Unterscheidung von Anlass
und Ursache keinerlei Sinn. Es gibt für sie keine
beherrschenden Entwicklungen, die, wie ein großer Magnet,
die verwirrende Fülle der Episoden strukturieren und
ordnen. Demzufolge können Entscheidungen und Ereignisse
auch nicht zu bloßen Anlässen gegenüber den eigentlichen
Ursachen herabgestuft werden. Überall hat der Zufall seine
Hand im Spiel, und die Darstellung der Vorgeschichte des
Krieges wird zu einer großen Studie über Kontingenz. An die
Stelle der konfrontativen Gruppenbildung, auf der Schillers
Ätiologie des Krieges beruht, treten bei Huch die
persönlichen Dispositionen der kleinen und großen
Machthaber, ihre Ziele und Absichten, vor allem auch ihre
charakterlichen Eigenschaften, die vorsichtige
Zurückhaltung bei den einen und die hochfliegenden Pläne
bei den anderen. Sie alle wissen nicht, worauf ihr Tun und
Handeln hinausläuft – und sie machen sich auch keine
Gedanken darüber. Der Krieg ist nicht die Folge langfristiger
Entwicklungen, sondern das unbeabsichtigte Ergebnis eines
leichtfertigen Spiels. Selbstverständlich wäre er, folgt man
Huchs Darstellung, zu verhindern gewesen – wenn der eine
Herrscher länger gelebt hätte und der andere früher
gestorben wäre, wenn Laune und Mutwille hier und da zu
anderen Entschlüssen geführt hätten, wenn die Mutterliebe
im einen Fall geringer und die väterliche Anerkennung im
anderen Fall größer gewesen wäre. Wo solche Kontingenzen
das politische Feld beherrschen, ist jeder Anlass immer auch
eine Ursache, weil sich, wenn er ausgeblieben wäre, die
gesamte Abfolge des Geschehens verändert hätte.
Das ist eine Sichtweise, die sich in dieser Radikalität eher
in literarischen als in historiographischen Darstellungen des
Krieges findet – wobei hinzuzufügen ist, dass die Erzählerin
Ricarda Huch Historikerin war, eine der ersten Frauen, die
an einer Universität promoviert wurden, in diesem Fall in
Zürich, weil Frauen an deutschen Universitäten noch nicht
zum Studium zugelassen waren. Methodische Prinzipien und
der Imperativ narrativer Stringenz hindern den Historiker
daran, der Vorstellung einer völligen Kontingenz der
Ereignisse zu folgen – dass alles auch anders hätte kommen
können, wenn nur an einer einzigen Stelle eine andere
Entscheidung getroffen worden wäre. Das sind, wie die
Lektüre von Huchs Werk zeigt, «Hintergrundannahmen»,
und die Darstellung des Krieges kann sich nicht darin
erschöpfen, Kontingenzen zu beobachten und
herauszustellen, wie es denn so hätte gewesen sein sollen.
Das Wirrwarr der Episoden muss sich schließlich auch bei
Huch zu einem Mosaik formen, und das ist am ehesten
möglich, wenn sich die Darstellung auf einzelne Personen
konzentriert und deren Handeln ausleuchtet. In diesem Sinn
beruhen die Biographien zu den großen Gestalten des
Dreißigjährigen Krieges, die umfangreichen Werke vor allem
zu Wallenstein und Gustav Adolf, auf der Annahme einer
weitgehenden Zufallshaftigkeit des Geschehens, in das die
jeweilige Hauptfigur der Darstellung ordnend und
wegweisend eingreift. Solche Biographien sind von ihren
theoretisch-methodologischen Voraussetzungen her das
Gegenstück zu den Gesamtdarstellungen, in denen der
Dreißigjährige Krieg als eine zwangsläufige Folge der bis
weit ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Entwicklungen
erscheint. In den biographisch ausgerichteten Darstellungen
tritt die Anlass-Ursache-Unterscheidung zurück, und das
politische Geschehen wird zu einem offenen Feld, in das die
großen Akteure ihren Willen einschreiben – eine Sicht also,
bei der der Krieg aus einer bestimmten Verkettung von
Umständen und Zufällen entstand, denen ein kluger und
vorausschauender Akteur durchaus eine andere Richtung
hätte geben können.
Kaiser Rudolf II. hätte, wenn er ein anderer gewesen wäre,
eine solche Rolle spielen können. Wenn Rudolf, so der
Historiker Volker Press, angesichts der wachsenden
religionspolitischen Konflikte im Reich und der
Selbstlähmung der Reichsinstitutionen eine aktivere Politik
betrieben und dabei seine kaiserliche Rolle
konfessionsübergreifend verstanden hätte, orientiert etwa
an der Politik seines Vaters Maximilian II., dem
«eigentlichen Kaiser des Religionsfriedens», [15] dann wäre
es womöglich nicht zur Bildung der konfessionellen
Gruppierungen, der protestantischen Union und der
katholischen Liga, gekommen, und die eskalatorische
Konfliktdynamik, die von den Deterministen herausgestellt
wird, wäre gebremst, wenn nicht gestoppt worden. Aber
Rudolf war für eine solche Rolle völlig ungeeignet;
wochenlang verharrte er in grüblerischer Untätigkeit, ließ
niemanden zu sich, beschäftigte sich mit Astrolabien oder
alchemistischen Experimenten und widmete sich allerlei
Skurrilitäten; dann wieder reagierte er bei jeder Gelegenheit
mit Tobsuchtsanfällen und wütete gegen seine Umgebung.
Außerdem lag er in beständigem Streit mit seinen Brüdern,
namentlich mit Matthias, der ihn von der Macht zu
verdrängen suchte. Der «Bruderkampf im Hause Habsburg»,
der in Form einer schrittweisen Entmachtung Rudolfs durch
Matthias ausgetragen wurde, [16] hat zur Paralyse der
Reichsinstitutionen erheblich beigetragen. Von Rudolf
jedenfalls ist keine Initiative gekommen, die den Konflikt
moderiert oder entschärft hätte. Denkt man diesen Ansatz zu
Ende, so war es das Verhängnis Deutschlands, dass in der
politisch entscheidenden Phase vor dem großen Krieg eine
psychisch labile Person, ein von Depressionen und
Entschlusslosigkeit geplagter Mann an der Spitze des Reichs
stand, der mit seinen kaiserlichen Aufgaben hoffnungslos
überfordert war. [17]
Matthias, der seinem älteren Bruder Anfang des Jahres
1612 offiziell als Kaiser nachfolgte, nachdem er seit
längerem schon de facto als solcher agiert hatte, besaß zwar
einen stärkeren Machtwillen als Rudolf und war auch in
höherem Maße von seinen Fähigkeiten überzeugt, [18] aber
auch er unternahm keinen Versuch, die gelähmten
Reichsinstitutionen als Vermittlungs- und Schiedsinstanzen
wieder arbeitsfähig zu machen. Im Rückblick, der im
Unterschied zu den Zeitgenossen um den Fortgang der
Geschichte weiß und diese auf «verpasste Gelegenheiten»
hin absucht, sind die Regierungszeiten Rudolfs und
Matthias’ durch Stillstand und Zuwarten gekennzeichnet.
Aber konnte man in dem Jahrzehnt vor Kriegsausbruch
überhaupt erkennen, dass dringender Handlungsbedarf
bestand, wenn man den bewaffneten Zusammenstoß der
Konfessionen noch vermeiden wollte? Oder erschien es aus
zeitgenössischer Perspektive nicht viel sinnvoller, angesichts
der bestehenden Verhältnisse eine grundlegende Reform der
Reichsinstitutionen hintanzustellen, um die allenthalben
zutage tretenden konfessionellen Konflikte nicht noch weiter
anzuheizen? Der Blick des Historikers auf die Vorgeschichte
eines Krieges hat in der Regel etwas Besserwisserisches –
zum einen, weil er es tatsächlich besser weiß als die
handelnden Personen in ihrer Zeit, die eben nicht über das
Wissen des Historikers verfügen; zum anderen aber auch
deswegen, weil der Historiker häufig unterstellt, dass alles,
was er weiß, auch die Zeitgenossen hätten wissen können,
und als Beleg dafür führt er eine Reihe von Zitaten an, die
den Eindruck vermitteln, die Klügeren unter den
Zeitgenossen hätten tatsächlich gewusst, was der spätere
Historiker weiß. Welche Relevanz das jeweilige Wissen hat,
bleibt dabei freilich unterbelichtet.
Der Streit um das Marburger Land
zwischen den hessischen Landgrafen
«Ich befürchte sehr», schrieb Landgraf Moritz von Hessen-
Kassel am 23. März 1615 an den französischen König
Ludwig XIII., «daß die Staaten des Reichs, die jetzt so
grimmig miteinander im Streit liegen, einen
verhängnisvollen Brand entzünden, von dem nicht nur sie
selbst ergriffen werden […], sondern auch all jene Länder,
die in irgendeiner Weise mit Deutschland verbunden sind.
All dies wird zweifellos die gefährlichsten Folgen haben und
zum vollständigen Zusammenbruch und einer
unvermeidlichen Änderung des gegenwärtigen Zustandes
von Deutschland führen. Und davon werden vielleicht auch
einige andere Staaten betroffen sein.» [1] Drei Jahre vor den
Prager Ereignissen hat Moritz die künftige Entwicklung
recht präzise vorweggenommen, so jedenfalls könnte man
meinen. Man sollte darum annehmen, dass er selbst als
Herrscher eines mittelgroßen Landes einiges unternommen
hätte, um den «verhängnisvollen Brand» zu verhindern, von
dem er in dem Brief spricht. Getan hat er jedoch das genaue
Gegenteil: Die Landgrafschaft Hessen-Kassel war eines der
energischsten Mitglieder der protestantischen Union und
gehörte – im Unterschied zu den Reichsstädten, die sich
ebenfalls der Union angeschlossen hatten, aber auf eine
eher vorsichtige und zurückhaltende Politik drängten – zu
den entschiedenen Unterstützern der kurpfälzischen Politik,
die das Risiko einer bewaffneten Konfrontation mit der
katholischen Liga in Kauf nahm. Das mag damit zu tun
gehabt haben, dass sich Moritz als Reformierter der
Kurpfalz, die als politische Speerspitze des Calvinismus in
Deutschland galt, eng verbunden fühlte; ebenso aber dürfte
er von der Vorstellung geprägt gewesen sein, dass der Krieg
in Deutschland unvermeidlich sei und man deswegen auf ihn
vorbereitet sein sollte.
Landgraf Moritz verfolgte diese Politik des
Vorbereitetseins schon seit längerem; im Jahre 1600 bereits
hatte er eine 9000 Mann starke Söldnertruppe aufgestellt,
die zu unterhalten seinem nicht gerade reichen Land
durchaus schwerfiel. 1604 besetzte er unter Einsatz dieser
Söldner den größeren Teil des Marburger Landes und
überrumpelte damit seinen Cousin, den Landgrafen von
Hessen-Darmstadt, der in der Marburger Erbangelegenheit
auf einen Entscheid des kaiserlichen Hofes gesetzt hatte.
Seitdem musste Moritz damit rechnen, dass der Kaiser
gegen ihn entschied und eine Reichsexekution anordnete,
um diese Entscheidung durchzusetzen, was ihn umso fester
an die Kurpfalz und die kurpfälzisch dominierte Union band.
Außerdem suchte er Rückhalt bei Frankreich, zu dem bereits
sein Vater enge politische Kontakte gepflegt hatte. [2] Man
kann den Brief an Ludwig XIII. darum auch ganz anders
verstehen, nämlich als eine durch Anlehnung an Frankreich
erfolgte politisch-militärische Rückversicherung für den Fall,
dass der Kaiser gegen die Interessen des Landgrafen
entschied. Liest man den Brief im politischen Kontext, so
handelte es sich bei ihm weniger um die Warnung vor einem
großen Krieg in Deutschland als vielmehr um eine
Vorbereitung darauf: Der französische König – also eine
externe Macht – wird darauf hingewiesen, dass bestimmte
Entwicklungen im Reich auch seine Interessen berühren
könnten; er wird aufgefordert, die politischen Entwicklungen
genau zu beobachten und gegebenenfalls auf eine
militärische Intervention vorbereitet zu sein.
Der Streit um die Aufteilung der Landgrafschaft Hessen-
Marburg, der die Politik der Kasseler wie der Darmstädter
Linie der hessischen Landgrafen vor dem Dreißigjährigen
Krieg und während seines Verlaufs bestimmte, ist
paradigmatisch für die Konfliktlagen im Reich und die darin
regelmäßig zutage tretende Vermischung dynastischer
Interessen und konfessioneller Zugehörigkeiten, kühler
Interessenpolitik und religiöser Überzeugungen. Landgraf
Philipp der Großmütige, neben Kurfürst Friedrich dem
Weisen der wichtigste Unterstützer Luthers, hatte die
Landgrafschaft unter seinen vier Söhnen aufgeteilt: Wilhelm
erhielt Hessen-Kassel, Ludwig Hessen-Marburg, Georg
Hessen-Darmstadt und Philipp die Gegend um Rheinfels.
Nur zwei dieser Söhne, nämlich der Kasseler und der
Darmstädter, hatten selbst Nachkommen, während der
Rheinfelser 1583 und der Marburger 1604 kinderlos
starben. Ludwig von Hessen-Marburg hatte sein
Herrschaftsgebiet, das zwischen dem der Darmstädter und
dem der Kasseler Linie lag und deswegen für beide von
Interesse war, zu gleichen Teilen beiden Linien vermacht.
Der Erbschaftsstreit zwischen Moritz, der 1592 seinem
Vater Wilhelm gefolgt war, und Ludwig V. von Hessen-
Darmstadt, der 1596 die Nachfolge seines Vaters Georg
angetreten hatte, drehte sich um die Frage, ob «zu gleichen
Teilen» nach Linien oder nach Köpfen geteilt werden sollte:
Moritz, der einzige Sohn Wilhelms, bestand auf einer Teilung
nach Linien, während Ludwig, der Älteste von drei
Geschwistern, unter Verweis auf die Landesteilung seines
Großvaters Philipp auf einer Teilung nach Köpfen bestand;
dann hätte die Darmstädter Linie drei Viertel, die Kasseler
hingegen nur ein Viertel aus der Erbmasse des Marburger
Onkels erhalten.
Das Austrägalgericht, vor dem der Streit verhandelt
wurde, entschied auf eine Teilung nach Linien, woraufhin
Moritz die um Marburg gelegenen Gebiete mit seinen
Truppen umgehend okkupierte und Oberhessen mit Gießen
als Zentrum seinem Vetter Ludwig überließ. Der wiederum
erkannte das Urteil des Gerichts nicht an und rief den Kaiser
zu Hilfe. Am 11. Februar 1605 erging ein Erlass des Kaisers
mit dem Hinweis darauf, «daß Reichslehen nicht ohne
Zustimmung des Kaisers vermacht, geteilt und
schiedsrichterlichem Spruche unterworfen werden dürften»;
«die Akten über die Marburger Erbfolge [wurden]
eingefordert». [3] Das kaiserliche Eingreifen verschärfte den
Streit, denn während Moritz bei seiner Auffassung blieb, ihm
stehe die Hälfte der Erbschaft zu, erklärte Ludwig, der
Kasseler Cousin habe durch sein eigenmächtiges Vorgehen
den Erbanspruch verwirkt und das Erbe stehe nunmehr in
Gänze der Darmstädter Linie zu. Da Moritz jedoch mit Hilfe
seines Militärs vollendete Tatsachen geschaffen hatte, blieb
der Status quo zunächst bestehen. Erst mit Beginn des
Dreißigjährigen Krieges kam in die Marburger
Angelegenheit wieder Bewegung, und je nach Kriegsglück
war das umstrittene Gebiet einmal bei Kassel und dann
wieder bei Darmstadt. Beigelegt wurde der Streit im
Rahmen der Festlegungen des Westfälischen Friedens – im
Übrigen ganz so, wie das Austrägalgericht dies entschieden
hatte. [4]
Es ging in der Marburger Angelegenheit indes nicht nur
um die Zugehörigkeit von Territorien zu der einen oder der
anderen Landgrafschaft, sondern auch um
religionspolitische Fragen. In der Tradition Philipps des
Großmütigen, der im Marburger Religionsgespräch zwischen
Luther und Zwingli und ihren unterschiedlichen
Abendmahlsauffassungen zu vermitteln versucht hatte, war
Hessen in der Abendmahlskontroverse zwischen
Lutheranern und Calvinisten in allen vier Landgrafschaften
lange Zeit neutral geblieben. Das hatte sich mit Moritz’
Regierungsantritt in Hessen-Kassel geändert; der junge
Landgraf neigte der calvinistischen Abendmahlsauffassung
zu, begnügte sich aber zunächst damit, dieser Auffassung
nahestehende Theologen in die maßgeblichen Kirchenämter
zu berufen. Im Sommer 1605, nach der Besetzung des
Marburger Gebiets durch sein Militär, gab er die
zurückhaltende Linie auf und ordnete für das gesamte Land
eine Reihe konfessioneller Neuerungen an: Eine davon
besagte, «daß das Abendmahl nicht durch Reichung der
Hostie, sondern durch Brechung des Brotes gespendet
werden sollte», eine weitere, «daß das Verbot, Gott
abzubilden, als zweites Gesetz der zehn Gebote gelehrt und
demgemäß der Bilderschmuck aus den Kirchen entfernt
werden solle». [5] Auch wenn in den landgräflichen
Anordnungen nirgendwo ein Wechsel der Konfession vom
Luthertum zum Calvinismus angekündigt wurde, so konnte
Moritz doch davon ausgehen, dass die veränderte Austeilung
des Abendmahls, Erkennungszeichen für die
unterschiedlichen Auffassungen Luthers und Calvins, zu
einer allmählichen Verdrängung des Luthertums in der
Landgrafschaft Hessen-Kassel führen würde.
Diese Verordnungen waren freilich nur der Anfang, denn
nun forderte Moritz, der sich dabei auf die Position eines
«Bischofs» seines Herrschaftsgebiets berief, von den
Geistlichen seines Landes, dass sie sich den Vorgaben fügten
oder aber ihr Amt niederlegten und emigrierten; von seinen
Untertanen erwartete er, dass sie sich die Belehrung durch
die von ihm eingesetzten Geistlichen anhörten – «die
Annahme der wahren Lehre dürfe er zwar nicht erzwingen,
aber sie anzuhören könne er selbst den Juden befehlen». [6]
Dagegen regte sich Widerstand, den der Landgraf umgehend
brechen ließ: Pfarrer, die den landgräflichen Anordnungen
nicht folgen wollten, wurden entlassen; ebenso erging es
vier widerspenstigen Theologieprofessoren der hessischen
Landesuniversität in Marburg, und als dem ein Tumult der
Marburger Bürgerschaft folgte, wurden Truppen in der
Stadt einquartiert, die für Ruhe sorgten. Schließlich wurde
die Ritterschaft an der Werra dazu gebracht, in ihren
Patronatspfarreien nicht länger Geistliche mit lutherischer
Gesinnung zu dulden. [7] Die aus Marburg vertriebenen
Lutheraner gingen ins darmstädtische Gießen, wo die
bestehende Akademie im Jahre 1607 zur Universität erhoben
wurde. Die Theologische Fakultät dort war der Luther’schen
Abendmahlsauffassung wie überhaupt dessen Theologie
verpflichtet, und dementsprechend wurden die in der
Landgrafschaft Hessen-Darmstadt angestellten Pfarrer
künftig in Gießen ausgebildet.
Aber in demselben Maße, wie sich Moritz in seinem
Herrschaftsbereich mit Hilfe der Söldnereinheiten
durchzusetzen vermochte, machte er sich im Teilungsstreit
mit seinem Darmstädter Vetter politisch und rechtlich
verwundbar. Im Testament des verstorbenen Landgrafen von
Hessen-Marburg hieß es nämlich, dass das im Jahre 1530
von Philipp dem Großmütigen für seine Lande
angenommene «Augsburger Bekenntnis» unversehrt
bewahrt werden solle und dass Verletzungen des
Testaments – und darum handelte es sich bei Moritz’
Vorgehen zweifellos – den Verlust der Erbschaft zur Folge
hätten. Für den Fall, dass der Konflikt als Rechtsstreit
ausgetragen worden wäre, bei dem ein Reichsgericht das
letzte Wort gehabt hätte, hätte Moritz’ Wechsel zur
reformierten Abendmahlspraxis eine erhebliche Schwächung
seiner Erbansprüche bedeutet. Vermutlich war deshalb in
seinen Anordnungen nicht von einem Wechsel der
Konfession die Rede. Die Folge war jedenfalls, dass Hessen-
Kassel mehr an einer militärischen als an einer rechtlichen
Lösung des Erbschaftsstreits gelegen war, während Hessen-
Darmstadt in enger Anlehnung an Kursachsen eine
ausgesprochen kaisertreue Politik betrieb. [8]

Die beschriebene Konfrontation zwischen den beiden


Landgrafen ist beispielhaft für die Vorgeschichte und den
Verlauf des Krieges: Zunächst ging es um eine dynastische
Erbschaftsangelegenheit und einen daraus resultierenden
Konflikt, der im Rahmen der vorhandenen Institutionen auf
dem Rechtsweg gelöst werden konnte. Die Ordnung des
Reichs war darauf angelegt zu verhindern, dass solche
Konflikte zu einem Krieg eskalierten, aber die schiedlich-
friedliche Lösung funktionierte nur so lange, wie die an einer
Auseinandersetzung beteiligten Parteien von der Neutralität
der Entscheidungsinstanzen überzeugt waren und darauf
vertrauten, dass jede Seite ein faires Verfahren bekommen
würde. Das war jedoch mit Beginn der von den
Landesherren betriebenen Konfessionalisierung und
wachsenden Zweifeln an der Neutralität des Kaisers sowie
der Reichsinstitutionen immer weniger der Fall. [9] Das
Misstrauen gegenüber dem Kaiser und den Institutionen des
Reichs wurde noch verstärkt, wenn, wie im Fall von Hessen-
Kassel, ein Konfessionswechsel erfolgte, der zur Entstehung
einer Exilpartei führte, von der die Zulässigkeit des
Konfessionswechsels bestritten und die Legitimität des dafür
verantwortlichen Herrschers in Zweifel gezogen wurde. Das
war insbesondere bei einem Wechsel zum calvinistischen
Bekenntnis so, denn dieses war nicht in den Augsburger
Religionsfrieden eingeschlossen und stand deswegen auch
nicht unter dessen besonderem Schutz. Im Fall von Landgraf
Moritz kam noch hinzu, dass der de facto erfolgte
Konfessionswechsel seinen Erbanspruch auf Hessen-
Marburg deutlich geschwächt hatte.
Im Prinzip konnte Moritz also gar kein Interesse an einem
Verfahren haben, sondern musste darauf setzen, dass die
Reichsinstitutionen weiterhin blockiert blieben. Seine im
Brief an Ludwig XIII. ausgesprochene Warnung vor einem
drohenden Krieg im Reich, der auch die angrenzenden
Staaten in Mitleidenschaft ziehen werde, zielte darauf, die
politische Bindung an Frankreich zu erneuern, mit der sich
Moritz Rückhalt gegenüber seinem Darmstädter Vetter und
dem Kaiser verschaffen wollte. Das beim Luthertum
verbliebene Hessen-Darmstadt wiederum hatte wegen des
Streits um Hessen-Marburg ausgeprägtes Interesse an
einem starken Kaisertum, war dieses doch der Garant dafür,
dass es seine Ansprüche auf dem Rechtsweg geltend machen
konnte und diese nach der Entscheidung zu seinen Gunsten
qua Reichsexekution auch durchgesetzt würden. In
Verbindung mit der Paralyse der Reichsinstitutionen führte
die Konfessionalisierungspolitik der Landesherren dazu,
dass jeder Konfessionswechsel eines Landes die Gruppe der
bedingungslos am Frieden orientierten Fürsten verkleinerte.
Deswegen wurde die Gruppe derer, die auf Krieg setzten,
weil sie ihn für unvermeidlich hielten, nicht unbedingt
größer – aber sie erlangte immer größeren Einfluss.
War der Krieg wirklich «unvermeidlich»?
Das politische Dilemma des Reichs lässt sich auch an der
«Kompositionspolitik» des Kardinals Klesl aufzeigen, der die
kaiserliche Politik seit Anfang 1611 leitete und mit den
Folgen, die die Blockade der Reichsinstitutionen mit sich
brachte, bestens vertraut war. Mit dieser Politik versuchte
Klesl die unterschiedlichen Komponenten der
habsburgischen Herrschaft neu zu ordnen. Auf der einen
Seite setzte Klesl, wie an seiner Reaktion auf den Protest der
böhmischen Stände gegen die wiederholte Verletzung des
Majestätsbriefs ablesbar, [1] in den habsburgischen
Erblanden auf eine entschiedene Politik der
Konfessionalisierung, durch die er sicherstellen wollte, dass
das Haus Habsburg gegenüber den anderen Reichsfürsten
nicht ins machtpolitische Hintertreffen geriet; auf der
anderen Seite war Klesl sich aber durchaus darüber im
Klaren, dass die Reichsinstitutionen wieder funktionstüchtig
gemacht werden mussten, und sei es nur, um bei der
nächsten Kaiserwahl erneut einen Habsburger an die Spitze
des Reichs zu stellen. Zwar verfügte die katholisch-
habsburgische Seite mit den drei geistlichen
Kurfürstentümern Mainz, Köln und Trier sowie der an der
böhmischen Krone hängenden Kurstimme der Habsburger
selbst gegenüber den drei protestantischen Kurfürsten der
Pfalz, Sachsens und Brandenburgs über die Mehrheit im
Kurfürstenkollegium; aber Mehrheitsentscheidungen bei der
Kaiserwahl waren unüblich, und eine Kaiserwahl entlang der
konfessionellen Gegensätze hätte die innere Spaltung des
Reichs noch weiter vertieft. Da die böhmischen Stände
überwiegend protestantisch waren, musste bei einer
knappen Entscheidung obendrein mit deren Widerspruch,
wenn nicht Widerstand gerechnet werden. Das sprach für
eine entschiedene Rekatholisierung Böhmens, was wiederum
das Misstrauen der Protestanten im Reich gegenüber dem
Kaiser und seiner Politik geschürt hätte, und zwar bei
Lutheranern wie Calvinisten. In der Folge wäre die
protestantische Seite noch stärker darauf bedacht gewesen,
die Reichsinstitutionen zu blockieren, was Klesl ja gerade zu
verhindern suchte.
Klesl befand sich somit in einem klassischen Dilemma, das
er auflösen wollte, indem er die Politik in den
habsburgischen Erblanden von der im Reich entkoppelte.
Die Politik der Rekatholisierung in den Erblanden sollte mit
einem Ausgleich der konfessionellen Gegensätze im Reich
verbunden werden, um das gespaltene Reich mit Hilfe des
Reichstags wieder zusammenzufügen. Klesl war bewusst,
dass eine solche Neukomposition der Teile und Faktoren des
Reichs nur gelingen konnte, wenn er sich auf weitgehende
Konzessionen gegenüber den protestantischen
Administratoren ehemals geistlicher, inzwischen
säkularisierter Territorien einließ. Das aber hieß, dass der
Augsburger Religionsfrieden großzügig ausgelegt werden
musste. [2] Dies wiederum lehnten die Strikten unter den
Anhängern der Gegenreformation ab, während viele
Protestanten Klesl wegen der von ihm forcierten
Rekatholisierungspolitik in den Erblanden misstrauten und
den Verdacht hatten, er wolle sie in einen politischen
Hinterhalt locken. Klesls Problem war, dass er zu viele Bälle
gleichzeitig im Spiel halten musste und infolgedessen nicht
in der Lage war, Vertrauensverhältnisse aufzubauen, ohne
die seine Ausgleichs- und Kompositionspolitik keinen Erfolg
haben konnte. [3] So scheiterte der Regensburger Reichstag
von 1613, und als die Gesandten auseinandergingen, ohne
einen Reichstagsabschied beschlossen zu haben, war der
Reichstag als Institution lahmgelegt. [4] Damit waren auch
Klesls Anstrengungen zunächst einmal gescheitert. Aber
Klesl ließ sich durch solche Rückschläge nicht aus dem
Konzept bringen und suchte immer wieder nach
Gelegenheiten, doch noch zum Erfolg zu kommen.
In vielen Darstellungen der Vorgeschichte des Krieges
wird die Kompositionspolitik Klesls nur beiläufig dargestellt
und Klesl als ein Politiker behandelt, der allenfalls ein
Taktiker ohne Blick für strategische Konstellationen
gewesen sei. Deswegen, so der Tenor dieser Arbeiten, könne
es auch nicht überraschen, dass ihm zuletzt niemand mehr
vertraut habe. Letzteres mag durchaus der Fall gewesen
sein, und doch ist dieses Urteil über Klesl ungerecht. Er
hatte erkannt, dass die institutionelle Blockade des Reichs
durch eine umfassende Reform der Reichsverfassung nicht
zu lösen war. Zwar gab es ein verbreitetes Bewusstsein von
den strukturellen Problemen der Reichsverfassung, das
seinen Höhepunkt in der Debatte über die Frage fand, wo
der Ort der Souveränität im Reich sei – beim Kaiser, bei den
Kurfürsten oder gar bei den Reichsständen insgesamt –, [5]
aber gleichzeitig wollte keine Seite den ersten Schritt
machen, um einen größeren Reformprozess in Gang zu
setzen. Klesl vermied es, sich in einer Reform der
Reichsinstitutionen zu verhaken; vielmehr versuchte er,
unterhalb dessen Bewegung in die Verhältnisse zu bringen,
indem er die in der gelähmten Struktur des Reichs
festsitzenden Parteien neu gruppierte. Der Schlüssel zu
dieser Neugruppierung war die Trennung zwischen
Territorialstaat und Reich, um den politischen Akteuren auf
beiden Ebenen voneinander unabhängige Spielräume zu
verschaffen und auf diesem Wege Kompromisse zwischen
ihnen zu ermöglichen. Durch die Entkopplung von
Territorialstaat und Reich sollte die Politik der
Konfessionalisierung auf die Landesherrschaft begrenzt und
das Reich als überkonfessionelle Ebene wieder
funktionsfähig gemacht werden – das jedenfalls war die
leitende Idee. Klesl ist daran gescheitert, dass ihm diese
Trennung, die er als Aufgabe der operativen Politik und
nicht einer strukturellen Neuordnung des Reichs
behandelte, nicht gelang. Eine weitere Chance war dahin,
vom Weg einer zunehmenden Polarisierung abzubiegen.
Aber war der Krieg damit wirklich unvermeidlich?

Nicht nur das Versagen oder Scheitern von Politikern war


für die politisch gefährliche Lage im Reich verantwortlich,
sondern auch die Entstehung von Konstellationen, bei denen
der äußere Zwang schwand, im Reich über alle
konfessionellen Gegensätze hinweg zusammenzuarbeiten.
Einer der Gründe war der im November 1606 in Zsitva-Torok
geschlossene zwanzigjährige Waffenstillstand mit den
Türken, der 1615 vorzeitig für weitere zwanzig Jahre
verlängert wurde. Damit hatte der «äußere Feind» an
Bedeutung eingebüßt, der in der Vergangenheit immer
wieder zur Kooperation genötigt hatte. [6] Über Jahrzehnte
hatte die «Türkengefahr» den Kaiser davon abgehalten, sich
den inneren Problemen des Reichs und insbesondere dessen
konfessioneller Spaltung zu widmen; stattdessen hatte ihn
die Herausforderung durch das Osmanische Reich
gezwungen, ein ums andere Mal auf die Protestanten
zuzugehen, wenn er deren Zustimmung benötigte, um
Sondersteuern für die Finanzierung der Türkenkriege zu
erheben. Der Wegfall der «Türkengefahr» veränderte die
Lage im Reich von Grund auf; wahrscheinlich wäre die
Geschichte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts anders
verlaufen, wenn die Heere der Osmanen weiterhin in
Richtung Wien vorgestoßen wären. Die militärischen Kräfte
der Hohen Pforte waren während dieser Zeit im Südosten
ihres Reichs jedoch durch fortgesetzte Kriege gegen die
offensiv gewordenen Perser gebunden.
Die Folge war, dass die Habsburger bei der
Konsolidierung ihrer Herrschaft in den Erblanden weithin
freie Hand hatten, dass sie auf die Stände weniger Rücksicht
nehmen mussten als zuvor und deswegen auch in Böhmen
auf eine Politik setzen konnten, in der besänftigende
Konzessionen keinen Platz mehr hatten. Pointiert gesagt: Die
Deeskalation des einen Konflikts hat die Eskalation des
anderen Konflikts zu einem veritablen Krieg überhaupt erst
möglich gemacht. Bei fortbestehender «Türkengefahr» hätte
der Prager Fenstersturz keineswegs zum Bruch zwischen
den böhmischen Ständen und dem habsburgischen
Landesherrn führen müssen. Für sich genommen war der
Fenstersturz ein Ereignis, das man politisch hätte kleinreden
können, zumal ja auch niemand zu Tode gekommen war.
Doch das habsburgische Interesse, den politischen Eigensinn
der Stände zu brechen, um die eigenen
Handlungsspielräume zu vergrößern, ließ die am 23. Mai
1618 entstandene Lage als gute Gelegenheit erscheinen, in
Böhmen ein für alle Mal klare Verhältnisse zu schaffen. In
diesem Sinn war der Fenstersturz im Prager Hradschin
tatsächlich nur der Anlass, um ein politisches Projekt zu
verwirklichen, das seit einiger Zeit auf der habsburgischen
Agenda stand. Das hätte jedoch lediglich für einen zeitlich
begrenzten Feldzug gegen die Böhmen gesprochen, bei dem
sich dieser Krieg nicht mit den Spannungs- und
Spaltungslinien im Reich verbunden hätte. Gerade das hatte
Klesl mit seiner Politik der Separation und Komposition
verhindern wollen. Erst durch die Verbindung mit den
Problemen im Reich erhielten die Ereignisse in Prag die
Sprengkraft, die sie zum Auslöser eines sich dann über
dreißig Jahre hinziehenden Krieges werden ließen.
Der Wegfall der äußeren Bedrohung seitens der Türken
war jedoch nur das eine, was die Handlungsfähigkeit der
Habsburger erhöhte; das andere war die seit 1613 in Gang
gekommene Wiederannäherung zwischen der Wiener und
der Madrider Linie, aus der eine neue Geschlossenheit der
Casa d’Austria erwuchs. [7] Sorgte der Waffenstillstand mit
den Osmanen dafür, dass die Kräfte der Erblande nicht
länger an der ungarischen Südostgrenze gebunden waren,
so flossen dem Kaiserhaus in Wien durch den zwischen Juni
und Juli 1617 vertraglich festgehaltenen Ausgleich beider
Linien Ressourcen zu, ohne die es den böhmischen Feldzug
nicht hätte führen können. Der Oñate-Vertrag, wie der
Interessenausgleich nach dem spanischen Gesandten am
Wiener Hof, Don Iñigo Veléz de Guevara, Graf von Oñate,
genannt wurde, schloss den Kaiser an die große spanische
Geldpumpe an, die mit dem Silber aus der Neuen Welt
gespeist wurde. Ferdinand II., der seinem Vetter Matthias
Anfang 1619 als Kaiser folgte, besaß infolge der spanischen
Gelder sowie der Verfügung über kriegserprobte spanische
Truppen eine Handlungsfähigkeit wie keiner seiner
Amtsvorgänger in den Jahrzehnten zuvor. Auch hier kann
man sagen: Hätte Spanien um 1617 eine andere Politik
verfolgt, dann hätte der böhmische Konflikt einen anderen
Verlauf genommen.
Dabei hatte die Annäherung zwischen den beiden Linien
der Habsburger mit einer Auseinandersetzung begonnen, die
auch mit einem politischen Zerwürfnis hätte enden können:
Philipp III. von Spanien machte nämlich als Enkel Kaiser
Maximilians II. Erbrechte auf Ungarn und Böhmen geltend,
die nach Madrider Auffassung höher waren als die des vom
Wiener Erzhaus zum Erben bestimmten Ferdinand von
Steiermark, der «nur» ein Enkel von Ferdinand I. war.
Ferdinand hätte die Berechtigung dieses höherwertigen
Anspruchs unter Verweis auf das Wahlrecht der ungarischen
und böhmischen Stände bestreiten können, aber dann hätte
er sich auf eine weitere Stärkung der Stände in beiden
Ländern eingelassen, und das hätte im Widerspruch zu der
unter Matthias begonnenen Konsolidierungspolitik in den
habsburgischen Erblanden gestanden. [8] Ferdinand
entschloss sich deshalb, mit seinem spanischen Vetter
Verhandlungen aufzunehmen, die einen Interessenausgleich
der beiden zum Ziel hatten. Die Verhandlungen wurden von
Ferdinands Onkel Maximilian vorangetrieben. Erzherzog
Maximilian, selbst kinderlos und also ohne wesentliche
eigene Interessen in dieser Frage, besaß bei den deutschen
Reichsständen großes Ansehen, so dass man ihm zutrauen
konnte, die geistlichen Kurfürsten sowie Johann Georg von
Sachsen, den Kopf der lutheranischen Partei, für die
Kaiserwahl Ferdinands zu gewinnen. [9] Es war jedenfalls ein
geschickter Schachzug der Wiener Politik, neben den
ungarischen und böhmischen Erbansprüchen sogleich die
Kaiserwürde ins Spiel zu bringen, denn der Spanier Philipp
hätte nie und nimmer eine Chance gehabt, zum deutschen
Kaiser gewählt zu werden. Damit wäre den Habsburgern
eine seit mehr als anderthalb Jahrhunderten besetzte
Position verlorengegangen, und ohne die Kaiserwürde hätte,
wie sich bei den Verhandlungen schon bald zeigte, das
spanische Interesse an einer engen Verbindung mit der
Wiener Linie keine rechte Substanz mehr gehabt. Wien war
für Madrid nur interessant, weil und solange es über die
Kaiserwürde verfügte. [10] Insofern kann man wohl davon
ausgehen, dass die Erbansprüche Philipps auf Ungarn und
Böhmen nur aus verhandlungstaktischen Gründen ins Spiel
gebracht wurden und es in politikstrategischer Hinsicht um
ganz andere Ziele ging.
Das Porträt zeigt Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht, nicht nur als
gewählten Kaiser, sondern auch, verdeutlicht durch den Lorbeerkranz auf seinem
Haupt, als Sieger im Krieg. Für den Kriegskaiser Ferdinand stehen auch die
Waffen, Feldzeichen und Pauken, die das Porträt umrahmen. 1619 zum Kaiser
gewählt, waren die achtzehn Jahre seiner Regierungszeit wesentlich durch Kriege
gekennzeichnet, in denen es Ferdinand um die Festigung der habsburgischen
Macht in den Erblanden und im Reich sowie die Ausbreitung der katholischen
Gegenreformation in Deutschland ging.

Die zwischen dem spanischen Gesandten am Kaiserhof, Don


Balthasar de Zúñiga, dem Vorgänger Oñates, und Hans
Ulrich von Eggenberg, einem engen Vertrauten Ferdinands,
[11] geführten Verhandlungen liefen darauf hinaus, dass
Philipp auf seine ungarisch-böhmischen Erbansprüche
verzichtete und dafür mit den italienischen Fürstentümern
Piombino und Finale abgefunden wurde. Beides waren
Reichslehen, die seit 1598 beziehungsweise 1603 faktisch
bereits unter spanischer Herrschaft standen. Folgenreicher
als dieser Tausch war, dass Ferdinand Barmittel in Höhe von
einer Million Taler zugesagt wurden, für die er als
Gegenleistung die österreichischen Herrschafts- und
Hoheitsrechte im Elsass an Philipp abtreten sollte. Das war
der eigentliche Kern des Vertrags: Wien bekam die dringend
benötigten Finanzmittel, ohne die der Kaiser notorisch von
der Zustimmung der Stände in seinen Erblanden abhängig
war, und Madrid erhielt mit dem Elsass ein zentrales
Teilstück der «spanischen Gasse», die von Genua über die
Alpenpässe und den Rhein bis in die südlichen Niederlande
führte. Auf diese Verbindungslinie war man angewiesen, um
die in den Niederlanden stehenden Truppen im Fall eines
Wiederaufflammens des Krieges versorgen und verstärken
zu können. [12] Zwar dienten die spanischen Gelder
Ferdinand zunächst dazu, die zur Steiermark gehörige Stadt
Gradiška, die von venezianischen Truppen hart bedrängt
war, militärisch zu entsetzen, aber schon bald wurden die
Soldaten dort (zusammen mit spanischen Truppen aus
Flandern) gegen die rebellierenden Böhmen ins Feld
geführt, und das spanische Geld finanzierte (mit weiteren
Subsidien) den Krieg des Kaisers in Mitteleuropa. «Die
eindrucksvolle und sofortige Unterstützung Ferdinands
durch den König von Spanien [machte] den langen
Jahrzehnten des Mißtrauens und der Mißverständnisse ein
Ende, die die beiden Hauptzweige des Hauses Habsburg
voneinander geschieden hatten» – so das Resümee des
britischen Historikers Geoffrey Parker. [13]
Im Gefühl seiner neuen Handlungsmacht war Ferdinand
nicht bereit, sich auf Verhandlungen mit den Prager
Rebellen einzulassen. So wurde die bei einigen von ihnen
durchaus vorhandene Konzessionsbereitschaft nicht weiter
ausgetestet. Trotz der spanischen Hilfe war die neu
gewonnene Macht des Kaisers nicht groß genug, das
böhmische Heer ohne den militärischen Beistand Herzog
Maximilians von Bayern und der unter seiner Führung
stehenden Liga-Truppen schnell und vernichtend zu
schlagen. Im Gegenzug für die militärische Hilfe hatte der
Kaiser dem Bayernherzog aber Zugeständnisse machen
müssen, die einer schnellen Beendigung des Krieges
entgegenstanden. [14] Dabei ging es um die Übertragung der
Kurwürde von den pfälzischen Wittelsbachern auf die
bayerischen Wittelsbacher und die Einverleibung der
Oberpfalz in das Herzogtum Bayern. Außerdem nutzten die
Spanier die Chance, am Rhein zwecks Sicherung der
«spanischen Gasse» militärische Präsenz zu zeigen und sich
dadurch strategische Vorteile für die zu erwartende
Auseinandersetzung mit den nördlichen Niederlanden zu
verschaffen. [15] So hatte sich der Krieg in Böhmen mit der
spanischen Politik in den Niederlanden verbunden. Was sich
auf den ersten Blick wie ein regional begrenzter Aufstand
ausnahm, war von Beginn an ein tief in die europäischen
Konstellationen verstricktes Ereignis, und erst dadurch
wurde es zu dem Funken, der das Pulverfass entzündete.
Insofern war der Prager Fenstersturz mehr als ein bloßer
Anlass zum Krieg, der gegen jeden anderen Anlass
auszutauschen gewesen wäre.
Kalenderstreit und Reichsexekution
gegen Donauwörth
Wie stark die Polarisierung zwischen Protestanten und
Katholiken im Reich inzwischen war, zeigt der Streit um die
Annahme des gregorianischen Kalenders. Dieser brachte die
kalendarische und astronomische Zeit wieder zur Deckung,
indem er durch eine Datumsumstellung die im julianischen
Kalender pro Jahr fehlenden elf Minuten und zwölf
Sekunden ausglich. Im 16. Jahrhundert war seit der
Neuordnung des Kalenders durch Julius Caesar eine
Zeitverspätung von zehn Tagen entstanden, die sich bei der
Bestimmung der Fest- und Feiertage, aber auch im
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben West- und
Mitteleuropas zunehmend als Problem erwies. Am
24. Februar 1582 veröffentliche Papst Gregor XIII. die Bulle
Inter gravissima, die anordnete, «dass am 4. Oktober des
Jahres bei Zählung des folgenden Tages zehn Tage
übersprungen werden sollten». Diese Anordnung erließ der
Papst auf der Grundlage seiner päpstlichen Gewalt; «an alle
Regierungen richtete er die Bitte und den Befehl, den neuen
Kalender in ihren Landen einzuführen». [1]
Die Annahme des neuen Kalenders wäre für alle
europäischen Länder von Vorteil gewesen, insbesondere
dann, wenn sie diese Kalenderreform geschlossen und
gleichzeitig durchgeführt hätten. Als Kaiser Rudolf nach
längerem Zögern im September und dann abermals im
Dezember 1583, also bereits mit einer mehr als einjährigen
Verzögerung, die Einführung des neuen Kalenders
anordnete, verschwieg er die päpstliche Urheberschaft der
Reform, um sie für die protestantischen Reichsstände
zustimmungsfähig zu machen. Während die katholischen
Stände den neuen Kalender annahmen, trat ein, was die
kaiserliche Kanzlei befürchtet hatte: Die Protestanten
verweigerten die Übernahme der Kalenderreform mit dem
Argument, sie komme vom Papst, dem jede Befugnis zu
Eingriffen in weltliche Angelegenheiten fehle; sie sprachen
von einem usurpatorischen Übergriff der Kurie, dem man
mit aller Entschiedenheit entgegentreten müsse.
Infolgedessen bestanden im Reich nunmehr zwei
Zeitrechnungen nebeneinander. Dieses Nebeneinander mit
seinen um zehn Tage abweichenden Datierungen dauerte bis
zum Jahr 1700, als schließlich auch das Corpus
Evangelicorum den gregorianischen Kalender für seine
Territorien übernahm, indem es auf den 18. Februar
unmittelbar den 1. März folgen ließ.
Bis dahin bereitete die doppelte Zeitrechnung jedoch
erhebliche Probleme: In den Einrichtungen des Reichs
mussten Termine mit unterschiedlicher Datierung
angegeben werden, und in den bikonfessionellen
Reichsstädten, von denen es seit dem Augsburger
Religionsfrieden einige gab, wurden die kirchlichen
Feiertage von den Katholiken zehn Tage früher begangen als
von den Protestanten, was das wirtschaftliche und
gesellschaftliche Leben in diesen Städten beeinträchtigte. [2]
Außerdem wurde beim Übertritt eines Reisenden von
katholischem in protestantisches Hoheitsgebiet und
umgekehrt sofort erfahrbar, dass das Reich tief gespalten
war. Die gesellschaftliche Tragweite der unterschiedlichen
Zeitordnungen dürfte in mancher Hinsicht größer gewesen
sein als die der unterschiedlichen Abendmahlsauffassungen.

Es war denn auch ein Konflikt in einer dieser


bikonfessionellen Städte, der dazu führte, dass sich politisch-
militärische Parteien der beiden Konfessionen im Reich
formierten. Von 1595 bis 1618 ist es in etwa zwanzig
Städten zu konfessionell geprägten Krawallen und
Aufständen gekommen, [3] aber keiner davon hatte derart
weitreichende Folgen wie der von 1607 in Donauwörth. [4]
Donauwörth hatte damals etwa 4000 Einwohner; bereits
Mitte des 16. Jahrhunderts, als der Augsburger
Religionsfrieden in Kraft trat, waren die Protestanten in der
großen Mehrheit. Zudem befanden sie sich im Besitz der
einzigen Pfarrkirche und stellten die Mehrheit der
Ratsmitglieder. Um 1600 gab es in Donauwörth nur noch
sechzehn katholische Haushalte. Die Seelsorge für die
Katholiken fand in dem an der Stadtmauer gelegenen
Benediktinerkloster «Zum Heiligen Kreuz» statt. Die
religiösen Rituale beider Seiten waren so räumlich
hinreichend voneinander getrennt, und es gab über lange
Zeit keine Konflikte, wenn man einmal davon absieht, dass
der protestantische Rat der Stadt die katholische Seite
notorisch benachteiligte, indem er alles daransetzte, die
Vergabe des Bürgerrechts an Katholiken zu verhindern.
Mit der Gegenreformation kamen dann jedoch zunehmend
Zöglinge des Dillinger Jesuitenkonvikts in das Donauwörther
Kloster, denen die bis dahin praktizierte Zurückhaltung bei
der öffentlichen Präsentation der eigenen Rituale zuwider
war. Um den Katholizismus wieder sichtbar zu machen,
erneuerten sie untergegangene Prozessionspraxen, statteten
die Prozessionen mit neuem Gepränge aus und sorgten
dafür, dass Katholiken aus der näheren und ferneren
Umgebung Donauwörths daran teilnahmen. Da man über
Land zu benachbarten Kirchen zog und in Donauwörth selbst
das offene Präsentieren von Symbolen eher mied, blieb es
anfänglich bei einem konkurrierenden Nebeneinander; es
waren voneinander getrennte Räume, die symbolisch als
«Eigenräume» markiert wurden. [5]
Das änderte sich im Frühjahr 1605, als man erstmals die
der Prozession vorangetragenen Fahnen beim
Durchschreiten des städtischen Gebiets entfaltete und frei
flattern ließ, anstatt sie, wie bisher, eingerollt zu lassen. Bei
eingerollter Fahne waren die Bilder und Schriftzeichen
verdeckt, und das hieß, dass man den durchschrittenen
Raum als «fremden Raum» respektierte. Das Ausrollen der
Fahne hingegen stand für weitergehende Ansprüche, was
eine Reihe radikaler Protestanten in Donauwörth umgehend
als Provokation begriff. Der Rat der Stadt, der zu Recht eine
Eskalation befürchtete, erhob Einspruch gegen die
veränderte Form der Prozession und nötigte die Mönche, bei
der für den 16. Mai 1605 vorgesehenen Veranstaltung die
Fahnen eingerollt zu lassen. Der Augsburger Bischof
Heinrich von Knöringen, der sich auf eine seitens des
Donauwörther Stadtrats freilich bestrittene Schirmvogtei
über das Benediktinerkloster berief, wandte sich daraufhin
an den kaiserlichen Hofrat und forderte ihn auf, gegen
Donauwörth einzuschreiten, um die freie Religionsausübung
in der Stadt zu gewährleisten. Am 24. Oktober 1605 wertete
der Reichshofrat das Einwirken des Donauwörther Rats auf
die Mönche als Religions- und Landfriedensbruch. Dieser
Bescheid des Hofrats erging als mandatum sine clausula,
womit prozessuales Einreden keine aufschiebende Wirkung
für den Vollzug der Anordnung hatte; bei Zuwiderhandlung
sollte unverzüglich die Acht über die Stadt verhängt werden.
Das war eine klare Parteinahme des Reichshofrats,
verfahrenstechnisch fragwürdig, da die Aufhebung des
Einredevorbehalts nur bei unzweifelhaft rechtswidrigen
Handlungen oder einer nicht wiedergutzumachenden
Schädigung der klagenden Partei als zulässig galt. Dass dies
im Falle Donauwörths gegeben war, kann bezweifelt werden.
Die Intervention des kaiserlichen Hofrats war für die
protestantische Seite ein weiteres Indiz dafür, dass der
Kaiser und die Institutionen des Reichs nicht länger
konfessionsneutral handelten und die katholische Seite stets
begünstigten.
Es kam, wie es unter solchen Umständen kommen musste:
Während die Donauwörther Einreden gegen den
kaiserlichen Erlass noch zur Verhandlung anstanden, setzte
das Kloster für den 25. April 1606 eine Prozession an, die
mit vollem Gepränge über den Markt der Stadt zu einem
nahe gelegenen Dorf führen sollte. Als die Prozession auf
dem Marktplatz ankam, wurden ihre Fahnen von einem
protestantischen Mob zerrissen, die mitgeführten Reliquien
in den Straßendreck getreten sowie die
Prozessionsteilnehmer verprügelt und ins Kloster
zurückgejagt. Auf eine erneute Klage des Augsburger
Bischofs wurde das Mandat in verschärfter Form erneuert;
nachdem der Donauwörther Rat die Schuld an den
Ereignissen vom 25. April auf «den Pöbel» der Stadt
geschoben hatte, «schritt der Kaiser zwar noch nicht zur
Verhängung der Acht, aber er erteilte am 16. März 1607
dem Herzog Maximilian von Bayern den Auftrag, in seiner,
des Kaisers, Vertretung die Donauwörther Klostergeistlichen
und Katholiken in der Ausübung ihrer Religion zu schützen».
[6] Das war eine neuerliche einseitige Entscheidung, wenn
nicht ein Rechtsbruch des Kaisers, denn Donauwörth
gehörte nicht dem bayerischen, sondern dem schwäbischen
Reichskreis an, so dass für die Durchsetzung des
kaiserlichen Mandats nicht der (katholische) Herzog von
Bayern, sondern der (protestantische) Herzog von
Württemberg zuständig gewesen wäre. Diese Entscheidung
des Kaisers beziehungsweise seiner engeren Umgebung
sollte weitreichende Folgen haben.
Offenbar war sich Herzog Maximilian über die Probleme
im Klaren, die sein Eingreifen in einer dem schwäbischen
Reichskreis zugehörigen Stadt nach sich ziehen würde, und
entsprechend zurückhaltend trat er zunächst auf: Die von
ihm instruierten Subdelegierten erhielten den Auftrag, den
Rat der Stadt Donauwörth darauf zu verpflichten, die
katholische Religionsausübung ohne jede weitere Störung zu
ermöglichen; als Beweis dieser Bereitschaft verlangten sie
von ihm, eine Prozession in Donauwörth zu gestatten, die
sofort stattfinden sollte, mit vollem Gepränge und bei freier
Wahl des Weges. Während der Rat im Wissen darum, was
eine Ablehnung dieses Vorschlags für Konsequenzen haben
würde, darauf einzugehen bereit war, verlangte eine
erregte, zum Teil bewaffnete Bürgerschaft, die sich vor dem
Rathaus versammelt hatte, dass die Prozession auf die
frühere bescheidene Form beschränkt blieb. Die bayerischen
Subdelegierten mussten unverrichteter Dinge abziehen; sie
seien in ihrer Sicherheit bedroht worden, berichteten sie
dem Herzog. Danach schlug Maximilian eine andere Gangart
ein: Entweder die Stadt erfülle ohne Wenn und Aber die
Forderungen (zu denen er inzwischen weitere hinzugefügt
hatte), oder die Acht werde über sie verhängt, und er,
Maximilian, werde das Geforderte mit Waffengewalt
durchsetzen.
Am 10. November 1607 wurden die Verhandlungen mit
Donauwörth abgebrochen, zwei Tage später veröffentlichten
die bayerischen Subdelegierten die vom Kaiser bereits im
August unterschriebene Ächtung der Stadt. [7] Innerhalb
weniger Tage setzte Maximilian ein aus 6000 Fußsoldaten
und 500 Berittenen bestehendes Heer in Marsch. Die
schnelle Verfügbarkeit dieser Streitmacht spricht dafür, dass
Maximilian den Schlag gegen Donauwörth seit längerem
vorbereitet hatte. Angesichts dieser erdrückenden
Übermacht und ohne Aussicht auf fremde Hilfe kam es in
Donauwörth zu keinem ernstlichen Widerstand. «Nachdem
sie gegen die vom Rat bewilligte Übergabe der Stadt einen
letzten Tumult erregt hatten, machten sich die Agitatoren
mitsamt den Predigern aus dem Staube», fasst Moriz Ritter
den Schlussakt der Donauwörther Affäre zusammen. [8] Am
17. Dezember 1607 rückte bayerisches Militär in
Donauwörth ein, und bayerische Kommissare übernahmen
die Verwaltung. Der Status einer Freien Reichsstadt war
damit vorerst kassiert.

Aber das war nur der Anfang: Im Juni 1609 überließ der
Kaiser dem Bayernherzog die Stadt als Pfand für die
Maximilian bei der Vollstreckung der Reichsacht
entstandenen Ausgaben. Da Donauwörth für die von
Maximilian geforderte Summe von 250000 Gulden –
vornehmlich handelte es sich dabei um den Sold für die
aufgebotenen Soldaten – nicht aufkommen konnte, wurde sie
zu einer bayerischen Provinzstadt. Unter Berufung auf seine
landesherrschaftliche Kirchenhoheit verbot Maximilian, das
protestantische Bekenntnis in der Stadt weiter auszuüben.
Alle, die sich diesem Verbot nicht unterwerfen wollten,
wurden vertrieben. So entstand eine weitere Gruppe von
Exilanten, der mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges noch
viele folgen sollten; mit Flugschriften wurde ein
Propagandakrieg um die Affäre von Donauwörth geführt, der
die Unversöhnlichkeit beider Konfessionen immer mehr
verfestigte. «Maximilian, Maximilian, ihr kennt nicht die
Folgen eures Tuns», soll Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-
Neuburg geklagt haben, als er von der Besetzung
Donauwörths durch bayerisches Militär erfuhr. [9]
Die Gründung von Union und Liga
Das bayerische Vorgehen in Donauwörth hat die einander
keineswegs wohlgesonnenen Protestantengruppen im Reich
aufgeschreckt. Die Unterdrückung des evangelischen
Bekenntnisses in der einstigen Reichsstadt war geeignet, die
immer wieder kursierende Behauptung zu bestätigen,
wonach es eine stillschweigende Übereinkunft der
Katholiken gab, den Protestantismus in Deutschland
zurückzudrängen und schließlich gänzlich auszurotten. Das
Ziel dieser Verschwörung sei, die religionspolitischen
Verhältnisse wiederherzustellen, wie es sie vor der
Reformation gegeben hatte. Solche
«Verschwörungstheorien» waren aufgekommen, als ein
zunehmend selbstbewusst auftretender politischer
Katholizismus unter Berufung auf eine bestimmte Auslegung
des Augsburger Religionsfriedens damit begann, die
Restitution aller nach 1552 säkularisierten Kirchengüter zu
fordern. Dadurch wurde der territoriale Besitz der meisten
protestantischen Herrschaftsgebiete in Frage gestellt. Eine
solche Restitutionspolitik hätte, konsequent durchgeführt,
die politische Landkarte des Reichs grundlegend verändert
und die Macht der protestantischen Fürsten erheblich
beschnitten. Man konnte bezweifeln, dass diese danach noch
in der Lage gewesen wären, einem entschlossen
auftretenden Katholizismus erfolgreich Widerstand zu
leisten. Die Restitutionsforderungen, so argumentierte die
protestantische Bewegungspartei, die einer solchen
Entwicklung nicht tatenlos zusehen wollte, seien Teil des
großen jesuitischen Plans, den Protestantismus im Reich
auszulöschen – und Donauwörth stehe für den Anfang davon.
Mit dem Schlag gegen Donauwörth habe der große
Endkampf zwischen den «Kindern des Lichts» und den
«Kindern der Finsternis» begonnen. Ein Konflikt, bei dem es
zunächst nur um das offene Tragen von Prozessionsfahnen
gegangen war, wurde schon bald danach in apokalyptischen
Bildern beschrieben.
Verschwörungstheorien haben die fatale Eigenschaft, dass
sie unabhängig voneinander eingetretene Ereignisse,
politische Projekte Einzelner und gelegentliche Äußerungen
von Personen, die dem engeren Machtzirkel zugerechnet
werden, in einen Zusammenhang bringen; mit einem Mal
sind Dinge klar, die bislang unklar waren, und was zuvor
unverbunden nebeneinandergestanden hat, erweist sich aus
solch einer Perspektive als Element eines großen Vorhabens.
Derartige Erklärungen entwickeln ihre eigene Suggestivität,
wie sich auch an der innerprotestantischen Debatte über die
Absichten der katholischen Seite beobachten lässt: Der
wiedererstarkte Katholizismus, so war aus Heidelberg, dem
politischen Zentrum der Reformierten, zu hören, hole
nunmehr zum entscheidenden Schlag gegen den
Protestantismus aus, und auf diesen Schlag müsse man
vorbereitet sein. Das aber hieß: Bündnisse schmieden, um
geschlossen handeln zu können und sich nicht
gegeneinander ausspielen zu lassen. Am besten sei es, dem
Schlag der katholischen Seite zuvorzukommen und
seinerseits zuzuschlagen, solange die Gegenseite nicht damit
rechnete. Christian von Anhalt-Bernburg, seit 1595
Statthalter in der Oberpfalz und strategischer Kopf der
kurpfälzischen Politik, war von dem Gedanken umgetrieben,
dass es, wenn man noch länger zuwarte und zaudere, schon
bald zu spät sein werde, um der katholischen Seite noch
effektiven Widerstand entgegenzusetzen. Christian zog mit
solchen Überlegungen eine Reihe brillanter Köpfe an –
neben Ludwig Camerarius sind die Brüder Christoph und
Achatius von Dohna sowie Vollrad von Plessen und Hippolyt
von Colli zu nennen –, die diese Sichtweise teilten: Der große
Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten sei
unvermeidlich, [1] und deswegen könne man nichts Besseres
tun, als diesen Krieg politisch vorzubereiten.
Christian und seine Anhänger waren unentwegt damit
beschäftigt, protestantische Bündnisse zu entwerfen, um der
von den beiden Linien der Habsburger sowie Papst und
Jesuiten vorangetriebenen «Verschwörung» entgegentreten
zu können. Sie entwickelten über mehr als ein Jahrzehnt
rege diplomatische Aktivitäten, und dabei variierte
eigentlich nur die Reichweite der Bündnisprojekte, die sie
verfolgten. Die Niederlande waren darin immer
eingeschlossen, was schon aufgrund der personellen
Verbindungen zwischen der Kurpfalz und dem Haus Nassau-
Oranien nahelag. Den Oraniern oblag die militärische
Führung im Krieg der Niederlande gegen Spanien, und in
ihrem Heer dienten auch zahlreiche pfälzische Offiziere.
Neben der kurpfälzisch-niederländischen Achse als Zentrum
aller Bündnisprojekte spielte im einen Fall der französische
König Heinrich IV. eine besondere Rolle, im anderen der
englische König Jakob I., dem die politische Führung des
internationalen Protestantismus zugetraut wurde, und fast
immer waren die Mächte des Nordens, Dänemark und
Schweden, in den antikatholisch-antihabsburgischen
Bündnisplänen der Heidelberger mit von der Partie. [2] Die
auf katholischer Seite virulente Vorstellung einer mächtigen
«protestantischen Internationalen» war zwar ebenfalls eine
Verschwörungstheorie, die Disparates zu einem großen
Ganzen ordnete; sie hatte in den kurpfälzischen
Bündnisprojekten wenigstens so etwas wie einen politisch
identifizierbaren Kern.
Die meisten dieser Bündnisprojekte waren typische
Intellektuellenprodukte: Sie orientierten sich an den
politischen Idealperspektiven der ins Auge gefassten
Mächte, schenkten deren tatsächlicher Politik, den
konkreten Verhältnissen des Landes, seinen internationalen
Interessen und Verwicklungen sowie den Neigungen und
Fähigkeiten der Personen, die es beherrschten, jedoch nur
wenig Beachtung. Der vorsichtige und zögerliche Jakob I.
dachte nicht daran, «sich an die Spitze eines internationalen
protestantischen Bündnisses zu stellen», und dem
französischen König Heinrich IV. ging es zunächst darum,
einen «neuen Glaubenskrieg in Europa» zu verhindern, «der
den schwer errungenen und mühsam bewahrten inneren
Frieden Frankreichs gefährden würde». [3] Dänemark und
Schweden wiederum konkurrierten miteinander um die
Hegemonie im Ostseeraum, und es war unwahrscheinlich,
dass sie, obwohl beide dem Luthertum verpflichtet,
gemeinsam in ein antikatholisches Bündnis eintreten
würden; [4] dafür war das gegenseitige Misstrauen zu groß.
Derlei schnöde Interessenpolitik spielte in den Entwürfen
der reformierten Intellektuellen jedoch eine allenfalls
nachrangige Rolle; ihr Blick war ganz auf die große
Auseinandersetzung gerichtet, in der sich das Überleben des
wahren Glaubens und damit das Seelenheil der Menschen
entscheiden würde.
Was die operative Politik in dem Jahrzehnt vor
Kriegsbeginn und während der ersten Jahre des Krieges
anbetrifft, so erwiesen sich die Heidelberger
Bündnisprojekte als Hirngespinste, und wer sich auf sie
verließ, endete in einer politischen Katastrophe – wie sich
das dann auch am Schicksal des Kurfürsten Friedrich V.
zeigen sollte. Überblickt man indes den Krieg in seiner
ganzen Länge, so wird in den Bündnisprojekten eine geniale
Antizipation langfristiger Interessen und Gegensätze
erkennbar, denn alle von den reformierten Intellektuellen
auf antihabsburgischer Seite als Partner ins Kalkül
gezogenen Länder traten irgendwann in ihn ein. Sie taten
das freilich nacheinander und immer erst dann, wenn eine
zuvor in den Krieg eingetretene antikatholische oder
antihabsburgische Macht auf die Verliererstraße geraten
war. Dementsprechend agierten diese Mächte niemals als
einheitlicher Block, wie das die kurpfälzischen
Projektemacher vorgesehen hatten. Hätten sie so agiert, wie
man sich das in Heidelberg und Amberg vorgestellt hatte,
dann hätte der Krieg wohl einen anderen Verlauf
genommen: Er hätte deutlich kürzer gedauert, und die
habsburgische Macht wäre stark zurückgedrängt, wenn
nicht vernichtet worden. Danach aber wäre diese Koalition
auch wieder zerfallen, und die unterschiedlichen Interessen
der für geraume Zeit verbündeten Länder wären wieder in
aller Schärfe hervorgetreten. Der Protestantismus war eine
wertepolitische Klammer, mit der die Interessengegensätze
für einige Zeit hintangestellt, aber nicht zum Verschwinden
gebracht werden konnten. Die Heidelberger Projekte waren
analytisch genial, aber realpolitisch naiv. So wurden sie zum
europäischen Verhängnis.
Eines der großen Probleme, mit denen die kurpfälzische
Politik zu kämpfen hatte, war die notorische Distanz
Kursachsens gegenüber der für die Heidelberger
elementaren Annahme, der Krieg sei unvermeidlich. In
Dresden war man der Überzeugung, mit etwas gutem Willen
und entsprechender Kompromissbereitschaft lasse sich der
Frieden im Reich bewahren. Grundlage dieser Politik der
Friedenswahrung war für Kursachsen die Orientierung am
Augsburger Religionsfrieden, und auch wenn dieser von
Katholiken und Protestanten immer wieder unterschiedlich
ausgelegt wurde – in Anbetracht der Formelkompromisse
und der vielen Zusatzvereinbarungen kaum verwunderlich –,
so gab es doch keinen Grund anzunehmen, dass man in
strittigen Fragen nicht zu einem für beide Seiten
akzeptablen Ausgleich kommen könne. Das war eine Sicht,
die sich im Großen und Ganzen nicht von der Kardinal Klesls
unterschied, aber in einem grundlegenden Gegensatz zu der
stand, die in Heidelberg vorherrschte – insofern stand die
kursächsische Politik vor dem Krieg und noch in dessen
erstem Jahrzehnt dem katholischen Kaiser näher als den
protestantischen Glaubensbrüdern in Heidelberg, den
«Calvinern», wie man sie in Dresden nannte, denen
gegenüber man eine tiefe Abneigung pflegte. [5]
Wenn schon in Deutschland keine geschlossene Front des
Protestantismus herzustellen war, so einer der Einwände
gegen die kurpfälzische Politik, wie sollte das dann im
internationalen Rahmen möglich sein? Gerade wegen der
Uneinigkeit in Deutschland, so die Antwort der
Heidelberger, müsse man auf internationale Bündnisse
setzen, denn nur auf diese Weise lasse sich die politische
Schwäche des deutschen Protestantismus ausgleichen, die
auf die katholische Seite wie eine Einladung zum Angriff
wirken müsse; dies ließe sich schon an den zunehmenden
Restitutionsforderungen erkennen. Damit wurde eine
weitere Trennlinie innerhalb des deutschen Protestantismus
sichtbar: In Kursachsen, das sich als Hüter und Oberhaupt
des orthodoxen Luthertums sah, nahm man die politischen
Konflikte als Herausforderungen im Kontext des Reichs
wahr – man könnte mit einem anachronistischen
Zungenschlag auch von einer nationalen Perspektive
sprechen [6] – und fürchtete, dass die Internationalisierung
der Glaubensspaltung die mit ihr verbundenen politischen
Probleme endgültig unlösbar machen werde. In Heidelberg
sah man die Dinge dagegen genau umgekehrt: Hier war man
der Überzeugung, dass der Protestantismus in Deutschland
nur durch die Internationalisierung des Konflikts überleben
könne.
In dieser gegensätzlichen Beurteilung der politischen Lage
kamen zu Beginn des 17. Jahrhunderts die jeweiligen
Entstehungsbedingungen der beiden Zweige des
Protestantismus zum Vorschein: die politischen und sozialen
Faktoren sowie die unterschiedlichen theologischen
Grundausrichtungen Luthers und Calvins. Martin Luther
hatte in den kämpferischen Schriften der 1520er Jahre die
Reformation des Glaubens eng mit den Gravamina der
Deutschen Nation gegenüber der römischen Kurie
verbunden. [7] Der Adressat von Luthers Schriften waren
«die Deutschen». Dadurch hatte er zahlreiche Humanisten
zu Parteigängern der Reformation gemacht, hatte
politischen Rückhalt bei einigen Landesherren gefunden und
die Sympathien breiter Kreise der Bevölkerung für sich
mobilisiert. Das war bei dem Flüchtling Jean Calvin anders,
der, aus seiner französischen Heimat vertrieben, von Genf
aus eine über viele Länder verstreute Anhängerschaft zu
organisieren hatte. Von daher lag bei den lutherischen
Kursachsen eine «nationale» Wahrnehmung der politischen
Konstellationen nahe, während die Heidelberger
Reformierten von vornherein gewohnt waren, in
internationalen Zusammenhängen zu denken und
bedrohlichen Entwicklungen in diesem Kontext zu begegnen.
Dementsprechend betrachteten sie die Jesuiten als
Speerspitze der Gegenreformation und als ihre
Hauptgegner; die Lutheraner dagegen nahmen die von den
Jesuiten ausgehende Herausforderung lange Zeit nicht
sonderlich ernst. Was für die Reformierten in Heidelberg ein
internationales Netzwerk war, das einen beherrschenden
Einfluss auf die Politik der katholischen Fürsten erlangt
hatte, war für die Dresdner Lutheraner bloß ein neuer
Orden, der in den katholischen Teilen Deutschlands einige
Universitäten und Konvikte übernommen beziehungsweise
gegründet hatte. Diese Sichtweise bewegte sich innerhalb
der Vorgaben des Augsburger Religionsfriedens und
berührte nicht den Status quo. Also gab es auch keinen
Grund, die reichskonservative Politik zu überprüfen oder gar
in Frage zu stellen.
Ein weiterer Unterschied zwischen Lutheranern und
Calvinisten in der Wahrnehmung politischer
Herausforderungen resultierte aus der Luther’schen
Obrigkeitslehre sowie der Calvin’schen Auffassung von der
Prädestination. Luther hatte unter Rekurs auf Römer 13
immer wieder betont, dass jeder Christ der Obrigkeit
Gehorsam schuldig sei, denn diese sei von Gott als «Amt»,
als Institution, eingesetzt und diene dazu, der Bosheit in der
Welt zu wehren. Ohne Gehorsam gegenüber der Obrigkeit
werde jede Gesellschaft im Chaos der Gewalttätigkeit
versinken. Das stellte sich für Calvinisten, die nicht, wie
Luther, auf den Rückhalt des Landesherrn zählen konnten,
sondern heftigen Verfolgungen ausgesetzt waren, gänzlich
anders dar; unter dem Eindruck einer sie bekämpfenden
Obrigkeit entwickelten sie monarchomachische Theorien, in
denen Widerstand gegen die Obrigkeit gerechtfertigt,
mitunter sogar gefordert wurde. [8] Für Kursachsen war der
Kaiser eine dem Landesherrn übergeordnete Obrigkeit, und
der war man Gehorsam schuldig, wie der Dresdner
Oberhofprediger Matthias Hoë von Hoënegg seinem Herrn,
Kurfürst Johann Georg, immer wieder versicherte. In
Heidelberg dagegen sah man im Kaiser und seinen
Verbündeten eine Obrigkeit, gegen die jede Form von
Widerstand gerechtfertigt war.
Neben diesen Differenzen in der «politischen Theologie»
spielten bei der unterschiedlichen Lagebeurteilung in
Heidelberg und Dresden auch genuin theologische Fragen
eine Rolle: In Luthers Theologie kam der Vorstellung von der
Gnade Gottes eine zentrale Bedeutung zu, und auf diese
Gnade musste der Christ vertrauen; im Zentrum der
Calvin’schen Theologie stand dagegen der Gedanke einer
doppelten Prädestination, durch die im Leben eines
Menschen von Anfang an festgelegt war, ob er zu den
Erlösten oder zu den Verdammten gehörte. Es war also
naheliegend, dass man in Heidelberg von der
Unvermeidlichkeit eines großen Krieges zwischen
Katholiken und Protestanten überzeugt war, wobei freilich
nur die Auserwählten zu erkennen vermochten, worauf die
Entwicklung hinauslief. Dass die Lutheraner Einwände
gegen diese Sicht hatten, zeigte – aus calvinistischer
Perspektive – nur, dass sie nicht zu den Erwählten zählten.
Für die reformierte Aktionspartei war der große Konflikt
determiniert. Dagegen setzte man in Dresden darauf, dass
Gott, wenn er nur wolle, die Dinge jederzeit zum Guten
wenden und den Frieden erhalten könne, und dabei dürfe
ihm die Politik nicht durch fehlendes Vertrauen in seine Güte
und Gnade im Wege stehen.

Die Folgen der bayerisch-katholischen Aneignung


Donauwörths für das politische Selbstverständnis der
Protestanten – und insbesondere das kurpfälzisch-
kursächsische Verhältnis – zeigten sich auf dem am
12. Januar 1608 in Regensburg eröffneten Reichstag. [9]
Kaiser Rudolf hatte die Versammlung der Reichsstände vor
allem deswegen einberufen, damit sie die Finanzmittel für
die Aufstellung eines Heeres von 24000 Mann über einen
Zeitraum von mehreren Jahren bewilligten; mit diesen
Truppen wollte der Kaiser Stefan Bocskay, dem Fürsten von
Siebenbürgen, entgegentreten, der nach Ungarn eingefallen
war und dem sich zahlreiche mit der habsburgischen
Herrschaft unzufriedene ungarische Adlige angeschlossen
hatten. Außerdem sollte das Heer die Festungen Gran, Erlau
und Kaniza von den Türken zurückerobern, was darauf
hinauslief, dass der gerade erst geschlossene
Friedensvertrag von Zsitva-Torok aufgehoben wurde. Die
Mehrheit der Reichsstände, und zwar die katholischen wie
die protestantischen, war jedoch wenig geneigt, die dafür
benötigten Finanzmittel zu bewilligen, schon gar nicht über
einen so langen Zeitraum und für eine so große Streitmacht.
Wäre der Reichstag störungsfrei verlaufen, so hätte der
Kaiser wohl Mittel für ein kleines Heer über eine knapp
bemessene Zeit erhalten, um die Ordnung in Ungarn
wiederherzustellen.
Aber nach dem bayerischen Auftreten gegen Donauwörth
war dies kein normaler Reichstag. Die protestantische Seite
war vor allem darauf bedacht, sich künftig gegen Übergriffe
seitens der Katholiken abzusichern. Die Erregung bei den
Protestanten war so groß, dass selbst Kursachsen und die
seiner Politik folgenden Länder zu der von den Pfälzern
einberufenen Versammlung erschienen, auf der das
gemeinsame Auftreten der protestantischen Seite
abgestimmt werden sollte. Zu einer solchen Geschlossenheit
hatte die evangelische Seite sich seit mehr als einem
Jahrzehnt nicht mehr durchringen können. Und mehr noch:
die Kursachsen schlossen sich dieses Mal der von der
Kurpfalz seit langem verfolgten Linie an, die Bewilligung der
Türkensteuer vom Entgegenkommen des Kaisers und der
katholischen Reichsstände bei den protestantischen
Ansprüchen auf Garantie der Religionsfreiheit abhängig zu
machen. Unter dem Eindruck der Ereignisse in Donauwörth
sollte der Augsburger Religionsfrieden im
Reichstagsabschied förmlich bestätigt und Angriffe auf seine
Geltung, gleichgültig, ob in Büchern oder Predigten, unter
Strafe gestellt werden. Diese Forderung wurde am 6. und 7.
Februar 1608 der Versammlung vorgetragen.
Die gemäßigten Vertreter der katholischen Seite waren
unter Führung des Mainzer Erzbischofs Johann Schweikhard
von Kronberg bereit, dem protestantischen Antrag zu folgen.
Doch dann setzte sich in den Reihen der Katholiken die
Gruppe der Intransigenten unter dem bayerischen Herzog
Maximilian durch, die fürchtete, ein solches Zugeständnis
könne als Bestätigung der nach dem Stichjahr von 1552
erfolgten Säkularisierungen angesehen werden und die
Restitution des katholischen Besitzes ein für alle Mal
erledigen. Diese Position wurde durch Erzherzog Ferdinand
unterstützt, der den nicht nach Regensburg gekommenen
Kaiser Rudolf vertrat. So formulierte man einen Zusatz, der
die Rückgabe all dessen verlangte, was den Katholiken seit
1552 abgenommen worden sei. Die protestantische Seite
lehnte diesen Zusatz in aller Entschiedenheit ab, und als die
katholische Partei auf ihm bestand, erklärten die
Protestanten am 27. Februar, den Verhandlungen bis auf
weiteres fernzubleiben. Damit stand die Versammlung kurz
vor dem Scheitern. «Der Reichstag selber», so das Urteil des
Historikers Moriz Ritter, «hatte sich in einen Kongress
aufgelöst, in welchem die beiden Parteien wie selbständige
Mächte einander gegenüberstanden, zwischen denen keine
Mehrheitsentscheidung, sondern nur freiester Ausgleich
statthaft ist.» [10]
Diese Entwicklung lag keineswegs im Interesse der
katholischen Seite, und dementsprechend machte sie einen
Rückzieher, der im Wesentlichen auf die Beseitigung des von
ihr eingebrachten Zusatzes und die Bestätigung des
Religionsfriedens hinauslief. Aber man wollte sich nicht zur
Gänze geschlagen geben, zumal die Bedenken
fortbestanden, die zu dem Zusatz geführt hatten. Also fügte
man die Bemerkung an, die Zusätze beider Seiten sollten
übergangen werden, doch dürfe daraus keiner der beiden
Seiten ein Präjudiz erwachsen. Die Pfälzer lehnten diesen
revidierten Zusatz mit der Begründung ab, bei
Reichstagsverhandlungen seien solche Vorbehalte und
Erwähnungen gegensätzlicher Auffassungen unzulässig,
während die Kursachsen den nunmehrigen Zusatz
annehmbar fanden und ihm zustimmen wollten. Damit war
die Einmütigkeit der Protestanten bereits beendet, und
erneut standen sich die von der Pfalz angeführte radikale
Aktionspartei und die von Sachsen dominierte konservative
Gruppierung gegenüber.
Die Pfälzer bekräftigten noch einmal ihre Position und
beschlossen, zusammen mit ihrer Anhängerschaft den
Reichstag zu verlassen. Neben der Kurpfalz waren dies die
Gesandten von Pfalz-Zweibrücken, Braunschweig-
Wolfenbüttel, Brandenburg-Ansbach, Kurbrandenburg,
Baden-Durlach, Hessen-Kassel, Anhalt und die Wetterauer
Grafen. In Regensburg blieben neben Kursachsen die
Gesandten von Pfalz-Neuburg, Pommern, Lüneburg und
Hessen-Darmstadt sowie die Vertreter der Reichsstädte. Die
Spaltung der deutschen Protestanten trat damit erneut in
aller Deutlichkeit zutage. Immerhin waren Sachsen und die
ihm folgenden Parteien nicht bereit, zusammen mit den
katholischen Ständen den Reichstag fortzusetzen und die
gewünschten Beschlüsse zu fassen. Infolgedessen gingen die
Stände ohne Reichstagsabschied auseinander. Der Reichstag
war gesprengt, und damit war die letzte bis dahin noch
arbeitsfähige Institution des Reichs lahmgelegt. Am 3. Mai
1608 löste Erzherzog Ferdinand den Reichstag offiziell auf.
Als man zwischen August und Oktober 1613 in Regensburg
erneut zu einem Reichstag zusammenkam, wiederholten sich
die Abläufe, ja mehr noch: Die auf Konfrontation setzenden
Parteien hatten an Stärke gewonnen, und die auf Ausgleich
bedachte Mittelpartei war zusammengeschrumpft. Jetzt
freilich setzte die katholische Seite auf das Majoritätsprinzip
und stimmte am 22. Oktober 1613 für einen
Reichstagsabschied, der von der protestantischen
Minderheit umgehend verworfen wurde. «Die Krise war da,
das Reich brach auseinander, wie es sich 1608 schon
abgezeichnet hatte.» [11] Der nächste Reichstag sollte knapp
dreißig Jahre später stattfinden, von September 1640 bis
Oktober 1641, also in der Schlussphase des Krieges und
unter völlig veränderten Bedingungen.
Mit der Lahmlegung des Reichstags im Frühjahr 1608 war
das Erfordernis alternativer Kooperationsstrukturen nicht
länger von der Hand zu weisen. Als Erste reagierte die
kurpfälzische Politik: Sie strebte ein Bündnis der
protestantischen Mächte an, in dem die Spaltung zwischen
Lutheranern und Calvinisten keine Rolle spielen sollte, das
also eine breitere Basis hatte, als dies bei einer Koalition
ausschließlich der Reformierten der Fall war. Die Pfälzer
vollzogen damit eine strategische Wende, weg von den
internationalen Bündnisprojekten, die sie bis dahin
favorisiert hatten, hin zu einem nur aus Reichsständen
bestehenden Bündnis, und dieses Bündnis sollte im
Unterschied zu den bisher verfolgten Projekten keinen
Offensiv-, sondern Defensivcharakter haben. Es ging nicht
länger um die Revision des Augsburger Religionsfriedens, in
den die Calvinisten ja nicht eingeschlossen waren, sondern
um dessen Verteidigung, wie man sie bereits in der auf dem
Regensburger Reichstag eingebrachten Beschlussvorlage
formuliert hatte. Damit betrieb man eine sehr viel
wirklichkeitsnähere Politik als zuvor. Die kurpfälzische
Politik wechselte aus dem Bereich der utopischen
Projektemacherei auf das Feld der Realpolitik hinüber.

Am 12. Mai 1608 (nach dem julianischen Kalender, dem die


Vertragschließenden folgten, war es freilich erst der 2. Mai),
also knapp zwei Wochen nach Schließung des Reichstags in
Regensburg, trafen sich reformierte und lutherische Fürsten
im säkularisierten Kloster Auhausen nahe Nördlingen, um
die Protestantische Union zu bilden, ein auf zehn Jahre
abgeschlossenes Bündnis, in dem sich die Mitglieder für den
Fall eines Angriffs von außen zu gegenseitiger Hilfe
verpflichteten. [12] In der Präambel des Vertrags wurde auf
den 1495 vom Wormser Reichstag verkündeten Allgemeinen
Landfrieden und die zu seiner Bewahrung im Jahre 1555
festgelegte Exekutionsordnung mit den dafür
verantwortlichen Reichskreisen Bezug genommen, sogleich
aber betont, dass beides in jüngster Zeit durch
«beschwerlichen mißverstanndt» in Zweifel gezogen und
durch «feindtliche und thetliche handtlungen uberschrieten
und in mehr weeg frefenlichen darwieder gehandelt»
worden sei. [13] Das protestantische Sonderbündnis
legitimierte sich also mit dem Anspruch, die bestehende
Ordnung des Reichs erhalten und verteidigen zu wollen. Das
war ein geschickter Schachzug, der auf die
reichskonservativen Lutheraner abzielte und Distanz hielt zu
der bislang von den Pfälzern betriebenen Revisionspolitik.
Ausdrücklich wurde versichert, dass man dem Kaiser den
gebührenden Gehorsam erweise, den Reichsständen in guter
Nachbarschaft zugetan sei und der Verfassung des Reichs
keinerlei Abbruch tun wolle, sondern das Bündnis «vielmehr
zu besterckung derselben und beßeren erhaltung friedes
und einigkeit im Reich» geschlossen habe und «alß liebhaber
und gehorsame Stendte des Reichs Teütscher nation unsers
geliebten Vatterlandts» handele. [14] Die auf diese Präambel
folgenden achtzehn Artikel des Vertrags legen dann
detailliert die Führung des Bündnisses, die gegenseitigen
Verpflichtungen sowie den Umgang mit Beute und
Gefangenen fest. Hier ging es um die Konditionen von
Koalitionskriegführung. Der Vertrag von Auhausen war nicht
nur eine politische Deklaration oder Absichtserklärung; er
schuf die Voraussetzungen für eine operative Politik, mit der
die Unterzeichner sich hinfort gegen eine Wiederholung der
Ereignisse von Donauwörth zur Wehr setzen wollten.
Entgegen den Bekundungen der Präambel veränderte das
sehr wohl die Verfassungswirklichkeit im Reich.
Es kann also nicht verwundern, dass das reichs- und
verfassungskonservative Kursachsen den Auhausener
Vertrag nicht unterschrieb und der Union nicht beitrat. Aber
es folgten nicht länger alle dem Luthertum anhängenden
Fürsten der kursächsischen Linie, sondern Herzog Johann
Friedrich von Württemberg, Herzog Philipp Ludwig von
Pfalz-Neuburg und Markgraf Georg Friedrich von Baden-
Durlach, allesamt strenge Lutheraner, waren in Auhausen
dabei und unterschrieben am 14. Mai den Vertrag im
Kapitelsaal des einstigen Klosters – einem Ort somit, dem
symbolische wie programmatische Bedeutung zukam. Außer
ihnen unterzeichneten Fürst Christian von Anhalt-Bernburg
für die Kurpfalz, Markgraf Christian von Brandenburg-
Bayreuth sowie Markgraf Joachim Ernst von Brandenburg-
Ansbach. Einige Zeit später traten dann noch Kurfürst
Johann Sigismund von Brandenburg, Landgraf Moritz von
Hessen-Kassel, Gottfried Graf zu Oettingen sowie die
Reichsstädte Nürnberg, Straßburg und Ulm dem
protestantischen Schutz- und Trutzbündnis bei. Vor allem
der Beitritt der traditionell reichsfreundlichen Städte zeigte
die tiefgreifende Veränderung, die sich zwischenzeitlich
vollzogen hatte: Kursachsen war nicht länger der dominante
Anführer des deutschen Protestantismus, und die Kurpfalz
war nicht mehr bloß ein Sammelpunkt der notorisch
Unzufriedenen; nunmehr befand sich Sachsen in der
Außenseiterposition, und die politische Führung des
deutschen Protestantismus war von Dresden nach
Heidelberg übergewechselt. Das war für die kurpfälzische
Politik ein großer Erfolg, aber zugleich war es auch eine
große Bürde: Von nun an kam es nämlich nicht mehr darauf
an, in politischen Fragen entschlossen vorzupreschen,
sondern die in der Union Verbündeten zusammenzuhalten
und eine Politik zu verfolgen, die von allen mitgetragen
werden konnte.
Die Aufgabe, den Zusammenhalt der Union zu sichern und
sie gleichzeitig als eine politisch handlungsfähige Größe im
Reich zu positionieren, lag bei dem durch den
Bündnisvertrag eingerichteten Direktorium, das der Kurpfalz
übertragen wurde. Realiter lag es damit bei Christian von
Anhalt-Bernburg, dem in Amberg residierenden Statthalter
der Oberpfalz, der seit mehr als einem Jahrzehnt die
kurpfälzische Politik bestimmte, da Kurfürst Friedrich IV.
infolge von Trunksucht und daraus resultierender
körperlicher Schwäche dazu nicht in der Lage war. Als
Friedrich IV. im Herbst 1610 starb, übernahm sein erst
vierzehnjähriger Sohn Friedrich V. die Herrschaft in der
Pfalz. Er stand zunächst unter der Vormundschaft des
Herzogs Johann II. von Pfalz-Zweibrücken, geriet aber
schnell unter den Einfluss Christian von Anhalts, der für sein
politisches Schicksal entscheidend werden sollte. War
Friedrich IV. physisch und psychisch nicht in der Lage, die
kurpfälzische Politik zu leiten, so war Friedrich V. dazu
wenig motiviert: Er lebte – jedenfalls bis 1618 – weitgehend
«unbekümmert in den Tag hinein, überzeugt, Gott habe ihm
sein Amt verliehen, er sei auserwählt»; darum werde alles,
was er in die Hand nehme, schon gutgehen. [15] Indes – alles,
was Friedrich in die Hand bekam, war von Christian von
Anhalt vorsortiert und ausgesucht, eingeschlossen Elisabeth
Stuart, die Tochter des englischen Königs Jakob I., die
Christian im Zusammenhang mit seinen großangelegten
bündnispolitischen Projekten für den pfälzischen Kurfürsten
ausgewählt und die Friedrich am 24. Februar 1613 in
London geheiratet hatte. Elisabeth, mit der Friedrich eine
offenbar glückliche Ehe führte, sollte in den ersten Jahren
des Krieges für dessen Verlauf eine fast ebenso wichtige
Rolle spielen wie der Kurfürst selbst. Zunächst aber gab
Christian von Anhalt politisch den Ton an.
Im Allgemeinen wird Friedrich V. als ein Opfer der unverantwortlichen Politik
seiner Räte dargestellt, die ihn in das «böhmische Abenteuer» hineinmanövriert
haben. In einer Mischung aus politischer Sorglosigkeit, calvinistischem Vertrauen
in die eigene Gottesauserwähltheit und dem Bestreben, seiner attraktiven
Gemahlin Elisabeth Stuart eine repräsentativere Residenzstadt als Heidelberg zu
bieten, hat er sich auf das von seinen Räten forcierte Projekt zur Annahme der
böhmischen Krone eingelassen – und ist nach einjähriger Herrschaft wieder aus
Böhmen vertrieben worden.

Man hat Christian von Anhalt als den «Agitator des


europäischen Umsturzes» bezeichnet, den eigentlich
Verantwortlichen für den Dreißigjährigen Krieg. Jedenfalls
handelte es sich bei ihm um einen hochgradig ideologisch
ausgerichteten Politiker, der die politischen Konstellationen
wesentlich nach der Unterscheidung von Freund und Feind
beurteilte und unausgesetzt mit dem Schmieden
antihabsburgisch-antikatholischer Koalitionen beschäftigt
war. [16] Der 1568 geborene Christian war in einem
lutheranischen Elternhaus aufgewachsen, in dem man
Melanchthons Theologie gegenüber einem orthodoxen
Luthertum, den sogenannten Gnesiolutheranern, bevorzugte.
1592 bekannte Christian sich offen zum Calvinismus und
folgte damit einem Weg, den viele Anhänger Melanchthons
einschlugen, um sich von einer zunehmend
selbstzufriedenen und behäbig gewordenen lutheranischen
Orthodoxie abzusetzen. Christian war ungewöhnlich
sprachbegabt und hatte eine überaus gewinnende Art im
Umgang mit Menschen. Schon früh entfloh er der Enge des
anhaltinischen Hofes mit den beiden Residenzen Dessau und
Bernburg; er reiste nach Dresden, Prag und Wien, beteiligte
sich an einer Gesandtschaft zum türkischen Sultan nach
Konstantinopel und unternahm schließlich die für junge
Adlige obligate Italienreise. 1591 war er Führer eines
Hilfskorps, das die deutschen Protestanten zur
Unterstützung des Hugenottenführers Heinrich von Navarra
geworben hatten, und im Jahr darauf kommandierte er ein
protestantisches Heer in der Straßburger Bischofsfehde.
Christian verfügte somit, als er 1594 Statthalter in der
Oberpfalz wurde, über militärische Erfahrungen und
internationale Kontakte, und vor allem hatte er gute
Beziehungen zu Heinrich IV., dem früheren
Hugenottenführer, der nach seiner Konversion zum
Katholizismus («Paris ist eine Messe wert») französischer
König geworden war. Im Prinzip hätte sich die relativ kleine
Kurpfalz, deren Reputation im Reich größer war als ihre
Ressourcen, [17] keinen erfahreneren Mann wünschen
können. Aber Christian neigte dazu, seine eigenen
Fähigkeiten, zunächst die des Diplomaten, später auch die
des Feldherrn, zu überschätzen, und besonders überschätzte
er das Gewicht der Pfalz in dem politischen Spiel, auf das er
sich eingelassen hatte.
Die protestantische Union, an deren Zustandekommen
Christian maßgeblichen Anteil hatte, war als Bündnis für
eine riskante Politik ungeeignet, was sich auch in ihrer
strukturell defensiven Ausrichtung zeigte. Sie war
entstanden, weil nach der Affäre von Donauwörth auch die
lutherischen Landesherrn Süddeutschlands sowie die
süddeutschen Reichsstädte eine ausgreifende
Restitutionspolitik der katholischen Seite fürchteten, und
Kurbrandenburg stieß zur Union, weil es sich bei der
Verfolgung seiner Erbansprüche am Niederrhein, von denen
noch die Rede sein wird, deren politisch-militärischen
Rückhalt sichern wollte. Die Interessen der in der Union
Verbündeten waren somit überaus heterogen, und schon
deswegen erforderte deren Führung großes politisches
Geschick, viel Geduld und immer wieder Zurückhaltung bei
Möglichkeiten, die eine auf Risiko hin angelegte Politik
nutzen würde. Für eine von Geduld und Zurückhaltung
gekennzeichnete Politik aber war Christian nicht der richtige
Mann.
Der große Erfolg, den die Pfälzer mit der Bildung eines
auch Lutheraner einschließenden Bündnisses erzielt hatten,
der Übergang von der Projektemacherei zur Realpolitik,
legte nahe, dass sich Christian und die Intellektuellen in
seiner Umgebung von den internationalen
Koalitionsprojekten verabschiedeten und sich auf die
Konstellationen im Reich konzentrierten. Darauf aber wollte
sich Christian nicht beschränken; für ihn war die Union erst
der Anfang eines großen Systems protestantischer
Bündnisse, ein wichtiges Glied darin, aber auch nicht mehr.
Damit verschätzte er sich jedoch im Charakter der Union,
schwächte sie letzten Endes und machte das Schwert, das er
für den Kampf geschmiedet hatte, wieder stumpf. Das
begann mit dem Bündnis, das die Kurpfalz 1612 mit dem
englischen König Jakob I. schloss und zu dessen Besiegelung
die Ehe zwischen Friedrich und Elisabeth angebahnt wurde.
Dieses Bündnis, das die Risikobereitschaft der pfälzischen
Politik nur noch bestärkte, beruhte auf einer doppelten
Fehleinschätzung: Jakob überschätzte die innere Festigkeit
und Handlungsfähigkeit der Union, und die Pfälzer
wiederum überschätzten die Bereitschaft des englischen
Königs, sich in die Konflikte des Kontinents verstricken zu
lassen. [18] In der Folge überschätzten die Pfälzer ihr
politisches Gewicht, und gleichzeitig vermochten sie die
politischen Möglichkeiten, die ihnen die Union bot, nicht zu
nutzen.

Auch die katholische Seite war nicht untätig geblieben:


Unter Führung Herzog Maximilians von Bayern wurde am
10. Juli 1609 in München die Liga als Pendant zur Union
gegründet; neben Bayern gehörten ihr vor allem
süddeutsche Prälaten an, die sich durch das Bündnis der
Protestanten bedroht fühlten. Es waren dies der
Fürstbischof von Würzburg, die Bischöfe von Konstanz,
Augsburg, Passau und Regensburg, der Propst von
Ellwangen und der Fürstabt von Kempten. Schon ein Jahr
später traten die Erzbistümer am Rhein der Liga bei,
Kurmainz, Kurtrier und Kurköln, und bald danach erlangten
auch die habsburgischen Erzherzöge Maximilian, Regent von
Tirol, und Ferdinand, Herr über die Steiermark, sowie der
burgundische Reichskreis Aufnahme. Damit konnte es die
Liga ohne weiteres mit der Union aufnehmen, zumal ihre
finanzielle Ausstattung eine sehr viel solidere Grundlage
hatte als die der Union. Außerdem stand mit Herzog
Maximilian ein umsichtiger und sehr viel realistischerer
Politiker an ihrer Spitze, als das mit Friedrich V. und
Christian von Anhalt bei der Union der Fall war. Freilich
hatte auch die Liga das Problem, das der Union so sehr zu
schaffen machte, nämlich die recht unterschiedliche
Interessenlage ihrer Mitglieder, die einer entschiedenen
Politik des Bündnisses ein ums andere Mal im Wege stand.
Maximilian hat den Beitritt der beiden habsburgischen
Erzherzöge nicht als Stärkung, sondern als Lähmung der
Liga begriffen. Er hat das Bündnis darum zeitweilig
verlassen, um es 1619, ganz im Sinne seiner eigenen
Vorstellungen, zu reorganisieren. Diese Vorstellungen liefen
darauf hinaus, dass er die Politik des Bündnisses bestimmte
und es keinen gab, der ihn daran hindern konnte. Das
Ausscheiden der beiden Habsburger aus der Liga hat ihm
diese Möglichkeit verschafft. Von nun an war das
katholische Bündnis – auch – ein Instrument der bayerischen
Interessenpolitik.
In fast jeder Hinsicht war Maximilian das Gegenteil von
Friedrich V. und Christian von Anhalt. [19] Zwar wies auch
seine Politik religiös geprägte Züge auf, aber diese fanden
dort ihre Grenze, wo landesherrschaftliche Interessen
betroffen waren. Das zeigte sich im Kriegsverlauf immer
wieder, sowohl im Konflikt mit Wallenstein als auch in der
Auseinandersetzung mit Ferdinand II. und Tilly über die
Frage, ob die nach Norddeutschland vorgestoßenen Truppen
der Liga von Ostfriesland aus in die Niederlande einfallen
und die Generalstaaten im Verbund mit der im Süden
operierenden spanischen Flandernarmee in die Zange
nehmen sollten. Maximilian hat dieses, rein
militärstrategisch betrachtet, überaus attraktive Projekt
mehrfach verhindert: Erstens, weil er «seine» Truppen nicht
im Interesse Spaniens eingesetzt wissen wollte, und
zweitens, weil er eine «Internationalisierung» des Krieges
fürchtete, die der Verfolgung seiner Interessen nur
abträglich sein konnte. In der Literatur über Maximilian ist
darum immer wieder die Frage diskutiert worden, ob der
Bayernherzog tatsächlich ein so entschiedener Kämpfer für
die Wiederaufrichtung des Katholizismus in Deutschland
gewesen sei, wie er selbst dies dargestellt hat, oder ob es
nicht vielmehr die Direktiven der Staatsräson waren, welche
die Leitlinien seiner Politik bildeten.
Das Porträt zeigt Maximilian in der zweiten Hälfte des Krieges, als es ihm vor
allem darum ging, die herkömmlichen Kräfteverhältnisse im Reich zu bewahren. In
der ersten Kriegshälfte trat er dagegen als ein entschiedener Anhänger der
Gegenreformation auf, die er mit Hilfe der katholischen Liga politisch durchsetzen
wollte. Trotz seiner Bemühungen um den Sieg der katholischen Kirche in
Deutschland verlor Maximilian niemals seine spezifisch bayerischen Interessen
aus dem Auge.

Die Voraussetzungen für eine derart entschlossene und


kraftvolle Führung der katholischen Liga hatte Maximilian
nach seinem Regierungsantritt am 4. Februar 1598 selbst
geschaffen. Er übernahm von seinem Vater Herzog
Wilhelm V. ein Land, das sich ein Jahrzehnt lang notorisch
am Rande des Staatsbankrotts bewegt hatte. Wilhelm, der
eine große Leidenschaft für Prachtbauten hatte, musste
abdanken, weil niemand mehr bereit war, ihm Kredit zu
gewähren, und auch die Landstände angesichts des
ruinierten Staatshaushalts am Ende ihrer Geduld waren.
Maximilian war das genaue Gegenteil seines Vaters:
sparsam und finanzpolitisch versiert, auf die
Rationalisierung der Verwaltung bedacht und von
ungeheurem Fleiß bei der Überwachung all dessen, was er
angeordnet hatte. In der Regel stand er morgens gegen vier
Uhr auf, um Dokumente und Briefe durchzuarbeiten sowie
die Berichte seiner Administratoren zu studieren. Maximilian
war eine jener frühabsolutistischen Persönlichkeiten, die
sich vom Staatsinteresse leiten ließen und den Staat nicht
als Mittel ihrer Selbstdarstellung nutzten. Bei der
Entwicklung dieser strengen Selbstdisziplin dürfte ihm
zugutegekommen sein, dass er von Jesuiten erzogen und
ausgebildet worden war, zunächst in München, dann an der
Universität Ingolstadt, wo Erzherzog Ferdinand, der spätere
Kaiser, sein Kommilitone war. Jedenfalls schaffte es
Maximilian innerhalb weniger Jahre, die Defizite im
bayerischen Staatshaushalt zu beseitigen und stattdessen
einen Staatsschatz anzulegen, der ihm den gewünschten
politischen Spielraum gab: gegenüber den anderen
mittelstarken Mächten im Reich, gegenüber der
protestantischen Union, gegenüber dem Kaiser, aber auch
gegenüber den eigenen Landständen, die ihm während
seiner langen Regierungszeit von 1598 bis 1651 niemals
Schwierigkeiten bereiteten. Sie vertrauten darauf, dass der
Herzog in seiner Finanz- und Kriegspolitik stets die
allgemeinen Interessen des Landes im Auge hatte, so dass
sie sich nicht als Repräsentanten des Gemeinwohls gegen
das fürstliche Eigeninteresse stellen mussten. Das waren
hervorragende Voraussetzungen für die Führung eines
Bündnisses.
Auch hatten die Bündnispartner der Liga größeres
Vertrauen zu ihrem Bundesobristen Maximilian als die
Unierten zu Christian von Anhalt. Die Liga hatte die deutlich
effizientere und autoritärere Bundesstruktur. [20] Deswegen
war sie in Krisen und Konflikten schneller reaktionsfähig,
und ihre letztlich unter bayerischem Kommando stehenden
Truppen waren sehr viel schlagkräftiger als das
zusammengestückelte Heer der Union. Da Maximilian bei
der Verfolgung seiner politischen Ziele keine anderen
Optionen hatte als die Liga, konzentrierte er sich ganz auf
sie und baute sie zu einem Instrument aus, mit dem er seine
Macht als bayerischer Herzog erweitern wollte. Das war
auch deswegen möglich, weil der Kaiser (zum Zeitpunkt der
Gründung noch Rudolf II., danach Matthias) dem Bündnis
zunächst nicht beitrat, es aber wohlwollend unterstützte, so
dass es zu einer strukturellen Arbeitsteilung zwischen Liga
und Kaiser kam: Die Liga konzentrierte sich ausschließlich
auf die katholischen Interessen im Reich, während die
internationalen Verbindungen der katholischen Seite vom
Kaiser gepflegt wurden. Das betraf vor allem die Kontakte zu
Spanien, also das Verhältnis zwischen den beiden Zweigen
des Hauses Habsburg. So blieb die Liga frei von
Verpflichtungen gegenüber Madrid und konnte sich, als
diese an sie herangetragen wurden, erfolgreich dagegen zur
Wehr setzen. Kurzum: Die Liga verfügte im Vergleich zur
Union über eine sehr viel größere operative Beweglichkeit,
und das sollte sich in der Anfangsphase des Krieges in aller
Deutlichkeit zeigen. [21] Die mit jeder Form von
Koalitionskriegführung verbundenen Probleme wurden bei
der Liga durch die starke Stellung des Bundesobristen in
Grenzen gehalten, und Maximilian sorgte dafür, dass es
dabei blieb. Als die Liga durch den Beitritt zweier
habsburgischer Erzherzöge nur noch schwer zu steuern war,
trat Maximilian, wie gesagt, aus und paralysierte sie
dadurch, um bei ihrer Wiederbelebung dafür zu sorgen, dass
sie ein politisches Instrument in seinen Händen blieb. Im
Fall der Union dagegen führten die Koalitionsfragen zur
Lähmung des Bündnisses, und um diese Lähmung zu
überwinden, hätte es einer sehr viel stärkeren Macht an
ihrer Spitze bedurft als der Kurpfalz und eines sehr viel
stärker auf die Handlungsfähigkeit des Bündnisses
bedachten Anführers als eines Christian von Anhalt.
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum
Jülich-Kleve-Berg
Die Probleme der Union zeigten sich umgehend im
Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg mit
den Grafschaften Mark und Ravensberg. Seit langem war
absehbar, dass Herzog Johann Wilhelm kinderlos sterben
würde. Der Streit um Jülich-Kleve-Berg fand seinen
Niederschlag in zwei Krisen: Die erste zog sich vom März
1609 bis zum Oktober 1610 hin und stürzte Westeuropa
beinahe in einen großen Krieg, der nur durch eine Reihe von
Zufällen nicht stattfand; in der zweiten Krise zwischen Mai
und September 1614 bewährten sich dann ein letztes Mal
die Krisenbearbeitungsmechanismen des Reichs, die sich
seit dem Augsburger Religionsfrieden herausgebildet hatten.
In beiden Krisen um Jülich-Kleve-Berg zeigte sich einmal
mehr der labile, ungeklärte Zustand, in dem sich das Reich
zu Beginn des 17. Jahrhunderts befand: Es taumelte ständig
am Rande eines Krieges, und jeder regional begrenzte
Konflikt hatte das Zeug, zum Anlass eines ganz Europa
erfassenden Konfliktes zu werden; andererseits verstrichen
viele Ereignisse, die ein Anlass zum Krieg hätten sein
können; und schließlich blieben einige Kriege, die
stattfanden, räumlich wie zeitlich eng begrenzt. Es gab
darum im Frühjahr 1618 keinen Grund zu der Annahme,
dass der Konflikt in Böhmen zwangsläufig zu einem großen
europäischen Krieg führen werde. Nachdem man die beiden
großen Krisen um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg
gemeistert hatte, war man sogar zuversichtlich, auch mit
diesem Problem fertigwerden zu können, ohne in einen
Krieg hineinzuschlittern.
Am Niederrhein war wegen des benachbarten Kurköln, wo
der Verbleib bei der katholischen Kirche in den Jahren 1583
bis 1585 nur unter Einsatz von Militär hatte sichergestellt
werden können, sowie der Nähe zu den Niederlanden die
Wahrscheinlichkeit eines großen Krieges um einiges höher
als danach in Böhmen. Der Historiker Volker Press hat den
Niederrhein darum eine «Wetterecke der europäischen
Politik» genannt. [1] Es war nicht zuletzt die Zuversicht der
Akteure, die politischen Prozesse unter Kontrolle behalten
zu können, die den Konflikt in Böhmen eskalieren ließ.
Selbstverständlich spielte die beschriebene Lähmung der
Reichsinstitutionen im böhmischen Fall eine wichtige Rolle,
aber die hatte es auch schon beim Jülicher Erbfolgekrieg
gegeben, und doch waren dort die Militäroperationen eng
begrenzt geblieben. Gerade das scheint dazu beigetragen zu
haben, dass einige leichtsinnig wurden und die Risiken
falsch einschätzten. Daneben gab es all jene, die ohnehin
von der Unvermeidlichkeit eines großen Krieges in Europa
überzeugt waren und deswegen keinerlei Anstalten
machten, einen Waffengang zu verhindern. Aber auch die
hatte es bereits im Streit um Jülich-Kleve-Berg gegeben, und
trotzdem ist es dort zweimal «gutgegangen». Dass dabei der
Zufall eine Rolle gespielt hatte, übersahen die meisten, wie
ja Politiker häufig dazu neigen, den Faktor Kontingenz bei
der Betrachtung von Ereignissen und deren Ausgang zu
unterschätzen, weil sie alles (oder doch fast alles) ihrem
eigenen Planen und Handeln zuschreiben.
Die Nachfolge im Herzogtum Jülich-Kleve-Berg war ebenso
attraktiv wie kompliziert. Sie war attraktiv, weil die
fraglichen Gebiete zu den wohlhabendsten Deutschlands
gehörten und aus ihnen demgemäß hohe Einnahmen zu
erzielen waren; außerdem waren sie geopolitisch zentral
gelegen: Wer den Niederrhein beherrschte, war ein starker
Akteur in der nordwesteuropäischen Politik. Letzteres war
auch der Grund, warum die Nachfolge in Düsseldorf, der
Residenz des Herzogs, keine Angelegenheit war, die
ausschließlich innerhalb des Reichs geklärt werden konnte;
die Interessen Spaniens, Frankreichs und der Niederlande
waren unmittelbar berührt. Die Nachfolgefrage war
kompliziert, weil zu der internationalen Interessenkollision
eine konfessionelle Zersplitterung im Herzogtum hinzukam;
die Herrscher hatten angesichts der verschiedenen
Einflussnahmen auf ihre Gebiete darauf verzichtet, eine
Konfessionalisierungspolitik nach den Vorgaben des
Augsburger Religionsfriedens (cuius regio eius religio) zu
betreiben. Daher lagen hier katholische, lutherische und
reformierte Gemeinden nebeneinander. Vor allem aber gab
es eine Reihe von Prätendenten auf die Erbfolge, deren
unterschiedlich begründete Ansprüche nicht leicht
gegeneinander zu gewichten waren. Schließlich verbanden
sich mit den verschiedenen Prätendenten auch noch
unterschiedliche konfessionelle Zugehörigkeiten, womit
einmal mehr die opponierenden Parteien der Protestanten
und Katholiken im Spiel waren. [2] Der Erbfolgestreit um das
Herzogtum Jülich-Kleve-Berg hatte somit alle
Voraussetzungen, zu einem großen europäischen Krieg zu
eskalieren.
Als Herzog Johann Wilhelm am 25. März 1609 in
Düsseldorf starb, hatten sich alle Seiten bereits auf den
Eintritt des Erbfalls eingestellt: Johann Wilhelm war nämlich
nicht nur kinderlos, sondern auch «geisteskrank», und da er
nicht in der Lage war, sein Land selbst zu regieren, stand
seine Herrschaft von Anfang an unter einer Regentschaft.
Deren Befugnisse waren freilich umstritten: Bereits unter
Johann Wilhelms Vater, Herzog Wilhelm V., war eine solche
Regentschaft eingerichtet worden, weil der Herzog in den
letzten Jahren seines Lebens als schwachsinnig galt und
seine Entscheidungen zahlreiche Streitigkeiten verursacht
hatten. Die Regenten hatten ihre Entscheide jedoch dem
Herzog zur Unterschrift vorlegen müssen. Die Frage war
nun, ob im Fall des geisteskranken Johann Wilhelm die
Entscheidungsbefugnisse der vom Kaiser eingesetzten
Regenten größer wurden, etwa der Art, dass sie
Entscheidungen ohne herzogliche Einwilligung treffen
konnten, oder ob die Ehefrau Johann Wilhelms, die Herzogin
Jakobe, die Position ihres Schwiegervaters übernahm und
die Regentenentscheide gegenzeichnete. Nun hatte Johann
Wilhelm aber noch vier Schwestern, die für ihre Ehemänner
ebenfalls Erbansprüche erhoben, nämlich für die Häuser
Brandenburg, Pfalz-Neuburg, Pfalz-Zweibrücken und
schließlich, nicht ganz ebenbürtig, da der Verbindung
Erzherzog Ferdinands von Tirol mit der Augsburger
Bürgertochter Philippine Welser entstammend, noch der
Markgraf Karl von Burgau. Sie widersetzten sich einer
stärkeren Rolle der Herzogin Jakobe und verlangten, den
«irrsinnigen Herzog und die Administration seiner Lande
unter Curatel» zu stellen. [3]
Jakobe, eine, wie immer wieder zu lesen, eigenwillige und
machtbewusste Frau, geriet sehr schnell mit den
Prätendenten des Erbes in Konflikt, danach mit den
katholischen Räten und den protestantischen Vertretern in
den Ständen des Landes. Nachdem sie sich mit allen
relevanten Gruppen überworfen hatte, kam es zu einem
Ausbruch des sogenannten Volkszorns gegen sie. Dieser
Tumult war von ihren Gegnern mit der Behauptung
angezettelt worden, sie sei ebenso herrschsüchtig wie
untreu und halte den Herzog ohne Not gefangen. Ihre
Schwägerin Herzogin Sibylla erhob gegen Jakobe Anklage
wegen Ehebruchs, und so wurde Jakobe unter Kassierung
aller Rechte und Befugnisse kurzerhand eingekerkert. Am
3. September 1597 fand man sie tot in ihrer Zelle,
wahrscheinlich ermordet von Schergen eines ihrer
Widersacher, des prokaiserlichen Marschalls Wilhelm von
Waldburg. Anschließend verpflichteten sich die mit der
Regentschaft betrauten Räte, nach dem Tod des
geisteskranken Herzogs keinem der Prätendenten Zugang zu
den Landen zu gewähren, bevor nicht die Rechte aller
Bewerber von Kaiser und Reich geprüft und beurteilt
worden seien. Das zielte darauf ab, die zu diesem Zeitpunkt
allesamt protestantischen Bewerber vom Herzogtum
fernzuhalten und dort den katholischen Einfluss
sicherzustellen. [4] Die Distanz zu den Erbprätendenten
wurde noch verstärkt, als der geisteskranke Herzog in
zweiter Ehe Antonie von Lothringen heiratete, die auf eine
enge Verbindung mit dem Kaiser achtete, und die vierte von
Johann Wilhelms Schwestern, die bereits erwähnte Sibylla,
den ebenfalls bereits genannten Markgrafen von Burgau
heiratete, der katholisch war. Den drei protestantischen
Prätendenten blieb damit nichts anderes übrig, als sich auf
die Suche nach Verbündeten zu begeben, die ihnen im
Erbfall beistehen würden. Das war der Stand der Dinge, als
Johann Wilhelm am 25. März 1609 starb.
Politisch waren die Erbstreitigkeiten um das Herzogtum
Jülich-Kleve-Berg eine Zeitbombe: Spanien und die südlichen
Niederlande waren an einer katholischen, die nördlichen
Niederlande dagegen an einer protestantischen Nachfolge
interessiert, die Anwärter konnten sich untereinander nicht
verständigen, und die kaiserliche Macht war durch den
«Bruderzwist im Hause Habsburg» gelähmt. Zudem gab es
gute Gründe dafür, dass sich der Kaiser, wenngleich seine
Präferenzen einer katholischen Lösung galten, nicht allzu
sehr exponierte, um zu vermeiden, dass sich eine gegen
seine Entscheidung gerichtete Koalition aus Reichsständen
und auswärtigen Mächten bildete. Solange er nicht
entschieden hatte, konnte man die Erbprätendenten
gegeneinander ausspielen; hatte er sich erst einmal
festgelegt, war das nicht mehr möglich. Es war nicht zuletzt
diese Konstellation, die dazu führte, dass man im Reich nicht
gerade tatkräftig nach einer Lösung des Problems suchte.
Durch die Untätigkeit des Kaisers verlor der Herzog von
Burgau im Ringen um die Nachfolge an Bedeutung, und
auch der Herzog von Pfalz-Zweibrücken spielte zuletzt keine
Rolle mehr, da es ihm nicht gelungen war, relevante
Verbündete auf seine Seite zu ziehen.
So konkurrierten in der Erbschaftsfrage mehr und mehr
der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund und
Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg beziehungsweise
dessen Sohn Wolfgang Wilhelm. Da Brandenburg sich die
Unterstützung der Kurpfalz und der vereinigten
niederländischen Provinzen, der Generalstaaten, gesichert
hatte, war es naheliegend, dass die Neuburger auf der
Gegenseite nach Verbündeten suchten. Aber wer war die
Gegenseite? Philipp Ludwig, ein Lutheraner, setzte auf ein
lutherisches Bündnis, kam dabei aber infolge der notorisch
abwartenden Haltung Kursachsens nicht sonderlich weit.
Sein Sohn Wolfgang Wilhelm verhandelte nicht nur mit dem
Kaiser, sondern nahm auch mit Philipp III. von Spanien und
Erzherzog Albrecht, dem Regenten der spanischen
Niederlande, Kontakt auf. Als klar war, dass er dort auf
Gegenliebe stieß, stellte sich der französische König
Heinrich IV., um dessen Unterstützung zunächst beide
Seiten geworben hatten, auf die Seite Brandenburgs. Nicht
weil er, wie einige meinten, im Grunde seines Herzens nach
wie vor Calvinist war, sondern weil aus machtpolitischen
Gründen das fragliche Gebiet an der sensiblen
Nordostflanke Frankreichs keinem prospanischen Fürsten
anheimfallen sollte. [5]
Bei dieser Entwicklung spielte einmal mehr Christian von
Anhalt eine zentrale Rolle: In der entscheidenden Phase der
Koalitionsbildung reiste er selbst nach Frankreich, um
Heinrich IV. für das von ihm seit langem verfolgte Projekt
einer internationalen antihabsburgischen Koalition zu
gewinnen. Und dieses Mal stieß er beim französischen König
auf offene Ohren, denn jetzt passten die eher geopolitischen
Überlegungen Heinrichs und die antikatholisch-
antihabsburgischen Pläne Christians zusammen. Es muss
offenbleiben, wer hier wen instrumentalisiert hätte, wenn
das Vorhaben gelungen wäre, den Erbschaftsstreit um
Jülich-Kleve-Berg zu nutzen, um die Machtverhältnisse in
Europa neu zu ordnen. Dazu ist es jedoch nicht gekommen,
denn Heinrich IV. wurde am 14. Mai 1610, wenige Tage
bevor er an der Spitze seiner Armee in den Krieg ziehen
wollte, von dem katholischen Fanatiker François Ravaillac
ermordet. Die Königinwitwe Maria de’Medici, die für ihren
noch minderjährigen Sohn Ludwig XIII. die Regentschaft
führte, ließ die Armee zwar gegen die Festung Jülich
marschieren, aber nach deren schnellem Fall zog sie das
Militär zurück und verzichtete auf jede weitere Provokation
gegen Erzherzog Albrecht in den südlichen Niederlanden,
die zu einem Zusammenstoß zwischen Spanien und
Frankreich hätte führen müssen. Auf einen solchen hatte
Heinrich IV. jedoch gerade gesetzt – jedenfalls lassen seine
Planungen den Schluss zu, dass er einen gleichzeitigen
Angriffskrieg gegen das spanisch kontrollierte Herzogtum
Mailand und gegen die spanischen Niederlande mit dem
Zentrum Brüssel führen wollte. Sein Vorstoß auf Jülich sollte
Spanien zu einer Reaktion zwingen, die den großen
europäischen Krieg ausgelöst hätte. [6]
Maria de’Medicis «Rückzieher» erfolgte aufgrund einer
Lagebeschreibung, wie sie in ähnlicher Weise auch dem
spanischen Agieren im Erbfolgestreit von Jülich-Kleve-Berg
zugrunde lag: Eine protestantische Erbfolge am Niederrhein
lag nicht im spanischen Interesse, aber man wollte in Madrid
den gerade geschlossenen zwölfjährigen Waffenstillstand mit
den Generalstaaten nicht durch eine Intervention in
Deutschland aufs Spiel setzen; deswegen hatte der in
Brüssel residierende Erzherzog Albrecht alle Hilfsersuche,
die ihn aus Jülich erreichten, dilatorisch behandelt –
zweifellos in Abstimmung mit Madrid. [7] Die führenden
Politiker in Madrid, vom Herzog von Lerma über Balthasar
de Zúñiga und den Grafen Oñate bis zum Grafen Olivares,
gingen ebenso wie die führenden Männer in Paris, vom
Herzog von Sully, dem strategischen Kopf hinter
Heinrich IV., bis zu Kardinal Richelieu, der die französische
Politik unter Ludwig XIII. bestimmte, davon aus, dass der
Kampf um die Hegemonie in Europa zwischen Spanien und
Frankreich ausgetragen werden würde. Spanien sah sich
dabei in der Rolle des beatus possidens, der die
Hegemonialposition innehatte und sie lediglich verteidigen
musste, während Frankreich angreifen und sie erobern
musste, woran es durch ein halbes Jahrhundert innerer
Streitigkeiten und konfessioneller Bürgerkriege gehindert
worden war. Deutschland und Italien waren die Gebiete, in
denen dieses Ringen um die europäische Hegemonie
ausgetragen würde. Insoweit stimmten beide Mächte in der
Analyse der politischen Lage überein, und dementsprechend
beobachteten ihre führenden Politiker jede Veränderung und
jede politische Erbangelegenheit in beiden Territorien mit
äußerster Aufmerksamkeit. [8] Aber die Schlussfolgerungen,
die man für die operative Politik daraus zog, unterschieden
sich doch deutlich voneinander, und diese Unterschiede
betrafen nicht nur Madrid und Paris, sondern sie änderten
sich auch mit dem politischen Führungspersonal, das in den
Herrschaftszentren jeweils das Sagen hatte. Natürlich
suchte man nach mächtigen Verbündeten im Kampf um die
europäische Hegemonie, wobei England immer wieder ins
Spiel kam, und nicht zuletzt wurde in diesem Dreieck
notorisch über Heiratsprojekte nachgedacht, die Konkurrenz
in Kooperation verwandeln sollten.
Dafür, wie Madrid und Paris die allgemeine Lage
beurteilten, spielten mehrere Parameter eine Rolle: Da war
zunächst der Blick auf die Situation im Innern des jeweiligen
Landes, auf die wirtschaftliche Entwicklung, die finanzielle
Leistungsfähigkeit und auf die inneren Konflikte, die offen
zutage tretenden, aber auch die latent vorhandenen. Je
nachdem, zu welchem Ergebnis man dabei kam, hielt man
das Land für fähig, Krieg zu führen, oder eben nicht.
Heinrich IV. war schließlich zu dem Ergebnis gekommen, die
innere Spaltung der französischen Gesellschaft sei
überwunden und die von ihm eingeleitete Reform der
Verwaltung habe dazu geführt, dass es keine Staatsschulden
mehr gebe und stattdessen ein Staatsschatz angesammelt
worden sei, der eine offensive Außenpolitik ermögliche. [9]
Zur selben Zeit gelangte in Madrid der Herzog von Lerma
zu der Auffassung, dass Spanien den Krieg in den
Niederlanden beenden müsse, da er gewaltige Ressourcen
verschlungen hatte, ohne dass Fortschritte oder gar ein
militärischer Sieg absehbar waren, und dass die
administrative Struktur des Imperiums neu geordnet werden
solle. [10] Trotz des permanenten Silberzuflusses aus der
Neuen Welt – er deckte bis zu einem Viertel der
Staatsausgaben Spaniens – hatte man sich in den
zurückliegenden Jahrzehnten ständig am Rande des
Staatsbankrotts bewegt, und mehrere Male hatte man
diesen auch erklären müssen. Im Jahr 1607 standen
Einnahmen von etwa sechs Millionen Dukaten Ausgaben in
Höhe von dreizehn Millionen Dukaten gegenüber. [11] Unter
diesen Umständen war die Verwicklung in einen neuerlichen
Krieg unbedingt zu vermeiden.
Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Lagebeurteilung: Lief
die Zeit für oder gegen die eigene Macht und die von ihr
erhobenen Ansprüche? Bei dieser Frage ging es nicht nur
um die internationalen Konstellationen im Allgemeinen, also
die Veränderung von Bündnissystemen oder sich
abzeichnende Koalitionen, sondern auch um die Entwicklung
der eigenen Ressourcen im Vergleich zu denen des
Hauptkonkurrenten im Ringen um Macht und Einfluss.
Erwogen wurde, ob man der Profiteur einer ungestörten
Entwicklung sein würde – oder ob man eingreifen musste,
um Nachteile zu vermeiden, und Eingreifen lief in der Regel
darauf hinaus, dass man Krieg führte. Die Spanier kamen
gegen Ende des zwölfjährigen Waffenstillstands mit den
Niederlanden zu dem Ergebnis, dass dessen Folgen für sie
unbefriedigend waren, weil er zu einer Verschlechterung der
eigenen und zu einer Verbesserung der niederländischen
Position geführt hatte. Don Carlos Coloma, einer der
Kommandeure der spanischen Armee in Flandern,
formulierte das so: «Wenn die Holländer in nur zwölf Jahren
des Friedens all dies unternommen und erreicht haben, so
ist leicht zu sehen, wozu sie imstande sind, wenn wir ihnen
noch mehr Zeit geben. […] Wird der Waffenstillstand
fortgesetzt, so sind wir dazu verurteilt, alle Übel eines
Friedens und zugleich alle Gefahren des Krieges zu
erdulden.» [12]
Derartige Schlussfolgerungen aus der Analyse der
internationalen Lage waren indes keineswegs zwingend, und
oft kamen die damit Befassten zu entgegengesetzten
Ergebnissen. Es handelte sich um Urteile, bei deren
Zustandekommen die Gewichtung einzelner Faktoren sowie
die Grundeinstellung des Beurteilenden eine große Rolle
spielten: Wie man Risiken einschätzte und gegen Chancen
abwog, lag letzten Endes «im Auge des Betrachters». In
dieser Frage kamen sowohl spanische als auch französische
Politiker mitunter zu unterschiedlichen Ergebnissen, und
welches davon sich durchsetzte und zur Leitlinie der Politik
wurde, entschied sich häufig in einem Machtkampf. Man
kann es auch umgekehrt formulieren: Bei den
Machtkämpfen in den europäischen Metropolen ging es
immer auch um unterschiedliche Beurteilungen der
politischen Konstellationen auf dem Kontinent und die
daraus zu ziehenden Konsequenzen.
Wenn diese diversen Aspekte gegeneinander abgewogen
wurden, dürfte das Okkasionelle häufig eine
ausschlaggebende Rolle gespielt haben – also das
unerwartete und an den Augenblick gebundene Eintreten
von Gelegenheiten, die, sofern energisch wahrgenommen,
eine Veränderung der Machtverhältnisse zu eigenen
Gunsten versprachen. Solche Gelegenheiten waren häufig
jedoch trügerisch, und was auf den ersten Blick große
Vorteile verhieß, konnte sich schnell als das Gegenteil
erweisen. Alles hing davon ab, wie man die Lage im
Allgemeinen beurteilte: Wer den großen Krieg in Europa für
unvermeidlich hielt, hatte eine stärkere Neigung, «günstige
Gelegenheiten» zu ergreifen und einen Krieg zu beginnen,
als derjenige, der von der Zwangsläufigkeit eines großen
Krieges nicht überzeugt war und in Betracht zog, dass man
einen solchen Krieg auch verlieren konnte. In der Regel
bewegten sich diejenigen, die über die
Entscheidungskompetenz verfügten, irgendwo dazwischen:
Sie wollten nicht auf die allererste Gelegenheit hereinfallen,
gingen aber durchaus davon aus, dass es günstige
Gelegenheiten gab, erfolgreich einzugreifen,
beziehungsweise Situationen, in denen man nicht länger
zuwarten konnte, wenn man den Kampf um die Macht nicht
verlieren wollte. In einer Ordnung, die
Entscheidungskompetenz bei wenigen zentrierte und
überdies Macht- und adlige Statusfragen unmittelbar
miteinander verknüpfte, spielte der Charakter des jeweiligen
Herrschers und seiner Berater die ausschlaggebende Rolle.

Heinrich IV., um zum Jahr 1610 zurückzukommen, war


einerseits ein kühl kalkulierender Kopf, andererseits aber
durchaus entscheidungsfreudig. [13] Darin war er dem
Schwedenkönig Gustav Adolf vergleichbar, der ebenfalls
viele Aspekte zu bedenken vermochte und doch in der Lage
war, alles auf eine Karte zu setzen, wenn er den Einsatz für
lohnend hielt. Ein solcher Typ von Politiker befand sich in
Spanien nicht an den Schalthebeln der Macht. In Frankreich
hatte nach Heinrichs Ermordung mit der Königinwitwe
Maria de’Medici für einige Zeit ein Charaktertyp das Sagen,
der gänzlich andere Präferenzen hatte als Heinrich, der auch
die Lage anders beurteilte und eher am Status quo als an
dessen Veränderung orientiert war. Insofern kann man wohl
sagen, der Attentäter Ravaillac habe entscheidend in den
Gang der europäischen Geschichte eingegriffen, als er
Heinrich erstach. Er hat wahrscheinlich verhindert, dass der
große Krieg in Europa bereits 1610 oder 1611 begann. Auf
den ersten Blick verhinderte Ravaillac den Krieg, tatsächlich
aber hat er ihn lediglich verzögert. Vermutlich hat die
Ermordung Heinrichs IV. dazu geführt, dass der Krieg, als er
dann tatsächlich losbrach, sich sehr viel länger hinzog, als er
gedauert hätte, wenn es 1610 zur Mächtekonfrontation
gekommen wäre. Es spricht vieles dafür, dass eine solche
Konfrontation sich wegen des gleichzeitigen Kriegseintritts
sämtlicher relevanter Großmächte explosionsartig entladen
hätte und vergleichsweise schnell auf dem Schlachtfeld
entschieden worden wäre. Man kann das als eine müßige
kontrafaktische Spekulation über Geschichtsverläufe abtun,
[14] und doch handelt es sich dabei um die analytische
Kehrseite der Theorien, die mit der Unterscheidung von
Anlass und Ursache arbeiten: Wo diese erwägen, ob der
Krieg unvermeidlich war und jeder beliebige Anlass zu
seinem Ausbruch hätte führen können oder ob es, wenn es
diesen oder jenen Anlass nicht gegeben hätte, auch nicht
zum Krieg gekommen wäre, geht es hier um die Frage, mit
welchen politischen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt
menschlichen Kosten der Krieg verbunden gewesen wäre,
wenn es sich von Anfang an um eine große Konfrontation
gehandelt hätte und er nicht erst schrittweise zu einem
Krieg geworden wäre.
Durch den Tod Heinrichs IV. blieb der Jülicher
Erbfolgekrieg räumlich wie zeitlich eng begrenzt. Er ist für
die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges vor allem
deshalb von Interesse, weil er einen anderen Verlauf nahm
als der Konflikt zwischen Ständen und Landesherren in
Böhmen. Nach dem Tod Johann Wilhelms ergriffen Kurfürst
Johann Sigismund von Brandenburg und Pfalzgraf Wolfgang
Wilhelm die Initiative und ließen durch entsprechend
instruierte Vertrauensmänner von Jülich-Kleve-Berg Besitz
ergreifen. Dabei waren sie in einigen Teilen des Landes
zunächst erfolgreich, aber sobald sich ihre Aktionen
überschnitten und die beiden um Loyalität konkurrierten,
rief das die Stände des Niederrheins auf den Plan, die
erklärten, sich vor einer abschließenden Entscheidung des
Kaisers keinem der beiden anschließen zu wollen. Damit war
aus Sicht der Prätendenten eine dritte Partei im Spiel, denn
sie sahen im Kaiser eher einen Konkurrenten als eine
neutrale Entscheidungsinstanz – zu Recht, wie sich im
weiteren Verlauf der Auseinandersetzung zeigen sollte. [15]
In dieser Situation ergriff Landgraf Moritz von Hessen-
Kassel die Initiative; er wollte verhindern, dass sich die
protestantischen Mächte gegenseitig blockierten, so dass am
Schluss die katholische Seite obsiegte. Moritz vermittelte ein
Treffen beider Seiten in Dortmund, wo diese sich im
«Dortmunder Rezeß» vom 10. Juni 1609 auf eine vorläufige
Teilung des Landes verständigten: «Daß erstlich beyde
Persohnen / biß zur fernern gutlichen oder rechtlichen
Austragh / sich jure familiaritatis, vnd als nahe Verwandten
vndt Bludtfreunden mit einander freundlich wollen begehen /
vndt wieder alle andere Anmassunge / zu erhaltung vnd
defension der Landen / zu sammen setzen […].» [16] So
gelang es, den Widerstand der Stände gegen die
Inbesitznahme der Territorien zu überwinden und in
Düsseldorf eine gemeinsame Regierung der beiden
«Possedierenden», wie sie sich fortan bezeichneten, zu
errichten. Dabei missachteten sie die kaiserlichen Mandate,
die jede Inbesitznahme durch einen Erbprätendenten
verboten, bis der kaiserliche Reichshofrat in der
Angelegenheit entschieden hatte. Aus Sicht des Kaisers
standen sie damit in offenem Aufruhr gegen das Reich,
während sie selbst argumentierten, der Reichshofrat sei in
der Angelegenheit gar nicht zuständig, sondern in einem
solchen Fall könne der Kaiser nur gemeinsam mit einer
Versammlung der Standesgenossen entscheiden. Insofern
sei ihr Handeln nicht Aufruhr, sondern Widerstand gegen
Unrecht. [17] Das war ein Legitimationsmuster, wie es im
Verlauf des Dreißigjährigen Krieges immer wieder
auftauchte: der Vorwurf des Aufruhrs und die dem
entgegengesetzte Rechtfertigung, man leiste nur legitimen
Widerstand.
Die kaiserliche Seite beließ es indes nicht bei bloßen
Ankündigungen: Erzherzog Leopold, Bischof von Passau und
Straßburg, traf am 23. Juli in der von einer kaisertreuen
Garnison unter dem Amtmann Johann von Rauschenberg
gehaltenen Festung Jülich ein und wurde dort umgehend
zum einzig legitimen Vertreter der Landesregierung erklärt.
Damit veränderte sich die Konstellation gravierend, denn
Leopolds Erscheinen mobilisierte nicht nur die katholischen
Vertreter innerhalb der Stände, sondern ließ auch die beiden
«Possedierenden» wieder auf Distanz zueinander gehen:
Während Kurbrandenburg offen gegen den Kaiser
opponierte, betrieb Wolfgang Wilhelm, der ja zuvor bereits
bei den katholischen Mächten sondiert hatte, inwieweit sie
seine Ansprüche unterstützen würden, eine Politik des
Lavierens. Da er mit Geldmitteln sehr viel besser
ausgestattet war als die chronisch klammen Vertreter
Kurbrandenburgs, neigte die Waage sich zu seinen Gunsten.
Das wiederum rief Christian von Anhalt und Landgraf Moritz
auf den Plan, die der Loyalität des Pfalzgrafen gegenüber
der Union misstrauten, dazu die nördlichen Niederlande, die
seit längerem schon in einer festen Verbindung zu
Kurbrandenburg standen. Auch König Jakob I. von England
plädierte dafür, dass Jülich-Kleve-Berg von einer wirklichen
Macht regiert werden solle und nicht von einem kleinen
Fürsten wie dem von Pfalz-Neuburg, der, da notorisch von
der Unterstützung anderer abhängig, ein Element der
Instabilität in diesen politisch sensiblen Raum bringen
werde. [18] So blieb Kurbrandenburg im Spiel, obwohl es
selbst nur einen bescheidenen Einsatz aufbrachte. Das lag
weniger an seinem geringen Interesse an den Besitzungen
am Niederrhein als vielmehr an dem Umstand, dass Johann
Sigismund zu dieser Zeit seine Aufmerksamkeit und die
Ressourcen seines Staates auf das ihm als Lehen der
polnischen Krone überlassene Preußen konzentrieren
musste.
Zwischenzeitlich hatte sich freilich gezeigt, dass das
Eingreifen Erzherzog Leopolds überstürzt erfolgt war und
keinem rechten Plan folgte; seine Bemühungen, von
Erzherzog Albrecht in Brüssel und von Spanien militärische
Unterstützung zu bekommen, schlugen fehl, da die
spanische Politik zu diesem Zeitpunkt jeden neuerlichen
Krieg in Nordwesteuropa vermeiden wollte. Darauf aber
wäre eine militärische Parteinahme für Leopold
hinausgelaufen, nachdem sich Heinrich IV. auf die Seite
Brandenburgs gestellt hatte. Als auch eine Versammlung der
kaisertreuen Fürsten in Prag ohne Ergebnis blieb, gab
Leopold die Jülicher Angelegenheit verloren und verließ den
Niederrhein. Die in der Festung Jülich verbliebenen Soldaten
mussten ebenfalls einlenken: Der vereinigten Streitmacht
der Possedierenden, der sie unterstützenden Union, den
nach dem Tod Heinrichs IV. dann doch in Marsch gesetzten
französischen Truppen (die zahlenmäßig freilich erheblich
kleiner waren als die vom König zugesagten Kontingente)
sowie einer Armee der nördlichen Niederlande und einer
Hilfstruppe Jakobs I. waren die Soldaten des Amtmanns
Rauschenberg nicht gewachsen – nach einer Belagerung von
knapp einem Monat übergaben sie die Festung. [19] Damit
endete die erste Etappe des Jülicher Erbfolgekriegs
zugunsten Brandenburgs und Neuburgs, die entsprechend
den Festlegungen des Dortmunder Vertrags das Land
zunächst gemeinsam verwalteten.

Für Christian von Anhalt war das ein großer Erfolg der
protestantischen Aktionspartei: Auf dem Unionstag in
Schwäbisch Hall hatten sich die versammelten Fürsten und
Städte nach anfänglichem Zögern entschlossen, die
Possedierenden zu unterstützen, und damit faktisch offensiv
agiert; außerdem hatten die oberdeutschen
Unionsmitglieder, als Erzherzog Leopold in seinen
Bistümern Passau und Straßburg mit Truppenwerbungen
begann und mehrere Regimenter Fußsoldaten sowie
berittene Einheiten aufstellen ließ, diese blockiert und am
Durchzug in Richtung Niederrhein gehindert, so dass sie den
bedrängten Verteidigern Jülichs nicht zu Hilfe kommen
konnten; schließlich waren Truppen der Union in
Straßburger Gebiet eingefallen und hatten das dort
bereitgestellte Militär Leopolds «zerstreut» – bei alldem
hatte auf Seiten der Protestanten Kursachsen kaum eine
Rolle gespielt. Währenddessen hatte die katholische Liga
dem Scheitern Erzherzog Leopolds am Niederrhein tatenlos
zugesehen und darauf verzichtet, militärisch einzugreifen.
[20] Es dürften nicht zuletzt diese Erfolge im Jülicher
Erbfolgekrieg gewesen sein, die Christian acht Jahre später
davon überzeugt sein ließen, dass die Union beim
böhmischen Ständeaufstand gegen Habsburg zu einer
ähnlich geschlossenen Politik und einer ebenso
wirkungsvollen Unterstützung der protestantischen Sache
fähig sein werde. Das war ein Irrtum mit weitreichenden
Folgen.
Bereits damals gab es Anzeichen dafür, dass die Union zu
einer offensiven Politik, wie sie Christian vorschwebte,
ungeeignet war und dass bei riskanteren Entscheidungen
eine größere Zahl von Bündnispartnern für strikte
Zurückhaltung eintreten würde. Das zeigte sich auf dem
Unionstag von Heilbronn, der ein halbes Jahr nach den
Beschlüssen von Schwäbisch Hall ein ganz anderes Gesicht
der Union zeigte. Als die Versammlung am 29. Juni 1610
eröffnet wurde, hatte die Belagerung Jülichs noch nicht
begonnen, und es war nicht absehbar, wie sich die Lage am
Niederrhein entwickeln würde. Stattdessen kam aus Prag
die Nachricht, der Kaiser wolle in Übereinstimmung mit den
katholischen und den von Sachsen angeführten
konservativen protestantischen Ständen die Unierten zu
Landfriedensbrechern erklären und bestrafen. Sosehr man
sich in der Jülicher Angelegenheit im Recht sah, so unsicher
waren sich nun viele wegen des offensiven Vorgehens auf
Straßburger Gebiet. Einige machten geltend, derlei sei
durch die Beschlüsse von Schwäbisch Hall nicht gedeckt; es
handele sich dabei um die Aktionen einiger Fürsten, bei der
man die Städte nicht gefragt habe, weswegen sie für die
entstandenen Kosten nicht aufkommen würden. [21] Neben
den unterschiedlichen Sichtweisen der Reformierten und der
Lutheraner trat damit der alte Gegensatz zwischen Städten
und Fürsten hervor, und die Städte wehrten sich gegen eine
Entwicklung der Union, bei der sie für die Kosten dessen
aufkommen mussten, worüber die Fürsten allein entschieden
hatten. Die Städte befanden sich bei diesem Konflikt in einer
starken Position, denn die Fürsten waren auf ihr Geld
angewiesen: Die finanziellen Mittel der Städte machten sie
von den Steuerbewilligungen ihrer Landstände unabhängig
und verschafften ihnen einen politischen Spielraum, den sie
sonst nicht gehabt hätten. Das wussten die Reichsstädte und
spielten ihre Karten dementsprechend aus. Die
Versammlung in Heilbronn zeigte, dass die Union alles
andere als eine geschmeidige Waffe in der Hand der
kurpfälzischen Politik war.
Tatsächlich war der Jülicher Erfolg der Union mit einem
Zurückweichen in drei anderen Fragen verbunden: erstens
dem am 6. September in Willstätt unterzeichneten Vergleich
mit dem Stift Straßburg, wonach die Union unverzüglich
ihre Truppen aus Straßburger Gebiet abzog und im
Gegenzug die dort für Leopold geworbenen Truppen
entlassen wurden. Zweitens verzichtete man auf ein
offensives Vorgehen gegen Herzog Maximilian, durch das
dieser gezwungen werden sollte, die ursprünglichen
Verhältnisse in Donauwörth wiederherzustellen. Dieser
Verzicht wiederum war, drittens, die Voraussetzung dafür,
dass man sich mit Maximilian darauf verständigen konnte,
dass beide Seiten, Union und Liga, abrüsteten und bis zum
15. November 1610 das angeworbene Militär wieder
abdankten. So entledigte sich die Union der
«Unternehmungen, die ihr zu schwer zu werden
begannen» [22]. Nur weil der Erfolg im Jülicher Erbfolgekrieg
dieses Zurückweichen in anderen Fragen überstrahlte,
konnten die Vertreter der protestantischen Aktionspartei
glauben, mit der Union lasse sich offensive Politik betreiben.
Der Ausnahmefall Jülich täuschte über die tiefen Gegensätze
innerhalb der Union hinweg, die in Heilbronn für den, der
sie sehen wollte, gut erkennbar geworden waren. Die Union
funktionierte nur, wenn die Interessen all ihrer Mitglieder
verletzt wurden. Wer dieses Bündnis offensiv einsetzen
wollte, musste es zwangsläufig zerstören. Andererseits
zeigte sich in dem Übereinkommen zwischen Union und Liga
aber auch, dass der Vorrat an Verständigungswillen und
Kompromissbereitschaft noch nicht aufgebraucht war und
man Übereinkünfte treffen konnte, die den Frieden
bewahrten.

Derweil hatte sich die gemeinsame Regierung von Jülich-


Kleve-Berg als schwieriger erwiesen denn erwartet; eine
Schlüsselrolle kam dabei einmal mehr konfessionellen
Fragen zu. Im Herzogtum bestanden, wie erwähnt, [23]
katholische, lutherische und reformierte Gemeinden
nebeneinander, was diese aber nicht als Vorzug gegenüber
monokonfessionellen Territorien begriffen. Vielmehr
versuchten sie, den Machtwechsel in Düsseldorf dafür zu
nutzen, die eigene Position zu verbessern und die der
anderen zu verschlechtern. Die brandenburgische
Verwaltung begünstigte die reformierten Gemeinden,
während Wolfgang Wilhelm den Vorgaben seines
Herkunftsgebiets entsprechend – sein Vater Philipp Ludwig
war einer der großen lutherischen Landesfürsten – das
Luthertum unterstützte und dafür sorgte, dass das
Augsburger Bekenntnis in den lutherischen Gemeinden von
einer dezidiert anticalvinischen Abendmahlspraxis und
Gnadentheologie begleitet wurde. Durch den Einbezug
altkirchlicher Elemente wurde vielen Katholiken der
Übertritt ins Luthertum erleichtert. [24]
Der sich anbahnende Konflikt zwischen den beiden
Possedierenden hätte sich noch weiter verschärft, wenn
nicht der Kaiser erneut eingegriffen und das sächsische
Fürstengeschlecht der Wettiner ins Spiel gebracht hätte. Die
sächsischen Ansprüche hatten früher schon einmal eine
Rolle gespielt, wurden am Prager Hof aber nicht weiter
verfolgt, solange Aussicht auf eine katholische Lösung mit
Erzherzog Leopold an der Spitze bestand. Mit Leopolds
kläglichem Scheitern hatte sich das geändert, und das
kaisertreue und reichskonservative Sachsen erschien aus
habsburgischer Sicht nun als optimale Lösung. Kurfürst
Christian II. von Sachsen erklärte sich bereit, zwei der auf
Straßburger Gebiet geworbenen Infanterieregimenter in
Sold zu nehmen und sie durch eigene Kavallerie zu
verstärken, um die beanspruchten Gebiete zu besetzen.
Doch das von den rheinischen Erzbischöfen verfolgte
Projekt, das lutherische Sachsen in die katholische Liga
aufzunehmen und dessen Ressourcen für militärische
Operationen am Niederrhein zu nutzen, scheiterte am
Widerstand des Bayernherzogs Maximilian, der die Liga als
Bündnis unter seiner Führung erhalten wissen wollte; an
ihrer Umwandlung in eine Exekutionsmacht kaiserlicher
Entscheidungen war er nicht interessiert – er wäre der
Verlierer einer solchen Bündnistransformation gewesen.
Damit war klar, dass Sachsen für die Kosten eines
Gebietsgewinns am Niederrhein selbst würde aufkommen
müssen, und das dämpfte angesichts der leeren Staatskasse
den zeitweiligen Enthusiasmus der Dresdner Politik.
Das sächsische Intermezzo blieb am Niederrhein nicht
ohne Folgen, machte es den beiden Possedierenden doch
klar, wie prekär ihre Stellung war, nachdem sich die Union
als Unterstützungsmacht zurückgezogen hatte und mit
Frankreich unter der Regentschaft Maria de’Medicis nicht
länger zu rechnen war. Unter diesen Umständen gab es für
Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg prinzipiell zwei
Möglichkeiten: Entweder man reaktivierte die alten
Verbündeten beziehungsweise suchte neue Unterstützer –
oder aber man ließ sich auf einen Kompromiss ein, in den
alle in die Jülicher Angelegenheit involvierten Akteure des
Reichs eingeschlossen waren. Zunächst versuchte man es
mit der letztgenannten Möglichkeit; das Ergebnis war der
am 31. März 1611 zwischen Brandenburg, Pfalz-Neuburg
und Sachsen geschlossene Jüterboger Vertrag, der eher auf
einen Formelkompromiss als auf eine politisch handhabbare
Übereinkunft hinauslief. Moriz Ritter hat ihn so
zusammengefasst: «Hier suchte man in der zunächst
drängenden Frage des Besitzes der Jülicher Lande alle Teile
zu befriedigen: Brandenburg und Neuburg, indem man sie in
ihrem Besitze beließ, Sachsen, indem man es unter gewissen
Voraussetzungen in den ungeteilten Mitbesitz aufnehmen
wollte, den Kaiser, indem man ihm die Bestätigung dieser
Anordnung zuerkannte. In ähnlicher Weise regelte man die
Frage der schließlichen Rechtsentscheidung: als Richter
erkannte man den Kaiser an, aber als Beisitzer sollte er in
diesem Fall sich sechs zwischen Sachsen, Brandenburg und
Neuburg zu vereinbarende Fürsten gefallen lassen.» [25]
Dass es überhaupt zu diesem Vertrag kam, zeigt einmal
mehr, wie gering der Kriegswille bei den Beteiligten war:
Was man hier verhandelt hatte, war eine «Übereinkunft um
jeden Preis». Dass der Vertrag dann doch nicht umgesetzt
wurde, lag zunächst an Johann Sigismunds Gemahlin Anna,
die als Enkelin Herzog Wilhelms V. und Nichte des kinderlos
verstorbenen Johann Wilhelm Trägerin der Erbansprüche
war; gegen ihren Willen konnte und wollte der Kurfürst sich
nicht durchsetzen. Da brachte der andere Possedierende,
der Neuburger Wolfgang Wilhelm, wieder Bewegung in die
Angelegenheit, indem er auf Brautsuche ging. Zwischen
Brandenburg und Bayern hin- und herpendelnd, sondierte er
mögliche Eheschließungen, bei denen ihn vor allem die
politischen Konsequenzen interessierten: Eine Ehe mit der
Tochter des brandenburgischen Kurfürsten hätte den
Konflikt unter den Possedierenden entschärft; die
Eheschließung mit der Schwester des bayerischen Herzogs
würde ihm dagegen einen wichtigen Verbündeten im Ringen
um die Macht am Niederrhein einbringen. Wolfgang Wilhelm
entschied sich für Letzteres und erfüllte auch die Bedingung,
die Maximilian ihm als Hürde für das Bündnis vorgegeben
hatte: Er konvertierte zum Katholizismus, zunächst nur
heimlich, um die Nachfolge als Herzog von Pfalz-Neuburg
nicht zu gefährden, [26] später auch öffentlich.
Fast zeitgleich, am 13. Dezember 1613, erklärte der
Brandenburger Johann Sigismund seinen Übertritt zum
reformierten Bekenntnis, verzichtete aber darauf, dies mit
einer Inanspruchnahme des ius reformandi, also einer
Zwangskonversion der Bevölkerung in seinen
Herrschaftsgebieten, zu verbinden. Dafür hingen in
Brandenburg die Landstände und die Geistlichkeit zu stark
dem Luthertum an, zumal auch in der kurfürstlichen Familie
einige am lutherischen Bekenntnis festhielten. In Preußen
hatte der Kurfürst gegenüber dem polnischen Lehnsherrn
zusichern müssen, die freie Ausübung des katholischen
Bekenntnisses in keiner Weise einzuschränken. Darüber
hinaus hatte er den preußischen Landständen zugesagt,
keine vom Augsburger Bekenntnis abweichende
protestantische Religionsausübung zuzulassen.
Kurbrandenburg hätte damit zu einem Vorbild dafür werden
können, wie die gefährliche Verknüpfung von Politik und
Konfession aufzulösen war. Doch vor dem Dreißigjährigen
Krieg sah man darin eher einen Ausnahme- und Sonderfall
als ein Vorbild für den Umgang mit konfessionellen
Konflikten.
Durch die Konfessionswechsel Wolfgang Wilhelms und
Johann Sigismunds hatten sich die politisch-militärischen
Bündnisoptionen am Niederrhein verändert: Der Madrider
Hof ebenso wie Erzherzog Albrecht in Brüssel gaben nun
ihre zurückhaltende Einstellung auf, unterstützten den in
Düsseldorf residierenden Neuburger mit einer Jahrespension
von 12000 Gulden und gaben Ambrosio Spínola, dem
Kommandeur des spanischen Militärs in den südlichen
Niederlanden, den Auftrag, im Fall eines brandenburgischen
Angriffs auf den Jülicher Besitz des Pfalzgrafen diesem mit
seiner gesamten Heeresmacht zu Hilfe zu kommen. Der
Übertritt des Brandenburger Kurfürsten zum Calvinismus
hatte die vorherige Lagebeurteilung geändert: Ein
Lutheraner wurde nicht eo ipso als ein Verbündeter der
nördlichen Niederlande angesehen – ein Calvinist schon.
Und umgekehrt sagte Prinz Moritz von Oranien, der die
Streitkräfte der nördlichen Niederlande kommandierte,
Kurprinz Georg Wilhelm von Brandenburg, der
zwischenzeitlich die Verwaltung der brandenburgischen
Territorien am Niederrhein übernommen hatte, jede
mögliche Hilfe zu. Konfessionelle Konflikte innerhalb der
Aachener Bürgerschaft, Kontroversen um die kommerziellen
Rechte der Kölner Kaufleute und die handstreichartige
Ersetzung des neuburgischen Truppenteils in der Festung
Jülich durch eine Einheit der nördlichen Niederlande führten
schließlich zum Einmarsch der flandrischen Armee unter
Spínola – und kurz darauf zur Gegenintervention der
Generalstaaten unter Moritz von Oranien. Aber beide Seiten
operierten vorsichtig und beschränkten sich darauf, einige
Festungen unter ihre Kontrolle zu bringen. Während die
Spanier Wesel besetzten, sicherten sich die Niederländer
neben Jülich noch Emmerich und Rees; da keine der beiden
Seiten den Waffenstillstand von 1609 sprengen wollte,
einigte man sich im Vertrag von Xanten auf die
Festschreibung des Status quo: Kurbrandenburg wurde
Kleve-Mark zugesprochen, Pfalz-Neuburg Jülich-Berg, und so
wurde aus dem bisherigen Provisorium eine Dauerlösung,
bei der Sachsen, Burgau und Pfalz-Zweibrücken leer
ausgingen. Die fremden Truppen, so die Vereinbarung,
sollten abziehen, was sie jedoch nicht taten. Die Spanier
blieben in Wesel und die Holländer in Jülich; beide Seiten
benutzten die Festungen als militärisches Glacis für das mit
dem Auslaufen des Waffenstillstands in den Niederlanden
erwartete Wiederaufleben des Krieges. [27] Dieser Vorteile
wegen hatte man sie ja schließlich besetzt.
Einige Schlussfolgerungen für die
Darstellung des Krieges
Der Verlauf der Erbfolgestreitigkeiten um Jülich-Kleve-Berg
und die zweimalige Eskalation ist für die Debatte über
Anfänge und Ursprünge des Dreißigjährigen Krieges in
mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Zum einen zeigt sich
darin wie in einem Brennglas die Fülle der Konflikte, die,
sobald sie sich überlappten, das Potenzial hatten, zum Krieg
zu werden; es waren dies Erbfälle und unklare
Nachfolgeregelungen, Bekenntnisfragen in
gemischtkonfessionellen Gebieten und Konfessionswechsel
von Landesherren sowie deren Suche nach mächtigen
Verbündeten, bei der schnell die Grenzen des Reichs
überschritten und die Konflikte «internationalisiert» wurden.
Aus einem im Modus von Rechtsansprüchen ausgetragenen
Konflikt im Reich – bevorzugt war von Aufruhr und
Landfriedensbruch, aber auch von Widerstand gegen
Unrecht und Wiederherstellung des Rechtszustands die
Rede – [1] wurde so Krieg im genuinen Sinn.
Andererseits wird im Konfliktverlauf am Niederrhein
deutlich, dass es eine Reihe von Mechanismen gab, Konflikte
zu begrenzen, Übereinkünfte zu finden und
Eskalationsdynamiken aufzuhalten, die in der böhmischen
Krise von 1618 hätten genutzt werden können. Der Verlauf
der Auseinandersetzungen um Jülich-Kleve-Berg zeigt, dass
der Krieg keineswegs unvermeidlich war und es nur eines
«Anlasses» bedurfte, um ihn in Gang zu setzen, wie dies eine
Ex-post-Betrachtung nahezulegen scheint. Hätte sich in
Spanien 1617/18 nicht die ökonomische Lagebeurteilung
geändert, [2] dann hätte Ferdinand im Konflikt mit den
Böhmen ohne Geld und ohne Truppen dagestanden, und
unter diesen Umständen hätte er sich wohl auf
Verhandlungen mit den böhmischen Ständen einlassen
müssen, wie das vor ihm die Kaiser Rudolf und Matthias
getan haben. Der böhmische Konflikt hätte dann einen
Verlauf nehmen können, der dem des Jülicher
Erbfolgestreits ähnlich gewesen wäre. Festzuhalten ist aber
auch: Hätte der Fanatiker Ravaillac Heinrich IV. nicht
erstochen, dann hätte sich der Jülicher Erbfolgestreit ganz
anders entwickelt und vermutlich einen großen Krieg in
Europa ausgelöst, in dem es um den Hegemonialkonflikt
zwischen Spanien und Frankreich gegangen wäre. So stehen
beide Sichtweisen, die der Zwangsläufigkeit des Krieges und
die seiner Kontingenz, nebeneinander, und es ist kaum
möglich zu begründen, warum die eine der anderen
überlegen sein soll.
Die Grundannahme einer Determiniertheit des politischen
Geschehens relativiert die Bedeutung von Entscheidungen
ebenso sehr wie die Grundannahme einer weitgehenden
Geschehenskontingenz. Das aber ist es, was für den
heutigen Leser jenseits gepflegter Unterhaltung mit
historischen Themen oder einfühlsamer Anteilnahme am
Leid der Bevölkerung den Dreißigjährigen Krieg interessant
und lehrreich macht: die Beschäftigung mit Entscheidungen
beziehungsweise Nicht-Entscheidungen und deren mittel-
und langfristigen Folgen. Wenn richtig ist, was im
Schlusskapitel des Buches ausführlicher behandelt wird,
dass nämlich der Dreißigjährige Krieg sehr viel stärker als
die Kriege des 18. bis 20. Jahrhunderts zum Analysemodell
für die religiös grundierten und konfessionellen Kriege
unserer Gegenwart geeignet ist, dann ist die
Auseinandersetzung mit ihm sowie mit seiner Vor- und
Nachgeschichte eine Schulung der politischen Urteilskraft.
2. Kapitel
Ein Aufstand, der das reich erschüttert:
Der böhmisch-pfälzische Krieg

Auf Bündnissuche
Der böhmisch-pfälzische Krieg kam nur zögerlich in Gang.
Zum einen hatten die beiden Konfliktparteien keine
Streitkräfte zur Hand, mit denen sie sogleich hätten
losschlagen können; zum anderen waren sie zunächst damit
beschäftigt, die Verhältnisse im Innern ihrer Herrschaft zu
konsolidieren und potenzielle Gegner des Waffengangs
auszuschalten. Vor allem aber ging es über einen Zeitraum
von mehr als einem Jahr darum, Verbündete und
Unterstützungsmächte zu finden und dabei die für den Krieg
erforderlichen Ressourcen zu sammeln. Das kostete Zeit,
nicht nur wegen der schwierigen Entscheidungsprozesse bei
den um Hilfe Gebetenen, sondern auch wegen der
Langsamkeit der Kommunikationswege, die in der Regel der
Reisedauer der Gesandten entsprach. Bis zum Sommer 1620
gab es lediglich sporadische Kampfhandlungen, die jedoch
nur dem gegenseitigen Abtasten der Heere und der
Demonstration militärischer Handlungsfähigkeit dienten.
Die innere Machtkonsolidierung auf Seiten der
Habsburger begann mit dem Sturz des Kardinals Klesl, der
unter Kaiser Matthias die Staatsgeschäfte geleitet hatte.
Klesl wollte die Böhmen durch scharfe Mandate in die
Schranken weisen, setzte ansonsten aber auf Verhandlungen
und unternahm keine energischen Anstrengungen, um
Streitkräfte aufzustellen, mit denen man eine militärische
Entscheidung hätte suchen können. [1] Dazu hätte er sich
freilich auch an die Stände der österreichischen Erblande
wenden müssen, die aufgrund ihrer Sympathien für den
böhmischen Ständeaufstand nicht bereit waren, ein
kaiserliches Heer für den Feldzug gegen die Böhmen zu
finanzieren. Das Geld für die Kriegführung musste
anderweitig beschafft werden. Obendrein war der
schwerkranke Kaiser weder willens noch in der Lage, einen
Unterwerfungskrieg gegen die Böhmen zu führen. Die
Verhaftung Klesls, die von den Erzherzögen Ferdinand und
Maximilian angeordnet wurde, und seine anschließende
Deportierung nach Tirol zielten deshalb vor allem auf Kaiser
Matthias, dem damit sein politisches Ausführungsinstrument
aus der Hand geschlagen wurde. Als Ferdinand und
Maximilian an Matthias’ Krankenbett traten, um dem Noch-
Kaiser von Klesls Verhaftung zu berichten, wurde dieser
«erst von Grimm, dann von Angst erfaßt, um sich schließlich
ins Unvermeidliche zu schicken» [2]. Es ist also durchaus
zutreffend, wenn die Verhaftung Klesls als «Staatsstreich»
(oder «Hausstreich») bezeichnet wird, [3] durch den der
Kaiser entmachtet und Erzherzog Ferdinand zur
entscheidenden Person in Wien wurde.
Die Machtverteilung in Wien wurde neu geordnet, aber
das wäre kaum ohne die Einwilligung der spanischen Linie
möglich gewesen. Graf Oñate, der Madrider Botschafter am
Kaiserhof, scheint von Anfang an in den Coup d’État der
beiden Erzherzöge eingeweiht gewesen zu sein, und
vermutlich war er bei der Vorbereitung der Aktion sogar die
treibende Kraft im Hintergrund. In Madrid war man zuvor
nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Gesamtinteressen des Hauses Habsburg großen Schaden
nehmen würden, wenn man die rebellischen Böhmen
gewähren lasse und nicht mit aller Entschiedenheit gegen
sie vorgehe. Da solches mit Kaiser Matthias nicht möglich
war, musste man dem Schwerkranken seine rechte Hand
nehmen, um das aus spanischer Sicht erforderliche
militärische Vorgehen gegen die Böhmen durchsetzen zu
können.
Der Schlachtenmaler Friedrich Wilhelm (Fritz) L’Allemand (1812 bis 1866) hat in
seinem Aquarell «Das Heer sammelt sich vor der Hofburg in Wien und ruft nach
‹Nandl› [Erzherzog Ferdinand]» dem Kriegsbeginn einen markant heroischen
Anfang verliehen: Eine Kürassiereinheit ist vor die Hofburg geritten und ruft nach
ihrem Oberbefehlshaber – unübersehbar eine Rückprojektion der bellizistischen
Vorstellungswelt des 19. Jahrhunderts in die Anfänge des Dreißigjährigen Krieges.
Offenbar handelt es sich bei der Szene um die Ankunft der Dampierre’schen
Kürassiere am 11. Juni 1619, durch die Erzherzog Ferdinand aus der Bedrängnis
durch die Landstände befreit wurde.

Dabei hatte ausgerechnet Klesl in einer Denkschrift, die er


kurz nach Eintreffen der Nachricht vom Prager Fenstersturz
verfasst hatte, die Grundlinien dieser neuen Politik
entwickelt. Die eigentliche Ursache des Aufstands, so
schrieb er darin, sei in der protestantischen Ketzerei zu
suchen, die ihrer Natur nach zu Unzufriedenheit und
Empörung führe. [4] Das eigentliche Ziel des Aufstands sei
die Regierungsübernahme durch die protestantischen
Stände, die Bildung einer Konföderation aus allen
habsburgischen Erblanden und folglich die Unterdrückung
des Landesherrn und der Katholiken. Es bleibe dem Kaiser
darum gar nichts anderes übrig, als den Kampf gegen die
Böhmen aufzunehmen und ihn mit äußerster
Entschlossenheit zu führen. In der offiziellen Begründung
solle aber, so die Denkschrift weiter, nicht der religiöse
Streit, sondern die Verteidigung der Rechte des Landesherrn
herausgestellt werden. Nicht als Religionskonflikt, sondern
als Streit um die politische Ordnung und die Position des
Landesherrn solle dieser Krieg propagandistisch dargestellt
werden. Was Klesl unter allen Umständen vermeiden wollte,
war eine Konfrontation der Konfessionen, die dazu hätte
führen können, dass sich die zerstrittenen Protestanten zu
einer geschlossenen Front formierten. Wenn es hingegen um
die Rechte des Landesherrn und die der Stände gehe,
würden sich auch viele protestantische Landesfürsten
fragen, ob sie einen Aufstand unterstützen sollten, der ihren
Interessen eindeutig zuwiderlief.
Selbst Klesl hielt den Krieg inzwischen für unvermeidlich,
aber er wollte verhindern, dass er zu einer eskalierenden
Konfrontation der Konfessionen wurde; stattdessen setzte er
auf eine sukzessive Ausschaltung der landständischen
Gegner der habsburgischen Herrschaft. Klesl wollte
vermeiden, dass das angesammelte Pulver schlagartig
explodierte, es sollte langsam abbrennen. In diesem Sinne
erging am 18. Juni eine kaiserliche Antwort auf die
böhmischen Beschwerden und die dort ergriffenen
Maßnahmen, der zufolge der Majestätsbrief von Seiten des
Kaisers nicht verletzt worden sei und über aufgekommene
Missverständnisse eine noch einzusetzende Kommission
befinden werde. Alle von den Pragern vorgenommenen
kriegerischen Maßnahmen, wie die Mobilisierung des
Landesaufgebots und zusätzliche Truppenwerbungen, seien
sofort einzustellen; sie seien gegen die Landesverfassung
gerichtet und griffen in die Rechte des Landesfürsten ein.
Kennt man den Hintergrund des kaiserlichen Patents nicht,
lässt sich diese Antwort als Ausdruck von Verhandlungs- und
Kompromissbereitschaft missverstehen; tatsächlich handelte
es sich um ein politisches Strategem für den bevorstehenden
Krieg, das die protestantische Unterstützung für die Böhmen
möglichst gering halten sollte. Faktisch ist die kaiserliche
Politik in ihrer offiziellen Selbstdarstellung bis zum
Restitutionsedikt von 1629 diesen Vorgaben Klesls gefolgt.

Die habsburgische Strategie, den Streit mit den Böhmen als


Verfassungs- und nicht als Konfessionskonflikt darzustellen,
zeigte bald Wirkung. Als die böhmischen Stände auf der
Suche nach Verbündeten bei der Union und einer Reihe
protestantischer Mächte außerhalb des Reichs um
Unterstützung nachsuchten, wurden sie allenthalben
abschlägig beschieden – mit Ausnahme der Niederlande,
bezeichnenderweise der einzigen Macht, für die das
Argument, die Rechte des Landesherrn seien in Gefahr,
keine Rolle spielte. Im Frühjahr 1619 beschloss man im
Haag, den Böhmen Hilfsgelder von 25000 Talern pro Monat
zu zahlen, zunächst freilich auf drei Monate begrenzt und
nur für den Fall, dass die Böhmen tatsächlich Krieg führen
und die Niederlande sich im Frieden befinden würden. Stellt
man dem allein die päpstlichen Subsidien gegenüber, die an
Wien gezahlt wurden – sie beliefen sich von Juli 1618 bis
Ende 1620 auf eine Summe von 304000 Talern,
hinzuzurechnen sind die im selben Zeitraum an die Liga
gezahlten 204000 Taler –, [5] so zeigt sich darin der Erfolg
von Klesls Doppelstrategie, den Krieg als
Verfassungskonflikt zu deklarieren und ihn allenfalls
verdeckt als Konfessionskrieg zu führen. Dem hatten die
Böhmen nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.
Innerhalb Böhmens war die Suche nach Verbündeten
durchaus erfolgreich, aber auch hier nicht auf allen Ebenen
gleichermaßen. Man ging konsequent vor: Unmittelbar nach
dem Fenstersturz wurde ein dreißigköpfiges Direktorium
eingesetzt, das Ständeheer wurde aufgeboten und unter den
Befehl des Grafen Thurn gestellt, des Weiteren wurden die
Jesuiten aus dem Land vertrieben und das Eigentum jener
Adligen konfisziert, die als Anhänger der Gegenreformation
hervorgetreten waren. Man war bemüht, die Kontrolle über
das gesamte Land zu gewinnen, und dazu gehörte auch, dass
man gegen die Städte vorging, die sich dem Aufstand nicht
angeschlossen hatten. Vergleicht man indes die Entwicklung
des Aufstands in Böhmen mit der des Aufstands in den
Niederlanden ein halbes Jahrhundert davor, so fällt auf, dass
der böhmische Aufstand überwiegend eine Angelegenheit
des Adels war und es nicht oder nur unzulänglich gelang, die
Bauernschaft auf dem Lande und die Bürger in den Städten
für seine Ziele zu mobilisieren. In den Adelskreisen gab es
eine ausgeprägte Neigung, die für den Erfolg des Aufstands
erforderlichen Anstrengungen zu unterschätzen, was sich
unter anderem darin zeigte, dass nur bescheidene finanzielle
Mittel für die Werbung von Söldnern und die Aufstellung
eines schlagkräftigen Heeres bereitgestellt wurden. [6]
Offenbar gab man sich der Hoffnung hin, man könne mit
relativ geringem Aufwand erfolgreich sein.
Zur Selbsttäuschung der böhmischen Aufständischen über
das Risiko, das sie eingegangen waren, und die radikalen
Maßnahmen, die vonnöten waren, um den Aufstand zum
Erfolg zu führen, trug auch bei, dass sie von den Ständen
der anderen habsburgischen Erblande Zuspruch und
Unterstützung erfuhren. Im Oktober 1618 schlossen sich die
Stände Schlesiens dem böhmischen Aufstand an, und mit
dem Tod von Kaiser Matthias am 20. März 1619 sahen sich
auch die Stände Mährens sowie der Ober- und Niederlausitz
von ihren Loyalitätsverpflichtungen gegenüber dem Hause
Habsburg entbunden. Am 31. Juli 1619 schlossen sich die
Böhmen, Mähren, Schlesier und Lausitzer zur Confoederatio
Bohemica zusammen, indem sie sich eine aus hundert
Artikeln bestehende libertäre und föderative Verfassung
gaben. Auch den ober- und niederösterreichischen Ständen
wurde der Beitritt zu dem «Staatenbund» angetragen, doch
diese zögerten, den entscheidenden Schritt in den Aufstand
mitzumachen. Immerhin traten sie in enge Beziehungen zur
Böhmischen Konföderation und sagten ihr alle nur denkbare
Unterstützung zu. [7] Von den habsburgischen Erblanden
blieben zunächst nur die Ungarn abseits und steuerten einen
loyalistischen Kurs. Für Ferdinand bedeutete das freilich
keine nennenswerte Unterstützung, da stets mit einem
Einfall Bethlen Gábors, des Fürsten von Siebenbürgen, nach
Ungarn gerechnet werden musste, so dass die ungarischen
Kräfte im eigenen Land gebunden waren. Außerdem konnte
die Stimmung in Ungarn jederzeit umschlagen, und die
antihabsburgischen Kräfte konnten die Oberhand gewinnen.
Ferdinand durfte nicht damit rechnen, in den
habsburgischen Erblanden nennenswerte Kräfte
mobilisieren zu können – weder in Gestalt von
Militäreinheiten, die man ihm zur Verfügung gestellt hätte,
noch in Form von Sondersteuern, die ihm von den Ständen
bewilligt worden wären. Unter diesen Umständen war er auf
auswärtige Hilfe angewiesen. Das war einer der Gründe
dafür, warum der sich abzeichnende Krieg von den
Habsburgern nicht als eine innerhalb ihrer Erblande zu
erledigende Angelegenheit behandelt wurde. Ferdinand, seit
1617 böhmischer König und gemäß den hausinternen
Absprachen der Casa d’Austria designierter Nachfolger auf
dem Kaiserthron, war also noch stärker als die Böhmen auf
Unterstützung von außen angewiesen. Er erhielt sie, wie
schon erwähnt, vom Papst, weiterhin von einigen
italienischen Mächten, unter anderem der Republik Genua,
die Subsidien zahlte, und dem Großherzog der Toskana, der
Soldaten schickte, [8] vor allem aber vom spanischen König,
der in großem Stil Finanzmittel zur Verfügung stellte und
kriegserprobte Truppen in Marsch setzte, und schließlich
auch von der neuformierten katholischen Liga unter
Führung Herzog Maximilians. Doch die spanische und die
bayerische Hilfe hatte ihren Preis, und die Entrichtung
dieses Preises lief auf eine Entgrenzung des Krieges hinaus.
Auch wenn einige Historiker die erste Hälfte des Krieges bis
zum militärischen Eingreifen Schwedens als «deutschen
Krieg» bezeichnen und davon die zweite Hälfe als
«europäischen Krieg» absetzen, [9] so war dieser Krieg doch
von Anfang an ein europäischer Konflikt: Dafür sorgten die
Subsidien des Papstes an die Habsburger und die der
Holländer an die Böhmen, die Entsendung flandrisch-
wallonischer Truppen zugunsten des Kaisers sowie das
Eingreifen des Siebenbürger Woiwoden Bethlen Gábor und
schließlich die zeitweilige Finanzierung eines auf Seiten der
Böhmen stehenden Söldnerverbands unter Ernst von
Mansfeld durch den savoyischen Herzog Karl Emanuel.
Dass Spanien den österreichischen Habsburgern zu Hilfe
kommen würde, stand trotz der Wiederannäherung beider
Linien und des Oñate-Vertrags keineswegs von Anfang an
fest. Spanien war, wie beschrieben, wirtschaftlich erschöpft
und brauchte dringend eine längere Friedensperiode. [10] Der
Herzog von Lerma, der bis Oktober 1618 die spanische
Politik leitete, plädierte dafür, auf Matthias und Ferdinand
besänftigend einzuwirken und ihnen nahezulegen, den
böhmischen Forderungen entgegenzukommen. [11] Bei den
am 14. Juli 1618 geführten Beratungen im Staatsrat bot er
100000 Dukaten an, die mit dem Hinweis zu versehen seien,
das sei das Letzte und Äußerste, was Spanien erübrigen
könne. Dagegen bestanden Balthasar de Zúñiga und der
Herzog von Infantado darauf, dass Kaiser Matthias und
König Ferdinand unverzüglich 200000 Dukaten zur
Verfügung gestellt würden und man darüber hinaus bereit
sein müsse, diese Summe noch einmal deutlich zu erhöhen,
falls die Niederlande auf Seiten der Böhmen in den Konflikt
eingriffen. Dann werde man auch nicht umhinkönnen, Wien
mit Truppen zu Hilfe zu kommen, indes nicht mit Einheiten
aus Italien, wie es Graf Oñate vorgeschlagen hatte, sondern
mit Truppen aus Flandern und der Wallonie, die Erzherzog
Albrecht, Statthalter der südlichen Niederlande, in seiner
Eigenschaft als Reichsstand nach Böhmen entsenden solle.
Zúñiga, der lange die spanischen Interessen am Kaiserhof
vertreten hatte und mit den Verhältnissen im Reich gut
vertraut war, wusste um die dort grassierenden
antispanischen und antiitalienischen Affekte, die er nicht
unnötig mobilisieren wollte. [12] Lerma dagegen fürchtete,
weitgehende Zusagen an die österreichischen Habsburger
würden diese dazu verleiten, einen Krieg zu beginnen, den
am Ende Madrid finanzieren müsse. Die anschließend
getroffene Entscheidung war ein Kompromiss: Man überwies
200000 Dukaten sofort und stellte weitere Gelder in
Aussicht, wies Graf Oñate aber an, auf die Wiener Politik im
Sinne eines Ausgleichs mit den Böhmen einzuwirken. Dem
konnte auch Zúñiga zustimmen, denn er wollte kriegerische
Auseinandersetzungen vermeiden, bis die Wahl des neuen
Kaisers erfolgt war.
Für die spanische Unterstützung war ausschlaggebend,
dass Zúñiga nach Lermas Sturz seit Oktober 1618 die
Außenpolitik Madrids bestimmte; zusammen mit Graf Oñate
steuerte er einen Kurs, der auf eine immer stärkere
Unterstützung Wiens hinauslief. Bis Juli 1619 hatte Spanien
bereits 3,4 Millionen Taler an die österreichischen
Habsburger gezahlt; Ende 1624 summierten sich diese
Hilfsgelder auf sechs Millionen Taler. Des Weiteren waren
im März 1621 etwa 40000 von Spanien finanzierte Soldaten
aus den südlichen Niederlanden an Orten im Einsatz, an
denen sie direkt oder indirekt zur Durchsetzung der Wiener
Politik dienten. [13] Auch unter Zúñiga hatte sich Spanien
nicht in diese Rolle hineingedrängt, sondern man hatte
zunächst auf die Wiederherstellung der katholischen Liga im
Reich gesetzt, die den Habsburgern zu Hilfe kommen sollte.
Graf Oñate hatte sich mehrfach an Herzog Maximilian
gewandt, damit dieser die Initiative zur Erneuerung der Liga
ergriff, war damit aber über lange Zeit nicht
durchgedrungen. Währenddessen verschlechterte sich die
Lage für die Habsburger zusehends. Unter diesen
Umständen entschloss sich Zúñiga, die spanische Politik
grundsätzlich zu verändern: Er gab die von Lerma verfolgten
mittelmeerischen Zielsetzungen auf, um sämtliche
Ressourcen des Imperiums in den Krieg im Reich werfen zu
können. Aus Zúñigas Sicht war das kein Akt der
Selbstlosigkeit oder gar Selbstaufopferung, sondern ein
Kampf um die Stellung Spaniens in Europa: Würden die
österreichischen Habsburger in Böhmen unterliegen, wären
auch die südlichen Niederlande nicht mehr zu halten und
Spanien würde über kurz oder lang aus Mittel- und
Westeuropa herausgedrängt. Zunächst waren Zúñiga jedoch
die Hände gebunden, denn vor der Wahl Ferdinands zum
Kaiser, so seine Überzeugung, konnte ein gar zu sichtbares
spanisches Agieren dazu führen, dass die Wahl scheiterte
und das Haus Habsburg den Zugriff auf die Kaiserkrone
verlor. [14] Diese Konstellation war dafür verantwortlich, dass
der Krieg nur langsam in Gang kam, als wüssten die
Konfliktparteien noch nicht, ob sie wirklich Krieg führen
oder doch noch versuchen wollten, auf dem
Verhandlungsweg eine Übereinkunft zu finden.
Herzog Maximilian von Bayern hatte sich lange bitten
lassen, bevor er den Entschluss fasste, die seit 1615
zerfallene Liga wiederzubeleben. Er strebte ein Bündnis
unter seiner alleinigen Führung an, in dem die Habsburger
nichts zu melden hatten. Um seine Bedingungen
durchzusetzen, ließ er Ferdinand warten, und dabei konnte
ihn auch Oñate nicht aus der Ruhe bringen, der ihn zur Eile
drängte. Erst als die Wahl des neuen Kaisers bevorstand,
schien es Maximilian an der Zeit, den katholischen Block neu
zu formieren und dabei nicht nur die Stimmen der drei
geistlichen Kurfürstentümer zu kontrollieren, sondern auch
die regelmäßigen Einzahlungen von Mainz, Köln und Trier in
die gemeinsame Kasse der Liga wieder einzuführen – um
eine Armee zu finanzieren, die schon bald das wichtigste
Instrument zur Durchsetzung seines politischen Willens sein
würde. Es war absehbar, dass im Portfolio der Machtsorten
militärische Macht in nächster Zeit die wichtigste sein
würde, und die Liga war für Maximilian das Mittel, um die
ökonomische und finanzielle Macht der katholischen Partei
im Reich in militärische Macht zu verwandeln. Im
Unterschied zu den anderen Machtsorten, bei denen zur
wirtschaftlichen noch die ideologische hinzukam, [15] wollte
er in der Liga die militärische Macht allein kontrollieren.
Erst als absehbar war, dass Ferdinand den Preis für seine
Unterstützung zu zahlen bereit war, organisierte Maximilian
die Instrumente, die vonnöten waren, damit der Kaiser den
Gehorsam seiner böhmischen Untertanen erzwingen konnte.
Maximilians Agieren zwischen dem Sommer 1618 und dem
Sommer 1619 war ein Meisterstück machiavellistischer
Politik. Die auf seine Initiative hin wiederbelebte Liga wurde
zum politischen Paradox: Sie wurde mit der doppelten
Aufgabe gebildet, den Habsburgern in ihren Erblanden
wieder in den politischen Sattel zu helfen, und gleichzeitig
sollte sie sicherstellen, dass ein wiedererstarkter
habsburgischer Kaiser den Reichsständen gegenüber nicht
zu mächtig wurde. Manches, was an der Politik Maximilians
auf den ersten Blick als widersprüchlich und inkonsequent
erscheint, wird verständlich, wenn man die paradoxe
Doppelfunktion der Liga und die beiden Imperative der
bayerischen Politik betrachtet: die katholische Partei im
Reich zu stärken, was nur in Zusammenarbeit mit dem
habsburgischen Kaiser möglich war, und zugleich die
politische Handlungsmacht der Reichsstände zu verteidigen,
was auf eine Konfrontation mit dem Kaiser hinauslaufen
musste.
Zunächst aber bestand im Reich ein Interregnum: Kaiser
Matthias war am 20. März 1619 gestorben, und da es zu
seinen Lebzeiten nicht möglich gewesen war, unter dem
Titel «Römischer König» einen Nachfolger zu wählen, blieb
der Thron vorerst unbesetzt. In dieser Zeit führte der
Mainzer Erzbischof Johann Schweikhard von Kronberg als
Erzkanzler des Reichs die Amtsgeschäfte. Er lud erst für Juli
nach Frankfurt, wo seit 1147 die meisten Kaiserwahlen
stattgefunden hatten. Die Wahl Ferdinands erfolgte am
28. August 1619, die anschließende Kaiserkrönung am
9. September. Für Ferdinand, den durch Übereinkunft der
habsburgischen Erzherzöge designierten Nachfolger auf
dem Kaiserthron, begann dabei die Zeit knapp zu werden,
denn nur als Kaiser verfügte er über den Einfluss und die
Legitimation, um hinreichend Verbündete für den Krieg um
Böhmen an sich zu binden. Ohne Kaisertitel war er für die
spanische wie die bayerische Politik uninteressant. Die Zeit
drängte auch deshalb, weil Bethlen Gábor, der mit den
Böhmen ein Militärbündnis geschlossen hatte, im August
1619 mit seinen Truppen in Ungarn einfiel. [16] Er konnte
sich dabei auf die Unterstützung der meisten ungarischen
Adligen verlassen, die aus konfessionellen Gründen größere
Sympathien für den siebenbürgischen Calvinisten hegten als
für den streng katholischen Landesherrn in Wien. Sie hatten
Sorge, dass der Habsburger in Ungarn die rigide
Konfessionalisierungspolitik fortsetzen würde, die er in der
Steiermark betrieben hatte, und obendrein konnten sie bei
ihm keine Neigung erkennen, ständische Rechte zu
respektieren. Ferdinand musste den Verlust eines weiteren
seiner Erblande befürchten, und tatsächlich wählte am
25. August ein schnell einberufener Landtag des
ungarischen Adels Bethlen Gábor zum König von Ungarn.
Erst eineinhalb Jahre später, am 31. Dezember 1621,
verzichtete Gabriel Bethlen von Iktar, wie er auf Deutsch
hieß, auf die Stephanskrone und ließ sich dafür mit den
Herzogtümern Oppeln und Ratibor belehnen. [17]
Mit Überfällen und schnellen Eroberungen war Bethlen
Gábor sehr erfolgreich, doch wenn es darum ging, die von
seiner leichten Reiterei überrannten Gebiete zu halten und
zu verteidigen, zeigten sich die Schwachpunkte des
siebenbürgischen Fürsten. Das begrenzte seinen Wert als
Bündnispartner, der für den Augenblick der Überraschung
groß war, aber mit der Dauer eines Konflikts kontinuierlich
sank. Bethlen Gábor agierte als grausamer Eroberer und
beutegieriger Plünderer der habsburgischen Lande; eine
längerfristige Politik konnte nicht auf ihn zählen. Das war
ein Problem für die Böhmen, denn was sie brauchten, war
ein durchhaltefähiger Verbündeter. Der Fürst von
Siebenbürgen verursachte mit seinen blitzschnellen
Überfällen zwar jedes Mal großes Entsetzen, aber dann
verschwand er wieder dorthin, woher er gekommen war, und
spielte für längere Zeit keine Rolle mehr.
Am 18. August 1619 setzte die Ständeversammlung in
Prag Ferdinand als böhmischen König mit der Begründung
ab, dass er die Rechte des Landes fortgesetzt verletzt habe.
Damit war unklar, ob Ferdinand bei der Kaiserwahl in
Frankfurt überhaupt über die böhmische Kurstimme
verfügen konnte. Ferdinands Angelegenheiten standen auf
Messers Schneide. Er hatte nur eine Chance, das Heft des
Handelns wieder in die Hand zu bekommen, und die bestand
darin, dass er möglichst schnell zum Kaiser gewählt wurde,
um anschließend unter Nutzung der kaiserlichen Rechte
eine offensive Politik gegen seine Feinde und Widersacher
betreiben zu können. Der Kaisertitel war zunächst nicht viel
mehr als symbolische Macht, aber die Symbole der Macht
sollten Ferdinand Zugang zu den Ressourcen der Macht
verschaffen.
Die kurpfälzische Politik hatte das Dilemma Ferdinands
erkannt. Man war darum bemüht, die Wahl des Kaisers zu
verschieben, jedenfalls so lange wie möglich
hinauszuzögern, um in Prag vollendete Tatsachen zu
schaffen, die Operationen Bethlen Gábors in Ungarn wirken
zu lassen und den Habsburgern den Zugriff auf die
Legitimitätssymbole des Kaisertitels zu verwehren. Aber
man befand sich selbst in einem Dilemma, aus dem man
nicht herauskam: Es gab nämlich keinen Gegenkandidaten
zu Ferdinand. [18] Mögliche Alternativen wären Kurfürst
Johann Georg von Sachsen und Herzog Maximilian von
Bayern gewesen, doch beide hatten sich nicht zu einer
Gegenkandidatur bereitgefunden. Johann Georg wäre trotz
seiner reichskonservativen Grundhaltung als Protestant
nicht mehrheitsfähig gewesen, und Maximilian meinte, dass
er seine politischen Ziele eher im Gefolge des Habsburgers
erreichen könne als in Gegnerschaft zu ihm. Das Dilemma, in
dem die pfälzische Politik steckte, war also noch größer als
das Ferdinands. Ferdinand ging es darum, dass die Wahl
möglichst bald stattfand; die Pfälzer setzten darauf, sie
möglichst lange hinauszuzögern. Aber während Ferdinand
am Ziel war, sobald die Wahl stattgefunden hatte – da er der
einzige Kandidat war, konnte sie nur zu seinen Gunsten
ausfallen –, würden die Pfälzer mit einer Verzögerung um
ein paar Wochen nichts erreichen, wenn sich in dieser Zeit
die politischen Konstellationen nicht grundlegend
veränderten. So gelang es den Pfälzern wohl, die Kaiserwahl
vom zunächst dafür ausgeschriebenen 20. Juli bis zum
28. August hinauszuzögern, aber damit war für sie nichts
gewonnen, da das Kurfürstenkollegium nicht bereit war, auf
die zuvor erfolgte Absetzung Ferdinands durch die
böhmischen Stände zu reagieren und den in Frankfurt
eingetroffenen böhmischen Ständevertretern das Wahlrecht
zu übertragen. Für Ferdinand und die geistlichen Kurfürsten
kam das ohnehin nicht in Frage, weil damit die Mehrheit im
Kurfürstenkollegium von den Katholiken zu den Protestanten
übergegangen wäre, und auch Kursachsen und
Kurbrandenburg wollten sich nicht darauf einlassen,
Rebellen zu unterstützen. Das Interesse, die eigene Macht
zu sichern, war für beide deutlich größer als eine wie auch
immer geartete protestantische Solidarität. Demzufolge
waren die Konstellationen Ende August dieselben wie Ende
Juli: Die katholische Seite war sich einig, die Protestanten
waren zerstritten beziehungsweise wussten nicht, was sie
wollten. Das Hinauszögern der Wahl hatte nichts gebracht.

Durch die Berichte der Beteiligten sind wir über den Ablauf
der Kaiserwahl gut informiert: Alle wurden nacheinander
einzeln um einen Wahlvorschlag und die anschließende
Stimmabgabe gebeten. [19] Kurfürst Schweikhard eröffnete
den Wahlakt, indem er den Trierer Kurfürsten um die
Stimmabgabe bat. Der nannte König Ferdinand, Erzherzog
Albrecht (den Statthalter der spanischen Niederlande) und
Herzog Maximilian als geeignete Kandidaten und gab
schließlich seine Stimme für Ferdinand ab. Ihm folgte der
Kurfürst von Köln, der erklärte, er wisse, dass sein Bruder,
der Bayernherzog Maximilian, auf die Kandidatur verzichte,
und seine Stimme ebenfalls König Ferdinand gab. Das war
der entscheidende Augenblick der Wahl: Eigentlich wäre den
Regeln nach jetzt die böhmische Stimme abzugeben
gewesen, aber Schweikhard wandte sich an den pfälzischen
Gesandten, den Grafen Johann Albrecht von Solms-
Braunfels, der daraufhin sechs Kandidaten für wählbar
erklärte: König Christian IV. von Dänemark, Kurfürst Johann
Georg von Sachsen, König Ferdinand, Erzherzog Albrecht
sowie die Herzöge Maximilian von Bayern und Karl Emanuel
von Savoyen. Da Kurfürst Friedrich V., für den er spreche,
wünsche, dass die traurigen Verhältnisse, in denen sich das
Reich seit langem befinde, beendet würden, halte er Herzog
Maximilian von Bayern für den am besten Geeigneten. Das
war ein letzter Versuch der Pfälzer, die katholische Phalanx
aufzusprengen, indem sie Maximilian doch noch ins Spiel
brachten; nach der vorangegangenen Erklärung des Kölner
Kurfürsten musste er aber ins Leere laufen. Schweikhard
forderte nach der pfälzischen Erklärung Ferdinand zur
Stimmabgabe auf, doch der bat darum, dass in Anbetracht
seiner besonderen Situation erst die anderen Wähler befragt
wurden. Also wurde der sächsische Gesandte aufgerufen,
der sich ohne Einschränkung für Ferdinand aussprach. Der
anschließend befragte Brandenburger Gesandte nannte noch
einmal Erzherzog Albrecht und Herzog Maximilian, stimmte
dann aber für Ferdinand, da Maximilian die Wahl ja
ausschlagen würde. Schweikhard gab daraufhin seine eigene
Stimme ab, und zwar ebenfalls für Ferdinand, nachdem auch
er Albrecht und Maximilian für geeignet erklärt hatte. Nun
war Ferdinand daran, sich zu erklären, und unter Verweis
auf die Goldene Bulle gab er sich selbst die Stimme. Damit
hatten sechs der sieben Wahlberechtigten für Ferdinand
gestimmt, und es war klar, dass der Pfälzer Gesandte am
Ergebnis der Kaiserwahl nichts mehr würde ändern können.
Gefragt, ob er sich von der Mehrheit absondern oder doch
Ferdinand die Stimme geben wolle, erklärte sich Graf Solms
ebenfalls für Ferdinand, der damit einstimmig zum neuen
Kaiser gewählt war. [20]
Die Wahl Ferdinands war eine desaströse Niederlage der
pfälzischen Politik, mit der alle zuvor erzielten Erfolge
zunichte waren. Als bedeutungslos hatten sich auch einige
Maßnahmen im Vorfeld der Wahl erwiesen. So hatte man
Truppen der Union in der Umgebung Frankfurts
zusammengezogen – angeblich um ligistische Anschläge auf
die Kaiserwahl zu verhindern, [21] tatsächlich eher eine
Machtdemonstration der Protestanten, die deutlich machen
sollte, dass die katholische Partei trotz ihrer Mehrheit im
Kurfürstenkollegium im Reich keineswegs das Sagen hatte.
Der Rat der Reichsstadt Frankfurt, der den Unierten
zuneigte, hatte zudem von der Union zwei Kompanien mit je
zweihundert Mann ausgeliehen, um mit ihrer Hilfe die Stadt
gegen Anschläge zu sichern. Das hatte bei den geistlichen
Kurfürsten erhebliche Besorgnis ausgelöst: Der Kölner
Kurfürst dachte zeitweilig über die Auflösung des Treffens
nach, und der Mainzer fürchtete gar eine zweite
Bartholomäusnacht, bei der nicht die Protestanten, sondern
die Katholiken die Opfer sein würden. [22] Zuletzt freilich
blieb die militärische Machtdemonstration folgenlos, da sich
die kurfürstlichen Wähler nicht einschüchtern ließen und die
Pfälzer Seite sich nicht traute, das Militär einzusetzen, um
die Kaiserwahl zu verhindern.
Der einzige Erfolg, den die Pfälzer im Verlauf dieser für
den weiteren Gang der Ereignisse entscheidenden
Zeitspanne erzielt hatten, war die am 26. August 1619, also
zwei Tage vor der Frankfurter Entscheidung, erfolgte Wahl
Friedrichs V. zum böhmischen König. Friedrich war
keineswegs der von den Böhmen bevorzugte Kandidat
gewesen. Außer ihm waren noch Herzog Karl Emanuel von
Savoyen und Kurfürst Johann Georg von Sachsen im Spiel.
Karl Emanuel, der sich immer wieder auf riskante Projekte
einließ, wenn sie ihm Macht und Prestige versprachen, war
nicht wirklich ein aussichtsreicher Kandidat, da sein
Herrschaftsgebiet zu weit entfernt lag und es keine
mächtigen Verbündeten in seinem Gefolge gab. Das war
anders bei Kurfürst Johann Georg von Sachsen, den die von
Graf Schlick angeführten Lutheraner in Böhmen
präferierten. Johann Georgs Herrschaftsgebiet grenzte
unmittelbar an Böhmen, und zusammen mit den in der
Confoederatio Bohemica zusammengeschlossenen Ländern
hätte Kursachsen einen beachtlichen Machtblock in
Mitteleuropa bilden können. Außerdem war Johann Georg
das Haupt der Lutheraner im Reich, konnte also in
Norddeutschland, im ober- und niedersächsischen
Reichskreis, auf eine Reihe von Verbündeten zurückgreifen,
zu denen im Falle eines Krieges gegen den Kaiser auch die
Reformierten mit den in der Union verbündeten
süddeutschen Lutheranern gehören würden. Unter diesen
Umständen war der Kurfürst von Sachsen die erste Wahl.
Aber der Kandidat wies alle diesbezüglichen Ansinnen
zurück. [23] Johann Georg, seit 1611 Kurfürst, war kein
entschlossener Machtpolitiker, und man sagte ihm nach, er
könne erst ab Mittag politische Entscheidungen treffen, weil
er dann so viele Kannen Bier geleert habe, dass er seiner
Sinne nicht mehr mächtig sei. Jedenfalls galt «Bierjörge»,
wie man ihn nannte, als ein großer Zecher und
leidenschaftlicher Jäger, der die meiste Zeit mit dem Verzehr
von Wildbret und Bier verbrachte. In politischen
Entscheidungen folgte er seinem Hofprediger Matthias Hoë
von Hoënegg, [24] der auf ihn einen ähnlich großen Einfluss
hatte wie die (jesuitischen) Beichtväter auf die katholischen
Fürsten; in militärischen Fragen verließ Johann Georg sich,
nachdem er schließlich doch in den Krieg eingetreten war,
völlig auf seinen General Hans Georg von Arnim-
Boitzenburg. Letzteres war auch angezeigt, denn Arnim war
ein erfahrener Soldat, [25] während der Kurfürst sich auf dem
Schlachtfeld als kopflos und furchtsam erwies. So jedenfalls
sah ihn die protestantische Aktionspartei, die Johann Georg
wegen seiner konservativ-reichstreuen Politik verachtete
und diese auf persönliche Laster und Schwächen des
Kurfürsten zurückführte.
Man kann den Sachsen indes auch in ein besseres Licht
rücken, wenn man das politisch-militärische Scheitern der
Aktionspartei in Böhmen und der Pfalz sowie schließlich im
niedersächsisch-dänischen Krieg dagegenstellt und das Leid
und Elend bedenkt, das durch die Hochrisikopolitik der
Pfälzer verursacht wurde. Schließlich stand der sächsische
Kurfürst später auch dem schwedischen und dem
französischen Eingreifen in den Krieg ausgesprochen
skeptisch gegenüber, obwohl es auf protestantischer Seite
erfolgte; er fürchtete, dass die «Internationalisierung» des
Krieges diesen nur verlängern und seine Beendigung
erschweren würde. In der Beurteilung der Lage hatte er
durchaus recht, nur spielte das für die operative Politik
keine Rolle, denn der Krieg war durch die niederländischen
Subsidien für die aufständischen Böhmen, vor allem aber
durch die massive päpstliche wie spanische Hilfe für
Ferdinand von Anfang an «internationalisiert». Indem
Sachsen sich heraushielt, wurde es allerdings nicht, wie man
sich das in Dresden wohl vorgestellt hatte, zur «dritten
Partei», die als Vermittler und Friedensstifter auftreten
konnte, sondern zum Objekt der Entscheidungen anderer –
zunächst denen Ferdinands, später auch denen Gustav
Adolfs, für beide war Johann Georg eine wichtige, letzten
Endes aber nicht ausschlaggebende Größe. Dennoch gehörte
er am Ende des Krieges zu den Gewinnern, denn die beiden
Lausitzen, die er gleich bei Kriegsbeginn weitgehend
kampflos besetzt hatte, wurden ihm im Frieden von Münster
zugesprochen. Andererseits hatte das Kurfürstentum
Sachsen einen hohen Preis dafür zu zahlen, denn es wurde
in der zweiten Kriegshälfte zum Durchzugsgebiet,
Schlachtfeld und Quartier für die Heere beider Seiten.

Friedrich V. war in fast jeder Hinsicht das Gegenteil Johann


Georgs; er schien risikobereit und war von sich und seinen
Fähigkeiten überzeugt. [26] Dass sich die Böhmen schließlich
für ihn als neuen König entschieden, lag sowohl an diesen
Eigenschaften, die ihn dazu brachten, sich überhaupt auf
das böhmische Abenteuer einzulassen, als auch an der
Aussicht, dass der Kurpfälzer nicht alleine stand, sondern
mächtige Verbündete auf seiner Seite hatte: die nördlichen
Niederlande, seinen Schwiegervater Jakob I., König von
England, und die Union der protestantischen Reichsfürsten,
deren Direktorium beim pfälzischen Kurfürsten lag.
Außerdem hatte Friedrich die von dem savoyischen Herzog
Karl Emanuel zeitweilig finanzierte Söldnertruppe unter
Ernst von Mansfeld in seine Dienste übernommen; seit
September 1618 operierte sie in Böhmen und bildete dort
einen wichtigen Faktor im militärischen Kräfteverhältnis. [27]
Seiner Risikofreude zum Trotz scheint Friedrich der
Abschied aus Heidelberg nicht leicht gefallen zu sein.
Einerseits fühlte er sich durch die Wahl zum böhmischen
König geschmeichelt, andererseits ängstigte ihn die Größe
der damit verbundenen Aufgabe. Tatsächlich überdeckte
sein unbekümmertes Auftreten nur, dass er eigentlich
entscheidungsschwach war und zu einem guten Teil den
Vorgaben seiner Berater folgte. Die aber gaben ihm in der
böhmischen Angelegenheit unterschiedliche Ratschläge.
Jakob I., Friedrichs Schwiegervater, riet entschieden davon
ab, die böhmische Krone anzunehmen, und auch der Herzog
von Bouillon, einer der Führer der französischen
Hugenotten, auf dessen Ritterakademie Friedrich
ausgebildet worden war, empfahl politische Zurückhaltung.
Ähnliches war von einer größeren Zahl der Unionsmitglieder
zu vernehmen. Aber Friedrich stand unter Zugzwang, denn
die pfälzische Politik hatte seit Monaten in Prag darauf
hingewirkt, dass er zum neuen König gewählt wurde. Ein
Rückzug hätte Christian von Anhalt und Achatius von Dohna,
der in Prag verhandelt hatte, desavouiert. Dementsprechend
drängten sie Friedrich zum Aufbruch nach Prag. Für seine
Entscheidung dürfte schließlich auch die Haltung seiner
Ehefrau Elisabeth Stuart von Bedeutung gewesen sein, die
ihm entschlossen zuriet, nach Prag zu gehen und die
böhmische Krone zu tragen. [28] Elisabeth kam aus London,
und die pfälzische Residenzstadt Heidelberg wirkte auf sie
provinziell, während Prag die Wiederaufnahme eines
mondänen höfischen Lebens versprach. Zu diesem Zeitpunkt
war Elisabeth wie ihr eine Woche jüngerer Mann gerade
dreiundzwanzig Jahre alt, und sicherlich haben beide die
Reichweite ihrer Entscheidung nicht erfasst. «Ach, nun geht
die Pfalz nach Böhmen», soll Friedrichs Mutter ihrem Sohn
nachgerufen haben, als dieser an einem nebligen und
regnerischen Herbsttag Heidelberg verließ. [29]
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian
Als Friedrich in Prag eintraf, brachte er keineswegs die
Bündniszusagen mit, auf die man bei seiner Wahl gesetzt
hatte. Im September hatte in Rothenburg ob der Tauber eine
Unionsversammlung stattgefunden, auf der debattiert
wurde, ob man Friedrich zu- oder abraten solle, die
böhmische Krone anzunehmen, und wie die Union ihm bei
deren Verteidigung helfen könne. [1] Wie nicht anders zu
erwarten, trafen zwei Positionen aufeinander; nur der
Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach unterstützte
das böhmische Projekt uneingeschränkt, während die
überwiegende Mehrheit der Versammelten auf Distanz blieb.
Die Reichsstädte meinten sogar, es spreche mehr gegen die
Annahme der böhmischen Krone als dafür, weshalb die
Union nicht verpflichtet sei, das Vorhaben zu unterstützen.
Verpflichtet sei sie, kam man schließlich überein, Friedrich
bei der Verteidigung seiner Erblande zur Seite zu stehen,
während er in Böhmen auf sich selbst gestellt bleiben sollte.
Damit konnten Friedrich und die ihn beratenden Politiker
immerhin davon ausgehen, dass das Risiko des böhmischen
Projekts begrenzt war: Die Erblande des Kurfürsten waren
demnach durch die Union gesichert, und der Einsatz bestand
im Wesentlichen aus den finanziellen Mitteln, die Friedrich
zur Verteidigung Böhmens aufbringen musste. [2]
Ausgesprochen enttäuschend war dagegen die englische
Reaktion auf Friedrichs Ersuchen nach Unterstützung. Jakob
wollte einem Konflikt mit Spanien unter allen Umständen
aus dem Weg gehen, und diesen hielt er für unausweichlich,
wenn er sich entschlossen auf die Seite seines
Schwiegersohns stellte. Es war vor allem die Furcht vor
einem großen Hegemonialkrieg in Europa, die Jakob
veranlasste, als Vermittler in dem Konflikt auftreten zu
wollen, statt sich als Partei in den Krieg hineinziehen zu
lassen. [3] Jakob verfolgte eine Politik der friedlichen
Koexistenz mit Spanien, und um diese abzusichern,
versuchte er seit längerem, eine Ehe zwischen seinem Sohn
Karl und einer Tochter des spanischen Königs Philipp
anzubahnen. Dabei kam ihm das böhmische Abenteuer
seines Schwiegersohns in die Quere. Er war ungehalten
darüber, dass Friedrich sich überhaupt um die böhmische
Krone bemüht hatte. Dass er sie nun auch noch aus den
Händen von Aufrührern und Rebellen entgegennehmen
wollte, war für ihn, Jakob, der in England eine
frühabsolutistische Politik verfolgte und der Vorstellung vom
Gottesgnadentum anhing, [4] eine einzige Provokation. Ein
solches Projekt wollte er weder mit Soldaten noch mit
Subsidien unterstützen.
Auch die Unterstützung durch die nördlichen Niederlande
fiel mit 25000 Talern pro Monat geringer aus als erwartet.
Das Land war durch die Auseinandersetzungen zwischen der
Friedenspartei um Johan van Oldenbarnevelt und der
Kriegspartei unter Führung Moritz von Nassaus politisch
gespalten, und auch nach der Verhaftung und Hinrichtung
Oldenbarnevelts steuerte man einen vorsichtigen Kurs, um
einen Bruch des Waffenstillstands mit Spanien zu
vermeiden. [5] Immerhin beschloss man für den Fall, dass
Erzherzog Albrecht in Brüssel seine Truppen gegen die Pfalz
einsetzte, einen Diversionskrieg gegen die südlichen
Niederlande zu eröffnen, der Albrecht dazu zwingen sollte,
seine Truppen zur Verteidigung der eigenen Position im
Land zu behalten. [6] Das war ungefähr die Linie, auf die sich
auch die Union verständigt hatte. Im Ergebnis hieß das, dass
Friedrich beim Krieg um Böhmen auf sich allein gestellt war.
Das wäre zu verkraften gewesen, wenn sich Ferdinand in
einer ähnlichen Lage befunden hätte, was infolge der
spanischen und päpstlichen Hilfsgelder jedoch nicht der Fall
war, [7] und die Kaiserwahl verbesserte Ferdinands Situation
noch einmal erheblich. Als Kaiser war Ferdinand ein überaus
attraktiver Verbündeter, nicht nur für Spanien, sondern
auch für Maximilian von Bayern und die katholische Liga.
Die meisten der katholischen Fürsten im Reich wären jedoch
in dem absehbaren Krieg um Böhmen am liebsten neutral
geblieben, einem Konflikt, in dem sie selbst nichts zu
gewinnen hatten und der sie eine Menge Geld kosten würde.
Darin unterschieden sie sich nicht von den meisten ihrer
protestantischen Kontrahenten. Andererseits waren sie sich
aber auch darüber im Klaren, dass eine dauerhafte
Inbesitznahme Böhmens durch Friedrich die konfessionellen
Machtverhältnisse im Reich grundlegend verändern würde,
allein schon durch die dann protestantische Mehrheit im
Kurfürstenkollegium. Als Herzog Maximilian im Sommer
1619 noch vor der Frankfurter Kaiserwahl aktiv wurde und
die Liga unter seiner Führung wiederbelebte, schlossen sie
sich ihm an, ohne dass zunächst klar war, ob und wie die
Liga in den böhmischen Konflikt eingreifen würde.
In dieser Situation hing alles von Maximilian ab, und der
nutzte seine komfortable Lage aus, als Kaiser Ferdinand,
begleitet von dem spanischen Gesandten Oñate, der einmal
mehr im Hintergrund die Fäden zog, auf dem Rückweg von
Frankfurt in München eintraf, um mit ihm über die
Unterstützung zu sprechen, die der Kaiser von der Liga
erwarten konnte. [8] Maximilian machte für jedwede Hilfe
seitens der Liga zur Voraussetzung, dass diese unter seiner
alleinigen Direktionsgewalt stand; der Kaiser dürfe die «ihro
Fürstlichen Durchl. vberlassene absolut. vnd völlige
Direction, weder selbsten verhindern / noch andernn / zu
thun gestatten / sondern vielmehr auf allerley Weise vnd
Weg trachten / daß selbiges aller orthen befurdert werde» –
so die erste Festlegung des Münchner Vertrags. [9] Zweitens
wurde bestimmt, «daß ihro May. vnd dero hauß sich mit den
Feinden in keinem Tractat, Suspension vnd Niederlegung
der Waffen oder einigerley Friedens-Conditiones einlassen
soll ohne Wissen / Willen und Zuziehung Ihro fürstlichen
Durchleuchtigkeit in Bayrn» [10]. Damit war Maximilian im
Rahmen der Koalitionskriegführung als gleichberechtigter
Akteur anerkannt, der nicht nur Hilfe leistete, sondern dem
auch ein unbeschränkter Einfluss auf die Gestaltung der
politischen Rahmenbedingungen bis zum Ende des Krieges
zugestanden wurde. Außerdem bedang sich Maximilian aus,
dass der Kaiser ihm alle infolge des Krieges entstandenen
Schäden und Auslagen aus seinem Besitz erstatte; so «soll
Ihre Kayserliche May. vnd dero gantzes löbl. Hauß bey
Verpfändung aller dero Haab vnd Güter / nichts davon
ausgenommen / obligirt und verbunden seyn / Ihre Fürstl.
Durcheuchtigkeit in Bayrn / so wol die erlittne Schäden […]
als auch alle angewandte Unkosten zu refundirn vnd
abzustatten / welche sie zu der Kriegsverfassung vnd der
Soldatesca […] angewendt zu haben» [11]. Das bedeutete,
dass Ferdinand dem Bayernherzog einen Teil seiner
österreichischen Erblande als Pfand abtreten musste, bis er
in der Lage war, die dem Herzog entstandenen Kriegskosten
zu bezahlen. Damit bekam Maximilian einen Hebel in die
Hand, mit dem er seine Vorstellungen von der
Nachkriegsordnung durchsetzen konnte.
Aber das war keineswegs alles, denn es kamen noch zwei
im Vertrag nicht enthaltene, nur durch den Grafen Oñate
bezeugte Verabredungen hinzu. Erstens durfte Maximilian
im Verlauf des Krieges im Reich gemachte Eroberungen auf
Dauer behalten und seinem Herzogtum einverleiben. Das
betraf pfälzisches Gebiet, namentlich die an Bayern
grenzende Oberpfalz, auf die Maximilian seit längerem ein
Auge geworfen hatte. Als diese Verabredung im Mai 1620
schriftlich fixiert wurde, stand fest, dass der Krieg nicht auf
Böhmen begrenzt bleiben würde. Im Prinzip war damit ein
Krieg zwischen Liga und Union unvermeidlich – jedenfalls
wenn Letztere zu ihren Defensivversprechen für Friedrichs
Erblande stand. In der zweiten Nebenabsprache sagte
Ferdinand dem Bayernherzog die Übertragung von
Friedrichs Kurwürde zu. Beide, Kurfürst Friedrich wie
Herzog Maximilian, waren Wittelsbacher, und im
Hausvertrag von Pavia aus dem Jahre 1329, der die Teilung
in eine pfälzische und eine bayerische Linie regelte, war
vorgesehen, dass beide Linien die Kur abwechselnd
innehaben sollten. Doch in den knapp zwei Jahrzehnte später
getroffenen Festlegungen der Goldenen Bulle (1356) wurde
die Kurwürde definitiv den Pfälzern zugesprochen. [12] Die
Übertragung der Kur auf den Bayern war insofern ein
Eingriff in das Grundgesetz des Reichs, und es stellte sich
die Frage, ob der Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit
und ohne Mitwirkung der Kurfürsten dazu überhaupt
berechtigt war. Immerhin gab es einen Präzedenzfall: Kaiser
Karl V. hatte nach dem Schmalkaldischen Krieg die
Kurwürde innerhalb des wettinischen Fürstenhauses neu
vergeben, indem er sie von dem Ernestiner Johann Friedrich
dem Großmütigen auf den Albertiner Moritz übertragen
hatte.

Maximilian hatte die Notlage des Kaisers optimal genutzt. In


dem Positionierungsspiel, das die verschiedenen Akteure im
unmittelbaren Vorfeld des Krieges betrieben, hatte er die
erfolgversprechendsten Züge gemacht, die eigenen Risiken
überschaubar gehalten und die Aussicht auf Zugewinne
gesteigert, wo dies nur möglich war. Als Person ist
Maximilian nicht leicht zu fassen: Auf der einen Seite pflegte
er einen asketischen Lebensstil, der von tief religiöser
Überzeugung getragen war, auf der anderen Seite war er
ein kalt berechnender Politiker, der im Konfliktfall die
Staatsinteressen höher stellte als die Forderungen der
Religion. Maximilians Biograph Andreas Kraus hat deswegen
die Frage aufgeworfen, ob Maximilian «die Religion als
Vorwand für politische Ziele mißbraucht» habe und nur so
lange gut katholisch gewesen sei, wie «die Interessen seines
Staates und die Interessen seiner Konfession» miteinander
zur Deckung gebracht werden konnten. [13] Jedenfalls hat
Maximilian niemals darauf gesetzt, dass eine Sache siegen
werde, weil sie gottgefällig war, sondern ging stets davon
aus, dass er selbst mit politischen Schritten und
militärischen Maßnahmen für den Sieg seiner Sache Sorge
tragen müsse. Da die Ressourcen seines Herrschaftsgebiets
keine selbständige Großmachtpolitik erlaubten, musste er
darauf bedacht sein, günstige Gelegenheiten entschlossen zu
nutzen und aus Bündnissen möglichst viel herauszuholen,
und schließlich galt es sicherzustellen, dass keiner, der ihm
gefährlich werden konnte, zu mächtig wurde. In der
politischen Metaphorik Machiavellis war Maximilian eher ein
Fuchs als ein Löwe, und dementsprechend galt er Freund
wie Feind «als besonders unberechenbar, verschlagen und
unzuverlässig» [14].
Kaiser Ferdinand, Maximilians Bündnispartner im
Münchner Vertrag, war in vieler Hinsicht das Gegenteil des
Bayernherzogs: «Er war», schreibt Moriz Ritter über ihn,
«ein Fürst von schwachem Urteil, mäßiger Arbeitsamkeit
und ohne wahre Herrscherkraft, ein vollgültiger Vertreter
jener Mittelmäßigkeit, welche die deutschen Fürsten und
Staatsmänner zu bloßen Werkzeugen der großen geistigen
Gegensätze machte, die die Welt in den Krieg
hineintrieben.» [15] Das ist aus einer Perspektive heraus
formuliert, die den Krieg für unvermeidlich hielt und
dementsprechend die Herrscher und Politiker als bloße
Instrumente der «großen geistigen Gegensätze» betrachtete,
die ohnehin in den Krieg führen mussten. Im Fall Ferdinands
kann man sagen, dass er, um seine Macht als Landesherr
durchzusetzen, den Krieg bewusst in Kauf genommen, wenn
nicht gar angestrebt hat – freilich nicht als den großen und
langen Krieg, der daraus geworden ist und der nach
Ferdinands Tod noch mehr als ein Jahrzehnt andauern sollte.
Er wolle als «princeps absolutus» in den Erblanden
herrschen, hatte Ferdinand erklärt, [16] was ihn nicht davon
abhielt, alle Entscheidungen mit seinem Beichtvater Wilhelm
Lamormaini zu besprechen und sie auf ihre
Übereinstimmung mit den Geboten der Religion überprüfen
zu lassen. Gleichzeitig sah Ferdinand sich seit seiner
Italienreise im Frühjahr 1598 als ein «Werkzeug Gottes»,
dem die Aufgabe übertragen war, die Gegenreformation in
den habsburgischen Erblanden voranzutreiben. [17] Diese
Überzeugung verlieh ihm eine gewisse Standhaftigkeit, die
sein Kalkül begrenzte und seinen Durchhaltewillen
bestärkte. Einen erheblichen Teil seiner Zeit verbrachte er
mit Andachtsübungen, und diese Zeit fehlte ihm dann bei
der Bewältigung seiner politischen Aufgaben. So hörte er
täglich zwei Messen und betete das große Brevier herunter.
Wenn man ihm die Wunder der Heiligen schilderte, so Ritter,
sei er in andächtige Geistesruhe versunken. [18] Die Stärke
des Kaisers war zugleich seine größte Schwäche, denn sie
hinderte ihn daran, eine Entwicklung, an deren
Zustandekommen er maßgeblich beteiligt war, auch zu
beherrschen und zu lenken.
In Maximilian und Ferdinand hatten sich zwei Partner
gefunden, die über einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten
das Kriegsgeschehen vorantrieben – zumeist in dieselbe,
gelegentlich aber auch in unterschiedliche Richtungen. Die
in der Literatur anzutreffende Vorstellung, die beiden hätten
während ihrer gemeinsamen Zeit an der Ingolstädter
Jesuitenuniversität eine enge Freundschaft geschlossen, die
dann die Grundlage des Kriegsbündnisses gebildet habe,
verdeckt die komplexe Gemengelage. Während Maximilian
Ferdinand mehrfach instrumentalisierte und ihn einige Male
an der Verwirklichung seiner Pläne hinderte, blieb
Ferdinand immer wieder auf das Entgegenkommen des
Bayernherzogs angewiesen, wenn er seine Ziele verfolgen
wollte. Insofern herrschte in der Beziehung der beiden eine
Asymmetrie, die nicht nur aus unterschiedlichen
Machtpotenzialen erwuchs, sondern auch damit zu tun hatte,
dass Maximilian der geschicktere Politiker war, der sich
stets mehrere Optionen offenhielt. Bei Ferdinand stand
Politik oft nicht im Mittelpunkt; wenn er seine religiösen
Exerzitien absolviert hatte, widmete er sich der Musik und
der Jagd. [19]

Es gab indes im Bunde mit Ferdinand noch einen Weiteren,


den man dort wohl nicht erwartet hatte: den sächsischen
Kurfürsten Johann Georg. Nachdem dieser sich nicht dazu
hatte entschließen können, die ihm mehrfach angetragene
Krone Böhmens anzunehmen, weil er in seinem lutherischen
Obrigkeitsverständnis den Aufstand der Stände zutiefst
ablehnte und darin eine Rebellion gegen die von Gott
gesetzte Ordnung sah, wollte er in dem bevorstehenden
Krieg doch auch nicht ganz beiseitestehen und tatenlos
zusehen, wie andere die Beute unter sich aufteilten. In der
Umgebung des Kaisers, wo man zunächst auf die sächsische
Neutralität gesetzt hatte, spürte man diese Neigung und
nahm wahr, dass Johann Georg, wiewohl er alles dafür getan
hatte, dass die Böhmen ihn nicht zu ihrem König wählten,
doch darüber indigniert war, dass nun sein
innerprotestantischer Widersacher Friedrich böhmischer
König war. [20] Offenbar hatte er darauf gesetzt, trotz seiner
ablehnenden Haltung gewählt zu werden, um dann die
Krone auszuschlagen und in dem Streit als
friedenwahrender Vermittler auftreten zu können. Dieses
Kalkül war nicht aufgegangen. Aber Johann Georg wollte
und konnte nicht hinnehmen, dass sich Friedrich in der
unmittelbaren Umgebung seines Herrschaftsgebiets
etablierte und, wenn er sich dort behauptete, zum gefeierten
Anführer des Protestantismus im Reich aufsteigen würde.
Der sächsische Kurfürst konnte sich jedoch nicht ohne
weiteres auf die Seite des Kaisers stellen, wenn er seinen
Anspruch, den Protestantismus im Reich politisch zu führen,
aufrechterhalten wollte. Er musste Forderungen
formulieren, die diesen Führungsanspruch unterstrichen. [21]
Erstens ging es um die ursprünglich geistlichen Güter, die
nach 1552, dem Stichjahr des Augsburger Religionsfriedens,
in protestantischen Besitz gelangt waren und gegenüber
denen die katholische Seite in den vorangegangenen drei
Jahrzehnten regelmäßig Restitutionsforderungen erhoben
hatte. Daran dürfe nicht gerührt werden, verlangte er. Im
Grundsatz erwartete Johann Georg für seine Hilfe also eine
«Besitzstandsgarantie». Sodann forderte er, dass der Kaiser
nach dem Sieg die Lutheraner (ausdrücklich nur sie!) in
seinen Ländern nicht verfolgen, sondern ihre bisherige
Religionsfreiheit bestätigen werde. Und schließlich bestand
er darauf, dass ihm als Entschädigung für seine Kosten die
Ober- und Unterlausitz verpfändet würden. Beide grenzten
unmittelbar an Johann Georgs Territorien und boten sich zu
deren Arrondierung an. Der Sachse verfolgte eine ähnliche
Politik wie der Bayer: Was für Maximilian die Oberpfalz,
waren für ihn die beiden Lausitzen. Überhaupt hatten
Maximilian und Johann Georg mehr gemeinsam, als man bei
den konfessionellen Gegensätzen erwartet hätte: Beide
sorgten sich um die Rechte der Reichsstände, also das, was
im damaligen Sprachgebrauch «teutsche Libertät» hieß, und
dabei hatten sie ein wachsames Auge auf den Kaiser, der
diese Rechte immer wieder in Frage stellte. Beide
positionierten sich als Anführer ihrer Glaubensrichtung im
Reich, wobei Maximilian mit dem Kaiser und Johann Georg
mit den Pfälzern beziehungsweise dem süddeutschen
Protestantismus um diese Position konkurrierten, und beide
waren alles andere als uneigennützig, sobald sich eine
Gelegenheit zur Erweiterung ihres Territoriums und zum
Ausbau ihrer Macht bot.
Im Prinzip kam Ferdinand dem sächsischen Kurfürsten
ebenso entgegen, wie er das bei dem Bayernherzog getan
hatte. Er sicherte Johann Georg zu, dass er den
Majestätsbrief gegenüber allen, die sich ihm unterwürfen,
beachten werde, dass er die Lausitz an ihn verpfänden
werde, und stellte in Aussicht, sie «nach Zeit und
Umständen ihm […] als Fürstentum zu übertragen» [22]. Die
Frage der ursprünglich geistlichen Besitztümer wurde am
11. März 1620 bei einem Zusammentreffen der ligistischen
Fürsten mit Johann Georg in Mühlhausen verhandelt. Man
kam überein, dass die geistlichen Stifte in den ober- und
niedersächsischen Kreisen bei ihren gegenwärtigen
Besitzern verbleiben sollten, freilich mit der Klausel, dass
diese Zusage nur so lange gelte, wie sich die betreffenden
Reichsstände dem Kaiser gegenüber als gehorsam erwiesen.
Im Gegenzug verpflichtete sich Johann Georg, die Stände
des ober- und niedersächsischen Reichskreises für ein
Bündnis mit dem Kaiser zu gewinnen.
Auch Maximilian versuchte in Mühlhausen, seinem großen
Ziel, der Übertragung der Kurwürde von der Pfalz auf
Bayern, ein paar Schritte näherzukommen. Er beantragte,
dass der Kaiser Pfalzgraf Friedrich wegen dessen Annahme
der böhmischen Krone mit der Acht belege. Diese Forderung
mitzutragen, lehnte Johann Georg freilich ab, da er sonst als
derjenige dagestanden hätte, der einen protestantischen
Kurhut preisgab. Man solle den Gegner nicht durch die
Verhängung der Acht aufreizen, solange die Angelegenheit
nicht auf dem Schlachtfeld geklärt sei, wandte er ein, und so
einigte man sich darauf, dass es vorerst bei einer Androhung
bleiben solle. [23] Als man in Mühlhausen auseinanderging,
war das prokaiserliche Bündnis fähig, einen Krieg zu führen.
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz
Während die Bündnisse noch geschmiedet wurden, hatten
die Kriegshandlungen längst begonnen. Es blieb zunächst
bei Scharmützeln, in denen jede Seite ihre Position zu
behaupten oder zu verbessern bestrebt war, aber davor
zurückscheute, sich auf eine größere, womöglich
kriegsentscheidende Schlacht einzulassen. Beide Seiten
rechneten mit Verstärkung, und unter diesen Umständen
war es nicht ratsam, schon jetzt alles auf eine Karte zu
setzen. Bis zum Frühjahr 1620 war der Krieg, der in
Böhmen, Mähren, Ungarn und Teilen Österreichs geführt
wurde, ein Manöverkrieg, in dem es darum ging, den Gegner
durch die Besetzung seines Landes zu schädigen und die
eigenen Streitkräfte zusammenzuhalten und zu versorgen,
indem man sie nach Möglichkeit nicht in eigenen Territorien
operieren ließ oder einquartierte, sondern sich dafür die des
Gegners aussuchte. Wo es doch zu größeren
Kampfhandlungen kam, wie etwa bei der Belagerung und
Eroberung der kaisertreu gebliebenen Stadt Pilsen durch die
Streitmacht Ernst von Mansfelds oder bei dem Gefecht der
Truppen des kaiserlichen Feldherrn Bucquoy gegen die
Mansfeldischen Reiter bei Sablat (Záblatí), waren dies
Kämpfe zwischen Berufssoldaten, die aus anderen Regionen
nach Böhmen dirigiert worden waren.
Mansfelds Söldnertruppe war im Kern in Savoyen
aufgestellt und danach mehrfach verstärkt worden; es
handelte sich überwiegend um deutsche Söldner, die in dem
zwei Jahre dauernden Krieg um Monferrat Kampferfahrung
gesammelt hatten. Bucquoys Streitkräfte bestanden aus
Wallonen und Flandern, aber auch vielen Niederdeutschen,
die in der Armee der südlichen Niederlande ihr Auskommen
gesucht und gefunden hatten. [1] Die Kampfkraft dieser
Truppen war um ein Vielfaches höher als die des
böhmischen Ständeheeres und ähnlich aufgestellter
Verbände, in denen die Männer über wenig oder keine
Kampferfahrung verfügten, im Zusammenhalt von
Gefechtsformationen nicht geübt waren und auch das
Zusammenwirken von Pikenieren und Musketieren nicht
beherrschten. [2] Mit ihnen konnte man bewegliche
Operationen durchführen, Territorien besetzen, Angst und
Schrecken verbreiten, aber keine Schlachten schlagen. Das
sollte sich am 8. November 1620 in der Schlacht am Weißen
Berg in aller Deutlichkeit zeigen.
Ernst von Mansfeld, der in den ersten Jahren des Krieges eine maßgebliche Rolle
spielte, war der Inbegriff eines Söldnerführers, der die Aufgaben eines Generals
mit denen eines Condottiere aus der Renaissancezeit verband. In heutiger
Begrifflichkeit würde man ihn als «Warlord» bezeichnen. Aufgrund der zahllosen
Gewalttaten seiner Söldner gegen Bauern und Kaufleute ist Mansfeld auch als
einer der großen «Kriegsverbrecher» der Zeit kritisiert worden. Konfessionelle
Bindungen spielten für ihn ebenso wenig eine Rolle wie politische Loyalitäten.

Die Aufstellung von kriegstüchtigen Truppen kostete Zeit. In


der Regel verfügten die Landesherren zu Beginn des
17. Jahrhunderts noch nicht über ein stehendes Heer, den
sogenannten miles perpetuus, sondern boten je nach
Erfordernis Streitkräfte auf, die aber nicht sofort
einsatzfähig waren. Sie mussten erst ausgerüstet und in
Form gebracht werden – außer man übernahm einen just
verfügbaren, das heißt: einen aus einem gerade beendeten
Krieg abziehenden Söldnerverband, wie das die Böhmen mit
den Einheiten unter Ernst von Mansfeld taten. [3] Wer eine
solche Option besaß, hatte einen klaren Vorteil – jedenfalls
dann, wenn es gelang, die Einheiten strategisch sinnvoll
einzusetzen, solange die Gegenseite über keine
vergleichbaren Streitkräfte verfügte. Hier zeigte sich die
Schwäche der böhmischen Kriegführung: Statt das
Mansfeld’sche Korps gegen die Zentren der gegnerischen
Macht einzusetzen, betraute man es mit der Belagerung von
Pilsen, immobilisierte es damit und verspielte so den
kurzfristigen Vorteil. Als die Mansfelder nach
siebenwöchiger Belagerung die Stadt am 21. November
1618 im Sturm nahmen, war der Zeitvorteil dahin, denn nun
standen dem Kaiser die in den Kämpfen um Gradiška
freigewordenen Einheiten [4] sowie die aus den südlichen
Niederlanden herangeführten Truppen zur Verfügung, so
dass sich auf dem böhmisch-mährisch-österreichischen
Kriegsschauplatz ein militärisches Gleichgewicht
herausgebildet hatte. Außerdem stand der Winter vor der
Tür, und damit wurden größere Truppenbewegungen
unmöglich.
Immerhin besaß Mansfeld mit Pilsen nun eine Festung,
von der aus er Westböhmen beherrschte und die
Verbindungen in die Oberpfalz kontrollierte. Zudem konnte
er Pilsen zum Waffenplatz seiner Streitmacht ausbauen. Bei
der vorangegangenen Belagerung hatten sich freilich schon
bald die Probleme gezeigt, mit denen die militärische
Führung während des ganzen Krieges zu kämpfen hatte: Um
Pilsen vollständig einzuschließen und es von der Versorgung
durch das Umland abzuschneiden, hatten die Prager
Direktoren Mansfeld zwar Adelsreiterei und bewaffnetes
Landvolk zu Hilfe geschickt, sich aber knausrig gezeigt, was
die Mittel für die Besoldung seiner Truppen und die
Heranführung von schwerem Geschütz anging. Das fehlende
Geld wurde zum Problem, weil durch den Herzog von
Savoyen nur 2000 Söldner finanziert wurden, Mansfeld seine
Truppe aber inzwischen auf 4000 Mann aufgestockt hatte,
und große Kanonen waren die Voraussetzung für die
vorgesehene Erstürmung der Stadt. Die von den Prager
Direktoren bevorzugte Aushungerung hätte dagegen zu viel
Zeit in Anspruch genommen. Neben den strategischen
Nachteilen, die ein so zeitaufwendiges Vorhaben zur Folge
gehabt hätte, wären in dieser Zeit auch die Söldner sowie
deren Hilfstruppen zu besolden gewesen. Die Prager
Regierung war mit den Soldzahlungen aber schon jetzt im
Rückstand. Dementsprechend machte sich Unzufriedenheit
unter den Berufssoldaten breit.
Mansfeld musste mehrfach die Truppe verlassen und sich
um die finanziellen Probleme kümmern, also neues Geld für
seine Männer auftreiben. [5] Er war bestrebt, dies in den
Wintermonaten zu tun, in denen das Kriegsgeschehen
weitgehend ruhte. Seine längere Abwesenheit vom
Kriegsschauplatz war einer energischen Kriegführung
jedoch abträglich. Auch wenn in seinem Fall die
Doppelfunktion als General und Kriegsunternehmer
besonders ausgeprägt war, so lassen sich die damit
verbundenen Probleme doch bei fast allen Heerführern des
Dreißigjährigen Krieges beobachten. Geld war der nervus
rerum des Krieges, und wenn die Soldzahlungen ausblieben,
riskierten die Generäle und Obristen nicht nur eine Meuterei
unter den Soldaten, sondern auch die Schwächung des
Heeres. Die Soldaten mussten sich häufig selbst versorgen,
und wenn sie kein Geld hatten, um sich etwas zu kaufen,
verschwanden auch schon bald die Marketender, die sonst
den Truppen auf dem Fuß folgten. [6] Söldnertruppen neigten
daher dazu, eine Stadt zu stürmen, anstatt durch lange
Belagerung ihre Kapitulation zu erzwingen, denn eine
gestürmte Stadt durften sie nach Kriegsrecht plündern,
während dies bei einer Kapitulation nicht der Fall war. [7]
Immer wieder wurde in diesem Krieg die rechtlich
abgesicherte Gelegenheit, in großem Stil Beute zu machen,
zum Ersatz für ausbleibenden Sold und zu einem Mittel, die
Soldaten bei Laune zu halten. Solche Plünderungen aber
waren ein Problem, wenn man nach der Eroberung auf die
Stadt und ihre Bevölkerung angewiesen war, sei es, weil
man keine großen Kräfte für die Besatzung zurücklassen
wollte, sei es, weil die Stadt zum eigenen Herrschaftsgebiet
gehörte und man auf ihre zukünftige Loyalität zählen
musste. So war es auch im Falle Pilsens, und Mansfeld hatte
seinen Söldnern trotz der Erstürmung der Stadt deren
Plünderung untersagt. [8] Umso dringlicher war es für ihn,
Geld für die ausstehenden Soldzahlungen aufzutreiben.
Als Erstes verabschiedete Mansfeld einen Teil der
Truppen, um so die Summe des zu zahlenden Soldes zu
vermindern. Er entließ all jene, die er nur für
Schanzarbeiten zur Vorbereitung der Belagerung gebraucht
hatte, und behielt von den Kampftruppen nur seine
erfahrenen Soldaten, mit denen er schon in der
Vergangenheit Krieg geführt hatte. Solche Abdankungen
waren ein probates Mittel, um die im Verhältnis zu den
finanziellen Möglichkeiten einer kriegführenden Partei
überdimensionierten Militärapparate wieder zu
verschlanken. Zurück blieben dabei nur die Kadertruppen,
die man brauchte, um die Truppenstärke, wenn es
erforderlich und finanziell möglich war, wieder zu erhöhen.
Mansfelds erfahrene Soldaten waren ein Kaderverband, der
schnell verdoppelt und verdreifacht werden konnte. Diese
Kader zusammenzuhalten und sie den jeweils Interessierten
zur Verfügung zu stellen, war Mansfelds Geschäftsmodell.
Militärverbände, die eine solche Kaderstruktur aufwiesen
und je nach Lage vergrößert und verkleinert werden
konnten, waren sehr viel leistungsfähiger als neu
aufgestellte Truppen, denen im Gefecht die erfahrenen
Soldaten fehlten, das «geübte, versuchte und beschossene
Volck», wie man es nannte. [9] Vor allem verfügte ein auf
diese Weise flexibler Truppenverband über eine hinreichend
große Zahl von Drillmeistern, denen es oblag, die neu
Angeworbenen möglichst schnell im Gebrauch der Waffen
und in taktischen Formationen zu unterweisen.
Dass die Mannschaftsstärke des Mansfeld’schen Korps
Ende November reduziert wurde, war mit Blick auf die
jahreszeitlich bedingte Einstellung der Kampfhandlungen
aus finanziellen Gründen naheliegend. Es zeigte aber auch
die strategische Kurzsichtigkeit der böhmischen Stände und
ihrer Direktoren, denn gerade diese Zeit hätte man zur
Ausbildung neu angeworbener Soldaten nutzen können, um
im Frühjahr dann zeitig mit starken Kräften in die Offensive
zu gehen und die Entscheidung des Krieges auf dem
Schlachtfeld zu suchen. Dazu hätten freilich erhebliche
Finanzmittel bereitgestellt werden müssen, doch dafür
waren die Stände zu knausrig. Sie wollten, um es zu
pointieren, politische Mitspracherechte und religiöse
Freiheiten, aber beides sollte nicht viel kosten. Am liebsten
hätten sie einen Dritten gefunden, der die militärischen
Unternehmungen finanzierte, und entsprechend sind die
Stände im darauffolgenden Jahr auch an die Königswahl in
Böhmen herangegangen. Das ist der wohl entscheidende
Unterschied zwischen dem Aufstand der Niederlande und
dem in Böhmen. Die Niederländer hatten eine Vorstellung
davon, worauf sie sich einließen, wenn sie gegen ein
Weltreich rebellierten, und dementsprechend waren sie
bereit, das Projekt ihrer Unabhängigkeit von Spanien durch
den Einsatz von Hab und Gut zu unterstützen. Das war bei
den Böhmen nicht der Fall, und so hielten sie die Truppe
Mansfelds knapp und glaubten, den Krieg mit einem
kostengünstigen Aufgebot aus Adel und bewaffnetem
Landvolk gewinnen zu können.

Das Bild – ein Holzstich nach einem Gemälde von Werner Schuch – zeigt die
Vorstellung, die man sich Ende des 19. Jahrhunderts in der akademischen
Historienmalerei vom Dreißigjährigen Krieg und den berüchtigten
Söldnerverbänden Ernst von Mansfelds gemacht hat: keine Heersäulen, keine
nach Infanterie und Kavallerie geordneten Verbände, auch keine Trennung von
Tross und Kampftruppen, sondern alles in bunter Mischung. Im Zentrum ein
schwerer Wagen, der über einen vom Regen aufgeweichten Weg gezogen wird;
Fass und Frau unter der Zeltplane lassen vermuten, dass es sich um einen
Marketenderwagen handelt. Rechts davon ein störrischer Esel, der vorangeprügelt
wird: Dieser Trupp hat es nicht auf den Feind, sondern auf das nächste Gehöft
oder Dorf abgesehen.

Militärgeschichtlich gesehen war das frühe 17. Jahrhundert


die Endphase einer Zwischenzeit, in der das Kriegswesen
aus zwei miteinander konkurrierenden, mitunter auch
komplementären Elementen bestand. Einerseits gab es die
überkommenen Formen des mittelalterlichen Lehnswesens,
das Kriegführung über personale Bindungen und
Verpflichtungen organisierte und durch ein Aufgebot freier
Bauern, häufig in Gestalt eines Landesdefensionswesens
modernisiert, ergänzt wurde. Die Defensionsregelungen
sahen vor, dass im Verteidigungsfall die wehrhaften Männer,
Städter wie Bauern, zu den Waffen gerufen und relativ
ortsnah eingesetzt wurden. Andererseits war ein
professionelles Kriegertum entstanden, dessen Wurzeln
ebenfalls bis ins Mittelalter zurückreichten, das aber im
Verlauf des 15. Jahrhunderts durch das Condotteri-System
Italiens, die Organisation militärischer Arbeitskraft durch
einen Kriegsunternehmer, einen erheblichen
Entwicklungsschub erfahren hatte. Dabei trat der Sold, also
Geldzahlung als Grundlage der Dienstbereitschaft, an die
Stelle der personalen Bindung. [10] In beiden Fällen wurde
militärische Leistungsfähigkeit je nach Bedarf verfügbar
gemacht: Die Ritter und die Bauern wurden aufgeboten,
wenn ein Kampf zu bestehen war, aber sie befanden sich
nicht ständig im Krieg, und die Truppen eines Condottiere
(von italienisch condotta, Führung) wurden von einem
Fürsten oder einer Stadt unter Vertrag genommen, wenn ein
Krieg drohte oder man seine Ansprüche gegen andere mit
Waffengewalt durchsetzen wollte. Stehende Heere gab es so
gut wie nicht, und die Handvoll Soldaten, die von den
Städten für den Wachdienst an ihren Toren besoldet wurden,
hatten eher polizeiliche als militärische Aufgaben. Das war,
gemessen an späteren Strukturen, ein relativ günstiges
Verfahren, um militärische Arbeitskraft zu organisieren:
Kosten – sieht man einmal von der auf die
Gesamtbevölkerung bezogen dünnen Schicht der Ritter ab –
fielen nur im Bedarfsfall an. Krieg war ein saisonal und
regional beschränktes Ereignis. Nur dort, wo eine
verdichtete Staatlichkeit und ein gesellschaftliches
Mehrprodukt, ein Überschuss an Gütern, zusammenkamen,
war es möglich, Krieg in größeren Räumen und über längere
Zeit zu führen. Vor dem Dreißigjährigen Krieg war das
eigentlich nur in den Niederlanden der Fall, wo mit dem
spanischen Weltreich und den aufständischen Provinzen
zwei reiche Akteure aufeinandertrafen, die über stehende
Heere verfügten. Was sich hier entwickelte, war eine neue
Art der Kriegführung, in der Festungssysteme eine
besondere Rolle spielten und oft mehr gegen die Logistik des
Gegners operiert wurde als gegen dessen Streitkräfte. In
diesem Krieg erfuhren die Waffensysteme und die taktischen
Formationen einen Entwicklungsschub, der zum
Schwungrad dessen wurde, was man als die militärische
Revolution in Europa bezeichnet. [11]
Während in Westeuropa mit dem Geld, das in das
Kriegswesen floss, die Waffentechnologie weiterentwickelt
wurde und Heere professioneller Söldner entstanden, hielt
man im östlichen Mitteleuropa an den leichten
Reiterverbänden fest, die schwarmartig in ein Gebiet
einfielen und es verwüsteten. Diese Verbände waren nicht in
der Lage, eine Schlacht gegen die modernen Heere mit ihren
unterschiedlichen Waffengattungen zu führen. [12]
Andererseits war die leichte Reiterei nicht überflüssig
geworden, und wenn sie auch in den Feldschlachten des
Dreißigjährigen Krieges keine ausschlaggebende Rolle
spielte, so war sie doch bei der Verfolgung eines
geschlagenen Gegners überaus nützlich. Geradezu
unentbehrlich war sie, wenn es darum ging, große Räume zu
beherrschen, gegen den Feind aufzuklären oder die
Versorgungslinien gegnerischer Truppen anzugreifen. Die
ständige Klage Mansfelds, dass ihm die Reiterei fehle und er
deswegen nur beschränkt handlungsfähig sei, belegt dies
nur allzu deutlich. [13]
Das Geschehen des Dreißigjährigen Krieges entwickelte
sich zwischen diesen beiden Elementen der Kriegführung,
ihrem direkten Zusammentreffen, ihrer Vermischung und
schließlich ihrer strategischen wie taktischen Kombination.
Die wiederholten Einfälle Bethlen Gábors nach Ungarn und
bis vor die Tore Wiens stehen für den mittelosteuropäischen
Typ der Kriegführung, [14] während die Operationen am
Niederrhein während der zweiten Jülicher Erbfolgekrise den
westeuropäischen Typ von Kriegführung repräsentieren. [15]
Der Krieg in Böhmen und den angrenzenden Gebieten wurde
in einer Mischform beider Typen ausgetragen, wobei schon
früh absehbar war, dass langfristig derjenige die Oberhand
behalten würde, der an modernen Truppen überlegen und
weniger der Tradition verhaftet war. Insofern war es eine
weitere Fehlentscheidung, dass die Prager Direktoren
stärker auf ihr Ständeheer als auf die Söldnerverbände
Mansfelds setzten. Sie investierten einfach nicht genug in
den Erfolg ihres politischen Projekts.

Im Herbst 1619 sah es für die Böhmen indes noch recht gut
aus. Der Einfall Bethlen Gábors nach Ungarn war
erfolgreich, die Verbände des Siebenbürgers stießen vor bis
Preßburg, das heutige Bratislava, und eroberten die Stadt.
Damit war der Weg nach Wien offen, so dass dem in Böhmen
stehenden Bucquoy vom kaiserlichen Kriegsrat der Befehl
erteilt wurde, sich mit seinen Einheiten zurückzuziehen, um
das Zentrum der habsburgischen Lande zu decken. [16] In
diesen Rückzug hineinzustoßen und dem Gegner dabei
größere Verluste zuzufügen, ihm vor allem den Tross und die
mitgeführten Kanonen wegzunehmen, wäre die Chance des
böhmischen Ständeheeres gewesen. In einer geordneten
Schlacht hätten die kriegsunerfahrenen Bauernsoldaten
dieses Heeres die wallonisch-flandrischen Berufssoldaten
Bucquoys kaum besiegen können, aber fortgesetzte Attacken
auf einen nicht in Gefechtsformation befindlichen Heereszug
hätten gute Erfolgsaussichten gehabt. Die Böhmen ließen
diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen und folgten den
Kaiserlichen erst in größerem Abstand. Es fehlte die
militärische Initiative, um den «Beobachtungskrieg» in einen
auf militärische Entscheidungen ausgerichteten Krieg zu
verwandeln, und es fehlte am Sold, um die Truppen für die
erforderlichen Anstrengungen zu motivieren: Als sie den
Befehl erhielten, den abziehenden Gegner zu verfolgen,
erklärten ihre Wortführer, sie würden ihre Stellungen erst
verlassen, nachdem ihnen zumindest ein Teil des
rückständigen Soldes ausbezahlt worden sei.
Gleich zu Beginn des Krieges zeigte sich hier ein Problem,
das immer wieder auftreten sollte: der «Kampfstreik»
beziehungsweise die Befehlsverweigerung von Truppen, die
seit längerem keinen Sold erhalten hatten. Indem die
Truppen meuterten, griffen sie auf das einzige ihnen zur
Verfügung stehende Mittel zurück, um Soldzahlungen,
zumindest Abschlagszahlungen auf den Sold, zu erzwingen.
Sie verweigerten die Befehle, um die ihnen gegebenen
Zusagen durchzusetzen und den Kriegsherrn zur
Vertragstreue zu zwingen. [17] Die Alternative zur Meuterei
war die Desertion, aber damit gab der Betreffende seinen
Anspruch auf den ausstehenden Sold auf. [18] Beides,
Meuterei wie Desertion, stand unter strenger Strafe, und
diese Strafen waren in den Artikelbriefen, die den
Kriegsknechten bei ihrer Anwerbung verlesen wurden,
eingehend beschrieben. Desertion war im Prinzip ein
individueller Vorgang, auch wenn es im Verlauf des Krieges
immer wieder zu Massendesertionen kam; Meuterei dagegen
war nur im Kollektiv möglich und setzte ein gefestigtes
Vertrauensverhältnis innerhalb der Truppe voraus. Dass
Soldaten desertierten, war ein normaler Begleitvorgang der
Kriegführung dieser Zeit, und in bestimmten Phasen nahm
die militärische Führung Desertion hin, ohne größere
Anstrengungen dagegen zu unternehmen. Sie wurde
verschiedentlich als ein Vorgang der Reinigung der Truppe
von unwilligen und unfähigen Soldaten angesehen und hatte
erhebliche Soldersparnis zur Folge. Desertion in großem Stil
führte dazu, dass eine Einheit auf ihre Kaderstruktur
abgeschmolzen wurde. [19] Das war manchem Obristen in
Phasen, in denen das Kriegsgeschehen stillstand, durchaus
recht. Vor und während einer Schlacht war das anders: Hier
wurde Desertion als Feigheit und Verrat begriffen und hart
bestraft – in der Regel mit dem Tod. Dementsprechend
wurden in gefechtsnahen Konstellationen auch geeignete
Vorkehrungen getroffen.
Meutereien dagegen waren stets eine überaus ernst zu
nehmende Herausforderung für die Heeresführung, und sie
verlangten eine unmittelbare Reaktion – in der Regel
Abschlagszahlungen auf den Sold, mit denen die Situation
beruhigt wurde. So war es auch beim böhmischen Heer im
Herbst 1619. Als es sich endlich in Bewegung setzte, war die
Gelegenheit vertan, die Truppen Bucquoys auf dem Rückzug
anzufallen und in Einzelgefechte zu verwickeln. [20]
Schließlich kam es am 24. Oktober bei Ulrichskirchen doch
noch zu einem Zusammenstoß beider Seiten, der sich aber
nicht zu einer Schlacht entwickelte, da Bucquoy dem
kräftemäßig überlegenen Gegner auswich und sich über die
Donau zurückzog. Die Kaiserlichen brachen die
Donaubrücke hinter sich ab, und so konnten Thurn und
Hohenlohe mit den Böhmen nicht nachsetzen. Die
böhmischen Truppen bezogen links der Donau Stellung, und
Thurn und Hohenlohe begaben sich nach Preßburg, wo sie
mit Bethlen Gábor das weitere Vorgehen besprachen. Man
kam überein, einen Vorstoß auf Wien zu unternehmen, wobei
freilich offen blieb, welches strategische Ziel dabei verfolgt
werden sollte: die Einnahme Wiens und damit die Besetzung
des feindlichen Zentrums, die Verheerung des Landes, um
die Ressourcen des Kaisers für eine offensive Kriegführung
nach Böhmen und Mähren hinein zu vermindern, oder die
Unterstützung der österreichischen Opposition gegen die
Habsburger, die eine Rebellion der Landstände anstoßen
sollte, um nach böhmischem Vorbild die Absetzung des
Landesherrn zu betreiben.
Das Problem des von den aufständischen Böhmen und
Bethlen Gábor geführten Koalitionskrieges war, dass man
sich nie auf einen gemeinsamen Zweck des Krieges
verständigen konnte, so dass beide Seiten ihre je eigenen
Ziele verfolgten. [21] Das Ergebnis war strategisches Chaos.
Um Wien zu erobern, fehlte den verbündeten Heeren, die am
21. November bei Preßburg in einer Stärke von mehr als
40000 Mann die Donau überschritten, das schwere
Geschütz, mit dem man die Mauern der stark befestigten
Stadt hätte brechen können. Die beiden anderen Ziele
schlossen sich gegenseitig aus: Wenn man einen Aufstand
gegen die Habsburger entfachen wollte, musste man die
Bevölkerung gut behandeln und durfte sie nicht
ausplündern. Genau das aber tat das Heer: die Böhmen, um
sich für den rückständigen Sold durch Beute schadlos zu
halten, und die Reiter Bethlens, weil sie genau dafür in den
Krieg gezogen waren. Die Dörfer und Städte auf dem Weg
nach Wien wurden ausgeplündert, einige niedergebrannt.
Die siebenbürgischen Reiter Bethlens, denen sich
inzwischen auch Ungarn angeschlossen hatten, taten sich
dabei durch besondere Grausamkeiten hervor. [22]
Graf Thurn wiederum scheint darauf gesetzt zu haben,
dass ihm dieses Mal gelingen werde, woran er im Frühjahr
des Jahres bei seinem ersten Vorstoß vor die Tore Wiens
gescheitert war: die österreichischen Stände zum Aufstand
gegen die Habsburger zu bringen und damit den Krieg
erfolgreich zu beenden. Obwohl Thurn Anfang Juni mit einer
sehr viel geringeren Heeresmacht vor Wien aufgetaucht
war – es dürften 10000 Mann gewesen sein, die sich bis zum
Abzug Mitte Juni auf 5000 Mann verringerten –, waren seine
Erfolgsaussichten damals erheblich größer gewesen als
jetzt. Als sich die Truppen beim ersten Vorstoß am 5. Juni
den Vorstädten Wiens näherten, war die Stadt nämlich so
gut wie nicht verteidigungsbereit. [23] Ferdinand, der sich zu
dieser Zeit in Wien aufhielt, reagierte auf die Bedrohung,
indem er seine geistlichen Übungen verdoppelte;
gleichzeitig erteilte er die Anweisung, die in der näheren
Umgebung stehenden eigenen Militärverbände umgehend
nach Wien in Marsch zu setzen. Am Vormittag des 5. Juni
empfing er die protestantischen Landstände zu einer
Audienz, bei der diese von ihrem Landesherrn in harschem
Ton verlangten, den Krieg gegen die böhmischen
Glaubensgenossen zu beenden und in den österreichischen
Erblanden dieselbe Religionsfreiheit zu gewährleisten, die
den Böhmen im Majestätsbrief zugestanden worden war. Es
ist unklar, ob sich die Szene tatsächlich so zugetragen hat
oder ob es sich um eine nachträgliche Stilisierung zu einem
Mythos des historischen Augenblicks handelt. Jedenfalls
wird berichtet, Ferdinand habe dieses Ansinnen in großer
Ruhe und Gelassenheit zurückgewiesen, woraufhin die
Ständevertreter eine drohende Haltung eingenommen
hätten. Just in diesem Moment seien vier Kornetts des
Kürassierregiments Dampierre in die Wiener Hofburg
eingeritten, womit sich die Lage sofort verändert habe. Die
Ständevertreter hätten sich schleunigst entfernt, und die
«fünfte Kolonne», die in Wien bereitgestanden habe, um den
vor der Stadt stehenden Böhmen die Tore zu öffnen, habe
sich eine solche Aktion nicht mehr zugetraut und sei untätig
geblieben. Da Thurn die Voraussetzungen für eine
Belagerung der Stadt oder gar ihrer Erstürmung fehlten,
trat er eine Woche später den Rückzug an. Wahrscheinlich
nötigte ihn dazu auch der militärische Erfolg, den die in
Böhmen operierenden kaiserlichen Verbände unter Bucquoy
bei Sablat errungen hatten. Mansfeld hatte unvorsichtig
agiert und war in eine Falle gegangen. Seine Söldner hatten
erhebliche Verluste erlitten, und das in Österreich stehende
Heer der Böhmen geriet in Gefahr, von seinen rückwärtigen
Verbindungen abgeschnitten zu werden. [24] «Der Zug des
Grafen Thurn gegen Wien», so das Urteil Moriz Ritters,
«bezeichnete einen Höhepunkt, aber auch die vorläufige
Grenze der böhmischen Erfolge.» [25]
Der neuerliche Vorstoß auf Wien Ende November 1619
verlief nach demselben Muster – allerdings befanden sich
dieses Mal von Anfang an starke Verbände in Wien, so dass
an einen Sturm trotz der sehr viel größeren Zahl der
Angreifer nicht zu denken war. [26] Bucquoy war nämlich
nicht in Böhmen geblieben, sondern hatte sich nach Wien
zurückgezogen, wo die Einquartierung seiner Soldaten in
Bürgerhäusern für erhebliche Unruhe sorgte. Eine längere
Belagerung der Stadt kam für die Böhmen nicht in Frage, da
die Versorgung einer so großen Armee zu viele Probleme mit
sich gebracht hätte. Der Einfall polnischer leichter Reiter
nach Siebenbürgen veranlasste Bethlen und mit ihm auch
Thurn schließlich zum Rückzug. Es war das letzte Mal, dass
die Böhmen zu einer strategischen Offensive in der Lage
waren, denn nun stellte Bethlen Gábor das Bündnis mit der
Confoederatio Bohemica in Frage. Für ihn zeichnete sich ab,
dass er in das Bündnis mehr investieren musste, als er im
günstigsten Fall an Gewinn einstreichen konnte. Er schloss
mit dem Kaiser einen Vertrag, der ihn und seine Nachfolger
in den Besitz größerer Teile Ungarns brachte. Ferdinand ließ
sich auf so weitgehende Konzessionen ein, weil er hoffte,
dadurch den Fürsten von Siebenbürgen auf längere Zeit
militärisch neutralisieren und sich ganz auf einen Krieg
gegen die Confoederatio Bohemica konzentrieren zu können:
Gegen sie wollte er im Jahr 1620 die Entscheidung
herbeiführen. Die Voraussetzung dafür schuf er, indem er
die Böhmen Schritt für Schritt von ihren Verbündeten
trennte und mögliche Nebenkriegsschauplätze schloss.
Dadurch war er in der Lage, alle verfügbaren Kräfte gegen
das Zentrum der antihabsburgischen Koalition einzusetzen.
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz
in Böhmen
Unterdessen zog Friedrich von der Pfalz mit großer Pracht
in Prag ein und ließ sich zum König von Böhmen krönen. Von
Heidelberg aus war er zunächst nach Amberg gereist, dem
Verwaltungszentrum der Oberpfalz, wo der kaiserliche
Gesandte Graf Fürstenberg ihn noch einmal von seinem
Vorhaben, die böhmische Königskrone anzunehmen,
abzuhalten suchte. Er brachte einen eigens dafür
einberufenen Reichstag ins Gespräch, auf dem alle
kontroversen Fragen geklärt werden sollten. Von einem
Reichstag, so Friedrichs Entgegnung, sei keine Lösung zu
erwarten, wie ja auch die letzten Reichstage zu nichts
geführt hätten, und was die böhmische Krone anbetreffe, so
wolle er sich diese Frage noch offenhalten. [1] Nach
einwöchigem Aufenthalt in Amberg reiste der Kurfürst bis
zur böhmischen Grenze, wo ihn eine Delegation aus Prag
erwartete, die ihn als neuen König begrüßte. Von dort zog
der über 500 Personen umfassende Hofstaat über Eger
weiter nach Prag, wo man am frühen Morgen des
31. Oktober ankam. Prächtige Kutschen, über 1000 reich
ausstaffierte Reiter, zahllose Bürger, die Spalier standen –
der Einzug Friedrichs soll etwa 50000 Gulden gekostet
haben. Das war in Anbetracht der Soldrückstände, unter
denen die Armee litt und die gerade im Winter 1619/20
dramatische Ausmaße annahmen, eher unangemessen.
Ludwig Camerarius, einer der Friedrich begleitenden Räte,
stellte dazu in einem Brief an den kurpfälzischen Kanzler
Johann Christoph von der Grün fest: «Meo judicio [nach
meinem Urteil] wäre das Geld zu Zahlung des Kriegsvolks
besser angelegt gewest.» [2]

Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, wird im Prager Veitsdom zum König von
Böhmen gekrönt. Die Zeremonie wird nicht von dem Prager Erzbischof
vorgenommen, sondern von dem utraquistischen Administrator Georg Dicastus.
Friedrich ist umgeben von den Direktoren der Confoederatio Bohemica, die ihm
huldigen, indem sie die Krone berühren. An der Zeremonie nehmen nur wenige
Reichsfürsten teil; sie sitzen auf den bezifferten Plätzen am linken unteren
Bildrand, wo sie als Beglaubiger der Krönung dienen. Der zeitgenössische Stich
zeigt, wie man Friedrich salbt, ihm den Königsmantel anlegt und die Krone
aufsetzt.

Am 4. November folgte die Krönung im Veitsdom, ein nicht


weniger prachtvolles und aufwendiges Ereignis, das so gar
nicht zu der Lage passte, in der sich das Land befand:
Dukaten wurden in die Menge geworfen, und aus einem
Brunnen floss weißer und roter Wein für jedermann. Es hat
den Anschein, als wollte man mit der Feier davon ablenken,
dass man sich im Krieg befand, dass dieser Krieg bislang
nicht wirklich glücklich verlief und immer mehr Mächte, auf
die man als Bündnispartner gesetzt hatte, auf Distanz
gingen. Friedrich ließ sich offenkundig von der
optimistischen Stimmung in Prag anstecken und unternahm
nicht die Anstrengungen, die erforderlich gewesen wären,
um das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen. «Er
macht sich die Sache leicht und setzt alles auf Gott», so sein
Berater Camerarius. [3] Aber Friedrich waren auch die Hände
gebunden: Fast alle wichtigen Ämter in Prag waren mit
Personen besetzt, die bei der Adelsrebellion eine Rolle
gespielt hatten und sich nicht durch die angereisten Pfälzer
Räte ablösen ließen. Wenn es zu Revirements kam, dann
wurden Böhmen durch Böhmen ersetzt. Schließlich hatten
sie ihre libertär-ständischen Freiheiten nicht erkämpft, um
die kaiserlich-katholischen gegen kurpfälzisch-reformierte
Amtsträger austauschen zu lassen. Doch die im Verlauf der
Rebellion an die Macht gekommenen Männer waren ihren
Aufgaben nicht oder nur unzureichend gewachsen, und so
mangelte es an vielem, was hätte funktionieren müssen, um
sich gegen eine Koalition übermächtiger Feinde zu
behaupten. Bei den kurpfälzischen Räten machte sich
Skepsis breit, ob das böhmische Abenteuer ihres Fürsten ein
glückliches Ende nehmen werde.
«Es ist allenthalben», so berichtet Camerarius im
Anschluss an die Krönung Friedrichs nach Heidelberg, «tam
in politicis quam re militari [in politischen wie in
militärischen Angelegenheiten] ein übermachte Confusion
und Unordnung / bey der Cantzley und Cammer alles
unrichtig und im üblen Zustand / daß unser gnädigster Herr
in eine sehr schwere gefährliche Regierung einsitzet.» Und:
«Der grösste Mangel ist an Geld / und da deßwegen nicht
Rath und Mittel gefunden werden / dürffte einmal urplötzlich
groß Ungelegenheit entstehen.» [4] Immerhin wurde
Christian von Anhalt, der das böhmische Abenteuer
Friedrichs initiiert und den Kurfürsten maßgeblich zur
Annahme der böhmischen Krone gedrängt hatte, an die
Spitze des böhmischen Militärs gestellt. Damit wurde die
bislang zwischen Graf Thurn und Graf Georg Friedrich von
Hohenlohe geteilte Führung beseitigt, die unter anderem für
die zögerliche und widersprüchliche Kriegführung
verantwortlich war.
Camerarius war aus der Pfalz mitgekommen, um zu helfen,
effiziente Strukturen herzustellen, und sah sich nun in Prag
zu Passivität verurteilt. Er wurde in eine Beobachterposition
hineingedrängt, und was er sah, erfüllte ihn mit großer
Sorge. Dazu gehörte auch der Umstand, dass Friedrich
selbst zwar von der Prager Bevölkerung freundlich und
offenherzig aufgenommen wurde, seine Frau Elisabeth aber
auf wachsende Ablehnung stieß. Camerarius vermerkt mit
Genugtuung, dass Friedrich bei der Krönungszeremonie die
vom Oberstburggrafen vorgesprochene Verpflichtungsformel
«in Böhmischer Sprache» nachgesprochen habe und ihm das
so gut gelungen sei, «daß die Böhmen es nicht genug
rühmen können / und daher die vorhin / GOtt lob / ins
gemein starcke Benevolentz vermehret wird». [5] Was ihn
dagegen beunruhigte, war das Auftreten der Königin: Sie
beherrschte das Deutsche nur rudimentär, pflegte deswegen
Englisch oder Französisch zu sprechen; Böhmisch sprach
und verstand sie überhaupt nicht. Schon bald wurde in Prag
mit Missfallen beobachtet, dass sie sich bei der Einteilung
des Tagesablaufs an keine Ordnung hielt, weder bei den
Mahlzeiten noch beim Kirchenbesuch. Und auch ihre
Kleidung, zumal das üppige Dekolleté – «die entblößte
Brust» –, das von ihr und ihrem Hofstaat gepflegt wurde,
erregte erheblichen Unwillen. [6] Camerarius hält fest:
«Wann nur das Englisch exorbitirn [gemeint ist das
Auftreten der Königin] nicht die Gemühter ändert / so ist
alles gut. Daß man mit dem Essen / und zur Kirchen gehen
aufs Frauenzimmer warten muß / und andere puntilien
verursachen schon offendicula, und ärgert sonderlich die
Böhmischen Damen / daß man die Brüste nicht zudecket.
Sed forte corrigenda ista, ut omnino corrigenda sunt [das ist
entschieden zu ändern, so wie alles zu verändern ist].» [7]
Camerarius beobachtete all dies, und da er daran nichts
ändern konnte, weil er auf die böhmische Verwaltung keinen
Zugriff und auf die selbstbewusste Königin – Moriz Ritter
nennt sie «übermütig» [8] – keinen Einfluss hatte, brachte er
seine Hoffnung und sein Vertrauen auf Gott zum Ausdruck:
«Gott kan und wird alles zu erwünschtem End schicken / der
bißhero alles so wunderbar geführt hat.» [9]
Neben Stil- und Geschmacksfragen gab es zwei größere
Probleme, die zur Entfremdung zwischen Friedrich und den
Böhmen beitrugen: das eine war dynastischer, das andere
konfessionspolitischer Art. Friedrich wollte die Verbindung
zwischen der Pfalz und Böhmen durch die Vererbung der
ihm gerade übertragenen Königswürde gesichert wissen und
drängte darauf, dass die Stände seinen ältesten Sohn
Friedrich Heinrich so schnell wie möglich zum künftigen
König wählten. [10] Friedrich war damals dreiundzwanzig
Jahre alt, sein Sohn erst fünf, und so kam diese Forderung
vielen Ständevertretern wie eine Verhöhnung des gerade
erst durchgesetzten Wahlrechts vor. Sie vertrösteten den
König, indem sie ihm versprachen, dass sich die im Frühjahr
1620 zusammentretende Ständeversammlung mit dieser
Frage befassen werde. Immer deutlicher wurde sichtbar,
dass Friedrichs dynastische Ambitionen, die für ihn das
Risiko des böhmischen Abenteuers abfedern sollten, und das
politische Selbstbewusstsein der Ständevertreter nicht
zusammenpassten.
Friedrichs Auftreten in Prag stellte aber nicht nur das
Verfassungsverständnis der Böhmen in Frage, sondern
berührte bald auch den zweiten Grund, weshalb die Böhmen
gegen die Habsburger revoltiert hatten. Die Prager waren
stolz auf ihren Veitsdom, der die Grablege der böhmischen
Könige und der letzten drei habsburgischen Kaiser war und
den man im Laufe der Zeit mit Altären, Bildern und
Schnitzwerk reich ausgestattet hatte. Die lutheranisch-
hussitischen Pfarrer, die hier den Gottesdienst hielten,
hatten sich daran ebenso wenig gestört wie die Prager
Bevölkerung. Für die calvinistische
Verkündigungsauffassung, die sich ganz auf das Wort
konzentrierte, war die aufs Auge gerichtete Pracht jedoch
unerträglich, und so drängte Abraham Scultetus, der aus
Heidelberg mitgekommene Hofprediger des Kurfürsten, auf
die Reinigung des Domes von den «verdammten
Götzenbildern». Als man ihm zur Geduld riet, um die
Empfindungen der Prager nicht zu verletzen, erwiderte er
mit den Worten des Propheten Samuel, wer mit der
Zerstörung der Götzenbilder warte, sei nicht mit ganzem
Herzen zu Gott bekehrt. [11] Also wurde der Dom von seinen
Kunstwerken «gesäubert», damit Friedrich dort ein
Weihnachtsfest nach reformiertem Verständnis feiern
konnte. In der Folge wuchs bei den Böhmen der Verdacht,
ihre Verbindung mit den Reformierten könne sich als ein
großes Missverständnis herausstellen. Dieser Verdacht
verstärkte sich, als Scultetus im Frühjahr 1620 forderte,
Friedrich solle die unter königlichem Patronat stehenden
Pfarrstellen nicht länger durch die lutherisch dominierte
Landesbehörde besetzen lassen, sondern die Besetzungen
nach eigenem Ermessen selbst vornehmen, um durch
calvinistische Pfarrer das reformierte Bekenntnis in Böhmen
zu befördern. Das war für viele Böhmen eine Erneuerung der
religiösen Bevormundung, von der sie sich mit der
Vertreibung der Jesuiten gerade erst befreit zu haben
glaubten.

Unterdessen hatte sich die militärische Lage für die Böhmen


verschlechtert, ebenso die Aussicht auf zuverlässige
Verbündete. Bethlen Gábor wollte zwar trotz des mit dem
Kaiser geschlossenen Vertrags seine Verbindungen zu ihnen
nicht aufgeben, aber in Anbetracht seines notorischen
Schwankens konnte man bei der strategischen Planung für
das Jahr 1620 nicht auf ihn bauen. Die Union, der
Bündnispartner im Reich, hatte zwar Truppen geworben,
diese blieben jedoch, wie man das in Rothenburg
beschlossen hatte, in Wartestellung an der oberen Donau.
Jakob I. weigerte sich weiterhin, seinem Schwiegersohn
irgendeine Hilfe zu gewähren, was er noch einmal
bekräftigte, als der württembergische Hofrat Benjamin
Bouwinghausen im Sommer 1620 in Den Haag, London und
Paris sondierte, mit welcher Unterstützung der bedrängte
Pfälzer rechnen könne. In England wurde ihm am
deutlichsten beschieden, dass von dort keinerlei
Unterstützung zu erwarten sei. [12] Auch die Niederlande
zögerten, sich auf den Diversionskrieg einzulassen, den sie
für den Fall zugesagt hatten, dass spanische Truppen aus
den südlichen Niederlanden eingesetzt würden, um die
Kurpfalz zu erobern. [13] Genau das zeichnete sich aber ab.
Währenddessen brachen im böhmischen Ständeheer im
Frühjahr und Sommer 1620 Meutereien aus, mit denen die
Soldaten die ausstehenden Soldzahlungen einforderten, und
Christian von Anhalt, dem neuen Oberkommandierenden,
war es bis dahin nicht gelungen, in der aus Einzelteilen
zusammengefügten Heeresmasse militärische Disziplin
durchzusetzen und die Truppen taktisch so zu schulen, dass
sie in einer Schlacht aussichtsreich eingesetzt werden
konnten. [14]
Während sich die Dinge für Friedrich immer weiter zum
Schlechten wandelten, entwickelten sie sich für Ferdinand
zum Besseren. Den Anstoß dafür gab der spanische König,
der durch die Nachricht von der neuerlichen Bedrohung
Wiens im November 1619 aufgeschreckt worden war. Zuvor
schon hatte Philipp angeordnet, wie er an Erzherzog
Albrecht in Brüssel schrieb, «daß von den Truppen, die in
Italien stehen, sogleich 7000 Infanteristen nach dem Elsaß
aufbrechen sollen, davon sind 2000 Wallonen und
1000 Neapolitaner für Böhmen, die übrigen 4000 zur
Verstärkung Euren Heeres [in den spanischen Niederlanden]
bestimmt; und zwar zusätzlich zu dem Regiment
portugiesischer Infanterie, das in Portugal aufgestellt wird
und ebenfalls so bald wie möglich in Marsch gesetzt wird.
Bis zur Ankunft der Geldmittel, die für den Unterhalt der
Truppen nötig sein werden, die von jetzt an in Böhmen auf
meine Rechnung versorgt werden müssen – nämlich
12000 Infanteristen und 1000 Pferde –, habe ich befohlen,
dem Grafen Oñate sofort von hier aus 200000 Dukaten,
zumindest aber 150000 zu schicken; der Rest, der
erforderlich ist, muß aus Italien beschafft werden, nämlich
80 bis 90000 Dukaten pro Monat, mehr kann ich beim
gegenwärtigen Zustand meiner Finanzen nicht tun.» [15] Das
war eine völlig andere Sprache als die, welche die
Gesandten Friedrichs und der Union zu hören bekamen,
wenn sie um Unterstützung baten.
Anfang Januar spätestens dürfte Philipp sich entschlossen
haben, den Kaiser mit den Truppen zu unterstützen, die
unter dem Befehl Bucquoys in Österreich und Böhmen der
böhmischen Ständearmee gegenüberstanden. Zudem wollte
er durch einen großangelegten Angriff auf die Pfalz
Bewegung in den Krieg bringen und eine Entscheidung
herbeiführen – auch auf die Gefahr hin, dass dies auf das
Ende des Waffenstillstands mit den nördlichen Niederlanden
hinauslaufen würde. Am 11. Januar 1620 teilte er Erzherzog
Albrecht mit, dass die aus Italien nach Flandern in Marsch
gesetzten 6000 Infanteristen und das in Portugal
aufgestellte Regiment mit allen «in Flandern entbehrlichen
Truppen» zusammengefasst werden sollten, «um eine Armee
zu bilden, die von dort aus in die Pfalz einmarschiert». Noch
einmal verwies er auf die Geldmittel, die in Spanien sowie
den unter spanischer Herrschaft stehenden Königreichen
Neapel und Sizilien aufzubringen seien, und forderte von
Albrecht, auf den Bayernherzog Maximilian und die Fürsten
der katholischen Liga einzuwirken, damit auch sie dem
Kaiser zu Hilfe kämen. Er schloss mit der Feststellung, es sei
«für eine Sache, die so sehr Unserem Herren dient»,
angebracht, «zu allen Mitteln zu greifen». [16] Die politische
Führung in Madrid hatte eine sehr genaue Vorstellung,
worum es ging und was sie erreichen wollte – dass Gott
dabei auf ihrer Seite war, weil sie dessen Willen ins Werk
setzte, stand für sie außer Frage.
Man muss sich dieses spanische Agieren vor Augen führen,
um einen Eindruck davon zu bekommen, wie kraftlos,
zögerlich und unentschlossen die protestantische Union
vorging: Man hatte zwar eine Armee aufgestellt, um die
Erblande des pfälzischen Kurfürsten gegen Angriffe zu
schützen, wollte sich aber aus dem böhmischen Abenteuer
heraushalten. Die Unionstruppen standen dem Heer der Liga
an der Donau gegenüber; man beobachtete sich, doch dabei
blieb es. Zwischenzeitlich wurde seitens der Union erwogen,
die Truppen zu nutzen, um einen Schlag gegen das
inzwischen bayerische Donauwörth zu führen, was wohl zur
Konfrontation mit dem Liga-Heer geführt hätte; dann kam
die Idee auf, den Schlag gegen Donauwörth mit einem
Angriff des in Böhmen stehenden Mansfeld auf Passau zu
kombinieren, womit die Versorgungslinien der Kaiserlichen
in Böhmen durchtrennt worden wären. Die Liga-Truppen
hätten damit auch gegen Mansfeld operieren und sich
infolgedessen aufteilen müssen – aber das alles waren nur
Ideen, die nie zu strategischen Projekten wurden,
geschweige denn zur Ausführung kamen. [17] Stattdessen
wurde am 3. Juli 1620 unter französischer Vermittlung der
Ulmer Vertrag unterzeichnet, in dem Union und Liga
übereinkamen, sich gegenseitig nicht anzugreifen und die
Territorien der je anderen Seite zu respektieren. Die
Vertreter der Union willigten wohl auch darum ein, weil das
militärische Kräfteverhältnis sich stark zugunsten der Liga
verschoben hatte: Ihren 24500 Fußsoldaten und
5500 Reitern, nach damaligen Maßstäben ein kriegsstarkes
Heer (exercitus formatus), konnte die Union gerade einmal
9500 Mann entgegenstellen. [18] An ein offensives Agieren
war unter diesen Umständen nicht zu denken.
Auf den ersten Blick nahm sich die wechselseitige
Neutralisierung beider Heere im Ulmer Vertrag [19] als ein
Erfolg der Union aus. Man war weiterhin in der Lage, die
Zusage einer Verteidigung der Kurpfalz einzuhalten und
hatte, wie man meinte, den Bayernherzog in einen Vertrag
eingebunden, der ihn an einem Angriff auf die Oberpfalz
hinderte. Zu mehr hatte man sich nicht verpflichtet. Böhmen
spielte in den vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich
keine Rolle. Vermutlich war den protestantischen
Verbündeten klar, dass mit dem Ulmer Vertrag die
Streitkräfte der Liga für den Einsatz in Böhmen frei würden.
Zwar war nicht ausgeschlossen, dass auch die Truppen der
Union in Böhmen eingreifen konnten, aber das war nach
Lage der Dinge und angesichts der bestehenden
Kräfteverhältnisse völlig ausgeschlossen. Ob nun «das
Selbstgefühl der Union schon weit genug herabgedrückt
[war], um einem derartigen Anerkenntnis keine ernsten
Schwierigkeiten entgegenzusetzen», wie Ritter schreibt, [20]
ob man sich angesichts der Anstalten Ambrosio Spínolas, mit
einem starken spanischen Heer in die Rheinpfalz einzufallen,
auf die Verteidigung dieser Gebiete konzentrieren wollte
und der Ulmer Vertrag die Möglichkeit eröffnete, die
Truppen zusammenzuhalten, wie Anton Gindely meint, [21]
oder ob die französischen Vermittler und die Union in ihrer
wechselseitigen Wahrnehmung von falschen
Voraussetzungen ausgingen, wie Cicely Veronica Wedgwood
erklärt [22] – das Ergebnis war dasselbe: Maximilian hatte
freie Hand, seine Heeresmacht gegen Friedrich und die
Böhmen einzusetzen, und die Union war am Schluss mit
ihren schwachen Kräften nicht in der Lage, die Rheinpfalz
gegen den Angriff der flandrischen Armee zu schützen. Das
Neutralitätsversprechen des Ulmer Vertrags nutzte somit
allein der Liga und dem Kaiser. Wahrscheinlich wäre die
Lage aber auch nicht anders gewesen, wenn die Union den
Ulmer Vertrag nicht geschlossen hätte. Die Übermacht der
Gegenseite war einfach zu groß. Um daran etwas zu ändern,
hätte die Union massiv aufrüsten müssen, wozu sie nicht in
der Lage war, weil die Reichsstädte, die als Einzige die dafür
erforderlichen Mittel hätten aufbringen können, dazu nicht
bereit waren. Vor allem aber hätten die Protestanten
geschlossen auftreten und eine gemeinsame Front bilden
müssen. Davon waren sie weit entfernt.
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg
Für die Böhmen hatte sich die Lage seit Beginn des Jahres
1620 nicht verbessert. Über Monate hin lag die Hauptarmee
unter Christian von Anhalt den Truppen Bucquoys bei
Eggenburg gegenüber, beide Seiten in starken
Verschanzungen, so dass keine von ihnen sich einen Angriff
auf die gegnerischen Positionen zutraute. Die Böhmen litten
darunter stärker als die Kaiserlichen, denn der
ausgebliebene Sold hatte zu massiver Unzufriedenheit im
Heer geführt; hinzu kamen Hunger und Desertion, Kälte und
Krankheiten. Der Mannschaftsbestand des Ständeheeres
nahm kontinuierlich ab: Im Frühjahr waren es gerade einmal
9000 Mann, über die Christian von Anhalt noch verfügte. [1]
Währenddessen trafen auf kaiserlicher Seite die
Verstärkungen ein, die Philipp III. zum Jahreswechsel
1619/20 in Marsch gesetzt hatte. Vor allem die 7000 Mann
unter Don Balthasar de Marradas, der zuvor Gradiška
verteidigt hatte und nun als Generalwachtmeister (nach der
heutigen Rangordnung Generalmajor) das aus Italien
eingetroffene spanische Kriegsvolk führte, machten sich
bemerkbar. Marradas, der von Passau aus in das südliche
Böhmen eingedrungen war, band die im Raum Pilsen
konzentrierten Kräfte Mansfelds; beide Seiten führten einen
auf feste Plätze gestützten Kleinkrieg gegeneinander, bei
dem sie sich von ihren jeweiligen Versorgungsbasen
abzuschneiden suchten. [2] Eine solche Art der Kriegführung
ließ sich, wie sich im weiteren Verlauf des Krieges noch
zeigen sollte, unendlich lange ausdehnen. Hauptleidtragende
war die ländliche Bevölkerung, die ausgeplündert und
drangsaliert wurde, ohne dass für sie ein Ende dessen
absehbar war.
Mansfeld, inzwischen zum böhmischen Feldmarschall
ernannt, sah in dieser Strategie die einzige Möglichkeit, sich
gegen den kräftemäßig überlegenen Gegner zu behaupten.
Eine große, womöglich kriegsentscheidende Schlacht war
unter allen Umständen zu vermeiden; stattdessen sollten die
Kräfte der Gegenseite durch die Verteidigung der festen
Plätze gebunden und zur Aufteilung gezwungen werden, um
sie anschließend, sofern eine punktuelle Überlegenheit
hergestellt werden konnte, überfallartig anzugreifen und so
nach und nach aufzuzehren. [3] Man kann dieses Vorhaben
als strategische Defensive unter Einbezug taktischer
Offensiven bezeichnen, kann aber auch von einem «lange
auszuhaltenden Krieg» im Sinne Mao Tse-tungs sprechen,
bei dem am Schluss die Oberhand gewinnen würde, wer den
längeren Atem und die höhere Opferbereitschaft hätte. Die
Pointe dieser Strategie war, dass sie die zahlenmäßige
Überlegenheit der Gegenseite in deren Schwäche
verwandelte, denn die großen Truppenmassen mussten über
längere Zeit versorgt werden, und die Versorgung der durch
die Belagerung eines festen Platzes gebundenen Truppen
bot zusätzliche Angriffspunkte. Wenn die gegnerische
Überlegenheit nur unter der Voraussetzung der
Beschleunigung wirksam werden konnte, war ein auf
Entschleunigung angelegtes Gegenhandeln die naheliegende
Antwort. Auf die Bevölkerung des Kriegsgebiets nahm man
dabei keine Rücksicht. Und da das Kriegsgebiet im
Unterschied zur Entscheidungsschlacht bei einer solchen Art
der Kriegführung räumlich immer weiter ausgedehnt wurde,
war die Bevölkerung Süd- und Westböhmens unmittelbarer
Gewalt ausgesetzt.
Mansfelds Operationen im Frühjahr und Sommer 1620
haben wesentlich zu seinem Ruf als besonders grausamer
Heerführer beigetragen. In Prag konnte und wollte man
seinen strategischen Vorschlägen nicht folgen. Ob Mansfelds
Strategie als Leitlinie für die gesamte Kriegführung
erfolgreich gewesen wäre, muss dahingestellt bleiben. Mit
dem Vorstoß des ligistischen Heeres auf den böhmischen
Kriegsschauplatz veränderte sich die Lage jedenfalls weiter
zu Ungunsten der Böhmen. Unmittelbar nach Abschluss des
Ulmer Vertrags hatte Herzog Maximilian seine Truppen
nach Osten in Marsch gesetzt. Am 24. Juli überschritten
erste Verbände die Grenze nach Oberösterreich, um das
Bayern als Pfand zugestandene Gebiet «ob der Enns» unter
Kontrolle zu bringen. [4] Seit Beginn des böhmischen
Aufstands befand sich Oberösterreich im Widerstand gegen
die Habsburger. Man weigerte sich, Steuern zu zahlen und
Soldaten zu werben. Stattdessen hatte man eine kleine
Söldnereinheit und ein aus bewaffneten Bauern bestehendes
Heer aufgeboten, um sich zu verteidigen. Außerdem setzte
man darauf, dass man im Notfall von den Böhmen Hilfe
bekommen würde. Als die ligistischen Truppen in
Oberösterreich einrückten, waren aber sowohl die Einheiten
Mansfelds als auch die Thurns durch starke gegnerische
Kräfte gebunden. Die Truppen der Liga trafen auf keinen
nennenswerten Widerstand; so wurde das Land besetzt und
unter bayerische Verwaltung gestellt. Unter dem Statthalter
Adam von Herberstorff wurde ein strenges Regiment
errichtet – der Historiker Axel Gotthard spricht von einer
«drückenden, demütigenden Zwangherrschaft» [5] –, das
jedes Aufbegehren im Keim erstickte.

Mit dem Eindringen der Streitkräfte der Liga und des


Kaisers nach Böhmen veränderte sich die militärische Lage.
Aus dem Kleinkrieg des Frühjahrs und Frühsommers wurde
ab dem späten August ein Bewegungskrieg, bei dem vor
allem Tilly, der Kommandeur des ligistischen Heeres, die
Initiative an sich riss und seine strategischen Vorstellungen
durchsetzte. Johann Tserclaes Graf von Tilly, [6] in Brabant
geboren und aufgewachsen, hatte zu diesem Zeitpunkt
bereits eine lange Militärkarriere hinter sich. In den
Niederlanden hatte er in spanischen Diensten gekämpft,
später in Ungarn in kaiserlichem Dienst gegen die Türken;
dementsprechend war er mit den neuen Strategien
Nordwesteuropas [7] ebenso vertraut wie mit der
Kriegführung, die sich in den Türkenkriegen herausgebildet
hatte. Er beherrschte die Gefechtstaktik der spanischen
Tercios, die Kombination von Pikenieren und Musketieren,
ebenso wie den Einsatz der schweren Reiterei in der
Schlacht und den leichter Reiterei davor und danach. Vor
allem aber scheute er nicht davor zurück, eine Schlacht zu
schlagen. Tilly war ein Mann des kontrollierten Risikos, und
das vor allem unterschied ihn von den anderen Generälen,
die bis dahin auf dem böhmischen Kriegsschauplatz das
Geschehen bestimmt hatten. Während diese nach dem von
Graf Johann VII. von Nassau-Siegen formulierten Prinzip
handelten, dass nicht geschlagen zu werden auch eine Art
des Siegens sei, [8] hatte Tilly die Kosten dieser zähen Art der
Kriegführung in den Niederlanden kennengelernt und
bevorzugte auf Entscheidung ausgerichtete Operationen.
Das ließ Tilly zur beherrschenden Gestalt in der ersten Hälfe
des Dreißigjährigen Krieges werden.
Ein Porträt aus den beiden letzten Lebensjahren des Feldherrn Johann Tserclaes
Graf von Tilly, als der 1559 Geborene bereits über siebzig Jahre alt war. Im
Lütticher Jesuitenkolleg erzogen, blieb Tilly durch eine Religiosität geprägt, die vor
allem in einer großen Marienfrömmigkeit bestand. Man hat Tilly darum auch als
«Heiligen im Harnisch», «geharnischten Mönch» (er blieb unverheiratet) und
«General der Mutter Gottes» bezeichnet.

Herzog Maximilian, der das ligistische Heer offiziell führte


und sich auch ständig bei ihm aufhielt, war sich darüber im
Klaren, dass er kein Heerführer, sondern ein Politiker war,
und überließ darum alle militärischen Entscheidungen
seinem Generalleutnant. Tilly, wie Maximilian jesuitisch
erzogen, nutzte das nicht aus, um eigene Macht zu gewinnen
oder politisch zu intrigieren, sondern diente dem
Bayernherzog in militärischer Unterordnung. Man hat Tilly
auch als «geharnischten Mönch» bezeichnet, und das war
eine weithin zutreffende Charakterisierung. Als Tilly den
Feldzug gegen die Böhmen begann, hatte er das siebte
Lebensjahrzehnt bereits begonnen, war aber rüstig und
infolge seiner strengen Lebensführung den körperlichen
Strapazen des Krieges gewachsen. Auch darin unterschied
er sich von den meisten anderen Generälen dieses Krieges,
die dem Trunk und der Völlerei ergeben waren und an der
Gicht und anderen Krankheiten litten. «Daß der Führer von
Mietlingstruppen», so Moriz Ritter, «die Ausbrüche der
niedrigsten und der schrecklichsten Triebe der
Menschennatur bald passieren lassen, bald auch den
kriegerischen Zwecken dienstbar machen müsse, war ein
Grundsatz, den ihn die spanisch-niederländische und
eindringlicher noch die kaiserlich-ungarische Kriegführung
gelehrt hatten; nach eigener Sinnesrichtung indes schlicht
und wohlwollend, suchte er gewissermaßen ein
Gegengewicht gegen solche Zugeständnisse, indem er selber
lebte wie ein Mönch und die grausige Kriegführung der Zeit
durch den Gedanken der Vernichtung von Ketzerei und
Aufstand zu adeln suchte.» [9] Man kann diese Formel von
der Veredelung der Gewalt durch den guten und frommen
Zweck freilich auch umkehren und Tilly als Inbegriff der
Bigotterie begreifen, für den die Marienverehrung bloß der
Deckmantel für die zahllosen grausamen Verbrechen war,
die von Soldaten unter seinem Kommando gerade auch
gegen Frauen verübt wurden.
Tilly schloss sich nach der Besetzung Oberösterreichs
zunächst nicht den bei Eggenburg festsitzenden Truppen
Bucquoys an, sondern bewegte sein Heer über
beschwerliche Wege durch Böhmen, um dann in einer
überraschenden Wendung nach Niederösterreich
vorzustoßen und in der Flanke des böhmischen Heeres
aufzutauchen. Das stand damit in der Gefahr, umfasst zu
werden, und so entschloss sich Christian von Anhalt, die
verschanzten Stellungen bei Eggenburg aufzugeben und sich
nach Mähren zurückzuziehen. So kam wieder Bewegung in
das Kriegsgeschehen, und diese wurde noch dadurch
gesteigert, dass Tilly, statt den Böhmen nach Mähren zu
folgen, in Richtung Prag marschierte. Nicht Christian von
Anhalt, sondern Tilly bestimmte den Kriegsschauplatz. Die
Initiative war damit endgültig auf die kaiserlich-katholische
Seite übergegangen.
Ende September zog sich auch Mansfeld, der zeitweilig
eine Stellung eingenommen hatte, die den Weg nach Prag
blockierte, mit den ihm verbliebenen Truppen nach Pilsen
zurück. Bald darauf marschierte die kaiserlich-ligistische
Hauptmacht vor der inzwischen wieder gut befestigten Stadt
auf. [10] Mansfeld hatte Pilsen mit reichlich Proviant versorgt
und umfangreiche Befestigungs- und Schanzarbeiten
durchführen lassen. Das kaiserlich-ligistische Heer dagegen
war durch Krankheiten geschwächt, [11] und die schlechte
Witterung machte ihm zu schaffen. Unter diesen Umständen
entschlossen sich Tilly und Bucquoy, Pilsen nicht
anzugreifen, sondern mit Mansfeld zu verhandeln. Das kam
diesem durchaus entgegen, denn seine Soldaten hatten
zuletzt wieder keinen Sold erhalten, und wenn seine Gegner
für die Übergabe Pilsens entsprechend zahlten, würde er
seine Truppen womöglich entlohnen und zusammenhalten
können. Aus Sicht des Kriegsunternehmers Mansfeld waren
diese Truppen eine zwingende Voraussetzung seines
Geschäftsmodells, und er musste alles dafür tun, sie in ihrem
Grundbestand zu erhalten. Andererseits durfte er seinen Ruf
als solider Partner bei der Führung eines Krieges nicht
gefährden, denn von diesem Ruf hing ab, ob man ihn in
Zukunft – von welcher Seite auch immer – wieder unter
Vertrag nahm. Jemand, dem nachgesagt wurde, seinen
Auftraggeber im Stich zu lassen und mit dem Feind
Geschäfte zu machen, konnte kaum auf neue Verträge
hoffen.
Bis heute streitet man darüber, ob Mansfeld die
Verhandlungen zur Übergabe Pilsens in aufrichtiger Absicht
oder doch nur geführt hat, um Zeit zu gewinnen. Für die
kampflose Übergabe Pilsens und der anderen von ihm
kontrollierten Plätze in Westböhmen forderte er die
gewaltige Summe von 400000 Gulden, und es spricht
manches dafür, dass die Gegenseite durchaus bereit war,
ihm diese Summe zu zahlen – nicht mit einem Mal, denn
auch Maximilian war sich über Mansfelds Absichten nicht im
Klaren, aber doch in mehreren Tranchen und bei
entsprechenden Sicherheiten. Über diesen Verhandlungen
verging Zeit, und der Winter kam immer näher. [12] Sollte
Mansfeld auf Zeitgewinn gesetzt haben, dann nicht im
Hinblick auf Entsatz, mit dem nicht zu rechnen war, sondern
in Erwartung eines kalten Winters, in dem eine Belagerung
nicht aufrechterhalten werden konnte.
Als Christian von Anhalt Mansfeld aufforderte, mit allen
Soldaten und seinem Geschütz zum böhmischen Hauptheer
zu stoßen, entsprach Mansfeld dem nicht. In Anbetracht des
bei Pilsen stehenden kaiserlich-ligistischen Hauptheeres
wäre das auch schwer möglich gewesen: Wäre Mansfeld der
Aufforderung umgehend gefolgt, hätte das mit großer
Wahrscheinlichkeit zur Vernichtung seiner Streitmacht
geführt. Für den weiteren Verlauf des Krieges war indes
ausschlaggebend, dass Tilly und Bucquoy, als sie den
Entschluss fassten, das böhmische Hauptheer anzugreifen,
das mit ihrer gesamten Streitmacht tun konnten. Durch den
Pilsner Akkord, in dem Mansfeld fürs Stillhalten bezahlt
wurde, war es nicht erforderlich, Kräfte zurückzulassen, um
Mansfeld in Pilsen eingeschlossen zu halten. Es wäre für
Mansfeld eigentlich naheliegend gewesen, Tilly und Bucquoy
zu folgen, um dem böhmischen Hauptheer im
entscheidenden Augenblick zu Hilfe zu kommen. Was auch
immer Mansfelds Absichten gewesen sein mögen – durch
den Pilsner Akkord ermöglichte er den Kaiserlichen und der
Liga, ihre Kräfte zusammenzufassen und diese konzentriert
gegen das böhmische Hauptheer einzusetzen. Das sollte sich
als kriegsentscheidend erweisen.
Ebenso kriegsentscheidend war indes, dass sich
Maximilian und Tilly Ende Oktober 1620 gegen Bucquoy
durchsetzten. [13] Bucquoy nämlich wollte es mit der
Neutralisierung Mansfelds und dem Zurückdrängen des
böhmischen Hauptheers aus Niederösterreich und Mähren
bewenden lassen und seine erschöpften Truppen in die
Winterquartiere verlegen. Durch die Erfolge im Herbst war
das Kriegsjahr 1620 das beste, das die kaiserliche Seite in
diesem Krieg bislang gehabt hatte, und das sollte nach
Bucquoys Auffassung genügen. Maximilian und Tilly
dagegen suchten die Entscheidung und strebten eine
Schlacht gegen die böhmische Hauptmacht an. Es kam zum
Streit, und erst als Maximilian drohte, das Heer zu verlassen
und nach München zurückzureisen, gab Bucquoy nach und
marschierte mit Tilly zusammen auf Prag. Als die Heere
beider Seiten am 8. November am Weißen Berg unweit von
Prag aufeinandertrafen, waren die kaiserlich-ligistischen
Truppen mit etwa 19000 Fußsoldaten, 6000 Berittenen und
12 Kanonen den Böhmen, die über 11600 Fußsoldaten,
11400 Berittene und 10 Kanonen verfügten, leicht
überlegen. [14] Wären Mansfelds Söldner zum böhmischen
Hauptheer gestoßen, so hätten die Böhmen eine
zahlenmäßige Überlegenheit gehabt. Ob das zu einem
anderen Schlachtverlauf geführt hätte, kann in Anbetracht
der Art und Weise, wie sich die kaiserlich-ligistischen
Truppen durchsetzten, jedoch bezweifelt werden.
Mehrere Tage bewegten sich beide Heere auf dem Marsch
in Richtung Prag nebeneinanderher; bei dem Ort Rakonitz
(Rakovník) kam es zu einem Scharmützel, doch dann
entfernten sich die Heeressäulen wieder voneinander. Am
Morgen des 8. November stellte die Vorhut des kaiserlich-
ligistischen Heeres fest, dass sich die Böhmen nicht nach
Prag zurückgezogen, sondern vor der Stadt auf einem
langen Bergrücken, dem Weißen Berg, Stellung bezogen
hatten, um dort den Angriff des Gegners zu erwarten.
Christian von Anhalt rechnete freilich damit, dass Bucquoy
und Tilly unter dem Eindruck der von ihm gewählten
günstigen Position, die inzwischen noch durch zwei große
Schanzen an den Flanken der Aufstellung verstärkt worden
war, vor einem Frontalangriff zurückschrecken und den
Rückzug antreten würden. Wenn sie doch angriffen, so
mussten sie das den Berg hinauf tun, wo sie von den
Verteidigern mit Kanonenfeuer und Musketensalven
empfangen würden, wodurch ihre Ordnung leicht
erschüttert werden konnte. In die so entstandene
Unordnung hinein sollte dann der böhmische Gegenangriff
erfolgen. Das Gelände kam den Verteidigern auch darin
zugute, dass sich unterhalb des Bergrückens ein Flüsschen
hinzog, die Šárka, die auf beiden Seiten von morastigem
Gelände gesäumt wurde, so dass sie kaum passierbar war.
Über die Šárka führte nur eine einzige Brücke, bei deren
Überschreiten die Angreifer in hohem Maße verwundbar
waren.
Christian von Anhalt hatte das böhmische Heer in zwei
taktisch zusammengehörigen Truppenteilen, sogenannten
Treffen, aufgestellt. [15] Das erste Treffen lehnte sich mit
seinem linken Flügel an einen ummauerten Park an; es
wurde von elf Truppenkörpern gebildet, die abwechselnd
aus Fußsoldaten und Reiterei bestanden. Das
dahinterstehende zweite Treffen war ähnlich aufgestellt,
wobei die Truppenkörper so postiert waren, dass sie sich in
die Zwischenräume des ersten Treffens schieben ließen. So
entstand eine schachbrettartige Struktur, die ein hohes Maß
an Beweglichkeit ermöglichen sollte. Da Anhalt sich für die
niederländische Art der Gefechtsaufstellung entschieden
hatte, waren die Truppenkörper nicht so tief gegliedert, wie
das bei den Spaniern üblich war. Das verschaffte der
Aufstellung Breite, nahm ihr aber für den Fall des eigenen
Angriffs die Wucht. Man setzte dabei stärker auf die
Musketiere als die Pikeniere. Der gefechtsverbundene
Einsatz von Musketieren und Pikenieren sollte die Vorzüge
von Schuss- und Stichwaffe kombinieren: Solange das
Gefecht auf Distanz geführt wurde, standen die Pikeniere
mit ihren aufgestellten Stoßwaffen im Zentrum des
Truppenkörpers, während die Musketiere beziehungsweise
Arkebusiere [16] um diesen Kern herum formiert waren; auf
diese Weise hatten sie das erforderliche Schussfeld für das
Feuergefecht. Aber die Feuerfrequenz der damaligen
Schusswaffen war nicht besonders hoch, und selbst wenn die
Musketiere in fünf Gliedern hintereinander aufgestellt waren
und nacheinander ihre Salven abfeuerten, waren sie doch
durch schnelle Kavallerieattacken hochgradig verwundbar:
Brach in einem Truppenkörper erst einmal Panik aus, dann
geriet die ganze Gefechtsordnung durcheinander. Den
Einbruch von Kavallerie in die Reihen der Musketiere zu
verhindern, war die Aufgabe der Pikeniere, die bei einer
Kavallerieattacke oder dem Ansturm gegnerischer
Fußsoldaten mit den Musketieren die Position wechselten
und mit ihren gesenkten Stoßwaffen einen schützenden Ring
oder Halbkreis um die ins Innere des Gefechtskörpers
zurückgewichenen Musketiere bildeten. Ein so aufgestellter
Truppenkörper – in der Regel handelte es sich um ein
Regiment, das bei Kriegsbeginn etwa 3000 Mann umfasste –
war im Gefecht um so leistungsfähiger, je besser und
zuverlässiger das Zusammenwirken von Musketieren und
Pikenieren klappte. Das galt gerade bei einer geringeren
Tiefe der Gefechtsformationen, die eine breitere Front und
dadurch stärkeres Salvenfeuer möglich machte, aber bei
stoßkeilförmigen Angriffen in höherem Maße verwundbar
war. Gerade an diesem Zusammenspiel aber haperte es im
böhmischen Heer. Christian von Anhalt hatte eine
Aufstellung gewählt, die für ein gut geübtes Heer geeignet
war, aber hochriskant für ein Heer wie das der Böhmen.

Die Schlachtenbilder und Skizzen von Schlachtordnungen aus Merians Theatrum


Europaeum sind als historische Dokumente nicht unbedingt zuverlässig. Diese
Skizze von der Aufstellung des böhmischen Heeres vor der Schlacht am Weißen
Berg etwa zeigt die durch Schanzen gesicherten Artilleriepositionen auf beiden
Flügeln, positioniert davor aber jeweils ein Infanterieregiment (Hollach und
Schlick), so dass die Kanonen kein freies Schussfeld haben. Unzutreffend ist auch
die Aufstellung der Infanterieeinheiten nach dem Vorbild der spanischen Tercios
mit dem Pikenierviereck in der Mitte, darum eine «Hecke» von Musketieren und
vier Musketierpelotons an den Ecken. Tatsächlich hatten die Böhmen am Weißen
Berg, orientiert an den Vorgaben der oranischen Heeresordnung, eine erheblich
flachere Aufstellung gewählt, die ihnen dann zum Verhängnis wurde.

Die beiden Flanken der böhmischen Schlachtaufstellung


waren durch Erdschanzen gesichert, hinter denen man
Kanonen postiert hatte. Diese flankierenden
Geschützbastionen sollten der Aufstellung Festigkeit
verleihen und Angriffe auf die Flanken des Heeres
unmöglich machen. Außerdem hatte Anhalt hinter dem
Hügelrücken die leichte ungarisch-siebenbürgische Reiterei
als drittes Treffen aufgestellt, das durch einen wuchtigen
Gegenangriff entweder die ins Wanken geratene Front
stabilisieren oder einen zurückweichenden Gegner
attackieren und dessen Rückzug in Flucht verwandeln sollte.
Die Stärke der böhmischen Position waren also der leichte
Bergrücken, der morastige Flusslauf davor und die beiden
Kanonenschanzen an den Flanken. Eine Schwäche dagegen
war der Mangel an Gefechtserfahrung, von den einfachen
Soldaten bis zur Generalität, der zur Folge hatte, dass die
militärische Führung den Truppen mehr abverlangte, als
diese zu leisten imstande waren, sowie der Umstand, dass
infolge des wieder einmal ausgebliebenen Soldes im Heer
eine Stimmung der Gleichgültigkeit und latenten
Einsatzverweigerung entstanden war. [17]
Die Kämpfe begannen am frühen Morgen mit einem
Reitergefecht zwischen einer unterhalb des Bergrückens bei
dem Dorf Rusín als Sicherung postierten ungarischen
Abteilung und einem kaiserlichen Kavallerieregiment. Bei
diesem Vorhutgefecht trieb die kaiserliche Kavallerie die
Ungarn in einer entschlossenen Attacke in die Flucht, ohne
dass den Ungarn berittene Einheiten der böhmischen
Hauptmacht zu Hilfe gekommen wären. Daraufhin ging Tilly
das Risiko ein, die Šárka auf der einzigen in diesem
Abschnitt vorhandenen Brücke zu überschreiten; er setzte
darauf, dass Anhalt die Gelegenheit zum Angriff auf die
ligistische Avantgarde verstreichen lassen würde, um seine
Position auf dem Hügelrücken nicht aufzugeben. Hätte
Anhalt, so Tillys Kalkül, derlei vor, so hätte er zuvor bereits
die Ungarn bei dem Örtchen Rusín unterstützt. Womöglich
hat Anhalt diese Chance zum Angriff auf die ligistische
Avantgarde, die im Augenblick der Šárka-Überschreitung auf
sich allein gestellt war, aber auch gar nicht erkannt, denn
als der Übergang begann, lag noch dichter Morgennebel in
der Senke und erschwerte die Sicht. Jedenfalls konnte Tilly
seine Truppen auf dem linken Flügel ungestört entwickeln
und den nachfolgenden Kaiserlichen den rechten Flügel
überlassen.
Pikeniere (links), Arkebusiere (Mitte) und Musketiere (rechts) bildeten die schwere
Infanterie, also die in größeren Gefechten und Schlachten eingesetzten
Fußtruppen. Sie waren mit Stangen- und Handfeuerwaffen ausgerüstet, und die
effektive Kombination beider entschied über Sieg und Niederlage. Der bis zu
4,5 Meter lange Spieß, seit etwa 1560 als Pike (von französisch «piquer», stechen)
bezeichnet, bestand aus einem hölzernen Schaft mit einem zwischen 25 und
50 Zentimeter langen Spießeisen. Die Arkebuse (Hakenbüchse) war die im
Vergleich zur Muskete (Doppelhaken) leichtere Handfeuerwaffe; sie verschoss
Kugeln mit einem Gewicht von 23 Gramm, während die Muskete Kugeln von
46 Gramm verschoss. Die Arkebuse war leichter zu handhaben, die Muskete
(benannt nach dem Luntenschloss in Form eines Raubvogelkopfs, lateinisch
«muchetus», Sperber) hatte dafür eine höhere Durchschlagskraft. Aufgrund der
langen Nachladedauer blieben Arkebusiere und Musketiere bei Kavallerieangriffen
auf den Schutz der Pikeniere angewiesen. Außerdem führten die Pikeniere den
Stoßangriff auf die gegnerischen Infanterieverbände. Das war auch der Grund,
warum Pikeniere im Unterschied zu Arkebusieren und Musketieren, wie auf den
Abbildungen zu sehen, zumeist gepanzerte Rüstungen trugen.

Das kaiserlich-ligistische Heer war in drei Treffen


gegliedert, eine Gefechtsformation, die im Vergleich zu
derjenigen der Böhmen eine größere Tiefe aufwies und eher
für den Angriff als die Abwehr ausgelegt war. Die zwölf
Kanonen des kaiserlich-ligistischen Heeres wurden,
ebenfalls im Unterschied zu den Böhmen, nicht auf den
Flügeln, sondern mitten vor der Front aufgestellt, von wo sie
die Gefechtskörper im ersten Treffen der Böhmen unter
Feuer nehmen sollten. Aufgrund der tieferen Staffelung der
Regimenter und der Aufstellung in drei Treffen hatte das
kaiserlich-ligistische Heer eine geringere Breite als das der
Böhmen. Tilly, der den Aufmarsch befehligte, hatte die
Schwachstelle der breiteren böhmischen Aufstellung sofort
erkannt: Die flankierenden Kanonen schützten gegen
Angriffe auf die Flügel, ließen das Zentrum aber weithin
ungedeckt, und genau dort wollte er die Entscheidung
herbeiführen.
Vorerst aber war nicht klar, ob die Schlacht überhaupt
stattfinden würde. Auf böhmischer Seite ging man
anscheinend nicht davon aus, denn Friedrich, der sich
zunächst beim Heer aufgehalten hatte, ritt am Morgen nach
Prag zurück, um dort mit den gerade eingetroffenen
englischen Gesandten zu sprechen. Offenbar vertraute man
darauf, dass die bezogenen Stellungen «unangreifbar»
waren. Auch auf kaiserlich-ligistischer Seite war man
zunächst uneins, ob man die von den Böhmen angebotene
Schlacht wagen solle. Tilly drängte darauf, Bucquoy war
dagegen. In einem am Vormittag stattfindenden Kriegsrat
verwies Bucquoy darauf, dass man aufgrund der
topographischen Gegebenheiten die Tiefe der gegnerischen
Aufstellung nicht erkennen könne, also nicht wisse, welche
Reserven Anhalt auf der Rückseite des Hügels bereithalte.
Wenn man auf einen standhaften Feind treffe und sich
zurückziehen müsse, hätte man erneut das morastige
Gelände der Šárka zu durchqueren, was bei einem
entschlossen nachdrängenden Feind zu einer Panik im
eigenen Heer führen könne. Tilly hielt dagegen, dass mit
einem Gegenangriff Anhalts nicht zu rechnen sei. Ihm
sprangen einige Offiziere bei, die die gegnerische
Aufstellung erkundet hatten und zu dem Ergebnis
gekommen waren, dass sie keineswegs so stark sei, wie sie
sich auf den ersten Blick ausnehme. In ihrer Zuversicht
ließen sie sich auch durch den Einwand Bucquoys nicht
erschüttern, der Angriff müsse bergauf geführt werden und
sei allein dadurch äußerst riskant.
In dieser Situation scheint ein Karmelitermönch den
Ausschlag gegeben zu haben: Domenicus a Jesu Maria war
im Heerestross mitgezogen und hatte die Hauptfahne des
ligistischen Heeres mit dem Bild der Jungfrau Maria
geweiht. Ungebeten drang er in den Kriegsrat ein und
präsentierte dort ein Gemälde von der Anbetung des
Jesuskindes durch die Hirten, das er einige Tage zuvor in
Strakonitz (Strakonice) gefunden habe. [18] Maria und Josef
waren die Augen ausgestochen worden – ein unter
Calvinisten durchaus verbreiteter Akt «frommer
Bildschändung», der für die zumeist katholischen
Bauernsöhne im kaiserlich-ligistischen Heer eine grässliche
Versündigung am Göttlichen war. Pater Domenicus machte
die calvinistische Bildschändung zum entscheidenden
Argument: Die Heiligen verlangten die Schlacht, und die
Schar der himmlischen Engel werde den Soldaten in der
Schlacht beistehen. Das wirkte. Bucquoy ließ sich
umstimmen, und Maximilian gab die Parole Sancta Maria als
Feldgeschrei aus. Neben der regelmäßigen Besoldung führte
die Vorstellung, für eine heilige Sache zu kämpfen, dazu,
dass die katholische Seite an Motivation überlegen war.
Als der Angriff begann, zogen sich Maximilian und
Bucquoy aus dem unmittelbaren Hauptgeschehen zurück:
Maximilian, weil er Tilly die alleinige Kommandogewalt
überlassen wollte und seine Anwesenheit eher störend
gewirkt hätte; Bucquoy, weil er sich bei dem Scharmützel
nahe Rakonitz eine Verwundung am Bein zugezogen hatte.
Er übertrug das Kommando über die kaiserlichen Truppen
dem Generalwachtmeister Rudolf von Tiefenbach. [19] Die
Kaiserlichen, die den rechten Flügel bildeten und den
geringeren Geländeanstieg vor sich hatten, griffen etwas
früher an als die Ligistischen; sie trafen auf den von Graf
Thurn kommandierten linken Flügel der Böhmen. Thurn
schickte ihnen zunächst seine Berittenen entgegen, und als
diese von der kaiserlichen Kavallerie zurückgeworfen
wurden, setzte er die Musketiere ein. Diese feuerten ihre
Musketen aber hastig und auf viel zu große Entfernung ab,
so dass die Salven beim Gegner wenig Wirkung zeitigten.
Überstürzt zogen sie sich daraufhin zurück, und ihr eiliger
Rückzug hätte die gesamte böhmische Front erfasst, wenn
nicht zwei von Anhalts Sohn – er trug wie sein Vater den
Vornamen Christian – geführte Reiterschwadronen die
Kaiserlichen in einem wuchtigen Gegenangriff wieder
zurückgetrieben hätten. Oberst Leonhard Helfried von
Meggau, der eine Schwadron kaiserlicher Arkebusiere
führte, fiel bei dieser Attacke, und das Regiment Tiefenbach-
Breuner, das den Vorstoß gegen die Böhmen angeführt
hatte, geriet in große Unordnung. Das war die Krise der
Schlacht, und wenn die Böhmen dieses Momentum genutzt
hätten und zu einem konzentrierten Gegenangriff
übergegangen wären, hätte die Schlacht am Weißen Berg
einen anderen Verlauf nehmen können. Aber Hohenlohe, der
den rechten Flügel der Böhmen führte, kam Thurn nicht zu
Hilfe; Anhalt, der Oberkommandierende, setzte weiterhin
strikt auf Defensive, und so ging der für die böhmische Seite
günstige Augenblick ungenutzt vorüber.
Zu sehen ist der Augenblick der Schlacht, in dem die Ordnung der böhmischen
Armee bereits zerbrochen ist und sich mit Ausnahme des Thurn’schen Regiments
(H) alles auf der Flucht befindet, allem voran die ungarische Reiterei (D). Die linke
Artilleriebastion der Böhmen (B) ist schon gestürmt, die rechte steht kurz davor,
erobert zu werden. Während das erste Treffen des kaiserlich-ligistischen Heeres in
Einzelgefechten den Gegner niederkämpft, rückt das zweite Treffen (A) in
geschlossener Ordnung nach. Im oberen rechten Bildviertel ist Prag zu erkennen,
wo die Flüchtenden Schutz suchen.

Er währte ohnehin nur kurz, denn Tilly hatte die Probleme


des rechten Flügels erkannt und Oberst Johann Philipp Cratz
von Scharffenstein befohlen, mit seinen bayerischen
Kürassieren den böhmischen Reitern in die Flanke zu fallen.
Das war die Wende: Der kaiserliche Oberst Hans Philipp
Breuner wurde befreit, die Ordnung seines Regiments
wiederhergestellt, und der junge Anhalt, der die schneidigen
Attacken der Böhmen geführt hatte, geriet nun selbst in
Gefangenschaft. Das kaiserlich-neapolitanische Regiment
des Obersten Carlo Spinelli wurde ins erste Treffen
beordert, um die Wucht des Angriffs zu verstärken. Die
Neapolitaner warfen das Kavallerieregiment des Obersten
Solms zurück, [20] und damit war der linke böhmische Flügel
zertrümmert. Der Angriff hatte die Kammlinie des Weißen
Bergs erreicht, und ein Teil der kaiserlichen Truppen wandte
sich nun gegen den rechten böhmischen Flügel, um ihn von
der Seite her aufzurollen, während der andere Teil gegen
den ummauerten Park vorstieß, in dem sich das mährische
Regiment des Grafen Schlick festgesetzt hatte und noch für
einige Zeit erbitterten Widerstand leistete. Unterdessen
hatten sich auf dem linken Flügel der Angreifer Tillys
polnische Reiter, zumeist als Kosaken bezeichnet, gegen
eine fünffache Übermacht ungarischer Husaren
durchgesetzt und diese in die Flucht geschlagen. Die wilde
Flucht der Ungarn, von denen etwa 1000 bei dem Versuch,
die Moldau auf einem Wehr zu überqueren, den Tod fanden,
ließ – mit dem Flankenangriff von Spinellis neapolitanischer
Infanterie – den rechten böhmischen Flügel
zusammenbrechen. Die Musketiere warfen, oftmals ohne
einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben, ihre Gewehre
weg, die Pikeniere entledigten sich ihrer Piken, und alles
strebte in ungeordneter Flucht auf Prag zu.

Ein satirisches Flugblatt auf die Versuche des als «Winterkönig» verspotteten
Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, wieder in den Besitz des in der Schlacht am
Weißen Berg verlorenen Königreichs Böhmen zu gelangen. Auf dem linken
Bilddrittel reißt der kaiserliche Adler dem am Boden liegenden Friedrich die Krone
vom Kopf; das Szepter in Friedrichs Hand ist zerbrochen. Die im geöffneten Zelt
hinter dem Adler stehenden Kurfürsten statten diesen mit neuen Federn aus: von
Oppenheim über Creütznach bis Simmeren Städte aus Friedrichs
Herrschaftsgebiet. Das mittlere Bilddrittel zeigt Friedrich auf dem Heidelberger
Fass («vorzeit voll Wein jetzt bodenloß») mit einem Affen sitzend; der Genuss des
böhmischen Bieres ist ihm nicht bekommen, und so speit er «Länder / Stätt und
Cron», die er sich einverleibt hatte, wieder aus. Die drei Männer, die den
Fasswagen ziehen, hoffen im Gasthof Geld und Gut zu bekommen, werden aber
abgewiesen, während die Räte, die den Pfalzgrafen zu dem böhmischen
Abenteuer verführt haben, niedergeschlagen dem Wagen folgen; über ihnen
einige Vögel, die vom Zelt wegfliegen: «Die Predicanten mit Geheul / Fliegen
davon wie Kauz und Eul.» Noch aber ist Hoffnung: Ein mit Gold beladener Esel
lockt englische Soldaten herbei, und ein dahinjagender Reiter steht für die Hilfe
aus dem Südosten: «Bethlen kombt / bringt Türcken mit.»

Am frühen Nachmittag war die Schlacht entschieden. Als


Friedrich um diese Zeit mit einer Eskorte von 500 Reitern
aus Prag zu seinen Truppen zurückreiten wollte, kamen ihm
diese entgegen, unter ihnen auch Christian von Anhalt, der
seinem König zurief, alles sei verloren, er solle eilends die
Stadt verlassen. Die Schlacht hatte gerade einmal zwei
Stunden gedauert, und obwohl sie keineswegs zu den
besonders blutigen des Dreißigjährigen Krieges gehörte –
einige Tage später sollen auf dem Schlachtfeld etwa
1600 Leichen gezählt worden sein [21] –, war es doch eine
Entscheidungsschlacht: Das Heer der böhmischen Rebellen
bestand nicht mehr, über hundert Fahnen und sämtliche
Kanonen der Böhmen waren den Truppen des Kaisers und
der Liga in die Hände gefallen; Friedrich, den man von nun
an spöttisch den «Winterkönig» nannte, war mit vielen
seiner Getreuen auf der Flucht, andere waren in
Gefangenschaft geraten; an eine Weiterführung des
Ständewiderstands war nicht zu denken. Die katholische
Seite hatte auf ganzer Linie gesiegt.
Eine so dramatische Wende des Krieges nahm sich aus wie
ein Wunder, und so war es naheliegend, sie auch mit einem
Wunder in Verbindung zu bringen. Im entscheidenden
Augenblick der Schlacht, so wussten Augenzeugen zu
berichten, [22] sei aus dem Rauch und Donner des Gefechts
ein Karmelitermönch aufgetaucht, habe ein Bild
hochgehalten, auf dem der Mutter Gottes die Augen
ausgestochen gewesen seien, und habe mit dem Kruzifix den
eigenen Soldaten den Weg zum Angriff auf die Feinde
gewiesen. Einige berichteten später, sie hätten auch
gesehen, wie Gemälde und Kruzifix Flammen auf die Feinde
gespien hätten, die daraufhin geflohen seien. Es war die alte
Erzählung von den himmlischen Heerscharen, die mit den
irdischen Streitern in den Kampf zogen und ihnen schließlich
zum Sieg verhalfen. Offenbar haben diese und ähnliche
Erzählmuster die auf katholischer Seite kämpfenden
Soldaten angefeuert und ihnen Siegeszuversicht eingeflößt.
Sie haben – neben anderem – dazu beigetragen, dass die
katholische Seite im ersten Jahrzehnt des Krieges immer
wieder die Oberhand gewann. Der Vorstellung, dass Maria,
die Mutter Gottes, auf Seiten der Katholischen mit in den
Kampf zog, hatten die Protestanten über lange Zeit nichts
Gleichwertiges entgegenzusetzen.
Das kaiserliche Strafgericht über die
böhmischen Rebellen
Friedrich hatte kurze Zeit geschwankt, ob er in Prag bleiben
und die Verteidigung seiner Königsstadt organisieren oder
nach Schlesien fliehen sollte. In Anbetracht der Auflösung
des Heeres und unter dem Eindruck wütender Soldaten, die
durch Prag zogen und den ausstehenden Sold verlangten,
war an eine Verteidigung der Stadt jedoch nicht zu denken.
Als die Königin mit ihren Kindern Prag verließ, kam in der
engeren Umgebung Friedrichs, bei den aus Heidelberg
Mitgekommenen und den Trägern der Rebellion gegen
Habsburg, eine panikartige Stimmung auf, und sie alle
verließen überstürzt die Stadt. [1] Dabei wurde ein Teil der
böhmischen Kanzlei zurückgelassen, so dass den in Prag
einziehenden Siegern wichtige Dokumente in die Hände
fielen, auf die sie ihre anschließende Politik der
«Säuberung» stützen konnten. Auch die Krone von Böhmen
blieb in Prag zurück – sei es, weil man fürchtete, dass ihre
Mitnahme zu einem Aufstand empörter Bürger führen
würde, sei es, weil man sie in der Eile schlichtweg vergaß.
Es war ein langer Zug von Flüchtlingen, der Prag verließ,
und mit den politischen und konfessionellen Veränderungen
in Böhmen sollten ihm noch viele folgen. Während die
Anführer der Rebellion nach Nordosten zogen, brachten die
Sieger eine Kiste auf den Weg nach Wien, in der die
Dokumente über die Privilegien des Landes einschließlich
der von Rudolf und Matthias unterschriebenen
Majestätsbriefe lagen: Die Selbstbindung der
habsburgischen Landesherrn gegenüber den böhmischen
Untertanen stand nunmehr zur Disposition, und «es heißt,
daß der Kaiser von dem Majestätsbrief selbst das Siegel
herausgerissen und ihn der Mitte nach zerschnitten
habe» [2]. Ob das erfunden ist oder den Tatsachen
entspricht – das Gerücht bringt zum Ausdruck, was die
einstigen Vorrechte der Böhmen jetzt noch wert waren:
nichts mehr. Dieses Schicksal teilten die Böhmen mit den
Ständen in Mähren und Österreich, deren ursprüngliche
Rechte allesamt kassiert wurden.
Um einiges besser erging es Schlesien und den beiden
Lausitzen, wo der sächsische Kurfürst Johann Georg die
Aufgabe übernommen hatte, die Rebellion zu beenden. Die
sächsischen Truppen marschierten Anfang September 1620
in die Niederlausitz ein, rückten auf Bautzen vor und
zwangen die gut befestigte Stadt nach dreiwöchiger
Belagerung zur Kapitulation. Die kleine Streitmacht, die von
den Lausitzern und Schlesiern aufgestellt worden war und
unter dem Kommando des Herzogs von Jägerndorf operierte,
traute sich eine unmittelbare Konfrontation mit dem
sächsischen Heer nicht zu und wich diesem aus. Neben dem
Beschuss von Bautzen kam es zu keinen weiteren
Kampfhandlungen, denn schon Anfang November unterwarf
sich der Adel der Niederlausitz. Mitte Januar 1621 folgten
die Stände der Oberlausitz – unter der Voraussetzung, dass
ihre politischen und religiösen Freiheiten respektiert
würden. Der sächsische Kurfürst willigte ein, und damit war
der erste Teil der von ihm übernommenen Aufgabe erledigt.
Johann Georg war der Hauptprofiteur des bisherigen
Kriegsverlaufs, hatte er doch mit geringem Aufwand zwei
Markgrafschaften unter seine Kontrolle gebracht, die er im
weiteren Fortgang des Krieges dann seinem
Herrschaftsbereich einverleibte. Nicht ganz so einfach wie in
den beiden Lausitzen verliefen die Dinge in Schlesien,
dessen Unterwerfung der Kaiser ebenfalls den Sachsen
übertragen hatte. Nach seiner Flucht aus Prag hatte
Friedrich zunächst in Breslau Quartier bezogen, von hier aus
wollte er die Rückeroberung Böhmens organisieren. Sein
bisheriges Auftreten hatte die schlesischen Stände jedoch
wenig überzeugt, und so machten sie ihm keine Zusagen.
Kurz vor Weihnachten flüchtete Friedrich weiter in den
Herrschaftsbereich des Kurfürsten Georg Wilhelm von
Brandenburg, der mit einer Schwester des «Winterkönigs»
verheiratet war und dem calvinistischen Bekenntnis anhing.
Friedrich hoffte, dass er ihm helfen würde, seine Herrschaft
in Böhmen wiederherzustellen. Aber auch daraus sollte
nichts werden.
Die schlesischen Stände verhandelten nach der Abreise
Friedrichs mit dem sächsischen Kurfürsten, ob er ihnen
dieselben Friedensbedingungen gewähren wolle wie den
Lausitzern. Als Johann Georg für eine allgemeine Amnestie
sowie den Erhalt sämtlicher politischer und religiöser
Freiheiten eine Sühne von 500000 Gulden verlangte, die an
den Kaiser zu zahlen sei, willigten die Stände ein; die
Summe wurde dann noch auf 300000 Gulden
heruntergehandelt. Am 28. Februar 1621 wurde der
«Dresdner Accord» unterschrieben, der diese
Vereinbarungen festhielt. Kaiser Ferdinand sperrte sich
zwar für einige Zeit gegen die darin gegebenen Zusagen und
verlangte, über Leben und Besitz der Rädelsführer in
Schlesien frei verfügen zu können, womit dort dieselben
Bedingungen gegolten hätten wie in Böhmen und Mähren.
Der sächsische Kurfürst blieb jedoch bei seiner Linie, die
schließlich auch in Wien akzeptiert wurde. [3] Nur dem
Herzog Johann Georg von Jägerndorf wurde sein Fürstentum
aberkannt – mit der Folge, dass er in den nächsten Jahren
ein Organisator des antihabsburgischen Widerstands in
Mitteleuropa blieb. Die Amnestie stellte sicher, dass der
Adel Schlesiens und der beiden Lausitzen seine Rechte und
seinen Besitz behielt – der entscheidende Unterschied zum
kaiserlichen Strafgericht in Böhmen und Mähren.
Der Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt Kaiser Ferdinand, der das Siegel vom
Majestätsbrief abgeschnitten hat und im Begriff steht, das Wiener Exemplar des
Briefes ins Feuer zu werfen. Die Bindungen des Landesherrn, die Kaiser Rudolf am
6. Juli 1609 in einer Situation der Schwäche von den böhmischen Ständen
abgerungen worden waren, wurden damit für ungültig erklärt.

Am 9. und 10. November 1620 zogen große Teile der


siegreichen Armee in Prag ein; dabei kam es zu Gewalttaten
und Plünderungen, die aber bald eingedämmt und
unterbunden wurden. Am 13. November nahm Herzog
Maximilian in Stellvertretung des Kaisers die Unterwerfung
der Ständevertreter entgegen. Da Maximilian sich nun
wieder den genuin bayerischen Interessen zuwenden wollte,
übertrug er am 17. November die kaiserlichen Vollmachten
dem Fürsten Karl von Liechtenstein und trat die Heimreise
nach München an. [4] Damit hatten die Anhänger des Kaisers
und alle, die sich für die Ereignisse der letzten zweieinhalb
Jahre rächen wollten, freie Hand. Das nun folgende
Strafgericht bestand im Wesentlichen aus drei Elementen:
aus politischen und religiösen Maßnahmen, mit denen die
Herrschaft Habsburgs und der Gegenreformation
durchgesetzt werden sollte; der körperlichen Bestrafung
derer, die am Aufstand gegen Habsburg und an der
Herrschaft Friedrichs beteiligt waren; und schließlich der
Enteignung jener, die diesen Aufstand im weiteren Sinn
unterstützt hatten. Zusammengenommen lief das auf einen
radikalen Elitenwechsel hinaus, bei dem die traditionelle
Führungsschicht Böhmens durch eine aus Deutschen,
Italienern, Spaniern und Franzosen bestehende
«internationale» Elite ersetzt wurde. [5] Böhmen wurde nicht
nur der Herrschaft der Sieger, sondern auch einer
Herrschaft von Fremden unterworfen.
Unmittelbar nach dem Einzug der kaiserlich-ligistischen
Truppen in Prag begann auch die Rekatholisierung
Böhmens. Die calvinistischen Prediger wurden umgehend
vertrieben; mit den Lutheranern ließ man sich noch zwei
Jahre Zeit; danach mussten auch die ersten lutherischen
Pfarrer das Land verlassen. Der Kaiser wollte den Sachsen
Johann Georg, der sich als Schutzherr des Luthertums sah
und auf den er als Verbündeten womöglich noch angewiesen
sein konnte, zunächst nicht verprellen. [6] Aber dann
machten die Jesuiten im Umfeld des Kaisers Druck, indem
sie die Duldung der Ketzerei als Sünde bezeichneten. Vor
allem Wilhelm Lamormaini, seit Februar 1624 Beichtvater
des Kaisers, sorgte für eine vollständige Durchsetzung der
Gegenreformation. [7] Im Sommer 1627 wurde den noch in
Böhmen gebliebenen evangelischen Adligen die
Entscheidung abverlangt, binnen sechs Monaten das Land
zu verlassen oder zum katholischen Bekenntnis
überzutreten. Ein Viertel von ihnen wählte die Emigration;
ihnen schlossen sich viele Handwerker und
Gewerbetreibende an, so dass bis Ende 1627 etwa
150000 Menschen das Land verließen. Der Verlust eines
Zehntels der Gesamtbevölkerung Böhmens war ein
wirtschaftlicher Aderlass, von dessen Folgen sich das Land
so schnell nicht wieder erholen sollte.
Verglichen mit der konfessionellen betraf die politische
Neuordnung Böhmens nur die Elite des Landes. Bis Mai
1627 regierte Karl von Liechtenstein das Land willkürlich
nach dem Recht des Siegers. Dann wurde die «Verneuerte
Landesordnung» in Kraft gesetzt, mit deren Ausarbeitung
man sich in Wien reichlich Zeit gelassen hatte. [8] Als
Eroberer des Landes sah sich Ferdinand an frühere Gesetze
nicht gebunden, und die Rebellen hatten keinen Anspruch
mehr auf ihre einstigen Privilegien. Das Gesetzgebungsrecht
lag allein beim König, der hinfort nicht mehr gewählt wurde,
sondern aus dem Hause Habsburg durch Erbrecht bestimmt
wurde. Nur das Steuerbewilligungsrecht verblieb bei den
Ständen, aber auch dieses Recht wurde so zurechtgestutzt,
dass es keine Eingriffe in die königlichen Hoheitsrechte
mehr erlaubte. Der alte Dualismus zwischen dem
Landesherrn und dem Landtag, der Ständevertretung, durch
den beide Seiten sich wechselseitig eingeschränkt und
kontrolliert hatten, wurde abgeschafft, und die Stände
wurden auf ein untergeordnetes Organ des Landesherrn
reduziert. Um jeden Zweifel zu beseitigen, wer im Land das
Sagen hatte, wurde die Böhmische Hofkanzlei, in der die
Verwaltungs- und Justizangelegenheiten des Landes
verhandelt wurden, von Prag nach Wien verlegt. Böhmen
wurde fortan von Wien aus regiert.
Am tiefsten griffen die vollzogenen Enteignungen in die
soziopolitische Ordnung Böhmens ein: Die Hälfte des Bodens
wechselte den Besitzer. [9] Das vom Kaiser eingesetzte
Gericht hatte drei Kategorien von Schuldigen gebildet: die
Hauptschuldigen, die führend am Aufstand beteiligt gewesen
waren – ihr gesamtes Vermögen wurde eingezogen, und sie
sollten auch noch an Leib und Leben gestraft werden; die
Mitschuldigen, die während des Aufstands ein Amt
innegehabt oder sich dem Aufstand danach angeschlossen
hatten beziehungsweise dem «Winterkönig» zu Diensten
gewesen waren – sie sollten die Hälfte ihres Vermögens
verlieren; schließlich die bloßen Mitläufer des Aufstandes –
sie sollten «mit der Verschlechterung ihres Besitzes bestraft
werden, ihr Allodbesitz in Lehnbesitz umgewandelt oder ein
jährlicher Zins ihnen auferlegt». [10] Es war im Übrigen einer
der «Defenestrierten» vom Mai 1618, Wilhelm Slawata, der
dem Kaiser diese Politik der systematischen Konfiskation
antrug und auf ihre Ausgestaltung Einfluss nahm. Insofern
war das kaiserliche Strafgericht auch eine
Auseinandersetzung innerhalb des böhmischen Adels, durch
die alte Geschlechter enteignet und entmachtet wurden und
neue Familien nach oben kamen. Der Bedeutendste dieser
«Kriegsgewinnler» war Albrecht Wenzel Eusebius von
Waldstein beziehungsweise Wallenstein, der als Oberst eines
Kürassierregiments an der Schlacht am Weißen Berg
teilgenommen hatte und nun bei der Neuverteilung des
böhmischen Grundbesitzes eine große Rolle spielte. Im
Rahmen der Enteignungen wurde er zu einem der größten
Landbesitzer Böhmens. [11] Der Krieg selbst brachte die
Existenzen hervor, die ihn weiterführten und intensivierten.
[12]

Einige Monate zögerte Liechtenstein – Wedgwood nennt


ihn «einen mittelmäßigen Politiker, zaghaft, vorsichtig,
mäßig unehrlich und ziemlich schlau» [13] – noch damit, die
große Umwälzung in Böhmen voranzutreiben. Mansfeld hielt
weiterhin verschiedene Positionen in Westböhmen, und es
stand zu befürchten, dass ihm mit Beginn der Straf- und
Rachemaßnahmen gegen die Anführer des Aufstands eine
Unterstützung zuteilwürde, mit der er den Krieg um Böhmen
neu entfachen konnte. Noch bevor Tilly Ende März 1621 mit
den in Pilsen verbliebenen Söldnern Mansfelds – der selbst
hielt sich zu dem Zeitpunkt in der Oberpfalz auf – einen
Vertrag zur Übergabe der Stadt geschlossen hatte und die
Mansfeld’schen Truppen gegen die Zahlung von
140000 Gulden [14] aus Pilsen sowie Falkenau und Elbogen
abgezogen waren, ließ Liechtenstein am 20. Februar 1621
die führenden Köpfe des Aufstandes festnehmen und den
Prozess gegen sie vorbereiten. Keiner der Betroffenen hatte
an Flucht gedacht; sie gingen davon aus, der Kaiser werde
sie amnestieren und wieder in Gnade aufnehmen. Darin
zeigt sich ein weiteres Mal die grenzenlose Naivität, mit der
ein Großteil des böhmischen Adels den Aufstand betrieben
hatte: als Spiel mit begrenztem Einsatz, bei dem, wenn man
verlieren würde, am Schluss alles so blieb, wie es zuvor
gewesen war. Umso größer war jetzt das Entsetzen; die
Herren wandten sich mit einer Bittschrift an den
sächsischen Kurfürsten, der sich beim Kaiser für sie
verwenden und dafür sorgen sollte, dass sie weiterhin im
Genuss ihrer Besitzungen blieben. [15] Die Frauen der
Gefangenen schrieben ähnlich lautende Bittgesuche an den
Herzog von Bayern – doch vergeblich. Der Kaiser wollte in
Böhmen ein Exempel statuieren.
Das in Prag eingesetzte Gericht ordnete bei allen am
Fenstersturz Beteiligten die Konfiskation der Güter an und
verhängte siebenundzwanzig Todesurteile. Diese sollten bei
einigen in besonders grausamer Weise vollzogen werden.
«So sollten dem ehemaligen Hauptmann des Prager
Schlosses, Dionys Cernin, weil er die Stände bewaffnet in die
Burg eingelassen und so den Fenstersturz ermöglicht hatte,
zuvor zwei Finger der rechten Hand abgehauen, dem
Dr. Jessenius und dem Martin Fruewein die Zunge
ausgeschnitten, einigen andern früher die Hände
abgehauen, einige bei lebendigem Leib gevierteilt
werden.» [16] Die Urteile wurden Ferdinand vorgelegt, und
der wiederum befragte seine Vertrauten, wie er damit
umgehen solle. Peter Heinrich von Stralendorff riet dazu,
alle Urteile in eine lebenslängliche Galeerenstrafe
umzuwandeln, fand dafür aber keine Unterstützung. So
wurden die Urteile bestätigt, wenngleich ihr Vollzug in
einzelnen Fällen abgemildert wurde. An dem Tag, an dem sie
in Prag vollstreckt wurden, wollte Ferdinand auf einer
Wallfahrt in der Kirche Maria Zell frommen Übungen
nachgehen. Als Weihegeschenk für die Gottesmutter, die ihm
so eindrücklich geholfen hatte, stiftete er eine goldene
Krone im Wert von 10000 Gulden. [17] Es ging dem Kaiser
darum, sich durch das Prager Blutgericht nicht zu beflecken
und weiterhin des Beistands der Heiligen gewiss zu sein.

Die Hinrichtung der siebenundzwanzig zum Tode verurteilten Anführer des


böhmischen Aufstands vor dem Prager Rathaus erfolgte in einer feierlichen
Zeremonie, durch die der Aufstand formell gesühnt und damit beendet wurde. Auf
dem Rathausbalkon vorne links haben sich die neuen Herren mit dem kaiserlichen
Statthalter Fürst Karl zu Liechtenstein an der Spitze versammelt. Die Verurteilten
werden nach Rang und Stand exekutiert: Drei Bürgerliche werden gehängt, zwei
auf dem Exekutionspodest, einer gesondert im rechten oberen Bildviertel,
während die Adligen durch das Schwert hingerichtet werden. Die abgeschlagenen
Köpfe der wichtigsten Personen wurden anschließend am Brückenturm
aufgehängt (rechts oben), um möglichen Nachahmern als Abschreckung zu
dienen.
Die Exekution der Rebellen war auf den 21. Juni angesetzt
und fand vor dem Altstädter Rathaus statt. Den zum Tode
Verurteilten hatte man geistlichen Beistand zugestanden,
auch durch lutherische und utraquistische Pfarrer, nicht
jedoch durch reformierte Prediger und solche der
böhmischen Bruderunität. Das Abendmahl wurde in
lutherischer Form ausgeteilt, weshalb überzeugte
Reformierte, wie Wenzel Budowecz, seine Annahme
verweigerten. Vereinzelt fanden auch Bekehrungsversuche
durch katholische Geistliche statt, die aber erfolglos blieben.
Ein Kanonenschuss kündigte den Beginn der Hinrichtungen
an. Um Unruhen vorzubeugen, hatte man die Stadttore
geschlossen und Militär aufgeboten, darunter auch
Wallensteins Kürassiere, die als besonders zuverlässig
galten. Graf Joachim Andreas von Schlick wurde als Erster
aufs Schafott geführt und enthauptet, erst danach wurde
ihm die rechte Hand abgeschlagen; als Nächster war Wenzel
Budowecz an der Reihe, als Vierter Kaspar Cappleri de
Sulewicz, ein sechsundachtzigjähriger Mann, der stolperte
und den Pfarrer Johannes Rosacius bitten musste, ihn bis
zum Richtblock zu führen, damit keiner meine, er sei von
Verzweiflung ergriffen. [18] Vierundzwanzig Personen wurden
enthauptet, drei gehängt. Es war das Privileg des Adels, mit
dem Schwert gerichtet zu werden; Bürger mussten mit dem
Strick vorliebnehmen. Dr. Jan Jessenius, Mediziner und
Rektor der Prager Universität, wurde zuvor noch die Zunge
herausgeschnitten. Die Exekutionen zogen sich über vier
Stunden hin, ständig von Trommelwirbel begleitet, der
verhindern sollte, dass die Verurteilten sich an die Menge
wenden konnten, die sich auf dem Altstädter Ring
versammelt hatte. Der Scharfrichter Jan Mydlář verbrauchte
vier Schwerter, da ein Richtschwert nach sechsmaligem
Gebrauch als stumpf galt. Er verdiente an diesem Tag
634 Taler, eine stattliche Summe. Gemäß der Logik der Zeit
machte er seine Sache gut, es kam zu keinen Pannen. Die
Köpfe von zwölf Verurteilten, dazu zwei abgehackte Hände
und die Zunge des Dr. Jessenius wurden am Turm der
Altstädter Moldaubrücke aufgehängt und blieben dort zehn
Jahre lang, bis sie bei einem Vorstoß sächsischer Truppen
nach Prag entfernt wurden. Der böhmische Aufstand endete
am Vormittag des 21. Juni 1621 vor dem Rathaus der Prager
Altstadt. Aber der Krieg ging weiter. Mehr noch: Er begann
jetzt erst richtig.
Der Krieg um die Pfalz
Ferdinand habe in Wien seinen Sieg gefeiert, aber die
wahren Sieger dieser ersten Phase des Krieges seien der
spanische König Philipp III. und der Bayernherzog
Maximilian gewesen – so das Urteil der britischen
Historikerin Cicely Veronica Wedgwood. [1] Legt man das
Frühjahr 1621 zugrunde, so hatten spanische Truppen die
Rheinpfalz besetzt, womit die Spanier zwar die logistischen
Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Krieges gegen
die niederländischen Generalstaaten zweifellos verbessert,
zugleich aber eine weitere Front eröffnet hatten, an der
Soldaten und Ressourcen gebunden waren. Ob das von
Vorteil sein würde, musste sich erst noch zeigen. Immerhin,
die nördlichen Niederlande hatten, entgegen den der Union
gegebenen Zusagen, keinen Diversionskrieg gegen die
südlichen Niederlande eröffnet, um die spanischen Truppen
dort zu binden. Es war durchaus möglich, dass der über
zwölf Jahre geltende und nun auslaufende Waffenstillstand
verlängert werden würde. Spanien wollte dem aber nur
unter Bedingungen zustimmen, die für das Weltreich
günstiger waren als die bisherigen, [2] und ob die Holländer
dann noch zur Verlängerung des Waffenstillstands bereit
wären, blieb abzuwarten. Genaugenommen hatte Spanien
noch gar nichts gewonnen, sondern nur seine
Ausgangspositionen verbessert. Das galt nicht weniger für
den Bayernherzog Maximilian: Er war zwar der glänzende
Sieger des Böhmenkriegs, und Kaiser Ferdinand stand tief in
seiner Schuld, aber weder hatte Bayern zu diesem Zeitpunkt
den erhofften Gebietszuwachs erfahren, noch war die in
einem geheimen Zusatz zum Münchner Vertrag in Aussicht
gestellte Übertragung der pfälzischen Kur auf Maximilian
erfolgt. [3] Maximilian hatte Oberösterreich als Pfand in der
Hand, mehr nicht.
Den eigentlichen Sieger der Ereignisse nennt Wedgwood
nicht: Es war Johann Georg von Sachsen, der nicht nur die
Kontrolle über die Ober- und Niederlausitz erlangt, sondern
sich auch als der wahre und weitsichtige Führer der
deutschen Protestanten positioniert hatte. Sein Rivale
Friedrich V. hatte sein Renommee verspielt; selbst in
Brandenburg wollte (und konnte) man ihm keinen Schutz
gewähren, eine Rückkehr in die Pfalz war infolge der
Kriegslage und der am 29. Januar 1621 erfolgten Ächtung
des Pfalzgrafen unmöglich, und die Union, deren Direktor
der Pfälzer war, stand kurz vor der Auflösung. Der einzige
Ort, wo er einen einigermaßen sicheren Exilaufenthalt fand,
war Den Haag in den Niederlanden. [4] Aus Sicht der
Lutheraner in Dresden, Darmstadt und weiten Teilen
Norddeutschlands war jetzt die Gelegenheit, Frieden zu
schließen und die Verhältnisse im Reich so zu ordnen, dass
dieser Friede von Dauer war.
Aber ein solcher Friedensschluss war für den
reichskonservativen Protestantismus nicht einfach zu
erreichen. Cicely Veronica Wedgwood, die das Problem in
den 1930er Jahren sorgfältig durchdacht hat, nennt vier
Voraussetzungen für einen Friedensschluss nach dem Ende
des böhmischen Krieges: [5] Kurfürst Friedrich musste unter
Verzicht auf die böhmische Krone den Kaiser um Vergebung
bitten, und dieser musste die erbetene Amnestie gewähren;
sodann musste Spanien sich aus der Pfalz zurückziehen und
die dort errungenen Vorteile wieder aufgeben, damit
Friedrich in die Kurpfalz zurückkehren konnte; weiterhin
musste der in der Oberpfalz mit der Neuaufstellung eines
Heeres beschäftigte Mansfeld seine Soldaten abdanken; und
schließlich musste Ferdinand seine Schulden bezahlen, und
zwar vollständig, damit die im geheimen Zusatz zum
Münchner Vertrag vorgesehene Übertragung der Kurwürde
nicht vollzogen werden musste. Tatsächlich wurde keine
dieser Voraussetzungen erfüllt. Die letztgenannte war
sachlich unerfüllbar, und zwei weitere hätten die Akteure
gezwungen, gegen ihre objektiven Interessen zu handeln.
Nur auf die böhmische Krone hätte Friedrich verzichten
können, ohne seine tatsächliche Lage zu verschlechtern.
Doch er dachte nicht an einen derartigen Schritt, sondern
bemühte sich um große Bündnisprojekte, wie sie schon
früher die pfälzische Politik gekennzeichnet hatten. Er
entsandte Boten, die mit den Schweden, den Dänen, den
Niederländern und den Briten Verhandlungen über die
Weiterführung des Krieges einleiten sollten, und beauftragte
Mansfeld, Werbungen vorzunehmen und neue Truppen
aufzustellen.
Das Flugblatt stellt den Protestantismus in der lutherischen Ausprägung als die
wahre Religion dar: im Zentrum ein siebenarmiger Leuchter, der auf der Bibel als
sicherem Fundament steht. Die Kerzen an den Spitzen des Leuchters sind durch
den als Taube dargestellten Heiligen Geist entzündet worden. Der Altarsockel, auf
dem der Leuchter steht, wird durch Kurfürst Johann Georg von Sachsen und Martin
Luther flankiert, die den Bund mit Gott schützen: der Kurfürst mit dem Schwert,
der Reformator mit dem Buch.

Für Friedrich fiel all dies unter die Vorstellung eines


legitimen Widerstands. Solange er sich jedoch nicht
unterwarf, gab es für Spanien auch keinen Grund, die in der
Rheinpfalz stehenden Truppen abzuziehen. Zudem war
unklar, welche Politik Spanien gegenüber den Niederlanden
verfolgen würde: Philipp III. starb am 31. März 1621, und
sein Sohn Philipp IV. war damit beschäftigt, den Kreis seiner
Vertrauten und Berater neu zu ordnen. Eine gewisse Rolle
spielte auch, dass die Truppen Spínolas nicht als Verbände
Spaniens, sondern als solche des burgundischen
Reichskreises in die Rheinpfalz eingerückt waren und damit
über dieselbe Legitimation verfügten, wie sie auch
Maximilian in Böhmen für sich in Anspruch nahm. Aber das
war bloß die Fassade, hinter der sich die Interessen der den
Kaiser unterstützenden Mächte verbargen – und da
Ferdinand II. notorische Geldprobleme hatte, zumal jetzt, als
mit Böhmen das reichste seiner Erbländer wirtschaftlich
ruiniert war, war es ihm unmöglich, seine Helfer zu
bezahlen. Er musste sie anderweitig entschädigen. Im Falle
Maximilians war das die in Aussicht gestellte Inbesitznahme
der Oberpfalz und die Übertragung der pfälzischen
Kurwürde. Vor allem deswegen konnte der Krieg nach der
Schlacht am Weißen Berg und der Vertreibung der letzten
Truppen, die Friedrichs Sache unterstützten, nicht beendet
werden. Mit anderen Worten: Die Abhängigkeit des Kaisers
vom Bayernherzog führte dazu, dass der Krieg, der bislang
auf den ostmitteleuropäischen Raum beschränkt war,
nunmehr nach Westen, an Rhein, Main und Neckar,
verlagert wurde.
Diese Verlagerung [6] begann am 29. Januar 1621, als über
Kurfürst Friedrich die Reichsacht verhängt wurde. Es
handelte sich dabei um einen reichsrechtlich äußerst
fragwürdigen Vorgang, denn der Kaiser griff damit in die
Rechte derer ein, die ihn in Frankfurt gewählt hatten und
denen gegenüber er gelobt hatte, die Ordnung des Reiches
jederzeit zu achten und zu bewahren. Bei einem so
weitreichenden Schritt, wie es die Ächtung eines Kurfürsten
war, hätte Ferdinand zumindest die Zustimmung der
anderen Kurfürsten einholen müssen – was er wohlweislich
nicht tat, denn Kursachsen und Kurbrandenburg hätten sie
in jedem Fall verweigert. Der Kaiser musste den Schritt
jedoch tun, um seine Zusagen gegenüber Maximilian
einlösen zu können, denn erst wenn Friedrich geächtet war,
konnte die Besetzung der Oberpfalz als Reichsexekution
dargestellt werden. Obendrein war Maximilian erst durch
die Ächtung Friedrichs von den Regelungen des Ulmer
Vertrags entbunden, in dem er sich gegenüber der Union
verpflichtet hatte, dass Truppen der Liga nicht in das Gebiet
von Unionsmitgliedern vordringen würden. Gegenüber
einem Geächteten, so ließ sich argumentieren, galten solche
Zusagen nicht. Der Kaiser saß in einer Falle, die er selbst
aufgestellt hatte, als er im Oktober 1619 den Bayern um
Hilfe gegen die Böhmen gebeten und unter dem Einfluss von
Graf Oñate Maximilians Forderungen akzeptiert hatte. [7]
Friedrich mochte am Ausbruch des Krieges eine gewisse
Mitschuld haben, denn ohne sein leichtfertiges Agieren wäre
der böhmische Aufstand eine «innerhabsburgische»
Angelegenheit geblieben. Aber daran, dass der Krieg mit der
Niederschlagung des böhmischen Aufstands nicht zu Ende
war, trugen Ferdinand und Maximilian die Hauptschuld –
wenn man überhaupt von Schuldigen sprechen will. Die
Feststellung von Schuld ist an eine auf Akteure zentrierte
Perspektive gebunden; betrachtet man das Jahr 1621
dagegen aus systemischer Perspektive, so ist festzustellen,
dass durch den Krieg in Böhmen – im Unterschied zu dem
vorangegangenen Krieg am Niederrhein [8] – so viele
Streitpunkte und Problemfelder miteinander verknüpft
worden waren, dass sie sich mit politischen Mitteln vorerst
nicht voneinander trennen ließen. Eine solche Trennung
aber wäre die Voraussetzung dafür gewesen, dass man sich
im Frühjahr 1621 auf einen Frieden hätte verständigen
können. Erst siebenundzwanzig Jahre später, in den
Verhandlungen von Münster und Osnabrück, sollte es
gelingen, die Problemfelder zu separieren.

Mansfeld und seine Kadertruppen waren bei alldem noch die


geringste Schwierigkeit. Nach dem Rückzug aus
Westböhmen hatte der Kriegsunternehmer sein Kriegsvolk
zwischen dem Flüsschen Naab und der böhmischen Grenze
versammelt. Er war Friedrichs Wunsch gefolgt und stellte
neue Truppen auf, um erneut nach Böhmen vorzustoßen
beziehungsweise die Oberpfalz gegen den erwarteten
Angriff der Liga-Truppen zu verteidigen. Mansfelds ständig
wachsende Streitmacht wurde aus den begrenzten
Ressourcen der Oberpfalz versorgt, Subsidien aus den
Niederlanden kamen noch hinzu. [9] Im Mai bezog Mansfeld
nahe der böhmischen Grenze eine feste Stellung, von der
aus er Vorstöße auf böhmisches Gebiet unternahm;
behaupten konnte er sich dort nicht, da ihm auf der
böhmischen Seite Tilly mit den verbliebenen ligistischen
Truppen gegenüberstand. [10]
Es kam zu gelegentlichen Scharmützeln, die sich zwischen
Juli und September 1621 zu einem regelrechten
Stellungskrieg steigerten, in dem sich beide Seiten mit
Kanonen beschossen und Kommandoaktionen gegen die
Stellungen der anderen Seite durchführten. [11] In diesen
stationären Abnutzungskrieg kam Bewegung, als Maximilian
im Raum Straubing einen größeren Truppenverband
aufstellte, mit dem er von Süden her in die Oberpfalz
vorstieß, so dass Mansfeld in Gefahr geriet, von Tilly und
Maximilian in die Zange genommen zu werden. In die Enge
getrieben, nahm Mansfeld die zuletzt erfolgreiche Praxis
wieder auf, mit dem Gegner zu verhandeln und den Eindruck
zu erwecken, er werde, wenn man ihm nur genügend Geld
biete, die Seiten wechseln. Diese Aussicht war für
Maximilian äußerst attraktiv, da sie ihm die Chance bot, die
Oberpfalz ohne Kampf und die damit verbundene
Verwüstung des Landes in Besitz zu nehmen, während der
Pfälzer Friedrich mit einem Schlag ohne eigene Truppen
dastünde. [12] Wie üblich zogen sich die Verhandlungen in die
Länge; Mansfeld erhöhte seine Forderungen, reduzierte sie
wieder, und so verging die Zeit. Zwischen dem 8. und
10. Oktober verließ Mansfeld dann, von der Gegenseite
offenbar unbemerkt, jedenfalls nicht daran gehindert, die
Oberpfalz und marschierte in Eilmärschen nach Westen. Das
von ihm geführte Heer bestand aus 10000 bis
12000 Fußsoldaten, 3000 bis 4000 Reitern und 18 Kanonen.
[13] Das war eine beachtliche Streitmacht, mit deren Ankunft
sich das Kräfteverhältnis am Rhein schlagartig veränderte.
Die Verteidigung der Rheinpfalz gegen die spanischen
Truppen stützte sich auf drei Festungen: die Festungsstädte
Mannheim und Frankenthal sowie die gut befestigte
Residenzstadt Heidelberg. Die kurpfälzischen Streitkräfte,
nicht mehr als 5000 Mann, hatten sich dorthin
zurückgezogen, wo sie im Frühherbst 1621 von
niederländischen und englischen Truppen verstärkt wurden.
[14] Die niederländischen Generalstaaten hatten sich doch
noch entschlossen, ihrem alten Verbündeten zu Hilfe zu
kommen, aber da der Waffenstillstand mit Spanien bald
auslief und sie ihre Kräfte «zu Hause» brauchten, hatten sie
nur kleine Einheiten entsandt. Auch Jakob I. leistete seinem
ins Unglück geratenen Schwiegersohn nun militärischen
Beistand und hatte ein Regiment unter Oberst Horace Vere
über den Ärmelkanal geschickt, das von Holland aus
rheinaufwärts in die Pfalz marschiert war. Die pfälzischen
Truppen und ihre niederländisch-englischen Unterstützer
waren den in die Rheinpfalz eingerückten spanisch-
flandrischen Einheiten unter Ambrosio Spínola kräftemäßig
deutlich unterlegen, aber der Rückhalt durch die drei
Festungen glich das vorerst aus. Schließlich war ein Teil der
spanischen Truppen in die spanischen Niederlande
zurückmarschiert, um dort den Krieg gegen die
Generalstaaten wieder aufzunehmen. Für einen
umfassenden Belagerungskrieg indes genügten die
verbliebenen etwa 11000 Mann unter dem Kommando des
spanischen Generals Gonzalo Fernández de Córdoba kaum.
Sie konzentrierten sich auf Mannheim, die stärkste der drei
Festungen, in der Erwartung, dass ihr Fall auch die beiden
anderen zur Kapitulation bewegen würde. Aber in Mannheim
kommandierte der Engländer Vere, ein erfahrener Soldat,
den der Pfalzgraf zum General in der Rheinpfalz ernannt
hatte, und der dachte nicht daran, die Festung zu
übergeben.
Zwar hatte man auch in Böhmen und Mähren zeitweise
einen Festungskrieg geführt, aber dieser war vorwiegend
ein Begleiter des Bewegungs- und Scharmützelkrieges
gewesen, der bis zur Entscheidungsschlacht am Weißen
Berg das Kriegsgeschehen geprägt hatte. In der Rheinpfalz
trafen dagegen Truppen und Kommandeure aufeinander, die
mit dem Festungskrieg, wie er während der letzten drei
Jahrzehnte in den Niederlanden praktiziert worden war, aufs
Beste vertraut waren. Festungskrieg beruht auf dem
Grundsatz der Entschleunigung, durch die der Gegner
erschöpft und ermattet werden soll. Die sich über Monate
hinziehende Belagerung einer Festung war teuer, hatte
große logistische Anstrengungen vor allem bei den
Belagerern zur Folge, führte bei widrigen
Wetterverhältnissen gerade bei ihnen zu erhöhten
Krankheitsraten beziehungsweise zum Ausbruch von
Seuchen und demoralisierte die Soldaten, wenn die
Belagerung schließlich erfolglos aufgehoben werden musste.
Auch erhöhte diese Art der Kriegführung die
Verwundbarkeit der Belagerer, die leicht zwischen zwei
Fronten geraten konnten, wenn den Belagerten Entsatz zu
Hilfe kam. Also mussten sie nicht nur Erdwerke zum Schutz
gegen Ausfälle der Festungstruppen errichten, sondern auch
solche zum Schutz ihres Rückens, was zusätzlich Zeit
kostete und bei den Soldaten für Unzufriedenheit sorgte.
Schanzarbeiten waren nämlich ausgesprochen unbeliebt,
und die Söldner bevorzugten es, wenn dazu Bauern aus der
Umgebung herangezogen wurden. Eine Stadt
verteidigungsfähig zu machen, war aber auch nicht ganz
einfach. In Friedenszeiten entstanden vor den Stadtmauern
und Bollwerken Vorstädte, zumeist aus kleinen Häusern und
Katen, in denen die ärmere Bevölkerung lebte, und diese
Vorstädte wurden von den Verteidigern nunmehr abgerissen
oder niedergebrannt, um freies Schussfeld zu haben und
dem Angreifer keine Unterkünfte für seine Soldaten zu
bieten. Belagerungskrieg war stets mit der ausgreifenden
Verwüstung der Umgebung einer Festung verbunden. [15]
Um einem Angreifer, der über schwere Kanonen verfügte,
Widerstand leisten zu können, hatte sich der Bau von
Befestigungswerken seit dem Spätmittelalter grundlegend
verändert. [16] An die Stelle der hohen Mauern, die mit
Leitern gestürmt werden mussten, waren abgeschrägte
Bastionen getreten, die sich nach einem geometrisch
ausgeklügelten System von Winkeln und Vorsprüngen
gegenseitig deckten, so dass ein Angreifer unter
flankierendes Feuer genommen werden konnte. Unter
solchen Umständen war ein Frontalangriff unmöglich oder
zumindest mit so schweren Verlusten verbunden, dass die
meisten Angreifer davor zurückschreckten. Während in die
herkömmlichen Burg- und Stadtmauern, die umso
furchteinflößender waren, je höher sie aufragten – man
spricht auch von einer «vertikalen Verteidigung» –, von
schweren Belagerungsgeschützen relativ schnell eine
Bresche geschlagen werden konnte, hielten die auf ihrer
Innenseite durch Erdaufschüttungen abgestützten Bastionen
der neuartigen Festungsanlagen auch längerem
Artilleriebeschuss stand. Der Sturm auf eine Festung musste
also gründlich vorbereitet werden, und dazu gehörte neben
systematischem Beschuss auch das Vortreiben gedeckter
Gräben, in denen die Belagerer bis in unmittelbare Nähe der
Verteidigungswerke kamen, um sie zu unterminieren oder in
einem handstreichartigen Angriff zu nehmen. Bei dieser Art
der Kriegführung spielten Mathematiker und Ingenieure
eine zentrale Rolle, womit eine Verwissenschaftlichung des
Krieges um sich griff und an die Stelle von Tapferkeit und
Schneid Berechnung und Systematik traten. [17] Vor Beginn
des Dreißigjährigen Krieges hatte es im Reich einen
regelrechten Bauboom bei der Modernisierung von
Festungsstädten gegeben. [18] Der Festungs- und
Belagerungskrieg wurde neben der eher seltenen
Entscheidungsschlacht, dem Scharmützelkrieg sowie dem
Beutekrieg zur vierten «Säule» der Kriegführung zwischen
1618 und 1648. Durch die systematische Entschleunigung
des Kriegsgeschehens hat er das Seine zur langen Dauer des
Krieges beigetragen.
Seit dem Auftauchen Mansfelds und seiner Streitmacht
war es mit dem Festungs- und Belagerungskrieg in der
Rheinpfalz vorerst vorbei: Córdoba musste die Belagerung
Mannheims aufgeben und sich auf gesicherte Positionen in
der nördlichen Rheinpfalz zurückziehen, um von Mansfeld
nicht im Rücken gefasst zu werden. Da sich Vere und
Mansfeld nicht über das Oberkommando verständigen
konnten und offenbar auch unterschiedliche Vorstellungen
darüber hatten, wie der Krieg weitergeführt werden sollte,
verfolgten sie Córdoba nicht, sondern trennten sich wieder;
Vere konzentrierte sich auf die Verteidigung der
rheinpfälzischen Festungen, während Mansfeld am Mittel-
und Oberrhein einen Beutekrieg begann, der gegen die
dortigen Mitglieder der katholischen Liga gerichtet war und
der Versorgung seiner Söldner diente. Bistümern und
Städten wurden Nahrungsmittel und Geld abgepresst, und
dabei entwickelte sich ein Typ von Kriegführung, der sehr
schnell Schule machte. «Die Mansfelder», heißt es in einem
zeitgenössischen Bericht, «haben die armen unbewehrten
Bauern haufenweise in die brennenden Häuser mitten in die
Flammen geworfen, und diejenigen, die sich retten wollten,
wie die Hunde niedergeschossen. Sie haben die Kirchen
aufgebrochen, beraubt, die Altäre abgerissen, das heilig
hochwürdige Sakrament mit Füßen getreten, einander ihre
blutrünstigen Schuhe mit dem heiligen Öle und Chrysam
angestrichen und beschmiert. Sie haben die Taufsteine
ausgeschüttet und beschmiert und sie auf unehrliche Weise
zuschanden gemacht. Sie haben alle Weibspersonen
öffentlich geschändet und nach verübtem Mutwillen
dieselben ins Feuer geworfen. Sie haben junge Kinder von
neun, zehn Jahren mit unaussprechlicher teuflischer
Unzucht verderbt, so lange unmenschlich rottenweise
geschändet, bis sie unter ihnen gestorben. Wie dann junger
und alter Weibsbilder eine gute Anzahl danach in offenen
Wegen, in den alten verbrannten Scheuern noch unehrlich,
unbedeckt tot gefunden worden, andere aber dermaßen
verderbt, daß sie kaum atmen können und nach wenigen
Tagen ebenfalls weggestorben.» [19] Die der
Truppenversorgung dienenden Plünderungen gingen einher
mit sadistischen Grausamkeiten, sexueller Gewalt und der
Schändung sakraler Gegenstände. In Letzterem zeigte sich
die religiöse Aufladung der Gewalt, die darauf hinweist, in
welchem Maße dieser Krieg durchweg auch ein
Religionskrieg war. Mansfeld jedenfalls war bestrebt, seine
Söldner auf Kosten des Hauses Habsburg zu versorgen, und
da der Habsburger Erzherzog Leopold Bischof von
Straßburg war, fiel er ins Elsass ein, um dort Kontributionen
einzutreiben und zu plündern. [20]
Die Schwierigkeiten Veres und Mansfelds, sich auf einen
gemeinsamen Kriegsplan und über das Oberkommando zu
verständigen, wiederholten sich im Verhältnis zwischen
Córdoba und dem Ende Oktober an Neckar und Rhein
eingetroffenen Tilly. [21] Möglicherweise warf Córdoba Tilly
vor, dass er Mansfeld aus der Oberpfalz habe entkommen
lassen, aber mit Sicherheit zeigten sich darin auch die
unterschiedlichen politischen Interessen der Spanier und
der Liga: Während Tilly die Pfalz für Bayern erobern sollte,
setzten die Spanier zu diesem Zeitpunkt noch auf die
Wiedereinsetzung des Kurfürsten Friedrich unter ihrem
Protektorat. Nachdem sich die beiden Männer uneins
getrennt hatten, schickte sich Tilly an, Heidelberg zu
belagern, während Córdoba in der nördlichen Pfalz Quartier
bezog. Mansfeld behielt derweil infolge seiner höheren
Beweglichkeit die strategische Initiative. Er hatte die
Fußtruppen im Rhein-Neckar-Raum einquartiert, während er
mit seinen Reitern hier und dort auftauchte, um Beute zu
machen und das Land zu verheeren.

So ging das Jahr 1621 zu Ende, ohne dass erkennbar war,


welche Seite an Rhein und Neckar die Oberhand gewinnen
würde. Ein schwerwiegendes Manko lastete freilich auf der
Sache des Kurfürsten, und das bestand darin, dass sich die
protestantische Union am 14. Mai 1621 aufgelöst hatte.
Friedrich hatte dadurch seine letzte eigene Machtbasis
verloren; fortan war er gänzlich auf die Hilfe fremder
Mächte angewiesen. Was die Schlacht am Weißen Berg für
ihn als böhmischen König bedeutet hatte, war der
Heilbronner Beschluss zur Auflösung der Union für ihn als
pfälzischer Kurfürst. 1617 war das Unionsbündnis um vier
Jahre verlängert worden, im Frühsommer 1621 hätte es
erneut verlängert werden müssen. Dies wurde zum Problem,
seitdem Friedrich, der Kopf und Anführer der Union, vom
Kaiser geächtet war: Jeder, der ihn nun unterstützte, lief
selbst Gefahr, der kaiserlichen Acht zu verfallen. Zwar hatte
man bei einer ersten Versammlung in Heilbronn am
7. Februar 1621 noch die finanziellen Mittel zum weiteren
Unterhalt der Truppen bewilligt und auch die Verpflichtung
zum Schutz der Kurpfalz anerkannt, aber einige
Unionsangehörige hatten das unter dem Vorbehalt getan,
dass diese Verpflichtung in zwei Monaten auslaufen werde
und die beschlossenen Zahlungen nur noch zur Abwicklung
der Armee dienten. [22] Der vom Kaiser damit beauftragte
Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt war nach Heilbronn
gekommen, um den Versammelten die Risiken einer
weiteren Unterstützung des Pfalzgrafen in aller Deutlichkeit
vor Augen zu führen. Bei den traditionell reichstreuen
Städten stieß er damit schon halb geöffnete Türen auf. Als
erste Stadt kündigte Straßburg die Beteiligung an den
Kriegskosten der Union, und als den anderen Städten eine
Frist von sechs Wochen eingeräumt wurde, um dem
Straßburger Beispiel zu folgen, taten sie es allesamt. Einer
der Gründe dafür war, dass die Städte durch die Ächtung am
stärksten verwundbar waren, da ihre über Land ziehenden
Kaufleute ohne kaiserlichen Schutz nicht auskamen. War
eine Stadt geächtet, so konnte sich jeder ungestraft am
Eigentum ihrer Händler und Kaufleute vergreifen, und wer
in der Stadt Geld geliehen hatte, musste es nicht
zurückzahlen. Unter diesen Umständen war den Städten ihr
Eigeninteresse wichtiger als die Solidarität mit den
protestantischen Glaubensbrüdern.
Als Nächstes fiel ausgerechnet Landgraf Moritz von
Hessel-Kassel ab. Was er fürchtete, war nicht die Ächtung
durch den Kaiser, sondern die an seiner Grenze
aufmarschierten spanischen Truppen des Generals Spínola.
Dieser Macht waren die Streitkräfte des Landgrafen nicht
gewachsen, und da mit nennenswerten Bündnispartnern
nicht zu rechnen war, gab ausgerechnet einer der frühen
Anführer des kämpferischen Protestantismus als Erster
unter den Fürsten auf und erließ am 24. März 1621
Instruktionen, die auf ein Ausscheiden seines Landes aus der
Union hinausliefen. [23] Danach gab es kein Halten mehr: Der
Herzog von Württemberg und der Markgraf von Ansbach
beantragten, unter Vermittlung des Landgrafen Ludwig und
des Erzbischofs von Mainz mit Spínola einen Vertrag
auszuhandeln, der es ihnen ermöglichte, die Truppen der
Union aus der Rheinpfalz zurückzuziehen beziehungsweise
sie von den kurpfälzischen Truppen zu trennen. Dazu wurde
ihnen zunächst eine Frist bis zum 14. Mai und dann bis zum
31. Juli zugestanden. Am 14. Mai trafen die verbliebenen
Mitglieder der Union ein letztes Mal in Heilbronn
zusammen, um die besagte Auflösung des Bündnisses zu
beschließen.
Dieser Beschluss nimmt sich aus wie der Schlusspunkt
einer längerwährenden Agonie. Darum handelte es sich
zweifellos auch; insofern hat die Heilbronner Übereinkunft
vom 14. Mai 1621 nichts Dramatisches, sondern steht nur
für das formale Ende eines längeren Zerfallsprozesses. Er
war zugleich aber auch das Ende eines handlungsfähigen
Protestantismus innerhalb des Reichs; von nun an handelten
die einzelnen protestantischen Fürsten und Städte
unabhängig voneinander, orientiert an der allgemeinen Lage
und den eigenen Interessen. Unter diesen Umständen war
man den vereinten Kräften der Liga und des Kaisers nicht
gewachsen. Politische Handlungsfähigkeit erlangte der
deutsche Protestantismus fortan nur noch, wenn ihm
auswärtige Mächte zu Hilfe kamen, sei es aus
konfessioneller Solidarität, sei es aus machtpolitischen
Interessen. Insofern war das Ende der Union ein weiterer
Schritt bei der Internationalisierung des Konflikts, und
tatsächlich wirkte die Schwäche des deutschen
Protestantismus wie ein Sog, der unablässig Kräfte von
außen in den Krieg hineinzog.
Der Markgraf von Baden und Christian
von Braunschweig
Bevor unter der Führung des Dänen Christian IV. und des
Schweden Gustav Adolf die nordischen Mächte in den Krieg
eingriffen, waren es zwei deutsche Reichsfürsten, die dafür
sorgten, dass die militärische Widerstandskraft des
Protestantismus nicht auf die Söldner des notorisch
unzuverlässigen Mansfeld beschränkt blieb. Dieser hatte die
im Elsass und in Teilen der Rheinpfalz bezogenen
Winterquartiere genutzt und seine Truppen durch neue
Werbungen verstärkt. Sein Ruf, dass bei ihm der Sold zwar
nur unregelmäßig ausgezahlt werde, man aber ungehemmt
rauben und plündern könne, sorgte dafür, dass er
entsprechenden Zulauf hatte. Im Frühjahr 1622, als die
Witterung wieder größere militärische Bewegungen
erlaubte, hatte Mansfeld seine Truppen auf insgesamt
35000 Mann gebracht. Das war eine beachtliche
Streitmacht, freilich eine von sehr unterschiedlicher
Kampfstärke, bei der man bezweifeln konnte, dass sie einem
zahlenmäßig gleich starken Gegner, wie den Truppen der
Liga unter Tilly oder einem spanisch-flämischen
Heeresverband unter Córdoba, auf dem Schlachtfeld
gewachsen war. Mansfeld scheint das gewusst und selbst an
der Kampfkraft seiner Truppen gezweifelt zu haben, denn er
achtete während des gesamten Kriegsjahres 1622 darauf,
dem Gegner auszuweichen. Nur einmal stellte er sich zur
Schlacht, und das auch nur, weil er dabei aus einem
Hinterhalt agieren konnte und außerdem drückend
überlegen war. Zumeist aber waren das Heer der Liga, die
spanischen Truppen, die Verbände des Erzherzogs Leopold
sowie die kaiserlichen Einheiten, die zusammen über eine
Stärke von etwa 100000 Mann verfügten, deutlich
überlegen – jedenfalls solange sie koordiniert agierten. [1]
Wäre es dabei geblieben, hätte sich Mansfeld in der Pfalz
nicht halten können. Aber im Kriegsjahr 1622 tauchen zwei
Männer auf, die auf eigene Faust und eigene Rechnung
Truppen anwarben und mit ihnen auf Seiten des Kurpfälzers
in den Krieg zogen. Einer der beiden war Markgraf Georg
Friedrich von Baden-Durlach, ein kämpferischer Protestant,
obwohl Lutheraner, den die Selbstauflösung der Union
zutiefst beschämt hatte und für den es mit seinem Glauben
und seiner Ehre nicht vereinbar war, den Pfalzgrafen im
Stich zu lassen. [2] Georg Friedrich war sich über das Risiko
seines Eintretens für den geächteten Pfalzgrafen im Klaren,
deswegen dankte er am 22. April 1622 zugunsten seines
Sohnes Friedrich ab. Im vorangegangenen Winter hatte er
eine aus Landeskindern und Geworbenen bestehende
Streitmacht zusammengestellt, mit der er in den Krieg um
die Pfalz eingreifen wollte. Die Markgrafschaft Baden und
das Erbe seines Sohnes sollte dadurch jedoch nicht in
Mitleidenschaft gezogen werden, deswegen trennte Georg
Friedrich seine Herrschaft von dem geplanten Kriegszug. Da
er in den zurückliegenden Jahren solide gewirtschaftet
hatte, verfügte er über genügend Geld, um die Truppen
auszurüsten und für einige Zeit zu versorgen. Der Markgraf
konnte sich freilich keine langwierige Kriegführung erlauben
und musste darum die Entscheidungsschlacht suchen. Georg
Friedrich war mit den zeitgenössischen Kriegstheorien gut
vertraut und hatte viel gelesen, verfügte aber über keine
größeren praktischen Kriegserfahrungen. [3] Er war ein
Theoretiker, der sich anheischig machte, den Praxistest zu
bestehen.
Christian von Braunschweig, der andere der beiden, die
Pfalzgraf Friedrich zu Hilfe kamen, war das genaue
Gegenteil des Markgrafen. [4] Er war mehr als ein
Vierteljahrhundert jünger als der Markgraf und handelte in
einer Mischung aus jugendlichem Überschwang und
Abenteuerlust, romantischen Ritterlichkeitsvorstellungen, in
denen sich Minne- und Waffendienst miteinander verbanden,
und einer Abneigung gegen jede Form traditioneller
Autorität und deren Bedeutung für die Ordnung des Reichs.
Als jüngerer Bruder des Herzogs Friedrich Ulrich von
Braunschweig-Wolfenbüttel hatte er keinen Anspruch auf ein
eigenes Herrschaftsgebiet. Seine Mutter hatte deshalb dafür
gesorgt, dass er im Alter von sechzehn Jahren als
Administrator des Bistums Halberstadt eingesetzt wurde,
aus dem er hinreichend Mittel bezog, um ein angenehmes
Leben zu führen. Das aber war Christians Sache nicht, und
so hatte er die Halberstädter Mittel bereits 1621 genutzt,
um in den Krieg einzugreifen, war dabei aber nicht
sonderlich weit gekommen. [5] Ein überzeugter
Glaubenskämpfer scheint Christian nicht gewesen zu sein,
auch wenn der Spott, mit dem er seine katholischen Gegner
überschüttete, nahelegt, dass er sich mit den theologischen
Kontroversen seit der Reformation beschäftigt hatte. Die
Folge waren aber nicht tiefere religiöse Überzeugungen,
sondern zynische Distanz gegenüber dem katholischen
Heiligenglauben.
Der jüngere Sohn des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel war eher ein
Abenteurer als ein Kriegsunternehmer, tollkühn und verwegen, aber militärisch
ohne Fortune. Er inszenierte sich als Ritter der aus Böhmen vertriebenen Elisabeth
Stuart und brachte dadurch einen romantischen Zug in die Kriegführung. Das
heroische Porträt Anton van Dycks zeigt ihn nach der erfolgreichen
Durchbruchsschlacht von Fleurus, in der er den linken Unterarm verlor.

Christian war indes ein glühender Verehrer der Pfalzgräfin


Elisabeth, die nach der Flucht aus Prag einige Monate durch
Norddeutschland gezogen war und um Unterstützung für
ihren Mann gebeten hatte, jedoch überall auf taube Ohren
gestoßen war. Nicht so bei dem gerade
einundzwanzigjährigen Christian, der sich zum ritterlichen
Streiter der gedemütigten Frau machte, was er unter
anderem dadurch zum Ausdruck brachte, dass er im Gefecht
einen Handschuh Elisabeths am Hut trug. Auch soll er
geschworen haben, er wolle sein Schwert nicht eher in die
Scheide stecken, als bis die böhmische Krone wieder auf
dem Haupte Elisabeths sitze. Immerhin – Christian hatte
einige militärische Erfahrungen in den Niederlanden
gesammelt, sah sich als Schüler Moritz von Oraniens und
war davon überzeugt, zum Kriegsmann geboren zu sein.
Aufgrund seiner tollkühnen Aktionen nannte man ihn schon
bald «den tollen Halberstädter», was mal Bewunderung, mal
Distanz zum Ausdruck brachte. In jedem Fall ist Christian
von Braunschweig eine der interessantesten Gestalten des
Krieges. Er konnte dazu werden, weil der Krieg Leuten wie
ihm die Möglichkeit verschaffte, sich in die Geschichte
einzuschreiben. Gleichzeitig verliehen Personen wie
Christian dem Kriegsgeschehen etwas Bizarres, wie es in
Friedenszeiten nur selten zu finden ist.
Am 22. April 1622 vereinbarten Mansfeld und Markgraf
Georg Friedrich, den Krieg von nun an gemeinsam zu führen
und ihre Operationen aufeinander abzustimmen. Als Erstes
wollten sie dem von ligistischen Truppen weiträumig
umfassten Heidelberg zu Hilfe kommen und Tilly mit
vereinten Kräften schlagen. Bei Mingolsheim ging die Armee
Mansfelds, bei der sich inzwischen auch Pfalzgraf Friedrich
eingefunden hatte, über den Rhein und näherte sich Tilly,
der daraufhin die Umschließung Heidelbergs aufgab. Einige
Zeit belauerte man sich, dann zog sich Mansfeld wieder
zurück, und Tilly, der zwischenzeitlich Zuzug erhalten hatte,
folgte ihm, während Córdoba in der nördlichen Rheinpfalz
blieb. Nahe Mingolsheim stellte Mansfeld dem
nachdrängenden Tilly am 27. April eine Falle, in die dieser
hineintappte: Mansfeld hatte den Eindruck erweckt, er wolle
sich weiter zurückziehen, und Tilly stieß in diese scheinbare
Rückzugsbewegung (es war indessen nur der Tross, der
abzog) mit einer schnellen Kavallerieattacke hinein. Da
Mansfeld den Ort Mingolsheim in Brand gesetzt hatte,
konnte Tilly nicht erkennen, dass dessen Heer hinter dem
brennenden Städtchen in Kampfaufstellung bereitstand. Die
Kavallerie Tillys wurde zurückgeworfen und brachte dabei,
ihrerseits nun von Mansfelds Kavallerie attackiert, die
nachfolgende Infanterie in Verwirrung. Die Liga-Armee
verlor hier 2000 Männer, die Hälfte davon Berittene, dazu
vier Kanonen und acht Fahnen. Das war eine
bemerkenswerte Schlappe, auf die Tilly mit Rückzug nach
Osten reagierte. [6] Für seine Gegner blieb es indes bei
einem taktischen Erfolg, weil der in der Nähe stehende
Markgraf von Baden es für unritterlich hielt, einen
geschlagenen Feind anzugreifen, und Mansfeld auf eine
Verfolgung verzichtete, da der Vorteil der Defensive dann
auf Seiten Tillys gelegen hätte. Womöglich spielte dabei
auch das Gerücht eine Rolle, der bei dem Gefecht
verwundete Tilly sei gefallen und man könne damit rechnen,
dass sich das Heer der Liga auflösen werde. Jedenfalls
ließen Mansfeld wie Georg Friedrich die Gelegenheit, das
Heer der Liga auseinanderzutreiben, ungenutzt
verstreichen, und das sollte sich rächen.
Von Wiesloch zog sich Tilly nach Wimpfen zurück, wo er
eine starke Position einnahm. Wimpfen war eine oberhalb
des Neckars liegende Festung, von der aus sich das
angrenzende Gebiet gut kontrollieren ließ. Aber Tilly war
besorgt, denn die Schlappe bei Mingolsheim hatte gezeigt,
dass der Krieg um die Rheinpfalz verloren werden konnte,
wenn es den Katholischen nicht gelang, ihre potenzielle
Überlegenheit in der Operationsführung auch zur Geltung zu
bringen. «Das Wohl des Heiligen Römischen Reichs steht auf
dem Spiel», schrieb Tilly an Córdoba und forderte ihn
eindringlich auf, zu Hilfe zu kommen und seine Streitkräfte
mit den eigenen zu vereinen. [7] Der Brandbrief zeigte
Wirkung, denn Córdoba traf am 4. Mai mit 4000 Fußsoldaten
und 1300 Reitern in Wimpfen ein – just zu dem Zeitpunkt, als
sich die seit dem 1. Mai vereinigten Truppen Mansfelds und
des Markgrafen von Baden wieder trennten. Die Folge war,
dass die etwa 13000 Mann des Markgrafen am oberen
Neckar der auf 20000 Mann angewachsenen ligistisch-
spanischen Streitmacht allein gegenüberstanden.
Über die Gründe für die, wie sich schon bald herausstellte,
verhängnisvolle Entscheidung, die Truppen zu trennen, sind
in der Forschung allerhand Vermutungen angestellt worden.
Eine davon ist, dass sich Georg Friedrich und Mansfeld nicht
über den gemeinsamen Oberbefehl verständigen konnten;
der Markgraf war der Ranghöhere, der Kriegsunternehmer
der Erfahrenere, und wer von beiden den Vorrang erhalten
sollte, war unter diesen Umständen nicht zu klären.
Natürlich hätte man dem im Mansfeld’schen Heer weilenden
Pfalzgrafen den Oberbefehl übertragen können, aber
Friedrich war gänzlich kriegsunerfahren und hatte auch, wie
sein Verhalten in der Schlacht am Weißen Berg gezeigt
hatte, [8] keine Neigung, diese Aufgabe zu übernehmen. Eine
weniger auf Rangfragen und persönliche Animositäten
abzielende Erklärung bringt die mit einer so großen Armee
verbundenen logistischen Probleme ins Spiel:
30000 Soldaten ließen sich kaum über eine längere Zeit
versorgen. Man hätte diese Zeit verkürzen können, wenn
man das ligistisch-spanische Heer angegriffen hätte, aber
das verfügte mit Wimpfen über einen starken Rückhalt, und
Mansfeld war ohnehin kein Anhänger einer auf
Entscheidungsschlachten ausgerichteten Kriegführung.
Womöglich gab es auch strategisch-operative Überlegungen,
die bei der Trennung beider Heere eine Rolle spielten, und
die könnten darauf hinauslaufen, dass der Markgraf die
katholischen Kräfte am oberen Neckar binden wollte,
während Mansfeld zum unteren Neckar zog, der Gegenseite
Ladenburg als wichtigen Waffenplatz mit Rheinübergang
entriss und die Verbindung zu dem von Norden anrückenden
Christian von Braunschweig herstellte. Das war jedoch ein
riskanter Plan, der leicht schiefgehen konnte. [9] Letztlich
spricht vieles dafür, dass es vor allem persönliche Gründe
waren, die zur Trennung der protestantischen Heere
führten. [10]
Am Mittag des 5. Mai 1622 hatte Georg Friedrich südlich
von Wimpfen eine Position bezogen, die im Osten vom
Neckar und im Süden vom Böllinger Bach begrenzt war. Mit
seinen 13000 Mann war er dem Liga-Heer deutlich
unterlegen; überlegen war er hingegen an Kanonen, was
eine Defensivschlacht nahelegte. [11] Vor allem verfügte er
über 70 Wagen, auf denen jeweils eine leichte drehbare
Kanone montiert war, gesichert mit schweren Holzplanken
und daran befestigten Speerspitzen. Man kann darin eine
Frühform des Panzerwagens im Sinne eines gut geschützten
Artillerieträgers sehen; zu dieser Konstruktion ist der
Markgraf wahrscheinlich durch die Beschäftigung mit den
Hussitenkriegen motiviert worden, in denen die böhmischen
Heere ebenfalls Wagen zur Defensivformation eingesetzt
hatten. Zudem kann man in diesen Wagen eine Variante der
Kombination von Musketieren und Pikenieren erkennen, wie
sie seit dem 16. Jahrhundert bei den Fußsoldaten üblich
geworden war.
Der Markgraf hatte die Kanonenwagen in Form eines
Halbkreises aufstellen lassen; zwischen ihnen standen die
schwereren Kanonen. 2000 Musketiere waren bei den
Kanonenwagen postiert, der Rest der Fußtruppen knapp
dahinter. Auf der linken Flanke, die an ein Wäldchen
grenzte, standen weitere Kanonen, und die Kavallerie Georg
Friedrichs war so postiert, dass sie an der Wagenburg vorbei
angreifen konnte. Das war eine starke
Verteidigungsstellung, deren Stärke jedoch auch eine
Schwäche war, da diese starre Front nicht erlaubte, taktisch
auf gegnerische Schwerpunktbildungen zu reagieren. Tilly
wiederum hatte seine Infanterie in zwei und die Kavallerie in
drei Treffen aufgestellt, um die Kräfte je nach Stand des
Kampfgeschehens einsetzen zu können. Die vier leichten
Geschütze, über die er verfügte, hatte er vor der Front des
ersten Treffens postiert, die schweren Kanonen in deren
Rückraum auf dem höchsten Punkt, von wo aus sie über die
eigene Infanterie hinwegschießen konnten, um Breschen in
die festgefügte gegnerische Front zu schlagen.
Der Kupferstich in Merians Theatrum Europaeum zeigt jenen Augenblick der
Schlacht bei Wimpfen, als explodierende Pulverwagen die Abwehrlinien der
markgräflichen Truppen aufrissen. In den Berichten ist von einigen hundert
verstümmelten Toten die Rede. Die grauen Vierecke im unteren Bilddrittel zeigen
die ursprünglichen Positionen der Truppen Tillys an, so dass die Entwicklung der
Schlacht nachverfolgt werden kann.

Am frühen Morgen des 6. Mai begann die Schlacht mit einer


von beiden Seiten geführten Kanonade. Aufgrund der großen
Entfernung, über die sie geführt wurde, hatte sie freilich
wenig Wirkung. Tilly zeigte Respekt vor der Abwehrlinie des
Badeners und suchte ihn durch vorgeschickte Plänkler zum
Angriff zu verleiten. Der Markgraf reagierte darauf nicht
und blieb unbeirrt in der Defensive, auch dann, als seine
Kürassiere eine größere Kavallerieeinheit Tillys in die Flucht
schlugen. Gegen Mittag trat eine Waffenruhe ein; das
Kanonenfeuer flaute ab, und auch die Musketiere hörten auf
zu schießen. Tilly nutzte die Ruhephase, um die Truppen im
Rückraum seiner Angriffsformation umzustellen, und der
dabei aufsteigende Staub verführte den Markgrafen zu der
Annahme, es sei Mansfeld, der sich nähere, um Tilly in den
Rücken zu fallen. Das war ein Irrtum mit fatalen Folgen,
denn er brachte den Markgrafen dazu, von nun an offensiver
zu agieren; so setzte er, durch Artilleriefeuer vorbereitet,
seine Kavallerie gegen den rechten Flügel des Gegners ein.
Als Georg Friedrich auch noch Infanterie nachschob,
gerieten Tillys Tercios zeitweilig ins Wanken, und die
markgräflichen Einheiten fingen an, sich als Sieger zu
fühlen, zumal sie davon ausgingen, Mansfelds Einheiten
stünden im Rücken des Gegners. Jedenfalls ließ die Wucht
ihres Angriffs nach, und Tillys Einheiten fanden wieder Halt.
Unterdessen rückte Córdoba mit den spanisch-flämischen
Truppen auf dem linken Flügel vor, und jetzt rächte sich,
dass der Markgraf die feste Defensivposition aufgegeben
hatte. Zwar rissen seine Kanonen große Lücken in die
Formationen der Angreifer, aber die ließen sich nicht
stoppen, so dass sich die badischen Truppen zurückziehen
mussten. Hätte Georg Friedrich in dieser Situation über
Reserven verfügt, hätte er seine Front wahrscheinlich
stabilisieren können. Doch dann explodierten fünf in der
Nähe der Kanonen platzierte Pulverwagen und rissen eine
breite Lücke in den Abwehrring. Bei den Truppen des
Markgrafen brach daraufhin Panik aus, die Kavallerie floh in
Richtung Böllinger Bach, und Teile der Infanterie schlossen
sich ihr an. Damit war die Schlacht entschieden.
Wie erbittert das Gefecht geführt worden war, zeigt der
Umstand, dass die Verluste auf dem Schlachtfeld mit etwa
2000 Toten auf beiden Seiten gleich hoch waren. [12] Es war
dennoch eine vernichtende Niederlage für die Badener, da
sie ihren gesamten Artilleriepark sowie die mitgeführte
Kriegskasse verloren hatten. Zwar konnte der Markgraf
Ende Mai aus den Geflohenen wieder fünf
Infanterieregimenter mit einer Gesamtstärke von 6000 Mann
formieren, aber als eigenständiger Akteur sollte er im
pfälzischen Krieg keine Rolle mehr spielen.
Die Trennung der Truppen, namentlich der Abzug
Mansfelds aus dem Raum Wimpfen, war der
ausschlaggebende Fehler, der den Krieg um die Pfalz
zugunsten der Katholischen entschied – wenn man nicht den
Zufallstreffer auf einen Pulverwagen als die entscheidende
Wende ansehen will. Der verbreitete Wunderglauben wollte
sich nicht mit einem Zufall zufriedengeben, und so
berichtete ein Wimpfener Dominikaner später, ein Engel
habe in das Schlachtgeschehen eingegriffen und die
überraschende Wende herbeigeführt. Das war eine Variation
der Erzählung vom Eingreifen der Gottesmutter in der
Schlacht am Weißen Berg, [13] nur dass es in diesem Fall ein
ganz reales Ereignis war, das zur göttlichen Einmischung
stilisiert wurde. [14]

Nach dem hart errungenen Sieg bei Wimpfen gönnte Tilly


seinen Truppen eine Ruhepause. Er verzichtete darauf, sich
umgehend gegen Mansfeld zu wenden, um ihn aus der
Rheinpfalz herauszudrängen oder zur Schlacht zu stellen.
Schließlich erreichte ihn die Nachricht, dass Christian von
Braunschweig, der sich Ende des vergangenen Jahres nach
Westfalen zurückgezogen hatte, inzwischen aus den im
Raum Paderborn bezogenen Winterquartieren aufgebrochen
war und in südliche Richtung vorrückte. Dabei musste er auf
das in Oberhessen stehende ligistische Korps unter Graf
Anholt stoßen, von dem Christian im Jahr zuvor zum
Rückzug gezwungen worden war, das jedoch zu schwach
war, um diesen Erfolg gegen Christians mittlerweile
erheblich stärkere Kräfte zu wiederholen. Anholt zog sich
zum Main zurück und wartete auf Unterstützung durch die
Hauptmacht Tillys. Der war damit beschäftigt
herauszufinden, welche Pläne Mansfeld verfolgte. Er
befürchtete, dass Mansfeld von Ladenburg aus, wo er zum
Zeitpunkt von Tillys Sieg bei Wimpfen stand, nach Norden
marschieren könnte, um sich mit den nach Süden
vorrückenden Truppen des Braunschweigers zu vereinigen.
Diese Vereinigung wollte Tilly verhindern. Mansfeld dachte
jedoch nicht daran, auf Christian zuzumarschieren;
stattdessen wandte er sich in die entgegengesetzte
Richtung, um das von Truppen Erzherzog Leopolds
belagerte Hagenau zu unterstützen. Er führte Krieg, als
ginge es allein und ausschließlich um ihn und seine
Interessen: Das Projekt, im nördlichen Elsass ein eigenes
Fürstentum zu erobern, war für ihn wichtiger als eine
koordinierte Strategie im pfälzischen Krieg. [15] Pfalzgraf
Friedrich, der sich immer noch bei Mansfelds Heer befand,
konnte daran nichts ändern; da er nicht in der Lage war, für
eine regelmäßige Besoldung der Truppen zu sorgen, war er
auf das Wohlwollen des Kriegsunternehmers angewiesen.
Immerhin: Nach einer Woche im nördlichen Elsass, dem
erfolgreichen Entsatz Hagenaus und der Verstärkung seiner
Verbände durch etwa 3000 Soldaten Erzherzog Leopolds,
die Mansfeld in eigene Dienste übernahm, marschierte er
wieder nach Norden, um nunmehr in das Gebiet des
kaisertreuen Landgrafen Ludwig von Hessen-Darmstadt
einzufallen. Dort trieb er Kontributionen ein und ließ seine
Soldaten plündern. Außerdem wollte er den Landgrafen
zwingen, ihm die Festung Rüsselsheim auszuliefern, damit
Christian von Braunschweig dort den Main überschreiten
und seine Truppen sich mit denen Mansfelds vereinigen
konnten. Als der Landgraf die Übergabe Rüsselsheims
verweigerte, ließ Mansfeld ihn zum Gefangenen erklären,
was an der landgräflichen Weigerung indes nichts änderte.
Jetzt rächte sich, dass man durch den Zug nach Hagenau
eine ganze Woche verloren hatte, denn es fehlte die Zeit, um
das gut befestigte Rüsselsheim, das im Handstreich nicht zu
nehmen war, zu belagern und zur Übergabe zu zwingen.
Zudem hinterließ die rüde Behandlung des Landgrafen
Ludwig bei den evangelischen Reichsständen einen überaus
ungünstigen Eindruck. [16] Friedrich, so die vorherrschende
Ansicht, hatte sich mit einer Räuberbande eingelassen, um
seine augenscheinlich verlorene Sache doch noch zu retten,
und unter diesen Umständen hielt man sich besser, wie der
sächsische Kurfürst, an den Kaiser. Durch die Verbindung
mit Mansfeld geriet Pfalzgraf Friedrich immer stärker in die
politische Isolation. Das war das Problem mit Mansfeld: Er
machte, was er wollte, und wer sich mit ihm verbündete,
hatte einen hohen Preis zu zahlen.
Dass Mansfeld die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt so
ungehindert plündern konnte, lag auch an der Trennung
Tillys und Córdobas nach der Schlacht von Wimpfen;
während Tilly in Wimpfen blieb, um seinen Soldaten eine
Ruhephase zu verschaffen und die Verluste auszugleichen,
zog Córdoba nach Oppenheim, das er zuvor bereits als
Waffenplatz und Operationsbasis genutzt hatte. Anfang Juni
brach Tilly schließlich von Wimpfen auf, um dem Landgrafen
zu Hilfe zu kommen und die Vereinigung der Mansfeld’schen
Truppen mit denen des Braunschweigers zu verhindern.
Nachdem Mansfeld die Festung Rüsselsheim nicht in die
Hand bekommen hatte, hatte man sich für Aschaffenburg als
neuen Ort der Vereinigung entschieden und Christian von
Braunschweig dorthin beordert; die Hauptmacht des
pfälzisch-badischen Heeres – Markgraf Georg Friedrich war
mit seinen reorganisierten Truppen zu Mansfeld gestoßen –
brach von Darmstadt in Richtung Aschaffenburg auf. [17] Man
kam aber nicht weit, denn als das auf dem Weg liegende
kurmainzische Dieburg den Durchzug verweigerte, nachdem
man Nachricht vom Anmarsch Tillys bekommen hatte,
entschlossen sich die Mansfeldischen zum Rückzug in
Richtung Rhein. Bei diesem Rückzug verlor das Heer einen
Teil seines schwerfälligen Trosses an die entschlossen
nachdrängende leichte Reiterei Tillys, der die bei
Mingolsheim erlittene Schlappe auszuwetzen suchte. Am
11. Juni überschritten Mansfelds Truppen den Neckar, und
damit endeten auch die Nachhutgefechte. Tilly nämlich
wandte sich nunmehr dem Main zu, um Christian und sein
Heer an dessen Überquerung zu hindern.
Im Unterschied zum vergangenen Jahr führte Christian im
Frühjahr 1622 eine beträchtliche Streitmacht – es dürfte
sich um etwa 15000 Mann gehandelt haben –, und bei
diesem Heer befand sich auch der große, in Westfalen
zusammengeraubte Kriegsschatz. Beides, Heer wie
Kriegsschatz, konnte erheblichen Einfluss auf den Fortgang
des Kriegs um die Pfalz haben. Hatte Christian im Jahr 1621
noch mit den ihm als Administrator von Halberstadt
verfügbaren Mitteln Truppen geworben, so hatte er im
Winter 1621/22 in großem Stil damit begonnen, die zum
kurkölnischen Bistum Paderborn gehörenden Städte,
Lippstadt und Soest etwa, zu besetzen und auszuplündern.
[18] Im Unterschied zu Mansfeld, der plündern und
brandschatzen ließ, um seine Soldaten zu entlohnen, bei
dem es sich also um ein «Von der Hand in den Mund»-
Plündern handelte, ging es Christian um die Bildung eines
Kriegsschatzes, mit dem er Söldner anwerben und in seinen
Diensten halten konnte. Die Ausplünderung von Teilen
Westfalens durch Christian von Braunschweig war also ein
Projekt der Vorsorge, bei dem geraubt wurde, um
Kriegführung in großem Umfang zu ermöglichen. Der Krieg
befand sich zum Jahreswechsel 1621/22 noch im
Anfangsstadium, und die Akteure erprobten unterschiedliche
Methoden, ihn zu finanzieren. Bei Mansfeld waren
Kriegsschauplatz und geplünderte Territorien tendenziell
identisch, wobei er verschiedentlich den Kriegsschauplatz
wechselte, um noch nicht verwüstete Gebiete ausplündern
zu können; Christian dagegen suchte sich reiche Gebiete
aus, um dort einen Kriegsschatz zusammenzurauben, den er
dann auf einem anderswo gelegenen Kriegsschauplatz
einsetzte. Er plünderte Westfalen aus, um in der Pfalz Krieg
führen zu können.
Dabei ging der Braunschweiger mit großer Gründlichkeit
zu Werke: Von Januar an erschienen seine Obristen mit einer
Schar Berittener vor den Toren westfälischer Städte und
verlangten deren Übergabe, die Auslieferung der Vorräte
und der Waffen, vor allem der Kanonen, und dazu eine hohe
Entschädigungszahlung dafür, dass man nicht in die Stadt
eindrang und sie in Brand setzte. Man nannte das
Brandschatzung, und die Städte und Dörfer, die bezahlten,
erhielten ein Salvaguardia genanntes Schreiben, das so
etwas wie einen Schutzbrief darstellte. Je wohlhabender eine
Stadt, desto höher die Summe, mit der sie sich freikaufen
musste. Die Zahlungsbereitschaft stellte Christian sicher,
indem er Dörfer in Stadtnähe zu Demonstrationszwecken
niederbrennen ließ. In Soest fiel ihm der dem Propst des
Patroklistiftes anvertraute Paderborner Domschatz mit
einem Wert von 330000 Gulden in die Hände, im Kloster
Olinghausen war es der Erbschatz Dietrichs von
Fürstenberg, der 50 Zentner Silber und 63 Säcke Gold
umfasste, und von der reichen Beute in Paderborn selbst war
der vergoldete Silberschrein des heiligen Liborius das
wertvollste Stück. In den ebenfalls ausgeraubten Gräbern
des Paderborner Doms fanden sich mehrere Tausend
Gulden. Aus dem Paderborner Schrein ließ Christian
Münzen mit der Aufschrift «Gottes Freund, der Pfaffen
Feind» prägen. Über die vergoldeten Apostelfiguren an den
Längsseiten des Schreins soll er vor deren Einschmelzung
gesagt haben, Jesus habe sie aufgefordert, hinauszugehen in
alle Welt, und er, Christian, sorge nun dafür, dass sie das
auch tatsächlich täten. [19]
Auf Seiten des Kaisers hat man die von Christian und
seinem Verfahren der Kriegsfinanzierung ausgehende
Gefahr schnell erkannt; um zu verhindern, dass derlei
Schule machte, bot ihm der Kaiser eine Amnestie und die
offizielle Belehnung mit dem Stift Halberstadt an, die Kaiser
Matthias verweigert hatte. Offenbar ging man in Wien davon
aus, dass Christian zu den Waffen gegriffen hatte, weil er
seine Verfügung über das Stift Halberstadt gefährdet sah,
und wollte ihm mit der reichsrechtlich korrekten Einsetzung
als Bischof von Halberstadt entgegenkommen. Christian
hätte so ein Leben in materieller Sicherheit führen können,
doch darum ging es ihm nicht. Er suchte das Abenteuer und
sah sich als ein Ritter der schönen Elisabeth Stuart, der
Gemahlin Friedrichs, die er unter keinen Umständen im
Stich lassen wollte, wie das viele andere getan hatten. Also
lehnte er das kaiserliche Angebot ab und trieb seine
Kriegsvorbereitungen weiter voran. [20]

Durch das Wesertal und durch Hessen rückte Christian mit


12000 Fußsoldaten, 5000 Reitern und 3 Kanonen Richtung
Main vor. Nachdem sich die geplante Vereinigung mit
Mansfeld bei Aschaffenburg zerschlagen hatte, wollte er den
Main in der Umgebung von Frankfurt überqueren. Am
15. Juni erreichte er bei Oberursel kurmainzisches Gebiet;
zwei Tage später überschritten die inzwischen wieder
vereinigten Truppen Tillys und Córdobas bei Aschaffenburg
den Main, um den Braunschweiger nördlich der Mainlinie
zum Kampf zu stellen, bevor er sich mit den Truppen
Mansfelds verbinden konnte. Die Freie Reichsstadt
Frankfurt, die über eine beidseitig gesicherte Mainbrücke
verfügte, war für alle Parteien ein lohnendes Ziel; wer es
schaffte, sie unter Kontrolle zu bringen, hatte einen großen
Vorteil.
Der Rat der Stadt fürchtete, in einen Kampf hineingezogen
zu werden, bei dem man nur verlieren konnte, und ließ die
Ebenen vor der Stadtumwallung unter Wasser setzen, so
dass sich keine von beiden Seiten der Stadt bemächtigen
konnte. Das war für Christian mehr von Nachteil als für Tilly.
Christian ließ daraufhin das nahe Frankfurt gelegene
Städtchen Höchst besetzen, das, auf der nördlichen Seite
des Mains gelegen, den Flussübergang seiner Armee decken
sollte. Einen Fluss zu überqueren, war ein militärisch
überaus riskantes Manöver. Diejenigen, die den Fluss
bereits überschritten hatten, konnten denen, die noch auf
der anderen Seite standen, nicht zu Hilfe kommen, wenn sie
vom Gegner angegriffen wurden. Flussübergänge waren
deshalb eigentlich nur dann möglich, wenn keine feindlichen
Truppen in der Nähe standen, die sich auf die Nachhut
werfen und diese in den Fluss hineintreiben konnten, oder
wenn eine Schanze oder Befestigung vorhanden war, die den
Flussübertritt deckte. Der Verbindung mit Mansfeld wegen
musste sich Christian auf dieses riskante Manöver
einlassen – oder er musste sich Tilly allein zum Kampf
stellen und ihn angreifen. Das aber war keine attraktive
Option, da Tilly den Truppen des Braunschweigers im
Verhältnis von drei zu zwei überlegen war und über die
kampferprobteren Soldaten verfügte.
Am 18. Juni befahl Christian den Bau einer Schiffsbrücke
über den Main, die bereits am darauffolgenden Tag fertig
wurde. Das war in solch kurzer Zeit nur möglich, weil ihm
die Frankfurter mit Holzlieferungen halfen – ein Beleg für
protestantische Solidarität, auch wenn man darauf bedacht
war, politisch neutral zu bleiben. Die zentrale strategische
Devise lautete nunmehr, nach dem Übergang der
Avantgarde, die das linke Mainufer sichern sollte, den Tross
über den Fluss zu setzen, in dem die westfälische Beute
mitgeführt wurde, die für die weitere Kriegsfinanzierung
unerlässlich war. Derweil hatte Tilly Frankfurt umgangen
und das Flüsschen Nidda überschritten, er näherte sich
schon den Positionen des Braunschweigers. Der bezog
Gefechtspositionen hinter dem Sulzbach, wobei diese auf
ihrer rechten Seite an die Niddasümpfe angelehnt waren.
Dem Übergang über den Sulzbach bei dem Dorf Sossenheim
kam entscheidende Bedeutung zu; wer ihn beherrschte,
beherrschte die Lage. Christian war an Kavallerie, Tilly an
Artillerie überlegen. Durch eine entschlossene
Kavallerieattacke auf Tillys Zentrum wollte sich der «tolle
Halberstädter» die Chance eines geordneten Mainübergangs
verschaffen: Es ging ihm also nicht um eine
Entscheidungsschlacht, sondern um einen harten Schlag,
der Tillys Zentrum davon abhalten sollte, nachzudrängen,
wenn seine Truppen den Main überschritten. [21]
Der Schlachtplan des Braunschweigers war im Prinzip
vernünftig, nur setzte er höhere Kampfkraft, Disziplin und
Durchhaltefähigkeit voraus, als sie die von ihm geführten
Truppen besaßen. Deren Stärke lag im schnellen Ansturm,
aber nicht im längeren Gefecht. Alles kam somit darauf an,
dass die Kavallerieattacke, mit der Christian die Schlacht
eröffnen wollte, bei den Truppen Tillys eine deutliche
Wirkung zeigte, diese weit zurückwarf und ihre Formationen
derart durcheinanderbrachte, dass sie für einige Zeit
gefechtsunfähig waren. Tatsächlich gelang es Christians
Kavallerie, über Sossenheim hinaus vorzustoßen, aber dann
geriet sie in das Feuer von Tillys Kanonen, die dieser im
Halbkreis um sein Zentrum herum postiert hatte; dabei erlitt
die Kavallerie schwere Verluste, und der Angriff kam zum
Stehen. Seit seinem Eintritt in die Dienste Herzog
Maximilians hatte sich Tilly um die Artillerieausbildung
gekümmert, und so gehörte die bayerische Artillerie seit
Kriegsanfang zum Besten, was auf den Kriegsschauplätzen
ins Gefecht geführt werden konnte.
Die größte Wirkung zeitigte der Einsatz von Kanonen zu
Beginn einer Schlacht, wenn die Truppen einander
gegenüberstanden und sich noch nicht im Handgemenge
befanden. Danach nämlich waren Freund und Feind für die
Kanoniere nicht mehr zu unterscheiden. Die Kanonen
wurden vor der Front von Infanterie und Kavallerie postiert,
wo sie freies Schussfeld hatten. Man schoss mit Eisenkugeln
aufeinander, die, wenn sie in eine geschlossene Formation
einschlugen, verheerende Wirkung hatten. Mitunter wurden
auch Kugeln eingesetzt, die beim Aufprall
auseinanderklappten oder in zwei durch eine Kette
verbundene Teile zersprangen, was die Wirkung bei dicht
aufgestellter Infanterie noch einmal erhöhte. Auch
Kartätschen wurden verschossen, mit Bleikugeln oder
kleinen Eisenstücken gefüllte Hohlgeschosse, die über dem
Gegner explodieren sollten und deren Streueffekt zu
schweren Verwundungen führte. Kartätschenfeuer setzte
freilich Artilleristen voraus, die ihr Handwerk genau
verstanden. Das taktische Ziel beim Einsatz der Artillerie
war, die festgefügte Ordnung der gegnerischen Tercios
«aufzuweichen» und so den Angriff der eigenen Kavallerie,
vor allem aber die Stoßattacke der Infanterie vorzubereiten.
[22]

Unter diesen Umständen war jede Seite bestrebt, die


Wirkung der gegnerischen Artillerie auf die eigene
Aufstellung so weit wie möglich zu begrenzen. Ein Mittel
dazu war eine entschlossene Kavallerieattacke auf die
Kanonen, die infolge ihrer Postierung vor der eigenen
Infanterie überaus verwundbar waren. Um den Verlust der
Kanonen zu verhindern, reagierte die angegriffene Seite mit
einer Gegenattacke ihrer Kavallerie oder dem Vorrücken der
Infanterieformationen. Auf diese Weise entwickelte sich
nahezu jede Schlacht des Dreißigjährigen Krieges. Bei der
Aufstellung der Schlachtordnung kam es somit darauf an
vorwegzunehmen, wo der Schwerpunkt des gegnerischen
Angriffs liegen würde, auf einem der Flügel oder im
Zentrum, um die eigenen Kanonen entsprechend zu
postieren. Ein Stellungswechsel während der Schlacht war
unter günstigen Bedingungen vielleicht mit den leichten
Kanonen möglich, den Falkonetts und Feldstücken, nicht
aber mit den schweren Kanonen, den sogenannten
Kartaunen. [23] Deren Geschützrohr wog etwa 90 Zentner
und war auf einer schweren Lafette montiert; um diese
Ungetüme zu bewegen, mussten mehr als 20 Pferde
vorgespannt werden. Die Stellung während des Gefechts zu
wechseln, war auch deshalb unmöglich, weil die neue
Position der Kanonen vorbereitet werden musste, und dafür
waren aufwendige Schanzarbeiten erforderlich. Dazu
gehörte die Aufstellung von mit Erde gefüllten großen
Schanzkörben rechts und links von der Kanone, um deren
Bedienung gegen Musketenfeuer zu schützen, weiterhin die
Vorbereitung des Untergrunds, der den
Rückstoßbewegungen der Kanone beim Abfeuern genügen
musste, um ein Herausspringen des Rohrs aus der Lafette
oder deren Umkippen zu verhindern. Während die Kavallerie
die beweglichste und damit für den Heerführer am freiesten
einsetzbare Waffengattung im Gefecht war, war die
Artillerie, erst einmal postiert, unbeweglich und oftmals nur
bei Schlachtbeginn einsetzbar. Das sollte sich erst mit
Gustav Adolf ändern. Für den Verlauf einer Schlacht war
somit entscheidend, dass der Feldherr den Schlachtplan des
Gegners aus der Topographie des Geländes, den
Gepflogenheiten und Vorlieben des Kontrahenten und der
Disposition seines Aufmarschs frühzeitig ablesen konnte und
dementsprechend seine Anordnungen traf. Tilly war ein
Meister dieses antizipierenden Ablesens, und einen Großteil
seiner Siege verdankte er dieser Fähigkeit.

Das war auch in der Schlacht bei Höchst der Fall: Aus der
von Christian gewählten Aufstellung – der Anlehnung seines
rechten Flügels an das Sumpfgebiet der Nidda vor deren
Mündung in den Main und der Anlehnung des linken Flügels
an den Schäferberg, eine kleinere Erhebung in dem sonst
eher ebenen Gelände – schlussfolgerte Tilly, dass Christians
Attacke bei Sossenheim erfolgen würde, weshalb er dem
Dorf gegenüber seine zwölf Kanonen aufstellte. [24] In ihrem
konzentrischen Feuer erlitt Christians Kavallerie schwere
Verluste; es gelang ihr nicht, bis zu den gegnerischen
Kanonen vorzudringen, um diese auszuschalten, geschweige
denn Tillys Infanterie in Unordnung zu bringen. Es kam
hinzu, dass von den drei Geschützen, die Christian südlich
von Sossenheim am Knick des Sulzbachs zur Unterstützung
des Angriffs aufgestellt hatte, eines aufgrund von
Überladung zerbarst und ein weiteres durch einen
Volltreffer seitens Tillys Artillerie zerstört wurde. Christians
Kanoniere waren unerfahren, die Tillys hingegen Meister
ihres Fachs. Christian ließ wegen des ins Stocken geratenen
Kavallerieangriffs seine Infanterie vorrücken, woraufhin
auch Tilly seine Infanteriemassen zum Angriff vorgehen ließ.
Sossenheim fiel in die Hände von Tillys Truppen, und damit
war die Position Christians unhaltbar geworden.
Merians Kupferstecher, der den Kampf zwischen Tilly und Christian von
Braunschweig um den Mainübergang im Juni 1622 festgehalten hat, war, da im
nahe gelegenen Frankfurt tätig, mit den geographischen Verhältnissen gut
vertraut. Die Mündung der Nidda in den Main ist gut zu erkennen. Gekämpft wird
auf der linken Bildhälfte, wo die Infanterieformationen stehen und der Rauch
abgefeuerter Kanonen zu sehen ist. In der unteren Bildmitte das befestigte
Höchst, davor, ganz am unteren Bildrand, Trosswagen und Kavalleristen, die der
Brücke über den Main zustreben, dem Nadelöhr des Rückzugs, wo das Desaster
für Christian seinen Lauf nahm.

Der Braunschweiger befahl den Rückzug nach Höchst und


die Überquerung des Mains, wobei die wertvolle Bagage,
zumal die Wagen mit den zusammengeraubten und
erpressten Schätzen, den Anfang machen sollte. Aber die
Flussüberquerung der schweren Wagen nahm Zeit in
Anspruch, und derweil brach in dem wenig kampferprobten
Heer Panik aus: Alles drängte zur Brücke, die diese Massen
nicht aufnehmen konnte; viele stürzten ins Wasser, andere
versuchten, den Fluss schwimmend oder zu Pferd zu
durchqueren, aber der Main war an seinem Unterlauf recht
tief und hatte eine beachtliche Strömung, so dass die
meisten ertranken. Dass es nicht zur vollständigen
Vernichtung der Armee Christians von Braunschweig kam,
lag an der Standhaftigkeit des als Reserve bereitgehaltenen
Eschwey’schen Kavallerieregiments unter Oberst Heinrich
Piper von Minden. Es brachte die auf die rechtsmainische
Seite der Schiffsbrücke vorstoßenden sieben
Kavalleriekompanien Tillys unter Oberstleutnant Winand von
Eynatten zum Stehen. So konnte Christian zwei Drittel
seines Heeres sowie große Teile des Trosses retten, vor
allem die Kriegskasse, und mit 3000 Reitern sowie
8000 Fußsoldaten zu Mansfeld stoßen, mit dessen Truppen
er sich zwischen Bensheim und Pfungstadt vereinigte. [25]
Das Leibregiment Christians und ein Infanterieregiment
unter Oberst Kochler waren zerschlagen, aber aus dem Rest
der Armee formten Christian und sein Stellvertreter,
Reichsfreiherr Dodo zu Imhausen und Knyphausen, schon
bald wieder eine einsatzfähige Truppe.
Man kann die Schlacht bei Höchst als eine schwere
Niederlage Christians beschreiben, wie das in der älteren
Literatur zumeist der Fall ist. [26] Damit verbindet sich in der
Regel ein vernichtendes Urteil über Christians Fähigkeiten
als Feldherr: Der «tolle Halberstädter» sei zu unerfahren
gewesen und habe übermütig und unvorsichtig agiert. Dem
steht eine jüngere Sichtweise gegenüber, die von den
Problemen ausgeht, mit denen Christian bei Höchst
konfrontiert war: der Unerfahrenheit seiner Truppen, der
Kriegserfahrenheit seines Gegenspielers, den
Schwierigkeiten im Zusammenwirken mit Mansfeld, der
ständig seine Dispositionen änderte und Christian nicht bis
zum Main entgegenkam. Die neuere Forschung wertet daher
den erfolgreichen Mainübergang sowie die Rettung eines
Großteils der Truppen mitsamt der Kriegskasse als einen
beachtlichen Teilerfolg des Halberstädters, dessen Attribut
«toll» somit für seine Tollkühnheit und seinen Wagemut
steht. [27]
Die Darstellung der Schlacht bei Höchst am 20. Juni 1622
kann nicht abgeschlossen werden, ohne einen Blick auf das
Schicksal derer zu werfen, die von Christians Armee auf der
rechten Mainseite zurückgeblieben waren: Erstmals zeigte
sich hier die Wut der Bauern auf die, die sie zuvor
ausgeplündert hatten. Mit Sensen und Dreschflegeln fielen
sie über einzelne Soldaten her und machten sie gnadenlos
nieder, um sie anschließend ihrerseits auszuplündern. Sie
beschränkten sich dabei nicht auf die Wertsachen der
Soldaten, sondern beraubten sie auch ihrer Kleider und
Stiefel; das galt auch für die angetriebenen Leichen der im
Main Ertrunkenen. Besser erging es den Soldaten, die sich
den Truppen Tillys ergaben und in dessen Heer
«untergesteckt» wurden, also den Eid auf die Fahne des
Regiments ablegen mussten, in dem sie zukünftig dienten.
[28] Zurück blieb außerdem die Besatzung des Schlosses
Höchst, die lange Widerstand geleistet und dann unter der
Bedingung kapituliert hatte, dass Tilly ihr einen ehrenvollen
Abzug zusicherte. Als Oberstleutnant von Eynatten unter
den Abziehenden jedoch Plünderer zu identifizieren glaubte,
darunter auch diejenigen, die zuvor einen katholischen
Priester kastriert haben sollten, ließ er diese gefangen
nehmen und aufhängen. Das war die übliche Strafe, die auf
Plünderung und Vergewaltigung stand. So zeigen Jacques
Callots Radierungen den Lebenszyklus von Soldaten, die zu
Plünderern und Vergewaltigern wurden und zuletzt am
Galgen oder auf dem Rad endeten. [29] In diesem Fall war der
Strafvollzug indes ein Problem, weil er mit dem Bruch von
Tillys Ehrenwort verbunden war. [30]
Das Ende des Kriegs um die Pfalz
Am Tag der Höchster Schlacht schied Markgraf Georg
Friedrich von Baden-Durlach aus dem Krieg aus.
Niedergeschlagen von der verlorenen Schlacht bei Wimpfen,
infolge der zur Neige gehenden finanziellen Mittel in seinen
Möglichkeiten begrenzt und vermutlich auch durch die
schwache Position Friedrichs neben Mansfeld irritiert,
verließ er das Lager, ohne sich zu verabschieden.
Anschließend befahl er Oberst Pleickhard von Helmstatt die
Abdankung der von ihm besoldeten Truppen. [1] Im Ergebnis
war das ein größerer Verlust für die pfälzische Sache als
der, den Christian bei Höchst erlitten hatte. Zwar konnte
man die vom badischen Markgrafen entlassenen Soldaten,
wenn sie wollten, unmittelbar in die Armeen Mansfelds oder
Christians übernehmen, doch dadurch wurden die
Finanzierungsprobleme des Heeres nur größer, als sie
ohnehin schon waren. Vor allem aber wurde die politische
Basis des Widerstands gegen Kaiser und Liga mit dem
Ausscheiden des lutherischen Markgrafen noch schmaler. Es
kam hinzu, dass das Verhältnis zwischen Ernst von Mansfeld
und Christian von Braunschweig alles andere als kooperativ
war: Christian warf Mansfeld vor, dass er ihn am Main im
Stich gelassen habe, und Mansfeld erwiderte, Christians
Anmarsch zum Main habe zu lange gedauert, er habe sich
bei seinem Vorstoß nach Süden zu viel Zeit gelassen.
Obendrein gab es Streitigkeiten, weil der Herzog an der
Tafel des Kurfürsten einen höheren Rang einnahm als der
Graf und Christian im Vergleich zu dem kränkelnden und
körperlich klein geratenen Kriegsunternehmer eine sehr viel
eindrucksvollere Figur abgab. [2]
Bei einem Kriegsrat am 22. Juni 1622 beschloss man, das
rechte Rheinufer aufzugeben und, da im nördlichen Teil der
Rheinpfalz spanische Truppen standen, in das Gebiet des
Straßburger Bischofs, des Erzherzogs Leopold, einzufallen
und die Soldaten dort durch Plündern und Brandschatzen
bei Laune zu halten. Das waren freilich Operationen, die
eher im Interesse Mansfelds als in dem des Pfalzgrafen
lagen, der mehr und mehr zu dem Ergebnis gelangte, dass
die Verteidigung der Rhein- und die Rückeroberung der
Oberpfalz mit Hilfe Mansfelds ein Projekt ohne
Erfolgsaussicht war. In dieser Situation entschloss sich
Friedrich, anstatt weiterhin auf die militärische Karte zu
setzen, eine politische Lösung anzustreben, zu der ihn sein
Londoner Schwiegervater seit längerem drängte. Am
22. Mai 1622, also etwa einen Monat zuvor, hatten in
Brüssel Verhandlungen zwischen dem Statthalter der
südlichen Niederlande als Vertreter Spaniens und Gesandten
König Jakobs begonnen, in denen es um die Zukunft der
Pfalz ging. Wären diese Verhandlungen erfolgreich gewesen
und hätten zu einem alle Seiten befriedigenden Ergebnis
geführt, so wäre damit der Krieg beendet worden: Es wäre
beim böhmisch-pfälzischen Krieg geblieben, und der
Dreißigjährige Krieg hätte nicht stattgefunden. Man kann
darüber streiten, ob die Brüsseler Verhandlungen von
vornherein zum Scheitern verurteilt waren, weil Jakob I.
sowie sein Verhandlungsführer Sir John Digby, der seit
längerem schon im Reichsgebiet die Möglichkeiten zur
Beendigung des Krieges sondiert hatte, sie nur benutzten,
um sich vor einer größeren militärischen Unterstützung
Friedrichs zu drücken – tatsächlich finanzierte England zu
dieser Zeit nur die zwei Regimenter unter Horace Vere, die
sich auf die Verteidigung von Heidelberg, Mannheim und
Frankenthal beschränkten –, oder ob ein Ausgleich zu
erzielen gewesen wäre, wenn der aus dem Hintergrund
agierende Bayernherzog die Verhandlungen nicht sabotiert
hätte. Maximilian war nämlich an einem friedlichen
Ausgleich nicht interessiert, solange die Pfälzer Kurwürde
nicht auf ihn übertragen, also die geheime Zusatzklausel des
Münchner Vertrags erfüllt war. [3] Die Frage war indes, wie
viel Macht der Bayer tatsächlich hatte und wie sehr sich
Kaiser Ferdinand gegenüber seinem bayerischen
Verbündeten in der Pflicht sah.
In Brüssel trafen die unterschiedlichen Interessen der am
Konflikt Beteiligten unmittelbar aufeinander, und dabei
zeigte sich, dass es nicht nur den Gegensatz zwischen der
katholischen und der protestantischen Seite gab, sondern
auch erhebliche Spannungen innerhalb der beiden Parteien.
Infolgedessen zogen sich die Verhandlungen bis Ende
September 1622 hin, ohne dass Fortschritte gemacht
wurden. [4] Als man auseinanderging, wurden die Gespräche
nicht abgebrochen, sondern nur verschoben; im Prinzip war
jedoch klar, dass man beim gegenwärtigen Stand der Dinge
nicht zu einer Einigung kommen würde. Spanien und
England strebten die Wiedereinsetzung Friedrichs in der
Pfalz an, Maximilian widersetzte sich dem, solange die Kur
nicht auf ihn übertragen war, der Kaiser changierte, da er
dem Bayern Oberösterreich als Pfand für dessen
Kriegskosten abgetreten hatte, das er zurückhaben wollte,
und Friedrich wiederum war nicht bereit, auf die böhmische
Krone als Vorleistung für eine Verständigung zu verzichten.
Seine Position war jedoch schwach, und vor die
Entscheidung gestellt, weiterhin im Gefolge des
Mansfeld’schen Heeres auf die Rückeroberung seiner
Länder zu setzen oder der Aufforderung seines
Schwiegervaters in London zu folgen und in die Beendigung
der Kriegshandlungen einzuwilligen, entschied er sich für
Letzteres. Das bedeutete, dass Friedrich sich von Mansfeld
und dem Braunschweiger trennen musste, denn deren
Truppen waren ohne Raubzüge in die angrenzenden
Territorien nicht zusammenzuhalten. Also erteilte Friedrich
am 13. Juli 1622 den beiden einen ehrenvollen Abschied und
begab sich nach Sedan in den Schutz des lothringischen
Herzogs von Bouillon.

Mansfeld und Christian waren von diesem Augenblick an


selbständige Kriegsunternehmer, die in niemandes Auftrag
standen und sich entscheiden mussten, ob sie ihre Truppen
abdanken und ihr bisheriges Geschäftsmodell
beziehungsweise das politische Projekt einer
Wiedereinsetzung Elisabeths aufgeben [5] oder sich nach
einem neuen Auftraggeber umtun sollten. Am ehesten
kamen dafür die Generalstaaten der Niederlande in Frage,
die sich nach dem Auslaufen des Waffenstillstands mit
Spanien im Kriegszustand befanden und seitdem einige
Schlappen erlitten hatten. Im Januar 1622 hatte Spínola die
Festung Jülich erobert, die über mehr als ein Jahrzehnt von
einer niederländischen Besatzung gehalten worden war, [6]
und Ende Juli hatte Córdoba die Truppen, die nicht länger in
der Pfalz gebraucht wurden, mit seinen Streitkräften
vereinigt, um die niederländische Festung Bergen op Zoom
zu belagern. Durch den Verlust von Bergen op Zoom hätte
sich die strategische Lage der nördlichen Niederlande
erheblich verschlechtert. Ende August wurden sich die
Generalstaaten mit Mansfeld und Christian – beide hatten
sich zwischenzeitlich wieder einmal zerstritten –
handelseinig, und es wurde vereinbart, dass deren Truppen
in die Dienste des Prinzen von Oranien traten, um das
belagerte Bergen op Zoom zu entsetzen. Das war die
Voraussetzung dafür, dass die Truppen zusammengehalten
werden konnten. Von nun an übernahmen die
Generalstaaten die Besoldung. [7]
Das Problem, das sich damit stellte, war die Heranführung
der in Lothringen festsitzenden Truppen Mansfelds und
Christians; sie mussten die spanischen Niederlande, also
Feindesland, durchqueren, und das in möglichst kurzer Zeit.
[8] Also wurden mehr als 200 Bagagewagen verbrannt, man
verzichtete auf die Mitführung der schwerfälligen Artillerie
(mit Ausnahme zweier leichter Kanonen) und nutzte die so
freigewordenen Pferde, um Fußsoldaten zu Reitern zu
machen. Da es sich um Zugpferde handelte, saßen oft zwei
Mann auf einem Tier; so wurde das Tempo, mit dem sich das
Söldnerheer durch das nördliche Frankreich und danach die
südlichen Niederlande bewegte, erheblich gesteigert,
weshalb man auch von einer armée volante, einer fliegenden
Armee, sprach. Da sie keinen Tross mitführte, musste sie
sich aus dem Land versorgen, und das hatte zur Folge, dass
sie eine breite Spur der Verwüstung hinterließ. Befestigte
Städte wurden umgangen, Widerstand leistende Scharen von
Bauern, etwa im Hennegau, auseinandergejagt. Nahe
Fleurus stieß man dann auf spanische Truppen, die unter
dem Kommando Córdobas in Eilmärschen herbeigezogen
waren, um das feindliche Söldnerheer abzufangen. Wollten
Mansfeld und Christian ihr Ziel, Bergen op Zoom, erreichen,
so mussten sie eine Schlacht wagen und den Durchbruch
schaffen, um auf der alten Römerstraße von Köln nach
Cambrai weitermarschieren zu können.
Am frühen Morgen des 29. August begann die
Durchbruchsschlacht von Fleurus. Córdoba verfügte über
etwa 7000 Mann zu Fuß, Mansfeld und Christian waren bei
den Fußsoldaten nahezu gleich stark; an Reiterei waren sie
mit etwa 6000 Mann den etwa 2500 Reitern Córdobas
deutlich überlegen, während dieser mit sieben Feldstücken
gegenüber den zweien des Söldnerheeres im Vorteil war.
Zudem konnte Córdoba sich leisten, in der Defensive zu
bleiben; Mansfeld und Christian dagegen mussten angreifen,
um den Durchbruch zu schaffen. Außerdem standen sie vor
dem Problem, dass in der Nacht zuvor 1500 Berittene erklärt
hatten, sie würden sich an der Schlacht nicht beteiligen, da
sie keinen Sold erhalten hätten. Immerhin erreichte
Mansfeld, dass sie auf dem Schlachtfeld blieben und sich so
postierten, dass man sie für eine Reserveeinheit halten
konnte.
Fleurus wurde zu der Schlacht, in der Christian von
Braunschweig seinem Ruf als der «tolle Halberstädter»
gerecht wurde: In einem kühnen Angriff zersprengte die von
ihm geführte Kavallerie des linken Flügels die gegnerische
Reiterei, drang bis zu den Trosswagen des spanischen
Heeres vor und attackierte anschließend die
Infanterieregimenter Córdobas von der Seite und vom
Rücken her, während der das Zentrum kommandierende
Mansfeld die Fußtruppen zum Angriff führte. Durch die
ständigen Kavallerieattacken standen die spanischen Tercios
dicht gedrängt und bildeten so ein gutes Ziel für die beiden
Kanonen Mansfelds, während die Artillerie Córdobas bereits
von Christians Kavallerie ausgeschaltet worden war. Das
war schlachtentscheidend, denn damit war Córdoba die
Waffengattung genommen, bei der er überlegen war. Nach
sechsstündigem Gefecht wichen die spanischen Verbände
zurück und gaben den Weg nach Nordosten frei.
Bei Fleurus gelang den Truppen Mansfelds und Christians von Braunschweig im
August 1622 unter hohen Verlusten der Durchbruch in Richtung Niederlande. Da
der spanische General Gonzalo Fernández de Córdoba dies hatte verhindern
wollen, ist Fleurus als ein Sieg der beiden protestantischen Söldnerführer
anzusehen. Aber auch die Spanier feierten Fleurus als einen Sieg, da sie das
Schlachtfeld behaupteten. Das heute im Madrider Prado hängende Bild von
Vincenzo Carducci zeigt die Schlacht mit dem von rechts ins Bild reitenden
Córdoba.

Die Verluste beider Seiten waren mit 2000 bis 3000 Mann
etwa gleich groß, und beide beanspruchten hernach den
Sieg für sich: Mansfeld und Christian, weil sie den
Durchbruch erzwungen hatten, die Spanier, weil sie nach
dem Durchzug der Söldner das Schlachtfeld wieder besetzen
konnten, was üblicherweise als Zeichen des Sieges galt. In
diesem Fall aber täuschte die Symbolik, denn strategisch
hatten sich Mansfeld und Christian durchgesetzt, und
Córdoba hatte die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllt. Als
die Truppen Anfang Oktober vor Bergen op Zoom eintrafen,
mussten die Spanier die Belagerung aufheben. Das war ein
herber Rückschlag für sie, zumal sie auf einen schnellen und
durchschlagenden Erfolg gesetzt hatten. Der lag nun in
weiter Ferne.
Bei den von ihm angeführten Kavallerieattacken hatte
Christian einen Schuss in den Arm bekommen; einige
sprechen von einem Durchschuss der linken Hand, andere
von einem Einschuss vier Finger oberhalb des Ellbogens. [9]
Vorerst war keine Zeit, die Wunde zu behandeln, da das
Heer eilends weiterziehen musste. Nach einigen Tagen hatte
Wundbrand den Arm befallen, und als das Heer in Breda,
einer Festungsstadt der Generalstaaten, angelangt war,
musste der Arm amputiert werden. Die Art, wie Christian
diese Amputation vornehmen ließ, war typisch für den
«tollen Halberstädter»: Sie fand in Anwesenheit des Heeres
statt, jedenfalls der braunschweigischen Truppen, und
Christian ließ während des Schneidens und Sägens die
Trommel schlagen, um seine Schmerzensschreie zu
übertönen. Christian tat alles, um den Eindruck zu
vermeiden, er werde als Versehrter nun aus dem
Kriegsgeschehen ausscheiden. Als er nach der Amputation,
so berichtet das Theatrum Europaeum, in Breda das Bett
hüten musste, ließ er einen spanischen Trompeter, der sich
wegen des Austauschs von Gefangenen in der Stadt aufhielt,
an sein Lager kommen und trug ihm auf, «dem Spinola zu
sagen, der tolle Herzog hätte zwar seinen einen Arm
verloren, aber den anderen behalten, sich an seinen Feinden
zu rächen» [10]. Seinem Bruder schrieb Christian, «und ob
zwar der eine Arm großen Mangel erlitten, so verhoffen
[wir] doch dem Vaterlande noch mit dem übrigen gute
Dienste zu erweisen» [11]. Aus der bei Fleurus gemachten
Beute ließ er Münzen mit der Aufschrift «Altera restat»
schlagen – der andere ist geblieben. Das war, wie auch die
Spínola zugesandte Botschaft, als Beleg eines
Durchhaltewillens zu verstehen.
Symbolkrieg, Propagandakrieg und die
Übertragung der Kurwürde
Christian von Braunschweig wusste um den Wert politischer
Symbole und hatte eine ausgeprägte Neigung zu großen
Gesten. Solche hatte er bereits gezeigt, als er aus dem
Paderborner Domschatz «Pfaffenthaler» schlug oder als er
den Handschuh Elisabeths, den diese hatte fallen lassen,
erst wieder zurückzugeben versprach, wenn sie durch seine
Hilfe als böhmische Königin nach Prag zurückgekehrt sei.
Als er 1623 die Niederlande verließ, um im
niedersächsischen Kreis Truppen zu werben, die den Krieg
um die Pfalz wiederaufnehmen sollten, ließ er auf seiner
Leibfahne die Parole Tout pour Dieu et pour Elle anbringen:
Für Gott und für Sie, womit Elisabeth gemeint war. Andere
Fahnen trugen neben dem Namenszug Christians die
Aufschrift Recuperare aut mori, Zurückgewinnen oder
Sterben, womit das Programm seiner Kriegführung umrissen
sein sollte. [1] Die Parole Tout pour Dieu et pour Elle war
jedoch nicht nur eine Reverenz an die Gemahlin Friedrichs,
sondern zugleich auch eine Verhöhnung Tillys, der ein
glühender Marienverehrer war und dessen Leibregiment
Fahnen mit Symbolen der Marienverehrung führte. Eine
davon zeigte die Wallfahrtskapelle von Altötting, die Tilly
selbst mehrfach aufgesucht hatte, und oberhalb der Kapelle
Maria mit dem Jesuskind im Strahlenkranz. [2] Tillys
Kommandofahne, die in der Schlacht von Breitenfeld in
schwedische Hände fiel – sie wird heute als Trophäe aus
dem Dreißigjährigen Krieg in Stockholm aufbewahrt –, trug
die auf Bernardino da Siena zurückgehende Symbolik
«IHS» – für griechisch Iesous, Hyos, Soter: Jesus, Sohn
(Gottes), Retter/Heiland –, und auf dem Querbalken des «H»
war ein Kreuz mit Maria und Johannes sowie ein von Lanzen
und Kreuznägeln durchbohrtes Herz zu sehen. Es war die
marienzentrierte Heiligensymbolik des
gegenreformatorischen Katholizismus, die Tilly als
militärische Emblematik nutzte, um deutlich zu machen,
worin die Legitimation seines Kampfes bestand. Höhepunkt
dieser Marienverehrung war im Jahr 1638, also noch
während des Krieges, die Errichtung der Mariensäule im
Zentrum Münchens: Maria als Patrona Bavariae,
Schutzheilige Bayerns, ist darauf umgeben von vier Putten,
die als Kämpfer gegen Hunger, Pest, Krieg und Ketzerei
dargestellt werden – die gegenreformatorische Variante der
vier apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des
Johannes. [3]
Die böhmischen Reformierten hatten gegen den
katholischen Marienkult opponiert, indem sie auf den
Bildern, die in ihre Hände fielen, den Heiligen und vor allem
der Mutter Gottes die Augen ausstachen. Das war eine
demonstrative Provokation, ergab aber keine eigene
politisch-religiöse Symbolik. Der «tolle Halberstädter» war
da mit der Aufschrift Tout pour Dieu et pour Elle einen
Schritt weiter; der Elisabeth-Bezug war eine Symbolik seines
ritterlichen Minnedienstes, spielte aber für die Soldaten
seines Heeres keine Rolle. Christian hatte offenbar ein
Gespür für die symbolpolitische Schwachstelle des
Protestantismus – was Mansfeld dagegen völlig abging –,
konnte jedoch keine wirkliche Lösung anbieten. Das pour
Elle blieb auf ihn und die Verhöhnung Tillys beschränkt.
Dem «geharnischten Mönch» wurde eine für ihre
körperliche Schönheit gerühmte Frau entgegengestellt.

Derweil hatte der Abzug von Mansfelds und Christians


Truppen Tilly den nötigen Spielraum verschafft, um die
Eroberung der Rheinpfalz zu beenden und die drei noch in
der Hand Friedrichs befindlichen Festungsstädte –
Mannheim, Frankenthal und die Residenzstadt Heidelberg –
unter seine Kontrolle zu bringen. Mit Heidelberg machte
Tilly den Anfang. [4] Nach dem Abrücken Córdobas in die
südlichen Niederlande zog er die Truppen Erzherzog
Leopolds an sich, und am 16. August 1622 war die
Residenzstadt des Pfalzgrafen vollständig eingeschlossen.
Die vor allem aus englischen Soldaten bestehenden
Verteidiger unter dem Kommando des Niederländers
Hendrik van der Merven waren nicht gewillt, sich kampflos
zu ergeben, und leisteten zunächst an den äußeren
Bastionen, dann in der Kernstadt am linken Neckarufer und
schließlich, nachdem man auch die Stadt hatte aufgeben
müssen, im Schloss erbitterten Widerstand. Tilly hatte sie
mehrfach zur Kapitulation aufgefordert, doch van der
Merven hatte dies zurückgewiesen, so dass die Soldaten
Tillys, als sie am 16. September in das Stadtzentrum
eindrangen, das dem Kriegsbrauch entsprechende Recht auf
Plünderung ausgiebig in Anspruch nahmen. Die Bevölkerung
erlebte drei Tage lang «eine Orgie von Mord, Schändung
und Plünderung». [5] In der alten Stadt, so heißt es in einem
zeitgenössischen Bericht, sei «ein jämmerlich Zetergeschrei
[entstanden] durch Massacrieren, Plündern und
Geldherausmartern mit Däumeln, Knebeln, Prügeln,
Peinigen, Nägelbohren, Sengen an heimlichen Orten,
Aufhenken, Brennen an den Fußsohlen, mit Schänd- und
Wegführung der Frauen und Jungfrauen», und «dieses
Plündern sei bis in den dritten Tag continuiert worden». [6]
Die hier berichteten Vorgänge sollten sich bei der Eroberung
von Städten noch viele Male wiederholen. Heidelberg
machte den Anfang, und neben den Ereignissen in
Magdeburg 1631, also neun Jahre später, war es vor allem
die Plünderung der «Neckarperle», die für den schlechten
Ruf Tillys bis heute verantwortlich ist. Tilly steht darin
Mansfeld nur wenig nach – auch wenn jüngere Biographen
sich bemüht haben, Tilly in besseres Licht zu rücken, indem
sie betonten, dass die Plünderung Heidelbergs dem
damaligen Kriegsrecht entsprochen habe. [7]
Kurz nach der Eroberung der Kernstadt kapitulierten die
Verteidiger des Schlosses, nachdem sie von Horace Vere,
dem in Mannheim befindlichen Oberkommandierenden des
englischen Truppenkontingents, die Erlaubnis dazu erhalten
hatten. Am 20. September zogen die etwa 500 Mann van der
Mervens mit Waffen und Tross – «mit klingendem Spiel»,
also in allen Ehren – in Richtung Frankfurt ab. Tilly wandte
sich unterdessen gegen Mannheim, das, nachdem sich Vere
zunächst in die Zitadelle zurückgezogen hatte, am
2. November kapitulierte. Damit war nur noch Frankenthal
in pfälzischer Hand; um mit dessen Belagerung zu beginnen,
war die Jahreszeit bereits zu weit fortgeschritten. Am
23. März 1623 unterzeichneten die englische und die
spanische Regierung einen Vertrag, der die Übergabe
Frankenthals nicht an die Liga, sondern an die Brüsseler
Statthalterschaft vorsah, und zwar zu treuhänderischen
Bedingungen: Die Festung sollte an die englische Besatzung
zurückgegeben werden, wenn es nicht innerhalb von
achtzehn Monaten zu einer Aussöhnung zwischen dem
Kaiser und dem Kurfürsten gekommen sein sollte. [8] Danach
zog eine spanische Truppe in Frankenthal ein, und damit
stand die gesamte Rheinpfalz unter der Kontrolle des
Kaisers und seiner Verbündeten. Ende 1622 und Anfang
1623 war die Herrschaft Friedrichs in seinen Erblanden zu
Ende gegangen. Der Krieg schien für ihn endgültig verloren.
Zu den Siegestrophäen gehörte die berühmte
Heidelberger Bibliotheca Palatina, die bedeutendste
Büchersammlung nördlich der Alpen, mit der nur die
Vatikanische Bibliothek in Rom vergleichbar war. Sie
enthielt griechische Handschriften, vor allem aber sämtliche
reformatorische Schriften, und Letzteres war wohl der
Grund, warum die Römische Kurie so großen Wert darauf
legte, dass diese Bestände nach Rom überführt wurden. Auf
Seiten der Sieger konnte man dem Papst diesen Wunsch
schlecht abschlagen, nachdem er die Kriegführung mit
erheblichen Subsidienzahlungen unterstützt hatte. Mit
50 Wagen wurden die Schätze nach Rom gebracht, wo sie
der Vatikanischen Bibliothek einverleibt wurden und wo sie
sich bis heute befinden. [9] In der Forschung wird immer
noch darüber gestritten, wer für dieses «Geschenk» an den
Papst verantwortlich sei, Herzog Maximilian oder Kaiser
Ferdinand II. – immerhin hat Maximilian, als der Wagenzug
durch München kam, die Heidelberger Bücher mit seinen
«Exlibris» versehen lassen. [10] Dieser Streit bezieht seine
Brisanz nicht zuletzt daraus, dass eine solche Plünderung
von Kulturgütern gemäß den kriegsrechtlichen Regelungen
nach 1648 ein Kriegsverbrechen dargestellt hätte, das nur
durch die Rückführung des Beuteguts wiedergutgemacht
werden konnte. Noch aber galten diese Regelungen nicht.
Bibliotheken waren während des gesamten Krieges ein
bevorzugtes Beutegut der Fürsten; als die Schweden
Würzburg eroberten, ließen sie die bischöfliche Bibliothek
nach Uppsala bringen, und auch die kaiserlichen Generäle
Gallas und Aldringen hielten sich an die herzogliche
Bibliothek, als sie 1630 Mantua ausplünderten. [11]
Wahrscheinlich wären im Herbst 1622 und Frühjahr 1623
Verhandlungen zur Beendigung des Krieges leichter
gefallen, wenn sich Friedrich gegen Tilly und Córdoba in der
Rheinpfalz militärisch behauptet hätte. Die von England
immer wieder ins Spiel gebrachte Formel eines Ausgleichs
zielte nämlich darauf ab, dass Friedrich V. auf Böhmen sowie
die zugehörigen Gebiete verzichtete und der Kaiser im
Gegenzug Friedrich im Besitz seiner Erblande sowie der
damit verbundenen Stellung im Reich beließ. Das lief, wenn
man von den inneren Verhältnissen Böhmens absieht, auf die
Wiederherstellung des Status quo ante hinaus. [12]
Spanien hatte große Sympathien für eine solche Lösung,
denn man spürte in Madrid zunehmend die finanziellen
Belastungen des Krieges, die das Land inzwischen deutlich
überforderten. Die 1618 diskutierte Frage, ob Spanien
dringlich Frieden brauche und sich diesen Krieg überhaupt
leisten könne, [13] tauchte mit dem Tod Philipps III. und dem
Regierungsantritt seines Sohnes Philipp IV. erneut auf.
Außerdem hatten die Spanier das Ziel, um dessentwillen sie
in den Krieg eingetreten waren, im Wesentlichen erreicht:
Die Position der Habsburger in Mitteleuropa war
wiederhergestellt. Es gab aus der Perspektive Madrids also
keinen Grund, den kräftezehrenden Krieg weiterzuführen.
Bei einer Restitution des Pfalzgrafen unter spanischer
Mitwirkung konnte man zudem davon ausgehen, dass die
geostrategischen Interessen Spaniens – man wollte über
eine sichere Verbindung zwischen Norditalien und den
Niederlanden verfügen, die «spanische Gasse», den camino
español oder camino real – berücksichtigt würden.
Die Spanier waren sich darüber im Klaren, dass
Maximilian mit einer solchen Lösung nicht einverstanden
war, gingen aber davon aus, dass der Kaiser andere
Möglichkeiten als die Absetzung des Pfalzgrafen finden
würde, den Bayernherzog angemessen zu belohnen und
zufriedenzustellen. Ende 1622 und Anfang 1623 war die
Position Maximilians nicht mehr so stark wie noch im Jahr
zuvor: Die zeitweilige Übereinstimmung seiner Interessen
mit Kursachsen begann sich aufzulösen, und der Kaiser war
seit dem Zerfall der protestantischen Union und der
Eroberung der Rheinpfalz erheblich weniger auf eine
militärische Unterstützung durch die Liga angewiesen. Jetzt
hing alles davon ab, wie sich der Kaiser gegenüber
Maximilian verhalten würde und ob Spanien sich auf
Konzessionen gegenüber den bayerischen Ansprüchen
einließ. Bayern und Spanien, die beiden wichtigsten
Unterstützungsmächte des Kaisers in den vorangegangenen
Feldzügen, standen sich nun gegenüber, und beide suchten
auf den Kaiser in ihrem Sinne einzuwirken.
Aber das war nur die machtpolitische Sicht der Lage.
Sobald man eine konfessionspolitische Perspektive einnahm,
stellten sich die Konstellationen gänzlich anders dar: Dann
nämlich ergab sich infolge der Niederlagen des
kämpferischen Protestantismus die einmalige Chance, große
Teile des Reichs wieder dem Katholizismus zuzuführen und
sicherzustellen, dass weder die Katholiken noch das Haus
Habsburg je wieder in eine so prekäre Lage kommen würden
wie in den Jahren 1618 und 1619. Natürlich hatte man in
Spanien kein Interesse daran, es mit dem Bayernherzog
Maximilian zu verderben, ohne den der Siegeszug der
zurückliegenden drei Jahre nicht möglich gewesen wäre. Die
Ansicht, Spanien solle an einem mächtigen katholischen
Block im Reich interessiert sein, wurde vor allem von
Balthasar Zúñiga vertreten, aber es war unklar, ob er sich
gegen die «Friedenspartei» am spanischen Hof unter dem
Herzog von Lerma würde durchsetzen können. Auf der Seite
Zúñigas stand die Römische Kurie unter dem neuen Papst
Gregor XV., und dessen Beauftragter, der Kapuzinerpater
Hyazinth von Casale (eigentlich Federico Natta, Conte
d’Alfiano), wirkte nachdrücklich auf den Kaiser ein, seine
Versprechen gegenüber dem Bayernherzog nunmehr
einzulösen. [14] Pater Hyazinth wurde in dieser Situation zum
wichtigsten Unterstützer Maximilians. Es war offenbar auch
der diplomatisch versierte Kapuziner, der die Formel
erfunden hatte, mit der die Übertragung der Kur auf den
Weg gebracht worden war, ohne dass dabei neue Fronten
geschaffen wurden. Man hatte Maximilian einstweilen
zufriedengestellt, ohne den offenen Widerspruch Spaniens
und Kursachsens zu riskieren: Durch die geheime
Ausstellung der Belehnungsurkunde war die Übertragung
der Kur bereits im Herbst 1621 faktisch vollzogen worden,
aber dieser Akt wurde nicht öffentlich gemacht. Um die
Öffentlichmachung und den formellen Vollzug der
Kurübertragung ging es jetzt. Ende September 1621 bereits
hatte Hyazinth dem Bayernherzog eine diesbezügliche
Urkunde des Kaisers überbracht. Doch würde der Kaiser
nun, mehr als ein Jahr danach und unter dem Eindruck einer
deutlich veränderten Gesamtlage, zu dieser Vereinbarung
stehen? Und würde es möglich sein, für die offizielle
Übertragung der Kur eine klare Mehrheit im
Kurfürstenkollegium zu finden? Die Antwort darauf stand im
Spätherbst 1622 auf Messers Schneide.

Der Dreißigjährige Krieg war – neben vielem anderen – auch


ein Propagandakrieg, und er war dies in einem Ausmaß, in
dem ihm erst die Kriege des 20. Jahrhunderts mit ihrer
ausgeprägten propagandistischen Komponente vergleichbar
sind. Das gilt nicht nur für die karikierenden Flugblätter, mit
denen sich die Parteien gegenseitig herabzusetzen suchten,
[15] sondern auch für die Publikation geheimer Dokumente,
aus denen hervorging, dass die Begründungen und
Erklärungen, deren sich eine Partei öffentlich bediente,
keineswegs mit den von ihr insgeheim verfolgten Zielen und
Plänen übereinstimmten. Die Offenlegung dieses
«Insgeheimen» warf nicht nur ein Licht auf das
machtpolitische Ränkespiel, es schuf auch Raum für
Verschwörungstheorien, denn mit der Publikation von
Geheimabsprachen verbreitete sich die Auffassung, dass es
natürlich noch weit mehr Geheimnisse gebe – und so
kursierten bald die wildesten Vorstellungen über die
verborgenen Absichten der Gegenseite. Die Realisierung
dieser Absichten zu verhindern, wurde wiederum zur
Motivation für neue Kriegsanstrengungen.
Die Veröffentlichung geheimer Absprachen und
Übereinkünfte brachte beide Seiten immer wieder in
Schwierigkeiten. Als Bucquoy 1619 den Mansfeldern bei
Seblat in Südböhmen eine gehörige Schlappe zufügte, fielen
ihm Briefe in die Hände, die zwischen Mansfeld und dem
Herzog von Savoyen gewechselt worden waren und aus
denen das Interesse des Savoyers an der böhmischen Krone
sowie seine an Mansfeld geleisteten Zahlungen
hervorgingen. Die Veröffentlichung dieser Korrespondenz
durch die kaiserliche Kanzlei stellte den Herzog bloß und
zwang ihn, sich aus dem eben erst beginnenden Krieg
zurückzuziehen. [16] Auch die im November 1620 bei der
kopflosen Flucht Friedrichs aus Prag den Katholischen
zugefallene Korrespondenz Christians von Anhalt mit den
protestantischen Fürsten Europas, die im Frühjahr 1621 als
«Anhaltische Geheime Cantzley» veröffentlicht wurde, war
ein großer Propagandacoup für den Kaiser und seine
Verbündeten, da daraus das ganze Gespinst der reformierten
Bündnisbestrebungen ersichtlich wurde. Als im November
1621 dann Soldaten des Regiments Löwenstein, das zu den
Truppen Mansfelds gehörte, Briefe zwischen dem Wiener
Kaiserhof und der Brüsseler Statthalterschaft in die Hände
fielen, in denen es auch um die geheime Mission des
Kapuziners Hyazinth und die Übertragung der pfälzischen
Kur auf die Wittelsbacher in München ging, wurde daraus
ein Propagandacoup der protestantischen Seite: Im Frühjahr
1622 veröffentlichte Ludwig Camerarius diese Briefe in drei
Flugschriften und legte darin die geheimen Absprachen
zwischen Maximilian und Ferdinand, aber auch den Dissens
zwischen dem Kaiser und Madrid in der Frage der
Kurübertragung offen. [17]
Durch diese Briefe kamen Johann Georg von Sachsen und
seine reichskonservativen beziehungsweise kaisertreuen
Anhänger unter Druck. Es wurden umgehend
Gesandtschaften des süddeutschen Protestantismus und des
niedersächsischen Reichskreises in Dresden vorstellig, die
den Kurfürsten beschworen, sich mit aller Entschiedenheit
diesem Vorhaben entgegenzustellen, das nicht im Interesse
des Reichs, sondern allein in dem der katholischen Partei
liege. Verfüge die katholische Seite nämlich erst einmal über
eine klare Mehrheit im Kurfürstenkollegium, dann werde sie
auch die bisher bloß angekündigte Restitutionspolitik in die
Tat umsetzen, was die norddeutschen Fürstenhäuser in arge
Bedrängnis brächte. [18] Wenn Ferdinand II. an einer
Übertragung der Kur von Heidelberg nach München
festhielt, so riskierte er nicht nur, seinen bisherigen
Verbündeten Kursachsen zu verlieren, sondern auch die
gerade zerfallene Front des Protestantismus im Reich
wiederherzustellen. Zudem musste er damit rechnen, dass
dann Jakob I. mit seiner Drohung ernst machen und in den
Krieg eingreifen würde. Es gab somit gute Gründe dafür,
dass der Kaiser zögerte und den immer drängender
auftretenden Maximilian, der die Übertragung der Kur
öffentlich machen wollte, um den damit verbundenen
Einfluss endlich auch nutzen zu können, weiter hinzuhalten
suchte.
Irgendwann musste jedoch eine Entscheidung fallen, und
die bis auf Frankenthal vollständige Kontrolle über die
Rheinpfalz legte es der Wiener Politik nahe, im November
1622 zu einem Deputationstag nach Regensburg einzuladen.
Auf ihm sollte die feierliche Übertragung der Kur vollzogen
werden – und das hieß, dass der Krieg mit großer
Wahrscheinlichkeit weitergehen würde. [19] Es war kein
Kurfürstenkonvent, der in Regensburg stattfinden sollte,
sondern ein Deputationstag – und allein das war
reichsrechtlich problematisch: Wenn überhaupt, so hatten
die Kurfürsten über die Kurübertragung zu befinden. Der
Kaiser wollte sich indes gar nicht mit den Kurfürsten
beraten, um anschließend eine gemeinsame
Beschlussfassung umzusetzen, sondern hatte die
Entscheidung bereits aus jener eigenen
Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis) getroffen, die er
für sich in Anspruch nahm und die reichsrechtlich ebenfalls
höchst umstritten war. [20] So bestätigte er den auch von
katholischen Reichsständen geäußerten Vorwurf, er verfolge
eine Politik, die am Ende auf eine Aufhebung der «teutschen
libertät» hinauslaufe und den Kaiser zum Souverän im Reich
nach Art des spanischen Königs mache. Die Formel von der
«spanischen servitut» wurde zum Gegenbegriff der
«teutschen libertät», wiewohl zu diesem Zeitpunkt die
spanische Politik de facto auf eine Verteidigung ständischer
Rechte hinauslief, während einer dieser Reichsstände,
nämlich Maximilian von Bayern, durch sein Drängen auf die
pfälzische Kur zu deren ärgsten Gefährdern gehörte.
Ferdinand wollte die Regensburger Versammlung, deren
Nutznießer Maximilian sein würde, in der Tat dazu nutzen,
auch für sich einen Vorteil herauszuschlagen, indem er seine
Befugnisse gegenüber den Reichsständen demonstrativ
ausweitete. Der Zeitpunkt dafür war gut gewählt, denn die
katholischen Kurfürsten würden dem nicht offen
widersprechen oder sich dem Projekt gar widersetzen
können, der geächtete Pfälzer konnte an der Versammlung
nicht teilnehmen, und die Einwände der beiden verbliebenen
Protestanten, des Sachsen und des Brandenburgers, ließen
sich als konfessionelles Agieren abtun, mit dem die
Protestanten auch schon in der Vergangenheit den Ablauf
von Reichstagen blockiert hatten. Deswegen musste der
Kaiser auch aus eigener Machtbefugnis und ohne Beratung
mit dem Kurfürstenkollegium handeln. Für einen solchen Akt
brauchte Ferdinand eine Bühne, und dazu genügte ihm ein
Kurfürstenkonvent nicht. «Der Deputationstag», so Anton
Gindely, «unterschied sich dadurch vom Kurfürstenkonvent,
daß dazu außer den Kurfürsten auch die Herzöge von
Baiern, Braunschweig und Pommern, der Landgraf von
Darmstadt, der Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe
von Würzburg, Bamberg und Speyer Zutritt hatten. Die
zahlreichere Versammlung sollte den zu fassenden
Beschlüssen mehr Glanz verleihen.» [21] Der Glanz der
Veranstaltung sollte kompensieren, was ihr an
reichsrechtlichen Grundlagen mangelte.
Zunächst aber gingen die Brüsseler Beratungen zwischen
England und Spanien über die Frage weiter, wie,
unabhängig von der Kurübertragung, mit den
rheinpfälzischen Besitzungen Friedrichs verfahren werden
sollte. Graf Oñate machte den Vorschlag, dem Pfalzgrafen
die Einkünfte der Ämter Heidelberg, Mannheim und
Frankenthal zu überlassen und ihm Heidelberg als Residenz
zu übergeben, wohingegen Frankenthal und Mannheim
unter spanischer Kontrolle verbleiben sollten. Dagegen
sprachen sich das von Maximilians Bruder regierte Kurköln
und der bayerische Herzog selbst aus; sie wollten von
Friedrich zuvor eine Erklärung, in der er jeder
Zusammenarbeit mit Mansfeld entsagte. Da Friedrich dazu
aber nicht bereit war, kamen diese Gespräche nicht voran,
und es ging daraufhin nur noch um die Übertragung der
Kur, die in Regensburg öffentlich vollzogen werden sollte.
Die katholische Partei war dafür, die protestantische
dagegen, und Spanien hatte Bedenken. Man verständigte
sich schließlich auf einen Mittelweg, der dem Herzog von
Bayern Genugtuung verschaffen und die Lutheraner nicht
weiter provozieren sollte. So einigte man sich darauf, die
Kur auf Maximilian persönlich und nur für dessen Lebzeiten
zu übertragen und für den Fall einer Aussöhnung zwischen
dem Pfälzer und dem Bayern die Möglichkeit offenzulassen,
dass die Kur an einen Sohn oder Neffen Friedrichs
zurückfiel. Das war ein Formelkompromiss, der die weitere
Behandlung dieser Frage vom Fortgang des Krieges
abhängig machte. Er war indes dazu geeignet, die
protestantische Seite erneut zu spalten, so dass sie keinen
geschlossenen Widerstand mehr leistete, und die
reichstreuen Lutheraner so weit zufriedenzustellen, dass sie
an ihrer kaiserfreundlichen Politik festhalten konnten. [22]
Bis auf weiteres waren Formelkompromisse das Mittel,
dessen sich der Kaiser bediente, um sich im Dickicht der
Abhängigkeiten, in das er sich begeben hatte, überhaupt
noch bewegen zu können. Diese Formelkompromisse dienten
dazu, den Krieg nicht weiter anzuheizen, aber sie trugen
nicht dazu bei, ihn zu beenden oder einen Weg zu eröffnen,
der zu seiner Beendigung führte. Sie lösten die Probleme
einzelner Protagonisten des Krieges, halfen aber nicht, die
Krise im Reich zu bewältigen.
De facto wurden auf diese Weise Konstellationen
geschaffen, die nicht mehr umkehrbar waren, und das fand
seinen Ausdruck in der feierlichen Inauguration Maximilians
als neuer Kurfürst, die am 25. Februar 1623 in Regensburg
stattfand. Sachsen und Brandenburg blieben der Zeremonie
fern, ebenso Graf Oñate als spanischer Gesandter, der bis
zuletzt auf eine Verschiebung der öffentlichen Inauguration
gedrängt hatte. Vom Mainzer Erzbischof heißt es in einem
Bericht des sächsischen Gesandten, er habe «sich etlich mal
im Kopf gekratzt und gar unlustig erzeiget», und auch Kaiser
Ferdinand habe bei den Feierlichkeiten «gar forchtsamb
geredet». [23] Die Infantin Isabella in Brüssel, die von Oñate
über den Gang der Verhandlungen und die Inauguration
Maximilians als Kurfürst unterrichtet worden war, schrieb
an Philipp IV.: «Der Kaiser hat sich damit in neue und
gefährliche Kämpfe eingelassen; Euer Majestät aber wird zu
erwägen haben, was hinsichtlich der deutschen
Angelegenheiten und Hülfeleistung zu thun ist.» [24] Bei
denen, die auf ein Ende des Krieges gesetzt hatten, machte
sich Resignation breit; sie spürten mehr oder weniger
deutlich, dass das Geschehen eine Eigenlogik entwickelt
hatte, gegen die sie nicht anzukommen vermochten. Die
Anhänger einer entschiedenen Stärkung der katholischen
Macht im Reich, namentlich der Kapuziner Hyazinth und
etliche Jesuiten in seinem Umfeld, «frohlockten» hingegen,
wie der sächsische Gesandte Lebzelter nach Dresden
berichtete. [25] Für sie war die Versammlung von Regensburg
nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu ihrem Ziel, den
Protestantismus im Reich gänzlich auszutilgen. «Man mußte
auf keine Allianzen oder andern Respekt und Personen,
sondern nur darauf sehen, daß die katholische Kirche
befestigt und befördert werden möchte», soll Pater Hyazinth
in einer Predigt verkündet haben, wie die sächsischen
Gesandten mitzuteilen wussten. [26] Die Weichen waren auf
Fortsetzung des Krieges gestellt.
3. Kapitel
Fortgang und Ausweitung: Der
niedersächsisch-dänische Krieg

Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht


Periodisierungen des Dreißigjährigen Krieges orientieren
sich zumeist an den zentralen Kriegsschauplätzen und den
Ereignissen, die ihre Verlagerung auslösen. In vielen
Darstellungen wird der Beginn des niedersächsisch-
dänischen Krieges deshalb auf das Jahr 1625 datiert, jenes
Jahr, in dem sich König Christian IV. von Dänemark zum
Obersten des niedersächsischen Reichskreises wählen ließ.
[1] Die Zwischenphase von 1623 bis 1624 wird dabei ohne
weitere Begründung dem mit dem Jahreswechsel 1622/23 zu
Ende gegangenen böhmisch-pfälzischen Krieg zugerechnet.
Im Unterschied dazu werden hier die Kriegshandlungen
dieser Zwischenphase als Auftakt zum niedersächsisch-
dänischen Krieg begriffen: Mit dem Vorstoß Tillys nach
Hessen, wo er den Konflikt zwischen der Darmstädter und
der Kasseler Linie der hessischen Landgrafen zugunsten des
kaisertreuen Darmstädters entschied, [2] und anschließend
nach Westfalen begann eine weitere Ausdehnung der
Kriegsschauplätze – mit der Folge, dass der Krieg immer
mehr Gebiete erreichte und mit der Zeit ganz Deutschland
verheeren sollte. Einen solchen Krieg ohne räumlich
abgegrenzte Kriegsschauplätze hat es in Deutschland bis
zum Zweiten Weltkrieg – genaugenommen bis zum Beginn
des systematischen Bombenkriegs – nicht mehr gegeben.
Vor allem das hat den Dreißigjährigen Krieg zum großen
Trauma in der historischen Erinnerung der Deutschen
werden lassen. Die Jahre 1623 und 1624 bilden die Phase, in
der sich diese Veränderung vollzogen hat; deswegen soll
ihnen hier größere Aufmerksamkeit zuteil werden, als das
sonst üblich ist.
Zunächst fand lediglich eine Verlagerung des Krieges
statt: Die böhmischen, pfälzischen, kurmainzischen und
elsässischen Schauplätze, auf denen sich das
Kriegsgeschehen bis dahin überwiegend abgespielt hatte,
wurden vorerst geschlossen, und in West- und
Norddeutschland entstanden neue Schauplätze, auf denen
der Krieg in den folgenden zehn Jahren im Wesentlichen
geführt wurde. Viele der bis dahin verwüsteten und
ausgeplünderten Gebiete Süddeutschlands erhielten
dadurch eine «Erholungspause», in der sich das
wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben erneuerte, bis
diese Territorien dann ein weiteres Mal von der Kriegsfurie
überrollt wurden. Für den Gesamtverlauf des Krieges
spielten solche regionalen «Rekreationsperioden» eine
wichtige Rolle (zumindest in der ersten Kriegsphase), denn
so blieben die Ressourcen verfügbar, die den Krieg nicht
«ausbrennen» ließen. Anders formuliert: Was für die
Menschen zeitweilig von Vorteil war, sorgte über den
gesamten Raum und die gesamte Zeit hin dafür, dass der
Krieg länger andauerte. Ein so vielfältig verflochtenes
Geschehen wie das des Dreißigjährigen Krieges ist durch
fundamentale Ambivalenzen gekennzeichnet, und zu diesen
Ambivalenzen gehörte, dass das Glück der einen Region zum
Unglück einer anderen Region wurde.
Die militärischen Protagonisten bei der Verlagerung des
Kriegsgeschehens von Süd- nach Norddeutschland waren
Mansfeld, Christian von Braunschweig und Tilly: die beiden
ersten durch ihren Abzug aus der Rheinpfalz und den
Vorstoß in die Niederlande; Tilly durch die Verschiebung
seiner Truppen nach Oberhessen, wo sie im Konflikt der
beiden Landgrafen dafür sorgten, dass die vom Kaiser
bestätigten Ansprüche der Darmstädter Linie durchgesetzt
wurden und Moritz von Hessen-Kassel, den man in Wien als
Usurpator ansah, das gesamte Marburger Erbe vorerst
verlor. Tilly verlegte starke Kräfte in die Wetterau nördlich
von Frankfurt, wo sie im Winter 1622/23 Quartier bezogen.
Er selbst hatte sein Hauptquartier in Assenheim bei
Friedberg eingerichtet, von wo er im Frühjahr 1623 in die
Kernlande des Kasseler Landgrafen vorstieß. [3] Die
Legitimation zu diesem Vorstoß weit über die Territorien der
Liga hinaus hatte ihm ungewollt Herzog Christian verschafft,
der sich nach einem kurzen Aufenthalt in den Niederlanden
in neuerlichem Streit von Mansfeld trennte und mit den ihm
verbliebenen Einheiten in die welfischen Territorien seines
Bruders, des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-
Wolfenbüttel, zog, wo er mit neuen Werbungen begann. [4]
Angesichts dieser Gefahr erhielt Tilly den Auftrag, nach
Norden vorzurücken und gegen Christians Rüstungen
einzuschreiten.
Der Bruch mit Mansfeld kam Christian sehr zupass, denn
so konnte er dem niedersächsischen Kreis gegenüber
erklären, die Präsenz seiner Soldaten und die Werbung
weiterer Einheiten dienten bloß dem Schutz des Kreises vor
einem bevorstehenden Angriff ligistischer Truppen, und als
Beleg dafür verwies er auf die Truppen Tillys. Womöglich
hatte er den Bruch sogar fingiert, um politischen Spielraum
zu gewinnen. [5] Im niedersächsischen Kreis war man
tatsächlich besorgt, da man fürchtete, Kaiser und Liga
könnten den Siegeszug der zurückliegenden Jahre nutzen,
um in Norddeutschland, wo ein großer Teil des katholischen
Kirchenbesitzes von protestantischen Fürsten übernommen
worden war, die Restitutionsforderungen der Katholiken
durchzusetzen. [6] Jedenfalls trat Christian für einige Monate
in die Dienste seines Bruders Friedrich Ulrich, der
50000 Gulden für den Unterhalt der Truppen zahlte, [7] und
ließ über König Christian IV. von Dänemark gleichzeitig
sondieren, ob und unter welchen Bedingungen er sich mit
dem Kaiser doch noch aussöhnen könne. Vermutlich war das
ebenso eine Finte wie das demonstrative Zerwürfnis mit
Mansfeld, denn nun ließ sich gegen ihn kaum mehr der
Vorwurf erheben, er sei ein Rebell gegen Kaiser und Reich.
Auf diese Weise gegen eine Reichsexekution durch Tilly
geschützt, gewann Christian Zeit, um seine Truppen
einsatzfähig zu machen. Welche Pläne er für das Jahr 1623
hatte, bleibt unklar, aber es spricht vieles dafür, dass er
einen Vorstoß nach Böhmen führen wollte. Dabei sollte ihm
aus der entgegengesetzten Richtung Bethlen Gábor
entgegenkommen; es handelte sich also um eine Operation
auf der «äußeren Linie», bei der es darum ging, die Kräfte
der «inneren Linie» in die Zange zu nehmen. Offenkundig
hatte Christian sein Elisabeth Stuart gegebenes Versprechen
nicht vergessen, er werde nicht eher ruhen, bis sie wieder
als böhmische Königin in Prag residiere.
Für Christian war die Festung Wolfenbüttel, wo er im
Februar 1623 mit seinem Stab Quartier bezog, ein
vorzüglicher Standort, um die Kriegsvorbereitungen
voranzutreiben. Am nördlichen Harzrand gab es Eisenhütten
mit angeschlossenen Manufakturen, in denen Harnische und
Handfeuerwaffen produziert wurden; außerdem hatten ihm
die Generalstaaten Waffen für 5000 Mann sowie einige
Kanonen zur Verfügung gestellt. Inzwischen hatte Christian
12000 Mann unter den Fahnen seiner Regimenter
versammelt. [8] Außerdem warb Herzog Wilhelm von
Sachsen-Weimar, mit dem er seit der Schlacht von Fleurus
verbunden war, im Eichsfeld Truppen an; Ende März stießen
sie zu Christian, um sich seinem Kommando zu unterstellen.
So bildete sich eine zahlenmäßig beträchtliche, wenn auch
nicht sonderlich kriegserfahrene Streitmacht, und die löste
sowohl im niedersächsischen Kreis als auch bei Kaiser und
Liga erhebliche Befürchtungen aus: im Reichskreis wegen
der zahlreichen Räubereien und Gewalttaten der Söldner,
bei Ferdinand und Maximilian wegen der neuen Bedrohung,
die von dieser Armee ausging.
Der Kaiser verlangte die unverzügliche Abdankung von
Christians Truppen, und Kurfürst Maximilian erteilte Tilly
den Auftrag, mit seinen Regimentern aus der Wetterau bis
an die Grenze des niedersächsischen Kreises vorzurücken,
um die angeordnete Auflösung von Christians Heer notfalls
mit Gewalt durchzusetzen. Also zog Tilly mit
13000 Fußsoldaten und 4000 Reitern in das Gebiet des
Landgrafen Moritz, zunächst bis Hersfeld, wo der kaiserliche
General Collalto mit drei Regimentern Infanterie und zwei
Regimentern Kavallerie zu ihm stieß – allesamt
kampferfahrene Truppen, gegen die eine Schlacht zu wagen
für Christian nicht ratsam war. [9] Jetzt war der
niedersächsische Kreisobrist Georg von Lüneburg in einer
schwierigen Situation: Stellte er sich auf die Seite
Christians, um zu verhindern, dass Tilly die Oberhand erhielt
und der gesamte Reichskreis das büßen musste, war das
Rebellion gegen den Kaiser; ergriff er dagegen für den
Kaiser Partei, musste er mit Gegenmaßnahmen Christians
rechnen, und dessen Macht hatte er wenig
entgegenzusetzen, zumal Tilly inzwischen seinen Vorstoß
gestoppt und quer zur Werra eine Linie besetzt hatte, auf
der er den Weg nach Süden für Christians Truppen
blockieren konnte. Verhandelte er aber mit Christian, so die
dritte Möglichkeit des Lüneburgers, und dieser willigte in
die Abdankung seiner Truppen ein, so wäre das mithin das
Schlimmste, da dann Tausende marodierender
Kriegsknechte durchs Land ziehen und die Bevölkerung
ausrauben würden. [10] Angesichts dieses
Entscheidungsdilemmas lavierte der Kreisoberst und
versuchte, Herzog Christian dazu zu bringen, den
Reichskreis zu verlassen. Christian wiederum war damit
beschäftigt, seine Kriegskasse zu füllen, indem er die
Vermögenswerte des von ihm verwalteten Stifts Halberstadt
verpfändete und alles dort vorhandene Gold und Silber
einsammeln ließ. So kamen schließlich 110000 Gulden für
seine Kriegskasse zusammen. [11] Das war indes ein
Anzeichen dafür, dass Christian nicht länger im Kreisgebiet
bleiben wollte. Vor die Entscheidung gestellt, die Truppen
abzudanken und den Kaiser um Gnade zu bitten oder den
Kampf gegen Tilly aufzunehmen, entschied er sich für
Letzteres. Am 28. Juli erklärte er seinen Rücktritt als
Halberstädter Administrator. Damit hatte er alle Brücken
zur Rückkehr in ein friedliches Leben abgebrochen. [12]
Inzwischen war es zu ersten Vorhutgefechten zwischen
Truppen Tillys und denen Christians gekommen; Letztere
hatten sich dabei gut behauptet, was Christian Mut machte,
gegen Tilly bestehen zu können. Dennoch entschloss er sich,
der ultimativen Aufforderung des niedersächsischen Kreises
Folge zu leisten und mit seinem Heer abzuziehen. Zwei
Gründe dürften dafür ausschlaggebend gewesen sein: Zum
einen versuchte Christian, seinen Bruder, den Herzog von
Braunschweig-Wolfenbüttel, aus dem Konflikt
herauszuhalten, um zu verhindern, dass er vom Kaiser
geächtet und sein Herrschaftsgebiet verwüstet wurde; zum
anderen wollte er seine der Tilly’schen Streitmacht
unterlegenen Truppen mit denen Mansfelds vereinen. Diese
standen in Ostfriesland, und die Verbindung beider Heere
würde die Siegchancen gegen Tilly deutlich erhöhen. In der
Folge entwickelte sich ein intensiver Briefwechsel der
beiden Kriegsunternehmer, in dem Christian den Mansfelder
bedrängte, ihm zu Hilfe zu kommen. Wie fast immer war
Mansfelds Reaktion undurchsichtig; er machte keine
eindeutigen Zusagen, lehnte das Vorhaben aber auch nicht
rundweg ab. Er wollte die uneingeschränkte
Handlungsfähigkeit behalten, und seine eigenen Interessen
waren ihm wichtiger als der Ausgang des Krieges. Darin
unterschied er sich von Christian, bei dem es genau
umgekehrt war.
Im Oktober 1622 hatte Mansfeld nach Auslaufen des
Dienstvertrags mit den Niederlanden seine Truppen nach
Ostfriesland verlegt, wo sie Winterquartiere bezogen. Er
versuchte von dort, auf die politischen Verhältnisse des
Landes Einfluss zu nehmen. [13] Nachdem das Projekt eines
elsässischen Herzogtums aussichtslos geworden war, strebte
Mansfeld nun etwas Vergleichbares in Ostfriesland an, wo
die Herrschaft der Adelsfamilie Cirksena auf recht
unsicheren Füßen stand. Mansfeld ging es darum, die
Parteien gegeneinander auszuspielen, die Konflikte zu
befeuern und für sich Vorteile daraus zu schlagen. Zunächst
hatte er damit einigen Erfolg, aber schon bald erwies sich
die Einquartierung des Heeres für alle im Land als derart
drückend, dass sich eine Koalition bildete, die Mansfeld und
seine Söldner so schnell wie möglich wieder loswerden
wollte.
Das war indessen nicht so einfach, denn die nördlichen
Niederlande hatten ein vitales Interesse daran, dass
Mansfeld mit seinem Heer in Ostfriesland blieb. Im Haag
betrachtete man sie als strategische Reserve für den Fall,
dass Kaiser oder Liga doch noch auf Seiten der spanischen
Statthalter in Brüssel eingreifen sollten. Mansfelds Standort
in Ostfriesland war für die Holländer geradezu optimal: Er
befand sich nicht auf ihrem Gebiet, weswegen seine Söldner
dort auch keinen Schaden anrichteten, aber er war in der
Nähe, so dass er jederzeit zu Hilfe kommen konnte, wenn
man ihn anforderte. Die Voraussetzung dafür war freilich,
dass Mansfeld sein Heer zusammenhielt, und um das
sicherzustellen, übernahmen die Generalstaaten einen Teil
der Besoldung. Auch für Mansfeld war das eine
zufriedenstellende Konstellation: Sie bot ihm Ruhe nach den
Anstrengungen des vergangenen Jahres, war mit keinen
größeren Risiken verbunden und eröffnete die Aussicht, dass
er, sobald der Krieg im Nordwesten des Reichs aufflammte,
sofort dabei sein konnte. Derweil verhandelte er mit England
und Frankreich, um sich als Söldnerführer wieder ins
Gespräch zu bringen. Diese Verhandlungen verliefen
vielversprechend. [14] Mansfeld verspürte daher wenig
Neigung, seine komfortable Ausgangslage aufzugeben, um
den Braunschweiger zu unterstützen und mit ihm das Risiko
einer Schlacht gegen Tilly einzugehen. [15]
Mitte Juli begann Christians Heer mit dem Abzug aus dem
Raum Göttingen und Halberstadt. Ende Juli durchquerte es
den Teutoburger Wald, und Christian nahm bei Iburg
Quartier, um dort auf das Eintreffen Mansfelds zu warten. Er
wusste, dass Tilly aus Eschwege, wo er sich zuletzt
aufgehalten hatte, aufgebrochen war und am 29./30. Juli bei
Höxter auf einer Schiffsbrücke die Weser überquert hatte.
Tilly wollte die Truppen des Braunschweigers nicht
entkommen lassen; er ging davon aus, dass sich Christian
wie im vergangenen Jahr in die Niederlande zurückzog,
wohin er ihn nicht verfolgen durfte, weil weder Kurfürst
Maximilian noch Kaiser Ferdinand in den Krieg um die
Niederlande hineingezogen werden wollten. [16] Also setzte
er ihm in Eilmärschen nach, um ihn zu einer
Verfolgungsschlacht zu stellen. Christian von Braunschweig
wiederum wollte, sobald er Zuzug von Mansfeld erhalten
hatte, den anrückenden Tilly in einer für den Verteidiger
vorteilhaften Stellung erwarten und ihm eine Falle stellen,
ähnlich wie Mansfeld das bei Mingolsheim gelungen war. [17]
Aber Mansfeld kam nicht, und so verlor Christian bei Iburg
wertvolle drei Tage, die ihm beim Rückzug in die
Niederlande fehlten. Als er sich entschloss, den Rückzug
fortzusetzen, war ihm Tilly, der ihn sonst kaum eingeholt
hätte, bereits dicht auf den Fersen; in den nächsten Tagen
kam es zu einer Reihe von Nachhutgefechten, in denen sich
die Halberstädter Truppen behaupten konnten. [18]
Christian ließ sich durch die kleinen Abwehrerfolge jedoch
nicht täuschen; ihm war klar, dass es nach dem Fernbleiben
Mansfelds das Beste war, das Heer dem Zugriff Tillys zu
entziehen, indem er die niederländische Grenze überschritt.
[19] Für die Nacht vom 4. auf den 5. August wurde ein
detaillierter Abmarschplan entworfen: Zuerst der Tross,
dann die Artillerie, anschließend das Heer; wenn der
Morgen graute, sollte Tilly das Lager verlassen vorfinden.
Aus welchen Gründen auch immer – das Heer «verschlief»
den Abzug, [20] und als die Nachhut unter Graf Thurn endlich
abrückte, hatte man bereits fünf Stunden Verspätung. So
wurde der weitere Marsch ununterbrochen von
Rückzugsgefechten begleitet, in denen Tilly seinem
Kontrahenten schwer zusetzte, um den Rückzug in Flucht zu
verwandeln. Christian erkannte die Gefahr und kam zu dem
Ergebnis, dass eine Schlacht gegen Tilly unvermeidlich
geworden war; andernfalls würde das Heer auf dem
Rückzug aufgerieben werden und die gesamte Ausrüstung
verlieren. Also bezog er nahe Stadtlohn im westlichen
Münsterland eine Stellung und erwartete Tillys Angriff.
Die Schlacht von Stadtlohn sollte für Christian ein
militärisches Desaster und für Tilly einer seiner größten
Erfolge werden. [21] Christian hat sich von der Niederlage bei
Stadtlohn nie mehr erholt. Zwar versuchte er bis zu seinem
Tod am 6. Juni 1626, also knapp drei Jahre nach Stadtlohn,
als Heerführer Jakobs von England sowie Christians von
Dänemark erneut ins Geschehen einzugreifen, aber eine
größere Rolle war ihm dabei nicht mehr vergönnt. Sein
früher Tod – er war, als er an Tuberkulose starb, noch keine
siebenundzwanzig Jahre alt – war auch eine Folge der
Katastrophe von Stadtlohn, die ihm Selbstvertrauen und
Zuversicht geraubt hatte. Für Tilly dagegen war Stadtlohn
eine weitere Etappe in der langen Abfolge seiner Siege.
Obwohl die Schlacht von Stadtlohn Tillys glänzendster Sieg
war, da der Gegner hier nicht nur geschlagen, sondern
vernichtet wurde, [22] hat sie in der Ruhmesgeschichte Tillys
keine besondere Stellung, denn sie blieb politisch ohne
größere Folgen. Das wäre anders gewesen, wenn Tilly, was
er eigentlich wollte, anschließend die nördlichen
Niederlande hätte angreifen dürfen. «Da doch das Heilige
Römische Reich», so schrieb er an Maximilian, «bis diese
Widerspenstigen [die nördlichen Niederlande] exstirpiert
sind, des festen Friedens sicherlich sich nit zu vertrösten
hat.» [23]
Christians Fehler bei Stadtlohn war einmal mehr die
Schlachtaufstellung, bei der er die Rückzugsmöglichkeiten
nicht hinreichend berücksichtigte. Im Rücken von Christians
Heer floss das Flüsschen Berkel, das nur an zwei Brücken
mit schweren Wagen überquert werden konnte. Dort drohte
sich das Heer beim Rückzug zu stauen, was zwangsläufig zu
einer Panik führen würde. Christians linker Flügel war an
ein Morastgebiet angelehnt, das sich bis nach Stadtlohn
erstreckte und, obwohl es infolge des heißen Sommers
ziemlich ausgetrocknet war, größere Kavallerieattacken auf
die Flanke des braunschweigischen Heeres unmöglich
machte. Der rechte Flügel wiederum war durch den
Almsicker Liester gedeckt, einen dichten Fichten- und
Kiefernwald, der ebenfalls keine geschlossene
Kavallerieattacke zuließ. Wie bei Höchst im Jahr zuvor hatte
Christian auf den Schutz der Flanken geachtet, aber ebenso
wie dort hatte er seine Truppen so aufgestellt, dass jede
Rückwärtsbewegung die Gefahr einer Panik einschloss.
Zudem hatte er, wie schon beim Mainübergang, das
Problem, dass der Tross des Heeres nicht verloren werden
durfte, denn in ihm befanden sich die Wagen mit dem in
Halberstadt zusammengerafften Schatz, der nun, da
Christian des Stifts entsagt hatte, der einzige Rückhalt für
die Besoldung seiner Truppen war. Die Sicherung des
Trosses hatte damit strategische Relevanz. Es war eine
«Alles-oder-nichts-Aufstellung», die Christian gewählt hatte:
Seine Truppen mussten siegen beziehungsweise den ganzen
Tag über den Angriffen Tillys standhalten, oder das Heer
würde untergehen.
Tilly scheint die vertrackte Lage, in die sich der
Braunschweiger gebracht hatte, schnell erkannt zu haben –
womöglich auch deswegen, weil ihn Graf Anholt, der früher
bereits in diesem Raum operiert hatte, über die örtliche
Geländebeschaffenheit informierte. [24] Er begriff, dass er,
sobald er Christians Front ins Wanken gebracht hatte, einen
großen Sieg erringen konnte. Gegen zwei Uhr nachmittags
eröffnete Tilly die Schlacht mit einem Angriff seines linken
Flügels, vier Infanterie- und fünf Kavallerieregimentern. Für
kurze Zeit wogte das Gefecht hin und her, dann wich die von
Reichsfreiherr Dodo zu Knyphausen kommandierte
Infanterie Christians zurück, und dieser Rückzug artete
schnell in eine Flucht aus. Vergebens suchte Knyphausen die
Truppen zum Stehen zu bringen; sie drängten zur
Berkelbrücke, die sie in Panik überquerten. Damit
entblößten sie den rechten Flügel des braunschweigischen
Heeres, so dass der schnell vorrückende linke Flügel Tillys
Christians Zentrum von der Flanke her mit Kavallerie
angreifen konnte. Der Schutz, den der Almsicker Liester
gerade gegen Kavallerieattacken hatte bieten sollen, war
durch den überstürzten Rückzug des rechten Flügels unter
Knyphausen dahin. Als dann auch das von Tilly selbst
kommandierte Zentrum zum Angriff überging, gab es kein
Halten mehr. Nach zweistündigem Kampf löste sich das
Heer des Braunschweigers auf, und was folgte, war ein
Massaker. Tilly gab der von seinem Neffen geführten
kroatischen leichten Kavallerie den Angriffsbefehl, und die
machte die Reste des Halberstädter Heeres gnadenlos
nieder. In ihrer Panik hatten die Soldaten Christians vielfach
die Waffen weggeworfen, um schneller flüchten zu können.
Auf einen toten Soldaten Tillys kamen zehn auf Seiten
Christians, was dafür spricht, dass die meisten von ihnen
nicht während der Schlacht, sondern auf der Flucht den Tod
fanden. Die gesamte Artillerie des Braunschweigers, aber
auch der Tross mit den Schatzwagen fielen Tilly in die
Hände, und dazu gerieten nahezu sämtliche höheren
Offiziere in Gefangenschaft. Christian selbst konnte mit
einigen Begleitern entkommen. Als sich die Reste des
Heeres hinter der niederländischen Grenze sammelten,
waren von dem 21000 Mann starken Heer gerade einmal
6000 übrig geblieben.
Tilly, der Christian nicht verfolgen durfte, wandte sich nun
gegen Mansfeld in Ostfriesland. Zu einer größeren Offensive
war er aber nicht in der Lage, da Mansfeld das Land hatte
fluten lassen, um es für die ligistischen Truppen
unpassierbar zu machen. Außerdem wurden die kaiserlichen
Regimenter unter Collalto nach Mähren und Ungarn
beordert, wo Bethlen Gábor ein weiteres Mal eingefallen
war. Tilly zog sich daraufhin nach Westfalen zurück. [25]
Mansfeld wiederum konnte diesen Rückzug nicht ausnutzen,
denn auch seine Truppen waren infolge der verschlechterten
Versorgungslage in Ostfriesland zusammengeschmolzen.
Also verhandelte er wieder einmal, dieses Mal in der
Absicht, von den Ständen Ostfrieslands 300000 Gulden zu
bekommen, mit denen er den rückständigen Sold auszahlen
und die Truppen abdanken konnte. [26] Im Januar 1624
bekam er, was er wollte: Das Mansfeld’sche Heer, von dem
nicht mehr viel übrig geblieben war, löste sich auf, während
Mansfeld selbst mit einigen seiner Offiziere nach England
reiste, um Verhandlungen über die Neuaufstellung eines
Heeres zu führen.
Damit stand dem deutschen Protestantismus erstmals seit
Gründung der Union keine Streitmacht mehr zur Verfügung.
Der Kaiser und die Liga hatten auf der ganzen Linie gesiegt.
Wäre der Krieg zu diesem Zeitpunkt ausschließlich ein
«deutscher Krieg» gewesen, so wäre er zu Ende gewesen:
Pfalzgraf Friedrich hatte keine Truppen mehr, die Armee des
Braunschweigers war zerschlagen, und die Mansfelds hatte
sich aufgelöst; Kursachsen war ruhiggestellt, nachdem am
23. Juni 1623 die bislang bloß besetzte Oberlausitz an
Sachsen verpfändet worden war; [27] die Reichsstädte,
zumeist protestantisch, fürchteten die Macht des Kaisers
sowie Tillys, und dem niedersächsischen Kreis saß noch die
Furcht aus der Zeit im Nacken, als Christian von
Braunschweig dort Truppen geworben hatte. Es waren die
äußeren Mächte, die dafür sorgten, dass der Krieg im Reich
weiter schwelte und bald wieder aufloderte. Bethlen Gábor
gehörte dazu, aber auch England und Frankreich, die
Niederlande und Dänemark sollten von nun an eine größere
Rolle spielen.
Auftritt Wallenstein
Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, unter dem Namen
Wallenstein in die Geschichte eingegangen, hatte bereits im
böhmischen Krieg eine Rolle gespielt, als er das von ihm
geführte Reiterregiment mitsamt der mährischen
Kriegskasse dem Zugriff der Stände entzog und beides den
Habsburgern zur Verfügung stellte. Im Konflikt der
Loyalitäten hatte Wallenstein sich auf die Seite Wiens und
gegen die Aufständischen in Prag gestellt. Diese
Entscheidung war alles andere als selbstverständlich, denn
ursprünglich gehörte Wallenstein, von den Eltern her
lutherisch-utraquistisch, durch den Verwandten, bei dem er
aufwuchs, der böhmischen Brüderunität an. Die Böhmischen
Brüder (Unitas Fratrum) waren eine Reformgruppe der
Hussiten und folgten pazifistischen Idealen. [1]
Im August 1599 nahm Wallenstein an der zur Reichsstadt
Nürnberg gehörenden Akademie Altdorf sein Studium auf.
Offiziell war Altdorf eine Hochschule, die dem Luthertum
zugerechnet wurde, doch die meisten Professoren vertraten
die Theorie vom legitimen Widerstand der Stände und
Magistrate gegen eine ungerechte Obrigkeit. [2] So kann es
nicht verwundern, dass viele von denen, die in den ersten
zwei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts gegen die
Herrschaftsansprüche des Hauses Habsburg opponierten, in
Altdorf studiert hatten. Zu ihnen gehörten auch Wilhelm von
Ruppa (Vilém von Roupov), Präsident des Prager
Direktoriums, und Georg Erasmus von Tschernembl, der
Kopf des adeligen Widerstands gegen die Habsburger in
Österreich. [3] Wallenstein hat sich für solche Fragen nicht
interessiert, wie er denn überhaupt kein theoretischer Kopf
war. Als man nach seiner Ermordung in Eger Wallensteins
Prager Stadtpalast durchsuchte, fand man so gut wie keine
Bücher. Die wenigen, auf die man stieß, befassten sich mit
Militärwesen und Festungsbau – und selbst bei diesen ist
unklar, ob sie Wallenstein oder seinem Architekten Pieroni
gehörten. [4] In Altdorf fiel Wallenstein vorwiegend durch
seine Beteiligung an Schlägereien und Degenstechereien
auf, und als er nach gerade acht Monaten im April 1620 die
Universität verließ, kam er damit seiner Relegation zuvor. [5]
Seine Weltgewandtheit und Vielsprachigkeit – «neben
Tschechisch und Deutsch beherrschte er das Italienische,
das Spanische las er fließend, vom Französischen hatte er
zumindest einen sicheren Begriff» [6] – erwarb Wallenstein
auf den Reisen, die er nach dem Scheitern seines Studiums
in Altdorf gemäß den damaligen Gepflogenheiten des Adels
durch Europa unternahm. Italien hatte es ihm besonders
angetan. So pflegte er einen italienischen Lebensstil und
schätzte es, wenn er von Italienern umgeben war, von
seinem Lieblingsarchitekten Giovanni Pieroni über seinen
Hofastrologen Giovanni Battista Senno (Seni) bis zu dem
unter den führenden Offizieren des Heeres ihm besonders
nahestehenden Ottavio Piccolomini. Das vorherrschende Bild
des älteren Wallenstein als eines verbitterten und von
Krankheiten gezeichneten Mannes verdeckt, dass
Wallenstein in den knapp zwei Jahrzehnten vor Kriegsbeginn
und auch noch in den ersten Jahren danach bestrebt war,
das Leben eines italienischen Hofmannes, eines Cortegiano,
zu führen. [7] Mehr als eigentliche Glaubensfragen dürften es
die Orientierung an Italien sowie karrierestrategische
Überlegungen gewesen sein, die ihn veranlasst hatten, zum
Katholizismus überzutreten. [8]
Um dem Cortegiano-Ideal genügen zu können, brauchte
Wallenstein freilich ein Vermögen, und das hatte er infolge
häufiger Erbteilungen innerhalb seiner Familie nicht. [9] Aber
Wallenstein war ehrgeizig und wollte es nach oben schaffen.
Zwei Ehen mit begüterten Frauen, eine überaus aktive Rolle
bei der Vermögensumwälzung in Böhmen nach der
Niederschlagung des Adelsaufstandes, die Beteiligung am
Prager Münzkonsortium, das aus der systematischen
Münzverschlechterung gewaltigen Gewinn schlug, und
schließlich die Tätigkeit eines Kriegsunternehmers waren
die Mittel, um das eigene Vermögen schnell zu vermehren.
Noch mehr als um Reichtum ging es ihm jedoch um Macht
und Einfluss, und da war eine militärische Karriere
naheliegend. Zum Höfling war Wallenstein trotz aller
Orientierung am Cortegiano-Ideal nicht geeignet. Dafür war
er zu unbeherrscht und auch zu ungeduldig. Obwohl er
durchaus Intrigen spinnen und Koalitionen schmieden
konnte, fehlten ihm doch die Voraussetzungen für einen bei
Hofe umtriebigen Politiker. Die mitunter schroffe Art, in der
er seine Umgebung behandelte, schuf ihm Feinde, die er von
der Sache und seinen Interessenlagen her nicht unbedingt
hätte haben müssen.
Das Porträt zeigt Wallenstein am Anfang seines kometenhaften Aufstiegs. Im
Unterschied zu späteren Porträts, die einen erschöpften und bereits von Krankheit
gezeichneten Feldherrn zeigen, lässt sich auf dem Kupferstich von 1625 die
Energie und der Durchsetzungswille Wallensteins erkennen. Der Feldherrnstab
verweist auf die gerade erfolgte Ernennung zum kaiserlichen Generalissimus.

Wallensteins Fähigkeiten waren vor allem organisatorischer


Art, und sowohl bei der Verwaltung des riesigen Besitzes,
den er nach 1620 an sich gerissen hatte, als auch bei der
Aufstellung von Heeren, deren Größe bis dahin niemand für
möglich gehalten hätte, waren seine Leistungen überragend.
Wallensteins Aufstieg vollzog sich im Zeichen des Mars: In
taktischen Fragen war er tüchtig und verfügte über einen
klaren Blick für Konstellationen des Gefechtsfelds und die
sich daraus ergebenden Möglichkeiten. In dieser Hinsicht
waren ihm Tilly und Gustav Adolf jedoch mindestens
ebenbürtig. Als Stratege dachte Wallenstein in geopolitisch
umfassenden Zusammenhängen und erkannte
Schwerpunktbildungen und ihre Folgen. Dabei war er Tilly
eindeutig überlegen, und womöglich auch Gustav Adolf. [10]
Aber keiner kam Wallenstein gleich, sobald es um die
Aufstellung und Versorgung großer Heere ging. Er war ein
hervorragender Organisator und Logistiker, und besser als
jeder andere wusste er um die Abhängigkeit der Truppen
von einer regelmäßigen Versorgung. Auf diesem Wissen
baute er seine strategischen Projekte auf, und in diesem
Bereich entdeckte er schnell Schwächen des Gegners, die
andere nicht sahen. Dementsprechend war Wallensteins
Strategie auch nicht auf eine Entscheidungsschlacht,
sondern auf die Ermattung und Auszehrung des Gegners
gerichtet – ganz im Gegensatz zu Gustav Adolf, der sehr viel
stärker an der Entscheidungsschlacht orientiert war. In der
Folge erscheint der Schwede in Darstellungen des
Dreißigjährigen Krieges als der strahlende Held, als ein
Heerführer, der sich immer wieder selbst ins Gefecht
stürzte, während Wallenstein als der große Organisator und
Strippenzieher im Hintergrund präsentiert wird, als einer,
der, wenn er doch einmal eine Schlacht schlug, dies vom
Feldherrnhügel aus tat und das unmittelbare
Kampfgeschehen mied. Gustav Adolfs Körper war mit den
Wunden und Narben seiner Feldzüge bedeckt; Wallensteins
Körper dagegen war von Krankheiten gezeichnet, die, wie
Gicht und Syphilis, zwar typische Soldatenkrankheiten
waren, die man sich jedoch nicht auf dem Schlachtfeld,
sondern im Lager zuzog. [11]
Was für Tilly die Marienverehrung war, war für
Wallenstein der Glaube, dass ein Menschenleben
weitgehend durch Gestirnskonstellationen vorbestimmt sei.
Im Herbst 1608 ließ Wallenstein sich von dem kaiserlichen
Astronomen und Mathematiker Johannes Kepler, der sich
mit astrologischen Nebentätigkeiten materiell über Wasser
hielt, das Horoskop stellen. [12] Kepler sagte dem im
Sternzeichen des Wassermanns und der Konjunktion von
Saturn und Jupiter Geborenen einen fulminanten Aufstieg
voraus, hielt aber auch fest, Wallenstein würde mit der Zeit
habgierig, falsch und machthungrig werden, dazu launisch,
streitsüchtig und grausam. [13] Bemerkenswert dabei ist,
dass Kepler Wallenstein weder persönlich noch vom Namen
her, sondern nur dessen Geburtsdatum kannte.
Wahrscheinlich hat Wallenstein dieses Horoskop erst
gelesen, nachdem der über einen Mittelsmann engagierte
Kepler endlich bezahlt worden war und es dem Mittelsmann
Wallensteins übergeben hatte, und das war einige Jahre
später. Kepler stellte in dem Horoskop Parallelen zu zwei
Politikern her, die unter ähnlichen Gestirnskonstellationen
geboren waren: der englischen Königin Elizabeth und dem
polnischen Großkanzler Zamoyski. Inwieweit deren
Lebensgeschichte Kepler in seiner Vorhersage beeinflusst
hat, muss ebenso offenbleiben wie die Frage, welchen
Einfluss das Horoskop auf Wallenstein hatte, nachdem es
ihm seit 1614 bekannt war. 1624 trat Wallenstein nochmals
an Kepler heran und bat um Antwort auf sehr konkrete
Fragen, worauf Kepler allerdings mit Zurückhaltung
reagierte. Keplers Horoskop hat jedenfalls das Wallenstein-
Bild vieler Historiker wie Schriftsteller stark beeinflusst: Es
hat die Struktur vorgegeben, nach der Wallensteins Pläne
und Handlungen beurteilt wurden. Auch dadurch lässt sich
die Übereinstimmung zwischen dem Horoskop und dem uns
präsenten Wallenstein-Bild erklären.

Mit Wallenstein betrat einer der großen Protagonisten des


Dreißigjährigen Krieges die Bühne, und obwohl er bereits
seit 1618/19 an den Ereignissen beteiligt war, tat er sich als
gestaltender Akteur doch erst seit 1623 hervor. Das war das
Jahr, in dem Bethlen Gábor erneut nach Oberungarn und
Südmähren einfiel, um mit dem aus Norden anrückenden
Christian von Braunschweig zusammenzuwirken. [14] Da
Bethlen wieder einmal verspätet auf dem vorgesehenen
Kriegsschauplatz erschien, konnten die kaiserlichen
Regimenter, die eben noch bei Stadtlohn siegreich gewesen
waren, in Eilmärschen nach Mähren beordert werden, um
den Angriff abzuwehren. Sie kamen zwar zu spät, um noch
gegen Bethlen eingesetzt zu werden, wirkten aber als
Reserve für den Fall, dass seine Truppen bis nach Böhmen
vorstoßen sollten. In diesem Zusammenhang wurde
Wallenstein am 3. Juni 1623 zum kaiserlichen
Generalwachtmeister (Generalmajor) ernannt, um als
Stellvertreter des mit dem Kommando betrauten Marchese
Girolamo Caraffa di Montenegro (verschiedentlich auch
Negromonte genannt) die Operationen gegen die Einheiten
Bethlens zu führen. Das war eine große Herausforderung,
denn die kaiserliche Armee umfasste lediglich 15000 Mann –
und auch das nur, weil Wallenstein seine organisatorischen
Fähigkeiten bei der Ausrüstung der Truppen unter Beweis
gestellt hatte –, während Bethlen eine Streitmacht von über
40000 Mann ins Feld führte. [15] Dieser Feldzug sollte
Wallensteins erstes selbständiges Kommando werden, und
das verschaffte ihm die Grundlage für seinen kometenhaften
Aufstieg im kaiserlichen Heer.
Dabei verlief der Feldzug alles andere als glücklich.
Bethlens Heer bestand vorwiegend aus leichter Reiterei, die
den kaiserlichen Infanterieverbänden immer wieder
überfallartig zusetzte und sich danach so schnell, wie sie
gekommen war, auch wieder zurückzog. Am 24. Oktober
schrieb Wallenstein an seinen Schwiegervater Karl von
Harrach in Wien, von dem er annahm, dass er das Ohr des
Kaisers hatte, und machte geltend, der Kaiser müsse
umgehend leichte Kavallerie in großer Zahl und guter
Qualität schicken, sonst werde der Feldzug in einer
Katastrophe enden. Aber der Kaiser schickte keine leichten
Reiter; er hatte sie nicht, und die Staatskassen ließen deren
Anwerbung in großem Stil auch nicht zu. Wallenstein zog
daraus die Lehre, dass er hinfort die Heere, mit denen er
operierte, selbst zusammenstellte. Unter keinen Umständen
wollte er noch einmal vom Wiener Kriegskabinett und seinen
Entscheidungen abhängig sein – das heißt, er musste
zukünftig, wenn es nach seinen Vorstellungen gehen sollte,
als selbständiger Kriegsunternehmer auftreten. Wallenstein
hatte damit bereits Erfahrungen gesammelt, doch dabei ging
es bloß um die Aufstellung eines einzelnen Regiments.
Künftig sollte es um die Aufstellung einer kompletten
Armada gehen, wie ein vollständiges Heer zeitgenössisch
hieß, und Wallenstein achtete darauf, für welchen
Kriegsschauplatz die Truppen bestimmt waren. Der Krieg im
Osten erforderte eine andere Zusammensetzung der
militärischen Fähigkeiten als der im Westen, der im Norden
wiederum eine andere als der im Süden – keiner hat das
besser begriffen als Wallenstein. Dementsprechend
ungehalten wurde er, wenn ihm der Wiener Hofkriegsrat
einen Strich durch die Rechnung machte und seine Truppen
auf Kriegsschauplätze dirigierte, für die sie nicht vorgesehen
waren.
Der Herbstfeldzug der Kaiserlichen gegen Bethlen kam
nicht recht voran. Bethlen stellte sich nicht zur Schlacht,
sondern attackierte den Tross und einzelne Detachements
des Heeres. Um dessen Verwundbarkeit auf dem Marsch zu
vermindern, mussten die Truppen zusammengehalten und zu
einer einzigen Marschsäule konzentriert werden. Das
wiederum vergrößerte die Versorgungsprobleme, denn je
dichter das Heer marschierte, desto weniger Gehöfte und
Dörfer, aus denen sich die Truppen versorgen konnten,
lagen auf seinem Weg. Also wurden wieder Einheiten
detachiert, um Nahrungsmittel zu beschaffen, und schon
schlug Bethlen erneut zu. Noch bevor man Pressburg
erreicht hatte, entschloss sich die Führung, das Heer zu
teilen: Der Marchese Caraffa und Don Balthasar de
Marradas zogen mit der Kavallerie nach Kremsier weiter,
während Wallenstein mit den Fußtruppen in einem
verschanzten Lager bei Göding blieb. Die Stellungen ließen
sich gegen einen Angriff Bethlens gut verteidigen, aber der
tat den Verschanzten nicht den Gefallen anzugreifen,
sondern beschränkte sich darauf, deren Nachschub zu
unterbinden: Irgendwann würden die Nahrungsmittel knapp
werden, Wallenstein müsste das Lager verlassen und
Bethlen würde mit dessen ausgehungerten Soldaten leichtes
Spiel haben, wenn sie nicht kapitulierten. Bethlen hatte Zeit,
Wallenstein nicht – so jedenfalls schien es.
Dementsprechend dringlicher wurden Wallensteins Briefe an
seinen Schwiegervater Harrach in Wien, in denen er ein ums
andere Mal die Unterstützung durch leichte Kavallerie oder
die alsbaldige Eröffnung eines Diversionskrieges gegen
Siebenbürgen forderte – der Einfall eines polnischen Heeres
sollte Bethlen zum Abzug aus Mähren zwingen. Bleibe
beides aus, so Wallenstein, würden die hungernden Soldaten
die Offiziere gefangen nehmen und an Bethlen ausliefern,
um dann selbst in dessen Dienste überzuwechseln. «Das
Volk», so schrieb er am 10. November an Harrach, werde
«sich eines anderen resolvieren […] und aus Not uns Capi
[Anführer] bei die Köpf nehmen, dem Feind übergeben, und
selbst in Feinds Dienst verbleiben, wie sies denn noch alle,
die wenig in Not gewesen, getan haben.» [16]
Was Wallenstein nicht wusste, war, dass auch für Bethlen
die Zeit begrenzt war: Der Winter stand vor der Tür, die
türkischen Einheiten waren mit der Beute, die sie gemacht
hatten, reichlich versorgt und wollten den Rückzug antreten,
und selbst in Bethlens eigenen Verbänden drängte man zum
Aufbruch in die Heimat, seitdem Gerüchte aufgetaucht
waren, wonach ein polnisches Heer in Siebenbürgen
eingefallen sei. Am 17. November wollte Bethlen die
Entscheidung erzwingen und verlangte von seinen Reitern,
zu Fuß die Schanzen des Lagers von Göding anzugreifen.
Aber die Reiter weigerten sich, in dieser ihnen unvertrauten
Weise zu kämpfen. Am 19. November kam es durch die
Vermittlung des ungarischen Palatins Stanislaus Thurzo zu
einem Waffenstillstand, in dessen Folge Bethlen nach Osten
abzog. Wallenstein und seine Fußtruppen waren gerettet.

Wallensteins erste weitgehend selbständige Operation ist


somit alles andere als glänzend verlaufen. Er entging nur
knapp einer Katastrophe. Doch er lernte daraus. Schon im
darauffolgenden Jahr entwickelte er einen Plan zur
Reorganisation des Heeres, in den die Erfahrungen des
Herbstfeldzugs gegen Bethlen Gábor einflossen.
Wallensteins Leitidee bestand darin, zukünftig auf Heere zu
verzichten, die aus Truppen unterschiedlicher Herren mit
eigenen Kommandostrukturen zusammengesetzt waren, und
stattdessen ein Heer aufzustellen, das wie aus einem Guss
war. Vor allem sollten die Truppen unter einem Oberbefehl
stehen, dem sich alle Kommandeure zu fügen hatten, ohne
dass sie erst beim Landesherrn nachfragen mussten, ob er
auch mit der Entscheidung einverstanden sei. Das aber hieß,
dass Wallenstein nicht nur als Kriegsunternehmer, sondern
auch als General auftreten musste. Dieses Projekt hat
Wallenstein 1625 in die Tat umgesetzt.

Zunächst aber mussten die Voraussetzungen dafür


geschaffen werden. Am 3. September 1623 wurde
Wallenstein zum Fürsten von Friedland und Reichenberg
erhoben, und zwei Tage später wurde ihm Friedland vom
Kaiser als erbliches Lehen zugeteilt. Dieses geschlossene
Herrschaftsgebiet nordöstlich von Prag, zwischen Elbe und
Neisse gelegen, wurde von Wallenstein wirtschaftlich so
organisiert, dass es als Ausrüstungs- und Versorgungsbasis
eines großen Heeres dienen konnte. [17] Als im Frühjahr
1625 mit dem absehbaren Kriegseintritt Dänemarks selbst
Kurfürst Maximilian von Bayern den Kaiser zu verstärkten
Rüstungen drängte, weil die Streitkräfte der Liga allein der
neuen Herausforderung nicht gewachsen seien, nahm
Ferdinand Wallensteins Angebot, ein Heer aufzustellen, an
und ernannte ihn zum Oberbefehlshaber aller kaiserlichen
Truppen – «zum Capo uber alles Iero Volckh, so diser Zeit im
Heiligen Römischen Reich und Niderlandt vorhanden oder
noch dahinwerts geschückht und abgeordtnet werden
möchte», wie es im kaiserlichen Intimat heißt. [18]
Am 13. Juni folgte die Erhebung Wallensteins zum Herzog
von Friedland, die auch für seine Nachkommen und «zu
allewigen Zeiten» gelten sollte. Mit dieser Rangerhöhung
war auch das Verhältnis Wallensteins zu Tilly geklärt, der als
Graf deutlich unter dem neuen Herzog stand, und auch wenn
Tillys Dienstherr Maximilian inzwischen Kurfürst war, so
stand ihm doch Wallenstein als Herzog «fast ebenbürtig zur
Seite» [19]. Das alles dürfte nicht ohne Wallensteins
Einflussnahme – beziehungsweise die seiner Parteigänger in
der Umgebung des Kaisers – erfolgt sein. Man kann in
diesem raschen Aufstieg den Ausdruck seines schier
unstillbaren Ehrgeizes sehen, seiner Habgier und seines
Machthungers, wie ihn Keplers Horoskop charakterisiert
hatte; man kann das Drängen auf eine nahezu unbegrenzte
Kommandogewalt und auf Rangerhöhung indes auch auf
Wallensteins Umsichtigkeit zurückführen, sich gegen das
notorische Kompetenzgerangel und die ewigen
Rangstreitigkeiten abzusichern. [20] In welchem Ausmaß es
solcher Umsicht bedurfte, konnte Wallenstein schon bald
feststellen. [21]
Dänemarks Kriegseintritt
Die Präsenz des Kaisers und der Liga in Norddeutschland
beunruhigte nicht nur die nördlichen Niederlande, sondern
gab auch den Herrschern von Dänemark und Schweden
Anlass, über ein Eingreifen in den Krieg nachzudenken.
Auch König Jakob von England stand im Begriff, seine
vorsichtige Haltung, die eher an politischem Ausgleich als an
militärischer Einmischung orientiert war, zu revidieren.
Seine früheren Versuche, mit Spanien zusammen die
Wiedereinsetzung seines Schwiegersohns (und damit auch
seiner Tochter) in der Pfalz zu erwirken, hatten keinerlei
Erfolg gezeitigt, und auch das Projekt einer Ehe zwischen
seinem Sohn Karl und der spanischen Infantin Maria, einer
Schwester König Philipps IV., auf dem Jakob eine Koalition
der beiden Seemächte hatte begründen wollen, hatte sich als
Chimäre erwiesen. Der Prinz von Wales war, nachdem sich
die Verhandlungen über eine Eheschließung immer mehr in
die Länge gezogen hatten, im April 1623 nach Madrid
gereist, um deren Fortgang an Ort und Stelle zu forcieren.
Dabei hatte er die zwei für das Verhältnis der beiden
Königreiche zentralen Fragen, seine Eheschließung mit der
Infantin und die Restitution des Pfalzgrafen, miteinander
verbunden, um im «Paket» eine Lösung zu finden. Graf
Olivares, der unter Philipp IV. die Leitung der spanischen
Politik übernommen hatte, wollte beide Fragen indes
getrennt behandelt wissen, weil er bezweifelte, dass man in
den zwei Angelegenheiten gleichermaßen Fortschritte
erzielen könne. [1] Das spanische Angebot bestand darin,
dass sowohl der zukünftige englische König Karl als auch
der am Wiener Hof zu erziehende Sohn des Pfälzers zum
Katholizismus konvertieren mussten. Das war für England
unannehmbar. Jakob fühlte sich von den Spaniern
hingehalten und getäuscht, und in seinem Zorn darüber war
er bereit, sich an die Spitze einer protestantisch-
antihabsburgischen Koalition zu stellen. [2] Als Erstes wollte
er den beschäftigungslosen Söldnerführer Ernst von
Mansfeld in seine Dienste nehmen und ihm Geldmittel zur
Verfügung stellen, mit denen er eine Armee anwerben sollte,
um erneut in den Krieg einzugreifen. [3]
Auch Frankreich war vom Wiedererstarken der
habsburgischen Macht beeindruckt und suchte nach
Möglichkeiten des Gegenhandelns. Vor allem die spanischen
Besatzungen in den linksrheinischen Festungen der Pfalz
beunruhigten die französische Politik. Durch die bereits
1620 errungenen militärischen Erfolge im Kampf um die
Kontrolle der Veltliner Alpenpässe, die starke Position, die
Spanien seit Wiederaufnahme des Krieges in den
Niederlanden innehatte, und die spanische Militärpräsenz in
der Pfalz war ein regelrechter Ring um Frankreich
entstanden, der in Paris als systematisch betriebene
Einkreisung wahrgenommen wurde. [4] Die Politik des 1624
in den Conseil d’État berufenen Richelieu stand somit unter
zwei Prämissen: den spanischen Einkreisungsring durch eine
dagegen gerichtete Bündnispolitik aufzusprengen und
darüber hinaus Frankreich (wieder) zum Schiedsrichter im
politischen Machtgefüge Europas zu machen. [5] Richelieu
nahm damit eine Politik auf, die Heinrich IV. bis zu seiner
Ermordung verfolgt hatte, die unter der Regentschaft seiner
Witwe Maria de’Medici jedoch nicht weitergeführt worden
war. [6] Aber für mehr als ein verdecktes Eingreifen in den
Krieg reichten die französischen Kräfte zunächst nicht aus,
zumal Richelieu die Veltlin-Frage als vordringlich ansah und
im Herbst 1624 eine Armee nach Norditalien in Marsch
setzte. Der Nutznießer war einmal mehr Ernst von Mansfeld,
der zusätzlich zu den Geldern aus England und den
Niederlanden auch von Frankreich Subsidien erhielt, um ein
Heer für den Kampf gegen die Habsburger aufzustellen. [7]
Die bislang gemachten Erfahrungen legten jedoch nahe,
dass ein von Mansfeld angeführtes Söldnerheer allein nicht
genügen würde, die verbundene Macht von Kaiser und Liga
zurückzudrängen. Um dieses Ziel zu erreichen, boten sich
zwei Möglichkeiten an, die gegebenenfalls miteinander
kombiniert werden konnten: erstens der Versuch, einen Keil
zwischen Kaiser Ferdinand und Kurfürst Maximilian zu
treiben, indem man deren unterschiedliche Interessen
gegeneinander ausspielte; zweitens das Vorhaben, eine der
beiden dem Luthertum verpflichteten nordischen Mächte,
Dänemark oder Schweden (oder auch beide gemeinsam), in
den Krieg zu verwickeln und sie zur militärischen Spitze
gegen Kaiser und Liga zu machen. Das erste Projekt wurde
vor allem von Frankreich verfolgt, und Père Joseph, der
Kapuziner-Diplomat im Dienste Richelieus, war von nun an
damit beschäftigt, den Bayernherzog Maximilian und die
geistlichen Kurfürsten am Rhein gegen das Wiener
Kaiserhaus auszuspielen. Bei Maximilian erzielte die
französische Diplomatie Teilerfolge, aber es gelang den
Franzosen nie, den Bayern dauerhaft gegen das Wiener
Kaiserhaus in Stellung zu bringen. Der Kölner Erzbischof
Ferdinand, ein Bruder Maximilians, folgte der von München
vorgegebenen Linie, der Mainzer Erzbischof lavierte, hielt
sich aber stärker an das Kaiserhaus, und nur der Trierer
Erzbischof Philipp Christoph von Sötern ließ sich auf eine
profranzösische und antihabsburgische Politik ein. [8]
Durchschlagende politische Wirkung sollte die französische
Diplomatie erst im späteren Kriegsverlauf erzielen.
Somit konzentrierte sich 1625 alles auf die Frage, ob die
nordischen Mächte in den Krieg eingreifen würden. Das
Problem war, dass Dänemark und Schweden seit
Jahrzehnten um die Vorherrschaft in der Ostsee
konkurrierten und deswegen auch mehrere Kriege
gegeneinander geführt hatten. [9] Schweden, das dabei den
Kürzeren gezogen hatte, ließ sich danach auf eine
Expansionspolitik in südöstliche Richtung ein, und in
mehreren Kriegen gegen Polen hatten die in Stockholm
regierenden protestantischen Wasa den in Warschau
residierenden katholischen Wasa einige Hafenstädte und
einen größeren Küstenstreifen im Baltikum weggenommen.
Als es nun um die Frage ging, ob die nordischen Mächte sich
in den Krieg im Reich einmischen würden, [10] war Schweden
wieder einmal in einen Krieg mit Polen verwickelt. Dennoch
zeigte Gustav Adolf ebenso wie Christian von Dänemark
Interesse, an die Spitze einer protestantischen Koalition zu
treten, um den Kampf gegen die Habsburger und die
katholische Liga wiederaufzunehmen. Der Kriegseintritt bot
beiden Mächten die Möglichkeit, nach Süden zu
expandieren, und wer dabei erfolgreich war, würde auch das
Ringen um die Ostseehegemonie (dominium maris Baltici)
für sich entscheiden. Daraus folgte indes, dass beide Mächte
sich schwerlich zu einer gemeinsamen Kriegführung
bereitfinden würden. Der Eintritt der einen Seite schloss die
Beteiligung der anderen aus. Die Generalstaaten der
Niederlande, der englische König und Richelieu, die am
Zustandekommen einer antihabsburgischen Koalition
arbeiteten, mussten sich also für eine der beiden Mächte
entscheiden, und dabei hatten sie sicherzustellen, dass der
jeweilige Rivale die kriegerischen Verwicklungen des
anderen nicht nutzte, um ihm in den Rücken zu fallen. Keine
der zwei nordischen Mächte konnte von sich aus und aus
eigenem Antrieb in den Krieg auf deutschem Boden
eingreifen, beide bedurften der «Rückendeckung» durch ein
Bündnis.
Für Schweden sprach, dass Gustav Adolf in den Kriegen im
Baltikum reichlich Kriegserfahrung gesammelt hatte und
über kriegserprobte Truppen verfügte. Doch ein Eingreifen
Schwedens in die Konflikte des Reichs ließ sich nicht so
leicht rechtfertigen, denn bislang hatten weder der Kaiser
noch die Liga schwedische Interessen berührt. Es war
darum auch ungewiss, ob sich der einflussreiche
schwedische Adel auf diesen Krieg überhaupt einlassen und
seinem König folgen würde. Allerdings hatte Gustav Adolf
bereits einen Kriegsplan, und der sah vor, dass er mit seinen
Truppen aus dem polnisch-pommerschen Grenzgebiet die
Oder entlang in südlicher Richtung nach Schlesien
vorstoßen würde, wo er sich mit Bethlen Gábor vereinigen
wollte, der sich als Bündnispartner wieder einmal ins
Gespräch gebracht hatte. Zur Rechtfertigung dieses
Vorgehens wollte Gustav Adolf mit Pfalzgraf Friedrich ein
festes Bündnis schließen, denn so konnte er als dessen
Interessenvertreter im Reich auftreten. [11]
Im Falle Dänemarks war eine solche Rechtskonstruktion
nicht vonnöten, denn Christian IV. war auch Herzog von
Holstein und gehörte damit zu den Ständen des Reichs. Von
einem Eingreifen äußerer Mächte wäre also nicht die Rede
gewesen. Als Reichsstand konnte Christian gegen illegitime
oder ungerechte Entscheidungen des Kaisers Widerstand
leisten, und diese in den zurückliegenden Jahren mehrfach
benutzte Rechtsfigur kam auch hier ins Spiel. Vor allem für
den strikt auf Legitimität bedachten Jakob scheint das ein
Grund gewesen zu sein, mehr auf Christian als auf Gustav
Adolf zu setzen. Die Zugehörigkeit Christians zu den
Reichsständen war jedoch nur eine Fassade, de facto
handelte es sich durchaus um die Intervention einer äußeren
Macht: Zu Dänemark gehörten nämlich nicht nur die
Herzogtümer Schleswig und Holstein, sondern auch Island
und Grönland, weiterhin größere Teile des heutigen
Schweden sowie die Ostseeinseln Gotland und Ösel.
Außerdem war Christian in Personalunion auch König von
Norwegen. Sein Königreich umfasste also ein Gebiet, das
vom Nordkap bis nach Hamburg und von Island bis zur Insel
Ösel vor der estnischen Küste reichte.
Die wichtigste Einnahmequelle des Königs waren nicht
Steuern, sondern Handelszölle, und bei diesen Zöllen hatten
die Landstände nicht mitzureden; der König konnte somit
eine von den Ständen weitgehend unabhängige Politik
betreiben. [12] Als er sich entschloss, in den Krieg im Reich
einzugreifen, tat er das gegen den Ratschlag des Staatsrats,
auf dessen Unterstützung er dank der Zölle aus dem
Öresund, die alle die Passage zwischen Nord- und Ostsee
durchfahrenden Schiffe zahlen mussten, nicht angewiesen
war. Außerdem wurden ihm von Frankreich, England und
den Generalstaaten Subsidien zugesagt, die ungefähr die
Hälfte der veranschlagten Kriegskosten abdeckten. Zunächst
freilich agierte Christian sehr vorsichtig, denn ihm war
offenbar klar, dass er sich auf ein hochriskantes
Unternehmen einlassen würde. Den Ausschlag dafür dürfte
letztlich die Konkurrenz mit Schweden gegeben haben:
Wenn er nicht in den Krieg eingetreten wäre, hätte das an
seiner Stelle Gustav Adolf getan, und Christian fürchtete, ein
erfolgreicher Feldzug der Schweden in Deutschland würde
sich auf die Machtverhältnisse in der Ostsee auswirken. Er
wollte die Ostseehegemonie, die nach dem Kalmarkrieg von
1611 bis 1613 eindeutig bei Dänemark lag, durch sein
Eingreifen im Reich festigen. Dazu sollte auch die
Einsetzung seiner Söhne in die Administration ehemals
katholischer Bistümer dienen. Das Stift Halberstadt und das
Erzstift Bremen waren dabei im Gespräch. [13]
Christian IV., König von Dänemark und Herzog von Holstein, sah sich als Herr des
europäischen Nordens. Die Konkurrenz mit den Niederlanden und mit Schweden
war für ihn ein wichtiger Grund, in den «deutschen Krieg» einzugreifen. Der Stich
zeigt ihn zu Beginn des niedersächsisch-dänischen Krieges mit Harnisch und
Feldherrnstab auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Wie riskant das dänische Kriegsprojekt indes war, zeigt ein


Blick auf seine Finanzierung: [14] Im Unterschied zu
Schweden, das infolge seiner Militärverfassung auf eine im
eigenen Land ausgehobene Armee zurückgreifen konnte, [15]
operierte Dänemark mit geworbenen Söldnern. Christian
wollte diesen Krieg nach demselben Modell führen wie den
für ihn überaus erfolgreichen Kalmarkrieg, als seine
Truppen auf schwedisches Gebiet vorgestoßen waren und
durch die Plünderung des Landes ihre Unterhaltskosten
deutlich gesenkt hatten. Diesen Dreischritt –
Vorfinanzierung der Armee aus eigenen Mitteln, Unterhalt
der Truppen in Gebieten außerhalb des Königreichs,
Refinanzierung der vorgeschossenen Kriegskosten durch
Entschädigungen von Seiten des Kriegsgegners – wollte
Christian wiederholen. Aber dieses Modell hatte zur
Voraussetzung, dass der König siegte und den Krieg
außerhalb des eigenen Territoriums führen konnte. Das war
das Risiko, das Christian einging, als er damit begann, eine
Armee in der Stärke von 30000 Fußsoldaten und 7000 bis
8000 Reitern aufzustellen. Zusammen mit den Truppen
Mansfelds würde er damit dem Liga-Heer unter Tilly
deutlich überlegen sein, und diese Überlegenheit würde das
Risiko des Krieges begrenzen. Dennoch zögerte Christian,
die Kampfhandlungen zu eröffnen, und das kann als ein
Beleg dafür angesehen werden, dass er sich nicht sicher
war, ob er sich auf dieses Risiko tatsächlich einlassen sollte.

Am 29. November 1625 wurde im Haag der Allianzvertrag


zwischen England, Dänemark und den Generalstaaten
geschlossen, in dem die Konditionen des Zusammenwirkens
festgelegt waren. [16] Angesichts der Kriege im Reich und der
von ihnen ausgehenden Gefährdung der Reichsverfassung,
so heißt es in der Vorrede, habe man sich entschlossen, «zur
rechten Zeit vorzubeugen und den allzu gewaltigen,
unerträglichen Fortgang dieser schlimmen Absichten und
Bedrückungen zu hindern, zur Wiederaufrichtung und
Conservation der besagten Freiheit, der Rechte und
Constitutionen des Kaiserreichs, sich einem so
voraussehbaren Verderben und all jenen, die jetzt oder in
Zukunft dessen Urheber sein werden, zu widersetzen und
entgegenzustellen.» [17] Bereits sieben Monate vor Abschluss
der Haager Allianz hatte Christian sich zum Obristen des
niedersächsischen Reichskreises wählen lassen. Damit besaß
er eine hinreichende Legitimation, um im Reich als
Verteidiger der Verfassung auftreten zu können, wie das in
der Vorrede des Vertrags annonciert wird. In dieser
reichskonservativen Ausrichtung steckte jedoch ein
politisches Problem von großer Sprengkraft.
Legitimationspolitisch mochte die reichskonservative
Begründung des Bündnisses ihre Vorzüge haben, aber es
handelte sich dabei lediglich um einen Kompromiss, der die
unterschiedlichen Interessen der Beteiligten verdecken
sollte: [18] England ging es neben der Restitution des
Pfalzgrafen vor allem um den Kampf gegen Spanien.
Nachdem Jakob I. am 27. März 1625 gestorben war und sein
Sohn Karl, der in Madrid Düpierte, die Nachfolge angetreten
hatte, trat dieses Interesse noch stärker hervor. Mindestens
ebenso stark wie England waren die Generalstaaten an
einem gegen Spanien gerichteten Krieg interessiert.
Christian dagegen bestand darauf, dass er keinen Krieg
gegen Spanien führen wolle. Tatsächlich wurde aber
im IV. Abschnitt der Haager Allianz noch vor den die
Landkriegführung betreffenden Passagen auf ein englisch-
niederländisches Bündnis Bezug genommen, in dem es um
einen gemeinsamen Seekrieg gegen Spanien ging; auch
wenn Spanien nicht namentlich genannt wurde, so waren in
den Seekriegspassagen des Vertrags doch dessen Flotten
gemeint. Der König von England, so heißt es dort, werde
«eine weitere Flotte auslaufen lassen, um derjenigen, die
sich schon auf See befindet, zu helfen, um damit die Kräfte
der Gegenpartei abzulenken und zu behindern». [19] Die
«Gegenpartei» konnte nur Spanien sein. Vermutlich war
mittelfristig auch an eine Beteiligung der dänischen Flotte
gedacht, weil sie die bei weitem stärkste in der Ostsee war
und Dänemark sich aus einem Krieg, in dem es um die
Kontrolle des Handels ging, kaum heraushalten konnte. [20]
Auch bezüglich der Restitution Friedrichs konnte man sich
nicht auf ein konkretes Kriegsziel einigen. Als die Engländer
darauf drängten, die Rückführung Friedrichs in seine
Erblande und dessen Wiedereinsetzung in die Kur in den
Vertrag aufzunehmen, lehnte Christian dies mit der
Begründung ab, dass die Niedersachsen, an deren Spitze er
sich hatte wählen lassen, nur zur Kreisverteidigung bereit
seien. Es stand also zu befürchten, dass diese Allianz die
erste größere Belastung nicht überstehen würde.
Die Probleme der Haager Allianz zeigten sich noch vor
Kriegsbeginn im Rückzug Kurbrandenburgs aus der
Koalition, zu deren Zustandekommen Kurfürst Georg
Wilhelm zuvor einiges beigetragen hatte. Seit 1616 mit einer
Schwester Friedrichs von der Pfalz verheiratet und durch die
Eheschließung seiner eigenen Schwester mit Gustav Adolf
auch Schweden eng verbunden, hatte er auf den
schwedischen König als Anführer, zumindest als Teilnehmer
der Koalition gesetzt und dementsprechend
Sondierungsgespräche für diese Koalition führen lassen. [21]
Erstmals seit Kriegsbeginn hatte Brandenburg eine politisch
aktive Haltung eingenommen; die Reisen des Rates Christian
von Bellin nach Stockholm, Kopenhagen und Den Haag
standen am Anfang der Allianz, aber dann ging die Initiative
auf England und die Generalstaaten über, und das kleine
Brandenburg geriet politisch an den Rand. Es war jedoch
weniger die politische Marginalisierung seines Landes,
sondern die Nichtteilnahme Schwedens, die Georg Wilhelm
einen Rückzieher machen ließen. Jetzt wollte er die Allianz
nicht mehr mit Truppen – er hatte zunächst 3000 Mann
zugesagt –, sondern nur noch mit Subsidien unterstützen,
und auch das nur, wenn sich der Angriff ausschließlich
gegen die Liga und nicht gegen den Kaiser richtete, was
jedoch angesichts der Bündnisstruktur von Kaiser und Liga
so gut wie unmöglich war. Der böhmische Historiker Anton
Gindely hat deshalb von einer «ebenso lächerlichen wie
unvernünftigen Bedingung» gesprochen. [22] Sie hatte auch
nur die Funktion, Brandenburg wieder auf Distanz zur
Haager Allianz zu bringen, nachdem sich das kleine Land
zeitweilig für seine Verhältnisse und Möglichkeiten sehr weit
vorgewagt hatte. Für eine solche wagemutige Politik, so
glaubte man in Berlin, brauchte man einen starken
Verbündeten in räumlicher Nähe. Als der infolge der Absage
Gustav Adolfs nicht mehr vorhanden war, näherte man sich
wieder der vorsichtigen Politik Kursachsens an, in deren
Windschatten sich Brandenburg bisher bewegt hatte.
Im Rückzieher Brandenburgs wurde einmal mehr die
zögerliche Politik des deutschen Protestantismus nach dem
Zerfall der protestantischen Union sichtbar: Man war sich
nicht sicher, welche Ziele man verfolgen sollte und wie viel
man dafür riskieren konnte. Selbst das reformierte
Brandenburg zögerte ein ums andere Mal – mit der Folge,
dass die lutherischen Sachsen die Gangart bestimmten, und
die war kaisertreu. [23] So blieb die Anzahl der
protestantischen Parteigänger Christians im Reich
überschaubar; neben den Fürsten des niedersächsischen
Kreises war es eigentlich nur Landgraf Moritz von Hessen-
Kassel, der sich ihm vorbehaltlos anschloss. Als die Haager
Allianz am 29. November beziehungsweise 9. Dezember
1625 besiegelt wurde, war es jahreszeitlich schon zu spät,
um die Truppen noch ins Feld zu führen. Unterdessen
verhandelten die potenziellen Kriegsgegner in Braunschweig
über die Frage, ob sich nicht doch noch ein Ausgleich finden
lasse, der einen weiteren Krieg unnötig mache. Das war eine
Gelegenheit für die sächsische Politik, ein weiteres Mal die
Rolle des Mittlers zu übernehmen. Als Kompromiss schlugen
die Sachsen vor, dass Christian IV., Mansfeld und die
Niedersachsen die Waffen niederlegen sollten, wenn die
Gegenseite, Tilly und Wallenstein, zusagen würde, mit ihren
Truppen den niedersächsischen Kreis zu verlassen sowie
dort keine Kontributionen zu erheben, und Kaiser Ferdinand
den Niedersachsen zusicherte, sie im Besitz der ehemals
geistlichen Güter zu belassen. [24] Von der Restitution des
Pfalzgrafen war in dem Vermittlungsvorschlag keine Rede,
und dass sich die protestantische Seite überhaupt auf
Verhandlungen einließ, zeigt ihre Schwäche und
Gespaltenheit. Doch selbst über diesen
Vermittlungsvorschlag konnte man sich nicht verständigen.
Als die Parteien am 8. März 1626 ergebnislos
auseinandergingen, war das der Auftakt zur nächsten Runde
des Krieges.
Wallensteins Heer
Im Januar 1625 wiederholte Wallenstein ein Angebot, das er
bereits in den zwei vorangegangenen Jahren mehrfach
gemacht hatte, [1] ohne dass der Hofkriegsrat in Wien darauf
eingegangen wäre: Er wollte «auf eigene Kosten» ein Heer
in der Größe von etwa 20000 Mann aufstellen. Was sich auf
den ersten Blick wie ein großzügiges Angebot ausnahm, das
dem finanzschwachen Kaiser ermöglichen sollte, was er
unter den gegebenen Umständen am dringlichsten brauchte:
ein eigenes Heer, war nichts weniger als ein Projekt, das die
Machtverhältnisse im Reich grundlegend verändern würde –
nicht nur die militärischen, sondern auch die politischen.
Wallensteins Angebot war derart grundstürzend, dass man
in Wien nicht binnen weniger Tage darauf einging. Man
verhandelte über bald ein halbes Jahr, bevor der Kaiser am
27. Juni 1625 die Instruktion für die Aufstellung des Heeres
unterschrieb und einen Monat später, am 25. Juli,
Wallenstein zum General der kaiserlichen Kriegsmacht
ernannte. Ferdinand scheint bewusst gewesen zu sein, dass
er damit sein politisches Schicksal mit dem Wallensteins
verband. Wenn er hinsichtlich der Tragweite seiner
Entscheidung der Aufklärung bedurft hätte, so lieferte ihm
diese das von seinem wichtigsten Ratgeber und Minister,
dem Reichsfürsten Hans Ulrich von Eggenberg, angefertigte
Gutachten: Der Präsident der Hofkammer und des Geheimen
Rats und obendrein engste Vertraute des Kaisers führte
darin aus, dass Ferdinand eine Streitmacht wie die von
Wallenstein vorgesehene nicht benötige, da er mit den
Türken Frieden geschlossen habe und es vorerst zu einer so
grundlegenden Veränderung der kaiserlichen Politik keinen
Anlass gebe. [2] Eggenberg, der nicht zu Wallensteins
Gegnern am Wiener Hof gehörte, erkannte, dass es um mehr
ging als um ein vorteilhaftes Angebot Wallensteins.
Bei Kriegsbeginn gab es kein kaiserliches Heer, sondern
nur einzelne Regimenter unter dem Befehl des Grafen
Heinrich Duval von Dampierre, die in einem größeren Krieg
nur im Verbund mit anderen Einheiten, etwa den spanischen
Regimentern Bucquoys oder denen der Liga, ein operativ
selbständiges Heer bildeten. Der Kaiser war militärisch auf
die Unterstützung durch die Reichsstände beziehungsweise
seine internationalen Verbündeten angewiesen, die ihm für
begrenzte Zeit und vorgegebene Zwecke Truppen zur
Verfügung stellten. Das war nicht erst seit jüngster Zeit so,
und es war auch kein Spezifikum der habsburgischen Kaiser,
sondern reichte bis weit ins Mittelalter zurück: Wenn der
Kaiser Soldaten brauchte, musste er sich diese von einem
Reichstag bewilligen lassen. Er konnte Truppen auch aus
den Ressourcen seiner Erblande aufstellen; dafür hatte er
sich jedoch mit den Ständevertretern ins Benehmen zu
setzen, und die reagierten zumeist mit einer Mischung aus
Zurückhaltung und Ablehnung, lief das kaiserliche Ersuchen
doch darauf hinaus, dass sie als ein Teil des Reiches für
dessen Gesamtaufgaben aufkommen mussten. Es waren
immer nur Teile des benötigten Heeres, die der Kaiser so
bekommen konnte. Nicht anders verhielt es sich auch in den
ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges, als Ferdinand
von der Hilfe Spaniens, des Papstes und der katholischen
Liga abhängig war. Sobald militärische Macht im Reich ins
Spiel kam, war der Kaiser auf das Wohlwollen anderer
angewiesen.
Das Vorhaben Wallensteins, ein komplettes Heer
aufzustellen, über das der Kaiser frei verfügen konnte, sollte
diese seit Jahrhunderten bestehenden Verhältnisse
verändern. Auch wenn man dem in Wien insgesamt positiv
gegenüberstand, so wollten die politischen Folgen dieser –
revolutionären – Veränderung doch wohl erwogen werden.
Man brauchte also Zeit, um die Konsequenzen nach allen
Seiten hin auszuleuchten, und diese Konsequenzen waren
nicht nur machtpolitischer und finanztechnischer Art,
sondern betrafen auch die Grundprinzipien der
Reichsverfassung. Die nämlich beruhte auf dem Grundsatz,
dass der Kaiser als Kaiser, also abzüglich dessen, worüber er
als Landesherr gebot, über politische und rechtliche, aber so
gut wie keine militärische Macht verfügte. Die Macht des
Kaisers gründete sich auf die hierarchisch strukturierte
Rechtsordnung des Reiches; zur Exekution seiner
Entscheidungen war der Kaiser auf die Hilfe der
Reichsstände angewiesen. So hatte sich das auch in der
Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges dargestellt:
sowohl bei der vom Bayernherzog Maximilian
durchgeführten Reichsexekution gegen Donauwörth als auch
bei der Nichtexekution der kaiserlichen Entscheidung im
Streit um das Marburger Erbe. [3] Die Ordnung des Reichs
war eine, die in ihrem Inneren Krieg als eigenen
Aggregatzustand des Politischen nicht kannte, sondern für
die es nur Rebellionen und Rechtsexekutionen gab. [4] Krieg
gab es nur in den äußeren Beziehungen des Reichs, und
solche Kriege beschränkten sich zumeist auf zeitlich wie
räumlich begrenzte Feldzüge.
Nun dauerte der Krieg aber schon sieben Jahre, und
militärische Macht war inzwischen zur wichtigsten
Ressource geworden, wenn es darum ging, einen politischen
Willen geltend zu machen. Die Rechtshierarchie des Reichs
war schon vor Kriegsbeginn durch die konfessionelle
Spaltung der Reichsstände sowie die Lahmlegung einer
Reihe von Reichsorganen außer Kraft gesetzt worden, doch
nun kam noch hinzu, dass sich die Grundlage der politischen
Macht von der Rechtsprechung auf die Gewaltanwendung
verschoben hatte. Bis zu Wallensteins großem Angebot hatte
man diese Verschiebung der politischen Ressourcen als
einen Ausnahmezustand begriffen, der nach einiger Zeit
wieder enden werde. Was Wallenstein vorschlug, lief indes
darauf hinaus, den Ausnahmezustand zur Normalität zu
machen und auf der Grundlage dieser veränderten
Normauffassung die realen Machtverhältnisse neu zu
ordnen.
Dem wie immer ungeduldigen Wallenstein ging diese
Neuausrichtung viel zu langsam voran. Angesichts der
Bedrohung durch das sich abzeichnende Bündnis der
Seemächte im Nordwesten Europas war er überzeugt, dass
man keine Zeit vergeuden dürfe – und genau das taten die
Wiener Räte nach seiner Auffassung. Wallenstein dachte von
außen her, die Wiener Räte hingegen von innen, und
deswegen war das Problembewusstsein beider Seiten
unterschiedlich ausgeprägt. Über seinen Schwiegervater
suchte Wallenstein die Wiener Entscheidungen zu
beschleunigen. Am 28. April schrieb er an Karl von Harrach,
dieser solle erreichen, «auf dass Ihre Mait. [Majestät] wegen
der Werbung nit länger temporisieren, dieweil der Feind
nicht feiert und Tag zu Tag mehr [Kriegs-]Volk aufbringt und
also eher, dann wir uns versehen werden, in Schlesien und
diesen Landen sein wird. Darum ist gewiss kein Minuten zu
verlieren.» [5] Wallenstein drohte damit, wie er das auch
später noch einige Mal tat, sich von dem Vorhaben
abzuwenden, wenn man in Wien nicht endlich dem von ihm
als zwingend angesehenen Zeitrhythmus folge: «Ich hab
mich wohl offeriert, Ihr Mait. zu dienen, welchem ich auch
unterthänigst nachkommen will, aber werde ich sehen, dass
man Muthwilligkeit verliert und vermeint, nachher wann uns
der Feind am Hals ist, erst zu der Werbung [der Anwerbung
der Soldaten] zu greifen, so will ich mich in solchen Labyrint
nicht stecken, in welchen ich um meine Ehr kommen müsst,
sondern bin resolviert [entschlossen], eher von allen meinen
Diensten abzusehen. Dann ich weiss gewiss, dass nicht
anderes draus erfolgen könnte als dem Kaiser Verlust seiner
Länder und mir Verlust Ehr und Reputation. Bitt derowegen
meinen Herrn ganz dienstlich, er wolle ihm dies so
hochwichtiges Werk befohlen sein lassen.» [6]
Nicht Wallensteins Ungeduld, sondern die allgemeine Lage
dürfte dazu geführt haben, dass Ferdinand die Instruktion
zur Aufstellung eines Heeres unterschrieb. Darin
reklamierte er für sich noch einmal die Rolle dessen, der den
Frieden zu suchen und zu wahren habe, und machte geltend,
dass er von inneren Rebellen und äußeren Feinden dazu
gezwungen werde, sich aus einem Friedensherrn in einen
Kriegsfürsten zu verwandeln. Stets habe er, Ferdinand,
darauf gesetzt, dass «ein jeder nach seines Stands und Orts
Vermögen solcher Unserer friedfertigen Intention beistehen
und succuriern helfen [werde], so erfahren Wir doch nicht
ohne sonderbare Unsers kaiserlichen Gemüths Bittrigkeit
und Beschwerung, [dass] die obengenannten Unsern und
des Reichs Feind und Rebellen schädliche Machinationes
und Praktiken auch nach so ansehnlichen gegen sie von Gott
dem Allmächtigen erhaltene Sieg und Victorien nit allein
noch nit aufhören oder durch geziemende Mittel bei Uns als
dem Oberhaupt den Frieden suchen, sondern eben dieser
Zeit mit mehrer Assistenz ihre rebellische nicht allein gegen
Uns, sondern des ganzen römischen Reichs Stand und
Verfassung gemachte Anschläg durchzudringen im Werk
sein, auch neben Aufwieglung frembder Potentaten den
Erbfeind christlichen Namens in die Societät ihrer gottlosen
Waffen zu bringen keine Mühe und Arbeit gespart
[haben].» [7]
Hier wird auf die Unternehmungen Ernst von Mansfelds
und Christians von Braunschweig ebenso angespielt wie auf
die Beziehungen einiger protestantischer Reichsstände zu
Dänemark, England, Schweden, den Generalstaaten und
Frankreich. Schließlich werden auch die neuerlichen
Kontakte zu Bethlen Gábor erwähnt, die über die Hohe
Pforte in Konstantinopel zustande kamen. Dagegen
positioniert sich der Kaiser als Macht der Bewahrung und
Kraft des Konservativen. Doch das ist nur eine dem
Herkömmlichen verpflichtete Eröffnung, um die
revolutionären Schritte anzukündigen, die in den
darauffolgenden Abschnitten der Instruktion aufgeführt
werden. Der Kaiser versicherte sich zunächst der Tradition,
um anschließend mit ihr zu brechen.

Aber was war eigentlich so revolutionär an der Aufstellung


einer Streitmacht, die dem Kaiser zur Verteidigung und
Wiederherstellung seiner Position im Reich dienen sollte?
Zwar hatte der Bayernherzog Maximilian seit längerem
darauf gedrängt, dass der Kaiser größere
Rüstungsanstrengungen unternehmen und neue Regimenter
aufstellen solle, anstatt alte abzudanken, aber Maximilian
hatte das unter der Voraussetzung gefordert, dass die neuen
kaiserlichen Einheiten zur ligistischen Armee stoßen und
sich dem Oberbefehl Tillys wie den politischen Vorgaben
Maximilians unterstellen würden. So jedenfalls hatte es der
Münchner Vertrag vom 13. Oktober 1619 vorgesehen, in
dem Maximilian «das völlig Directorium vber der
Catholischen Verfassungs- vnd Defensionswesen»
übertragen und festgelegt worden war, dass «auch Jhre
Kayserliche May. noch iemand anderer vnd deroselben Hauß
in keinerley Weise oder Orth solch Jhro Fürstlichen Durchl.
vberlassene absolut. vnd völlige Direction, weder selbsten
verhindern / noch andern zu thun gestatten / sondern
vielmehr auf allerley Weise vnd Weg trachten / daß selbiges
aller Orthen befurdert werde» [8]. Indem Ferdinand nun eine
eigene Armee unter dem Kommando Wallensteins aufstellen
ließ, die nicht nur gegen Bethlen Gábor operieren sollte, was
Maximilian nicht weiter beunruhigt hätte, sondern im
gesamten Reich, löste er sich aus den Bindungen des
Münchner Vertrags, und das sorgte in den nächsten Jahren
für ständigen Konfliktstoff zwischen Maximilian und
Ferdinand.
Das also war die machtpolitische Pointe von Wallensteins
Angebot, nicht einzelne Regimenter, wie bis dahin üblich,
sondern eine ganze Armada «auf eigene Kosten»
aufzustellen: Diese Armee war ein Instrument der
kaiserlichen Politik – und keine Verstärkung anderer. Um
das zu unterstreichen, hatte Ferdinand Wallenstein am
25. Juli zum General ernannt. Wallenstein war dem Grafen
Tilly damit nicht nur als Herzog von Friedland, sondern auch
im Rang des Generals übergeordnet, denn Tilly
kommandierte das Heer der Liga als Generalleutnant, somit
als Stellvertreter Maximilians. Wallenstein hingegen war
niemandes Stellvertreter, sondern verfügte über
selbständige Kommandogewalt. [9] Der Kaiser hatte ihn, wie
es im Ernennungsschreiben heißt, «umb der gueten
beywohnenden qualiteten, Kriegs experienz und
erfahrenhait zuem General uber dißen Unnßern nach dem
Heil. Römischen Reich abgeordtneten succurs» ernannt und
allem Militär im Reich befohlen, «daß ir in allem
demjenigen, waß sein, deß Herzogen zue Friedtlandt L.
[Liebden] von einer zuer andern Zeit in Unßerm Nammen
schaffen, anordnen und commandiren würdet, demselben
gehorsamblich nachkohmen und volnziehen, alß generalen
uber den succurs seine L. erkhennen, ehren, respectiern und
in allen schuldigen, gebührlichen respect, observanz und
gehorsamb erzaigen». [10]
Das lief auf einen grundlegenden Wechsel der
militärischen Über- und Unterordnungsverhältnisse im Reich
hinaus. Auch wenn Wallenstein in den Instruktionen vom
27. Juni ein gutes und kooperatives Verhältnis zu Tilly
nahegelegt wurde, [11] so war doch klar, dass Tilly und
Maximilian vorerst die zweite Geige spielen würden,
jedenfalls so lange, wie Wallensteins Generalat währte – und
das sollte bis zum Regensburger Kurfürstentag im Sommer
1630 der Fall sein, als die Kurfürsten den Kaiser zur
Entlassung Wallensteins zwangen. [12] Im Sommer 1625
befand sich Maximilian freilich in einer Zwickmühle, aus der
er vorerst nicht herauskam: Erstens hatte er den Kaiser
monatelang bedrängt, endlich größere Kriegsanstrengungen
zu unternehmen, so dass er nun, da der Kaiser dies tat,
schlecht dagegen protestieren konnte, und zweitens war da
die äußere Bedrohung durch die Allianz der protestantischen
Mächte im europäischen Nordwesten sowie die
Militärpräsenz des Dänenkönigs im niedersächsischen Kreis,
wo inzwischen erste Scharmützel mit den Truppen Tillys
stattgefunden hatten. Das Heer der Liga, das unter
Geldmangel und Nachschubproblemen litt, [13] war auf
starke Unterstützung angewiesen, und nach Lage der Dinge
konnte die nur von Wallenstein und dem von ihm
aufgestellten Heer kommen. Maximilian blieb also nichts
anderes übrig, als die missliebige Entwicklung erst einmal
hinzunehmen.
Die andere große Veränderung der bestehenden
Verhältnisse betraf die Finanzierung des Heeres, das in dem
Instruktionsschreiben an Wallenstein auf eine Stärke von
24000 Mann festgesetzt wurde, [14] wobei sich im Sommer
1625 bereits abzeichnete, dass es diese Größenordnung
erheblich übersteigen würde. Einer Mitteilung des
kaiserlichen Gesandten in Madrid zufolge soll Wallenstein
auf die Frage, wie man ein Heer von 50000 Mann
unterhalten könne, wenn das bereits bei 20000 Mann nicht
möglich sei, geantwortet haben, es sei sehr viel leichter, ein
Heer von 50000 Mann zu unterhalten als eines von 20000,
weil man mit dem größeren Heer auch sehr viel mehr
durchsetzen könne. [15] Für Wallenstein war die Frage der
Truppenfinanzierung somit eine Frage der sich
verändernden machtpolitischen Gesamtkonstellation: Auf
den Finanzierungsaufwand für ein kleines Heer konnten die
Reichsstände mit Verzögerungen und Obstruktionstaktiken
reagieren; bei einem großen Heer war das nicht möglich,
weil ein solches Heer sich einfach nahm, was es brauchte –
so Wallensteins Rechnung. Es kam nicht darauf an, die
Stärke des Heeres den gegebenen
Finanzierungsmöglichkeiten anzupassen, sondern man
musste ein so großes Heer schaffen, dass sich allein durch
dessen Existenz die bestehenden Finanzierungsstrukturen
veränderten. Das war mit Wallensteins Anerbieten gemeint,
die Armee «auf eigene Kosten» aufzustellen: Es ging um die
Vorfinanzierung eines Heeres, um die Mittel, die vonnöten
waren, dieses Instrument zu schaffen; war es erst einmal da,
so hatte das Heer sich seinen Unterhalt selbst zu besorgen,
und wenn es entsprechend groß war, war es dazu auch in
der Lage. Wallensteins Schachzug von 1625 kehrte also die
bisherige Herangehensweise um, bei der man die Größe des
Heeres als abhängige Variable des Finanzaufkommens
angesehen hatte. Wallenstein beabsichtigte dagegen, die
Abschöpfung von Steuern und anderen Einnahmen zu einer
abhängigen Variable des Heeres zu machen. Es war neben
der Veränderung der Machtverhältnisse im Reich dieser
Vorschlag, der dem kaiserlichen Hofkriegsrat so großes
Kopfzerbrechen bereitet hatte, dass er monatelang darüber
beraten musste. Wallensteins Angebot war verlockend – aber
was war der politische Preis dafür? Auf jeden Fall eine
deutliche Verschlechterung des Verhältnisses zwischen
Kaiser und Reichsständen.
Dass Wallensteins Angebot nicht bedeutete, er werde das
Heer auf Dauer aus seinen privaten Mitteln finanzieren, war
in Wien allen mit der Materie einigermaßen Vertrauten klar.
Die Unterhaltskosten einer solchen Streitmacht überstiegen
die Möglichkeiten auch des reichsten Mannes im Reich. Karl
von Harrach erläuterte dem Kaiser, es sei unmöglich, dass
Wallenstein «den völligen Krieg auf sein Spesa führen soll
und kann», denn «dergleichen Krieg kann niemand als ein
großer Potentat und nit ein Privatmann führen». [16] Im
Grunde genommen gab es nur zwei Wege, das Heer zu
finanzieren: Entweder übernahm der Kaiser nach der
Aufstellung des Heeres dessen Kosten, oder er gab dem
Heer die Möglichkeit, sich aus den von ihm kontrollierten
Gebieten selbst zu finanzieren. Der Kaiser hatte als
Einnahmequelle jedoch nur die Besteuerung, und diese war
auf seine Erblande beschränkt. Das Heer dagegen konnte
seine Einnahmen aus dem gesamten Reich beziehen. Es war
naheliegend, dass sich Ferdinand angesichts dieser
Alternative für die Selbstfinanzierung des Heeres entschied,
und das hieß, dass er Wallenstein das Recht zur Erhebung
von Kontributionen einräumte, aus denen das Heer bezahlt
wurde. Zwar drang er im Instruktionsbrief darauf, das Land
nicht zu sehr mit Kontributionen zu belasten, aber er gab
Wallenstein das Mandat dazu und beschränkte dieses nicht
auf Feindesland, sondern ließ ihm freie Hand, wo auch
immer für den Unterhalt der Truppen zu sorgen. [17]
De facto lief das auf eine reichsweit einzutreibende
Kriegssteuer hinaus, die freilich nicht von der sonst dafür
zuständigen Landesverwaltung eingetrieben wurde, sondern
von Kommissaren Wallensteins, der sich dabei auf die durch
den Krieg eingetretene Notlage berief. Wie nicht anders zu
erwarten, bedienten sich diese Kommissare häufig
erpresserischer Mittel, um die erforderlichen Summen
einzutreiben. So drohten sie vielen Reichsstädten, in ihnen
Werbeplätze für neu aufzustellende Truppen einzurichten,
was für das städtische Wirtschaftsleben katastrophale
Folgen gehabt hätte. Dann ließen sie sich gegen
entsprechende Zahlungen die Werbeplätze «abkaufen», was
heißt, dass sie andernorts eingerichtet wurden, wenn die
Stadt als Entschädigung für dieses «Entgegenkommen»
einige zehntausend Taler entrichtete. Das von Wallenstein
entwickelte Kontributionssystem war ein
extrakonstitutionelles Mittel, bei dem unklar blieb, ob
Wallenstein es auf die Erfordernisse des Krieges
beschränken wollte oder ob es ihm darum ging, mit diesem
Hebel die Verfassung des Reichs dauerhaft zu verändern.
Valeriano Magni, Kapuziner in bayerischem Dienst, der
Wallensteins Stellung und dessen Absichten in Maximilians
Auftrag auskundschaften sollte, hat diese Entwicklung in
seinen an den Kurfürsten Maximilian adressierten Berichten
nicht als eine auf den Krieg beschränkte Ausnahmesituation,
sondern als radikale Veränderung der Verhältnisse im Reich
beschrieben: «So ist es geschehen, daß Friedland
[Wallenstein] sich nach und nach zum absoluten Herren des
Kaisers und seines Rathes gemacht hat. Er selber hat
wiederholt sich ausgesprochen: er achte ein oder zwei
Fürstenthümer nicht so hoch wie das Verbleiben in den
Waffen.» [18] In den «Kapuziner-Relationen» von 1628 wird
das Heer als ein Instrument beschrieben, mit dem
Wallenstein das Machtgefüge im Reich umstürzen wolle, und
nicht etwa äußere Verhältnisse, sondern Wallensteins
charakterliche Dispositionen werden dafür verantwortlich
gemacht: «Friedland ist von Natur zur absoluten Herrschaft
geneigt.» [19] Das waren die noch diffusen, schon bald aber
immer stärker ausgeprägten Sorgen, mit denen die
Reichsstände den Aufstieg Wallensteins und den Aufbau
eines kaiserlichen Heeres beobachteten.
«Sichtbar war eine Diktatur über dem Heiligen Römischen
Reich errichtet, deren Gesicht und Ziele unsichtbar waren»,
hat Alfred Döblin in seinem inzwischen in Vergessenheit
geratenen Wallenstein-Roman aus dem Jahre 1920
geschrieben. [20] Die Ziele mögen tatsächlich unsichtbar
gewesen sein, aber ein Gesicht hatte die Diktatur durchaus,
wenn man von ihr denn sprechen will: Es war das Gesicht
Wallensteins. Man kann darin, wie Hellmut Diwald das in
seiner Wallenstein-Biographie nahelegt, einen raffinierten
Schachzug des Kaisers sehen, der Wallenstein, ohne das im
Instruktionsschreiben klar zu sagen, mit
extrakonstitutionellen Befugnissen ausgestattet hatte, um
auf diese Weise die Verfassung des Reichs zu verändern, und
zwar in eine Richtung, von der letzten Endes nur einer
profitieren würde – er selbst. Aber der Kaiser blieb im
Hintergrund und erweckte den Anschein, mit all dem nur
insofern etwas zu tun zu haben, als Wallenstein sein General
war. Die Zusammenarbeit zwischen Wallenstein und
Ferdinand beruhte somit auf den wechselseitigen Interessen,
die beide miteinander verbanden, und wäre mit den
Kurfürsten nicht ein dritter Akteur dazwischengekommen,
hätte dieses Bündnis für lange Zeit Bestand haben und zu
einer grundlegenden Veränderung der Reichsverfassung
führen können. Man kann aber auch die These vertreten,
Wallenstein habe sich in seinen Plänen und Handlungen nur
an den Herausforderungen des Krieges orientiert, keine
weiteren politischen Ziele als den Sieg des Kaisers und die
Festigung der kaiserlichen Stellung im Reich angestrebt, wie
er das selbst in seinen Briefen immer wieder herausgestellt
hat; alle anderslautenden Behauptungen waren demnach
Denunziationen seiner Feinde, die sich um ihre eigene
Macht und ihr Vermögen sorgten und deswegen den Mann
auszuschalten suchten, der als Einziger dem Kaiser zum
Sieg verhelfen konnte.
Der Staatsrechtler Carl Schmitt ist in seinem Buch Die
Diktatur der Frage nachgegangen, ob man Wallenstein als
Diktator bezeichnen könne, wie das in der zweiten Hälfte
des 17. Jahrhunderts häufiger geschah, unter anderem bei
Samuel Pufendorf. [21] Der Vorwurf, er habe eine Diktatur
errichtet, war aber bereits während der beiden Generalate
Wallensteins zu hören, und zwar von Seiten der
Reichsstände, die ihre Stellung durch den Aufstieg
Wallensteins bedroht sahen. Schmitt nennt zwei Gründe, die
dafür sprechen, dass die beiden Generalate Wallensteins,
das zweite in noch größerem Maße als das erste, als
Diktatur charakterisiert werden könnten: die völlige
Missachtung der Stände und ihrer Rechte im Reich und die
Selbständigkeit Wallensteins gegenüber dem Kaiser. In
einem ersten Schritt hat er, der juristischen
Herangehensweise entsprechend, die formelle Bestellung
Wallensteins geprüft. Er macht geltend, dass die aus dem
Italienischen übernommene Bezeichnung «Capo» nur für die
Direktionsgewalt über die kaiserlichen Truppen stehe und
die auf Wallenstein übertragenen Befugnisse rein
militärischer Art seien: Schutz und Geleit, Pardon und Gnade
sowie die Freilassung von Gefangenen gegen die Zahlung
von Lösegeld – Letzteres nur eingeschränkt, denn bei
Befehlshabern, Fürsten und Standesherrn sollte das nur mit
kaiserlicher Zustimmung möglich sein. [22] Außerdem
wurden Wallenstein mehrere kaiserliche Räte zur Seite
gestellt, die ihn in allen weiterreichenden Fragen beraten –
und wohl auch kontrollieren – sollten. Die juristische
Prüfung der Bestellung Wallensteins zum Oberbefehlshaber
der kaiserlichen Truppen im Reich, so Schmitts Resümee,
lasse keine diktatorischen Befugnisse erkennen.
Aber wie sah es mit Wallensteins tatsächlicher
Machtbefugnis aus? Schmitt räumt ein, dass nicht alles im
Rahmen einer Instruktion habe festgelegt werden können.
Immerhin würden darin umfassende Konfiskationen
angesprochen, die Wallenstein vornehmen konnte, aber bei
diesen Konfiskationen waren seiner Willkür enge Grenzen
gesetzt: Der Zugriff auf das Vermögen von Gegnern war auf
eine kleine, durch den Kaiser qua Ächtung freigegebene
Personengruppe begrenzt. Es ist bemerkenswert, dass
Schmitt neben der Befugnis zur Konfiskation nicht deren
Praxis angesprochen hat, zumal Wallenstein
Teilkonfiskationen durchführte, bei denen nicht der Kaiser,
sondern Wallenstein selbst und seine Finanzkommissare
festlegten, wer davon betroffen war und wer nicht. [23] Nun
gehörte es seit langem zu den kriegsrechtlichen Regelungen,
dass die Bevölkerung von Gebieten, in denen Militär
einquartiert war, den Soldaten das «Servis» zur Verfügung
zu stellen hatte: Unterkunft, Holz, Licht und Salz. Für alles
andere, insbesondere den Sold, hatte der Kriegsherr zu
sorgen. [24] Sieht man einmal von den wilden Plünderungen
der Mansfeld’schen und Halberstädter’schen Söldner ab, die
sich um das Kriegsrecht nicht scherten, war bereits Tilly
dazu übergegangen, die Bewohner der besetzten feindlichen
Gebiete zu Naturallieferungen an sein Militär zu zwingen. Im
Unterschied zu Mansfeld und Christian ließ Tilly seine
Truppen jedoch nicht wahllos plündern (wenngleich auch
das immer wieder vorkam und Tilly nicht in jedem Fall
dagegen einschritt), sondern erlegte den besetzten Städten
und Regionen Lieferungen auf, für die diese zu sorgen
hatten, was heißt, dass sie selbst über die Verteilung der
Lasten entschieden. Für die Besoldung des Militärs aber war
selbstverständlich die Liga verantwortlich, auch wenn es mit
der Fortdauer des Krieges immer wieder zu erheblichen
Verzögerungen bei der Auszahlung kam. Im Briefwechsel
zwischen Tilly und Maximilian war diese Klage immer wieder
zu hören.

Das 1954 entstandene Gemälde Bernd Bauschkes steht für die


geschichtspolitische Auseinandersetzung mit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
in Deutschland. Während die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts sich mit
großen Schlachten und heroischen Momenten beschäftigte, konzentrierte sich die
Historienmalerei der (frühen) DDR auf die Leiden der Bevölkerung: Ein Trupp
Soldaten überfällt ein Dorf, Männer werden getötet, Frauen betteln um ihr Leben;
ein Haus ist in Brand gesetzt, während ein anderes noch geplündert wird; das Vieh
wird weggeführt, ein Wagen des Soldatentrupps mit geplündertem Gut beladen.

Das änderte sich mit Wallenstein, denn der Unterhalt der


von ihm aufgestellten Armee hing fast ausschließlich an den
Kontributionen, die er im Übrigen nicht auf besetzte
Feindgebiete beschränkte. Kein Gebiet, über das er Macht
hatte, war dabei ausgenommen, ob es sich nun um
Freundes- oder um Feindesland handelte, selbst die
Erblande des Kaisers bildeten keine Ausnahme. Ob
Wallenstein damit seine Instruktionen überschritt, wie
häufig zu lesen ist, [25] ist zweifelhaft. Der Text schließt
solche Kontributionen jedenfalls nicht aus, und der Kaiser
hat auf die wiederholten Klagen über Wallensteins Praxis
nicht mit dem Erlass von Beschränkungen reagiert. Er ließ
Wallenstein gewähren, wobei er wohl davon ausging, dass
sich die Verbitterung gegen Wallenstein und nicht gegen
ihn, den Kaiser, richten werde. Man könnte meinen,
Ferdinand habe hier nach den Vorschlägen gehandelt, die
Machiavelli im VII. Kapitel seines Principe für die
Absicherung eines Macht- oder Verfassungswechsels
gemacht hat. [26] Nach der Eroberung der Romagna hatte
Cesare Borgia dort mit Ramiro d’Orco einen strengen und
grausamen Statthalter eingesetzt, den er mit weitgehenden
Vollmachten ausstattete. Nachdem dieser in kurzer Zeit für
Ruhe und Sicherheit im Land gesorgt hatte, ließ ihn Cesare
absetzen und hinrichten. D’Orcos in zwei Stücke
zerschlagenen Körper stellte er auf dem Marktplatz von
Cesena aus. Cesare Borgia habe damit sichergestellt, so
Machiavelli, dass die Bevölkerung die an ihr begangenen
Grausamkeiten nicht ihm, Cesare, sondern seinem
Statthalter anlastete, von dem er sie nunmehr befreit habe.
Legt man dieses Analyseraster zugrunde (wogegen sich
der tiefkatholische Ferdinand in Anbetracht der Verfemung
Machiavellis durch die Kirche mit Sicherheit gewehrt hätte),
so hatte der Kaiser seinem General die Aufgabe zugedacht,
mit dem System der Kontributionen eine neue Steuer im
Reich durchzusetzen, die nicht an die Bewilligung durch die
Stände gebunden war und nach Gutdünken wie politischem
Erfordernis eingetrieben werden konnte. Das war ein tiefer
Eingriff in die Verfassung des Reichs, die dadurch von einer
Mischverfassung mit monarchischen und aristokratischen
Elementen (monarchia mixta) in Richtung einer souveränen
Monarchie verändert zu werden drohte. Das erklärt, warum
die Reichsfürsten schließlich alles daransetzten, Wallenstein
wieder loszuwerden. Sie sahen in ihm den Mann, der mit den
Mitteln des Krieges dafür sorgte, dass sich im Reich eine
souveräne Macht des Kaisers ausbildete. Zu diesem
Ergebnis kam schließlich auch Carl Schmitt. [27] Die Frage
nach dem Charakter der Wallenstein’schen Generalate
weiterführend, lässt sich also festhalten, dass es sich
weniger um eine Diktatur Wallensteins, sondern um einen
mit seiner Hilfe versuchten stillschweigenden Staatsstreich
gehandelt hat, der, wenn er von Dauer gewesen wäre, einen
grundlegenden Verfassungswechsel im Reich zur Folge
gehabt hätte. Die Reichsstände polemisierten gegen
Wallenstein; tatsächlich hätten sie jedoch ihre Vorwürfe
gegen den Kaiser, den Nutznießer der Veränderungen,
richten müssen.
Betrachtet man den Streit um das von Wallenstein
aufgestellte Heer und die Art seiner Finanzierung als einen
Streit um das Recht des Kaisers, neue Steuern einzuführen,
so erkennt man, dass sich damit eine Situation entwickelte,
die in den Niederlanden und in England zur Revolution
geführt hat. In diesen Revolutionen haben sich die
Besitzenden gegen eine Steuer zur Wehr gesetzt, die ohne
ihre Zustimmung eingeführt wurde. Auf dem Erfolg ihres
Widerstands beruht bis heute das Budgetrecht des
Parlaments als dessen wichtigste Befugnis – eine tragende
Säule der Gewaltenteilung. Auch im Reich setzten sich
letzten Endes diejenigen durch, die sich gegen die
Einführung einer neuen Steuer wehrten, nur führte ihr
Widerstand nicht zu einer Revolution, sondern zur
Absetzung Wallensteins auf dem Regensburger
Kurfürstentag im Jahr 1630. Will man das Theorem vom
deutschen Sonderweg historisch konkretisieren, so steht am
Anfang dieser Entwicklung, die sich von Westeuropa abhob,
die Auseinandersetzung um das Besteuerungsrecht, bei der
es nicht zur Bildung einer revolutionären Partei mit einem
entsprechenden politischen Programm kam – sondern es
genügte, den Generalissimus des Herrschers abzusetzen, um
solche Ansprüche abzuwehren.
Die Austragung dieses Konflikts und sein Ausgang hingen
in Deutschland letzten Endes damit zusammen, dass er mit
einem Krieg verbunden war, der sowohl ein innerstaatlicher
als auch ein zwischenstaatlicher Krieg war. Der Unterschied
zwischen Verfassungswahrung und Verfassungsbruch wurde
dadurch unklar: Wie aus den Vorreden zu allen Verträgen
und Deklarationen ersichtlich, nahmen alle Seiten für sich in
Anspruch, Verteidiger der alten Ordnung zu sein.
Dementsprechend verlief die Bildung von Parteien nach
anderen Vorgaben als denen, die zur Gegenüberstellung von
Revolutionären und Konservativen führten. Dabei begannen
in den europäischen Revolutionen die nachmaligen
Revolutionäre häufig als Konservative, als Verteidiger der
Verfassung, und die nachmaligen Reaktionäre machten
zunächst mit tiefen Eingriffen in die bestehende Ordnung
von sich reden. [28]
Ein weiterer Grund für die Sonderentwicklung
Deutschlands war die Person Wallensteins und die Rolle, die
er bei der Ausweitung der kaiserlichen Eingriffsrechte in die
Besitz- und Vermögensverhältnisse spielte. Für Wallenstein
stand der casus necessitatis, der Not- und Ausnahmefall, im
Mittelpunkt seiner Überlegungen. Das ist wenig
überraschend, wenn man in Rechnung stellt, dass seine
Vorstellungen durch die Besitzumwälzung nach dem
böhmischen Aufstand geprägt wurden. Der Widerstand
gegen Wallenstein war nicht geeignet, eine breite
Volksbewegung zu werden. Dass der Kaiser beziehungsweise
seine Räte diesen Mann zum Angelpunkt des
Veränderungsprojekts machten, war ein genialer Schachzug,
denn so war es möglich, dass sich der Hof, wenn dies
unumgänglich werden sollte, davon distanzieren und alle
Verantwortung auf Wallenstein abschieben konnte: Der
eigentliche Nutznießer der umstürzlerischen Veränderung
konnte so jederzeit in die Rolle eines Bewahrers des
Bestehenden zurückwechseln. Was eigentlich ein
struktureller Prozess war, fand in Wallenstein seine
Verkörperung. Das zeigt sich nirgendwo deutlicher als in der
Beschreibung der Verhältnisse im Reich durch den
spanischen Botschafter, den Markgrafen von Aytona, am
12. Februar 1628: «Der Kaiser in seiner Güte hat», heißt es
dort, «ohne daß die Warnungen von vielen Seiten etwas
dagegen auszurichten vermochten, dem Herzoge
[Wallenstein] eine solche Macht eingeräumt, daß man die
Besorgnis darüber nicht verwinden kann; denn zur Stund ist
der Herzog der Herr über alles, ohne dem Kaiser etwas
Anderes zu belassen als den Namen. Der Herzog behauptet
dem ganzen Hause Ew.M. sehr getreu zu sein. Er ist es unter
der Voraussetzung, daß man ihn über das Ganze mit der
absoluten Macht walten läßt, die er zur Zeit in Händen hat.
Allein bei dem geringsten Widerspruche gegen seine
Entwürfe wird man keine Sicherheit haben; denn er ist von
Natur so heftig und unbeständig, daß er seiner selbst nicht
Herr zu bleiben weiß.» [29]
Das verweist auf eine weitere Dimension des
Dreißigjährigen Krieges, die dazu beigetragen hat, dass er
so lange dauerte und es so kompliziert und mühsam war, zu
einem Frieden zu finden: die Verbindung der Glaubensfrage
mit dem Souveränitätsproblem. Nun hat es das auch in
anderen Ländern gegeben, etwa in Frankreich, wo
Ludwig XIV. das religiöse Toleranz garantierende Edikt von
Nantes am 18. Oktober 1685 aufhob, um seinen
Souveränitätsanspruch geltend zu machen. Aber der
Konfessionskrieg in Frankreich unterscheidet sich vom
Dreißigjährigen Krieg im Reich doch darin, dass er
weitgehend (wenn man von kleineren englischen und
spanischen Unterstützungsleistungen für die jeweils
verbundenen Parteien absieht) ein innerer Krieg geblieben
ist. Der Krieg im Reich hatte dagegen aufgrund der
geopolitischen Konstellationen, insbesondere der
«Mittellage» Deutschlands, [30] von Anfang an eine
internationale Dimension. Zu den Fragen der Konfession und
den Problemen der Verfassungsordnung kamen also noch
die Spannungen innerhalb der europäischen
Machtverhältnisse hinzu, und das hatte zur Folge, dass
Ferdinand beziehungsweise Wallenstein den Krieg nutzen
konnte, um die Verfassungsordnung des Reichs zu
verändern. Das unterscheidet die deutsche Entwicklung von
der Englands, wo nach zwei Revolutionen ein stabiles
Gleichgewicht von Parlamentsregierung und
konstitutioneller Monarchie entstand, und ebenso von der
Entwicklung Frankreichs, wo in einer dem englischen
Modell entgegengesetzten Auflösung des
Souveränitätsproblems sich der Prototyp absolutistischer
Herrschaft entwickelte. Wallenstein hat für das Reich eine
Lösung im Sinne des französischen Modells angestrebt.
Nachdem der Kaiser sich auf dem Kurfürstentag von
Regensburg im Jahre 1630 als zu schwach erwies, diesen
Weg gegen die Reichsstände durchzusetzen, ließ Wallenstein
während seines zweiten Generalats, in das einzuwilligen
Kaiser und Reichsstände durch die Siege Gustav Adolfs
gezwungen waren, Neigungen erkennen, ihn notfalls auch
allein zu beschreiten. Dabei hat er dann auch diktatorische
Elemente ausgebildet, die letzten Endes aber nicht griffen.
[31] Eine auf Caesar gemünzte Formel des Althistorikers
Christian Meier aufgreifend, könnte man von der «Ohnmacht
des allmächtigen Dictators» Wallenstein sprechen. [32]
Die Diskussion über Wallenstein, über seinen angeblichen
oder tatsächlichen Verrat am Kaiser, über seine
diktatorischen Bestrebungen und nicht zuletzt über seinen
Charakter, ist seit dem 19. Jahrhundert durch die Frage
bestimmt worden, welchen Verlauf die deutsche Geschichte
genommen hätte, wenn Wallenstein die ihm
zugeschriebenen Ziele, einen Friedensschluss zu erreichen
oder die kaiserliche Macht zu stärken, hätte realisieren
können. [33] Die von dem «Rätsel Wallenstein» ausgehende
Faszination zeigt sich auch in der Diskussion tschechischer
Historiker über die Frage, ob ein Erfolg Wallensteins dazu
geführt hätte, dass sehr viel früher ein tschechischer
Nationalstaat entstanden wäre. [34] Einen Schub hat die
Beschäftigung mit Wallenstein im Übrigen immer dann
erfahren, wenn man seinen Aufstieg und Fall als historischen
Spiegel benutzen konnte, um sich den zukünftigen Weg
eines politisch-militärisch durchsetzungsfähigen
Zeitgenossen vor Augen zu führen: Das gilt für Schillers
Auseinandersetzung mit dem Dreißigjährigen Krieg und
insbesondere mit der Person Wallenstein, in der sich –
auch – der Aufstieg Napoleons spiegelt, [35] und das gilt
noch einmal für Alfred Döblins Wallenstein-Roman, in dem
die Karriere Ludendorffs reflektiert wird sowie die Frage,
welchen Verlauf der Krieg und die deutsche Geschichte
genommen hätten, wenn Kaiser Ferdinand beziehungsweise
der in ihm gespiegelte Kaiser Wilhelm keine so schwachen
und abhängigen Gestalten gewesen wären. [36] Die
Undurchsichtigkeit Wallensteins, sowohl seines Charakters
als auch seiner Pläne, hat dazu geführt, dass er zu einem
geschichtspolitischen Deutungsmuster wurde, das immer
dann griff, wenn man es mit mächtigen Militärs zu tun hatte,
die politische Ansprüche erhoben. Das hat die Beschäftigung
mit Wallenstein intensiviert, teilweise aber den Blick für sein
Agieren im Dreißigjährigen Krieg verstellt.

Eine der vielen Kontroversen um Wallenstein dreht sich um


die Frage, was dessen System der Heeresfinanzierung
längerfristig für das soziale und wirtschaftliche Leben
Deutschlands bedeutet hätte, wenn es nicht mit dem Sturz
Wallensteins beziehungsweise seiner Ermordung in Eger
beendet worden wäre. Auf der einen Seite steht die These,
Wallenstein habe mit dem Kontributionssystem einen
weiteren Eskalationsschub eingeleitet. Die anderen
Söldnerführer hätten rasch vieles von den Wallenstein’schen
Neuerungen kopiert, so dass dem Krieg weitere Ressourcen
zugeführt worden seien, die sein baldiges «Ausbrennen»
verhindert hätten. Obendrein habe Wallensteins Art der
Heeresfinanzierung auch Folgen für die Kriegführung selbst
gehabt. «Einmal», so der Erlanger Historiker Axel Gotthard,
der diese Sicht prononciert vorgetragen hat, «weil möglichst
weite Landstriche besetzt, mit Musterplätzen, Garnisonen
usw. überzogen sein müssen – damit das kontribuierende
Gebiet ausreichend groß ist. Trotzdem muss man die
Schauplätze im Kriegstheater zweitens immer wieder
verlagern, von erschöpften, ausgesaugten Gebieten in noch
prosperierende, weil bislang unbehelligte, friedliche
Gegenden. Dass sich Wallensteins Truppen in den späten
1620er Jahren über ganz Norddeutschland ergossen, liegt in
der Logik des Systems. Dieses war für eine Eingrenzung, gar
Regionalisierung des Konflikts nicht günstig.» [37]
Gotthard geht in seiner Beurteilung von Wallensteins
System der Heeresfinanzierung und Kriegswirtschaft davon
aus, es habe sich dabei nicht um eine Neuschöpfung,
sondern um eine «konsequente Effizienzsteigerung» der
bisherigen Methoden zur Kriegsfinanzierung gehandelt.
Wallenstein habe «mehr Sozialprodukt für den
Heeresbedarf» abgeschöpft «als die Feldherrn vor ihm». [38]
Das ist im Prinzip eine Variation der Kapuziner-Relation des
Valeriano Magni, in der freilich weniger strukturelle Zwänge
dafür verantwortlich gemacht werden als vielmehr der
Machtwille Wallensteins: «Das Verfahren, die Soldaten
durch die Erweiterung der Quartiere zu befriedigen, hängt
völlig von seinen Winken ab, so daß der Kaiser über die
Armee des Friedland keine andere Autorität hat als welche
dieser will und zugesteht. […] Er sucht alles Geld nicht bloß
aus den Erbländern, sondern auch aus dem ganzen Reiche
heraus zu saugen. Darum hört er nicht auf andere
Vorschläge. Wie der spanische Botschafter mir gesagt, hat
seine Regierung um der eigenen Interessen im Reiche willen
dem Kaiser 800000 Thaler jährlich für den Unterhalt des
Heeres angeboten. Als der Kaiser das dem Friedland
mittheilte, nahm er es sehr übel und wollte nichts davon
wissen, mit der Behauptung, daß er die Mittel finden werde,
das Heer zu unterhalten. Zu anderer Zeit hat er sich
geäußert, daß er das Heer noch 25 Jahre lang erhalten und
in jeden beliebigen Theil Europas führen werde.» [39]
800000 Taler waren indes nur ein Bruchteil dessen, was der
Unterhalt des Heeres im Jahr kostete. Ein einziges
Infanterieregiment von etwa 3000 Mann kostete pro Jahr um
die 400000 Gulden; im Jahre 1628 dürfte die gesamte
kaiserliche Armee um die 20 Millionen Gulden gekostet
haben. [40]
Die Gegenposition dazu argumentiert, Wallensteins
Kontributionssystem sei eine im Vergleich mit alternativen
Formen der Heeresfinanzierung sozioökonomisch eher
schonende Form der Mehrproduktabschöpfung gewesen, da
es nicht nur das vom Heer kontrollierte Feindesland,
sondern auch die eigenen Territorien einbezog. Dadurch
habe sich die Belastung gleichmäßig verteilt und sei so
leichter zu tragen gewesen als bei einem System, das einem
begrenzten Gebiet die gesamte Last des Heeres übertrug.
Das destruktive Element der Kriegsfinanz bei räumlich
begrenzten Kontributionen steigerte sich noch, wenn der
Sold der Soldaten, der anderweitig aufgebracht werden
sollte, einmal ausblieb. Dann nämlich schwand die Disziplin
im Heer, und die Soldaten holten sich selbst, wovon sie
meinten, dass es ihnen zustand. Ein zuverlässiges
Finanzierungssystem erleichterte es demgegenüber, die
Disziplin aufrechtzuerhalten.
In der «Instruktion für Wallenstein» vom 27. Juni 1625
hieß es ausdrücklich, Wallenstein solle dafür sorgen, «dass
unter dem Kriegsvolk starke Disciplina gehalten werde, […]
damit die Freund nicht unterdruckt, die armen Unterthanen
ausgesogen und vertilgt, durch Verschwendung der
Victualien und Vivers [Lebensmittel und Unterkunft] das
Kriegsvolk selbst nachmalen in Hunger und Noth gesetzet,
auch andere unzählige aus einem undisziplinierten Wesen
erfolgende Ungelegenheit, Defection und Abfall verhütet
werden» [41]. Die regelmäßige Soldauszahlung, die durch das
Kontributionssystem gewährleistet werden sollte, wird hier
als die Voraussetzung eines regulierten Kriegswesens
dargestellt, als Vorbedingung der Disziplin unter den
Soldaten, die im Weiteren den eigenen Untertanen wie dem
Heer selbst zugute komme. In den zitierten Abschnitt ist
eine lateinische Passage eingeschoben, bei der es sich um
die Variation eines bekannten Augustinus-Satzes handelt:
«Sine qua [disciplina] bella nihil aliud quam magna sunt
latrocinia» – ohne Disziplin sind Kriege nichts anderes als
[Züge von] Räuberbanden. [42] Das von Wallenstein
aufzustellende Heer sollte also für eine Abkehr von dem seit
Kriegsbeginn zu beobachtenden Disziplinverfall sorgen, es
sollte die Rückkehr zu den früheren Regeln des Kriegsrechts
bewirken.
Unter diesen Voraussetzungen wurde in der Instruktion
von Wallenstein erwartet, dass er strikt unterband, was über
«die tägliche Nothdurft» des Heeres hinausging;
ausdrücklich genannt werden «das unchristliche Brennen,
Sengen, Brandschätzen, Rauben, Schänden und
Nothzwängen ehrlicher Frauen und Jungfrauen». Gelinge
das, so «werde der Zorn Gottes von Unserer Armada
abgewendet» und Wallenstein dafür gerühmt, dass durch ihn
«die fast verfallene Kriegsdisciplin wieder erhoben und
bestätigt worden, welches allein vielen ansehnlichen
Kriegsobristen einen unsterblichen Namen gemacht». [43] Ist
es Wallenstein nun tatsächlich gelungen, die «verfallene
Kriegsdisciplin» wiederherzustellen? Er hat es jedenfalls
versucht und ist mit drakonischen Strafen gegen willkürliche
Plünderungen vorgegangen. Der Wallenstein-Biograph
Diwald bemerkt dazu: «Da sind Entlassungen, Haftbefehle,
Kerkerstrafen bei höchsten Offizieren, da werden
Regimentskommandeure in Eisen gelegt, da befiehlt
Wallenstein die Verhaftung eines seiner tapfersten
Reiterobristen, Daniel Hebrons, wegen Gelderpressungen,
da stößt er einen Rittmeister aus der Armee, weil ein Kornett
seiner Kompanie Bauern eine Schafherde und neun Kühe
geraubt hat.» [44]
Das größte Aufsehen erregte die Hinrichtung des Obristen
Adam Wilhelm von Schellard. Nachdem Wallenstein ihn
mehrfach aufgefordert hatte, die exzessiven Übergriffe von
Angehörigen seines Regiments auf die Zivilbevölkerung
abzustellen, dies aber nichts fruchtete, ließ er ihn verhaften
und in Ketten legen. Ein Kriegsgericht verurteilte den
Obristen zum Tode auf dem Rad, und Wallenstein erwies ihm
die Gnade, ihn erst enthaupten zu lassen, bevor sein Körper
zerschlagen und aufs Rad geflochten wurde. Wallenstein tat
viel dafür, dass sich die Soldaten seines Heeres an das
Kriegsrecht hielten, und er konnte sich das leisten. Sein
Heer litt nie unter mangelndem Zuzug, denn bei ihm gab es
den höchsten Sold, und der wurde regelmäßig ausgezahlt.
Im Unterschied zu Tilly musste Wallenstein nie
Plünderungen zulassen oder doch hinnehmen, weil sie ein
Ersatz für ausbleibende Soldzahlungen waren. [45] Das
schloss indes nicht aus, dass auch Wallensteins Truppen
plünderten, aber da der Feldherr dagegen einschritt, war es
seltener der Fall als bei anderen Heeren. «Das ist der ganze
Sinn des Kontributionssystems», so der Wallenstein-
Biograph Hellmut Diwald, der die These von der Gesellschaft
und Wirtschaft schonenden Heeresfinanzierung durch
Wallenstein am entschiedensten vorgetragen hat, «dieser
eigentümlichen, genialen, verfluchten, gerühmten und bald
von jedem Fürsten imitierten Schöpfung Wallensteins, eines
Systems, das sein Wesen erst im Laufe des Krieges zeigt,
eines Systems, das dem Augenschein nach unerhörte
Belastungen bringt, das aber – wäre es nach Wallensteins
Konzeption befolgt worden – das Reich vor all den
grauenvollen Zerstörungen bis zur Wurzel bewahrt hätte, die
nach Wallensteins Ende, im zweiten Akt des Krieges,
Wirklichkeit wurden.» [46]
Das Finanzierungssystem des Heeres brach mit der
Entlassung Wallensteins auf dem Kurfürstentag in
Regensburg zusammen. Mit ihm war der Garant des
Geldflusses herausgebrochen. Hans de Witte, der in Prag
ansässige Bankier Wallensteins, der die Geldströme in Gang
hielt, war von einem Tag auf den anderen bankrott; alle, die
ihm bis dahin bereitwillig Kredit gewährt hatten, waren nun
zögerlich, nachdem der große Kriegsunternehmer
verschwunden war, der die Bedienung der Kredite garantiert
hatte. Vier Wochen nach Wallensteins Entlassung stürzte
sich de Witte in den Brunnen seines Hauses und ertrank. [47]
Unterdessen lösten sich die ersten Regimenter der vordem
so stolzen Armee auf; nachdem der Kaiser als
Zahlungsverpflichteter an die Stelle Wallensteins getreten
war, war kein Sold mehr zu bekommen; Soldaten wie
Offiziere verließen die kaiserlichen Truppen und suchten
anderswo Beschäftigung. Binnen weniger Monate war die
zuvor gefürchtete Armee nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die
Dessauer Brücke
1625 war der Krieg in Norddeutschland noch nicht richtig in
Gang gekommen: Tilly war mit dem Heer der Liga zwar in
den niedersächsischen Kreis eingerückt, aber dann hatten
Versorgungsprobleme und der starke Widerstand dänischer
und niedersächsischer Truppen ihn am weiteren Vormarsch
gehindert; der Feldzug erstarrte zu einem Positionskrieg, bei
dem feste Plätze und Schlösser belagert und erobert,
gehalten und zurückerobert wurden. Dabei machte keine der
beiden Seiten entscheidende Fortschritte. Tilly wartete
darauf, dass Wallenstein mit seinem neuen Heer auf dem
Kriegsschauplatz erscheinen würde, und Christian wartete
ab, ob es zu der erhofften Allianz mit England, den
Generalstaaten und Frankreich kommen würde. Für die
nördlichen Niederlande hatte sich mit dem Fall der Festung
Breda – einem Ereignis, das heute mehr durch Velázquez’
großes Gemälde im Madrider Prado als durch seine Relevanz
für den Fortgang des Krieges bekannt ist – die militärische
Lage verschlechtert, und es war absehbar, dass die
zugesagten Gelder zunächst einmal im eigenen Land
gebraucht würden, um die Festungsbarriere gegen General
Spínola, den Sieger von Breda, wieder zu stabilisieren. In
Frankreich war ein neuer Hugenottenaufstand
ausgebrochen, der Richelieus Aufmerksamkeit in Anspruch
nahm, und in England war König Karl damit beschäftigt, die
Regierungsgeschäfte neu zu ordnen. Außerdem musste noch
geklärt werden, welche strategische Rolle Mansfeld spielen
würde: ob er sich mit den Truppen Christians
zusammenschließen sollte, um einen großen Schlag gegen
Tilly zu führen, oder als strategische Reserve zurückzuhalten
war für den Fall, dass Wallenstein zum norddeutschen
Kriegsschauplatz marschieren würde. Nach dem
fehlgeschlagenen Versuch, das belagerte Breda zu
entsetzen, hatte Mansfeld am Niederrhein ein Heerlager
errichtet, von wo aus ihm beide Möglichkeiten offenstanden.
[1] Tilly wiederum erhielt aus München die Anweisung, unter
keinen Umständen die Armee in einer Schlacht gegen den
Dänen Christian aufs Spiel zu setzen, [2] und Wallenstein
blieb bis zum Frühherbst mit der Aufstellung und Musterung
seiner Truppen beschäftigt. [3] Von Wallensteins Truppen
war vorerst nicht zu erwarten, dass sie in das Geschehen
eingriffen, zumal auch noch erwogen wurde, sie nach
Mähren zu verlegen, da ein neuerlicher Einfall Bethlen
Gábors drohte. Und so war 1625 ein Jahr des Scharmützel-
und Belagerungskrieges ohne entscheidende
Veränderungen.
Als sich Tilly und Wallenstein am 13. Oktober bei
Hemmendorf, einem Ort an der Straße von Hameln nach
Hildesheim, erstmals trafen, ging es nicht um
Kriegsstrategien, sondern um die Aufteilung der
Winterquartiere, die von ihren Truppen bezogen werden
sollten. Man verständigte sich darauf, dass Tilly im Raum
Hildesheim und Braunschweig und Wallenstein in den
Gebieten um Halberstadt und Magdeburg Quartier nehmen
würden. Wallenstein erhielt damit die besseren Quartiere,
denn die von ihm bezogenen Gebiete waren bislang vom
Krieg verschont geblieben, während in den Territorien Tillys
seit Jahren Truppen konzentriert worden waren und
gekämpft hatten. [4] Diese Aufteilung der Winterquartiere
war indes durchaus sinnvoll, da Tilly mit den dänisch-
niedersächsischen Truppen bereits Gefechtskontakt gehabt
hatte, so dass ein Positionswechsel beider Heere überaus
riskant gewesen wäre. Zudem war es angezeigt, die
Winterquartiere nicht in einem Gebiet zu konzentrieren, weil
dies zu Versorgungsproblemen geführt hätte. Auch war es
ratsam, starke Kräfte in der Nähe der Elbe bereitzustellen,
die Kurbrandenburg in Schach hielten, von dem man wusste,
dass es sich dem Dänenkönig eigentlich hatte anschließen
wollen. Überdies musste man immer noch mit einem
Eingreifen des schwedischen Königs rechnen, was vor allem
in den Überlegungen Wallensteins eine große Rolle spielte.
[5]

In Anbetracht der schwierigen Ausgangslage verlief das


Treffen zwischen Tilly und Wallenstein überraschend
harmonisch. «Ich und der General Tilly vergleichen uns gar
wohl», schrieb Wallenstein nach dem Hemmendorfer Treffen
an den Kaiser, «wolle Gott, daß alle Ihro Majestät Minister
mindestens sich so wohl vergleichen täten.» [6] Man kann
sich kaum einen größeren Gegensatz vorstellen als zwischen
den beiden Männern: [7] auf der einen Seite der jesuitisch
erzogene Brabanter Adlige Tilly mit der Kriegserfahrung von
bald fünf Jahrzehnten; auf der anderen Seite der in
religiösen Fragen eher laxe Böhme Wallenstein, der
inzwischen zwar ebenfalls einige Kriegserfahrung
gesammelt hatte, dem aber der Ruhm siegreich bestandener
Schlachten noch fehlte. Dann der körperliche Unterschied:
Tilly klein und zierlich mit grauem kurzgeschnittenem Haar,
Wallenstein dagegen hochgewachsen, in der Blüte der Jahre
und vor Selbstbewusstsein strotzend. Und der
Rangunterschied: Der Graf auf der einen, der neugekürte
Herzog auf der anderen Seite; Tilly, der sich auch in
militärischen Fragen immer wieder in München
rückversichern musste, Wallenstein, mit weitreichenden
Vollmachten des Kaisers ausgestattet, ein Mann mit eigenen
strategischen Vorstellungen und gewillt, diese auch
durchzusetzen. Das war eine Ausgangslage, bei der mit
erheblichen Konflikten zu rechnen war, doch zu denen kam
es nicht. Das Treffen von Hemmendorf verlief so, dass sich
zwischen beiden Männern ein Verhältnis gegenseitigen
Respekts entwickelte. Es wurde keine Freundschaft, derlei
war beiden ohnehin fremd; man hatte jedoch so viel Achtung
voreinander, dass man die strategischen Dispositionen
gemeinsam absteckte und sich dabei gegenseitig den Raum
für eigene Operationsführung ließ. Sofern erforderlich, kam
man sich aber auch immer wieder zu Hilfe. Das gilt vor allem
für Wallenstein; freilich verfügte er über die größeren
Ressourcen, während Tilly bis zu Wallensteins Entlassung
immer der bedürftige und notleidende Partner war. Davon,
dass Wallenstein beabsichtigt habe, «die katholische Liga zu
Grunde zu richten», wie es in den Kapuziner-Relationen
heißt, [8] kann also keine Rede sein.

Im Winter 1625/26 ruhte der Krieg, und beide Seiten nutzten


die Ruhepause, um die bereits erwähnten Verhandlungen in
Braunschweig zu führen, in denen die Chancen für einen
schiedlich-friedlichen Ausgleich erkundet werden sollten.
Womöglich wäre das Kriegsjahr 1626 so ähnlich verlaufen
wie das vorangegangene, wenn nicht auf dänisch-
niedersächsischer Seite Ernst von Mansfeld, Christian von
Braunschweig und Johann Ernst von Weimar darauf
gedrängt hätten, entschiedener vorzugehen. Christian von
Dänemark, von einem schweren Sturz bei Hameln im
zurückliegenden Jahr wieder gut erholt, war mit dem
bisherigen Kriegsverlauf dagegen nicht unzufrieden und
durchaus gewillt, den Krieg auch in diesem Jahr in der
bewährten Form weiterzuführen. Tilly und Wallenstein
wiederum hielten sich zunächst zurück, weil sie ihre
Truppen verstärken und in Form bringen wollten; beide
bezweifelten, dass ihre Heere in der gegenwärtigen
Verfassung gefechtsfähig waren. [9] Hier hatte man nichts
dagegen, dass die Kriegspause noch einige Zeit andauerte.
Für Mansfeld stellten sich die Dinge anders dar: Er musste
seinen Geldgebern zeigen, dass es sich lohnte, ihn als
Kriegsunternehmer zu beschäftigen, das heißt, er musste
Bewegung in das Kriegsgeschehen bringen. Auch Christian
von Braunschweig und Herzog Johann Ernst von Weimar
waren von Ungeduld getrieben und hielten strategisches
Abwarten für bloßes Nichtstun.
Den ersten Vorstoß führte Johann Ernst von Weimar,
durchaus in Abstimmung mit Christian IV., und dieser Stoß
richtete sich gegen das Bistum Osnabrück, auf das der Däne
seit längerem ein Auge geworfen hatte, weil er dort einen
seiner Söhne als Nutznießer der reichen Stiftseinnahmen
einsetzen wollte. [10] Im September 1625 war der amtierende
Bischof gestorben; das Domkapitel hatte sich den dänischen
Vorstellungen widersetzt und stattdessen Graf Franz
Wilhelm von Wartenberg, den Kandidaten der katholischen
Seite, zum neuen Bischof gewählt. Der Weimarer
marschierte, die Positionen Tillys umgehend, mit einem
größeren Truppenverband in das Stift ein und zwang die
Domherren mit Waffengewalt, den Prinzen Friedrich von
Dänemark als Koadjutor des Bistums zu akzeptieren. Das
freilich war eher ein Randereignis; für den Fortgang des
Krieges bedeutsamer war, dass sich Tilly auf seiner linken
Flanke bedroht sah und Westfalen erneut zum
Kriegsschauplatz wurde.
Den zweiten Vorstoß führte Christian von Braunschweig,
und dieser richtete sich nach Südwesten: Im April
durchbrach er mit einer überwiegend aus Reitern
bestehenden Truppe die Postenkette Tillys, überschritt die
Weser und fiel in Nordhessen ein, wo er hoffte, zusammen
mit Landgraf Moritz einen neuen Kriegsschauplatz im
Rücken Tillys eröffnen zu können, um die Kräfte der
Gegenseite zu zersplittern. [11] Moritz war diesem Projekt
zunächst nicht abgeneigt, vor allem wollte er das inzwischen
seinem Darmstädter Konkurrenten zugefallene Marburger
Land wieder unter seine Kontrolle bringen. Er hatte aber mit
einem starken dänisch-niedersächsischen Verband
gerechnet, nicht mit der kleinen Truppe Christians von
Braunschweig, mit der es nicht möglich war, die Einheiten
Tillys von Nordhessen fernzuhalten geschweige denn aus
Oberhessen zu vertreiben. Sich mit dem Halberstädter
einzulassen, hieß für Moritz, die Landgrafschaft zum
Kriegsschauplatz zu machen und dabei das Schicksal des
depossedierten Pfälzers zu riskieren – und davor schreckte
er zurück, zumal die Landstände Hessen-Kassels in gut
lutherischer Manier eher kaisertreu waren und schon in der
Vergangenheit der Politik des reformierten Landgrafen die
Unterstützung verweigert hatten. Die Folge war, dass sich
Christian von Braunschweig mit seinen Söldnern wieder
nach Göttingen zurückziehen musste, von wo aus er einen
weiteren Vorstoß unternahm, um kaiserliche Regimenter
zwischen Fulda und Werra zu zersprengen. Doch auch hier
musste er angesichts der Bedrohung Göttingens durch Tilly
sehr schnell wieder zurückweichen. Danach warf die
Tuberkulose den rastlosen Halberstädter aufs Krankenbett;
er starb am 16. Juni in Wolfenbüttel, noch keine
siebenundzwanzig Jahre alt. Seine Feinde behaupteten, er
sei wie König Herodes einem riesigen Wurm erlegen, der
seine inneren Organe zerfressen habe. [12] Das sollte heißen,
dass der Teufel Christian geholt hatte, bevor er weiteres
Unheil anrichten konnte.
«So wüst und unbesonnen der junge Fürst auch sein
mochte», urteilt Moriz Ritter, «unter den schwachen Köpfen
und schlaffen Händen, denen im allgemeinen der Krieg
anvertraut war, hatte er als eine zur That drängende Kraft
gewirkt. Sein Tod war daher ein Verlust gleich dem einer
verlorenen Schlacht.» [13] Emphatischer noch ist das Urteil
Cicely Veronica Wedgwoods: «Christian hatte das Zeug zu
einem großen Führer und wäre einer geworden, wenn er nur
auch die Geduld gehabt hätte zu lernen.» Seine «zumindest
unverzagte Tatkraft […] hätte ihm einen besseren Namen als
den eines bloßen Freibeuters antragen sollen. Seine
Zeitgenossen nannten ihn den ‹tollen Halberstädter›, aber
seine Tollheit hatte etwas von höherer Inspiration.» [14] Auch
wenn uns heute die Emphase solcher Urteile fremd ist, so
treffen sie doch einen zentralen Punkt: Christian hat den
Krieg mit einer Leidenschaft geführt, die den anderen
Protagonisten nicht eigen war; während diese Gewinn und
Verlust, Chancen und Risiken gegeneinander abwogen, zog
er bedingungslos in den Kampf. Christian von Braunschweig
war ein Kriegsunternehmer wie Mansfeld oder auch
Wallenstein, aber einer ohne jedweden Geschäftssinn, einer,
der den Krieg nicht zur Selbstbereicherung oder zum
Erwerb eines Herzogtums betrieb, sondern für den er zu
einem Prozess der Verschwendung wurde – und dies wurde
von Christian bewusst vorangetrieben. Insofern hat er die
Bezeichnung «der tolle Halberstädter» zu Recht erhalten.

Die eine der drei zur Bindung gegnerischer Kräfte


unternommenen Diversionsoperationen, die Christian IV.
von Dänemark zur Vorbereitung der entscheidenden
Auseinandersetzung mit Tilly in Gang gesetzt hatte, war zur
Hälfte erfolgreich gewesen; die andere war letztlich im Sand
verlaufen. Damit hing alles an der dritten Diversion, die von
Mansfeld geführt werden sollte: Sie richtete sich gegen
Wallenstein und sollte dessen Heer binden, so dass es Tilly
nicht zu Hilfe kommen konnte, wenn Christian IV. gegen ihn
die Entscheidung in einer Feldschlacht suchte. Mansfeld
standen starke Kräfte zur Verfügung, nämlich ein komplettes
Heer. Von seinen Operationen hing der Gesamtverlauf des
Feldzugs ab, und deswegen verstärkte Christian dessen
Heer noch durch eigene Verbände unter Hans Philipp Fuchs
von Bimbach, einem gemäßigten Lutheraner, der zunächst in
der kaiserlichen Armee und danach in den Truppen der
Union gedient hatte. Fuchs war ein vorsichtiger Stratege aus
der niederländischen Schule, der für derart riskante
Operationen wie die Mansfelds denkbar ungeeignet war. [15]
Mansfeld seinerseits war froh, eigenständig vorgehen zu
können, wie er das gewohnt war, und nicht an die
engräumige Operationsführung des Dänen gebunden zu
sein. Gleichwohl war er dessen Oberbefehl unterstellt. Wie
weit Mansfeld sich bei einem Diversionsvorstoß gegen
Wallenstein vom dänisch-niedersächsischen Heer entfernen
durfte, war umstritten. Prinzipiell bestanden drei
Möglichkeiten, Wallenstein an einem Angriff auf die linke
Flanke des dänisch-niedersächsischen Heeres oder an seiner
Vereinigung mit Tilly zu hindern: [16] der direkte Angriff auf
die kaiserliche Armada; die Blockierung ihres Nachschubs,
um sie zum Rückzug in die böhmischen Versorgungsgebiete
zu zwingen; schließlich die großräumige Umgehung der
kaiserlichen Truppen, um auf Ziele vorzustoßen, die für den
Kaiser von so großer Bedeutung waren, dass er Wallenstein
auffordern würde, den Mansfeld’schen Scharen zu folgen.
Gegen die erste Option sprach, dass der Ausgang einer
Schlacht immer ungewiss war und Wallenstein eine deutlich
größere Zahl an Soldaten zur Verfügung hatte als Mansfeld.
Außerdem hatte Mansfeld eine ausgeprägte Neigung, große
Schlachten zu vermeiden. Für die zweite Möglichkeit sprach,
dass die Elbe in Reichweite lag; wenn es gelang, den Fluss
für den Nachschub des kaiserlichen Heeres zu blockieren,
musste Wallenstein abziehen – oder seinerseits die Schlacht
suchen. Es kam also darauf an, dass Mansfeld als Erster an
der Elbe war, dort eine Blockade errichtete und aus einer
verschanzten Stellung heraus die Angriffe der Kaiserlichen
abwehren konnte, wie er das 1622 in der Oberpfalz getan
hatte. [17] Mansfeld selbst präferierte indes die dritte Option:
einen Marsch seines Heeres nach Süden, bei dem die
Quartiere der Kaiserlichen im Raum Magdeburg-Halberstadt
und das neutrale Kursachsen umgangen wurden, um über
Schlesien nach Böhmen einzufallen. Dabei konnte er mit der
Unzufriedenheit der böhmischen Bevölkerung infolge der
Zwangskatholisierung und der Besitzumwälzungen nach
1620 rechnen. Es gab obendrein Bauernunruhen, in deren
Verlauf bereits einige Lehnsherren von ihren Bauern
erschlagen worden waren. In einem zeitgenössischen
Bericht heißt es: «Wie dann um Markersdorf viel solcher
rebellischen Bauern sich zusammengetan, selbigen Ort
unversehens überfallen und darin den Herrn von
Wartenberg und seine Gemahlin ermordet. Solchem
Exempel haben die Bauern im Königgrätzer Kreis auch
gefolgt und ihren Herrn, so einer vom Adel und gleichfalls
reformieren wollen, erschlagen. Nicht besser machten es
auch die Bauern um Kuttenberg, welche den Herrn von
Werda, Hauptmann daselbst, um gleicher Ursachen willen
hinrichteten.» [18] Bei einem Einfall in Böhmen war ein
Aufstand von Teilen der Bevölkerung zu erwarten. Die große
Unwägbarkeit eines solchen Feldzugs bestand jedoch darin,
dass Wallenstein dem Mansfeld’schen Heer nicht folgte,
sondern mit Tilly zusammen das dänisch-niedersächsische
Heer angriff, dem Mansfeld dann nicht zu Hilfe kommen
konnte. Das war auch der Grund, warum sich Christian von
Dänemark für die zweite Option entschied: Ein in Schlesien
und Böhmen stehender Mansfeld würde ihn, Christian, bei
einer Konfrontation mit Tilly nicht unterstützen können, aber
ein an der Elbe stehendes Mansfeld’sches Heer würde
binnen weniger Tagesmärsche an der Weser sein.
Unter strategischen Gesichtspunkten war Christians
Entscheidung nachvollziehbar: Im Unterschied zu Tilly, der
seine Truppen so verteilt hatte, dass er sie in relativ kurzer
Zeit konzentrieren konnte, um mit geballter Macht gegen
das dänisch-niedersächsische Heer vorzurücken, hatte
Christian auf eine exzentrische Strategie gesetzt, mit der die
Kräfte der Gegenseite verzettelt werden sollten. Von den
35000 bis 40000 Mann, über die er verfügte, standen ihm in
der um sein Hauptquartier in Wolfenbüttel konzentrierten
Hauptstreitmacht etwa 20000 Mann zur Verfügung; die
anderen waren durch die Vorstöße nach Westfalen und
Hessen gebunden, und die Truppen Mansfelds waren bereits
am 20. Februar in die Altmark abgerückt, wo sie in dem zu
Kurbrandenburg gehörenden, also eigentlich neutralen
Gebiet Quartier bezogen hatten. [19] Es war eine bunt
zusammengewürfelte Truppe, die Mansfeld hatte: [20] Neben
seiner berittenen Leibgarde handelte es sich um sechs bis
acht Regimenter deutscher Fußtruppen, dazu 3000 Schotten
sowie niederländische Reiterei. Schließlich kam der
dänische Verband unter dem General Fuchs von Bimbach
hinzu, so dass Mansfeld über 10000 bis 12000 Mann
verfügte.
Wallensteins strategischem Blick war indes die Bedeutung
der Elbübergänge nicht entgangen: Zum einen war die Elbe
die Versorgungsachse seines Heeres, auf der er den
Nachschub, den er aus Böhmen und dem Herzogtum
Friedland bezog, mit Lastkähnen heranführen ließ; zum
anderen deckte sie die Flanke seiner Aufstellung. «Wer Herr
der schiffbaren Flüsse ist, ist auch Herr des Landes»,
schrieb Collalto an Oberst Johann von Aldringen, der die
Dessauer Brücke sichern sollte. [21] Die Elbbrücke bei
Magdeburg stand unter Wallensteins eigener Kontrolle, die
flussaufwärts gelegene Brücke bei Wittenberg lag bereits
auf kursächsischem Gebiet und wurde durch Streitkräfte
Johann Georgs gesichert. Dass Christian IV. es Mansfeld
gestatten würde, in kursächsisches Gebiet vorzustoßen, war
ganz unwahrscheinlich, weil die dann zu erwartende
Parteinahme des sächsischen Kurfürsten zugunsten des
Kaisers die Kräfteverhältnisse deutlich verändert hätte. Der
einzige Elbübergang, der für Wallenstein gefährlich werden
konnte, war somit die Elbbrücke bei Dessau, die zum
Fürstentum Anhalt-Dessau gehörte, einem jener kleinen
Herrschaftsgebiete, die nicht über die militärische Fähigkeit
verfügten, ihre neuralgischen Orte zu schützen. Wenn
Mansfeld, von dem Wallenstein wusste, dass er seit Mitte
Februar in der Altmark stand, ohne dass der
brandenburgische Kurfürst etwas dagegen unternahm,
angreifen würde und ihn dabei womöglich der
Brandenburger unterstützte, dann war die Dessauer Brücke
die strategisch wichtigste Position des gesamten Feldzugs.
[22] Seit Februar, also zur gleichen Zeit, als Mansfeld in die
Altmark marschierte, ließ Wallenstein beidseits dieser
Brücke Schanzen aufwerfen, die er mit Kanonen bestückte.
Bei Roßlau am nördlichen Ufer wurde ein starkes Bollwerk
errichtet, das von vier Kompanien unter Johann von
Aldringen bezogen wurde; [23] das sollte einen Handstreich
gegen die Brücke, «die strategisch wertvollste Position der
Kaiserlichen in ganz Mitteldeutschland», [24] unmöglich
machen. Wenn man so will, war es Mansfelds Pech, dass er
es im Frühjahr nicht mit einem Taktiker, sondern einem
Strategen als Gegner zu tun hatte, dessen Blick nicht auf das
unmittelbar vor ihm liegende Feld möglicher Attacken
beschränkt war, sondern der weiträumig und in großen
Zusammenhängen dachte und dabei den Punkt der
Entscheidung ausgemacht hatte, bevor sich der Gegner auf
ihn zubewegte.
Wie die Briefe an Harrach zeigen, war Wallenstein im
März unsicher und nervös. Seine Kundschafter berichteten,
dass sich zwei feindliche Kolonnen auf seine Positionen
zubewegten, Mansfeld rechts und Fuchs links der Elbe.
Womöglich waren die Truppen von Fuchs nur die Vorhut der
gesamten dänisch-niedersächsischen Armee, deren Stoß sich
wider Erwarten nicht gegen das Heer der Liga, sondern
gegen die Kaiserlichen richtete. Also befahl Wallenstein
seinem Obristen Aldringen, die Verschanzungen an der
Dessauer Brücke weiter auszubauen. Währenddessen blieb
er selbst in einer Wartestellung, um die Gegenseite zu
beobachten. Am 12. April versuchte Mansfeld, die Dessauer
Brücke im Handstreich zu nehmen, doch das Unternehmen
scheiterte an der Aufmerksamkeit der Verteidiger. Bereits
zwei Tage zuvor hatte Wallenstein seine abwartende
Haltung aufgegeben und mit überlegenen Kräften einen
schnellen Schlag gegen die linkselbisch vorrückenden
Einheiten des Generals Fuchs geführt und ihnen bei
Wolmirstedt in der Nähe von Magdeburg eine schwere
Schlappe zugefügt. Wallensteins Kürassiere hatten das
dänische Fußvolk niedergeritten, woraufhin Fuchs sich in
größter Eile bis nach Tangermünde zurückzog, wo er zuvor
die Elbe überschritten hatte. Wallenstein griff Fuchs in
Tangermünde erneut an und zwang ihn zum Rückzug bis
Stendal. Damit stand fest, dass Fuchs die Mansfelder beim
Kampf um die Dessauer Brücke nicht unterstützen würde. Es
kam hinzu, dass Fuchs, der seiner Ansicht nach
ungerechtfertigt von Christian dem Kommando Mansfelds
unterstellt worden war, Mansfelds Befehl, auf die rechte
Seite der Elbe zu wechseln und in Eilmärschen nach Dessau
zu marschieren, keine Folge leistete.
Mansfeld hat Fuchs’ Insubordination später für den
Fehlschlag von Dessau verantwortlich gemacht. Tatsächlich
hat Fuchs auf Zeit gespielt; man muss ihm jedoch zugute
halten, dass seine Truppen nach den zwei für sie unglücklich
verlaufenen Zusammenstößen mit Wallensteins Reitern
vorerst nicht einsatzfähig waren und deshalb, selbst wenn
sie rechtzeitig bei Roßlau eingetroffen wären, für Mansfeld
keine relevante Verstärkung dargestellt hätten. Dieser hatte
selbst den Fehler begangen, auf die Nachricht von
Wallensteins Überraschungsschlag bei Wolmirstedt den
Angriff auf die Dessauer Brücke abzubrechen, um dem
bedrängten Fuchs beizustehen. Wenn dieses Zurückweichen
Mansfelds seinen Grund in der durch Fuchs’ Rückzug
gefährdeten Flanken- und Rückensicherung gehabt hätte, [25]
dann wäre es konsequent gewesen, wenn Mansfeld,
nachdem er Fuchs nicht mehr hatte helfen können, das
Dessauer Vorhaben abgebrochen hätte. Wollte er hingegen
die Dessauer Brücke unbedingt unter seine Kontrolle
bringen, so hätte er in der Zeit, da Wallenstein einen Teil
seiner Kräfte gegen Fuchs geworfen hatte und infolgedessen
die Verteidiger der Roßlauer Schanzen nicht verstärken
konnte, einen massiven Angriff auf die Stellungen Aldringens
führen müssen, um die Brücke ungeachtet der hohen
Verluste eines Sturmangriffs zu erobern. Als Mansfeld am
21. April wieder bei Roßlau erschien und durch ein
mehrtägiges Bombardement den Angriff auf die
Verschanzungen des nördlichen Brückenkopfes vorbereitete,
war es dafür bereits zu spät, denn inzwischen waren die von
Wallenstein zu Hilfe geschickten Truppen eingetroffen und
hatten die vier Kompanien Aldringens verstärkt.
Wallensteins Leibregiment und das Regiment Tiefenbach
hatten auf der südlichen Seite der Elbe Position bezogen und
konnten die Verteidiger des nördlichen Brückenkopfs
jederzeit unterstützen. Und schließlich war Wallenstein
selbst mit seinen schweren und leichten Reitern im
Anmarsch, so dass die ihm verfügbaren Kräfte denen
Mansfelds um das Doppelte überlegen waren. [26] Durch den
Versuch, Fuchs zu Hilfe zu kommen, hatte Mansfeld Zeit
verloren und nichts gewonnen. Dieser Fehler ließ sich nicht
mehr ausbügeln.
Mansfeld hatte also, irritiert durch Wallensteins
entschlossenes und energisches Agieren, den richtigen
Zeitpunkt zum Angriff verpasst. Als er am 25. April den
Sturmangriff befahl, konnte er freilich nicht wissen, dass
zwei Tage zuvor Aldringens durch den dauernden Beschuss
arg mitgenommene Truppen verstärkt worden waren. Da die
Brücke mit Zeltplanen verhängt war, hatten die Kaiserlichen
unbemerkt die Elbe überquert. In einem fünfstündigen
Gefecht gerieten die Angreifer schon bald in die Defensive,
dann in eine Rückwärtsbewegung, und auch durch den
Einsatz seiner Kavallerie vermochte Mansfeld das Blatt nicht
mehr zu wenden. Gegen Mittag befahl er den Rückzug in
Richtung Zerbst, der aber schnell seine Ordnung verlor, weil
Wallensteins Kavallerie immer wieder in die sich
zurückziehenden Mansfeld’schen Regimenter hineinstieß.
Vor Zerbst bezogen sie noch einmal Gefechtsaufstellung,
konnten sich aber nicht halten und flohen oder wurden
niedergesäbelt.
Der Stich versucht, die verschiedenen Etappen der Schlacht an der Dessauer
Brücke im Jahr 1626 in einem Bild wiederzugeben. Das Hauptgeschehen spielt
sich zwischen der Schanze des Herzogs von Friedland unmittelbar vor der
Elbbrücke (Mitte unten) und der Schanze Mansfelds (obere Bildmitte) ab. Im
Hintergrund Zerbst, wohin Teile der Mansfeldischen flüchten. Im Bildzentrum das
zweifache Aufeinandertreffen der Infanterieblöcke und dazwischen ein
Reitergefecht, bei dem sich die Kavallerie Mansfelds bereits zur Flucht gewendet
hat. Unten rechts das Städtchen Dessau, unten links einzelne Soldaten, die sich in
die Elbe gestürzt haben, um sich zu retten.

Mansfeld verlor an der Dessauer Brücke und bei Zerbst den


Großteil seiner Truppen, sicherlich über 5000 Mann,
darunter die gesamte niederländische Kavallerie und viele
Kanonen. Wallensteins Sieg war ein Triumph des
entschlossenen Gegenangriffs und der energischen
Verfolgung. Es dürften 2000 bis 3000 Mann gewesen sein,
die Mansfeld in den nächsten Tagen wieder sammelte und
zum Aufbau eines neuen Heeres nutzte. Das war indes nur
möglich, weil Wallenstein die Verfolgung bei Zerbst
eingestellt und sich wieder auf die Elbe zurückgezogen
hatte. [27] In den Wiener Hofkreisen, vor allem seitens der
«bayerischen Partei», wie Wallenstein seine Gegner nannte,
ist ihm das als Nachlässigkeit vorgehalten worden. Damit
verband sich eine Reihe weiterer Unterstellungen, um nicht
zu sagen Denunziationen gegen Wallenstein, die den Sieg
schmälerten oder gar ins Gegenteil verkehrten. [28]
Wallenstein hatte bei dem Vorstoß bis Zerbst jedoch davon
ausgehen müssen, dass die Entscheidung des Feldzugs auf
der linken Elbseite fallen würde, und er wollte sich nicht zu
weit von Tilly entfernen, um ihm in der entscheidenden
Auseinandersetzung mit dem dänisch-niedersächsischen
Hauptheer beistehen zu können. Das aber hieß, dass er sich
auf die linke Elbseite zurückziehen musste und Mansfeld
nicht weiter verfolgen konnte.
Der oberösterreichische Bauernaufstand
und der Ungarnfeldzug Mansfelds und
Wallensteins
Mansfelds taktische Fähigkeiten mochten begrenzt sein,
aber als Organisator von Heeren war er allen anderen – mit
Ausnahme Wallensteins – überlegen. In der Umgebung von
Havelberg sammelte er seine Truppen, ließ Soldaten werben
und formte aus ihnen neue Einheiten. Sechs Wochen nach
den Niederlagen bei Dessau und Zerbst hatte er wieder eine
Streitmacht von 4000 Fußknechten und 2000 Berittenen
zusammen sowie 8 Kanonen. [1] Das war freilich eine sehr
viel kleinere Truppe als die, über die er vor dem 25. April
verfügt hatte, und so bat er Christian um eine Verstärkung
von 3000 Fußsoldaten und 1000 Reitern. Als deren Anführer
schlug er Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar vor. Mit
diesem Heer von 10000 Mann wollte Mansfeld nach
Schlesien und Böhmen vorstoßen und in den kaiserlichen
Erblanden einen Aufstand gegen die Habsburger anzetteln,
der, wie er an Christian schrieb, Wallenstein dazu zwingen
werde, mit seinem Heer den norddeutschen
Kriegsschauplatz zu verlassen und ebenfalls nach Schlesien
zu ziehen. Währenddessen, so hoffte Mansfeld, werde er
seine eigenen Truppen mit schlesischen und böhmischen
Freiwilligen verstärken und mit den Einheiten Bethlen
Gábors zusammentreffen, der sich wieder einmal als
Bündnispartner angeboten hatte. Mit ihm gemeinsam wollte
Mansfeld einen Bewegungskrieg gegen Wallenstein führen,
bei dem dessen Heer durch ständige Märsche und
mangelnde Versorgung ruiniert werden sollte. Das Heer
Mansfelds sollte dagegen vom Ostseehafen Stettin aus über
die Oder mit Nahrungsmitteln und Munition versorgt
werden. Da die Ostsee von dänischen Schiffen kontrolliert
wurde, stellte eine Versorgung über Stettin kein Problem
dar.
Es ist bemerkenswert, wie schnell sich Mansfeld von der
schweren Niederlage gegen Wallenstein erholte und das
Scheitern seines Auftrags, die Dessauer Brücke zu nehmen,
dazu nutzte, das von ihm zuvor bereits favorisierte Projekt
eines Diversionskriegs in Schlesien und Böhmen wieder ins
Gespräch zu bringen. Zunächst aber musste Christian
diesem Projekt zustimmen, und dazu brachte Mansfeld
Friedrich von der Pfalz ins Spiel, als dessen Feldherr er sich
gerierte, um gegenüber dem Dänen Bewegungsspielraum zu
gewinnen. Es waren jedoch zwei ganz andere
Einflussnahmen, die Christian von Dänemark Anfang Juni
dazu bewogen, sich mit der schlesischen Diversion
Mansfelds einverstanden zu erklären: die Fürsprache des
Brandenburger Kurfürsten Georg Wilhelm und das
Eintreffen eines Boten von Bethlen Gábor im dänischen
Hauptquartier in Wolfenbüttel.
Der Brandenburger Kurfürst war durch den inzwischen
mehrere Monate andauernden Aufenthalt Mansfelds in der
Altmark in eine politische Zwickmühle geraten: einerseits
durch die von Mansfelds Truppen verursachten
Verheerungen und die Werbung neuer Einheiten,
andererseits durch die immer entschiedenere Drohung des
Kaisers, man werde ihm die kaiserliche Armada ins Land
schicken, wenn er dem Treiben des «proscribirten
Reichsaechters» kein Ende setze. [2] Von den Ständen der
Altmark und vom kaiserlichen Hof bedrängt, forderte der
Kurfürst Christian auf, für einen umgehenden Abzug des
Mansfeld’schen Heeres zu sorgen. Infolgedessen begann
dieser damit, noch einmal über die von ihm zunächst
verworfene dritte Option einer schlesisch-böhmischen
Diversion nachzudenken, und angesichts des Umstands, dass
außer Tilly nach wie vor auch Wallenstein seinem Heer
gegenüberstand, freundete er sich allmählich mit dem von
Mansfeld favorisierten Projekt an.
Die Entscheidung fiel, als Anfang Juni Matthias Quadt von
Wickrath bei Christian eintraf und ihm mitteilte, Bethlen sei
für monatlich 40000 Taler Subsidien bereit, sich der Haager
Allianz anzuschließen. Er schlug vor, ein Heer von
12000 Mann nach Südosten in Marsch zu setzten, das sich
mit seinen Truppen vereinigen solle. [3] Das war eine
Streitmacht, auf die Wallenstein in jedem Fall reagieren
musste – spätestens dann, wenn die kaiserlichen Erblande
bedroht waren. Als Mansfeld meldete, seine Truppen seien
marschbereit, gab Christian die entsprechenden
Instruktionen: Mansfelds um ein dänisches Korps von
7000 Mann verstärkte Söldner sollten nach Schlesien
marschieren und bis zum Eintreffen Bethlens an der Oder
eine feste Stellung beziehen. Das war eine Einschränkung
von Mansfelds Handlungsfreiheit, die dieser hinnehmen
konnte, denn sobald seine Truppen in Schlesien standen,
waren die Kommunikationswege nach Wolfenbüttel lang und
unsicher, und Mansfeld würde selbst entscheiden, was er für
richtig hielt. Sehr viel weniger traf das auf die zweite
Instruktion Christians zu, in der er den Herzog von Sachsen-
Weimar zum Mitkommandanten des Unternehmens ernannte
und anordnete, dass Mansfeld mit ihm alle größeren
Entscheidungen abzustimmen habe. Zudem sollte der
dänische Rat Joachim von Mitzlaff das Heer als
Commissarius begleiten und dafür sorgen, dass Mansfeld
nicht zu selbständig agierte. Christian hatte den
Söldnerführer somit an eine doppelte Kette gelegt.

Am 17. Mai war unterdessen in Oberösterreich beidseits der


Donau der seit langem erwartete Bauernaufstand
ausgebrochen. [4] Bereits im Jahr zuvor hatten sich bei der
Einsetzung eines katholischen Pfarrers in Zwiespalten einige
hundert Bauern zusammengerottet, den Pfarrer sowie den
Verwalter Grünbacher verjagt und anschließend das Schloss
Frankenburg belagert. Als sich die Bauern schon wieder
zerstreut hatten, griff der bayerische Statthalter Adam von
Herberstorff ein und befahl allen Bewohnern der Gegend,
am Pfingsttag gegen Mittag ohne Wehr und Waffen «bei der
großen Linde», einem bekannten Treffpunkt, zu erscheinen –
«und welcher nicht erscheint», so der Verwalter Grünbacher
in seinem Bericht, sollte «um Leib und Leben, Hab und Gut
verfallen sein». [5] Als etwa 5000 Personen
zusammengekommen waren, ließ Herberstorff sie von seinen
Soldaten umstellen und hieß die Richter und Ratspersonen
der Gemeinden vortreten. Die vierunddreißig Männer, die
sich meldeten, wurden an einen Platz geführt, der von
Musketieren gesichert war. Der zurückbleibenden Menge
wurde befohlen, stillzustehen und zuzusehen, was sich jetzt
ereignen werde. «Darauf Herr Statthalter [Herberstorff] den
herausgenommenen Richtern, Ratsverwandten und Achtern
angezeigt, was massen sie alle das Leben verwirkt; aber zu
Gnaden wolle er dem halben Teil das Leben schenken,
solcher Gestalt, daß allerwegen zwei miteinander um das
Leben spielen sollen, der verliert, soll henken. Ist also ein
schwarzer Mantel auf die Erde ausgebreitet, haben
allerwegen zwei miteinander gewürfelt, welche verloren,
sind alsbald vom Freimann [Henker] gebunden. […] Aus den
19 Personen, welche ihr Leben verspielt, sind durch mich
[Grünbacher] und andere zwei Personen ausgebeten und
ihnen das Leben geschenkt worden. Die andern 17 Personen
sind justifiziert [hingerichtet] worden.» [6]
Herberstorffs «kurzer Prozess» ist als Frankenburger
Würfelspiel bekannt geworden, und die Empörung darüber
hat bei dem Bauernaufstand des folgenden Jahres, der sich
nicht zuletzt gegen den bayerischen Statthalter richtete,
eine erhebliche Rolle gespielt. Herberstorff hatte ein bei der
Bestrafung von Söldnern und Landsknechten verbreitetes
Verfahren auf Zivilpersonen übertragen: das in Paaren
erfolgende Würfeln, wie es auch in Callots Radierung «Die
Gehenkten» aus dem Zyklus Les Misères et les Malheurs de
la Guerre zu sehen ist, wo rechts unter dem bereits mit
Gehenkten bestückten Baum zwei Verurteilte um ihr Leben
würfeln. [7] Was bei Söldnern und Landsknechten ein
Gnadenerweis war, wurde im Umgang mit Zivilpersonen zur
zynischen Grausamkeit. Vom Verfahren her war es nämlich
kein Gnadenakt, sonst hätten die ausgewählten Personen
zunächst rechtmäßig zum Tode verurteilt werden müssen –
was nicht der Fall war. Herberstorff ging es vielmehr um
einen demonstrativen Akt der Abschreckung, der die Bauern
von künftigen Zusammenrottungen und Gewalttaten
abschrecken sollte.
Ein Schulwandbild mit dem Titel «Frankenburger Würfelspiel» aus den frühen
1930er Jahren. Links der bayerische Statthalter Adam von Herberstorff zu Pferde,
rechts die lokalen Honoratioren der oberösterreichischen Bauern, im Zentrum die
mächtige Linde, an der die gehängt wurden, die das vor dem Baum stattfindende
Würfelspiel verloren hatten. Das Bild wurde offenbar vielfach als
Unterrichtsmaterial eingesetzt, da sich in vielen Schulmuseen Reproduktionen
davon erhalten haben.

Im oberösterreichischen Bauernaufstand trat die religiöse


Grundierung des Krieges in aller Deutlichkeit hervor; der
Aufstand begann im Frühjahr 1626 als Widerstand gegen die
Rekatholisierungsbestrebungen Kaiser Ferdinands, der trotz
der Verpfändung Oberösterreichs an Bayern nach wie vor
der Landesherr war. Zu Ostern hatte er angeordnet, dass
Adlige und Bürger das Abendmahl in den katholischen
Kirchen zu begehen hätten; wer sich weigere, müsse das
Land verlassen oder habe mit der Einquartierung von
Soldaten zu rechnen – einem verbreiteten
Enteignungsverfahren. Als diese Anordnungen auf die
Bauern ausgeweitet wurden, brach der Aufstand los. Unter
Führung von Stefan Fadinger und dessen Schwager
Christoph Zeller zogen Tausende von Bauern und
Handwerkern los, um ihrerseits katholische Pfarrer zu
vertreiben, vor allem die überaus verhassten Jesuiten.
Amtspersonen, die sich ihnen entgegenstellten, wurden
erschlagen. Christian IV., der in dem Aufstand die ersehnte
Unterstützung sah, mit der die Macht des Kaisers und der
Liga geschwächt werden konnte, schickte den Prediger
Scultetus nach Oberösterreich, [8] um die
Aufstandsbewegung weiter anzuheizen.
Fadinger und Zeller legten derweil bemerkenswerte
militärische Fähigkeiten an den Tag, und so gelang es ihnen,
die Stadt Linz, wo der Statthalter Herberstorff residierte,
mit 50000 Mann einzuschließen. Doch dann fanden beide im
Kampf den Tod, die kaiserlichen Truppen wurden durch die
Regimenter Löbl und Breuner verstärkt und fügten den
nunmehr führungslosen Bauern eine Reihe von
Rückschlägen zu. Am 7. September wurde ein
Waffenstillstand geschlossen, der festlegte, dass allen
Bauern, die zum Gehorsam zurückkehrten, Amnestie
gewährt wurde. Wie bereits beim Bauernkrieg ein
Jahrhundert zuvor zeigte sich hier abermals der
Schwachpunkt von Bauernaufständen: Sie begannen mit
großer Wucht, wuchsen binnen kurzer Zeit zu einer
mächtigen Bewegung an, hatten aber kein
Durchhaltevermögen und verliefen sich nach einigen
Wochen. Deshalb gelang es in den abschließenden
Verhandlungen auch nicht, der Gegenseite Zugeständnisse
abzuringen. Es war, als sei die anfängliche Wut verraucht,
und die zuvor in ihrer Empörung zu jeder Gewalttat bereiten
Bauern kehrten zu ihrer Beschäftigung zurück, als ob nichts
geschehen wäre.
Der oberösterreichische Bauernaufstand wäre wohl Mitte
1626 beendet gewesen, wenn sich nicht Kurfürst Maximilian
eingeschaltet hätte. Ohne Rücksicht auf die zwischen
kaiserlichen Gesandten und Vertretern der Bauern
laufenden Verhandlungen ließ er am 18. September ein
kaiserliches Regiment unter Herzog Adolf von Holstein und
tags darauf ein fast 4000 Mann starkes bayerisches Korps
unter dem Generalwachtmeister Thimar von Lindlo in das
Hausrückviertel einmarschieren. Daraufhin brach der
Aufstand von neuem los, und innerhalb einer Woche fügten
die Bauern Holstein, Lindlo und einem weiteren kaiserlichen
Verband schwere Niederlagen zu. Ihre Wut richtete sich
nicht nur gegen die Soldaten, sondern auch gegen die
Katholiken, denen sie vorwarfen, heimtückisch das Militär
ins Land gerufen zu haben, während gleichzeitig
Friedensverhandlungen geführt wurden. Jetzt wütete der
Krieg «mit allen Schrecknissen eines Bürgerkriegs» [9].

Der neuerliche Bauernaufstand zwang Maximilian, ein


kleines Heer aufzustellen, das unter Führung des Grafen
Gottfried Heinrich zu Pappenheim die Rebellion
niederschlagen sollte. Mit Pappenheim betrat eine der
bemerkenswertesten Gestalten des Krieges die Bühne. [10]
Pappenheim war ein entschiedener Anhänger militärischer
Offensivstrategien und praktizierte diese, als er in mehreren
Schlachten an der Spitze seiner Kürassiere mit blanker
Waffe in die gegnerischen Linien einbrach. Dabei nahm er
auf sich selbst keine Rücksicht; kein Kampf, aus dem er
nicht mit zum Teil schweren Verwundungen zurückkam,
auch solchen am Kopf, wie die Porträts zeigen. Wegen der
vielen sichtbaren Narben erhielt er von seinen Soldaten den
Namen «Schrammhans». In der Schlacht am Weißen Berg,
in der Pappenheim ein Regiment von 1000 Kürassieren
geführt hatte, wurde er bei einem Angriff besonders schwer
verwundet; sechs der zwanzig Verwundungen, die er in
dieser Schlacht erlitten hatte, waren normalerweise tödlich.
Pappenheim überlebte, zunächst wegen seiner robusten
Konstitution, vor allem aber, weil er am Morgen nach der
Schlacht, eingeklemmt unter seinem Pferd, dessen Körper
ihn in der kalten Nacht gewärmt hatte, von Plünderern
gefunden und nach Prag gebracht wurde.
Gottfried Heinrich zu Pappenheim wurde als Protestant
geboren und erzogen, trat aber im Alter von zweiundzwanzig
Jahren unter dem Einfluss von Kardinal Klesl zum
Katholizismus über – was seiner Karriere in kaiserlichen
Diensten zugutekam. Zuvor hatte er in Tübingen und Altdorf
studiert und die für junge Adlige obligate Bildungsreise
durch Europa absolviert. Er beherrschte das Lateinische und
sprach neben seiner Muttersprache Italienisch, Französisch
und Spanisch. Eigentlich war unter diesen Umständen eine
Karriere im Verwaltungsdienst zu erwarten, und
Pappenheim, dem das schwäbische Familienerbe in
Treuchtlingen schon früh zu klein wurde, war zunächst auch
als Beamter in kaiserlichem Dienst tätig. Aber dann
wechselte er ohne einen von außen ersichtlichen Grund im
Sommer 1617 in den Militärdienst und warb im Rheinland
für den Bayernherzog Maximilian eine 200 Mann starke
Kürassiereinheit an. Die schweren Verwundungen, die er in
der Schlacht am Weißen Berg erlitt, schienen für seine
Soldatenkarriere das Ende zu bedeuten: Als Rekonvaleszent
hielt er sich für längere Zeit in seinem Treuchtlinger Besitz
auf und zeigte vorerst wenig Interesse am Soldatenberuf.
Am pfälzischen Krieg nahm er nicht teil.
Der Verwaltung seiner Güter überdrüssig, kehrte
Pappenheim schließlich doch wieder in den Militärdienst
zurück. 1623 wurde er vom Kaiser zum Befehlshaber eines
Kürassierregiments ernannt, das in den folgenden
Kriegsjahren als «die Pappenheimer» bekannt wurde und in
der Schlacht bei Stadtlohn eine zentrale Rolle spielte; später
war es das herausgehobene Regiment im Verband der von
Pappenheim geführten schweren Kavallerie. Pappenheim
bevorzugte den Stoßangriff mit blanker Waffe gegenüber
der Taktik des Caracolierens, bei der die Kavallerie an den
Gegner heranritt, in einem gewissen Abstand die
Reiterpistolen abfeuerte und dann gliedweise zur Seite
schwenkte, damit das nachfolgende Glied der Formation
seine Pistolen abfeuern konnte. So entwickelte sich ein
rollendes Feuergefecht, das nach dem spanischen Wort für
Schnecke, caracola, benannt wurde. Wenn der so
angegriffene Gegner infolge des ständigen Beschusses
schließlich erste Schwächen zeigte, war der Augenblick für
den Stoßangriff mit der Blankwaffe, den «Chok», gekommen.
War dieser erfolgreich, so wurde die Ordnung des
gegnerischen Infanteriegevierts aufgesprengt, was fast
immer einem Wendepunkt der Schlacht gleichkam.
Pappenheims Art, die schweren Reiter zu führen,
zeichnete sich dadurch aus, dass er die Zeit des
Caracolierens relativ kurz hielt oder, wenn die Verhältnisse
das hergaben, ohne vorbereitendes Caracolieren zum
Stoßangriff anreiten ließ. Ausschlaggebend war die
Aufstellung der gegnerischen Tercios und das
Zusammenwirken von Musketieren und Pikenieren. [11]
Zunächst bildeten die Musketiere eine mehrere Glieder tiefe
«Hecke», aus der heraus regelmäßiges Salvenfeuer auf den
Gegner unterhalten wurde. Währenddessen standen die
Pikeniere mit aufgerichteten Lanzen im Zentrum der
viereckigen Aufstellung. Sobald jedoch die feindliche
Kavallerie gegen die Infanterieformation anritt und die
Musketiere infolge der langen Dauer, die das Nachladen der
Musketen in Anspruch nahm, in die Gefahr gerieten,
niedergeritten zu werden, wechselten sie mit den Pikenieren
die Position, die mit gesenkten Lanzen eine stachelige Front
bildeten, um die Kavallerie auf Abstand zu halten. Die
wiederum nahm dann nach der Taktik des Caracolierens die
Pikeniere unter Feuer, was diese untätig aushalten mussten,
da die eigenen Musketiere im Innern des Tercios standen
und nicht zurückschießen konnten. Die Pikeniere konnten
allerdings auch mit gefällter Lanze zum Angriff auf die
Reiter übergehen, oder es wurden einzelne Musketiere in
die Reihen der Pikeniere eingeschoben, um ihrerseits die
Reiter unter Feuer zu nehmen.
Ein Kupferstich nach einem Gemälde des Anton van Dyck, der Gottfried Heinrich
Graf zu Pappenheim im Harnisch, mit Feldherrnstab in der Rechten und Visierhelm
in der Linken zeigt. Verwiesen wird damit auf seinen militärischen Aufstieg als
Kommandeur der schweren Schlachtenkavallerie. Pappenheim galt als tollkühn,
und fast immer stürmte er an der Spitze seiner Kürassiere in den Kampf. Das
Porträt zeigt indes auch Verwundungen, die er dabei erlitten hat, eine Narbe an
der rechten Schläfe sowie die auf der Stirn.

Jeder Wechsel der taktischen Formation im Gefecht war


riskant, denn dabei konnte Unordnung entstehen, und diese
Unordnung bot für den Gegner die Chance, in die
Infanterieformationen hineinzustoßen und sie
aufzusprengen. War das der Fall, so waren die Fußknechte
den Reitern wehrlos ausgeliefert: Die überlangen Lanzen
waren für den Nahkampf ungeeignet, die Musketen konnten
nicht nachgeladen werden, und beim Kampf mit dem
Schwert waren die gepanzerten Reiter den nur leicht
geschützten Fußsoldaten überlegen. [12] In der Regel war das
der Moment, bei dem in den Reihen der Infanteristen Panik
ausbrach und viele sich zur Flucht wandten. [13] Das war der
Augenblick der Entscheidung: Wenn es gelang, ein Tercio zu
zersprengen, und die dort entstandene Panik auf andere
Tercios übergriff, war die Schlacht entschieden.
Pappenheim legte es darauf an, diesen Augenblick
möglichst frühzeitig herbeizuführen. Im Unterschied zu
anderen Generälen vertraute er nicht darauf, dass er im
Verlauf eines über Stunden geführten Gefechts eintrat,
sondern versuchte, ihn mit seinen Kürassieren zu erzwingen.
Das trug ihm den Ruf ein, er pflege eine tollkühne
Gefechtsführung und gehe übermäßig hohe Risiken ein, wie
Tilly mehrfach klagte. Pappenheim konnte darauf erwidern,
er suche die frühe Entscheidung der Schlacht, um der
Gegenseite die Chance zu nehmen, in einem sich
hinziehenden Gefecht ihrerseits die Gunst des Augenblicks
nutzen zu können.
Im Jahre 1625 stand Pappenheim in spanisch-
genuesischem Dienst und hatte ein selbständiges Kommando
im Kampf gegen französische Truppen inne, die das Veltlin
als Teil der «spanischen Gasse» sperren sollten. Nach dem
im März 1626 geschlossenen Frieden von Moncon musste er
sich nach einer neuen militärischen Verwendung umtun, und
die fand er in den Diensten des bayerischen Kurfürsten
Maximilian. Im Rang eines Generalwachtmeisters bekam er
das Kommando über eine etwa 8000 Mann starke Truppe,
die er nach Oberösterreich führte, um den dortigen
Bauernaufstand niederzuschlagen. [14] Mit einer Kriegslist
gelang es ihm, seine Truppen in das von den Bauern
eingeschlossene Linz zu schleusen und die Stadt zu
entsetzen. Dort unterstellte er die zuvor von den Bauern
mehrfach geschlagenen Kaiserlichen seinem Kommando, um
offensiv gegen die Aufständischen vorzugehen. In der ihm
eigenen Art verlor er dabei keine Zeit, und schon wenige
Tage nach dem Entsatz von Linz, am 9. November, kam es
zur ersten Schlacht: Nahe Eferding stieß Pappenheim auf
ein in einer bewaldeten Stellung verschanztes Bauernheer,
das er durch einige Scheinangriffe sowie die demonstrative
Positionierung seiner Kanonen zum Angriff verlockte, um
ihm in offenem Gelände eine vernichtende Niederlage
zuzufügen. Während die bayerisch-kaiserlichen Truppen nur
geringfügige Verluste erlitten, blieben mehr als 3000 Bauern
tot auf dem Schlachtfeld, die meisten von ihnen
niedergeritten und erschlagen, nachdem sie bei ihrem
Angriff von Flankenfeuer erfasst worden und in Panik
geraten waren.
Wenige Tage darauf stieß Pappenheim auf ein weiteres
Bauernheer, das die Stadt Gmunden belagerte. Als sich
Pappenheims Truppen näherten, zogen die Bauern sich auf
eine Verteidigungsstellung im Wald zurück, in der sie mit
Kavallerie nicht anzugreifen waren und ein Infanterieangriff
im Kampf Mann gegen Mann enden musste. In einem
solchen Kampf spielte die waffentechnische und taktische
Überlegenheit der Soldaten keine Rolle; letzten Endes
entschied die schiere Überzahl. Dann aber ließ sich der von
einem Theologiestudenten geführte Hauf zu demselben
Fehler verleiten, den auch die Bauern bei Eferding gemacht
hatten: Die Aufständischen verließen, durch die
Gefechtsaufstellung Pappenheims dazu verleitet, ihre
Stellungen und griffen den scheinbar ungedeckten linken
Flügel des Pappenheim’schen Heeres an. Die dort postierten
Kaiserlichen zogen sich bis unter die Mauern Gmundens
zurück, wo die Bauern in heftiges Musketenfeuer liefen und
ihr Angriff den Schwung verlor. Ähnlich erging es denen, die
den rechten Flügel angriffen und nach einem Scheinrückzug
des von Pappenheim selbst geführten Flügels ebenfalls in
konzentriertes Musketenfeuer gerieten. Die zum Stehen
gebrachten Angreifer wurden von Kürassieren umfasst und
niedergehauen. So war auch die Schlacht von Gmunden eher
ein Massaker als ein Gefecht. Bei Vöcklabrück und Wolfseck
besiegte Pappenheim weitere Bauernhaufen; dabei wurden
auch die Anführer des Aufstandes getötet oder fielen in die
Hände des ligistisch-kaiserlichen Heeres.
Das war das Ende des Aufstandes. Ihm folgten in Linz
Exekutionen in großer Zahl, dazu Eingriffe in die
Besitzverhältnisse derer, die beim Aufstand zwar keine
führende Rolle gespielt, aber in der einen oder anderen
Weise die Aufständischen unterstützt hatten. Bei dem
Gericht, das der Statthalter Herberstorff, Pappenheims
Stiefvater (er hatte Pappenheims früh verwitwete Mutter
geheiratet), hielt und das von jedem weiteren Aufstand
abschrecken sollte, zeigte sich auch wieder die religiöse
Dimension des Krieges, die bereits am Anfang des
Aufstandes gestanden hatte, denn jetzt wurde die
katholische Gegenreformation konsequent durchgesetzt, und
sie zielte als Erstes auf den Adel und die Bürgerschaft
Oberösterreichs. «Sie mußten», so der Historiker Moriz
Ritter, «kraft neuer Erlasse auswandern oder katholisch
werden. Merkwürdigerweise machte man jedoch den Bauern
gegenüber eine kleine Ausnahme. War es die Sorge vor
einem nochmaligen Verzweiflungsausbruch oder die
Rechnung, daß man dem verwüsteten Land nicht noch
weitere Arbeitskräfte entziehen durfte – […] bei der auch
jetzt noch nicht gebrochenen Hartnäckigkeit der Bauern ließ
man es bei dem Verbot aller protestantisch
gottesdienstlichen Handlungen und protestantischer Lehrer
und Bücher, sowie dem Gebot der Teilnahme am
katholischen Gottesdienst, ohne jedoch zur Ausweisung
wegen des Bekenntnisses zu schreiten. Man durfte erwarten,
daß so, wenn nicht die alte, so doch die jüngere Generation
gewonnen werde.» [15] Man nahm den Bauern die adligen
wie städtischen Anführer und setzte darauf, dass sie dann
wieder folgsam sein würden.
Auch in Böhmen kam es im Frühjahr und Sommer 1626
vereinzelt zu Bauernunruhen, doch erreichten diese bei
weitem nicht die Dynamik und Intensität des
oberösterreichischen Bauernaufstands. Das war auch eine
Folge der systematischen Vertreibungen, die in den
vorangegangenen Jahren stattgefunden hatten. Potenzielle
Anführer fehlten, und die Kommunikationsbeziehungen und
Vertrauensverhältnisse, ohne die keine Bewegung
auskommt, wurden durch die Emigration zerstört. Eine Rolle
dürfte aber auch gespielt haben, dass Wallenstein seine
Beamten zu größter Aufmerksamkeit aufgefordert hatte, was
Anzeichen von Unruhen anging, und ein entschiedenes
Vorgehen verlangte, [16] da er auf eine zuverlässig
funktionierende Versorgungsbasis seines Heeres in
Friedland angewiesen war. Der Aufstand in Böhmen, auf den
Mansfeld gesetzt hatte, kam nicht in Gang; er blieb, wie
Anton Gindely festhält, «ein rasch vorübergehender
Zwischenfall, der die Besitzer des Landes bloß schreckte,
aber nicht schwächte». [17]

Das wäre womöglich anders gewesen, wenn Mansfeld im


Sommer 1626 nach Böhmen eingefallen wäre und die
friedländisch-kaiserliche Verwaltung auseinandergejagt
hätte. Auch stellte Mansfeld keine Verbindung zu den
Aufständischen in Oberösterreich her, die militärische
Kompetenz durchaus hätten brauchen können, wie sich bei
den Niederlagen gegen Pappenheim zeigte. Stattdessen
endete Mansfelds Feldzug in der ungarischen Tiefebene, wo
sich die Truppen mit den Einheiten Bethlen Gábors
verbanden, was aber ohne Bedeutung blieb, weil es in
diesem Raum keine strategischen Ziele gab, die Einfluss auf
den Fortgang des Krieges gehabt hätten. Immerhin war es
Mansfeld durch den Vorstoß nach Schlesien, Mähren und
Ungarn gelungen, Wallenstein von seinen Positionen an der
Elbe abzuziehen, wenngleich auch das strategisch
bedeutungslos war, weil am 26. August nicht Christian Tilly,
sondern umgekehrt Tilly Christian besiegte. Der Sieg Tillys
über den Dänen beruhte nicht zuletzt darauf, dass
Wallenstein bei seinem Aufbruch 12000 Fußsoldaten und
5000 Reiter zurückgelassen hatte, so dass Tillys Truppen
denen Christians überlegen waren. Wallenstein ist Mansfeld
also nicht mit dem gesamten Heer gefolgt, sondern nur mit
14000 Mann. [18]
Am 10. Juli brachen Mansfeld und Herzog Johann Ernst
von Havelberg in Richtung Oder auf. Am 13. Juli erfuhr
Wallenstein vom Aufbruch der beiden; er war sich darüber
im Klaren, dass ihr Ziel nur Schlesien sein konnte, und
reagierte darauf, indem er den Obersten Pechmann mit
5000 Reitern losschickte, um den Vorstoß des Gegners zu
beobachten und Nachzügler sowie Trossknechte in der
Weise zu attackieren, wie Wallenstein dies zwei Jahre zuvor
von Seiten Bethlen Gábors erlebt hatte. Wallenstein selbst
wartete zunächst ab, was ihm später zum Vorwurf gemacht
werden sollte: Statt Mansfeld den Weg nach Schlesien
abzuschneiden, habe er diesem einen uneinholbaren
Vorsprung eingeräumt. Aber Wallenstein zögerte, weil das
Gerücht aufgetaucht war, Gustav Adolf werde in Kürze mit
18000 Mann in Pommern landen, um parallel zur Oder
ebenfalls nach Schlesien vorzustoßen. Dieses Gerücht sollte
sich als falsch herausstellen, völlig aus der Luft gegriffen
war es jedoch nicht, denn in den Kriegsplänen der Haager
Allianz hatte ein solcher Kriegszug Gustav Adolfs zeitweilig
eine Rolle gespielt. [19] Tatsächlich verließ der
Schwedenkönig zu dieser Zeit mit einer großen Flotte
Stockholm – aber er landete mit seinen Truppen nicht in
Pommern, sondern in Ostpreußen, um gegen seinen
katholischen Vetter Sigismund III. Krieg zu führen. [20]
Unterdessen erreichten Mansfelds Truppen Mitte Juli bei
Frankfurt die Oder, wo Mansfeld den Fluss überquerte und
auf dessen rechter Seite weitermarschierte, während Johann
Ernst mit seinen Verbänden auf der linken Flussseite blieb
und parallel zu Mansfeld nach Schlesien zog. Die Trennung
der beiden hatte vor allem logistische Gründe, denn so hatte
jeder sein eigenes Gebiet, aus dem er sich versorgen konnte.
Ohnehin war es eine verbreitete Praxis, dass größere Heere
in mehreren Kolonnen parallel marschierten, um den sich
dahinwälzenden Heerwurm nicht gar zu lang werden zu
lassen. Je länger ein solcher Heereszug war, desto größer
wurden die Versorgungsprobleme für die Arrièregarde; auch
wurden die Wege für die nachfolgenden Einheiten immer
schwieriger zu passieren. Also marschierte man, wenn die
Topographie des Geländes das zuließ, in mindestens zwei
Kolonnen parallel zueinander. [21] Lag ein Fluss dazwischen,
so hatte das zwar den Nachteil, dass man sich bei
Feindberührung nicht ohne weiteres zu Hilfe kommen
konnte, aber auch den Vorteil, dass man auf Lastkähnen
Nachschub mitführen konnte und so von den
Versorgungsmöglichkeiten des Landes unabhängig war.
Letzteres war für Mansfeld und Johann Ernst von
Bedeutung: Schlesien war zu dieser Zeit durch den Krieg
bereits schwer mitgenommen, zunächst durch den
jahrelangen Kleinkrieg des Herzogs von Jägerndorf gegen
sächsische und kaiserliche Truppen und sodann durch die
Seuchen, die sich im Gefolge der durchziehenden Heere und
der Flüchtlingsströme aus Böhmen stark ausgebreitet
hatten. [22] Dennoch wurden die Truppen Mansfelds in
Schlesien freundlich aufgenommen; die mehrheitlich
protestantische Bevölkerung sah in ihnen Befreier von der
ungeliebten habsburgischen Herrschaft und den Zwängen
der Gegenreformation.
Mansfeld wollte sich diese Sympathien erhalten und
drängte darauf, die Bevölkerung schonend zu behandeln;
weil Johann Ernst das nicht in gleicher Weise tat, kam es
mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen. [23]
Meinungsverschiedenheiten dieser Art dürften ein weiterer
Grund dafür gewesen sein, dass die beiden seit Frankfurt
getrennt voneinander auf beiden Seiten der Oder
marschierten. Der Leidtragende dessen war Johann Ernst,
denn seine Kolonne war den überfallartigen Attacken von
Pechmanns Kavallerie ausgesetzt, die dem Heer auf der
linken Oderseite folgte. Nahe der Stadt Oppeln gelang es
Johann Ernst, das Regiment des Obersten Hebron in ein
längeres Gefecht zu verwickeln und ihm größere Verluste
zuzufügen. Das änderte freilich nichts an dem permanenten
Aderlass, den die Angriffe Pechmanns zur Folge hatten; an
den kaiserlichen Rat Questenberg berichtete Pechmann,
man habe «viel mansfeldisches Volk, so sich vom Heereszug
gesondert hat, gnadenlos niedergemacht». [24] Mitte August
bezogen Mansfeld und Johann Ernst im Raum Teschen,
Troppau, Jägerndorf eine feste Stellung, die, zwischen
Schlesien, Mähren und Ungarn gelegen, alle Optionen für
die Fortsetzung des Feldzugs offenließ. Hier erwarteten sie
Bethlen und seine Truppen; nach deren Eintreffen wollten
sie entscheiden, wie es weitergehen sollte. Aber sie warteten
vergeblich, denn Bethlen traf nicht ein.

Derweil hatte Wallenstein am 8. August den Befehl zum


Abmarsch des Hauptkontingents gegeben: [25] Gustav Adolf
war nicht in Pommern gelandet, zu größeren
Gefechtshandlungen zwischen Christian und Tilly war es
ebenfalls nicht gekommen, und außerdem ließ Wallenstein
für diesen Fall starke Verbände an der Elbe zurück. Aber
nun musste er Mansfeld verfolgen, denn inzwischen befand
sich dieser in einer Position, von der aus er nach Böhmen
einfallen konnte, und daran würde ihn Pechmanns Kavallerie
kaum hindern können. Wallenstein trieb seine Truppen zur
Eile an. Deren Marschleistung von etwa 30 Kilometern am
Tag war beachtlich, und so schaffte Wallensteins Heer die
600 Kilometer von Zerbst nach Dvúr in 22 Tagen; damit war
Wallenstein schneller als Mansfeld, und da er auf der
inneren Linie marschierte, hatte er 200 Kilometer weniger
zurückzulegen als sein Kontrahent. Er kam gerade noch
rechtzeitig, um einen Einfall Mansfelds nach Böhmen zu
blockieren; freilich nur deshalb, weil Mansfeld so lange auf
Bethlen gewartet hatte und untätig geblieben war. Der Preis
der Gewaltmärsche war, dass Wallensteins Heer durch die
Abgänge von Erschöpften und Kranken von Tag zu Tag
zusammenschmolz. Am Ende des Feldzugs, im November,
war von denen, die in Zerbst aufgebrochen waren, nur noch
ein Viertel übrig – und das, obwohl man keine einzige
Schlacht geschlagen hatte.
Hatte Wallenstein, der «podagrische Stratege», wie
Leopold von Ranke ihn genannt hat, doch zu lange gewartet?
Offenbar ist er von einer stärkeren Verteidigung Schlesiens
durch die Kaiserlichen ausgegangen; dass Mansfeld ohne
nennenswerten Widerstand durch Schlesien marschieren
konnte, überraschte ihn. Außerdem graute ihm vor einem
weiteren Kriegszug in Ungarn, bei dem sich wiederholen
würde, was er dort zwei Jahre zuvor erlebt hatte. [26] Wenn
er schon in der ungarischen Tiefebene Krieg führen sollte,
dann wollte er in großem Umfang über leichte Reiterei
verfügen. Wallenstein hatte ein Heer für die Kriegführung in
Mitteleuropa aufgestellt, ein Heer, mit dem man Schlachten
gewinnen konnte. Gegen Bethlen Gábor war damit aber
wenig auszurichten, denn der stellte sich, wie Wallenstein ja
erlebt hatte, nicht zur Schlacht. Bethlens leichte Reiter
konnten nur mit eigenen leichten Reitern bekämpft werden,
und dementsprechend forderte Wallenstein den Wiener
Hofkriegsrat auf, in Polen oder Ungarn in großem Stil
leichte Reiter anzuwerben. Mansfeld spielte in diesen
Überlegungen keine besondere Rolle; es war Bethlen, der
Wallenstein Sorgen machte – und da er ahnte, dass Wien ihm
die geforderten Reiter nicht zur Verfügung stellen würde,
zögerte er, mit einem Heer aufzubrechen, das für den
absehbaren Feldzug ungeeignet war. Wallenstein hatte
darauf gesetzt, dass Mansfeld in Schlesien und Ungarn
infolge ausbleibender Versorgung zugrunde gehen würde.
Jetzt aber saß dieser in einer Wartestellung, von der aus er
Böhmen bedrohte. Also musste Wallenstein handeln.
Am 27. August vereinigten sich die Heeresteile Mansfelds
und Johann Ernsts bei Fulnek wieder; drei Tage darauf
trafen sich beide Heerführer bei Leipnik an der March, um
den weiteren Fortgang des Kriegszugs zu besprechen. An
diesem Kriegsrat nahmen auch die Obersten der einzelnen
Regimenter teil. Mansfeld schlug vor, nicht länger auf
Bethlen zu warten und ihm auch nicht entgegenzuziehen –
tatsächlich dauerte es bis zum 13. September, also noch
zwei Wochen, bis Bethlen in Debrezin einrückte –, sondern
stattdessen nach Westen vorzustoßen. Er wollte entweder
nach Mähren und Böhmen bis in die Oberpfalz ziehen, um
von dort nach Bayern oder ins Elsass zu gelangen, oder aber
Verbindung mit den aufständischen Bauern in
Oberösterreich aufnehmen, um den dortigen
Kriegsschauplatz zu verstetigen. [27] Ob es Mansfeld dabei,
wie einige Historiker meinen, um die Wiederaufnahme der
alten Elsassträume ging oder um einen Verheerungskrieg
gegen die kaiserlichen Erblande, mit dem die
Finanzierungsmöglichkeiten des kaiserlichen Heeres
drastisch eingeschränkt werden sollten, oder um eine
Operation gegen die «spanische Gasse», mit der sich
Mansfeld bei den Niederländern als einem denkbaren
Geldgeber wieder ins Gespräch gebracht hätte, oder nur
darum, einen Feldzug in Ungarn zu vermeiden, das Mansfeld
als Kriegsschauplatz aus den Jahren 1595 bis 1604 kannte –
all das muss dahingestellt bleiben.
Ebenso wie Wallenstein war Mansfeld offenbar der
Auffassung, dass der Krieg in Mittel- und Westeuropa
entschieden würde und Ungarn nur ein
Nebenkriegsschauplatz sei. Er hatte den Diversionsfeldzug
nach Schlesien ins Gespräch gebracht, jedoch nicht, um von
Schlesien nach Ungarn zu marschieren, sondern um den
Krieg von dort nach Böhmen und ins Reich zurückzubringen.
Der Herzog von Sachsen-Weimar war jedoch gegen eine
Wendung nach Westen und bestand darauf, dass man sich
mit Bethlen treffen müsse, wie das vorgesehen sei.
Deswegen plädierte er dafür, den Gebirgszug der Beskiden
zu überschreiten und nach Oberungarn zu marschieren. Da
die Mehrheit des Kriegsrats dem Herzog folgte, musste
Mansfeld sich dem erst einmal notgedrungen fügen. Als man
in Kremsier die Oderbrücke zerstört vorfand, auf der
anderen Seite des Flusses die Reiter Pechmanns sah und
Wallensteins Hauptmacht am 2. September in Olmütz
eintraf, war klar, dass sich Mansfelds Plan nicht mehr
realisieren ließ. [28] Wallensteins Eilmärsche hatten sich doch
noch gelohnt. Mansfeld und Johann Ernst zogen über die
Weißen Karpaten nach Oberungarn, wo sie auf Bethlen
Gábor warteten.
Für Wallenstein stellten von da an nicht mehr die Truppen
Mansfelds, sondern die Bethlens die zentrale
Herausforderung dar. Bethlen würde die Vereinigung mit
Mansfeld suchen, und deswegen kam es jetzt darauf an, dass
sich Wallenstein mit starken Kräften zwischen die beiden
schob. Wenn Bethlen sich mit Mansfeld vereinigen wollte,
würde er eine Schlacht gegen Wallenstein schlagen müssen.
Für diesen war das die einmalige Chance, den sonst nicht zu
fassenden Fürsten von Siebenbürgen zu stellen und dessen
Schwarmtruppen zu vernichten. Wallenstein hatte zu dieser
Zeit noch 8000 Mann Fußsoldaten und 4000 Reiter; was ihm
nach wie vor fehlte, war leichte Kavallerie. Wallenstein
konnte Bethlen darum seinerseits nicht zur Schlacht stellen,
er konnte ihn nicht einmal verfolgen, sondern musste darauf
setzen, dass Bethlen von sich aus die Schlacht suchte oder
einen Fehler machte, der ihn zur Annahme einer Schlacht
zwang. Wallenstein überquerte also den Fluss Waag und
rückte bis Neuhäusel vor, womit er Bethlen den Weg zu
Mansfeld abschnitt.

Am 30. September standen sich die Truppen Wallensteins


und Bethlens bei dem Dorf Drégelypalánk gegenüber.
Bethlen hatte türkische Unterstützung bekommen und war
Wallenstein zahlenmäßig weit überlegen. Aber die Truppen
Mansfelds waren nicht zur Stelle, weswegen Bethlen an
einem für ihn günstigen Ausgang des Treffens zweifelte und
um Waffenstillstand ersuchte, zumindest bis zum nächsten
Tag. Wallenstein lehnte den Waffenstillstand ab und wollte
sofort losschlagen, ließ sich von dem ungarischen Palatin
Nikolaus Esterházy, der mit einem kleinen Verband Husaren
zu ihm gestoßen war, dann aber doch dazu bewegen, die
Schlacht auf den kommenden Tag zu verschieben. [29]
Immerhin war es bereits später Nachmittag, und eine bei
einbrechender Dunkelheit abgebrochene Schlacht lag nicht
in Wallensteins Interesse. Doch am nächsten Tag waren
Bethlen und sein Heer verschwunden: In der Nacht hatten
sie sich in aller Stille zurückgezogen; zur Irreführung des
Gegners hatte man die Nacht über Wachfeuer brennen
lassen, so dass die Vorposten Wallensteins nicht
misstrauisch wurden. «Wär noch drei Stund Tag gewest»,
schrieb Wallenstein an Harrach, «so hab ich eine schöne
victori in Händen gehabt, denn der Feind ist so verzagt
gewest, daß solches dem Herrn Bethlehem noch nie
widerfahren ist.» [30]
Nun aber war die Gelegenheit zur Schlacht dahin; Bethlen
zu verfolgen, erschien Wallenstein sinnlos, da dieser sich mit
seiner leichten Reiterei schneller bewegen konnte als
Wallensteins Streitmacht. Außerdem nahmen inzwischen die
Versorgungsprobleme überhand. Auf dem Rückzug nach
Neuhäusel breitete sich im Heer die Ruhr aus, eine Folge
der Ernährung mit unreifen Feldfrüchten, und auch andere
Krankheiten griffen um sich, wie etwa die «ungarische
Krankheit», ein in der Regel tödliches Fleckfieber, und der
Milzbrand, der den Pferdebestand des Heeres hinwegraffte.
Auch wenn man das in Wien anders sah und sich eine
Verfolgung Bethlens wünschte, so blieb Wallenstein doch
gar nichts anderes übrig, als den Rückzug nach Mähren und
von dort weiter nach Böhmen anzutreten. Wallenstein habe
in Ungarn «wider die Kriegsraison gehandelt», lautet einer
der Vorwürfe in den Kapuziner-Relationen. [31] Das war eine
Wertung vom grünen Tisch, die das Leid der Truppen
ignorierte und von strategischen Fragen wenig verstand.
Aus der Sicht Wallensteins war das Ziel des Feldzugs auch
ohne Entscheidungsschlacht erreicht: Bethlen war aus den
Erblanden des Kaisers herausgedrängt, er hatte in Ungarn,
im Unterschied zu seinen früheren Zügen, keine
Unterstützung gefunden, und Mansfelds Truppen saßen in
Ungarn fest und würden sich infolge von Hunger und
Unzufriedenheit innerhalb weniger Wochen auflösen.
Auch wenn einige in Wien anderer Auffassung waren und
allerhand Verdächtigungen gegen Wallenstein streuten,
hatte dieser im Grundsatz recht: Die Chancen Bethlens,
seinen Anspruch auf die Stephanskrone in Ungarn
durchzusetzen, waren deutlich kleiner als in den Jahren
zuvor, sein Vorstoß nach Westen war nicht bis Pressburg
oder gar in die Nähe Wiens gekommen, sondern bereits in
Ungarn abgefangen worden, und das, obwohl Bethlen dieses
Mal über türkische Unterstützung verfügte. Zudem hatte das
von Mansfeld über Schlesien nach Ungarn geführte Heer in
der entscheidenden Phase des Feldzugs keine Rolle
gespielt – weder in Norddeutschland noch in Ungarn. Der
strategische Plan der Haager Allianz, durch großräumig
angelegte Diversionsoperationen die Kräfte der Gegenseite
zu zersplittern und dadurch im Zentrum des Krieges, in
Deutschland, die Oberhand zu gewinnen, war nicht
aufgegangen. Er sollte nach dem Fehlschlag von 1626 auch
nicht wieder aufgenommen werden – zum einen hatten die
Protestanten inzwischen begriffen, was Wallenstein schon
seit längerem wusste, dass dieser Krieg nämlich im Reich
und nicht an dessen Peripherie entschieden wurde; zum
anderen spielte Bethlen Gábor hinfort als Bestandteil einer
antihabsburgischen Koalition keine Rolle mehr, und der
Friede, den der Kaiser mit der Hohen Pforte in
Konstantinopel geschlossen hatte, hielt.
Ende 1626 schien Bethlen Gábor definitiv verstanden zu
haben, dass seine eigenen Kräfte für einen Erfolg gegen die
habsburgische Position in Ungarn nicht ausreichten und
dass ihm die Unterstützung, die er als Partner einer
antihabsburgischen Koalition erhielt, nicht viel nutzte. Zum
ersten Mal nach den gemeinsam mit den Böhmen geführten
Feldzügen war Bethlen wieder ein Heer der protestantischen
Verbündeten zu Hilfe gekommen, doch mit Mansfelds
Truppen war ein noch größeres Heer seiner katholischen
Gegner auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz erschienen;
außerdem bereiteten ihm Mansfelds Truppen durch die
Konkurrenz um die wenigen Versorgungsgüter mehr
Probleme, als dass sie ihn entlasteten. Das Eintreffen
Mansfelds in Ungarn hatte die Handlungsspielräume
Bethlens eher verkleinert als vergrößert. Immerhin hatte
Bethlen in diesem Jahr erstmals nennenswerte
Unterstützung durch türkische Truppen erhalten, auch wenn
es sich dabei nicht um Einheiten der Hohen Pforte, sondern
um Truppen des bosnischen Paschas handelte. Dies aber
waren Truppen desselben Typs, wie Bethlen sie aus
Siebenbürgen mitbrachte, und mit ihnen ließ sich keine
Schlacht gegen ein Heer aus Mittel- und Westeuropa
schlagen. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit hatte sich
Bethlen bei Drégelypalánk auf die von Wallenstein gesuchte
Schlacht nicht eingelassen, sondern war zurückgewichen –
und als Wallenstein daraufhin Bethlen nicht verfolgte, also
weder in eine Falle gelockt noch durch lange Märsche
aufgerieben werden konnte, war der Feldzug für Bethlen
strategisch verloren. Er war klug genug, das zu realisieren.
Im Übrigen genügte zu dieser Einsicht bereits die
Unzufriedenheit seiner Reiter, die in diesem Jahr, da sie in
Ungarn festgehalten worden waren und nicht bis nach
Mähren, Böhmen oder Österreich vorstoßen konnten, so gut
wie keine Beute gemacht hatten. Die Aussicht auf Beute
aber war die Motivationsressource, mit der Bethlen sie zu
Kriegszügen bewegte. Außerdem spürte er selbst
zunehmend den mit seinen Feldzügen einhergehenden
körperlichen Verfall. Also ließ Bethlen sich auf einen
dauerhaften Friedensschluss mit dem Kaiser ein und schied
endgültig aus der antihabsburgischen Koalition aus. [32] Am
28. Dezember 1626 wurde in Pressburg ein Friedensvertrag
unterschrieben, der im Grundsatz eine Erneuerung des
Nikolsburger Friedens war. Damit endete die
Auseinandersetzung zwischen Bethlen und Ferdinand II.
Das Ausscheiden Bethlens bedeutete für den Kaiser eine
grundlegende Veränderung der strategischen Gesamtlage;
von nun an konnte er sich ausschließlich auf die
Kriegsschauplätze im Reich konzentrieren – auch deshalb,
weil die Kräfte des Osmanischen Reichs durch den immer
wieder aufflackernden Krieg gegen die schiitischen Perser
gebunden waren, die den Osmanen in Mesopotamien eine
Reihe schwerer Niederlagen bereitet hatten. [33] Im Vertrag
von Zsön wurde im September 1627 der Frieden zwischen
Habsburgern und Osmanen besiegelt, und dieser Frieden
hielt für mehrere Jahrzehnte. Das bedeutete für die politisch-
militärischen Konstellationen im Reich mittelfristig eine
größere Veränderung als der große Sieg, den Tilly
zwischenzeitlich über Christian von Dänemark errungen
hatte. [34]
Der Kupferstich zeigt Bethlen Gábor im Alter von vierzig Jahren als ungarischen
König, worauf unter anderem die Kleidung hindeutet. Da er als Fürst von
Siebenbürgen Vasall des türkischen Sultans war, legte Bethlen auf den
ungarischen Königstitel allergrößten Wert. Er konnte allerdings nur Teile Ungarns
dauerhaft unter seiner Herrschaft halten und wurde in den diversen
Friedensverträgen, die er mit dem Kaiser schloss, auch nur für diese anerkannt.

Die Truppen Mansfelds bezogen Mitte Oktober an der


unteren Gran (Hron) ein Heerlager, in dem beraten wurde,
welche Möglichkeiten blieben, den Feldzug fortzuführen.
Das in Havelberg aufgebrochene Heer war seit dem späten
August zweigeteilt, und zwar in den Hauptverband in
Ungarn und die unter dem Kommando Joachim von Mitzlaffs
in Troppau, Teschen und Jägerndorf zur Kontrolle Schlesiens
zurückgelassenen Einheiten. Es lag nahe, beide Heeresteile
wieder zu vereinen. Solange das Heer Wallensteins in
Ungarn stand, hatte Bethlen darauf gedrängt, die in
Schlesien zurückgebliebenen Verbände nach Ungarn zu
ziehen. Das hatte Mansfeld jedoch abgelehnt, weil es darauf
hinausgelaufen wäre, Schlesien aufzugeben und sich ganz
auf den ungarischen Kriegsschauplatz zu konzentrieren, von
dem er inzwischen wusste, dass das Heer dort nicht zu
versorgen war. Es war somit sinnvoller, mit den in Ungarn
stehenden Truppen nach Schlesien zurückzukehren, um die
dortigen Positionen zu halten und das Heer wieder
aufzufüllen. Damit war jedoch Herzog Johann Ernst nicht
einverstanden, weil es dem Auftrag widersprach, sich mit
den Truppen Bethlens zu vereinigen. Außerdem befürchtete
er, ein Rückzug des Heeres werde die Soldaten
demoralisieren und die ohnehin hohe Desertionsquote weiter
in die Höhe treiben. Abermals kam es zum Streit zwischen
den beiden Heerführern.
In dieser Situation entschloss sich Mansfeld, seine
Truppen Bethlen zu unterstellen und das Heer zu verlassen,
um durch den türkisch kontrollierten Teil Ungarns Bosnien
zu erreichen. Von einem der dortigen Häfen aus wollte er
nach Venedig reisen und mit dem Rat der Seerepublik über
neue Geldzuweisungen verhandeln. Mansfeld tauschte also
wieder einmal die Rolle, der kommandierende General trat
als Kriegsunternehmer auf. [35] In der ersten
Novemberwoche verließ er in Begleitung einiger Offiziere
und eskortiert von einer Schar türkischer Reiter das Heer.
Über Ofen wollte er entweder das mit den Osmanen
verbündete Ragusa oder das venezianische Spalato
erreichen. In der Nähe von Sarajewo erlitt er jedoch einen
Blutsturz; am Abend diktierte er seinen letzten Willen, und
in der Nacht zum 30. November starb er im Alter von
sechsundvierzig Jahren. Seinen Tod ließ er als einen
heroischen Akt inszenieren. Von Gefolgsleuten aufgerichtet,
wurde ihm der Harnisch angelegt und das Schwert vor ihm
in den Boden gerammt, so dass er sich darauf wie auf einen
Stock stützen konnte: Ein Heerführer starb nicht im Bett,
sondern stehend und in Rüstung. [36] Zwei Wochen später
starb auch Johann Ernst, womöglich an einer
Lebensmittelvergiftung, vielleicht auch an einer Krankheit,
an der er seit dem Sommer laborierte. [37] Der Weimarer
Herzog war dreiunddreißig Jahre alt. Bethlen Gábor blieben
nach dem Frieden von Pressburg noch drei Jahre, bis er an
der Wassersucht starb. Mehr noch als auf dem Schlachtfeld
forderte der Krieg seinen Tribut durch Krankheit und
Auszehrung.
Die Schlacht von Lutter am Barenberg
Seit Mai 1626 führte Tilly einen Belagerungskrieg, in dessen
Verlauf er dem Dänenkönig eine besetzte Festungsstadt
nach der anderen wegnahm. Als Erstes war Hannoversch
Münden an der Reihe, am Zusammenfluss von Fulda und
Werra gelegen, also ein Ort von einiger strategischer
Bedeutung. Wer Münden beherrschte, kontrollierte den
nordhessisch-südniedersächsischen Raum, und daran musste
Tilly gelegen sein, nachdem Christian von Braunschweig
wenige Wochen zuvor den Versuch unternommen hatte, in
Hessen-Kassel einen Kriegsschauplatz in seinem Rücken zu
eröffnen. [1] Hatte Tilly Münden in der Hand, so würde das
künftig nicht mehr möglich sein. Die Stadt wurde von
800 Soldaten unter Oberst Lawis verteidigt. Der verweigerte
bei der üblichen dreimaligen Kapitulationsaufforderung die
Übergabe, [2] woraufhin die Artillerie Tillys eine breite
Bresche in die herkömmlich gebauten Stadtmauern schoss.
Lawis setzte darauf, dass die Angreifer durch die vor der
Mauerbresche fließende Werra aufgehalten würden, doch
die fanden an zwei Stellen eine Furt, überschritten den Fluss
und drangen in die Stadt ein. Die Verteidiger zogen sich auf
den Friedhof zurück, konnten sich dort aber nicht halten.
Zuletzt leisteten sie im Schloss Widerstand, wo sie samt und
sonders getötet wurden. Weil ein Mündener Bürger
angeblich eine mit Splittern und Nägeln geladene Kanone
aus kurzer Distanz auf die Angreifer abgefeuert hatte,
richtete sich die Gewalt der Eroberer nicht nur gegen die
Soldaten, sondern auch gegen die Bevölkerung der Stadt.
Über 1000 Einwohner wurden in einem furchtbaren
Massaker getötet. [3]
Tilly ist diesem Morden nicht entgegengetreten. Das hat
eine gewisse Bedeutung für die Beurteilung seines
Verhaltens bei der späteren Eroberung Magdeburgs, als es
ebenfalls zu einem Massaker kam. Gemäß Kriegsrecht war
nach dreimaliger Ablehnung der Kapitulationsaufforderung
die Plünderung einer im Sturm genommenen Stadt zulässig,
und die Soldaten, die sie verteidigt hatten, durften, auch
wenn sie «Quartier» riefen – die damals übliche Parole,
wenn man sich ergeben wollte –, [4] nicht mit Pardon
rechnen. Dass aber die gesamte Einwohnerschaft
abgeschlachtet wurde, war durch keinerlei kriegsrechtliche
Regel gedeckt und auch kein Kriegsbrauch. Offenbar war
Tilly bereit, Kriegsrecht und Kriegsbräuche zu ignorieren,
wenn er sich davon einen Abschreckungseffekt versprach.
Das Wort «magdeburgisieren» als Bezeichnung für die
völlige Zerstörung einer Stadt und die restlose Auslöschung
ihrer Bevölkerung geht auf Tillys Eroberung Magdeburgs
zurück, bei der vier Fünftel der Einwohner den Tod fanden;
die entsprechende Praxis gab es – wie an Münden zu sehen –
bereits zuvor.
Sicherlich war es heikel, eine in Rage geratene Soldateska
im Zaum zu halten: Sturmangriffe auf einen hartnäckig
Widerstand leistenden Feind waren mit einem hohen
Erregungsniveau verbunden, was wiederum die
Voraussetzung dafür war, dass die Angreifer voranstürmten
und dabei den Tod oder schwere Verwundungen in Kauf
nahmen. Das konnte sich zu einem regelrechten Rausch
steigern, wenn sich, wie etwa in Münden, das Gerücht
verbreitete, nicht nur das Militär, sondern auch die
Bürgerschaft habe Widerstand geleistet. Solche zur Raserei
gesteigerte Erregung entlud sich allzu oft in einem an den
gegnerischen Soldaten verübten Massaker. Wurde eine
befestigte Stadt erobert, war – im Unterschied zum
Schlachtfeld, wo sich in der Regel keine Zivilisten
aufhielten – die Wahrscheinlichkeit groß, dass, wie bei der
Eroberung Heidelbergs – ebenfalls durch Tilly –, auch deren
Einwohnerschaft Opfer dieser Entladung wurde. [5] In
solchen Situationen wäre es die Pflicht der militärischen
Führung gewesen, das Massaker zu stoppen und die
Gewaltanwendung zu begrenzen. Das war in Anbetracht der
Wut und der Entfesselung der Soldaten nicht einfach, und
der Umstand, dass Gewaltexzesse des Öfteren eine
«Entschädigung» für ausgebliebene Soldzahlungen waren,
machte das Einschreiten der Offiziere noch schwieriger.
Aber es ist doch etwas anderes, wenn der neben Tilly in die
Stadt einreitende Oberst Egon Fürstenberg, der
Kommandant des Regiments, das durch die Mauerbresche
gestürmt war und dabei erhebliche Verluste erlitten hatte,
seinen Soldaten zurief: «Haut die rebellischen Hunde alle
nieder!» [6] Spätestens jetzt hätte Tilly eingreifen müssen.
Dass er das nicht tat, war aus heutiger Sicht ein
Kriegsverbrechen.
Jenseits der Disposition der Soldaten, Massaker zu
begehen, [7] gab es freilich auch eine strategische
Rationalität, die hinter solchen Gräueltaten stand, und das
war deren exemplarischer Charakter. Wenn sich nämlich
herumsprach, was sich bei der Eroberung ereignet hatte und
womit man rechnen musste, wenn man der
Kapitulationsaufforderung Tillys keine Folge leistete, so war
das ein starkes Motiv dafür, eine befestigte Stadt ohne
größeren Widerstand zu übergeben. Gleichzeitig war es eine
Aufforderung an die Bürgerschaft, dem
Militärkommandanten in den Arm zu fallen, wenn er
Widerstand leisten wollte. Das demonstrative Massaker war
ein Strategem, um den potenziellen Interessenkonflikt
zwischen Einwohnerschaft und Verteidigern einer Stadt in
einen offenen Gegensatz zu verwandeln und die einfachen
Soldaten zur Befehlsverweigerung zu motivieren. Es gab
also durchaus Gründe dafür, warum Tilly dem Massaker von
Münden keinen Einhalt gebot. So kapitulierte Göttingen, die
nächste befestigte Stadt, der er sich näherte, relativ schnell,
und als er sich anschließend gegen Northeim wandte,
konnte er damit rechnen, dass man dort eher dem Göttinger
als dem Mündener Vorbild folgen würde. Dem wirkte die
andere Seite entgegen, indem sie Offiziere, die eine Stadt
widerstandslos oder nach bloß symbolischen
Kampfhandlungen übergaben, wegen Feigheit zum Tode
verurteilte und, sofern man ihrer habhaft wurde, öffentlich
exekutierte. Die Androhung des unehrenhaften Todes sollte
die Bereitschaft fördern, bei der Verteidigung einen
jedenfalls ehrenhaften Tod zu sterben.

Mit dem Siegeszug Tillys wuchs der Druck auf Moritz,


Landgraf von Hessen-Kassel, der nach dem
fehlgeschlagenen Vorstoß Christians von Braunschweig
ohnehin im Verdacht stand, es mit dem Dänen zu halten.
Tilly forderte ihn auf, kaiserliche Garnisonen aufzunehmen
beziehungsweise seine Festungsstädte für kaiserlich-
ligistische Einheiten zu öffnen. Weiterhin forderte er die
Einberufung der Landstände; auf deren Versammlung sollte
der Landgraf erklären, dass er die Regierungsgeschäfte
niederlege. Die lutherisch gesinnte Ritterschaft des
Territoriums drängte ihrerseits auf die Entfernung und
Bestrafung der Räte, die sie für die Politik des Landgrafen
verantwortlich machten, während die städtischen Vertreter,
die bisher die landgräfliche Politik unterstützt hatten, vor
einem aussichtlosen Kampf gegen die Übermacht Tillys
warnten. [8] Moritz warf Tilly daraufhin in einem langen
Schreiben vor, durch die von ihm betriebene Stärkung der
Landstände de facto einen Konfessionswechsel zum
Luthertum erzwingen zu wollen. [9] Schließlich begnügte
Tilly sich damit, dass Moritz am 19. Juli ein Revers
unterschrieb, in dem er sich zu dreierlei verpflichtete: keine
gegen den Kaiser gerichtete Korrespondenz mit auswärtigen
Mächten mehr zu unterhalten; sich mit der Ritterschaft des
Landes nach Maßgabe der kaiserlichen Erwartungen
auszusöhnen; und schließlich in die Festungen seines Landes
keine fremden Truppen aufzunehmen und kaiserlich-
ligistischen Truppen jederzeit Durchzug und Quartier zu
gewähren. Militärisch war Landgraf Moritz damit erst
einmal ausgeschaltet.
Die politische Abrechnung mit Moritz kam nicht von Tilly,
sondern von seinem Darmstädter Verwandten: Am 21. April
1626 erging ein durch den Kölner Erzbischof
einzutreibender Vollstreckungsbefehl gegen Moritz, in dem
ihm als Schadensleistung für sein Handeln in der Marburger
Erbstreitigkeit die Zahlung von 1357000 Gulden auferlegt
wurde. Da Moritz diese Summe nicht zahlen konnte, wurde
dem Darmstädter Gläubiger ein Großteil der Landgrafschaft
Hessen-Kassel als Pfand zuerkannt, und diese Verpfändung
wurde sogleich mit Hilfe kaiserlich-ligistischer Truppen
durchgesetzt. Es war ein Glücksfall für Hessen-Kassel, dass
der Darmstädter Landgraf am 6. August starb, woraufhin
Moritz sieben Monate später zugunsten seines Sohnes
Wilhelm abdankte. Die beiden Nachfolger, besagter Wilhelm
in Kassel und Georg II. in Darmstadt, handelten am
4. Oktober 1627 einen Vergleich aus, in dem die Kasseler als
Ausgleich für die Darmstädter Forderungen die Grafschaft
Katzenelnbogen und das Amt Schmalkalden abtraten.
Hessen-Kassel war damit als antikaiserlicher Akteur vorerst
auch politisch erledigt.

Derweil ging der Festungs- und Belagerungskrieg zwischen


Christian von Dänemark und Tilly weiter, und dabei verlor
die dänisch-niedersächsische Seite immer mehr an Boden;
ein Detachement Tillys unter Graf Anholt vertrieb die
dänische Besatzung im Bistum Osnabrück, die Herzog
Johann Ernst im Frühjahr dort hinterlassen hatte, [10] und am
11. August 1626 kapitulierte Göttingen. Christian begriff,
dass er bei dieser Art der Kriegführung auf Dauer verlieren
würde, und entschloss sich, offensiver vorzugehen. Das war
auch deswegen angezeigt, weil die von Wallenstein an der
Elbe zurückgelassenen Truppen sich in Bewegung gesetzt
hatten, um zur Hauptarmee Tillys zu stoßen. Christian wollte
diese Vereinigung verhindern und rückte von Wolfenbüttel
auf das Eichsfeld vor. Als die dänische Streitmacht dort
anlangte, hatten die Wallenstein’schen Regimenter unter
Oberst Desfours das Eichsfeld jedoch bereits passiert. Der
amerikanische Kriegshistoriker William Guthrie, der die
Schlachten des Dreißigjährigen Krieges einer eingehenden
Analyse unterzogen hat, beschreibt die damit für Christian
eingetretene Lage folgendermaßen: Er hatte die Chance
verpasst, Tilly bei der Belagerung einer Stadt anzugreifen,
bei welcher der Belagerer in erhöhtem Maße verwundbar
war; es war ihm nicht gelungen, das Wallenstein’sche
Armeekorps auf dem Marsch zur Weser zu stellen und zu
zerschlagen; und jetzt sah er sich einem kräftemäßig
überlegenen Tilly gegenüber. [11] Unter diesen Umständen
blieb Christian nichts anderes übrig, als sich wieder auf
Wolfenbüttel zurückfallen zu lassen, um dort eine feste
Position zu beziehen.
Am 24. August befahl Christian den Rückzug; der Marsch
führte am Westhang des Harzes vorbei. Das war für Tilly die
Chance, den Dänen in schneller Verfolgung zu stellen und
ihn zur Schlacht zu zwingen, ganz so, wie ihm das drei Jahre
zuvor mit dem Halberstädter bei Stadtlohn gelungen war. So
kam es vom 25. bis zum 27. August zu fortgesetzten
Scharmützeln zwischen der von General Fuchs geführten
Nachhut des dänisch-niedersächsischen Heeres und der von
den Wallenstein’schen Reiterregimentern unter Oberst
Desfours gebildeten Vorhut Tillys. [12] Jetzt wurde für
Christian der Tross zum Hauptproblem, denn auf den von
starken Regenfällen aufgeweichten Wegen kamen die Wagen
nur sehr langsam voran. Da die Rückzugsstraße durch
ausgedehnte Wälder führte, war eine Beschleunigung durch
parallel marschierende Kolonnen nicht möglich. Christian
musste also, wie drei Jahre zuvor der Halberstädter, den
Kampf aufnehmen, wenn er Bagage, Kanonen und einen Teil
seines Heeres nicht auf dem Rückzug verlieren wollte. Nahe
dem Dorf Lutter, zu dem auch ein gleichnamiges Schloss
gehörte, beides in der Nähe von Seesen gelegen, stellte er
sich zur Schlacht. General Fuchs hatte Christian
nachdrücklich vor einer Schlacht gewarnt, nachdem er in
mehreren Nachhutgefechten die Unterlegenheit seiner
Soldaten registriert hatte; die dänisch-niedersächsischen
Truppen waren demoralisiert. Christian solle sich, wenn es
denn sein müsse, zumindest an einem anderen Ort zur
Schlacht stellen, da die bezogene Hügelstellung durch die
Wälder auf beiden Seiten umgangen werden könne, ohne
dass sich dies verhindern lasse. Es sei besser, die Bagage zu
verlieren als das Heer. Christian jedoch hielt an seiner
Entscheidung fest.
Neben dem Umstand, dass das dänisch-niedersächsische
Heer überwiegend aus kampfunerfahrenen Truppen
bestand, waren die Regimenter aus den darin versammelten
Landsmannschaften auch noch bunt zusammengewürfelt:
Sie bestanden aus Engländern und Schotten, Franzosen und
Holländern, Holsteinern und, in der großen Mehrzahl,
protestantischen Deutschen. Das hätte kein Nachteil sein
müssen, wenn diese Einheiten schon einige Male gemeinsam
im Kampf gestanden hätten und dabei
«zusammengeschweißt» worden wären, also das Gefühl der
Zusammengehörigkeit, des Füreinander-Einstehens, aber
auch des Sich-aufeinander-verlassen-Könnens ausgebildet
hätten. Das war aber nicht der Fall, und das Fehlen eines
landsmannschaftlichen Zusammenhalts machte sich negativ
bemerkbar. Hält man den Bericht des Obersten Robert
Monro über die Einsätze seines ausschließlich aus Schotten
bestehenden Regiments dagegen, so erfährt man, welche
Bedeutung das landsmannschaftliche
Zusammengehörigkeitsempfinden in einer fremden und
feindlichen Umgebung erlangen konnte. Dieses
Schottenregiment, das zunächst in dänischen und danach in
schwedischen Diensten stand, war militärisch sehr viel
leistungsfähiger als Einheiten, die sich nicht auf solche
Kohäsionsfaktoren stützen konnten. [13]
Das Gelände bei Lutter war dem am Weißen Berg nicht
unähnlich. [14] Christian hatte sein Heer in drei Treffen auf
einem ansteigenden Hügel postiert; am Fuß des Hügels zog
sich ein Bach, die Neile, mit morastigen Uferstreifen auf
beiden Seiten hin. Er konnte an einer Stelle auf einer Brücke
überquert werden. Ansonsten waren Bach und Morast für
Fußtruppen wie Reiterei durchaus passierbar, freilich bei
einer deutlichen Verlangsamung der Bewegung und dem
absehbaren Verlust der Gefechtsordnung. Für eine reine
Verteidigungsschlacht war die Stellung des dänisch-
niedersächsischen Heeres also durchaus geeignet; es hätten
allerdings in großem Stil Verschanzungen aufgeworfen
werden müssen, wozu man in der Kürze der Zeit nicht
gekommen war. Vor allem hätten die Flanken des Heeres im
Hinblick auf die angrenzenden Waldgebiete gesichert
werden müssen, was Christian aus Nachlässigkeit oder
Unerfahrenheit unterließ.

Nachdem es an den vorangegangenen Tagen ausgiebig


geregnet hatte, war der 22. August ein sonniger und heißer
Tag. Tilly reagierte darauf, indem er am Vormittag seine
Truppen ruhen ließ und sie erst gegen Mittag in
Gefechtsformation brachte; Christians Heer stand dagegen
seit dem Morgen in Schlachtlinie. Von Mittag an hatte Tilly
die Sonne im Rücken, während sie den dänisch-
niedersächsischen Soldaten im Gesicht stand. Die dänische
Kommandostruktur ging in die Tiefe. Fuchs kommandierte
das erste Treffen, der König selbst das zweite Treffen, und
das dritte Treffen, die strategische Reserve, stand unter dem
Befehl von Rheingraf Otto Ludwig von Salm-Kyrburg, der,
wie Guthrie meint, ein passabler Regimentskommandeur
sein mochte, aber mit einem selbständigen Armeekommando
überfordert war. Verhängnisvoller war freilich, dass es sich
um eine sehr grobmaschige Kommandostruktur handelte,
bei der keine eigenständige Führung der Flügel vorgesehen
war, und es zwischen den Kommandeuren eines Treffens
und den darin aufgestellten Bataillonen keine
Zwischenebenen gab. Obendrein war das Zusammenwirken
der drei Treffen schwierig, da Fuchs keinen Zugriff auf das
vom König geführte zweite Treffen hatte, Christian aber in
der entscheidenden Phase der Schlacht fehlte, weil er zum
Tross zurückgeritten war, bei dem es Probleme mit dem
Vorankommen gab, und Christian meinte, nur er selbst
könne diese Probleme lösen. Einmal mehr beschäftigte ihn
die Bagage mehr als das Heer. Im Unterschied zu Christian
stützte sich Tilly auf eine Kommandostruktur, die nicht auf
Tiefe, sondern auf Breite hin angelegt war: Das Heer war in
das Zentrum und zwei Flügel gegliedert und hatte auf jedem
Flügel noch eine eigenständige Abteilung, die durch die
Wälder vordringen und den Gegner von der Seite und im
Rücken attackieren sollte.
Tilly eröffnete die Schlacht, indem er seinen rechten
Flügel die Neile überqueren und auf die vor dem ersten
Treffen postierten dänischen Kanonen vorrücken ließ. Diese
hatten sich zuvor bereits mit Tillys Artillerie ein
Feuergefecht geliefert. Fuchs musste darauf reagieren,
wenn er seine Geschütze nicht verlieren wollte, und schickte
zunächst die Kavallerie gegen Tillys Truppen, die inzwischen
die Brücke besetzt hatten. Der dänische Gegenangriff kam
zunächst gut voran und warf Tillys Reiter zurück, während
ein Infanteriebataillon auf der Brücke standhielt und wie ein
Wellenbrecher die dänische Kavallerie in zwei Teile
aufspaltete. Tillys Angriff war jedenfalls gestoppt, und die
Dänen zogen sich auf ihre Ausgangsposition zurück.
Währenddessen ritten auf dem anderen dänischen Flügel,
ohne dass Fuchs den Befehl dazu gegeben hätte, die beiden
Kürassierregimenter unter Graf Hermann Wilhelm von
Solms-Hohensolms und Philipp von Hessen-Kassel, dem
zweiundzwanzigjährigen Sohn des Landgrafen, zum Angriff;
sie überquerten die Neile und setzten, ohne auf größeren
Widerstand von Tillys linkem Flügel zu stoßen, zu einer
wilden Attacke auf dessen Zentrum an. Es war absehbar,
dass sie dabei zwischen das Zentrum und den linken Flügel
Tillys geraten und aufgerieben werden würden. In diesem
Augenblick stand Fuchs vor der Entscheidung, die Kavallerie
seines rechten Flügels abzuschreiben und sich auf den
Kampf um die Brücke zu konzentrieren oder aber sein
Zentrum nach rechts schwenken und zur Unterstützung der
eigenmächtigen Kavallerieattacke das Zentrum Tillys
angreifen zu lassen. Fuchs traf die – im Nachhinein
betrachtet – falsche Entscheidung und ließ seine Infanterie
den Bach durchwaten und das Zentrum des Liga-Heeres
angreifen. Das hätte Erfolg haben können, wenn das zweite
Treffen diesen Angriff unterstützt und anstelle von Fuchs’
erstem Treffen den Kampf um die Neilebrücke übernommen
hätte. Aber Christian war beim Tross. Die Abwesenheit des
Königs hatte zur Folge, dass das zweite Treffen nicht in das
Geschehen eingriff.
Als König Christian wieder auf dem Schlachtfeld eintraf,
musste er sich zunächst mit dem Geschehen vertraut
machen. Just zu dieser Zeit trat eines der durch die Wälder
rechts und links der dänisch-niedersächsischen Aufstellung
unbemerkt vorgerückten Detachements Tillys auf den Plan
und besetzte das Dorf Dolgen in der Flanke von Christians
Heer. Daraufhin ließ der das dritte Treffen kommandierende
Rheingraf das Dorf mit seinen Kanonen in Brand schießen.
Die ligistischen Soldaten zogen sich wieder in den Wald
zurück, und ihr Geplänkel hätte keine weitere Wirkung
gehabt, wenn nicht der Rheingraf von jetzt an wesentlich mit
dem Dorf Dolgen beschäftigt gewesen wäre und seine
Aufgabe als strategische Reserve der Hauptmacht völlig aus
dem Auge verloren hätte. Die dänische Reserve spielte für
die Schlacht danach keine Rolle mehr. Ein kleiner
ligistischer Verband hatte die gesamte strategische Reserve
Christians de facto ausgeschaltet.
Nachdem die von Fuchs gegen Tillys Zentrum gedrehten
Bataillone durch die Neile gewatet waren, hatten sie jede
Gefechtsordnung verloren, und es handelte sich um eine
bloße Masse von 6000 Mann. Anstatt die Ordnung wieder
herzustellen, ließ Fuchs sie in aufgelöster Formation
angreifen, woraufhin ihre Attacke ebenso wie der
Reiterangriff unter schweren Verlusten zusammenbrach.
Solms und der Sohn des Landgrafen fanden dabei den Tod,
und bald wurde auch Fuchs, als er seine zurückflutenden
Soldaten aufzuhalten versuchte, von einer Musketenkugel
tödlich getroffen. Damit war die Schlacht entschieden, denn
nun ließ Tilly seine Truppen gegen das bereits
demoralisierte zweite Treffen Christians anrücken, das sich,
auch weil in seiner Flanke plötzlich die kaiserlichen Soldaten
von Tillys anderem Detachement auftauchten und ihm das
mit dem Dorf Dolgen beschäftigte dritte Treffen nicht zu
Hilfe kam, zur Flucht wandte. Christian, der mehr
persönlichen Mut als taktisches Geschick besaß, versuchte
an der Spitze seines Leibregiments die Schlacht noch einmal
zu wenden, konnte aber das vorrückende Zentrum Tillys
nicht mehr aufhalten und entkam mit knapper Not der
Gefangennahme. Christian verlor an diesem Tag 8000 Mann
und den gesamten Artilleriepark; 3000 bis 4000 seiner
Soldaten waren gefallen, 2500 gefangen genommen, der
Rest war verschwunden, also vermutlich desertiert. Von
Tillys Männern, so gab er selbst an, seien 200 getötet und
300 verwundet worden. Es kamen noch 200 Ausfälle in den
kaiserlichen Regimentern hinzu, die Wallenstein zur
Verfügung gestellt hatte.
Die Schlacht von Lutter am Barenberg war Tillys
wichtigster Sieg im Dreißigjährigen Krieg. In ihrem Verlauf
ähnelte sie seinem Sieg bei Stadtlohn, aber während er dort
dem Kriegsgeschehen keine grundlegende Wende zu geben
vermochte, war das bei Lutter am Barenberg der Fall: Die
Bedrohung durch die Haager Koalition war beseitigt, die
Kriegslage in Norddeutschland von Grund auf verändert,
und auch wenn Tilly die Reste von Christians Armee nicht
verfolgte und dieser bei Wolfenbüttel zumindest seine
zersprengte Reiterei sammeln und neu formieren konnte, so
spielte der Däne als eigenständiger Faktor im Landkrieg
fortan keine Rolle mehr. Im Herbst behauptete Christian nur
noch ein Gebiet zwischen der unteren Elbe und der Weser
sowie die im Osten an die Elbe anschließenden Gebiete
nördlich der Havel. Die niedersächsischen Fürsten, die den
Dänen zu ihrem Kreisobersten gewählt hatten, fielen nun
reihenweise von ihm ab, [15] und es war abzusehen, dass
Christian bei einer Weiterführung des Krieges weitgehend
auf die Hilfsmittel seines eigenen Königreichs angewiesen
sein würde. Nach dieser Niederlage hatte man in London
und im Haag große Zweifel daran, ob der Dänenkönig der
Richtige war, Kaiser und Liga in Deutschland Paroli zu
bieten.
Die Weiterführung des Krieges
Auf dem Papier nahm sich die Ausgangslage Christians
Anfang 1627 nicht so schlecht aus, wie man nach der
schweren Niederlage von Lutter hatte erwarten müssen. In
Schlesien stand eine Armee von etwa 15000 Mann,
bestehend aus den von Mansfeld im vergangenen Sommer
dort zurückgelassenen Truppen, den Überresten des
Mansfeld’schen Heeres, die Mitzlaff aus Ungarn
zurückgebracht hatte, sowie den im Winter neu rekrutierten
Soldaten. Die Truppen hatten eine Reihe fester Plätze
bezogen, und Mitzlaff war zuversichtlich, Schlesien gegen
die kaiserlichen Einheiten verteidigen zu können. Weiterhin
stand in Mecklenburg ein Armeekorps mit 12000 Mann, das
von Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach befehligt
wurde. Nach der Niederlage von Wimpfen hatte er sich aus
der Politik zurückgezogen, die Regierung der
Markgrafschaft seinem Sohn übertragen [1] und war als
General in die Dienste des Dänenkönigs getreten.
Schließlich hatte Christian selbst im Verlauf des Winters
seine bei Lutter zerschlagene Hauptarmee wieder aufgefüllt
und auf einen Gesamtbestand von 30000 Mann gebracht.
Diese Hauptarmee sollte den Raum von der Unterelbe bis
zur Weser schützen, wobei sie sich auf eine
Verteidigungslinie mit den Festungen Wolfenbüttel,
Nienburg, Northeim und Stade stützen konnte.
Das Problem dieser Aufstellung war ihre grundsätzlich
defensive Ausrichtung sowie der Umstand, dass die von der
Elbe bis zur Oder verteilten Truppen im Falle eines Angriffs
weitgehend auf sich allein gestellt waren. Wallensteins
strategischem Blick ist das nicht entgangen: Christians
starre Defensive lud geradezu ein, sich die Heeresteile der
Reihe nach vorzunehmen und sie einzeln auszuschalten. Tilly
und Wallenstein kamen überein, dass die Truppen der Liga
den Krieg links der Elbe führen sollten, während sich die
kaiserliche Armee auf Schlesien, die Oder und das Gebiet
rechts der Elbe konzentrierte. Wie sich schon bald zeigte,
hatte Tilly die weitaus schwierigere Aufgabe übernommen,
während Wallenstein in diesem Kriegsjahr mit eher
geringem Aufwand große Erfolge erzielte. Damit wurde die
Konstellation von 1626 ins Gegenteil verkehrt, als
Wallenstein einen glanzlosen, mit großen Verlusten
verbundenen Krieg in Ungarn geführt hatte, während Tilly
als der strahlende Sieger einer entscheidenden Schlacht die
Glückwünsche aus Wien, München und Brüssel
entgegennahm. Papst Urban hatte Tilly als Zeichen des
Dankes gar einen geweihten Hut übersandt. [2] Wallenstein
dagegen wurde wegen seiner angeblich zögerlichen und
unentschiedenen Kriegführung kritisiert, und die ersten
Stimmen wurden laut, die seine Ablösung als kaiserlicher
Generalissimus forderten. [3] Am Ende des Kriegsjahres 1627
sollte die Stimmungslage genau umgekehrt sein.
Das Verhältnis zwischen Tilly und Wallenstein war
weiterhin durch aufgabenorientierte Professionalität
gekennzeichnet; [4] Tilly litt allerdings darunter, dass es bei
den Soldaten und Offizieren eine wachsende Neigung gab,
den Dienst im Heer der Liga zu quittieren und stattdessen in
die Dienste Wallensteins überzuwechseln; fatalerweise war
diese Neigung gerade bei den Tüchtigsten und
Leistungsfähigsten festzustellen. [5] Das lag freilich nicht nur
an den besseren Quartieren und dem höheren Sold, sondern
auch an den deutlich besseren Aussichten auf Belohnung
und Karriere in der Umgebung Wallensteins. Trotz seines
glänzenden Sieges bei Lutter am Barenberg schien Tillys
Stern bald zu sinken, während der Wallensteins weiter im
Steigen begriffen war. Enttäuschung und Resignation
machten sich im Umfeld Tillys breit – und dazu gab es
durchaus Anlass, wenn man die geringfügigen Belohnungen
Tillys mit denen Wallensteins verglich, der es zum Herzog
von Friedland gebracht hatte. Im Sommer 1627 kam noch
das Fürstentum Sagan in Schlesien hinzu. [6] Wenn man
etwas werden wollte, war es ratsam, in den Dienst
Wallensteins zu wechseln.

Dass der Belagerungskrieg gegen die Festungsstädte


Norddeutschlands sehr viel schwieriger werden würde als
der in Schlesien, war im Frühjahr 1627 noch nicht
abzusehen. Es war indes fraglich, ob das Massaker von
Münden nachwirken und die Verteidiger der Städte zur
schnellen Übergabe veranlassen würde, [7] denn inzwischen
waren bei Christian von Dänemark neue Regimenter aus
England und Schottland eingetroffen, denen die
Erfahrungen des vergangenen Jahres fremd waren und die
darauf brannten, sich im Kampf auszuzeichnen. [8] Die
Folgen dessen sollte Tilly bald zu spüren bekommen. Als
Erstes rückte Graf Fürstenberg, der Eroberer von Münden,
gegen Northeim vor. Tilly hatte bereits im Jahr zuvor
versucht, die gut befestigte Stadt einzunehmen, sich dann
aber durch den Vorstoß Christians ins Eichsfeld genötigt
gesehen, die Belagerung abzubrechen und dem Dänenkönig
entgegenzuziehen. Fürstenberg knüpfte da an, wo der
Festungskrieg im vergangenen Sommer geendet hatte. Zu
seinem Erstaunen musste er feststellen, dass der ihm seit
Münden vorauseilende Ruf, auf den Tilly gesetzt hatte, bei
den Verteidigern Northeims keine Wirkung zeigte: Sie
lehnten die Kapitulationsaufforderung ab und widerstanden
mehreren Sturmangriffen. Verhandlungen führten
schließlich dazu, dass sie in allen Ehren abziehen konnten.
Immerhin war Northeim damit aus dem Festungsgürtel der
Dänen herausgelöst, und im September fielen dann auch
noch Nienburg und Stade. In einem mühevollen Wechsel von
Belagerungen und Sturmangriffen wurde eine Festung nach
der anderen erobert und so die Verteidigungslinie der Dänen
Stück für Stück aufgebrochen. Darüber verging für Tilly das
Kriegsjahr 1627 ohne spektakuläre Erfolge.
Zuletzt, am 9. Dezember, kapitulierte auch das von
Pappenheim seit Anfang September belagerte Wolfenbüttel,
das holländische Ingenieure zu einer der modernsten
Festungen Norddeutschlands ausgebaut hatten. [9] Die vom
Grafen Philipp Reinhard von Solms befehligten Verteidiger
setzten den Belagerern durch häufige Ausfälle hart zu. [10]
Während Pappenheim und Solms sich wechselseitig ihrer
Ritterlichkeit versicherten, streiften Pappenheims Reiter
durch die umliegenden Gegenden, plünderten und
brandschatzten die Dörfer, um dabei aus den Bauern
herauszupressen, was noch herauszupressen war. Nicht von
ungefähr zeigten sich damals im Harz erste Formen eines
gewaltsamen Widerstands der Bauern, der sich in diesem
Fall nicht, wie in Oberösterreich, gegen religiösen Zwang
und die ihn ausübenden Jesuiten, sondern gegen die
Soldaten im Allgemeinen und die Reiter Pappenheims im
Besonderen richtete. «Der Wehrstand soll leben – der
Nährstand soll geben» war eine der höhnischen Formeln,
wie sie unter Soldaten mit Blick auf die Bauern üblich
waren, oder man sang in den Unterkünften des Militärs:
«Sobald ein Soldat wird geboren, / Sind ihm drei Bauern
auserkoren: / der erste, der ihn ernährt / der andre, der ihm
ein schönes Weib beschert, / der dritte, der für ihn zur Hölle
fährt.» [11] Pappenheims Reiter haben während der
Belagerung Wolfenbüttels viel dazu beigetragen, dass die
Bauern der Gegend in den Soldaten, zumal in den
Berittenen, ihren Todfeind sahen und diese, wenn sie ihrer
habhaft wurden, gnadenlos totschlugen. Wie kaum anders zu
erwarten, führte das zu Repressalien, die den Hass der
Bauern auf das Militär weiter steigerten. Sie stellten
Hinterhalte, schachteten Gruben aus, in die Reiter
hineinstürzten, und nutzten alle Möglichkeiten eines
gnadenlosen Kleinkriegs. So wurde der Partisanenkrieg zum
Begleiter des Festungs- und Belagerungskrieges. Die
konzentrierte Gewalt der Belagerer richtete sich gegen die
Verteidiger der Festung, wohingegen die diffuse Gewalt die
nähere und weitere Umgebung der Festungsstädte erfasste.
[12]

Die Belagerung einer Festung war somit nicht nur für die
Einwohner der befestigten Stadt eine Periode des Grauens,
sondern auch für die Landbevölkerung in einem Umkreis von
20 bis 30 Kilometern. Im Vergleich dazu war die
Feldschlacht ein Vorgang, der nur die Soldaten selbst betraf
und bei dem die Bauern sich Entschädigung verschafften,
indem sie nach dem Kampf auf dem Schlachtfeld erschienen
und die Toten und Schwerverwundeten ausplünderten. Von
mitgeführten Wertgegenständen bis zu den Stiefeln war für
sie alles von Interesse, was zur Folge hatte, dass auf einem
Schlachtfeld wenige Tage später zumeist nur noch nackte
Körper lagen, bei denen sich weder durch die Bekleidung
noch die als Erkennungszeichen getragenen Armbinden
feststellen ließ, welcher Seite die Toten einmal angehört
hatten. Nur die Leichen höherer Offiziere wurden geborgen
und ihren Familien überbracht, wie das Tilly mit dem bei
Lutter getöteten zweiten Sohn des Landgrafen von Hessen-
Kassel tat. [13] Die einfachen Soldaten ließ man liegen, und
neben den Bauern machten sich die Leute aus dem Tross des
siegreichen Heeres an die «Resteverwertung» des
Schlachtfelds. Als die Schweden am Tag nach der Schlacht
von Lützen ihren toten König Gustav Adolf suchten, war er,
als man ihn endlich fand, bereits völlig ausgeplündert. [14]
Und die Wallenstein’schen Kürassiere, die nach dem Gefecht
bei Landsberg an der Warthe nach ihrem Kommandeur, dem
Oberst Pechmann, suchten, fanden von ihm nur noch ein
paar Stücke seiner Rüstung. [15]
Die Belagerung Wolfenbüttels zog sich über drei Monate
hin. Ende November war Pappenheim klar, dass er, wenn die
Verteidiger nicht bald kapitulierten, die Belagerung
aufheben und in die Winterquartiere abziehen musste. Um
doch noch zum Erfolg zu kommen, ließ er die Bauern der
Umgebung zusammentreiben und einen Staudamm
aufschütten, durch den das Flüsschen Oker in die Stadt
hinein umgeleitet wurde und diese überflutete. Als Erstes
liefen die Keller voll, und bald standen auch die
Erdgeschosse der Häuser unter Wasser. [16] Am 9. Dezember
kapitulierten die Verteidiger Wolfenbüttels, nachdem sie für
sich freien Abzug herausgehandelt hatten. «Ich habe aber
die Maisten underwegs niederhaun, teils auch unterstoßen
lassen», schrieb Pappenheim in einem Brief an den
Markgrafen von Kulmbach. [17] Ritterlichkeit gab es nur sehr
begrenzt, wenn man es nicht mit adligen Standesgenossen
zu tun hatte: Wer von den Soldaten nicht in Pappenheims
Dienste treten wollte (was mit «unterstoßen» gemeint ist),
wurde kurzerhand niedergemacht.
Tilly brauchte das gesamte Jahr 1627, um den dänischen
Festungsgürtel Glied für Glied aufzubrechen. An einen
Vorstoß in die Territorien des Dänenkönigs war danach nicht
mehr zu denken. Das war die Art von Tillys strategischem
Vorgehen: Er wollte die Festungen nicht umgehen, sondern
sie erobern, bevor er sich auf einen Vorstoß nach Holstein
einließ. Die Folge war, dass Tilly dieses Mal gegenüber
Wallenstein das Nachsehen hatte. Der stand in Schlesien
zwar ebenfalls vor der Aufgabe, eine größere Anzahl von
Festungen erobern zu müssen, ging die Herausforderung
aber gänzlich anders an. Wallenstein befehligte im Frühjahr
1628 ein Heer von mehr als 100000 Mann, und das setzte er
für ein großes strategisches Projekt ein: Er wollte den Feind
in Schlesien innerhalb kurzer Zeit schlagen und gleichzeitig
verhindern, dass sich größere Verbände des dänischen
Heeres oderaufwärts bis zu dem zwischen Elbe und Havel
stehenden Markgrafen von Baden-Durlach zurückziehen
konnten, um mit diesem gemeinsam eine neue
Widerstandslinie zu bilden. Das hätte Wallensteins Vorstoß
nach Nordwesten, bei dem er Tilly zu überholen
beabsichtigte, verzögert oder aufgehalten. Nachdem er das
zurückliegende Jahr in Ungarn verloren hatte, wollte
Wallenstein den Dänenkrieg noch in diesem Jahr beenden –
und zwar so gründlich, dass Christian IV. sich danach nie
wieder in die Angelegenheiten des Reichs einmischen
würde. Also ließ er bereits im April den Unterlauf der Havel
und die Brücken über die Oder mit starken Kräften besetzen.
Dadurch sollte ein Netz gespannt werden, in dem aus
Schlesien entkommende Truppen gefangen und an der
Verbindung mit dem bei Havelberg stehenden Markgrafen
gehindert wurden. Die Havellinie war die letzte der
«Mausefallen», [18] die Wallenstein für die ihrer Vernichtung
in Schlesien entgangenen Truppen aufstellte. Dass er die
Truppen Christians zerschlagen würde, stand für ihn außer
Frage: Im Heerlager an der Neiße hatte er mehr als
40000 Mann zusammengezogen, um mit ihnen nach
Schlesien einzufallen. Er war dem Feind somit um fast das
Dreifache überlegen. Außerdem führte er einen gewaltigen
Geschützpark mit sich, dem die Mauern der nicht auf dem
neuesten Stand befindlichen Festungen Schlesiens kaum
standhalten würden.
Innerhalb von 24 Stunden kapitulierte die Garnison von
Leobschütz, und die meisten Soldaten wechselten in
Wallensteins Dienste; [19] in Jägerndorf wurde eine Woche
lang Widerstand geleistet, bevor die Verteidiger aufgaben;
schließlich hielten die Protestanten nur noch die starke
Festung Cosel an der Oder, bei der man mit einer längeren
Belagerung rechnete, aber Wallenstein fand einen Weg
durch das versumpfte Gebiet, das die Festung umgab, und
eroberte sie nach nur vier Tagen. Die dänische Kavallerie
entkam, was von Wallenstein offenbar beabsichtigt war,
wurde jedoch von Pechmanns Kürassieren an der Warthe
gestellt und aufgerieben. Teschen war als Nächstes dran,
danach Troppau, das mit zwei Wochen den längsten
Widerstand leistete. Ende Juli war Schlesien in Wallensteins
Hand.

Anfang August brach das kaiserliche Heer in drei Kolonnen


nach Nordwesten auf. Die von Wallenstein und Schlick
geführten Kolonnen bewegten sich parallel zueinander über
Cottbus in Richtung Elbe und rückten dann auf dem linken
Elbufer bis Lauenburg vor, ohne auf ernsthaften Widerstand
zu stoßen. Rechts davon operierte ein weiteres Detachement
unter Hans Georg von Arnim-Boitzenburg, das über
Brandenburg nach Mecklenburg vorstieß. Mecklenburg
interessierte Wallenstein besonders, denn die beiden
Herzöge des Landes, Johann Albrecht von Mecklenburg-
Güstrow und Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin,
hatten den Dänenkönig offen unterstützt. Wallenstein wollte
an ihnen ein Exempel statuieren, das dem an Friedrich V.
ähnlich sein sollte. Doch dazu musste Mecklenburg zunächst
erobert und besetzt werden. Das geschah Ende August; zu
größeren Kampfhandlungen kam es dabei nicht. Das System
der «Mausefallen» hatte dazu geführt, dass die gegnerischen
Truppen sich schnell zurückzogen, bevor solche
Auffangnetze gespannt werden konnten. Wallenstein
bedankte sich bei Arnim ausdrücklich für dessen zielstrebige
und effektive Operationsführung: «Ich erfreu mich mit dem
Herrn», schrieb er an ihn, «daß er mit einer Handvoll
Kriegsvolk mehr effektuiert als andere, die fünfmal so viel
davon haben. Daraus sein Valor [Wert] zu sehen ist.» [20] An
Wallensteins Erfolgen ist auch bemerkenswert, dass zwei
seiner Heeresabteilungen von Protestanten geführt wurden:
dem Grafen Schlick, der am Weißen Berg noch auf
böhmischer Seite gekämpft hatte, und dem gelobten
Freiherrn von Arnim, der zuvor in schwedischen Diensten
gestanden hatte.
In den ersten beiden Augustwochen erkämpften Truppen
Tillys den Übergang über die Havel; Markgraf Georg
Friedrich, der sich mit etwa 10000 Mann in Havelberg
festgesetzt hatte, leistete erbitterten Widerstand. Nach
sechs Tagen ständiger Scharmützel gelang es den von
Herzog Georg von Lüneburg geführten Truppen des Liga-
Heeres, den Fluss zu überqueren. [21] Als sich unter den
dänischen Verteidigern des Havelberger Dombergs, die sich
auf eine hinhaltende Verteidigung vorbereitet hatten, die
Nachricht verbreitete, Truppen Wallensteins seien im
Anmarsch (es handelte sich um das Korps unter Arnim, das
zu dieser Zeit in der Prignitz operierte), räumten sie über
Nacht ihre Stellungen und zogen sich nach Norden zurück.
Bevor man von kaiserlichen und ligistischen Truppen in die
Zange genommen wurde, gab man lieber die strategisch
wichtige Position an der Mündung der Havel in die Elbe auf.
Der Rückzug aus Havelberg in der Nacht zum 14. August
markiert die endgültige Wende des Krieges im Norden:
Hatten die Truppen Christians bis dahin zähen Widerstand
geleistet (was sie im Nordwesten noch einige Zeit taten), so
begann für sie nun eine Phase des Zurückweichens, was
dazu führte, dass bis Jahresende nicht bloß Holstein von
Wallensteins Truppen besetzt wurde, sondern die von Graf
Schlick geführten Verbände bis zur nördlichen Spitze
Jütlands vorstießen, wo ihr Vormarsch am Öresund zum
Stehen kam.
Nach Havelberg war das die zweite Wende dieses
Kriegsabschnitts: Der in Form weit ausholender
Bewegungen und gelegentlicher Gefechte geführte Krieg
endete, und was nun begann, war ein amphibischer Krieg, in
dem Christian, der sich mit den Resten eines Heeres auf die
Inseln Fünen und Seeland zurückgezogen hatte, die
Initiative zurückgewann und ein strategisches Gleichgewicht
herstellte. Zu Lande waren die Heere des Kaisers und der
Liga die Herren des Geschehens, und alle Versuche des
dänischen Königs, hier wieder Fuß zu fassen, sei es, um
Jütland oder Holstein zurückzuerobern, sei es, um
Wallenstein Nadelstiche zu versetzen, scheiterten kläglich
oder endeten, wie die Schlacht bei Wolgast, für den König in
einem Desaster. [22] Umgekehrt verfügte Wallenstein, der
nach einer schweren Verwundung Tillys Mitte September
vor Pinneberg für den Rest des Jahres die Operationen allein
leitete, über keinerlei Möglichkeit, den Dänen über das Meer
hinweg zu folgen: Es fehlten die Schiffe. In Einzelfällen, wie
im Fall von Fehmarn, gelang es ihm zwar, ein größeres
Truppenkontingent auf der Insel anzulanden, aber er konnte
es weder dauerhaft versorgen noch verstärken, da die
dänische Flotte die Zufahrten sperrte. Wenn Wallenstein
Glück hatte, konnte er die Truppen dann zurückziehen, oder
diesen blieb nach einigen Wochen nichts anderes übrig als
zu kapitulieren. [23]
Die Zölle, die auf die Schiffspassage durch den Öresund erhoben wurden,
ermöglichten es der dänischen Krone, ohne Freigabe finanzieller Mittel durch die
Ständevertreter Krieg zu führen. Der Kupferstich entstammt dem fünften Band der
Civitates Orbis Terrarum von Georg Braun und Franz Hogenberg und zeigt den
regen Schiffsverkehr im Öresund, eine Folge des ständig wachsenden
wirtschaftlichen Austauschs zwischen Nord- und Ostsee.

So war der Krieg in einen labilen Stillstand geraten; zwar


kam es immer wieder zu größeren oder kleineren
Scharmützeln, aber sie veränderten nichts an der
strategischen Gesamtlage. Wallenstein beherrschte das
Land, Christian das Meer, und es war nicht abzusehen, dass
einer der beiden in der Lage sein würde, daran etwas zu
ändern. Eigentlich wäre es unter diesen Umständen
naheliegend gewesen, von der Kriegführung zu einer
Verhandlungslösung überzuwechseln, doch dem stand der
Umstand entgegen, dass Tilly und Wallenstein bei ihrem
Treffen in Lauenburg am 2. September, also noch vor Tillys
Verwundung, ein Zwölfpunkteprogramm für den Frieden
aufgestellt hatten, das so hart war, dass es von Christian
umgehend zurückgewiesen wurde. Mit einer anderen
Reaktion hatte man auf Seiten des Kaisers und der Liga
freilich auch nicht gerechnet. Golo Mann hat die
Lauenburger Friedensbedingungen knapp zusammengefasst:
Christian müsse «sein Heer entlassen und völlig abrüsten;
auf die Würde des niedersächsischen Kreisdirektors für
immer verzichten; das Territorium, das allein ihm ein
scheinbares Recht auf jenes Reichsamt gegeben, Holstein,
an den Kaiser abtreten, der darüber nach Belieben verfügen
würde; den Schaden, den der von ihm geführte unnötige
Krieg den deutschen Fürsten und Städten getan, zur Gänze
vergüten, das hieß, auch den von der anderen Seite
verursachten Schaden; in keiner Zukunft mehr gegen das
Haus Österreich gerichtete Bündnisse eingehen; die
Schiffahrt durch den Sund freigeben, so, dass sie nicht mehr
durch Zölle belästigt würde». [24]
Auf drei Punkte dieser Bedingungen für den Frieden
würde sich Christian, solange er nicht völlig geschlagen war,
niemals einlassen: den Verzicht auf die Grafschaft Holstein;
die Preisgabe der auf die Passage durch den Öresund
erhobenen Zölle, die wichtigste Einnahmequelle des Königs;
und schließlich die Entschädigungszahlungen, die, wenn sie
in der Höhe des entstandenen Schadens entrichtet werden
sollten, Dänemark auf Jahrzehnte finanziell ruiniert hätten.
Aber diese Zahlungen waren verhandelbar; die Holstein-
Frage war schon schwieriger, doch auch bei ihr ließen sich
Kompromisse finden; die Zölle für die Sundpassage hingegen
stellten Dänemarks Rolle als Hegemonialmacht im
Ostseeraum in Frage. Hier ging es darum, wer zukünftig
Herr in der Ostsee sein würde, und die Beantwortung dieser
Frage sollte für den Fortgang des Krieges bis zum Lübecker
Frieden im Jahr 1629 ausschlaggebend sein. Wallenstein,
der beim Lauenburger Zwölfpunkteprogramm federführend
war, hatte diesen Punkt bewusst eingebracht – erstens, weil
die Sundzölle die Basis der dänischen Kriegsfinanz bildeten,
und zweitens, weil sie der Angelpunkt für ein Projekt waren,
das, wenn es gelang, das Machtgefüge nicht nur im
Ostseeraum, sondern in ganz Nordwesteuropa grundlegend
verändern würde. Im Grunde genommen war Christian für
Wallenstein nur noch ein kleiner Stein in dem großen Spiel
um die Neuordnung der europäischen Machtverhältnisse,
und dabei hatte er neben Schweden vor allem die
Niederlande und England im Auge. Die Schachfigur
Dänemark mochte für sich allein inzwischen unbedeutend
sein, [25] aber wenn man mit ihr den richtigen Zug machte,
ließ sich die machtpolitische Gesamtlage verändern. Das war
es, was Wallensteins strategische Überlegungen im Herbst
1627 prägte.
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt
Wallenstein befand sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt
seiner Macht – sowohl hinsichtlich seines persönlichen
Reichtums und der Gebiete, in denen er die
Landesherrschaft übernommen hatte, als auch in seinem
Verhältnis zum Kaiser. Nie mehr sollten ihm so viele
Optionen zur Verfügung stehen wie damals. Im Frühjahr
1627 bereits war ihm das Fürstentum Sagan in Schlesien als
erbliches Lehen übergeben worden, und nun ging es ihm,
nachdem er für kurze Zeit den Eindruck erweckt hatte, er
sei an Jütland interessiert, um das Herzogtum Mecklenburg,
das der Kaiser gegen den Widerstand einiger Reichsstände
Mitte Februar 1628 auf Wallenstein übertrug. Einmal mehr
fehlte dem Kaiser das Geld, um die bei Wallenstein
angehäuften Schulden zu begleichen. Wie schon im Falle
Friedlands und Sagans bezahlte Ferdinand II. mit Land und
dem Recht, es zu nutzen. Die Übertragung erfolgte in zwei
Schritten: Zunächst erwarb Wallenstein das Land gegen eine
Minderung der Schulden, die der Kaiser bei ihm hatte, dann
wurde ihm das bereits gekaufte Land vom Kaiser als Lehen
übertragen.
Die entscheidende Passage des auf den 12. Februar 1628
datierten kaiserlichen Schreibens lautete: «Wir überlassen
[…] obangeregtes Herzogthum Mecklenburg, Fürstenthum
Wenden, Grafschaft Schwerin, Herrschaft der Lande Rostock
und Stargardt und in Summa den ganzen Stato, den [die
bisherigen Herzöge] sonsten besitzen, mit aller
landesfürstlichen Hoheit, Superiorität, Jurisdiction und
Regalien […] Unsers Oheimbs und Herzogens zu Friedland
Ld. seiner weltkundigen uns erwiesener erspriesslichen und
nutzlichen Dienste halber.» [1] Auf den ersten Blick stellten
Friedland, Sagan und Mecklenburg einen Flickenteppich von
Herrschaftsgebieten dar; tatsächlich aber verband die Elbe
dies alles miteinander; oder anders gesagt: sie war der
«Zentralnerv» der Wallenstein’schen Herrschaftsbildung,
wie Wedgwood schreibt. [2] Wallenstein interessierte sich
dabei ebenso wenig für nationale Zugehörigkeiten, wie er
auf konfessionelle Unterschiede und Gegensätze Rücksicht
nahm. Es gehörte zu seinen Grundüberzeugungen, dass sich
die Frage der religiösen Identität politisch neutralisieren
ließ, wenn man ihr nicht zu viel Bedeutung beimaß und sie
nicht zu einem das Leben der Menschen bestimmenden
Faktor machte. Das hieß nicht, dass Wallenstein eine Politik
der religionspolitischen Toleranz betrieb; das kann man mit
Blick auf sein Herzogtum Friedland nicht sagen. Aber er
wollte konfessionelle Vorschriften in jedem Fall so locker
halten, dass sie die Menschen nicht zu Widerstand und
Aufruhr antrieben. Letzten Endes waren für ihn Fragen der
Religion machtpolitische Fragen, und nach dieser Maßgabe
waren sie auch zu beantworten.
Für Wallenstein waren geographische und ökonomische
Fragen sehr viel wichtiger als solche der Konfession und der
Zurechnung zu einer Nation. Dementsprechend baute er
entlang geographischer Gegebenheiten und wirtschaftlicher
Möglichkeiten ein Herrschaftsgebilde auf, das sich von der
oberen bis zur unteren Elbe erstreckte, das über den großen
Fluss an den europäischen Handel angebunden war und in
dem sich eine nach merkantilistischen Prinzipien
organisierte Wirtschaft entwickeln ließ. Sie sollte dauerhaft
ein Mehrprodukt erwirtschaften, das Wallenstein für seine
eigenen Zwecke abschöpfen konnte. [3] Dabei war er selbst
dem Luxus nicht abgeneigt, wie seine Güstrower Hofhaltung
während dieser Jahre zeigt. Um diesen Herrschaftsraum an
der Elbe zu entwickeln, musste der Krieg jedoch zu Ende
gehen, und insofern verwundert es nicht, dass seit 1628 in
Wallensteins Briefen immer wieder davon die Rede ist, man
müsse die zur Zeit günstigen Rahmenbedingungen nutzen,
um einen umfassenden und dauerhaften Frieden zu schaffen.
Bereits im Herbst 1627, als absehbar war, dass die
Festlandspositionen des Dänenkönigs zusammenbrechen
würden, schrieb Wallenstein nach Wien an Gerhard von
Questenberg, der Kaiser solle so schnell wie möglich mit
Dänemark Frieden schließen, «denn solche Gelegenheit, im
Reich Friedt zu machen, wird sich nicht bald präsentieren
wie itzunder» [4]. Das war für einen Mann, der durch den
Krieg groß geworden war, eine bemerkenswerte Äußerung.
Von nun an – und zwar bis zu seiner Ermordung in Eger –
musste sich Wallenstein zwischen Krieg und Frieden
entscheiden. Da er sich beide Optionen offenzuhalten
versuchte – den Krieg, dem er seine Größe verdankte, und
den Frieden, in dem er diese Größe erst würde genießen
können – entwickelte er immer mehr eine Disposition der
Entscheidungsschwäche, der Zögerlichkeit und des bloßen
Zuwartens. Die Anfänge dieser Selbstpassivierung, die in
den Monaten vor seiner Ermordung dann deutlich
hervortrat, lassen sich bereits im Jahr 1628 ausmachen: So
forderte er in Briefen zum Frieden auf und formulierte
zugleich Bedingungen dafür, die nicht zu erfüllen waren.
Wallenstein scheint sich darüber im Klaren gewesen zu
sein, dass das Reich angesichts der dem Kaiser unter
normalen Umständen zur Verfügung stehenden Mittel in
seiner augenblicklichen Machtentfaltung überdehnt war und
dass diese Überdehnung sich auf Dauer nicht durchhalten
ließ. [5] Seinem strategisch geschulten Blick war nicht
entgangen, wie sehr das Wiener Kaiserhaus von spanischen
Hilfsgeldern abhing: Solange diese flossen, konnte man den
Krieg weiterführen, aber man musste davon ausgehen, dass
die Zahlungen irgendwann eingestellt würden – oder
Spanien dafür Gegenleistungen erwartete, die den Kaiser in
Schwierigkeiten brachten. 1628 war ein Wendepunkt in der
spanischen Unterstützung des Wiener Kaiserhauses. Zum
einen gelang es in diesem Jahr einem niederländischen
Kaperverband unter dem Admiral Piet Hein (Heyn), die
spanische Silberflotte in der Karibik – in der Bucht von
Matanzas – zu überraschen und ohne weitere Verluste unter
die eigene Kontrolle zu bringen; zum anderen drängte
Spanien, das auf kaiserlich-ligistische Unterstützung in den
Niederlanden lange vergeblich gewartet hatte, nun
entschieden darauf, dass ihm im Streit um die Erbfolge im
Herzogtum Mantua kaiserliche Truppen zu Hilfe kamen. [6]
Wallenstein dürfte erkannt haben, dass die Überdehnung
der kaiserlichen Macht damit akut wurde: Vergeblich riet er
dem Kaiser, er solle sich aus dem Streit um Mantua
heraushalten, und als Ferdinand II. sich dann doch auf
spanischer Seite gegen die Franzosen in Italien engagierte,
stellte er eher zögerlich die für den neuen Kriegsschauplatz
benötigten Truppen ab. Er ahnte, dass sie ihm im Nordosten
des Reichs gegen Schweden fehlen würden. Der Verlust der
spanischen Silberflotte war auch darum ein herber Schlag,
weil dadurch nicht nur die spanischen Subsidien für den
Krieg in Deutschland ausblieben, sondern das erbeutete
Silber – es ging um immerhin elfeinhalb Millionen Gulden –
nun den Generalstaaten zur Verfügung stand, die es nutzten,
um den fast versiegten Festungs- und Belagerungskrieg in
ihrem Land neu zu entfachen. [7]
Im Mai 1629 begann Prinz Friedrich Heinrich mit der
Belagerung des in spanischer Hand befindlichen
Herzogenbusch, und es war klar, dass diese Festung nicht zu
halten war, wenn der Kaiser ihr keine Armee zum Entsatz
schickte. Das sprach dafür, so schnell wie möglich mit
Dänemark Frieden zu schließen. Wallenstein forderte Graf
Trauttmansdorff auf, den Kaiser zum Abschluss eines
umfassenden Friedens zu bringen, damit das Reich
stabilisiert werden und die Armee, wenn auch in
verkleinerter Form, erhalten bleiben könne. Dabei dürfe er
keine Zeit verlieren, «denn unsere Feinde werden sich
stärken und wir werden weichen müssen aus Mangel des
Unterhalts». [8] Wallenstein bezog das zunächst auf den
dänischen König: «Unsere Sachen werden nicht in solchen
gutem terminis auf die Dauer bleiben können, dagegen aber
haben sich die des dänischen Königs noch nie in so argen
befunden.» [9] Er hatte aber nicht nur Dänemark, sondern die
machtpolitische Gesamtlage Europas im Auge, und die
entwickelte sich für den Kaiser alles andere als erfreulich.
Sowohl die aktuelle Situation des Kriegs mit Dänemark als
auch die dem Kaiserhaus längerfristig verfügbaren
Ressourcen im Ringen um die Macht in Europa sprachen aus
Wallensteins Sicht für einen baldigen Friedensschluss –
dennoch entwarf er Pläne, die darauf hinausliefen, den Krieg
nicht etwa zu beenden, sondern ihn sogar auszuweiten. So
verhandelte er mit Polen, um dessen eher friedenswilligen
König Sigismund dazu zu bewegen, den Krieg gegen Gustav
Adolf fortzusetzen; gleichzeitig verhandelte er mit
Schweden, das er in einen Krieg gegen Dänemark um die
Ostseehegemonie hineinziehen wollte, da so der Dänenkönig
auch auf seinen Inseln angreifbar sein würde; vor allem aber
beriet er sich mit Spanien über den Aufbau einer Flotte, die
den Kaiser – und das hieß konkret: ihn, Wallenstein – in die
Lage versetzen sollte, selbst die Hegemonie im Ostseeraum
zu erringen; außerdem sollten die Niederländer mit dieser
Flotte aus dem Ostseehandel herausgedrängt werden.
Das war das größte Projekt, das Wallenstein zu diesem
Zeitpunkt verfolgte, denn wenn es gelang, die Grundlagen
des niederländischen Reichtums zu treffen, würde das den
Generalstaaten die wirtschaftliche Basis für den Krieg gegen
Spanien entziehen. Die Niederländer waren die führende
Macht im lukrativen Ostseehandel, und wenn ihnen dieser
verloren ging, würden sie sich politisch neu orientieren
müssen. Ein solcher Schlag gegen die Niederländer hatte
schon lange auf der spanischen Agenda gestanden, [10] aber
bislang hatten die Voraussetzungen gefehlt, dieses Projekt in
großem Stil zu verfolgen, und nur in großem Stil würde es
die Effekte haben, um die es ging. All das lief jedoch auf eine
Eskalation des Krieges hinaus.
Das «Rätsel Wallenstein» entstand nicht erst in der Zeit
des zweiten Generalats mit der Frage, ob sich der Herzog
gegen den Kaiser verschworen habe oder nicht, sondern
bereits während des ersten Generalats, als Wallenstein
allenthalben zu einem schnellen Friedensschluss riet, aber
Handlungen unternahm und Projekte verfolgte, die den
Krieg erheblich vorantrieben. Wie lässt sich das erklären?
Lässt sich das «Rätsel Wallenstein» auflösen, indem die
konkurrierenden Rationalitäten dieses augenscheinlich
überaus widersprüchlichen Verhaltens nachgezeichnet
werden?

Es gab für Wallenstein gute Gründe, die gegen einen


umfassenden Frieden und für die Weiterführung des Krieges
sprachen. Sobald nämlich ein stabiler Frieden im Reich und
an dessen Peripherie herrschte, gab es keinen Anlass mehr,
ein so großes Heer wie das von ihm geschaffene weiterhin
zu unterhalten. Im Jahr 1628, als die dänische Bedrohung
nicht mehr akut war und es eigentlich nur noch um die
Frage ging, wie und zu welchen Bedingungen der
Friedensschluss mit Christian IV. erfolgen sollte, mehrten
sich die Klagen über die mit den Einquartierungen
kaiserlicher Regimenter und die mit den Kontributionen
verbundenen Lasten. Vor allem seitens der Liga wurden
diese Klagen laut und energisch vorgetragen, da inzwischen
auch deren Mitglieder (vorerst mit Ausnahme Bayerns) von
den Einquartierungen kaiserlicher Truppen und von
Kontributionen nicht mehr verschont blieben, obwohl sie
doch, so der Einwand, ihren Beitrag durch die Zahlungen an
die Liga bereits entrichtet hätten. [11]
Auf dem Liga-Treffen in Bingen vom Anfang Juli 1628
begnügte man sich erstmals nicht mehr mit der Forderung
nach einer deutlichen Truppenreduzierung, sondern
verlangte die Entlassung Wallensteins. [12] Über seine
Gewährsleute am Wiener Hof dürfte Wallenstein alsbald
davon erfahren haben, und spätestens von diesem Zeitpunkt
an war ihm klar, dass der Frieden seine Machtposition im
Reich grundsätzlich in Frage stellen würde. Dabei ging es
nicht nur um seine Stellung als Oberkommandierender des
kaiserlichen Heeres; die Reichsstände störten sich auch an
seiner Belehnung mit dem Herzogtum Mecklenburg, der sie
in einer Reihe von symbolischen Akten die Anerkennung
verweigerten.
Der Frieden, das scheint Wallenstein im Verlauf des Jahres
1628 immer klarer geworden sein, drohte zu einer Gefahr
für das zu werden, was er im Krieg errungen hatte. Er war
darauf angewiesen, dass der Krieg weiterging, und
dementsprechend brachte er die Idee ins Spiel, dass nach
dem Friedensschluss mit Dänemark der Krieg gegen die
Türken, den «Erbfeind» des Wiener Kaiserhauses,
weitergeführt werden solle. Immer wieder taucht in
Wallensteins Briefen die Vorstellung auf, er werde das Heer
nach Südosten «transferieren» und einen Krieg gegen das
Osmanische Reich beginnen, um die Türken aus Europa
herauszudrängen. [13] «Der Herr», schreibt Wallenstein am
17. Mai 1628 an Arnim, «weiß meine Intention, daß ich gern
den Krieg wider den Türken transferieren wollte, und habe
allbereits den Kaiser und alle Minister, wiewohl etliche mit
harter Mühe, dazu disponiert.» [14] Wallenstein wollte den
Krieg, auf den er angewiesen war, möglichst weit weg von
den beiden Zentren seiner Herrschaft, Friedland und
Mecklenburg, geführt wissen. Also sprach er vom Frieden,
den das Reich brauche, und plante gleichzeitig einen neuen
Krieg, der die Kräfte des Reichs abermals bis zum Äußersten
anspannen würde.
Nimmt man Wallensteins Pläne für einen großen, offensiv
geführten Türkenkrieg ernst – was nicht alle Forscher tun,
denn einige halten das Türkenkriegsprojekt für bloßes
Gerede, mit dem Wallenstein Zeit für die Erhaltung des
Heeres gewinnen wollte –, dann verfolgte der Herzog ein
Vorhaben, das erst ein knappes Jahrhundert später von Prinz
Eugen realisiert wurde. Die Chancen für einen erfolgreichen
Türkenkrieg waren Ende der 1620er Jahre indes nicht
schlecht, da das Osmanische Reich in immer neue Kriege mit
den Persern verwickelt war [15] und ein Balkanfeldzug des
Kaisers für den Sultan einen Zweifrontenkrieg bedeutet
hätte, der die Kräfte der Osmanen wahrscheinlich
überfordert hätte. Man darf bezweifeln, dass sich der Kaiser
und der Wiener Hof, von den Kurfürsten ganz zu schweigen,
auf einen solchen Krieg eingelassen hätten, auch wenn
Wallenstein in dem Brief an Arnim behauptete, er habe die
maßgeblichen Personen des Reichs für sein Projekt
gewonnen. Tatsächlich hatte der Kaiser zu eben der Zeit, als
Wallenstein dies schrieb, den Frieden mit den Türken
verlängert und auf ein solides Fundament gestellt. So sehr
die Idee eines Kreuzzugs in der Vorstellungswelt
Ferdinands II. eine Rolle spielen mochte – was ihn vor allem
beschäftigte, war die Wiederherstellung der römisch-
katholischen Macht in Deutschland, die nach dem Sieg über
die Dänen in greifbare Nähe gerückt war. Die Türken
ermöglichten durch ihr Stillhalten in den späten 1620er
Jahren die kaiserliche Machtentfaltung im Reich, gleichzeitig
verschaffte die habsburgische Präferenz für das
Vorantreiben der Gegenreformation in Deutschland dem
Osmanischen Reich in dessen schwieriger Lage Entlastung.
An dieser stillschweigenden Interessenkoalition zwischen
Wien und Konstantinopel konnte auch der Herzog von
Friedland und Mecklenburg, wie Wallenstein sich jetzt
offiziell nannte, nichts ändern.

Gleichwohl verfügte Wallenstein im Unterschied etwa zu


Tilly, der an die Weisungen Maximilians gebunden war und
diese selbst dann befolgte, wenn er sie, wie bei dem Verbot
eines Feldzugs gegen die Niederlande, für falsch hielt, über
politische Handlungsmacht: Er exekutierte nicht einfach
Vorgaben, die er aus Wien erhielt, sondern setzte durchweg
allgemein formulierte Erwartungen des Kaisers nach eigener
Auffassung in operative Politik um. Darin stand er
politischen Akteuren wie Richelieu oder Olivares deutlich
näher als Heerführern wie Tilly. Dieser war stets Militär, nie
Politiker; Wallenstein hingegen war fast immer beides
zugleich, und beinahe könnte man sagen, er war ein
Machtpolitiker, der angesichts der Konstellation im Reich,
dem fortdauernden Krieg und der Schwäche des Kaisers,
zum Militär geworden war – sei es, weil er nur in dieser
Rolle seine eigenen Vorstellungen umsetzen konnte, sei es,
weil er hier das größte Defizit im kaiserlichen Machtportfolio
ausgemacht hatte und diese Lücke ausfüllen wollte.
Aber selbst wenn Letzteres für Wallenstein
ausschlaggebend gewesen sein sollte, so handelte er doch
nie ausschließlich im Interesse des Kaisers oder des Reichs,
sondern hatte stets auch die eigenen Interessen im Auge.
Nach der Niederschlagung des böhmischen Aufstands hatte
er sich hemmungslos bereichert, und er tat das als
Kriegsunternehmer und Darlehensgeber nach wie vor. [16]
Man würde jedoch der Vielschichtigkeit und Komplexität
Wallensteins nicht gerecht, wenn man das Streben nach
Reichtum («Habgier») zum alleinigen Antrieb seines
Handelns erklären und so das «Rätsel Wallenstein» auflösen
würde. Es ging Wallenstein immer auch um politische
Gestaltungsmacht, die man analog zu «Habgier» auch als
«Machtgier» bezeichnen kann. Freilich gingen beide
Imperative, persönliche Bereicherung und Gestaltung der
politischen Verhältnisse, nicht immer in derselben Rechnung
auf, und das betraf auch die Frage von Krieg und Frieden.
Wallenstein musste sich entscheiden und wollte sich doch
nicht festlegen – oder jedenfalls erst dann, wenn die zu Rate
gezogenen Astrologen versicherten, dass eine bestimmte
Entscheidung unbedingt die richtige sei. 1628 traf er sich
deswegen persönlich mit Johannes Kepler, der ihm zuvor
schon zweimal das Horoskop gestellt hatte. [17]
Unter diesen Umständen war es für Wallenstein
naheliegend, sich alle Entscheidungen so lange wie möglich
offenzuhalten, was konkret hieß, über möglichst viele
Optionen zu verfügen. In Anbetracht der sich ständig
verändernden Rahmenbedingungen wollte er reaktionsfähig
bleiben und dabei vermeiden, für die Gegenseite, für wen
auch immer, infolge selbstauferlegter Beschränkungen
berechenbar zu werden. Simulare e dissimulare, Täuschen
und Verbergen, dieser für die Verhaltenslehren des Barock
zentrale Imperativ war auch für Wallenstein die zentrale
Maxime des Handelns. [18] Wer bedingungslos auf Frieden
setzte und dies allen zeigte, war leicht auszurechnen und
infolgedessen auch leicht auszumanövrieren; das galt
selbstverständlich auch für den, der nichts anderes im Kopf
hatte als die Fortsetzung des Krieges. Legt man
spieltheoretische Maßstäbe an, so vergrößerte Wallenstein
seine Handlungsspielräume, wenn er beide Optionen
gleichermaßen verfolgte und seine Mit- wie Gegenspieler im
Unklaren darüber ließ, wofür er sich letztlich entscheiden
werde. Optionsvielfalt war in seinem Fall gleichbedeutend
mit Macht.
Wallenstein verhielt sich dabei nicht anders als die beiden
großen Politiker seiner Zeit, Richelieu in Frankreich und
Olivares in Spanien. [19] Auch Olivares verfolgte damals eine
Politik des Friedens, den der für unabdingbar hielt, wenn
Spanien seine Stellung behaupten wollte; gleichzeitig aber
bereitete er sich auf einen Krieg vor, und während er mit
Frankreich und England (getrennt) über den Frieden
verhandelte, unternahm er mancherlei, um beide Mächte in
einen Krieg gegeneinander zu verwickeln. [20] Dieselbe
Politik betrieb von Paris aus Richelieu – und Wallenstein
wollte mit beiden mithalten. Das erklärt zum Teil zumindest
seine Doppelzüngigkeit in der Frage von Krieg und Frieden.
Wie Richelieu pflegte auch Wallenstein die Kunst des
Geheimnisses. «Um eines jedoch bitte ich», will Richelieu zu
dem venezianischen Gesandten Contarini gesagt haben, «das
strengste Geheimnis. Denn was in Eurem Senate vorgeht,
das weiß man aller Orten, und ich sehe nicht ab, wie ihr
jemals etwas Gutes ausrichten könnt. Es handelt sich dabei
auch um mein persönliches Interesse, weil ich Cardinal bin.
Ferner kann ich für die Signoria hinzufügen, daß das
Geheimnis erforderlich ist in Rücksicht auf die Fürsten der
Liga, welche es nicht wohl aufnehmen würden, daß
Frankreich die Protestanten anruft das Reich zu verwirren
[es ging um die Subsidien für Schweden], während ich doch
dies für das Beste von Allem halte, was unter den
gegenwärtigen Umständen geschehen kann.» [21] Es ist
unklar, ob Richelieu die Geheimhaltung hier so betont, weil
er wollte, dass seine Pläne tatsächlich geheim blieben – oder
ob es gerade seine Absicht war, dass die Venezianer das
Besprochene unter dem Siegel der Geheimhaltung überall
kundtaten.
Das von Michel Lasne geschaffene Bild zeigt Richelieu als Mann der Kirche, was er
seit seiner Ernennung zum Ersten Minister Ludwigs XIII. jedoch nur noch der Form
nach war. Richelieu nutzte allerdings die kirchlichen Verbindungen und
Loyalitäten: Der Kapuziner Père Joseph etwa war sein wichtigster Spion, Diplomat
und Berater in allen das Reich betreffenden Fragen. Kein europäischer Politiker
verstand es so gut wie Richelieu, Diplomatie und Kriegführung miteinander zu
verbinden.

Dass Wallenstein sich mit Politikern wie Richelieu und


Olivares auf einer Ebene sehen konnte, war nicht zuletzt die
Folge seiner Ernennung zum «Generalobersten
Feldhauptmann» sowie zum «General des Ozeanischen und
Baltischen Meeres». Beide Urkunden stellte Kaiser
Ferdinand am 21. April 1628 aus, aber die Rangerhöhung
wurde bereits einige Monate zuvor angekündigt und von
Wallenstein genutzt. In der Position des Generalissimus sah
Wallenstein sich endgültig nicht mehr als bloßes Instrument
der kaiserlichen Politik, sondern nahm für sich in Anspruch,
diese selbständig und im Hinblick auf die jeweiligen
Herausforderungen und Gelegenheiten zu gestalten. Das
war eine freie und selbstbewusste, aber durchaus
naheliegende Deutung jener Passage in der
Bestellungsurkunde, in der es heißt, er sei eingesetzt «vber
alles Volck, Ausschuß, schwär vnd leichte Cauagleria vnd
Fueßuolck aller nationen, so sich in der Armada vnd
vnnserer Besoldung befündten werden, mit aller auf solchen
hohen General-Bevelch gehöriger authoritet, praeeminenz,
praerogatiuen vnd allen andern Vortlß gelegenheinthen» [22].
In der Urkunde über die Ernennung Wallensteins zum
«General [Admiral] des Ozeanischen und Baltischen Meeres»
heißt es, der Kaiser übertrage ihm «volkhombentlichen
gewaldt und facultet, mit solchen alß vnßer Capitain-General
allens daßyenige zuthuen vnd anzuordnen, so vonnötten zu
sein von Zeit zue Zeit […] thuenlich befundten wurdt.» [23]
Wallensteins Berufung zum Admiral für die Nord- und die
Ostsee war der Versuch, einem Projekt Schwung zu
verleihen, das von Spanien seit einigen Jahren mit wenig
Erfolg betrieben worden war: Man wollte den
niederländischen Handel in Nord- wie Ostsee treffen, um
dadurch die militärisch so ungemein widerstandsfähigen
Generalstaaten doch noch niederzuringen. Bis zum
Erscheinen der kaiserlichen Truppen an den Küsten der
Meere hatte ein solches Projekt jedoch keine
Realisierungschance gehabt, weil die Hansestädte ihre
eigenen Interessen verfolgten und sich nicht in die Politik
des Kaiserhauses einbinden ließen. Zur Geschichte des
Reichs gehörte auch, dass sich in Norddeutschland, zumal
an den Küsten und im Mündungsbereich der großen Flüsse,
eine Ordnungsstruktur herausgebildet hatte, die sich von
den an Territorialität und herrschaftlicher Obrigkeit
orientierten Verhältnissen Ost- und Süddeutschlands
grundsätzlich unterschied. Träger dieser Ordnung war die
Hanse, ein Geflecht von Kaufmanns- und Städtebünden, die
in Nordeuropa seit dem 12. und 13. Jahrhundert einen
Wirtschaftsraum entwickelt hatte, in dem die politische
Ordnung den wirtschaftlichen Erfordernissen folgte und
nicht umgekehrt wie sonst im Reich. [24] Nun war die Hanse
seit dem 15. Jahrhundert jedoch im Niedergang: Die
aufsteigenden Territorialmächte Dänemark und Schweden
hatten die Handelskontrolle in der Ostsee übernommen, in
der Nordsee hatten Niederländer und Engländer das Zepter
in Händen, und im Osten machte sich Russland als
aufstrebende Macht bemerkbar, indem es die hansischen
Kaufleute mehr und mehr ihrer Privilegien beraubte. [25]
Vor diesem Hintergrund entstand in der Mitte der 1620er
Jahre, von Spanien ausgehend und dann von dem
kaiserlichen Gesandten Graf Georg Ludwig von
Schwarzenberg vorangetrieben, das Projekt eines spanisch-
hansischen Handelsbündnisses, mit dem die Vorherrschaft
der skandinavischen Mächte sowie der Niederländer im
Nord- und Ostseeraum gebrochen werden sollte. Dieses
Handelsbündnis, so die Vorstellung Schwarzenbergs, würde
unter kaiserlicher Schirmherrschaft zustande kommen; der
Kaiser sollte die einander fremden Akteure
zusammenbringen und dabei als Garant des erforderlichen
Vertrauens dienen. Auch die habsburgischen Interessen
würden dabei nicht zu kurz kommen, denn die kaiserliche
Macht, die sich seit dem Spätmittelalter nördlich der
Mittelgebirge immer weiter ausgedünnt hatte, würde
gestärkt werden, und womöglich wären die seit dem
16. Jahrhundert protestantischen Hansestädte angesichts
der wirtschaftlichen Vorteile, die eine Liaison mit Spanien
brachte, zur Rückkehr zum katholischen Glauben bereit.
«Was hat», so Schwarzenberg in einer an den Kaiser
gerichteten Denkschrift, «die Ketzereien bishero erhalten
und mehr befördert, als daß die verführten Nationen von
dem Haus Östreich […] durch den Teufel und seinen Anhang
abgehalten werden? Dagegen was kann die rechte Religion
mehr propagieren und erweitern, als wenn eben dieselben
verführten Nationen durch die Navigation und durch die
vertraulichen Commercien mit dem Haus Östreich bekannt,
vertraut, in Konversation gebracht und, weil fides ex auditu,
verhoffentlich mit der Zeit und leicht bekehrt werden
können. Das Exempel so vieler indianischer Völker und
Nationen ist klar genug.» [26]
Es war der Entwurf einer merkantilistischen
Handelspolitik, der die Hansestädte dazu motivieren sollte,
diesem Bündnis beizutreten, und die Möglichkeit dazu bot
der Vorstoß des kaiserlich-ligistischen Heeres bis an die
Küsten von Nord- und Ostsee. Dabei sollten die Truppen
Tillys die ostfriesische Küste mit den Häfen von Leer und
Emden sowie die Mündung der Weser und Wallensteins
Heer die Mündungsgebiete von der Elbe bis zur Oder mit
den Häfen Wismar, Rostock und Stralsund unter ihre
Kontrolle bringen. Wenn das gelang, so die Überzeugung,
würde man die Holländer vom Handel ausschließen und ein
spanisch-deutsches Handelsmonopol durchsetzen können. In
Danzig hatten die Spanier diesbezüglich beim polnischen
König bereits selbst vorgefühlt. [27] Es war jedoch die Frage,
ob die an ihre Selbständigkeit gewöhnten Hansestädte bereit
waren, sich in ein System einbinden zu lassen, in dem sie
wirtschaftlich von Spanien abhängig sein würden und unter
der politischen Kontrolle des Kaisers und seiner Gesandten
stünden. Die eher freihändlerischen Prinzipien der Hanse
hätten dann merkantilistischen Regulationsbestimmungen
weichen müssen; die welterfahrenen Kaufleute der Hanse
kannten die staatliche Regulation der spanischen Wirtschaft
und verspürten wenig Neigung, sich darauf einzulassen.
Außerdem befürchteten sie, dass die protestantische
Konfession, der sie überwiegend anhingen, in einem solchen
System unter Druck geraten würde. Schon ganz und gar
nicht wollten sich einzelne Städte in ein solches
Handelsbündnis fügen. Der Leitbegriff, auf den die
Hansevertreter in dieser Situation immer wieder
zurückgriffen, lautete Neutralität. Unter keinen Umständen
wollte man sich in einen Seekrieg hineinziehen lassen, der
den Handel, von dem man lebte, zum Erliegen brachte. Also
wurde ein Hansetag ausgeschrieben, auf dem man
gemeinsam über die Vorschläge beraten wollte. So gewann
man zumindest Zeit.
Auf dem Hansetag vom März 1628 wurde dann von den
Städten eine Reihe von Erwartungen und Voraussetzungen
formuliert, die von kaiserlicher Seite nicht sogleich
beantwortet werden konnten. Außerdem machten die
Vertreter der Städte geltend, dass sie nicht bevollmächtigt
seien, so weitreichende Verträge ohne Zustimmung des
Rates ihrer Stadt zu unterzeichnen. Die Beratungen mussten
auf den Herbst vertagt werden. So verrann die Zeit, und die
kaiserliche Seite kam nicht weiter. Tatsächlich war sie
keineswegs nur ein Vermittler zwischen spanischen und
hansischen Interessen, sondern verfolgte ihr eigenes
Projekt, in das inzwischen auch Wallenstein maßgeblich
eingebunden war. Es ging darum, eine namhafte Zahl von
Kriegsschiffen zusammenzubringen, mit denen man die
Handelsschiffe der Hansestädte auf ihren Fahrten durch die
Nord- und Ostsee schützen und das beanspruchte
Handelsmonopol gegen andere Kauffahrer durchsetzen
konnte. Das jedenfalls war die offizielle Version. Aber es war
abzusehen, dass die Schiffe der Hanse bei der Invasion der
dänischen Inseln als Truppentransporter dienen sollten.
Wallenstein war ein Admiral ohne Flotte, und bevor er
Kriegsschiffe bauen und ausrüsten ließ, wollte er einstweilen
auf die Schiffe der Hanse zurückgreifen.

Das Bild zeigt Wallensteins «Flotte» vor Wismar. Die Werftkapazitäten der
Ostseehäfen waren begrenzt, und der Bau von Schiffen kostete Zeit. Daran
scheiterte Wallensteins Vorhaben, innerhalb eines Jahres eine Flotte bauen zu
lassen, die es mit der Seemacht Dänemarks aufnehmen und die
Machtverhältnisse im Ostseeraum verändern konnte. Nur wenige Schiffe wurden
fertiggestellt, und diese wenigen kamen nicht zum Einsatz.

Der spanische Gesandte Gabriel de Roy hatte den Auftrag,


mit den Hansestädten über die Bereitstellung von Schiffen
zu verhandeln und durch finanzielle Angebote etwas
nachzuhelfen. Eine Flotte ließ sich eben nicht in gleicher
Weise aus dem Boden stampfen wie ein Landheer, und als
Wallenstein das doch versuchte und in Wismar Schiffe in
Auftrag gab, musste er das lernen: Der Bau eines Schiffes
dauerte ein bis zwei Jahre, und die Werftkapazität in Wismar
war beschränkt. Als die wenigen Schiffe, die schließlich
fertig wurden und über eine Besatzung verfügten, in See
stechen sollten, scheiterte das daran, dass vor dem Hafen
von Wismar ein schwedisches Geschwader kreuzte, das sie
am Auslaufen hinderte. Im Frühjahr 1629 waren sechs große
Kriegsschiffe, eine Galeere, zwei Fregatten und mehrere
kleine Schiffe einsatzfähig, aber mit diesem Verband konnte
man keinen Krieg führen. [28] In dieser Situation dürfte
Wallenstein erkannt haben, dass aus dem mit so großen
Erwartungen begonnenen Projekt, die Ostsee in ein mare
clausum zu verwandeln, einen nach den Grundsätzen der
Territorialherrschaft kontrollierten Raum, nichts werden
würde. Der spanische Gesandte de Roy hatte es mit Geld
versucht, der kaiserliche Verhandlungsführer Graf
Schwarzenberg hatte unverhohlene Drohungen ausgestoßen,
und er selbst, Wallenstein, hatte die widerspenstige
Hansestadt Stralsund zu erobern versucht – allesamt waren
sie am hansischen Eigensinn gescheitert. Gegen diese
Mischung aus Verhandlungsgeschick und Entschlossenheit,
Flexibilität und Sturheit hatten sie kein Mittel gefunden. So
stellte Wallenstein anstelle des Krieges wieder den Frieden
ins Zentrum seines Planens und Handelns.
Das Ringen um Stralsund: Episode oder
Wende des Krieges?
In fast allen größeren Darstellungen des Krieges taucht die
Frage auf, warum Wallenstein sich auf die Belagerung
Stralsunds überhaupt eingelassen hat: ob es sich dabei um
eine Frage des Prestiges gehandelt habe oder ob im Ringen
um Stralsund ein strategischer Zweck erkennbar sei. Ist
Wallensteins strategische Urteilskraft vor Stralsund
womöglich seiner persönlichen Eitelkeit zum Opfer gefallen?
Und hatte dieses Eitelkeitsproblem, das in der Weigerung
der Stadt gründete, eine kaiserliche Besatzung
aufzunehmen, zuletzt sogar weitreichende Folgen für den
Kriegsverlauf? Oder war Wallensteins Scheitern an
Stralsund nur eine Episode des Krieges, die von der
protestantischen Geschichtsschreibung zu einem
Wendepunkt des Geschehens hochstilisiert wurde, weil hier
erstmals ein nachhaltiger Erfolg der Protestanten zu
verzeichnen war – und obendrein einer, der sich auf den
Widerstandswillen einer protestantischen Stadt
zurückführen ließ? [1] Während die fehlgeschlagene
Belagerung Stralsunds für die einen eine Episode des
Krieges ist, die dessen Verlauf nicht weiter bestimmt hat,
erkennen andere in den Ereignissen in und um Stralsund die
Wende des Krieges: Der Siegeslauf der katholischen Mächte
ist hier sichtbar an seine Grenze gestoßen. Das Meer erwies
sich als Raum der Protestanten, und von dort her setzten sie
auch zum Gegenschlag an. Die Lage Stralsunds passt dazu:
Die Hansestadt war auf allen Seiten vom Meer umgeben und
nur über eine schmale Landzunge mit dem Festland
verbunden. Die Macht des Tellurischen, des festen Bodens,
endete, wo das Thalassische, das Meer, begann. [2]
Jenseits dieser religionssoziologisch aufgeladenen
Metaphysik des Geographischen gab es im Fall von
Stralsund freilich auch eine Reihe politisch-militärischer
Entscheidungen, die auf die kommenden Kriegsereignisse
vorauswiesen. So wurden die dänischen Einheiten, die in der
ersten Phase der Belagerung die Stralsunder Bürger
unterstützt hatten, durch ein schwedisches Regiment und
einen schwedischen Militärkommandanten abgelöst. Damit
griff erstmals die zweite nordische Macht in den Krieg ein,
und die Verteidiger Stralsunds lassen sich als Vorhut Gustav
Adolfs verstehen, mit dessen Landung auf Usedom der
Kriegsverlauf eine grundlegend andere Richtung nahm.
Die Bedeutung der Belagerung Stralsunds erschließt sich
im Zusammenhang mit dem spanisch-kaiserlichen
Ostseeprojekt: Billigt man diesem keine größere Relevanz
für den Kriegsverlauf zu, so hat auch die Belagerung
Stralsunds beziehungsweise ihr Scheitern keine besondere
Bedeutung. Wallenstein hat sich demnach in ein
Kräftemessen ohne strategischen Sinn hineingesteigert, sich
durch die Weigerung der Stralsunder Bürgerschaft, eine
kaiserliche Garnison in die Stadt aufzunehmen, provozieren
lassen, und am Schluss wollte er nur noch ein Exempel
statuieren. Dafür spricht der Gestus, in dem er sich immer
wieder über die Stralsunder äußerte: Sie seien «lose
Buben», und die müssten bestraft werden. [3] Wallenstein
war indigniert. Der Widerstand der Stadt war für ihn eine
Art Majestätsbeleidigung. So etwas durfte unter keinen
Umständen Schule machen. Andererseits war Stralsunds
geographische Lage so einmalig, dass der erfolgreiche
Widerstand kaum als Vorbild für andere Städte herhalten
konnte. Das begrenzte seine Bedeutung in Wallensteins
Augen und ermöglichte ihm die Aufhebung der Belagerung,
nachdem mehrere Sturmangriffe erfolglos geblieben waren.
Misst man dem Ostseeprojekt hingegen zentrale
Bedeutung bei, dann war Wallensteins Scheitern an
Stralsund mehr als eine Episode: Dann nämlich war die
Belagerung der Stadt ein Testfall, der darüber entscheiden
sollte, ob Wallenstein sich gegen das Taktieren und
Hinauszögern der Hansestädte notfalls auch mit Gewalt
durchsetzen konnte, um deren Bürger zur Kooperation in
einem Seekrieg gegen die nordischen Mächte zu zwingen.
Ohne die Unterstützung der Hansestädte war ein solcher
Seekrieg nicht zu führen. Doch wie stark war der
Widerstand, und unter welchen Umständen würde man ihn
aufgeben? Es ist ganz unwahrscheinlich, dass Wallenstein
Überlegungen dieser Art nicht angestellt hat; in dem
Briefwechsel mit Arnim wird das immer wieder deutlich.
Dafür spricht auch die Wallenstein zugeschriebene
Äußerung: «Und wäre Stralsund mit Ketten an den Himmel
gebunden: es müßte herunter.» [4] Aber Wallenstein schaffte
es nicht, Stralsund herunterzuholen, und so musste er sich
nach der Aufhebung der Belagerung von den zeitweilig
hochfliegenden Plänen zu einer grundlegenden Umwälzung
der europäischen Machtverhältnisse verabschieden.

Am 23. Mai 1628 war Arnim mit 8000 Mann in das Hainholz
nahe von Stralsund eingerückt und hatte dort größere
Schanzen aufwerfen lassen. Damit begann im strengen Sinn
die Belagerung der Stadt. Der Kampf reichte freilich bis in
den Dezember 1627 zurück, als der kaiserliche Oberst Ernst
Georg Sparr den Rat der Stadt mit einer
Kontributionsforderung von 150000 Talern konfrontiert
hatte, wobei er ein Drittel umgehend einziehen wollte. [5] Bei
dieser Forderung handelte es sich um das übliche Verfahren
Wallensteins, Kontributionen zum Unterhalt des Heeres
einzutreiben: Nur wenn die Stadt zahle, werde sie von
Einquartierungen verschont bleiben. Die Stralsunder
erklärten sich nach längeren Beratungen bereit, 30000 Taler
zu zahlen, wollten aber Garantien dafür, dass ihnen
Einquartierungen dann auch tatsächlich erspart blieben, und
obendrein wollten sie diese Sonderzahlung auf die von ihnen
zu entrichtende Landsteuer angerechnet wissen. Sie
begannen also zu verhandeln, wie sie das als Kaufleute
gewohnt waren. Da sie dabei recht selbstbewusst auftraten,
anworteten Wallensteins Offiziere mit Drohungen. Der Rat
von Stralsund reagierte darauf, indem er die Bürgerschaft in
Verteidigungsbereitschaft versetzte. Zusätzlich zu den
4000 Mann, die zur Verfügung standen, wurden 500 Söldner
angeworben. Außerdem wurden die Wälle, Mauern und
Türme der Stadtbefestigung instandgesetzt und die
80 Kanonen, die in den städtischen Arsenalen standen, in
Stellung gebracht. [6]
Im Theatrum Europaeum [7] wurden die Zurüstungen
Stralsunds so beschrieben: «Wie nun die Stralsunder
gemerkt, daß es ernst werden wollte, haben sie sich zur
Gegenwehr aufs beste, [wie] sie konnten, gefaßt gemacht,
die Stücke [Kanonen] auf die Wälle gezogen, und etlichen
hohen Häusern die Dächer abgebrochen, dieselben obenher
mit Wasen [ausgestochenen Rasenstücken] und Erden, damit
ihnen nicht leicht die Feuerkugeln und Granaten schaden
möchten, beschüttet und Geschütz darauf gestellt. […] Und
damit nicht zuviel an Proviant in der Stadt verzehrt, noch
einige Zagheit unter ihnen verursacht werden möchte,
haben etliche ihre Weib und Kinder samt ihrem besten
Schatz an Gold, Silber und anderem Mobilien zur Vorsorge
beseits geschafft und auf Schiffen nach Lübeck, Hamburg
und andern Orten abführen lassen und nur alte
Weibspersonen zum Kochen und Waschen, heiß Wasser,
Pech und andere Sachen zum Sturm zu bereiten, bei sich
behalten.» [8]
Arnim hatte die der Stadt vorgelagerte Insel Dänholm
besetzen lassen; er hoffte, von dort aus die Zufahrt der
Schiffe nach Stralsund blockieren zu können. In Stralsund
reagierte man darauf mit einer Gegenblockade der Insel, um
die Soldaten von Munitions- und
Versorgungsgüterlieferungen abzuschneiden. Als Oberst
Monro sich mit drei Kompanien schottischer Infanteristen
Stralsund näherte, dessen Verteidiger er im Auftrag des
dänischen Königs verstärken sollte, wurde sein Schiff von
Dänholm aus unter Feuer genommen, um es zur Umkehr zu
zwingen. «Am 28. Mai [= 7. Juni]», so Monro in seinem
Bericht, «kamen wir nicht ohne Gefahren zu Wasser und zu
Lande in die Stadt Stralsund hinein. Die kaiserliche Armee
lag davor und hatte ihre Batterien ganz nahe am Wasser
stehen. Als wir hineinsegelten, schossen sie unseren Mast
ab, nachdem wir schon vorher auf Grund gelaufen waren, so
daß wir nun in Gefahr gerieten, zu ertrinken oder getötet zu
werden.» [9] Doch das Schiff kam wieder frei, und die
schottischen Soldaten wurden in Stralsund angelandet. Die
neuen Einheiten wurden dringend benötigt. «Wir stellten
uns auf dem Marktplatz auf, wurden aber sofort
losgeschickt, die Stellungen am Frankentor einzunehmen,
um die andere Abteilung [die bereits früher in Stralsund
eingetroffenen Kompanien des schottischen Regiments]
abzulösen, die dort drei Tage und Nächte Wache gehalten
hatte, denn das war der schwächste Abschnitt der ganzen
Stadtbefestigung und die einzige Stelle, die vom Feind
angegriffen wurde. […] Wir hielten dort 48 Stunden Wache,
bis wir von der anderen Abteilung wieder abgelöst wurden,
und das ging singulis noctibus per vices [alle Nächte im
Wechsel] sechs Wochen lang, so daß ich nicht aus den
Kleidern kam, ausgenommen, ich wechselte den Anzug oder
die Wäsche.» [10]
Inzwischen ließ Arnim die Stadt regelmäßig des Nachts
bestürmen; als er schließlich feststellen musste, dass er es
nicht mehr nur mit bewaffneten Bürgern, sondern mit
erfahrenen Soldaten zu tun hatte, wechselte er das
Vorgehen und ließ die Stadt durchgehend mit Kanonen und
Mörsern beschießen. Als Mörser bezeichnet man
Steilfeuergeschütze mit kurzem Rohr, die vorzugsweise bei
der Belagerung von Städten eingesetzt wurden. Sie
verschossen Hohlgranaten mit Spreng- oder Brandladung,
die in der Stadt selbst – und nicht etwa an deren
Umwallung – Zerstörungen anrichten und Brände auslösen
sollten. Aufgrund ihrer ballistischen Flugbahn
durchschlugen sie die Gebäude von oben her, wo diese am
wenigsten geschützt waren und die Granaten die größte
Durchschlagskraft hatten. Auch Monro musste mit solchen
Geschossen Erfahrungen machen, als er infolge einer
Verwundung nicht auf Wache stand, sondern sich in einem
Notlazarett in der Stadt befand: Eine Sprengkugel
durchschlug die Unterkunft vom Dach bis zum Erdgeschoss,
wo Monro lag und sich nicht bewegen konnte. «Ich befahl
meine Seele in Gottes Hand und dachte bei mir, daß der gut
beschützt ist, den der Herr beschützt. Und da er mich schon
aus so vielen Gefahren errettet hatte, vertraute ich ihm, Er
werde nicht zulassen, daß ich unter Mauertrümmern
ersticke.» [11] Nach einigen Tagen stellte Arnim den
Beschuss ein und nahm wieder Verhandlungen auf; er wollte
erreichen, dass die schottischen Truppen in dänischen
Diensten aus Stralsund abzogen. [12] Wallenstein selbst, der
sich auf dem Weg zu den Belagerern befand, hatte die
neuerlichen Gespräche befürwortet, seinem Feldmarschall
Arnim aber gleichzeitig verboten, es zu einem Abschluss
kommen zu lassen; es gehe bloß darum, «die Verteidiger
schläfriger zu machen». [13]
Tatsächlich hatte jedoch der Kaiser nach einem Gutachten
seines Hofkriegsrats Wallenstein dringlich von weiterer
Gewaltanwendung gegen Stralsund abgeraten, um zu
verhindern, dass sich weitere Hansestädte in die
Botmäßigkeit der Dänen oder Schweden begaben. Damit
war das Dilemma der kaiserlichen Seite umrissen: Sie hatte
ein Interesse daran, den Krieg gegen Christian IV. bald zu
beenden, entfernte sich von diesem Ziel aber immer mehr, je
stärker die Hansestädte infolge des auf sie ausgeübten
Drucks die Dänen oder auch die Schweden zu Hilfe riefen.
So dauerte der Krieg fort, während die Klagen über die
Belastungen durch die Truppen Wallensteins immer lauter
wurden. Der Kaiser äußerte nur Bedenken und überließ es
Wallenstein, damit umzugehen, wie er dies für richtig hielt.
Aber auch Wallenstein war unschlüssig, welches Verhalten
Stralsund gegenüber richtig sei. Das erklärt die bedächtige
Langsamkeit, mit der er sich von Prag aus, wo er mit dem
Kaiser konferiert hatte, zu seinen Truppen vor Stralsund
begab. Der Widerstand der Stadt hatte die strukturelle
Schwäche der kaiserlichen Position an der Ostseeküste
offengelegt.
Nachdem Wallenstein am 26. Juni bei den Belagerern
eingetroffen war und ihnen Verstärkungen zugeführt hatte,
ließ er in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli erneut angreifen.
[14] Die Angreifer hatten jedoch das Problem, dass sie nur an
wenigen Stellen über Land bis an die Wälle, Mauern und
Tore der Stadt vordringen konnten, da die
Verteidigungsanlagen sonst von Wasser umgeben waren und
ein Angriff mit Booten keinerlei Erfolgschance hatte. Die
Tore und deren unmittelbare Umgebung stellten aus Sicht
der Verteidiger die neuralgischen Punkte der
Stadtbefestigung dar. Hier hatte man zur Verstärkung
Dreiecksschanzen, sogenannte Ravelins, aufgeworfen, so
dass die Angreifer zunächst diese Außenwerke überwinden
mussten, bis sie zum Tor vordringen konnten. Während
Arnim alle drei Tore der Stadt, zu denen es Zugänge gab,
gleichzeitig angegriffen hatte, konzentrierte Wallenstein sich
auf das Frankentor, wo er sich die besten Chancen
ausrechnete. In drei Abteilungen wurden etwa 4000 Mann
Fußvolk gegen dieses Tor und seine Vorfeldbefestigungen
zum Sturm geführt. Monro berichtet: «Zwischen 10 und
11 Uhr nachts gaben unsere Wachtposten Feuer und riefen
uns zu den Waffen. Als wir aufsprangen, sahen wir schon,
wie der Feind in einer Stärke von über 1000 Mann unter
dem Ruf ‹Sa Sa Sa Sa Sa Sa› heranstürmte.» [15] – «Ich halte
es für angebracht», hat Monro das Sturmgeschrei der
Angreifer später kommentiert, «hier etwas über die
Angewohnheit der Kaiserlichen zu sagen, die beim Angriff
wie die Türken brüllten, als ob Gebrüll entschlossene
Soldaten erschrecken könnte.» [16]
Es gelang den Angreifern, eine erste Schanze zu nehmen
und in den Raum zwischen Schanze und Tor einzudringen,
aber sie vermochten sich dort nicht festzusetzen, sondern
wurden durch einen entschlossenen Gegenangriff
schwedischer Kompanien unter Oberst Rosladin
zurückgeworfen. [17] So wogte der Kampf die ganze Nacht
hin und her, und als sich die Angreifer im Morgengrauen
zurückzogen, hatten sie über 1000 Mann verloren, aber
nichts erreicht. Dem standen Verluste von etwa 200 Mann
auf Seiten der Verteidiger gegenüber. Wallenstein erkannte,
dass Stralsund, nachdem kriegserprobte Einheiten die
Verteidigung übernommen hatten, nicht im Sturm zu
nehmen war. Hätte er es nur mit bewaffneter Bürgerschaft
und ein paar hundert Söldnern zu tun gehabt, so wäre die
Stadt in der Nacht vom 7. zum 8. Juli wohl gefallen. Die
Gegenangriffe der Verteidiger zeigten, dass sie sich nicht
demoralisieren ließen und standhalten würden. Außerdem
erhielten sie über See regelmäßig Verstärkungen, dazu
Verpflegung und Munition, so dass sie eine Belagerung
durchzuhalten vermochten, so lange sie auch dauern würde.
Das hätte sich nur ändern lassen, wenn Wallenstein über
eine kriegsstarke Flotte verfügt hätte. «Ich habe wohl bei
dreizehn Schiffe, aber mit keinem kann ich auf die See»,
schrieb er damals an Collalto, «denn Gabriel de Roi hat die
Matrosen und Büchsenmeister entlassen.» [18] Also begann
Wallenstein wieder zu verhandeln.
Doch auch in den Verhandlungen konnte er seinen Willen
nicht durchsetzen: Weder wurden die fremden Truppen
abgezogen, noch nahm die Stadt eine kaiserliche Garnison
auf, und zu einer Geldzahlung an den Kaiser war sie auch
nicht bereit. Im Gegenteil: An die Stelle des dänischen
Einflusses in Stralsund trat eine zunehmende Abhängigkeit
von Schweden. Es war der Herzog Bogislaw von Pommern,
der durch fortgesetzte Vermittlungsdienste schließlich ein
Übereinkommen zustande brachte, das Wallenstein
ermöglichte, die Belagerung ohne gravierenden
Gesichtsverlust aufzuheben. Hinzu kam der große Sieg über
die dänische Armee, den er am 2. September bei Wolgast
errang und der die Schlappe von Stralsund verdeckte.
Gegenüber dem Kaiser versuchte er, die vergebliche
Belagerung als eine belanglose Episode darzustellen, aber
diese Darstellung entsprach keineswegs der tatsächlichen
Lage: Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt war nun
definitiv am Ende. Wie gezeigt, [19] war es zuvor ohnehin
nicht gut vorangekommen, und die Hansestädte, die man für
einen Erfolg brauchte, hatten die Verhandlungen über die
Bereitstellung von Schiffen immer wieder hinausgezögert.
Wallensteins hartes Auftreten gegenüber Stralsund dürfte
nicht zuletzt den Zweck gehabt haben, die Hansestädte
angesichts der kaiserlichen Forderungen gefügig zu machen.
Das war gründlich misslungen. Nach dem Fehlschlag von
Stralsund würden sie sich erst recht nicht auf ein Bündnis
mit dem Kaiser gegen Dänemark und Schweden einlassen;
der angeschlagene Christian war auf See nach wie vor ein
Machtfaktor, und Gustav Adolf hatte gezeigt, dass mit ihm
zu rechnen war, wenn es darauf ankam.
Im Sommer 1628 haben sich auf den Verteidigungswällen
von Stralsund und in den Angriffsgräben vor den Toren der
Stadt die Machtverhältnisse im Norden wieder verschoben,
und daran vermochte auch Wallensteins eindrucksvoller Sieg
bei Wolgast nichts zu ändern. Wallenstein zog daraus die
Konsequenz, auf einen schnellen Friedensschluss mit
Dänemark zu drängen.
Der Lübecker Friedensschluss und das
kaiserliche Restitutionsedikt
Bislang hatten die weitreichenden Forderungen des Kaisers
und der Liga gegenüber Christian von Dänemark die
Aufnahme von Friedensverhandlungen unmöglich gemacht.
Es kam freilich noch ein weiteres Problem hinzu, das eher im
Hintergrund eine Rolle spielte, und das war die stete
Forderung der Reichsstände nach einer deutlichen
Verringerung der Truppen. Die Frage dabei war, welche
Einheiten aufgelöst werden sollten: die des Kaisers oder die
der Liga. Seitens der katholischen Reichsstände ging es vor
allem um die Verkleinerung des Wallenstein’schen Heeres,
wozu der Kaiser durchaus bereit war, wenn auch ligistische
Regimenter aufgelöst würden. Doch wer sollte den Anfang
machen, und wie sollte das Abrüstungsverhältnis zwischen
Wallensteins Heer und dem sehr viel kleineren Heer der
Liga aussehen? Wie ließ sich vermeiden, dass die so
dringlich gewünschte Abrüstung auf eine Entwaffnung der
katholischen Reichsstände hinauslief? Es war das
Misstrauen der Verbündeten untereinander, das der
Aufnahme von Friedensgesprächen mehr entgegenstand als
ihr Verhältnis zum Feind. So legte Kurfürst Maximilian
plötzlich wieder großen Kriegseifer an den Tag und ließ
seinen Feldmarschall Pappenheim einen Plan ausarbeiten,
wie die dänischen Inseln doch noch angegriffen und
Christian seiner restlichen Macht beraubt werden könne. [1]
Wallenstein wies den Vorschlag Pappenheims jedoch mit der
Bemerkung zurück, es gebe bequemere Mittel, mit den
Dänen zu Rande zu kommen. Ihm ging es um zügige
Friedensverhandlungen, und dabei wollte er es sein, der die
Verhandlungen führte. Deswegen lehnte er auch die
mehrfach angebotene Vermittlerrolle des Herzogs Friedrich
von Schleswig-Holstein-Gottorf ab. Um Herr der
Verhandlungen zu sein, musste Wallenstein mit Christian
direkt verhandeln. Es war eine Reihe verwirrender
Schachzüge, die im Vorfeld der Lübecker Verhandlungen
getätigt wurden und die mehr mit den Machtverhältnissen
im Reich als mit dem zukünftigen Verhältnis zu Dänemark zu
tun hatten.
Andererseits war es naheliegend, die Verhandlungen bald
zu beginnen und zügig zu führen, da England gerade in
einen Krieg gegen Frankreich verwickelt war, in dem es um
die Unterstützung der Hugenotten in La Rochelle ging, so
dass der dänische König nicht mit einer größeren
Unterstützung durch die Engländer rechnen konnte, wie die
Haager Allianz sie vorgesehen hatte. Die Zerstrittenheit der
antihabsburgischen Mächte führte auch dazu, dass Spanien
seine Erwartungen gegenüber Kaiser und Liga erhöhte:
Beiden Mächten hatte man in den zurückliegenden Jahren
immer wieder unter die Arme gegriffen, und nun sollten sie
Spanien im Kampf gegen die Niederlande helfen. Wenn
Kaiser und Liga nicht in wirtschaftlicher Hinsicht über das
Ostseeprojekt, auf das man in Madrid so große Hoffnung
gesetzt hatte, Druck auf die Niederlande ausüben würden,
dann musste dieser Druck eben in militärischer Form
hergestellt werden, etwa indem Teile des kaiserlichen oder
des ligistischen Heeres an der niederländischen Grenze
zusammengezogen wurden. Mit dieser Vorstellung konnten
sich einige Liga-Mitglieder überhaupt nicht anfreunden, weil
das hieß, dass ein erheblicher Teil des Heeres in ihren
Territorien einquartiert wurde. Wenn man denn Spanien
Hilfe leisten müsse, so rieten sie, solle man das in Italien
tun, wo der Streit um die Nachfolge des kinderlosen Herzogs
von Mantua zu eskalieren drohte, weil Spanien und
Frankreich unterschiedliche Nachfolgekandidaten
favorisierten. [2] Die Truppen sollten demnach nicht nach
Westen, sondern nach Süden verlegt werden. Die
Voraussetzung für das eine wie das andere aber war die
Beendigung des Krieges mit Dänemark.
Drei Fragen standen einem baldigen Beginn der
Friedensverhandlungen entgegen: Es galt zu entscheiden,
wo die Gespräche stattfinden sollten; wer bei den
Gesprächen auf Seiten von Kaiser und Liga federführend
sein würde; und schließlich, wie die Bedingungen für einen
Friedensschluss aussehen sollten. Alle diese Fragen hingen
miteinander zusammen. Da die zuletzt von Wallenstein und
Tilly formulierten Bedingungen für die dänische Seite nicht
annehmbar waren, musste man sich aufeinander zubewegen,
aber wer sollte auf kaiserlich-ligistischer Seite die
erforderlichen Konzessionen bewilligen? Die Entscheidung
über den Ort der Verhandlungen war so etwas wie ein
Präjudiz für die Konzessionsbereitschaft beider Seiten. Das
waren dieselben Fragen, die auch bei der Vorbereitung der
Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück
eineinhalb Jahrzehnte später eine zentrale Rolle spielen
sollten; in beiden Fällen führten sie dazu, dass die
Verhandlungen nicht sogleich in Gang kamen.
Was den Ort der Verhandlungen anbetraf, war die
Verständigung am leichtesten. Wallenstein hatte Kiel oder
Lauenburg vorgeschlagen, was Christian nicht akzeptieren
wollte, da beide Orte in den vom Gegner besetzten
Territorien seines Reichs lagen und dort geführte
Friedensverhandlungen ein Symbol der dänischen
Niederlage gewesen wären. Christian hatte stattdessen
Hamburg und Lübeck vorgeschlagen, Hansestädte, die nicht
am Krieg beteiligt gewesen waren und somit als neutral
angesehen werden konnten. Man einigte sich auf Lübeck.
Beim Problem der Verhandlungsführerschaft ging es um die
Rangfolge zwischen Kaiser und Bayernherzog
beziehungsweise Wallenstein und Tilly. Die Liga bestand
darauf, dass Tilly nicht als «Assistenzrat und Adjunkt,
sondern als ein kaiserlicher Mitkommissarius» an den
Verhandlungen beteiligt sein solle, [3] wogegen man in Wien
nichts einzuwenden hatte, solange der Vorrang Wallensteins
gegenüber Tilly gewahrt blieb. Ausweichend reagierte man
in Wien hingegen auf die Forderung Maximilians, das
Ergebnis der Verhandlungen müsse von den Kurfürsten
gebilligt werden. Das würde heißen, so der Einwand aus
Wien, dass die beiden protestantischen Kurfürsten, der
Sachse und der Brandenburger, auf die Verhandlungen
Einfluss gewännen, was man in Wien unter allen Umständen
verhindern wollte. Man verwies stattdessen die katholischen
Kurfürsten darauf, dass sie durch Tilly ja an den
Verhandlungen beteiligt seien.
Die Friedensbedingungen, die von den Siegern vorgelegt
wurden, ließen indes keine schnelle Einigung erwarten:
Christian, so der den Dänen am 12. März 1629 offiziell
übergebene Friedensentwurf der kaiserlich-ligistischen
Seite, sollte auf Holstein, Schleswig und Dithmarschen
verzichten und Jütland so lange an den Kurfürsten von
Sachsen abtreten, bis dieser dort für seine dem Kaiser
geleisteten Dienste entschädigt war. Weiterhin sollten der
dänische König und sein Sohn allen Ansprüchen auf die
Bistümer und Stifte in Norddeutschland entsagen. Vor allem
aber sollte Dänemark den Kaiser und die Liga für sämtliche
Kriegskosten entschädigen, den Öresund für die Feinde des
Reichs sperren und ihn für dessen Freunde offen halten. [4]
Christians Gegenforderungen standen denen des Kaisers
und der Liga nicht nach: Er verlangte, dass die kaiserlichen
Truppen sein Land umgehend räumen und Ersatz für den
dort angerichteten Schaden leisten sollten. [5]

Die Verhandlungen, die am 23. Januar 1629 mit dem


Austausch der Vollmachten formell begannen, wurden von
Unterhändlern geführt: Wallenstein, der sich während dieser
Zeit in seiner neu bezogenen mecklenburgischen Residenz
Güstrow aufhielt, hatte den General Aldringen, die Obersten
Johann Balthasar von Dietrichstein und Hannibal von
Schauenburg sowie den Hofkammerrat Reinhard von
Walmerode entsandt, Tilly den bayerischen Rat Hans
Christoph von Ruepp sowie seinen Obersten Jost Maximilian
von Gronsfeld. Ihnen standen auf dänischer Seite ebenfalls
sechs Personen gegenüber: der königliche Kanzler Christian
Friis, der Reichskanzler Jakob Ulfeldt und der Reichsrat
Albert Skeel sowie Levin von Marschalck, der deutsche
Kanzler des Königs, und die Brüder Detlev und Heinrich
Rantzau. [6] Die Anfangsphase der Verhandlungen war durch
diplomatisches Geplänkel geprägt. Die Dänen bestritten,
dass Wallenstein zu Recht den Titel eines «Generals des
Ozeanischen und Baltischen Meeres» führte, denn das Recht
über die nordischen Meere stehe allein ihrem König zu;
außerdem wiesen sie den Vorwurf zurück, ihr König habe
den Krieg begonnen. Die kaiserliche Seite wiederum bestand
ausdrücklich auf dem Titel Wallensteins und dem darin
ausgedrückten kaiserlichen Rechtsanspruch auf Nord- und
Ostsee sowie die Kontrolle der in sie mündenden Ströme und
Flüsse. Auch stritt man sich über die jeweils ausgestellten
Verhandlungsvollmachten. Die größten Verzögerungen beim
Fortgang der Verhandlungen resultierten daraus, dass sich
immer wieder Mitglieder der Delegationen zu ihren
Auftraggebern begeben mussten, um sie über die Vorschläge
der Gegenseite zu unterrichten sowie Instruktionen für die
weitere Verhandlungsführung einzuholen. Das war für die
Dänen ein geringeres Problem, weil sie mit dem König selbst
Rücksprache hielten und der Weg zwischen Lübeck und den
dänischen Inseln schnell zurückzulegen war. Die kaiserlich-
ligistische Delegation musste zunächst Tilly und Wallenstein
kontaktieren, die sich jedoch an unterschiedlichen Orten
aufhielten, sich also noch untereinander abzustimmen hatten
und bei gravierenden Fragen mit ihren Auftraggebern in
München und Wien sprachen. Die Folge war, dass die
Verhandlungen in den ersten Monaten nicht vom Fleck
kamen.
Dass man auf diese Weise nicht zu einem schnellen
Friedensschluss kam, scheint Wallenstein schnell klar
geworden zu sein; er nutzte die gegebenen Konstellationen
zielstrebig aus, um sich zum eigentlichen
Verhandlungspartner der Dänen aufzuschwingen. Bereits
vor Übergabe der offiziellen Friedensbedingungen hatte er
dem Kaiser eine Denkschrift zustellen lassen, in der er eine
zur offiziellen Linie konträre Sicht entwickelte. Er warnte
vor der Formierung eines neuen antihabsburgischen
Bündnisses, das entstehen werde, wenn man die Dänen in
eine Lage bringe, in der sie nur noch die Wahl zwischen
einem Unterwerfungsfrieden oder der Wiederaufnahme des
Krieges hatten. «Es befinden sich beim König Ambassadoren
von Frankreich, Engelland, Schweden und Holland, welche
nicht alleine große Hilfe von Volk [Kriegsvolk] und Geld dem
König versprechen, sondern auch da er Fried machen wird,
nicht schlechte Bedrohungen thun. Der König ist wegen so
viel erlittenen Spotts und Schadens desperiert [verzweifelt],
von Natur stolz und geizig, möchte sich in ein neue
Conföderation mit ihnen einlassen, wenn er sehen sollte, daß
man der Tractation [der Friedensverhandlung] kein Anfang
machen will.» [7] Wallenstein warnte auch vor einer
Fortdauer des gegenwärtig eingefrorenen Kriegszustands im
Norden, da man in diesem Fall eine große Militärpräsenz
aufrechterhalten müsse, die von den ausgezehrten Ländern
nicht mehr getragen werden könne. Er nahm hierin die
notorischen Klagen der Reichsstände über die Belastungen
durch das Militär auf und machte daraus ein Argument für
eine zu den offiziellen Friedensbedingungen des Kaisers und
der Liga alternativen Verhandlungsführung. Diese sei
erforderlich, damit der Kaiser seine Truppen andernorts
einsetzen könne – Wallenstein spielte auf den mantuanischen
Erbfolgekrieg an –, und im Wissen um die sich zuspitzende
Krise im Süden des Reichs könne sich die Haltung der Dänen
schnell versteifen. Statt Christian auf die Knie zu zwingen,
solle der Kaiser ihn für sich gewinnen und durch ein
großzügiges Entgegenkommen dauerhaft zu einer
prohabsburgischen Politik verpflichten. «Dadurch werden
sie ihn und seine Nachkommen devinciren, daß er mehr E.M.
[Eurer Majestät] wegen der empfangenen Wohlthat, als
seinen Conföderirten, welche ihn auf’s Eis geführt haben,
vertrauen und deren Confident allezeit verbleiben wird.» [8]
Dann folgt Wallensteins Vorschlag für die
Friedenskonditionen: «Ohne Restituierung Jütlands,
Schleswigs und Holsteins wird gewiß kein Fried geschehen.
Ist dies restituirt, so verhoffe ich gänzlich, daß der König
nicht allein ein Fried wird machen, sondern sich ganz und
gar mit E.M. und Dero hochlöblichsten Haus conföderiren.
Der Stifter [Bremen, Halberstadt etc.] und anderer
Reichssachen wird er sich auch nicht anmaßen […].» [9] – In
Wallensteins Vorschlag ist von einer Zahlung der
Kriegskosten durch den Dänen schon gar nicht mehr die
Rede, was nahelegt, dass dies ohnehin als
Verhandlungsposition bei den Friedensgesprächen
vorgesehen war, und auch die Frage des Öresunds wird von
ihm nicht weiter angesprochen. Jütland, Schleswig und
Holstein sind der entscheidende Punkt, und hier schlägt
Wallenstein vor, die besetzten Territorien dem König
zurückzugeben. Er setzt auf ein mehr als großzügiges
Friedensangebot, bei dem fast alle dänischen Wünsche und
Forderungen erfüllt würden. Der Verlierer des Krieges solle
nicht als solcher behandelt werden, und das werde Christian
auf Dauer zu einem zuverlässigen Partner von Kaiser und
Reich machen.
Was hat Wallenstein, der sonst auf die Ausnutzung eines
Sieges bedacht war und gegenüber Dänemark bislang eine
andere Linie vertreten hatte, dazu veranlasst, einen so
großzügigen Verhandlungsfrieden vorzuschlagen? Einige
Zeit zuvor hatte Wallenstein mit dem Gedanken gespielt,
sich als Entschädigung für seine dem Kaiser geleisteten
Dienste mit dem Herzogtum Jütland belehnen zu lassen;
aber er hatte dieses Projekt schon bald wieder verworfen,
weil er bezweifelte, dass er sich in Jütland auf Dauer werde
halten können. Der fehlgeschlagene Versuch, in Nord- und
Ostsee eine Flotte aufzustellen, mit der man beide Meere
kontrollieren konnte, hatte ihn belehrt, dass die Ressourcen
des Kaisers für eine nachhaltige Machtentfaltung im Norden
nicht ausreichten. Wallenstein war kein politischer Träumer
und hing nicht Projekten an, die er als unrealisierbar
erkannt hatte. Das Scheitern des Ostseeprojekts hatte ihn
dazu gebracht, das Verhältnis zu Dänemark neu zu
bewerten, und diese Neubewertung hatte er in seiner
Denkschrift vom 20. Februar vorgenommen.
Es gab aber noch eine andere Sorge, die Wallenstein zur
Großzügigkeit gegenüber Dänemark veranlasste: Er nahm
seit langem an, dass der Schwedenkönig Gustav Adolf in den
Krieg eingreifen würde. [10] Was Gustav Adolf bislang daran
gehindert hatte, war die Rivalität mit Dänemark und der
Krieg mit den Wasa in Polen, die Ansprüche auf die
schwedische Krone erhoben. Gefährlich für die Stellung des
Kaisers in Norddeutschland wurde Gustav Adolf erst, wenn
er den Krieg mit Polen beendete und womöglich ein Bündnis
mit Dänemark einging. Wallenstein wusste um die Avancen,
die Gustav Adolf den Dänen während der Verhandlungen in
Lübeck machte, zumal er sich als Schutzherr Stralsunds
auch an den Friedensgesprächen hatte beteiligen wollen. [11]
Durch die großzügigen Friedensbedingungen sollte
Dänemark auf Distanz zu Schweden gehalten werden. Beide
Mächte gegeneinander auszuspielen, war ein zentrales
Element der Machträson, die das Reich «zur Versicherung
der Seekanten» [12] befolgen musste. Und dann war da,
drittens, noch die Verwicklung des Reichs in den
mantuanischen Erbfolgekrieg. Wallenstein hatte zwar
mehrfach davor gewarnt, sich in diese Auseinandersetzung
hineinziehen zu lassen, von der letzten Endes allein Spanien
profitierte und durch die sich der Kaiser definitiv die
Feindschaft Frankreichs zuziehen musste, [13] aber
inzwischen war Wien bereits so tief in den Konflikt
verstrickt, dass es daraus nicht mehr herauskam.
Wallenstein sah sich seit einiger Zeit mit der Forderung
konfrontiert, Teile seines Heeres nach Italien in Marsch zu
setzen. Damit aber schwand die Stärke des Heeres im
Norden, und es war ratsam, so schnell wie möglich mit den
Dänen Frieden zu schließen.
Wallensteins Vorschläge fielen in Wien nicht sogleich auf
fruchtbaren Boden. Als die dort festgelegten, viel härteren
Friedensbedingungen der dänischen Delegation vorgelegt
wurden, drohte diese damit, die Verhandlungen
abzubrechen. Offenbar hatte man auf dänischer Seite die
schwierige Lage durchschaut, in der sich der militärische
Sieger des Krieges inzwischen befand. Walmerode verfasste
daraufhin eine Denkschrift, in der er die Rückgabe
Schleswigs an Christian ins Spiel brachte, dabei aber an dem
Verzicht auf die norddeutschen Bistümer und einer
Entschädigungszahlung von fünf Millionen Talern festhielt.
[14] In dieser Situation schlug Wallenstein vor, sich mit Tilly
ins Benehmen zu setzen und eine eigenständige
Verhandlungsführung zu eröffnen. Tilly willigte ein und traf
am 5. April in Güstrow ein, wo er mehr als einen Monat
blieb, was den Fortgang der Verhandlungen erheblich
erleichterte. Anfänglich war Tilly gegenüber der Konzilianz
Wallensteins skeptisch, doch nach einiger Zeit schwenkte er
auf dessen Friedensprogramm ein. Was auch immer ihn dazu
veranlasst haben mochte, die freundlich-zuvorkommende
Art, mit der Wallenstein ihn behandelte, oder das vom Kaiser
zwischenzeitlich verkündete Restitutionsedikt, das
durchzusetzen alle Kraft erfordern würde – die beiden
Heerführer erklärten in gleichlautenden Schriften an
Maximilian und Ferdinand, dass sich die Lage im Norden zu
verschlechtern drohe, weil Frankreich, England, Schweden
und Holland im Begriff seien, Dänemark erneut für ihre
Absichten einzusetzen; dass in Anbetracht des
Restitutionsedikts mit der Loyalität der norddeutschen
Protestanten nicht zu rechnen sei; dass das Vordringen
Schwedens in Polen zu einer Bedrohung der kaiserlichen
Erblande werden könne und dass man nicht in der Lage sei,
die langgestreckten Küsten des Nordens gegen
Landeunternehmen der Gegner zu schützen, weil die auf
dem Landweg marschierenden Truppen für eine Strecke, die
Schiffe in wenigen Stunden zurücklegten, mehrere Wochen
bräuchten. Man solle dem dänischen König darum seine
Länder zurückgeben, wenn er im Gegenzug auf seine
Stellung im niedersächsischen Kreis und die von ihm
erhobenen Ansprüche auf die norddeutschen Bistümer
verzichtete.
Die Publikation von Verträgen war ein oft genutztes Mittel, Übereinkünften
zwischen den Parteien noch vor deren Ratifikation Verbindlichkeit zu verschaffen;
strikte Geheimhaltung dagegen begünstigte bei Verhandlungen den Fortgang der
Gespräche. Der Vertrag des Lübecker Friedens zwischen dem Kaiser und dem
König von Dänemark im Jahr 1629 war kaum unterschrieben, als er bereits in der
Druckerei von Valentin Schmalhertz in Lübeck veröffentlicht wurde.

Auf dieser Grundlage verhandelte man in Lübeck weiter, und


am 7. Mai willigte Christian in Wallensteins und Tillys
Vorschläge ein. In Anbetracht des Kriegsverlaufs war das für
Dänemark ein sehr gutes Ergebnis, bei dem freilich nicht
vergessen werden sollte, dass der dänische König, ohne dass
dies im Vertrag Erwähnung fand, auf eines seiner
wesentlichen Kriegsziele verzichtete: den Schutz der
Protestanten im Reich und die Erneuerung des
Religionsfriedens. Als die Unterhändler am 22. Mai den
Vertrag unterzeichneten, akzeptierte Christian
stillschweigend auch, dass der Kaiser die infolge des Krieges
eingetretene Lage zum Erlass eines Edikts genutzt hatte, mit
dem die Besitz- und Einflussverhältnisse zwischen
Katholiken und Protestanten im Reich grundlegend
verändert wurden. Dieses Edikt dürfte auch der Grund
gewesen sein, aus dem sich Ferdinand auf die von
Wallenstein vorgeschlagene «weiche Linie» der
Verhandlungen eingelassen hatte: Ihm ging es mehr um die
Wiederherstellung des Katholizismus im Reich als um den
Aufbau einer Machtposition an Nord- und Ostsee.

Der Kriegsverlauf in den Jahren 1627 und 1628 und


besonders Wallensteins Agieren in dieser Zeitspanne hatten
die Dimension des Macht- und Hegemonialkriegs in den
Vordergrund treten lassen, und fast hätte man übersehen
können, dass es in diesem Krieg immer auch um religiöse
Fragen ging. Das änderte sich mit dem Erlass des
kaiserlichen Restitutionsedikts am 6. März 1629, das die
Frage der konfessionellen Machtverteilung im Reich wieder
auf die politische Tagesordnung setzte: Mussten geistliche
Stifte, die von der evangelischen Seite nach dem Passauer
Vertrag von 1552 beziehungsweise dem Augsburger
Religionsfrieden von 1555 mit Beschlag belegt worden
waren, nunmehr, da sich die Machtverhältnisse geändert
hatten, an die katholische Seite zurückgegeben werden?
Diese Frage hatte schon vor Ausbruch des Krieges beide
Seiten dazu veranlasst, einen bewaffneten Konflikt als
unvermeidlich anzusehen: die Katholiken, weil sie glaubten,
nur unter Einsatz von Gewalt den Zustand herstellen zu
können, den sie als Rechtszustand ansahen; die
Protestanten, weil sie befürchteten, dass die katholische
Seite nur auf einen für sie günstigen Zeitpunkt wartete, um
sich wieder in den Besitz dessen zu bringen, was ihr in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verlorengegangen war.
[15] Aus protestantischer Sicht ging es indes nicht nur
darum, von wem das in den fraglichen Territorien
erwirtschaftete Mehrprodukt abgeschöpft wurde, sondern an
den Besitzrechten hing auch das territorial gebundene ius
reformandi, das Recht zur Festlegung des Bekenntnisses in
den betreffenden Territorien. Das Restitutionsedikt
bedeutete nach protestantischer Auffassung, dass «die
religiöse Überzeugung von Hunderttausenden von
Menschen der gewaltsamen Umgestaltung preisgegeben»
wurde. [16] Nach den Erfahrungen, die man mit dem
Vorgehen Ferdinands in der Steiermark und in Böhmen
gemacht hatte, konnte es keinen Zweifel daran geben, dass
die Durchsetzung des Edikts auf die Vertreibung all derer
hinauslaufen würde, die zu einem Konfessionswechsel nicht
bereit waren. Diese Befürchtung hatte vor der
Veröffentlichung des Edikts zum Widerstand gegen Kaiser
und Liga motiviert, und nun war sie die Ursache von Angst
und Schrecken bei den Protestanten.
Auf dem Ligatag in Würzburg und dem Kurfürstentag von
Mühlhausen im Oktober und November 1627 waren nicht
nur die notorischen Klagen über die untragbar gewordenen
Belastungen durch die Einquartierung kaiserlicher Truppen
vorgebracht worden und die Hoffnung, dass «des
Verheerens, Würgens und Raubens ein Ende gemacht und
Mittel zur Stiftung eines gewünschten Friedens auf die Bahn
gebracht werden», wie es bei Khevenhüller heißt, [17]
sondern es wurde auch die Erwartung geäußert, dass man
nun, da die Katholiken militärisch so glänzend dastanden,
mit der Restitution beginne. Abgesehen davon, dass es
Kaiser Ferdinand ein Herzensanliegen war, all das
rückgängig zu machen, was seine habsburgischen
Vorgänger aufgrund ihrer politischen Schwäche den
Protestanten zugestanden hatten, war damit auch eine
politische Kompromisslinie vorgezeichnet, entlang derer
man die katholischen Reichsstände zufriedenstellen konnte,
ohne das Heer abdanken zu müssen. Die Restitution war
nämlich ein Projekt, das sich ohne entsprechende
militärische Zwangsmittel kaum durchsetzen ließ – es stand
zu erwarten, dass all die, denen Enteignung oder
Zwangskonversion drohte, Widerstand leisten würden.
Für Ferdinand selbst mag es beim Restitutionsedikt allein
um einen weiteren Schritt bei der Durchsetzung der
Gegenreformation gegangen sein; für viele seiner Räte und
Berater hingegen war die Restitution ein Kompromiss, der
die katholischen Reichsstände dazu bringen sollte, weiterhin
die Last von Kontributionen und Einquartierungen zu tragen,
wenn sie dadurch wieder in den Besitz der verlorenen Stifte
und Bistümer gelangten. Der Kaiser spielte also die
Restitutionserwartung gegen den Friedenswunsch aus, und
er vermochte das, weil die meisten der in Mühlhausen
Versammelten nicht begriffen hatten, dass beides, ein
umfassender Frieden im Reich und die Wiedereinsetzung in
den früheren Besitz, nicht zusammen zu haben war. [18] Man
musste sich für das eine oder das andere entscheiden, und
da die Kurfürsten und die Reichsstände das nicht taten,
gaben sie dem Kaiser die Möglichkeit, den nach außen
erfolgreichen Krieg nun in einen Krieg im Innern zu
verwandeln, in dem mehr als ein halbes Jahrhundert
Reichsgeschichte revidiert werden sollte. Aus dem
Mächtekonflikt wurde so erneut ein Religionskrieg innerhalb
des Reichs, der wiederum alle Voraussetzungen dafür hatte,
einen neuen Hegemonialkrieg zu entfachen. So wurde im
Frühjahr 1629 die bis dahin wohl größte Chance vertan, den
Krieg in allen seinen Ausprägungen zu beenden.
Man wird sich indes die Katholiken ebenso wenig als einen
geschlossenen und an gemeinsamen Zielen orientierten
Block vorstellen dürfen, wie das die Protestanten in den
zurückliegenden zehn Kriegsjahren waren. Vielmehr gab es
innerhalb der katholischen Partei eine Reihe von
Spaltungslinien, von denen die ideologischen und die
interessenpolitischen die wichtigsten waren. Hätten die
Protestanten im Reich eine geschlossene Partei gebildet
oder wenigstens eine einheitliche politische Führung
besessen, hätten sie diese Gegensätze ausnutzen und
Koalitionen mit den moderaten Kräften unter den Katholiken
eingehen können, die mit dem Restitutionsedikt nicht
einverstanden waren. Da es diese protestantische Führung
jedoch nicht gab und die Kurfürsten von Sachsen und
Brandenburg eine zögerliche, unentschlossene Politik
betrieben, setzten sich im Vorfeld des Restitutionsedikts die
ideologischen Scharfmacher des Katholizismus durch. Sie
wollten sich nicht mit den Regelungen von 1552 und 1555
begnügen, sondern den Protestantismus bis auf ein paar
bedeutungslose Rückzugsgebiete in Norddeutschland
zurückzudrängen. Die wichtigsten Köpfe dieser ideologisch-
militanten Gruppe waren Adam Contzen und Wilhelm
Lamormaini, beide Jesuiten, Ersterer Beichtvater Kurfürst
Maximilians, Letzterer Beichtvater Kaiser Ferdinands. Sie
hatten nicht nur «Zugang zum Machthaber» (Carl Schmitt),
sondern kontrollierten auch das Gewissen der Machthaber.
[19] Lamormaini hat, wie er gegenüber dem päpstlichen
Nuntius Carafa erklärte, dem Kaiser die Verweigerung der
Absolution angedroht, wenn er seiner Pflicht zur Ausrottung
der Ketzerei im Reich nicht nachkomme. [20]
Der Historiker Robert Bireley, der beste Kenner von
Contzen und Lamormaini, [21] hat die Jahre zwischen 1627
und 1635 als die Hochphase ihres Einflusses beschrieben, in
der sie die anfänglich günstige militärische Lage des Kaisers
konsequent zu gegenreformatorischen Zwecken ausnutzen
wollten: Gott habe den katholischen Mächten durch die auf
den Schlachtfeldern errungenen Siege die Mittel an die
Hand gegeben, die frühere Stellung der Kirche im Reich
wiederherzustellen, und vor dieser Aufgabe unter Verweis
auf politische Risiken und Unwägbarkeiten
zurückzuschrecken, sei eine Sünde und ein Vergehen wider
Gott. Das war sowohl gegen die Moderaten unter den
Katholiken als auch gegen die Anhänger eines Denkens in
den Kategorien der Staatsräson gerichtet. Adam Contzen
trat dabei als konsequenter Antimachiavellist auf und
erklärte, die jüngsten Erfolge der katholischen Waffen
zeigten, dass christliche Prinzipien und politischer Erfolg
sehr wohl in ein und derselben Rechnung aufgingen.
Machiavelli hatte das bezweifelt und dazu angeraten, im
Konfliktfall den langfristigen Erfolg höher zu stellen als die
Vorgaben des christlichen Gewissens. Contzen setzte auf
einen vollständigen Sieg der katholischen Sache und
verglich die aktuelle Lage mit der des Makkabäeraufstands:
Wie die Helden des Alten Testaments müsse man auch jetzt
auf den göttlichen Beistand vertrauen, denn Gott werde
denen helfen, die für seine Sache kämpften.
Das war eine Argumentation, wie man sie mit
entgegengesetzter Präferenz auch bei einem entschiedenen
Calvinisten finden konnte: Gegen die ratio status wurde die
ratio conscientiae ins Feld geführt, und als Beweis dafür,
dass man sich mit der Orientierung an den Vorgaben des
Glaubens und des Gewissens nicht auf der politischen
Verliererstraße befand, wurden die Helden des Alten
Testaments als Zeugen aufgerufen. Wer jetzt, so auch
Lamormaini, eine Politik des Ausgleichs und des
Kompromisses betrieb, zeigte damit bloß, dass es ihm an
Gottvertrauen mangelte. Bireley spricht davon, Contzen und
Lamormaini hätten mit dieser Sicht den Religionskrieg zum
«Heiligen Krieg» gesteigert, zu einem Krieg, in dem man
nicht eigenen Interessen folgte, sondern das Werkzeug
Gottes war. [22] Es war diese Sicht, die Brandenburg und
Sachsen in die Arme Gustav Adolfs trieb und dadurch dessen
Siegeszug durch Deutschland möglich machte.
Dieser Position der Militanten standen in der katholischen
Partei die Moderaten gegenüber sowie diejenigen, die man
in Analogie zur Parteienbildung in Frankreich als Politiques
bezeichnen kann, als die Gruppe derer, die genuin politische
Überlegungen höher stellten als religiöse Anforderungen
und die dementsprechend auf Kompromiss und Ausgleich
setzten. Im Zentrum ihrer Überlegungen standen die
Zurückweisung der Vorstellung vom «Heiligen Krieg» und
die Kritik an der engen Verbindung von Politik und
Wundererwartung. Der Dominikaner Cosmas Morelles in
Köln bezog eine solche Position, als er unter Berufung auf
Thomas von Aquin die These vertrat, die Katholiken könnten
sehr wohl dauerhaft Gebiete an die Protestanten abtreten,
ohne dabei ihren Gewissenspflichten entgegenzuhandeln,
denn alles sei dem Frieden unterzuordnen. Dass der Frieden
das höchste Gut sei, war auch die Auffassung von Péter
Pázmány, dem Primas der katholischen Kirche in Ungarn: [23]
Für den Kaiser habe die Sicherung der habsburgischen
Erblande oberste Priorität, und da diese erfolgt sei, könne er
nunmehr guten Gewissens Frieden schließen. Diese Sicht
kam jedoch erst unter Ferdinand III. zum Tragen, da der im
Unterschied zu seinem Vater die Ziele der Kirche denen des
Hauses Habsburg unterordnete. [24] Mit der Niederlage der
Kaiserlichen in der Schlacht von Jankau am 6. März 1645
wurde indes auch klar, dass die Hoffnung auf göttliche Hilfe,
die am 6. September 1634 mit dem großen Sieg von
Nördlingen über die Schweden noch einmal kräftigen
Auftrieb erhalten hatte, keine politisch sichere Basis war.
Die ideologische Sicht der Militanten musste erst durch eine
Reihe von schweren Niederlagen «widerlegt» werden, bevor
der Weg zu den Friedensverhandlungen von Münster und
Osnabrück offenstand. 1628/29 war er noch versperrt.
Die Position der Politiques wurde in Deutschland von
Wallenstein und seinen Anhängern vertreten. [25] Für ihn
war, wie sein Biograph Diwald schreibt, «das Nebeneinander
beider Religionen im Reich […] eine Tatsache […], die durch
keine Gewaltmaßnahme mehr beseitigt werden konnte». [26]
«Die Unkatholischen», so Wallenstein am 10. November
1629, seien allesamt durch «das kaiserliche Edikt wider uns
motiviert, wir werden viel mehr Diversionen haben als
Spanien, denn das ganze Reich wird wider uns sein, der
Schwed der Türk und Bethlehem [Bethlen Gábor] auch.» [27]
Die bereits lange gehegte Befürchtung, das Reich sei
machtpolitisch überdehnt, wurde für Wallenstein mit dem
Restitutionsedikt akut. Er war sich darüber im Klaren, dass
seine Truppen zur Durchsetzung des Edikts eingesetzt
werden würden und daher auch für den konfessionellen
Bürgerkrieg brauchbar sein mussten. Wallenstein aber hatte
das Heer als ein Instrument zum Kampf gegen äußere
Feinde geschaffen, und so dienten darin an höchster Stelle
auch zahlreiche Lutheraner. Zum Widerstand der
«unkatholischen» Bevölkerung würde also noch die
Demissionierung einiger seiner besten Heerführer
hinzukommen. Während Tilly die uneingeschränkte Zusage
gegeben hatte, seine Truppen zur Durchsetzung des Edikts
einzusetzen, war Wallenstein dazu nicht bereit. [28] In einem
Schreiben an die Hansestädte, mit denen er wegen der
Küstensicherung weitgehendes Einverständnis pflegte,
erklärte er: «Wir vernehmen, die Hansestädte bilden sich
ein, man wolle das kaiserl. Edict wegen Reformation der
Religion exequieren [durchsetzen], das sind wir aber
durchaus nicht gemeint [gewillt], sondern das Edict kann
nicht Bestand haben, und wir versprechen den
Hansestädten, dass ihnen das geringste deswegen nicht
zugemuthet werden soll, denn man kann den
Religionsfrieden nicht also übern Haufen stossen.» [29]
Neben der Frage nach den politischen Kosten der
Restitution, bei deren Beantwortung sich die Militanten
durchgesetzt hatten, war zu entscheiden, an wen genau die
von den Protestanten innegehabten Stifte, Bistümer und
Klöster zurückgegeben werden sollten. Nach der
Entfremdung von oft mehr als einem halben Jahrhundert
waren die einstigen Besitzer zumeist nicht mehr vorhanden.
Also begann ein heftiger Streit, wer der Nutznießer der
Restitutionspolitik sein sollte. Neben den fürstlichen
Familien, die um die begehrten Positionen des
Administrators eines Bistums kämpften, meldeten auch
Benediktiner, Zisterzienser und Prämonstratenser
Ansprüche an und wollten ihre verlorenen Klöster
zurückhaben. Dabei standen ihnen jedoch fast immer die
Jesuiten im Weg, die ihre mächtige Hand bereits mit dem
Argument auf den Besitz gelegt hatten, nur sie seien in der
Lage, den Kampf um die Rückgewinnung der Menschen für
den katholischen Glauben erfolgreich zu führen. Der
kaiserliche Beichtvater Lamormaini, selbst Jesuit,
unterstützte seinen Orden, wo und wie er nur konnte: Mal
nutzte er seinen Einfluss auf den Kaiser, mal tat er kund,
dass sich «die alten Orden […] in dem Kampf mit dem
Protestantismus ohnmächtig erwiesen [hätten]; nur die
Jesuiten seien demselben gewachsen; darum müßten von
den zu restituierenden Klöstern sämtliche Frauenklöster und
die geringen Männerklöster ihrem ursprünglichen Charakter
ausgetilgt werden, um als Jesuitenschulen neu zu
erstehen» [30]. Damit war klar, dass es den Militanten in der
katholischen Partei nicht um die Wiederherstellung der
früheren Besitzverhältnisse ging, sondern um eine
verbesserte Kampfaufstellung im Ringen um die
konfessionelle Ordnung Deutschlands. Das wiederum
bestärkte viele Protestanten in der Auffassung, dass die
Wiederherstellung der Verhältnisse von 1552 oder 1555 nur
der Anfang sei und die Gegenreformation danach weiter
vordringen werde. Allen Einsprüchen von protestantischer
Seite zum Trotz, denen zufolge die Restitution nicht durch
ein kaiserliches Edikt angeordnet werden könne, sondern
von einem Reichstag erörtert und beschlossen werden
müsse, wurde die Exekution des Edikts vorangetrieben.
Johann Philipp Abele (Abelin), ein Mitarbeiter Matthäus
Merians beim Theatrum Europaeum, hielt fest, damals seien
«nicht allein viel Kirchen, Schulen und andre Stiftungen, so
nach dem passauischen Vertrag die Evangelischen an sich
gebracht, sondern auch die, so sie allbereit vor demselben in
Besitz gehabt, mit Gewalt und Kriegsmacht occupiert, die
evangelischen Prediger abgeschafft und an deren statt
päpstische Priester und Geistliche eingesetzt und die Leute
zum Abfall oder Auszug und an etlichen Orten mit
Hinterlassung all des Ihrigen gezwungen worden. Dabei
haben die starken Einquartierungen des Kriegsvolkes, der
Mutwille der Soldaten, Durchzüge, Musterplätz,
Contributionen und dergleichen die Beschwernisse der
Evangelischen nit wenig vermehrt.» [31]
Überblickt man den Dreißigjährigen Krieg in seinem
Gesamtverlauf, so war das Restitutionsedikt der schwerste
Fehler des Kaisers, da er damit die zuvor von seinem Heer
errungenen Siege politisch zunichte machte. Das Edikt
verhinderte die Transformation militärischer Erfolge in
politische Stabilität und sorgte dafür, dass die Stellung des
Kaisers auch im anschließenden Jahrzehnt vom Waffenglück
abhängig blieb. Als dieses Glück dem Kaiser und der
katholischen Partei nicht mehr so hold war wie im ersten
Kriegsjahrzehnt, war ihm der Rekurs auf politische Macht
verwehrt, weil er es versäumt hatte, durch einen klugen
Friedensschluss im Innern ihren Erhalt zu sichern. Hätten
die Sieger des niedersächsisch-dänischen Krieges im Innern
des Reichs eine so großzügige Friedensregelung getroffen,
wie sie das im Lübecker Frieden Dänemark gegenüber getan
haben, dann wäre der Krieg mit großer Wahrscheinlichkeit
zu Ende gegangen. Der Lübecker Frieden und das
Restitutionsedikt folgten jedoch unterschiedlichen
politischen Imperativen. Das heißt freilich nicht, dass wir es
hier mit einem tatsächlichen Widerspruch der kaiserlichen
Politik zu tun haben: Man kann beides durchaus in eine
komplementäre Beziehung bringen, wenn man davon
ausgeht, dass Wien und München gegenüber dem dänischen
König nur deswegen so großzügig waren, weil sie im Innern
des Reichs freie Hand haben wollten. Dort sollte realisiert
werden, was Maximilian und Ferdinand viel wichtiger war
als eine starke Position an der Ostsee, nämlich die
Zurückdrängung des Protestantismus und die Durchsetzung
der Gegenreformation. Das aber heißt, dass ihnen die
Dimension des Religionskriegs wichtiger war als die des
Hegemonialkriegs. Was sie dabei nicht sahen, war die enge
Verbindung beider Kriegsebenen, die sich nicht mehr so
trennen ließen, wie sie sich das vorstellten – und das hatte
zur Folge, dass die Politik der Restitution die nächsten
Interventionsmächte auf den deutschen Kriegsschauplatz
rief: das Schweden Gustav Adolfs und in dessen Hintergrund
das Frankreich Richelieus.
4. Kapitel
Italienisch-polnisches Zwischenspiel

Ein europäischer Krieg auf deutschem


Boden
Im Jahre 1627 schrieb Gustav Adolf an seinen Kanzler Axel
Oxenstierna: «Die Dinge sind so weit gekommen, daß alle
Kriege, die in Europa geführt werden, miteinander vermischt
und zu einem einzigen geworden sind.» [1] Das war eine
gänzlich andere Sicht als die des Kaisers und des Wiener
Hofes, die in der Schlussphase des niedersächsisch-
dänischen Krieges in der Überzeugung handelten, dass sich
die Kriege in Europa voneinander trennen ließen und man
das Geschehen dort zu konzentrieren vermochte, wo man es
haben wollte, ohne dass dabei Dritte dem Kaiser einen Strich
durch die Rechnung machen konnten. Diese Sichtweise lag
dem kaiserlichen Handeln zugrunde, als er den Lübecker
Frieden mit dem Erlass des Restitutionsedikts verband. Die
kaiserlichen Räte in Wien gingen davon aus, man könne sich
nunmehr, da die äußere Herausforderung durch den
Dänenkönig beziehungsweise die Haager Allianz beseitigt
war, in aller Ruhe auf die Neuordnung der konfessionellen
Verhältnisse im Reich konzentrieren, ohne dass daraus neue
Herausforderungen erwachsen oder Dritte die Konzentration
auf das Innere des Reichs als Schwächung nach außen
ausnutzen würden.
Diese Wiener Fehleinschätzung brachte nicht nur Gustav
Adolf ins Spiel, sondern auch weitere Akteure. Einer von
ihnen war Richelieu, der seit 1624, als er die Leitung der
französischen Politik übernommen hatte, nur darauf wartete,
das große Vorhaben Heinrichs IV. wieder aufzunehmen und
Frankreich zum Schiedsrichter der europäischen
Angelegenheiten zu machen. Das kaiserliche
Restitutionsedikt, durch das die konfessionelle Dimension
des Krieges wieder deutlich herausgestellt wurde, spielte
ihm, dem Kardinal der römisch-katholischen Kirche, dabei in
die Hände. Daneben beförderte der Lübecker Frieden bei
Olivares, dem Taktgeber der spanischen Politik, den
Anspruch, dass der Kaiser seinen nun erfolgten
Machtzuwachs nutzte, um Spanien im Krieg gegen die
Niederlande zu unterstützen und damit die umfangreiche
Hilfe zurückzuerstatten, die Spanien ihm geleistet hatte.
Und dann war da noch die englische Forderung nach
Wiedereinsetzung des Pfalzgrafen, die schon für sich
genommen dafür sorgte, dass alle Konfliktlagen in Europa
miteinander zusammenhingen. Man konnte nirgendwo den
Hebel ansetzen, ohne dass dies andernorts Auswirkungen
hatte. Das galt bereits allein für die strukturell feststehende
Interessenlage, in der die Fülle der kontingenten Ereignisse
noch gar nicht enthalten war, die jederzeit die Pläne und
Vorhaben der Parteien durcheinanderbringen konnten. Das
Wiener Agieren am Ende der ersten Kriegsdekade war, um
das Mindeste zu sagen, nicht kontingenzresistent: Wien
überschätzte die Festigkeit der Klammer, die in der
gemeinsamen Katholizität der Verbündeten bestand.
Vermutlich war auf kaiserlicher Seite Wallenstein der
Einzige, der die Dinge wie Gustav Adolf sah: dass die Kriege
in Europa miteinander zusammenhingen und man in keinem
dieser Kriege einen Schritt machen konnte, ohne dass dies
Folgen für die anderen Kriege hatte. Seine ständige Furcht
vor der Überdehnung des Reichs, [2] die sich gerade auf dem
Höhepunkt seiner Machtentfaltung äußerte, kann als
Anhaltspunkt dafür gesehen werden: Überdehnt war das
Reich nämlich nur, wenn alles mit allem zusammenhing.
Auch in Spanien analysierte man die jeweiligen Konflikte im
europäischen Zusammenhang, sonst hätte man sich im
böhmischen Krieg nicht so entschieden für die
österreichische Linie des Hauses Habsburg engagiert. Die
von Eberhard Straub untersuchten Beratungen im
spanischen Staatsrat und die für den König angefertigten
Gutachten seiner engsten Berater zeigen den
«gesamteuropäischen Blick», der in Madrid vorherrschte. [3]
Auch in Paris war Richelieu keineswegs der Einzige, der die
Auswirkungen jedes einzelnen Ereignisses für das
gesamteuropäische System analysierte. «Denn wenn das
Haus Österreich», so hatte der Herzog von Angoulême
erklärt, «nach eigenem Gutdünken und ohne jeden
Widerspruch sein Zepter schwingen kann, wird es die ganze
Christenheit in Schrecken versetzen. Jeder muß sich vor
dem ehrgeizigen Hirngespinst einer universalen Monarchie
hüten. Es gilt, diesem mit Recht gefürchteten Unheil
zuvorzukommen.» [4] Mit dem «Haus Österreich» meinte der
Herzog nicht nur die Wiener, sondern auch die Madrider
Linie der Habsburger. Das Bewusstsein dieser Einheit
spielte bei der Ausweitung des Krieges auf Oberitalien eine
wichtige Rolle. [5]
Wenn man – wie Richelieu – unterstellte, dass das
Zusammenwirken von Madrid und Wien in der Habsburger
Politik eine Konstante der europäischen Machtkonstellation
war (was indes keineswegs immer zutraf), so lag es nahe,
gemäß den Vorgaben der französischen Staatsräson
möglichst viele Keile dazwischenzutreiben und jede nur
denkbare Koalition einzugehen, die die habsburgische Macht
schwächen und die Spielräume der französischen Politik
erweitern konnte. Diese Direktive sollte die beiden
folgenden Kriegsdekaden bestimmen. Aufschlussreich für sie
ist die Wiedergabe eines Gesprächs zwischen dem
französischen Gesandten Guillaume de Bautru und Olivares
in den Mémoires Richelieus: Auf diverse Vorhaltungen
Bautrus erwidert Olivares, man möge sich mit diesen Fragen
an den Kaiser wenden, denn der habe die
Entscheidungsgewalt. Darauf Bautru: «Der Kaiser ist in
dieser Sache parteiisch für das spanische Interesse: Sie
haben ihn genötigt, sich in solcher Weise zu erklären. Sie
haben die Gutwilligkeit dieses Fürsten dienstbar gemacht
für Ihre Leidenschaften.» Worauf Olivares entgegnet: «Wir
haben dem Kaiser Menschen und Geld geliefert: er gibt uns
den Rechtsgrund.» Und Bautru dazu: «Endlich hat die
Wahrheit Sie zum Reden gebracht. Wir Andere wußten seit
langem, daß Sr. Katholischen Majestät [dem spanischen
König] der kaiserliche Adler dient wie dem Falkner der
Falke.» [6] – Das war sicherlich nicht die wörtliche
Wiedergabe einer diplomatischen Unterredung, sondern
deren Stilisierung in dem Sinne, was beide gesagt hätten,
wenn sie die Motive ihres Tuns wirklich offengelegt hätten.
Richelieu brachte hier zum Ausdruck, wie er Olivares und
dessen Ziele sah.

Richelieus Sicht auf die europäischen Machtverhältnisse war


in Frankreich allerdings nicht unumstritten. Die
Königswitwe Maria de’Medici vertrat einen prinzipiell
anderen Standpunkt: Sie, die anstelle ihres noch
unmündigen Sohnes die Regentschaft übernommen hatte
und nun mit Richelieu um den entscheidenden Einfluss auf
den König rang, setzte auf eine Koalition der katholischen
Mächte. Spanien, Frankreich und das Wiener Kaiserhaus
sollten sich der Herausforderung durch die protestantischen
Mächte, die Generalstaaten, England, Dänemark und
Schweden, gemeinsam stellen und politisch geschlossen
reagieren. Die Koalition sollte nicht nur auf der
vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Spanien und
dem Kaiserhaus beruhen, bei der Frankreich lediglich der
Juniorpartner war, sondern auf den Interessen aller drei
Mächte, deren Klammer die Katholizität der Koalition war.
Auf dieser Grundlage strebte die Königinmutter eine Politik
an, die den Ausgleich mit Spanien und dem Wiener
Kaiserhaus suchte und gleichzeitig die protestantischen
Mächte als gemeinsamen Gegner begriff. Richelieus «Primat
der Außenpolitik» teilte sie nur bedingt; nicht weniger
wichtig waren ihr die inneren Verhältnisse des Königreichs,
wo sie den konfessionellen Gegensatz durch die
Ausschaltung der Hugenotten überwinden wollte. Auch
Richelieu wollte dies, doch ging es ihm dabei um die
Zerschlagung des Hugenottentums als politischer Partei und
nicht um die Glaubensausübung der Reformierten. Für
Maria de’Medici war das zu wenig; sie wollte in Frankreich
wieder ein einheitliches katholisches Bekenntnis herstellen.
Eine ähnliche Position gab es auch am Wiener Kaiserhof;
ihr wichtigster Repräsentant war der kaiserliche Beichtvater
Wilhelm Lamormaini. Ob Kaiser Ferdinand, wie der
katholisch-apologetische Historiker Onno Klopp
angenommen hat, diese Position teilte und «einen engen
Bund der drei Häupter, seiner selbst und der zwei Könige
von Frankreich und von Spanien», anstrebte, [7] ist dagegen
fraglich. Eher ist davon auszugehen, dass Ferdinand, so wie
auch Ludwig XIII., einmal der einen, dann wieder der
anderen Sichtweise zuneigte. Wallenstein wiederum sah die
Konstellationen ähnlich wie Richelieu (und in mancher
Hinsicht auch wie Gustav Adolf), der auf einen
konfessionellen Block wenig gab und die machtpolitische
Lage in Europa von den Interessen der Staaten her
analysierte. Dies war der Blickwinkel, aus dem er darüber
entschied, wer als Freund und wer als Feind anzusehen sei.
Wallensteins politische Vorschläge waren deswegen sehr
viel stärker als die seiner Wiener Kontrahenten auf die sich
immer wieder verändernden Verhältnisse hin angelegt: Sie
variierten ständig und hatten deshalb auch keine normative
Achse. Das ist beiden, Wallenstein wie Richelieu, immer
wieder zum Vorwurf gemacht worden, zumal sie sich auch
nicht, wie Gustav Adolf, um eine normative Grundierung
ihrer Politik bemühten, sondern die leitenden
Staatsinteressen unverhohlen herausstellten. Das war ganz
anders bei Lamormaini, der gegen Ende der 1620er Jahre
zunehmend zum Gegner Wallensteins wurde und für den der
innerchristliche Frieden auf gegenreformatorischer
Grundlage die durchgängige Leitvorstellung war.
In einem Brief an Père Jean Suffren, den Beichtvater Maria
de’Medicis und später auch Ludwigs XIII., hat Lamormaini
seine politischen Ziele beschrieben. [8] Pater Suffren hatte
den Briefwechsel am 18. September 1629 begonnen.
Lamormaini antwortete am 24. November und fasste
zunächst die Absicht Suffrens dahingehend zusammen, dass
es ihm um «den Frieden und die Eintracht der Häupter der
Christenheit [gehe] und den Versuch, den wir zwei und mit
uns alle Wohlgesinnten zu machen haben, damit nicht dem
Feinde des Friedens, dem Widersacher der Ehre Gottes, es
verstattet werde, seine Saat des Unkrauts auszustreuen und
diese frommen Fürsten miteinander [in einen Krieg] zu
verwickeln». [9] Seinem Herrn, dem Kaiser, liege nichts mehr
am Herzen, als «nicht bloß in seinen Königreichen und
Erbländern die katholische Religion herzustellen, sondern
auch, so weit ihm zur Zeit durch die Constitutionen des
Reiches und die öffentlichen Verträge das gestattet ist – im
ganzen römischen Reiche. Besonders für den
allerchristlichsten König [Ludwig XIII.] ist er so gesinnt, daß
er wünscht ihn zum vertrautesten Freunde zu haben, heilige
Bündnisse mit ihm einzugehen und zu vermitteln, daß auch
der katholische König [Philipp IV.] in diese Gemeinschaft
eintritt.» [10] Lamormaini klagte über das Auftreten eines
französischen Gesandten am Kaiserhof, der in der
mantuanischen Angelegenheit [11] eine sehr schroffe Position
vertreten und dadurch die Frankreich Wohlgesonnenen am
Hof vor den Kopf gestoßen habe. Diese Sache könne aber
leicht aus der Welt geschafft werden, wenn Ludwig einen
weiteren Gesandten schicke, der den Kaiser «als älteren
Fürsten und als Träger der Würde» anspreche und die
französische Vorstellung zu der Angelegenheit von Mantua
und Montferrat angemessen vortrage. Offenbar war sich
Lamormaini nicht darüber im Klaren, dass die Rangfrage ein
Teil des Problems zwischen Paris und Wien war, denn die
Position, die er für den Kaiser in Anspruch nahm, war exakt
die, die auch Frankreich für sich beanspruchte: die des
Schiedsrichters über die europäischen Angelegenheiten.
Sobald in Lamormainis Schreiben vom Kaiser und seiner
Würde die Rede war, wurde Frankreich die Rolle des
Juniorpartners zugewiesen.
Lamormaini scheint das nicht erkannt zu haben, denn er
fährt fort: «In dieser Weise kann – wie ich durchaus sicher
weiß – alles zu allseitiger Zufriedenheit beigelegt werden.
Der Kaiser wird dem allerchristlichsten König nicht bloß
nach Wunsch antworten, sondern wird auch in väterlicher
Gesinnung für den König, in frommem Sinne für die Kirche,
die Gelegenheit geben, dass der allerchristlichste König
[Ludwig XIII.] und der katholische König [Philipp IV.] wie
Brüder unter einander und mit dem Kaiser ein
unauflösliches Bündnis eingehen, nicht bloß damit der Eine
nicht die Rechte des Anderen verletze, sondern auch damit
aller Ungerechtigkeit auf Erden ein Damm entgegen gestellt
und das Reich Christi über die gesammte Welt ausgebreitet
werde, allen dreien zum hohen Lobe und Ruhme, welchen
die Geschichtsbücher allen kommenden Zeiten verkünden
werden. Endlich auch würde es gereichen zum zeitlichen
Vortheile [zum Vorteil in dieser Welt], weil die Könige,
einzeln für sich, neue Königreiche erwerben und besitzen
werden.» [12] Den hier skizzierten Eroberungsgedanken hat
Lamormaini im Übrigen ganz ernst gemeint, denn er schließt
seine Überlegungen mit einer Mischung aus Feststellung
und Aufforderung: «Europa wird zu enge für so viele Völker
[Kriegsvölker], wenn wir nicht die von allen Seiten her
gesammelten Heere, die sich gewöhnt haben an Müßiggang,
an Krieg und Raub, hinaus führen in die weiten Länder der
Ungläubigen und dort den Glauben herstellen.» [13]
Expansion in die außereuropäische Welt, um in Europa
Frieden zu schaffen – das war Lamormainis Vorschlag, wie
sich die Interessengegensätze zwischen den katholischen
Mächten überwinden ließen.
Lamormainis Vorstellung von einem festen Bündnis der
katholischen Mächte war jedoch ebenso zum Scheitern
verurteilt wie die Bündnisprojekte, die vor Kriegsausbruch
von der protestantischen Aktionspartei geschmiedet worden
waren oder der Haager Allianz von 1625 zugrunde lagen.
Die Haager Allianz [14] war aufgrund erheblicher
Interessenunterschiede nie wirklich wirksam geworden, und
Christian IV., der sich auf sie verlassen hatte, stand zumeist
ziemlich allein da. Sobald Bündnistreue gefordert war,
blickten die alliierten Länder auf ihre je eigenen Interessen,
die mit denen der Bündnispartner oft nicht übereinstimmten;
jeder hatte den Eindruck, dass seine Anstrengungen vor
allem anderen zugutekamen. Ein ums andere Mal zeigte sich
im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges, dass die
Wertbindung der gemeinsamen Konfession weniger
tragfähig war als ein Zusammenhalt, der auf gemeinsamen
Interessen beruhte. Lamormainis politischer Romantizismus
hatte dort seine Grenzen, wo er geteilte Werte in
gemeinsame Interessen zu transformieren versuchte oder
argumentierte, gemeinsame Werte seien eine solide
Grundlage für eine gemeinsame Interessenpolitik. Das war
die Schwäche eines Ansatzes, der schon in der ersten Phase
des Krieges zum Scheitern der protestantischen Koalitionen
geführt hatte und der nun noch einmal von katholischer
Seite ins Spiel gebracht wurde. Folgte man den Anhängern
einer gemeinsamen katholischen Politik, geriet man aufs
politische Abstellgleis oder manövrierte sich in eine
Situation der Überforderung, wie das der Kaiser mit dem
Restitutionsedikt tat.

Ein Blick auf die geopolitischen Interessenkonflikte in


Europa zeigt, dass eine konfessionsgestützte Koalition aus
Spanien, Frankreich und dem Kaiserhaus kaum zu einer
gemeinsamen Politik in der Lage war: Spanien konzentrierte
sich auf die Niederlande und betrachtete alle Akteure als
Gegner, von denen die Generalstaaten offiziell oder
insgeheim unterstützt wurden – und dazu gehörte eben auch
Frankreich, das eine gute Chance sah, hier den angeblichen
oder tatsächlichen Einkreisungsring der Habsburger
aufzusprengen. Seit Mitte der 1620er Jahre blickte Spanien
aber auch auf Italien, wo mit dem absehbaren Tod des
kinderlosen Herzogs von Mantua und Montferrat ein Streit
um die Nachfolge anstand. Montferrat lag geographisch wie
ein Riegel zwischen dem spanischen Mailand und dem
traditionell Frankreich zuneigenden Savoyen. Das also war
der nächste Konflikt zwischen Spanien und Frankreich, und
um ihn sollte es in den späten 1620er Jahren gehen. Wer
Montferrat beherrschte, hatte den Schlüssel zur Herrschaft
über Italien – so jedenfalls sahen es Richelieu und Olivares.
[15]
Die Festungsstadt Mantua, auf drei Seiten von Wasser umgeben, war nur schwer
im Sturm zu nehmen oder auszuhungern. Das machte ihre strategische
Bedeutung für die Beherrschung der oberitalienischen Tiefebene aus. Der Plan
zeigt die beiden Brücken über den seenartig erweiterten Fluss Mincio und die
modern ausgebauten Bastionen der beiden Brückenköpfe. Nicht durch
Belagerungskunst, sondern infolge der in Mantua wütenden Pest gelang es den
kaiserlichen Generälen Aldringen und Gallas, die Stadt zu erobern.

Frankreich wiederum blickte nicht nur auf die Niederlande


und Norditalien, sondern ebenso auf Südwestdeutschland,
wo in der Rheinpfalz immer noch spanische Truppen
standen, die für Richelieu ein Bestandteil des
habsburgischen Einschließungsrings waren. Damit wurde
die Frage einer Restitution des Pfalzgrafen erneut
aufgeworfen, an der England und die Generalstaaten
interessiert waren. Das wiederum stand den Interessen des
bayerischen Kurfürsten Maximilian entgegen, der sich durch
jede Form einer Restitution des Pfalzgrafen bedroht sah, was
zu einer Interessenkonvergenz von Paris und München
führte. Dementsprechend versuchte die französische Politik,
Maximilian als Hebel zu benutzen, mit dem die Kurfürsten
gegen den Kaiser in Stellung gebracht werden konnten – und
in einer Reihe von Fragen ist das durchaus gelungen. [16]
Die Vorstellung von einem Bündnis der katholischen
Mächte, obendrein noch unter der Führung des Kaisers,
hatte keinerlei Realisierungschance. Im Gegenteil: Seit Mitte
der 1620er Jahre, als der Kaiser durch die Aufstellung eines
eigenen Heeres vom Wohlwollen der Liga unabhängig
geworden war und Maximilian an Einfluss verloren hatte,
versuchte die französische Politik, Anschluss an die
protestantischen Mächte des Nordens zu gewinnen und in
diese konfessionsunabhängige Koalition auch Kurfürst
Maximilian sowie die von ihm angeführte Liga einzubinden.
Hatte Richelieu zunächst darauf gesetzt, über eine als
«dritte Partei» bezeichnete Gruppe Einfluss auf das
Geschehen in Deutschland zu nehmen, wobei stets unklar
blieb, ob diese «dritte Partei» nun vom bayerischen oder
vom sächsischen Kurfürsten angeführt wurde, so sah er sich
nunmehr gezwungen, auf die Gegner des Kaisers zuzugehen
und mit ihnen Allianzen zu schmieden: Da war zunächst das
eher lockere Bündnis mit Dänemark, dem nach dem
Lübecker Frieden dann eine Allianz mit Schweden folgte, die
in der zweiten Kriegshälfte den Gang der Ereignisse
bestimmte. «Der Schwedenkönig», so soll Richelieu zu dem
venezianischen Gesandten Contarini in Grenoble gesagt
haben, «ist bereit zum Einbruch in Deutschland. Er bedarf
nur des Geldes, und auch dessen nicht einmal viel. Er
verlangt jährlich 400000 Reichsthaler gleich 1200000
Franken. Davon hat die Republik [Venedig] ein Drittel auf
sich zu nehmen, der König [Ludwig XIII.] zwei Drittel. Und
dann verpflichten wir ihn zum Kriege im Reiche auf sechs
Jahre. Das ist ein solides Geschäft.» [17] Prägnanter ließ sich
Richelieus an Interessen orientierte Politik nicht
zusammenfassen.
Wallenstein betrachtete die Rolle des Schwedenkönigs aus
der entgegengesetzten Position. Für ihn kam es darauf an zu
verhindern, dass Gustav Adolf die ihm von Richelieu
zugedachte Rolle übernehmen konnte – und damit kam Polen
ins Spiel. Man musste, so die Überlegung Wallensteins, die
Polen in ihrem seit Jahren andauernden Krieg gegen die
Schweden nach Kräften unterstützen; wenn nämlich der
Krieg in Polen beendet wurde, wozu König Sigismund, vor
allem aber der landständische Adel neigte, dann würde
Gustav Adolf freie Hand haben und sich mit seinen
kriegserprobten Truppen dem deutschen Kriegsschauplatz
zuwenden. «Lassen wir den König von Polen im Stich»,
schrieb Wallenstein, «dann haben wir hinterher am
Schweden einen ärgeren Feind als am Türken.» [18]
Wallenstein tat einiges dafür, dass sich Sigismund nicht vom
Kaiser und den katholischen Mächten des Reichs im Stich
gelassen fühlte: 1627 bereits schickte er ihm eine wesentlich
aus Kürassieren bestehende Kavallerieeinheit zur
Unterstützung, und im Frühjahr 1629 setzte er eine kleine
Armee unter Feldmarschall von Arnim in Marsch, um den
Krieg in Polen fortzusetzen. Richelieu wiederum verfolgte
das entgegengesetzte Ziel: Er wollte den Krieg in Polen
beenden, und deswegen entsandte er keine Soldaten,
sondern einen Diplomaten, den Baron Hercule-Girard de
Charnacé, mit dem doppelten Auftrag, so schnell wie
möglich einen Waffenstillstand zwischen Polen und
Schweden zu erreichen und gleichzeitig einen
Friedensschluss des Kaisers mit den Dänen zu verhindern.
[19] Letzteres ist Charnacé misslungen; bei Ersterem
hingegen war er erfolgreich.
Gustav Adolf wiederum, um auch noch den dritten großen
Akteur dieser Phase des Krieges ins Auge zu fassen, musste
sich um die flankierenden Mächte Polen und Dänemark
kümmern, bevor er sich auf das Reich konzentrieren konnte:
Dänemark war durch die starke Flotte, die Christian IV.
geschaffen hatte, der gefährlichste Konkurrent um die
Kontrolle des Meeres, und ohne weitgehende Sicherheiten
seitens Dänemarks war an einen Feldzug in Deutschland
nicht zu denken. Polen hingegen war für Gustav Adolf
bedrohlich, weil der zum Katholizismus konvertierte Vetter
Sigismund aus dem Hause Wasa seinen Anspruch auf die
schwedische Krone nicht aufgeben wollte. [20] Außerdem
führte der schwedische König gegen Polen Krieg, um die
Kontrolle über die Hafenstädte und Flussmündungen von
der Narwa bis zur Weichsel zu erlangen. Auf diese Weise
wollte er das Ringen mit Dänemark um die Ostseehegemonie
für sich entscheiden: Hatte Christian IV. für diesen Zweck
auf eine starke Flotte gesetzt, so strebte Gustav II. Adolf die
Beherrschung des Küstensaums an, um die dort erhobenen
Zölle für sich vereinnahmen zu können. [21] Die Handelszölle
nämlich waren der eigentliche Ertrag des dominium maris
Baltici: Christian sammelte sie am Öresund ein; Gustav Adolf
hatte dafür die Häfen der östlichen und südlichen Küsten im
Blick. Zwei unterschiedliche Wege, um zu demselben Ziel zu
gelangen. Beide, Christian wie Gustav Adolf, waren indes zu
dem Ergebnis gekommen, die Herrschaft im Ostseeraum
könne nur dann als dauerhaft gesichert gelten, wenn die
dem Reich zugehörigen Küstengebiete unter Kontrolle
gebracht waren, und deswegen entschieden sich auch beide,
in den auf deutschem Boden geführten Krieg zu
intervenieren.
Das kennzeichnet den Dreißigjährigen Krieg als einen
europäischen (und eben nicht bloß deutschen) Krieg: Es
konnte kein anderer Krieg in Europa geführt werden, ohne
dass er nach einiger Zeit mit dem Krieg im Reich in
Verbindung kam und in seinem weiteren Verlauf von den
Ereignissen dort abhängig war. Das gilt für den
Unabhängigkeitskrieg der Niederlande gegen Spanien, für
den in Polen geführten Krieg zwischen der lutherischen und
der katholischen Linie des Hauses Wasa und auch für den
mantuanischen Erbfolgekrieg in Norditalien. Ende der
1620er Jahre gerieten die Konflikte in Europa in einen
besonders engen Zusammenhang miteinander, und zu allen
drei genannten Kriegsschauplätzen wurden Einheiten der
kaiserlichen Armee entsandt. Der Krieg zeigte damit eine
starke Tendenz zur räumlichen Ausdehnung; er wurde
exzentrisch. Aber diese Phase der Exzentrizität war nur von
kurzer Dauer und wurde schon bald von einer neuen Phase
des Konzentrischen abgelöst: Die Kriegsschauplätze
außerhalb des Reichs verloren an Bedeutung, und die
Truppen kehrten nach Deutschland zurück. Damit wurde der
Krieg aber nicht weniger europäisch, im Gegenteil: Es kam
zu einem weiteren Zustrom von Soldaten nach Deutschland,
sei es in Gestalt der Söldner aus Schottland und Irland, die
regimentsweise entsandt wurden, oder sei es in Gestalt der
schwedischen Truppen, mit denen Gustav Adolf auf Usedom
landete.
Alle Kriege in Europa hingen miteinander zusammen und
seien zu einem einzigen großen Krieg geworden, hatte
Gustav Adolf 1627 erklärt; er hätte auch mit Blick auf sein
eigenes Agieren hinzufügen können, dass über Verlauf und
Ausgang der Kriege außerhalb Deutschlands letzten Endes
in Deutschland entschieden wurde. Der in Deutschland
geführte Krieg war zum Zentralkonflikt aller Kriege in
Europa geworden. Das machte seine Beendigung so
schwierig und den Krieg selbst zu einem nicht enden
wollenden Verhängnis, vor allem für die in Deutschland
lebenden Menschen. Es waren vor allem vier Räume, in
denen der Krieg hier vom Anfang der 1630er Jahre bis zu
seiner Beendigung geführt wurde: das Gebiet der mittleren
Elbe und ihrer Nebenflüsse, wo mit Breitenfeld und Lützen
die größten Schlachten geschlagen wurden; das
Donaugebiet zwischen Tuttlingen und Regensburg mit einem
Streifen von 50 bis 100 Kilometern Breite rechts und links
der Donau, wo ebenfalls immer wieder große Schlachten
stattfanden; dann die Gebiete am Rhein, besonders zwischen
Basel und Koblenz, aber auch mit gelegentlicher Ausweitung
auf den Niederrhein, wo in erster Linie ein zäher Festungs-
und Belagerungskrieg geführt wurde; und schließlich kam
noch die Oder von Schlesien bis zu ihrer Mündung hinzu, die
einen weiteren selbständigen Raum der Kriegführung
bildete. Die Machtverteilung in Europa wurde entlang dieser
vier Flüsse ausgefochten. Bevor es dazu kam, trat der Krieg
zunächst jedoch in seine exzentrische Phase ein.
Der mantuanische Erbfolgekrieg
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren die
spanisch-französischen Hegemonialkriege in Italien
ausgetragen worden. In das Ringen um die europäische
Hegemonie war damals auch das Kaiserreich verwickelt.
Einerseits als Träger alter Rechte in «Reichsitalien», wie
man den Raum bis zur nördlichen Grenze des Kirchenstaates
nannte, und andererseits, weil die deutschen Kurfürsten im
Jahre 1519 den Enkel Kaiser Maximilians, den spanischen
König Carlos, zum Kaiser gewählt hatten; dieser hatte als
Karl V. die spanischen und deutschen Ressourcen gebündelt,
um sich im Ringen um die Herrschaft über Italien
durchzusetzen und Frankreich von der Halbinsel zu
verdrängen. Danach war die französische Politik mit
konfessionellen Streitigkeiten im Innern befasst, und so
hatte sich eine habsburgische Oberhoheit in Italien gefestigt,
innerhalb derer die spanische Linie das Sagen hatte,
während der Kaiser über die althergebrachten Rechtstitel
verfügte. Da die Kaiser aber mit den Konflikten in
Deutschland und dem Krieg gegen die auf dem Balkan
vordringenden Türken beschäftigt waren, spielten die
Rechtstitel in Italien so gut wie keine Rolle mehr. So kam
das Land wieder zur Ruhe, und es entstand – unter
spanischer Aufsicht – eine stabile Ordnung auf der Halbinsel.
Diese Stabilität war im Wesentlichen der französischen
Schwäche geschuldet; mit dem Wiederaufstieg Frankreichs
zu Beginn des 17. Jahrhunderts änderte sich das: Frankreich
wollte seine frühere Position in Westeuropa
zurückgewinnen, und Italien war einer der Räume, wo dieses
Vorhaben zur Ausführung gebracht werden konnte.
Dass dieser neuerliche Hegemonialkonflikt in Form eines
Krieges ausgetragen wurde, war von Anfang an
wahrscheinlich; wo dieser Krieg ausgetragen wurde, war
hingegen offen, denn hier spielten zufällige Entwicklungen
ebenso eine Rolle wie willkürliche Entscheidungen der
Politik. Bislang waren die Niederlande das bevorzugte
Gebiet, wo Frankreich die spanische Macht zu schwächen
suchte, indem es Bündnisse mit den Generalstaaten schloss
und kontinuierlichen Druck auf die «spanische Gasse»
ausübte, die Versorgungsachse der Spanier zwischen Genua
und Mailand auf der einen und Brüssel auf der anderen
Seite. [1] In den Niederlanden ging es nicht nur um die
Grenzziehung zwischen dem südlichen (katholischen) und
dem nördlichen (reformierten) Teil, sondern auch darum,
wer der Aufseher und Schiedsrichter der europäischen
Ordnung sein würde. Dass sich die spanisch-französische
Rivalität für einige Jahre räumlich nach Italien verlagerte,
sozusagen vom nördlichen zum südlichen Ende der
«spanischen Gasse», hatte mit dynastischen Problemen im
Herzogtum Mantua zu tun, wo es konkurrierende
Rechtsansprüche auf die Nachfolge des kinderlosen
Vincenzo II. gab. Auf der einen Seite stand Karl von
Gonzaga-Nevers als der von Frankreich unterstützte
Kandidat, auf der anderen Ferrante II. Gonzaga, Herzog von
Guastalla, den Spanien bevorzugte. [2] Da das Herzogtum
Mantua zu «Reichsitalien» gehörte, also ein Lehen des
Kaisers war, der bei Erbstreitigkeiten die jeweiligen
Rechtsansprüche zu prüfen hatte, kam neben Spanien und
Frankreich auch das Kaiserreich ins Spiel. Dessen Kräfte
waren freilich anderweitig gebunden, und Kaiser Ferdinand
wollte sich aus dem Konflikt, in dem es für ihn nichts zu
gewinnen gab, eigentlich heraushalten. Aber er war nun
einmal Spanien verpflichtet, das ihn während der
zurückliegenden Jahre immer wieder mit Geld und Truppen
unterstützt hatte und nun eine Gegenleistung erwartete;
zudem war Ferdinand in zweiter Ehe mit Eleonora Gonzaga
verheiratet, der Schwester von Vincenzo II., und das führte
zu einer zusätzlichen Verbindlichkeit.
Man kann den mantuanischen Erbfolgestreit als einen
Konflikt begreifen, der auf dem Rechtswege ausgetragen
und durch den Kaiser entschieden worden wäre, wenn sich
die beiden Großmächte Spanien und Frankreich nicht
eingemischt und die mantuanische Erbfolge zum Gegenstand
ihrer geopolitischen Rivalität gemacht hätten. Man kann
noch einen Schritt weitergehen und dem Kaiser
beziehungsweise einigen seiner Räte vorwerfen, dass sie
nicht auf eine strikt unparteiische Haltung des Reichs
geachtet haben, sondern sich auf die Seite Spaniens
beziehungsweise des von Madrid favorisierten Ferrante von
Guastalla stellten. Wallenstein jedenfalls hat es so gesehen:
«Ich habe den Krieg wider den von Nevers nie für recht
befunden, und befinds noch nicht», und ein anderes Mal
erklärte er: «Gott straft die Spanier, dieweil sie den armen
Nevers ohne Ursach angreifen.» [3] Man kann diese Passagen
so lesen, als sei es Wallenstein um die Durchsetzung des
Rechts gegen die Gewalt gegangen. Tatsächlich trieb ihn
aber die Befürchtung, der italienische Streit werde
Frankreich in den Krieg in Deutschland hineinziehen, und
dann werde dieser außer Kontrolle geraten. «Der unrechte
Streit um Mantua erweitert den Krieg.» Und: «Wenn Fried in
Italien ist, so ist Fried mit Frankreich auch.» [4] Es war
demnach nicht die Frage von Recht und Unrecht, auf die
Wallensteins irenische Haltung in der mantuanischen
Erbfolgefrage zurückging, sondern das genuin
machtpolitische Problem, dass sich der Kaiser durch sein
prospanisches Eingreifen einen zusätzlichen Feind schuf und
der Frieden damit in weite Ferne rückte. Wer die besser
begründeten Ansprüche auf das Herzogtum Mantua hatte,
Karl von Nevers oder Ferrante von Guastalla, hat
Wallenstein allenfalls nachrangig beschäftigt; was ihn
umtrieb, waren die Kräfteverhältnisse in West- und
Mitteleuropa und die Sorge, der Kaiser trage durch seine
Intervention in Italien zur Neuentstehung einer
antihabsburgischen Koalition bei, der er auf Dauer nicht
gewachsen sein werde. Die Rechtsfrage war für Wallenstein
nur ein Argument, mit dem er seiner Sicht am Kaiserhof
Nachdruck verschaffen wollte.
Es gehört zu den ironischen Pointen der Politikgeschichte,
dass die Gegenspieler Wallensteins in dieser Frage ähnlich
auftraten wie er, wenn auch mit gänzlich anderen Absichten.
Die Spanier drängten den Kaiser, in den mantuanischen
Streit einzugreifen, um einem reinen Machtkonflikt den
Charakter einer Rechtsauseinandersetzung zu verleihen. Sie
waren an einer Austragung des Konflikts in der Form einer
Rechtsabwägung unter Aufsicht des Kaisers nicht etwa
deswegen interessiert, weil sie bedingungslose Hüter des
Rechts waren, sondern weil sie einen Krieg mit Frankreich
vermeiden wollten. Sie wollten den Status quo in Italien
aufrechterhalten, und dazu waren sie auf den Kaiser
angewiesen. Gaspar de Guzmán, Graf von Olivares und
Herzog von San Lucar (deswegen auch als Conde Duque
bezeichnet), der erste Minister Philipps IV., war sich
darüber im Klaren, dass Spanien in eine Phase des relativen
Niedergangs eingetreten war und sich eigentlich keinen
großen Hegemonialkrieg leisten konnte. [5] Olivares
argumentierte, dass Spanien ohne den Kaiser in Italien
nichts unternehmen solle, da allein der Kaiser Gewalt in
Recht verwandeln könne. Umgekehrt sei der Kaiser auf
Spanien angewiesen, wenn es darum gehe, Vorhaben
gewaltsam durchzusetzen, denn ohne Spaniens Hilfe laufe
die Rechtsprechung des Kaisers in Italien ins Leere und
seine Autorität verfalle. [6] Es gebe also gute Gründe dafür,
dass der Kaiser die spanischen Interessen berücksichtige.
In welcher Weise Spanien die kaiserliche Rechtsbefugnis
in Italien zu nutzen gedachte, wird in einem Brief des
Markgrafen von Aytona, dem spanischen Gesandten in Wien,
deutlich, in dem er ein gemeinsames Vorgehen beider Linien
des Hauses Habsburg in der mantuanischen Erbstreitigkeit
umreißt: «Ich zog in Betracht, daß mit dem Abschluß dieses
Vertrages alles erreicht wird, was E.M. sich wünschten,
nämlich Reputation und Rechtfertigung ihrer Waffen. Die
Reputation wird gewonnen, weil die ganze Welt erkennen
muss, dass die Waffen E.M. den Herzog von Nevers
zwangen, dem Kaiser zu gehorchen, und daß kein Fürst
Italiens seine Staaten zu besitzen vermag ohne die Erlaubnis
und Autorität der Casa d’Austria, vornehmlich jedoch E.M.
[Philipps IV.]. Die Rechtfertigung E.M. wird daraus
ersichtlich, daß sie, obschon in der Lage, den Herzog von
Nevers vollständig niederzuwerfen, es vorgezogen, so groß
und mächtig wie Sie sind, eine milde Großzügigkeit und
Mäßigung walten zu lassen, nur um die aufgeregten
Gemüter der italienischen Fürsten zu beruhigen.» [7]
Der Düpierte der Auseinandersetzung um Mantua war am
Schluss der Kaiser, der selbst keine starken Interessen
hatte, sondern dem es lediglich darum ging, angesichts der
von Spanien und Frankreich betriebenen Konflikteskalation
seine Autorität in «Reichsitalien» aufrechtzuerhalten. Dazu
musste er allerdings Truppen nach Norditalien entsenden,
die die spanische «Rechtsposition» stützen sollten, auch
wenn es gar nicht zu einer rechtlichen Regelung gekommen
war. Nachdem seine Truppen in Norditalien fürchterliche
Verwüstungen hinterlassen hatten, gab er zuletzt klein bei,
weil die militärische Lage im Nordosten des Reichs ihn zum
Rückzug nach Deutschland zwang. Wallenstein hat dieses
Ergebnis vorausgesehen und vor einem größeren
Engagement im Konflikt um Mantua gewarnt: Da Karl von
Nevers einen besser begründeten Anspruch und zudem
Frankreich als Rückendeckung habe, solle man ihn als neuen
Herzog akzeptieren. Wallensteins Leitidee war, die Kriege in
Europa, auch wenn sie miteinander zusammenhingen, als
voneinander getrennte Vorgänge zu behandeln. Das war
eine strategische Reaktion auf Gustav Adolf, der alle Kriege
miteinander verbunden sah: Gerade weil die Kriege in
Europa miteinander zusammenhingen, so Wallenstein, war
es ratsam, sie als isoliert zu behandeln. Der Praxistest
sprach jedoch für Gustav Adolf: Die Kriege in Europa ließen
sich pragmatisch nicht mehr voneinander trennen. Dass der
Kaiser in den mantuanischen Erbfolgekrieg hineingezogen
wurde, lag keineswegs nur an einer falschen
Lagebeurteilung, sondern war strukturell unvermeidbar.

Es war indes gar nicht die umstrittene Nachfolge in Mantua


selbst, die den Zusammenstoß der beiden Großmächte
unvermeidlich machte, sondern die geographische Lage des
Herzogtums Montferrat, das seit 1531 durch die Heirat
Federico Gonzagas mit Margherita Paleologos mit Mantua
verbunden war. [8] Das mantuanische Gebiet, zwischen den
Herzogtümern Mailand, Parma, Modena, Mirandola und der
Republik Venedig gelegen, spielte geopolitisch nicht die
ausschlaggebende Rolle. Montferrat, nördlich der Republik
Genua und zwischen dem Herzogtum Mailand und den
Territorien des Herzogs von Savoyen gelegen, war dagegen
für die Franzosen der Zugang nach Italien und für die
Spanier ein zentraler Bestandteil ihrer Verbindungsachse in
die Niederlande: Wer die am nördlichen Ende des
Herzogtums gelegene Festung Casale beherrschte, war der
Herr über Norditalien. Der Herzog von Mantua war selbst zu
schwach, eine solche Rolle zu spielen, aber sobald er als
Verbündeter einer der beiden Großmächte, Spanien oder
Frankreich, auftrat, veränderte sich das von Grund auf. Es
kam also nicht von ungefähr, daß der Krieg mit Operationen
begann, in denen es um die Kontrolle der Festung Casale
ging. Don Gonzalo de Córdoba, der spanische Statthalter in
Mailand, der Anfang der 1620er Jahre die wallonischen
Truppen in der linksrheinischen Pfalz kommandiert und mit
Tilly zusammen bei Wimpfen gesiegt hatte, [9] marschierte im
Bündnis mit Karl Emmanuel von Savoyen in Montferrat ein.
Er wollte Karl von Nevers daran hindern, auch von diesem
Gebiet Besitz zu ergreifen, nachdem ihm das zuvor durch
einen Überraschungscoup in Mantua gelungen war. Der
Einfall spanischer Truppen war ein klarer Rechtsbruch, ein
Eroberungskrieg, wenn man so will, durch den sich Spanien
ins Unrecht gesetzt hätte, wenn ihm nicht der Kaiser
beigesprungen wäre, indem er am 1. April 1628 die
Sequestrierung für Mantua und Montferrat verkündete.
Dadurch waren alle Ansprüche Karl von Nevers’ aufgehoben,
bis eine Prüfung ihrer Rechtsmäßigkeit durch den Kaiser
erfolgt war; für die Zwischenzeit wurde ein kaiserlicher
Treuhänder eingesetzt, der die Verwaltung beider
Herzogtümer übernahm. Am 2. Mai erschien Graf
Johann VIII. von Nassau-Siegen in Mantua und forderte Karl
von Nevers auf, ihm die Verwaltung seiner Herzogtümer zu
übergeben. [10]
Nevers weigerte sich, der kaiserlichen Sequestrierung
Folge zu leisten – und er hatte gute Gründe dafür. Zunächst,
so argumentierte er, müsse der Raub- und Eroberungskrieg,
den Córdoba und Karl Emmanuel gegen Montferrat
begonnen hätten, beendet werden; beide müssten sich
zurückziehen, bevor er der Anordnung des Kaisers
entsprechen könne. Córdoba dachte aber nicht an Rückzug,
obwohl der Handstreich, mit dem er die Festung Casale in
seinen Besitz hatte bringen wollen, fehlgeschlagen war und
er sich auf eine langwierige Belagerung einstellen musste.
Damit saß der Kaiser in der Falle: Was als Rechtsakt einer
neutralen, übergeordneten Instanz gedacht war, wurde zur
Parteinahme in einem Konflikt, der mit dem spanisch-
savoyischen Militärschlag zum Krieg eskaliert war und in
dem der Kaiser nun ebenfalls zu Gewaltmitteln greifen
musste. Die Alternative war, dass der Kaiser Nevers’
Weigerung hinnahm und sich aus dem Streit zurückzog. Das
hätte allerdings einen gravierenden Autoritätsverlust in
Italien mit sich gebracht, und zudem hätte Wien damit das
Bündnis mit Spanien in Frage gestellt. Es lag also nahe, eine
Armee nach Italien zu entsenden, um die Sequestrierung
gegen Nevers durchzusetzen.
Damit riskierte der Kaiser eine offene Auseinandersetzung
mit Frankreich und nahm in Kauf, dass sich sein Verhältnis
zu den Kurfürsten im Reich weiter verschlechterte; die
neigten nämlich Karl von Nevers zu, [11] auch weil die
Eröffnung eines weiteren Kriegsschauplatzes die von ihnen
angestrebte Reduzierung des Heeres blockieren würde. Den
Krieg mit Frankreich fürchteten die rheinischen Kurfürsten
aufgrund ihrer geographischen Nähe und Maximilian wegen
seiner politischen Beziehungen zu den Franzosen. Immer
wieder hatte Maximilian in den zurückliegenden Jahren mit
französischen Gesandten verhandelt und diese
Verhandlungen als ein Mittel der Distanzierung von den
Habsburgern eingesetzt: unmittelbar gegenüber dem Kaiser,
strategisch gegenüber Spanien. Ein offener Konflikt mit
Frankreich, gar ein Krieg, hätte die von Maximilian verfolgte
Politik einer «Mittelpartei» in Frage gestellt; für Maximilian
sollte sie die Selbständigkeit des Reichs gegenüber dem
Kaiser und dessen Erblanden ermöglichen. Auch Johann
Georg von Sachsen verfolgte die Idee einer «Mittelpartei»,
wobei ihm an einem Ausgleich zwischen den Militanten in
den Reihen der Katholiken und den Radikalen innerhalb des
Protestantismus gelegen war. [12] Maximilian wie Johann
Georg nahmen für sich in Anspruch, das Herz der
«Mittelpartei» zu sein, und arbeiteten gelegentlich
zusammen; eine gemeinsame politische Perspektive fanden
sie jedoch nie.
Hinzu kam, dass sich Papst Urban VIII. am 11. September
1628 mit einem Brief an Maximilian und die katholischen
Kurfürsten (namentlich an den Bayern als ihren Wortführer)
wandte und sie bat, die Ausweitung des Krieges nach Italien
zu verhindern. Der fünf Jahre zuvor zum Papst gewählte
Urban VIII., der Florentiner Kaufmannsfamilie der Barberini
entstammend, verfolgte eine profranzösische Politik und sah
sich in der Tradition der Renaissancepäpste eher als
italienischer Territorialfürst denn als Haupt der
Gegenreformation. Er widersetzte sich damit der
jesuitischen Auffassung, der in Deutschland ausgetragene
Krieg sei ein Religionskrieg, und verschaffte sich politische
Spielräume gegenüber den Habsburgern, die sich als
Speerspitze der Gegenreformation sahen und auf dieser
Grundlage Loyalität einforderten. [13] Urban begründete
seine Bitte, Italien den Einmarsch kaiserlicher Regimenter
zu ersparen, mit deren Charakter: «Denn wir müssen
fürchten», schrieb er, «daß ein aus allerlei Nationen
zusammen gelaufenes Heer in der Maßlosigkeit seines
wilden Kriegseifers der Gottlosigkeit den Eingang bahne.
Denn der erbärmliche Zustand vieler Nationen legt zur
Genüge dar, welchen schweren Nachtheil unter dem
Geklirre der Waffen die Religion erleidet.» [14] Als er dies
schrieb, dürfte Urban an den Sacco di Roma gedacht haben,
bei dem ein Jahrhundert zuvor spanische Infanterie und
deutsche Landsknechte in Rom eine Orgie der Verwüstung
angerichtet hatten. Urban hatte ein gutes Gespür für
Konstellationen: Tatsächlich endete der Einmarsch
kaiserlicher Truppen in Italien mit dem Sacco di Mantova am
18. Juli 1630, dem «militärischen Höhepunkt und
moralischen Tiefpunkt der kaiserlichen Kriegführung im
mantuanischen Erbfolgekrieg». [15]

Doch noch war es nicht so weit: In Wien versuchte man,


durch Verhandlungen und Verzögerungen aus der
selbstgestellten Falle herauszukommen. Mit den Spaniern
verständigte man sich darauf, dass Montferrat eine
Angelegenheit ihrer Truppen blieb und kaiserliche Truppen
nur das Herzogtum Mantua besetzen sollten. Das hatte für
den Kaiser den Vorzug, dass es zu keiner unmittelbaren
Konfrontation zwischen seinen Soldaten und denen
Frankreichs kam und bei der Belagerung Casales sich
weiterhin die Spanier die Zähne ausbeißen mussten. Dort
war eine Konfrontation mit den Franzosen zu erwarten, denn
die Spanier mussten die Festung erobern, wenn sie ihre
Ziele erreichen wollten, die Franzosen hingegen mussten sie
entsetzen. Noch im Winter zog ein französisches Heer mit
Richelieu an der Spitze über die Alpen. Ein Augenzeuge
schilderte Richelieu so: «Hoch zu Rosse im Harnisch und mit
Federhut, mit einem Schlachtschwerte an der Seite, mit zwei
Pistolen im Sattelbug. Vor der Front des Heeres ließ er sein
Pferd vielfach voltigieren, mit lautem Reden, daß er auf
dieses Fach sich verstünde.» [16] Nachdem das Heer den
Herzog von Savoyen in die Flucht geschlagen und sich der
Stadt Susa bemächtigt hatte, wo Richelieu dem Herzog die
Friedensbedingungen diktierte, rückte es auf Casale vor: Im
März 1629 musste Córdoba die Belagerung abbrechen und
sich in Eilmärschen auf Mailand zurückziehen. Für Spanien
endete das Montferrat-Unternehmen in einem Desaster. [17]
Córdoba hatte seinen Ruf als überaus fähiger General
verspielt, und auch der Ruhm der spanischen Truppen als
Meister des Belagerungskrieges hatte schwer gelitten.
Philipp IV. soll später die Entscheidung, in Montferrat zu
intervenieren, als seinen größten politischen Fehler
bezeichnet haben.
Eine vergleichbare Äußerung ist von Kaiser Ferdinand
nicht überliefert, obwohl auch er allen Grund dazu gehabt
hätte. Der Fehler, sich in die mantuanischen
Erbschaftsstreitigkeiten einzumischen, war sicherlich nicht
weniger gravierend als das Restitutionsedikt. Im April 1629
drängte Ferdinand darauf, dass Wallenstein größere
Heeresverbände nach Süden in Marsch setzte. Den
Oberbefehl über diese Truppen erhielt Generalleutnant
Ramboldo Collalto, der in Mantua geboren war und am
Wiener Hof die militärischen Fäden in Händen hielt. [18] Da
Collalto aber kurz nach Beginn des Feldzugs schwer
erkrankte (er verstarb im folgenden Jahr) und kein
Nachfolger ernannt wurde, führten Johann von Aldringen
und Matthias Gallas das Kommando, ergänzt durch Ottavio
Piccolomini, der bei Verhandlungen als kaiserlicher
Unterhändler tätig wurde. Es waren somit überwiegend
Italiener, die den Krieg um Mantua für den Kaiser führten,
und der Einzige, auf den das nicht zutraf, der Luxemburger
Aldringen, hatte lange im norditalienischen Raum gedient
und sprach fließend Italienisch. [19] Doch der Feldzug nahm
von Anfang an nicht den Verlauf, den man sich am Wiener
Hof vorgestellt hatte: Schon bei der Überquerung der Alpen
kam es zu schweren Übergriffen des Militärs auf die
Bevölkerung, so dass der in Tirol regierende Erzherzog
Leopold, der im Jülicher Erbstreit und im Krieg um die Pfalz
eine Rolle gespielt hatte, [20] am 25. Mai an den Kaiser
schrieb: «Ew.K.M. [Eure Kaiserliche Majestät] können nicht
glauben, wie das Kriegsvolk im Durchziehen hauset. Ich bin
auch etliche Jahre dem Kriegswesen nachgezogen,
versichere aber Ew.K.M., daß ich es [derartiges] nie
gestattet habe, wiewohl es ohne Schaden nicht abgehen
mag. Aber Brennen, Weiber-Schänden, die Leute todt
schlagen, Ohren und Nasen abschneiden, Fenster und Öfen
einschlagen – […] – Das abzustellen ist den Officieren gar
wohl möglich. […] Ich wollte Ew.K.M. viele vornehme
Officiere nennen, die, vor weniger Zeit schlecht aufgezogen,
jetzo an drei oder viermal hunderttausend Gulden baares
Geld haben, nicht von dem Feinde bekommen, sondern das
Meiste von der katholischen Kur- und Fürsten armen Leuten.
[…] Gedenken Ew.K.M., wie jetzo diese Leute in Italien
hausen werden, wo sie alles wohlauf finden, zumal da die
meisten Soldaten, ja gar die meisten Officiere, calvinisch
oder lutherisch sind. Helfe Gott den armen Frauenklöstern,
die in so großer Anzahl sich aller Orten befinden!» [21]
Namentlich erwähnt Leopold das Regiment des Obersten
von Merode, der in verballhornter Form zum Namenspatron
des Marodierens im Sinne der verbreiteten soldatischen
Praxis, die Bevölkerung auszuplündern und zu schikanieren,
geworden ist. [22]
Ferdinand reagierte auf diese Klagen und schrieb an
Collalto: «Mein lieber Graf, Ihr wißt, welche und wie große
Gnaden in den vorigen Jahren ich von der Hand Gottes und
durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau, meiner
Generallissima, gegen die Nicht-Katholiken erhalten habe,
wie sehr ich der göttlichen Majestät und der gesegneten
Mutter des Heilands verpflichtet bin, und wie leicht die
Gnade sich in Züchtigung wandeln könnte. Darum befehle
ich euch auf das dringlichste und mit allem nur möglichen
Eifer: Ihr sollt gegen die Übelthäter, wer immer es sei,
solche Demonstration thun, daß daraus die ganze Welt
erkenne, daß ich ein gerechter Fürst bin und daß ich Diener
habe, welche die Gerechtigkeit lieben und meinem Befehle
gehorchen. Ferner werdet Ihr verschaffen, daß die Pfarrer,
Seelsorger, Priester und Ordensleute ihre Pflichten ohne
jegliche Hinderung verrichten. So werdet Ihr handeln als ein
getreuer Diener, der die Gnade seines Herrn zu schätzen
weiß, welche ich euch immer zu bewahren wünsche.» [23]
Was Ferdinand also beschäftigte, war weniger das Leid der
Bevölkerung als vielmehr sein Ansehen in der politischen
Welt und seine Stellung vor Gott und der Jungfrau Maria, um
deren Gunst und Gnade er fürchtete.
Die Verheerungen, die Collaltos Soldaten in Tirol
anrichteten, waren nur ein Vorspiel dessen, was noch folgen
sollte. Im Herbst 1629 standen in der Lombardei etwa 40000
Soldaten bereit, um in das Herzogtum Mantua
einzumarschieren. [24] Dass ihr Einfall so furchtbare Folgen
hatte, lag an zweierlei: der Missernte von 1628, als im
Sommer schwere Regenfälle die Po-Ebene überschwemmt
hatten, und einem Pestausbruch, für den wahrscheinlich die
kaiserlichen Soldaten verantwortlich waren, die das Virus
eingeschleppt hatten. Im Heer war die Seuche endemisch,
und der Anteil der Pesttoten war deshalb deutlich niedriger
als bei der Bevölkerung, die mit den durchziehenden
Truppen in Kontakt kam. So blieben die Einheiten trotz der
grassierenden Pest operationsfähig und rückten seit Herbst
1629 der Hauptstadt des Herzogtums immer näher. Die dem
Herzog von Nevers zu Hilfe geeilten venezianischen
Streitkräfte wurden geschlagen (was Wallenstein
veranlasste, Pläne zur Eroberung Venedigs zu
schmieden [25]) und die Festungen des Herzogtums der Reihe
nach erobert, ohne dass sie größeren Widerstand leisten
konnten. Im Dezember 1629 wurde der Einschließungsring
um Mantua zugezogen, jedoch nur für kurze Zeit, da der
beginnende Winter einer längeren Belagerung
entgegenstand. Um Weihnachten musste die Einschließung
gelockert werden, und die kaiserlichen Truppen zogen sich
ins Umland zurück. Ende Mai 1630 nahmen sie die
Belagerung erneut auf, und diesmal dauerte es nur knapp
drei Wochen, bis die Festungsstadt am Mincio kapitulierte.
In ihren Mauern hatte die Pest gewütet, und von den
ursprünglich 30000 Einwohnern waren bei der Übergabe
der Stadt gerade noch 7000 am Leben. «In Mantua», so der
Historiker Lauro Martines, «starben binnen vier Monaten,
zwischen März und Mitte Juli, über 25000 Soldaten,
Einwohner und Flüchtlinge an der Seuche. In den Wochen
vor der Eroberung der Stadt starben täglich 250 bis
300 Menschen, und die Leichen lagen tagelang in den
Straßen herum.» [26]
Unter diesen Umständen brach der Widerstand zusammen;
als die Belagerer zum Sturm antraten, war der Wille zur
Verteidigung nicht mehr vorhanden, und die gut befestigte
Stadt ergab sich den Angreifern, ohne dass diese größere
Verluste hatten hinnehmen müssen. Das war in mancher
Hinsicht das Glück der verbliebenen Einwohner, denn
dadurch blieb ihnen eine Gewaltorgie erspart, wie sie sonst
nach der Erstürmung einer Stadt üblich war. Was Mantua
indes nicht erspart blieb, war die Plünderung, die in diesem
Fall nicht auf drei Tage beschränkt blieb, sondern sich über
Wochen hinzog. Es handelte sich dabei um zwei strukturell
voneinander zu unterscheidende Vorgänge: zum einen die
Plünderung der Bürgerhäuser durch die Soldaten, zum
anderen das systematische Ausräumen des Herzogspalastes
durch die höheren Offiziere. Die Soldatenplünderungen
verliefen nach dem üblichen Muster: Die Söldner drangen
truppweise in die Häuser ein und nahmen das mit, was ihnen
wertvoll erschien und was sie tragen konnten. Das begrenzte
zunächst den Umfang des Geraubten. Wie hätten sie auch
die Menge dessen, was es in dieser reichen Stadt zu holen
gab, über die Alpen nach Deutschland schaffen sollen? Also
entstanden in und vor der Stadt Märkte, auf denen die
Söldner die geraubten Gegenstände zu Geld machten. Es
waren die Marketender aus dem Tross des Heeres, aber
auch Trödler und Kaufleute aus der Umgebung Mantuas, die
das Raubgut aufkauften und dabei überaus gute Geschäfte
machten. Die Soldaten mussten die geplünderten
Gegenstände loswerden, und da sie deren Wert nicht
wirklich einschätzen konnten, schlugen sie fast alles weit
unter Wert los. Sie brauchten Geld, und sobald sie das
bekamen, waren sie zufrieden.
Es gab bei der Plünderung freilich auch
«sozialrevolutionäre» Einsprengsel, die dort zutage traten,
wo die notorisch am Existenzminimum lebenden
Trossangehörigen auf eine urbane Wohlhabenheit stießen,
die für sie sonst in unerreichbarer Ferne lag. «So
beobachtete man die Ehefrauen oder Geliebten von Soldaten
dabei, wie sie sich auf offener Straße ‹schamlos› ihrer
schmutzigen Kleidung entledigten, in die Häuser der
Reichen eindrangen und den dortigen Frauen die Kleider
vom Leib rissen; sie zogen sie an, rannten zurück auf die
Straße, tanzten dort und verbeugten sich spöttisch
voreinander, wie es die feinen Herrschaften taten.» [27]
Lauro Martines vermutet, dass darin vor allem die Freude
zum Ausdruck kam, nicht der Pestepidemie zum Opfer
gefallen zu sein. Das lässt sich nicht ausschließen. Viel
stärker als die bloße Überlebensfreude traten in diesem
Verhalten aber Elemente der Sozialrevolte hervor, wie sie in
Konstellationen der Anomie immer wieder zu beobachten
sind: Sie bringen keine neue Gesellschaftsordnung hervor
und führen auch nicht zu einem dauerhaft neuen Status der
augenblicklichen Gewalthaber. Sie sind eher symbolischer
als sozialstruktureller Art und spiegeln die diffusen Wünsche
wie Ressentiments, die für einen kurzen Augenblick
ausgelebt werden können. Sie bilden die karnevaleske Seite
bei der Eroberung und Plünderung einer Stadt.
Die systematische Ausplünderung des Herzogspalasts von
Mantua durch die Generäle Aldringen und Gallas war die
andere Seite der Verwüstung Mantuas. Über zwei
Jahrhunderte hatten die Herzöge aus dem Hause Gonzaga
Bilder und Bücher, Statuen und Teppiche, Möbel und
Schmuck, Medaillen und Gemmen zusammengetragen und
so eine der prachtvollsten Kunstsammlungen Italiens
geschaffen. Das Geld, das für diese Sammlungen vonnöten
war, hatten sie nicht selten als Condottieri im Dienste einer
kriegführenden Partei erworben. [28] Die Gonzaga waren eine
kriegerische Familie, die sich durch investment in culture
auf den Weg der Selbstzivilisierung begeben hatte, und im
Verlauf der Jahrzehnte waren aus rauen Söldnergenerälen
fürstliche Kunstliebhaber geworden. Der Palazzo ducale in
Mantua war vor allem durch zwei Sammlungen berühmt: die
Gemäldegalerie und die herzogliche Bibliothek. Die
Gemäldegalerie hatte in den Jahren vor dem Sacco di
Mantova bereits einen gravierenden Aderlass hinnehmen
müssen, als Herzog Vincenzo II. viele seiner Bilder an den
englischen König Karl I. verkauft hatte. Schwerkrank und
ohne direkte Nachkommen, hatte er einige seiner kulturellen
Schätze zu Geld gemacht, um sich anderen Vergnügungen
als denen des Kunstgenusses zu widmen. Es war indes noch
genug da, um das Ausräumen des Palasts zu einem
lukrativen Unternehmen zu machen, und die siegreichen
Generäle wollten die Kulturgüter des Herzogspalasts nutzen,
um denselben Weg zu beschreiten, den die Gonzaga in den
zwei Jahrhunderten zuvor gegangen waren.
Kurz nach der Eroberung Mantuas ließ Johann von
Aldringen den Zugang zum Herzogspalast von 3000 Soldaten
großräumig absperren. [29] Die Kostbarkeiten sollten vor
einer wahllosen Plünderung durch die Soldaten bewahrt
werden. Offiziell wurden alle beweglichen Gegenstände des
Palasts für den Kaiser beschlagnahmt; tatsächlich gingen sie
jedoch in den Besitz von Aldringen, Gallas und Piccolomini
über, und auch der schwerkranke Collalto wurde mit
einigem bedacht. Transportprobleme stellten sich für das
Heereskommando nicht: Es wurden Fuhrwerke
bereitgestellt, die, von Militär eskortiert, in einem langen
Zug die Beute über die Alpen schafften, wo sie den
Grundstock für die Ausstaffierung der Schlösser und
Anwesen bildeten, die den kaiserlichen Generälen als
Anerkennung für ihre Leistungen übereignet wurden.
Aldringen, der vom Sohn eines Kanzleischreibers zum
Feldmarschall aufgestiegen war, fand vier Jahre nach dem
Coup von Mantua in der Schlacht bei Landshut den Tod,
aber sein Vermögen ging an die Erben über; Gallas staffierte
damit seinen Palast in Prag aus, den er als Dank für seine
Beteiligung an der Ermordung Wallensteins erhalten sollte;
[30] und Piccolomini brachte die italienische Beute in seine
nordböhmischen Schlösser, die ihm aus Wallensteins
Herzogtum Friedland übereignet wurden, nachdem er die
Tötung des Generalissimus in Eger koordiniert hatte. [31] Die
Beute aus dem Herzogspalast wird auf 18 Millionen Gulden
geschätzt und bildete den Hauptposten des
Vermögenstransfers von Italien nach Deutschland. [32] Das
war aber keineswegs alles, denn durch die Ausraubung des
Mantuaner Ghettos und die Vertreibung der 1800 Juden aus
der Stadt, von denen jeder nur drei Dukaten mitnehmen
durfte, kam noch einmal eine Summe von 800000 Gulden
zusammen.

An der schwierigen Lage des Kaisers hatte die Eroberung


Mantuas nichts geändert. Casale blieb in französischer
Hand, und auch die Festung Pinerolo war in den Besitz der
Franzosen geraten. Spanien stand unter wachsendem Druck,
sich bei der Schwerpunktsetzung seiner strategischen Ziele
zwischen Flandern und Montferrat zu entscheiden, denn die
Holländer hatten die spanischen Truppenverlegungen nach
Norditalien genutzt und die Initiative übernommen. Hinzu
kam, dass der Kaiser seine Truppen aus Italien abziehen und
in den Nordosten Deutschlands verlegen musste, wo Gustav
Adolf sich inzwischen eine stabile Operationsbasis verschafft
hatte. An die gleichzeitige Unterhaltung von zwei großen
Kriegsschauplätzen, einem gegen die Schweden in Pommern
und Mecklenburg und einem gegen Frankreich in
Norditalien (und womöglich einem weiteren im Elsass), war
trotz der Größe des kaiserlichen Heeres nicht zu denken:
zum einen, weil mit dem Umfang der zu kontrollierenden
Gebiete auch das Erfordernis von Besatzungstruppen wuchs,
was die bewegliche Feldarmee kontinuierlich verkleinerte,
und zum anderen, weil die Kurfürsten immer energischer auf
eine Reduzierung des kaiserlichen Heeres drängten, das zu
unterhalten sie nicht länger bereit waren. Und schließlich
war an eine Weiterführung des Krieges in Italien auch
darum nicht zu denken, weil der Kaiser im Sommer 1630 auf
dem Kurfürstentag in Regensburg den Organisator seines
Heeres, den Generalissimus Wallenstein, unter dem Druck
der Kurfürsten hatte entlassen müssen.
Der Frieden von Cherasco, mit dem der mantuanische
Krieg im Frühjahr 1631 beendet wurde, war ein
demütigender Frieden für den Kaiser, der seine Autorität
und auch die Macht Spaniens schwer beschädigte: Der
Herzog von Nevers behielt Mantua und Montferrat, Casale
blieb in französischer Hand, die kaiserlichen Truppen
wurden aus Italien zurückgezogen. Der Friede von Lübeck,
bei dem der Kaiser aus einer Position der Stärke heraus
verhandelt hatte, war ein großzügiger Friedensschluss; der
Friede von Cherasco ein Vertrag der Schwäche und des
Rückzugs. Zwischen Lübeck und Cherasco hatte die Macht
des Kaisers ihren Zenit überschritten. Es war allerdings
nicht nur das Haus Habsburg, das durch das italienische
Abenteuer einen schweren Schlag erlitten hatte, sondern
auch der Katholizismus insgesamt. Der mantuanische
Erbfolgekrieg, klagte Papst Urban VIII. am 1. Mai 1632,
habe die katholische Sache zu Fall gebracht, «denn
jedermann weiß, daß vor dem Krieg die Habsburger, die
Franzosen und alle anderen katholischen Fürsten sich über
auswärtige Fragen einig waren und daß […] die katholische
Religion in Deutschland, in Frankreich und überall gute
Fortschritte machte». [33] Das sah im Frühjahr 1632 ganz
anders aus.
Wallensteins polnischer Diversionskrieg
und der Feldzug in die Niederlande
Eher widerwillig und missmutig als von dem möglichen
Nutzen des Unternehmens überzeugt, hatte sich Wallenstein
auf das Italien-Abenteuer des Kaisers eingelassen und den
Großteil seiner feldverwendungsfähigen Armee in die
Lombardei in Marsch gesetzt. Er folgte damit kaiserlichem
Befehl. Wallenstein selbst ging davon aus, dass die
Hauptgefahr für das Reich im Nordwesten und Nordosten
lag und dass der Krieg um die Niederlande sowie die Abwehr
einer schwedischen Invasion entscheidend sein würden.
Deswegen wollte er den schwedischen König so lange wie
möglich in Polen binden und tat alles dafür, dass der
polnisch-schwedische Krieg fortdauerte. Zu diesem Zweck
entsandte er im Frühjahr 1629 ein 10000 Mann starkes
Korps unter Feldmarschall Arnim, das den Polen zu Hilfe
kommen sollte. Arnim war für dieses heikle Unternehmen
der richtige Mann: Er hatte von 1613 bis 1617 in der
schwedischen Armee gedient, dann im Rang eines Obersten
seinen Abschied genommen, um in polnische Dienste zu
wechseln. In den Jahren 1623 und 1624 hatte er als
Regimentskommandeur noch einmal bei den Schweden
gedient, bevor er schließlich zu Wallenstein stieß. Er kannte
also den Gegner ebenso gut wie den Verbündeten. Mit
diesem Schachzug, Arnim nach Polen zu schicken, um die
polnische Kriegführung gegen Gustav Adolf zu intensivieren,
hinderte Wallenstein den Schwedenkönig daran, «den
Schwerpunkt der Operationen von Preußen nach Pommern
zu verlegen und eine auf Stralsund gestützte Offensive
gegen die Kaiserlichen zu unternehmen». [1]
Die kaiserlichen Truppen wurden in Polen allerdings alles
andere als freundlich aufgenommen. Früher erfolgte
Angebote kaiserlicher Waffenhilfe hatte der polnische
Reichstag, der Sejm, stets zurückgewiesen, und erst 1629
hatte er sich gegen den heftigen Widerstand einer
Minderheit anders entschieden. Das Verhältnis beider Seiten
war angespannt, unter anderem deswegen, weil die von den
Polen zugesagte Versorgung der kaiserlichen Truppen nicht
klappte, wobei dahingestellt bleiben mag, ob dem eine
Absicht zugrunde lag oder ob die Polen damit logistisch
überfordert waren. Jedenfalls hungerten die Soldaten, was,
wie nicht anders zu erwarten, zu Plünderungen führte, und
die wiederum waren kaum geeignet, das Verhältnis zu
verbessern. Das polnische Unbehagen gegenüber den
kaiserlichen Truppen erwuchs im Wesentlichen daraus, dass
man vor deren Eintreffen dem Abschluss eines
Waffenstillstands mit den Schweden nahe war – Gustav Adolf
wollte ja den polnischen Kriegsschauplatz schließen, um in
den Krieg auf deutschem Boden eingreifen zu können –, was
sich nun zerschlug. Der polnische Landadel war der Lasten
des Krieges überdrüssig und argwöhnte nicht zu Unrecht,
der Kaiser wolle den polnischen König benutzen, um den
schwedischen König von Deutschland fernzuhalten. Man
erschwerte Arnim die Operationen in Preußen, wo und wie
man nur konnte, worüber dieser sich dann in einem fort bei
Wallenstein beklagte. [2]
Die militärischen Operationen verliefen für die polnisch-
deutschen Streitkräfte jedoch zunächst erfolgreich. Erstmals
während seiner Feldzüge in Polen sah sich Gustav Adolf
einem zahlenmäßig überlegenen Gegner gegenüber. Er
versuchte deshalb, das kaiserliche Heer anzugreifen, bevor
es sich mit der polnischen Hauptstreitmacht verbinden
konnte. Über Marienwerder stieß er gegen Arnim vor, doch
der konnte sich einer Gefechtsberührung entziehen und
seine Truppen mit denen des Hetmans Alexander
Koniecpolski vereinen. Mit einer solchen Übermacht
konfrontiert, zogen sich die Schweden von Marienwerder auf
Marienburg zurück, verfolgt von der entschlossen
nachdrängenden deutsch-polnischen Kavallerie. Bei
Honigsfelde in der Stuhmer Heide kam es zu einem Gefecht,
in dem die Schweden eine empfindliche Niederlage erlitten
und Gustav Adolf nur mit knapper Not der Gefangennahme
entkam. Außerdem verlor er zehn seiner
aufsehenerregenden Lederkanonen, von denen zumindest
eine in die Residenz Wallensteins nach Güstrow gebracht
wurde, damit sie dort auf ihre Leistungsfähigkeit untersucht
werden konnte. Es handelte sich um ein leichtes Geschütz,
dessen dünnwandiges Kanonenrohr mit Leder umkleidet
war, um bei Erhitzung das Zerspringen des Laufs zu
verhindern. Auf die Bedeutung dieser Kanone konnte man
sich keinen rechten Reim machen, bis Tilly bei Breitenfeld
mit ihrem taktischen Einsatz konfrontiert wurde. Zunächst
sah man darin eher ein Zeugnis schwedischer
Rückständigkeit.
Gustav Adolf bezog bei Marienburg ein gut verschanztes
Lager, gegen das die polnischen Truppen vergeblich
anstürmten. Meinungsverschiedenheiten mit Arnim führten
dazu, dass sich dessen Truppen an diesen Angriffen nicht
beteiligten; Arnim rückte aber auch nicht auf Danzig vor,
was die Polen von ihm verlangten, um den schwedischen
Nachschub abzuschneiden, sondern zog sich in Richtung
Pommern zurück. Bald darauf reichte er seinen Rücktritt ein,
was der Beendigung des kaiserlichen
Diversionsunternehmens gleichkam. Bei Arnims
Demissionierung spielte eine Reihe von Gründen mit, unter
anderem die äußeren Probleme des Feldzugs in Polen, die
Arnim auf fehlende Unterstützung durch die kaiserliche
Politik zurückführte; ausschlaggebend war jedoch das
Restitutionsedikt vom Frühjahr, das den überzeugten
Lutheraner Arnim auf Distanz zum Kaiser gebracht hatte. Er
verabschiedete sich von Wallenstein, indem er ihm den Hut
Gustav Adolfs übersandte, den dieser bei dem Reitergefecht
in der Stuhmer Heide verloren hatte. Mit dem Rückzug des
deutschen Kontingents kam der Krieg in Polen zum
Stillstand und näherte sich wieder dem De-facto-
Waffenstillstand an, der durch Wallensteins Eingreifen
unterbrochen worden war.

Das französische Eingreifen machte aus diesem faktischen


dann einen formalen Waffenstillstand, der, auf eine Dauer
von sechs Jahren abgeschlossen, die Voraussetzung dafür
war, dass sich Gustav Adolf gänzlich dem deutschen
Kriegsschauplatz widmen konnte. Am 1. Juli 1629 traf
Richelieus Sondergesandter Charnacé in Warschau ein, um
die kriegerische Entschlossenheit Gustav Adolfs gegen den
Kaiser zu wenden. [3] Das kam der Überzeugung Gustav
Adolfs entgegen, wonach die Entscheidung im Zentrum, auf
dem Boden des Kaiserreichs, fallen werde, weshalb
Schweden dort eingreifen müsse, wenn es an der
Neuordnung der Machtverhältnisse beteiligt sein wolle. Zu
dieser Sicht hatte nicht zuletzt der schwedische Ausschluss
vom Lübecker Frieden beigetragen. Richelieus Politik
wiederum war an der Devise orientiert, dass Frankreich sich
möglichst viele Optionen offenhalten müsse und sich unter
keinen Umständen auf eine konfessionelle Blockbildung
einlassen dürfe.
Das galt sowohl für eine Blockkonfrontation zwischen den
katholischen und den protestantischen Mächten als auch für
die Positionierung Frankreichs gegen das Reich in seiner
Gesamtheit; vielmehr sollten in so vielen Fragen wie möglich
die Kurfürsten als Repräsentanten des Reichs gegen den
Kaiser ausgespielt werden. Nur indem man vermied, dass
Frankreich Bestandteil eines politischen Blocks wurde, war
es möglich, Paris wieder zum Schiedsrichter und Aufseher
über die europäischen Angelegenheiten zu machen. Darum
ging es Richelieu: das Projekt aufzunehmen, das von
Heinrich IV. verfolgt worden war. Gegner dieser selbständig-
pragmatischen Politik waren nicht nur die auf ein Bündnis
zwischen Frankreich, Spanien, Papst und Kaiser setzende
Königinwitwe Maria de’Medici, sondern auch jene Kräfte,
die unter dem Eindruck der kaiserlichen Parteinahme für
Spanien den Einmarsch französischer Truppen ins Elsass
forderten. Ein offener Krieg gegen das Reich, so Richelieu
und seine Berater, würde jedoch zwangsläufig dazu führen,
dass Kurfürsten und Kaiser zusammenrücken und alle
Trenn- und Spaltungslinien, mit denen die französische
Diplomatie bislang gearbeitet hatte, aufgelöst würden.
Hatten erst einmal die Generäle das Sagen, würden die
Handlungsspielräume der Politik – also die Richelieus –
immer enger werden. Unter diesen Umständen setzte der
Kardinal darauf, Gustav Adolf im Kampf gegen den Kaiser zu
unterstützen, ein allzu enges Bündnis mit den Schweden
aber zu vermeiden.
Es war ein ebenso schwieriger wie langwieriger Prozess,
in dem die schwedisch-französische Annäherung erfolgte:
Der am 26. September 1629 unterzeichnete
Waffenstillstandsvertrag von Altmark, der den Krieg
zwischen Polen und Schweden beendete, war die erste
Etappe; der Vertrag von Bärwalde, am 23. Januar 1631
geschlossen, die zweite. Der Vertrag von Bärwalde regelte
die französischen Subsidienzahlungen für die Schweden
unter der Voraussetzung, dass sie die Neutralität Bayerns
und der katholischen Liga respektierten, freilich nur, sofern
diese selbst neutral blieben. [4] Was sich zwischen Altmark
und Bärwalde entwickelte, war ein Verhältnis des
wechselseitigen Aufeinander-angewiesen-Seins: Richelieu
brauchte Gustav Adolf (den König, «der mit allen seinen
Nachbarn Krieg führt» [5], wie die französischen Diplomaten
ihn beschrieben) als Schwert gegen den Kaiser, um nicht
selbst in den Krieg eintreten zu müssen, und Gustav Adolf
brauchte die französischen Subsidien, um den Krieg in
Deutschland überhaupt führen zu können. Was beide
verband, war der gemeinsame Feind; was sie trennte, waren
die von ihnen verfolgten politischen Ziele.
Die Aufgabe, die Charnacé im Sommer 1629 zu bewältigen
hatte, bestand darin, die von schwedischer und polnischer
Seite erhobenen Maximalforderungen einander anzunähern.
Das wurde möglich, als sich der Brandenburger Kurfürst in
die Verhandlungen einschaltete und vorschlug, «die
Schweden sollten ihre im preußischen Landesinnern
gemachten Eroberungen räumen und treuhänderisch an ihn
übergeben, wofür er die Häfen Pillau, Fischhausen,
Lochstädt und Memel samt ihren Zöllen Gustav Adolf als
Faustpfand überlassen würde». [6] Ohne diese Zolleinnahmen
wäre das finanziell schmalbrüstige Schweden nicht in der
Lage gewesen, in Deutschland Krieg zu führen. Wie wichtig
diese Einnahmen für die Schweden waren, zeigt auch der
wenige Monate nach Altmark geschlossene Vertrag von
Tiegenhof, demzufolge mit der Ausnahme von Mitau die
livländischen Häfen in schwedischer Hand blieben und die
Hansestadt Danzig sich bereit erklärte, den größeren Teil
der auf der Weichsel erhobenen Zölle an Schweden
abzutreten. Es handelte sich um Summen zwischen 350000
und 660000 Reichstaler pro Jahr. [7] Neben den
französischen Subsidien waren sie das zweite Standbein der
schwedischen Kriegsfinanz. Insgesamt war beides jedoch
bloß die «Anschubfinanzierung» für einen Krieg, der auch
von Gustav Adolf schon bald nach dem alten Condottiere-
Grundsatz geführt wurde, dass der Krieg den Krieg ernähren
müsse. [8] Aber ohne sie hätte der schwedische König kaum
auf dem deutschen Kriegsschauplatz reüssieren können.
Wallenstein hatte die Konstellation zutreffend analysiert und
mit dem Diversionsprojekt unter Arnim im Prinzip die
richtige Gegenmaßnahme getroffen: Dass sie letzten Endes
nicht griff, lag am kaiserlichen Restitutionsedikt, am
mantuanischen Erbfolgekrieg, der eine stärkere
Unterstützung Arnims verhinderte, und an dem Unwillen der
Polen, ihr Land zum Ersatzkriegsschauplatz werden zu
lassen.

Wallensteins Aufmerksamkeit war aber nicht nur durch die


Kriege in Norditalien und Polen absorbiert, sondern auch
durch die dramatische Verschlechterung der Lage Spaniens
in den Niederlanden. [9] Der Abzug großer Truppenteile, die
nach Norditalien verlegt wurden, dazu sinkende
Geldüberweisungen von Madrid nach Brüssel, der Verlust
der Silberflotte des Jahres 1628 [10] und schließlich die
Abberufung des legendären Generals Spínola, der das
Kommando in Mailand übernahm, hatten im Grenzraum
zwischen den südlichen und den nördlichen Niederlanden zu
einem Machtvakuum geführt, in das Prinz Friedrich Heinrich
von Nassau-Oranien hineinstieß, als er Anfang Mai 1629 die
für die Verteidigung der südlichen Niederlande wichtige
Festung Herzogenbusch angriff und belagerte.
Herzogenbusch musste aus spanischer Sicht unter allen
Umständen gehalten werden, doch ohne deutsche
Unterstützung war das undenkbar; die 4000 Mann, die in
der Festung stationiert waren, würden die Stadt gegen die
zehnfache Übermacht Friedrich Heinrichs nicht lange halten
können. Wallenstein ließ einen größeren Truppenverband in
die Niederlande einrücken, der unter dem Oberbefehl von
Graf Johann von Nassau-Siegen stand, seit 1628 kaiserlicher
Feldmarschall und vor der Übernahme der niederländischen
Aufgabe mit der Durchsetzung des kaiserlichen Sequesters
gegen Karl von Nevers wenig erfolgreich. [11] Wallenstein
griff also nicht auf einen seiner eigenen Offiziere zurück,
sondern auf einen Favoriten des Wiener Hofkriegsrats; der
hatte den Vorzug, mit den Verhältnissen in den
Niederlanden vertraut zu sein, gehörte aber kaum zu den
strategisch und taktisch versierten Feldherren des Krieges.
Eine solche Besetzung des Oberkommandos war eigentlich
untypisch für Wallenstein, und man kann daraus
schlussfolgern, dass er dem Unternehmen keine große
Bedeutung beimaß. Für ihn war Nordostdeutschland
wichtiger.
Der Feldzug verlief ausgesprochen unglücklich: Die Armee
drang zwar in Geldern ein, wo sie an der Ijssel, dem
nördlichsten Mündungsarm des Rheins, ein festes Lager
bezog und sich in einer kühnen Operation der Stadt
Amersfort bemächtigte. Aber der Zweck der Operation,
nämlich Friedrich Heinrich dazu zu bringen, die Belagerung
von Herzogenbusch aufzuheben, wurde nicht erreicht. Der
Oranierprinz behielt die Nerven, wandte sich nicht den
kaiserlichen Truppen zu, sondern führte seinerseits einen
Gegenschlag: Niederländische Truppen überrumpelten die
Besatzung der Festung Wesel und nahmen diesen
strategisch wichtigen Platz ein. Seit dem niederrheinischen
Erbfolgestreit hatten die Spanier Wesel besetzt gehalten und
damit die wichtigste Verbindung zwischen dem rechten und
linken Ufer am Niederrhein kontrolliert. Obendrein diente
Wesel als unentbehrliches Versorgungslager für die an der
Ijssel stehenden spanischen Truppen. Diese zogen sich
eilends zurück, um wenigstens mit Rheinsberg die letzte
wichtige Position am Niederrhein zu sichern; der Rückzug
demoralisierte die Verteidiger Herzogenbuschs so sehr, dass
sie am 14. September kapitulierten. Johann von Nassau
musste daraufhin seine Verbände ebenfalls zurückführen,
um sie im Raum Jülich und Berg einzuquartieren. Damit war
auch der dritte Feldzug außerhalb Deutschlands gescheitert.
Die kaiserliche Macht, eben noch auf ihrem Höhepunkt,
hatte in Norditalien und den Niederlanden einen erheblichen
Prestigeverlust erlitten, und in Polen war es ihr nicht
gelungen, den schwedischen König weiter in einen lange
währenden Krieg außerhalb des Reichs zu verwickeln. Ohne
dass dies sogleich erkennbar war, wurde das Jahr 1629 zum
Wendepunkt des Krieges: Die Siegesserie der katholischen
Partei und des Kaisers war zu Ende, und auf sie sollten in
den Jahren danach schwere Niederlagen folgen.
5. Kapitel
Die Zeit der großen Schlachten: Der
schwedische Krieg

Gustav Adolfs Landung auf Usedom


Beim Sprung vom Boot aufs Land verletzte sich Gustav
Adolf leicht, jedenfalls kam er nicht sicher auf, stolperte und
stürzte zu Boden. Derlei galt als schlechtes Omen. Der König
wusste das und versuchte, aus dem Sturz eine Demutsgeste
gegenüber Gott zu machen, indem er niederkniete und
betete. [1] Dieses Ankunftsgebet auf Usedom ist in der
protestantischen Mythologie breit ausgestaltet worden:
Nicht um machtpolitischer Ziele willen habe Gustav Adolf in
den Krieg eingegriffen; vielmehr sei er ein Instrument Gottes
gewesen, damit der evangelische Glaube in Deutschland,
dem Ausgangspunkt der reformatorischen Rückkehr zum
Evangelium, nicht untergehe. Nicht als Eroberer, sondern
als Retter und Beschützer kam Gustav Adolf demzufolge
nach Deutschland, und mit der symbolischen Szene am
Strand von Usedom nahm er sich selbst in die Pflicht, dieser
Aufgabe auch zu genügen. «Dies ist der Mann, der helfen
kann», lautete eine der Formeln, mit denen Gustav Adolfs
Kniefall auf deutschem Boden betitelt wurde; damit wurde
eine eigentlich für Christus vorbehaltene Formulierung auf
den Schwedenkönig übertragen. Sein Tun wurde mit
erzählerischen und bildnerischen Mitteln geheiligt – freilich
nicht, indem man ihn, wie das bei Katholiken der Fall
gewesen wäre, mit Heiligen umgeben und seinen Kopf in
eine Gloriole gehüllt hätte; man zeigte ihn stattdessen in
unmittelbarem Kontakt mit Gott. Gustav Adolf wurde so zum
Gesandten des Herrn.
Gustav Adolf steht ganz vorn im Boot. Ein weiteres Boot mit stehendem
Fahnenträger kommt heran. Im Hintergrund ragen die Masten und Segel der
schwedischen Flotte auf. Der Historienmaler Carl Häberlin hat in seinen
Illustrationen zu Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Krieges den Augenblick
der Landung auf Usedom als weltgeschichtlichen Moment in Szene gesetzt.
«Gustav Adolf war der erste», so die von Häberlin illustrierte Passage bei Schiller,
«der hier ans Land stieg. Im Angesicht seines Gefolges kniete er nieder auf
Deutschlands Erde und dankte der Allmacht für die Erhaltung seiner Armee und
seiner Flotte.»

Es ist nicht leicht auseinanderzuhalten, was an diesen


Bildern und Erzählungen sinnstiftende Zutaten des
19. Jahrhunderts sind, als im protestantischen Teil
Deutschlands ein regelrechter Gustav-Adolf-Kult einsetzte,
und was bereits von den Zeitgenossen in diesem symbolisch
überhöhten Sinn wahrgenommen wurde. [2] Das mythische
Bild vom «Löwen aus Mitternacht», der eingreift, um seine
Glaubensbrüder zu retten und zu beschützen, war jedenfalls
zeitgenössisch. In ihm wurden die alttestamentarischen
Helden Elias oder Gideon, Josua oder Judas Makkabäus
gespiegelt. [3] Zur Selbstweihe durch das demonstrative
Gebet des Königs am Strand kam noch hinzu, dass just in
dem Moment, als die ersten Boote den König und eine
Vorausabteilung seines Heeres an Land brachten, ein
heftiges Gewitter tobte. In einer Zeit, da Kometen am
Himmel als Vorzeichen großer Ereignisse angesehen
wurden, [4] war auch ein Gewitter kein bloßes
Naturschauspiel, sondern ein Bedeutungsträger – es
kündigte eine grundlegende Veränderung im weiteren Gang
des Geschehens an.
Natürlich hat sich die schwedische Propaganda all dessen
bedient, um das Eingreifen ihres Königs in Deutschland zu
rechtfertigen, aber mehr noch geht die Stilisierung Gustav
Adolfs als Retter des Protestantismus auf Texte und Bilder
deutscher Protestanten zurück, die angesichts des
zehnjährigen Siegeszugs der katholischen Partei und unter
dem Eindruck des kaiserlichen Restitutionsedikts in großer
Furcht waren, dass die Tage des Protestantismus in
Deutschland gezählt seien. Für sie war Gustav Adolf
tatsächlich der Erlöser, auf den man so lange vergeblich
gewartet hatte, und sein anschließender Siegeszug quer
durch Deutschland bestätigte das. Was für Katholiken die
Gottesmutter Maria war, wurde für die Protestanten die
Heldenfigur Gustav Adolfs. Sie ist nicht erst eine Erfindung
des 19. Jahrhunderts, sondern wurde von vielen
Zeitgenossen bereits so wahrgenommen. So heißt es in
einem zeitgenössischen Text: «Vnd so hoch haben wirs dem
Himmlischen KriegsFürsten / Christo JEsu zu dancken / der
an vnserm Allergnädigsten Könige vnd Herrn / einen solchen
hochlöblichsten Krieges Helden der Christenheit
zugeführet / welcher an Gottesfürchtiger Muthfassung / vnd
auffmuthung seines Volcks zu frewdigem Auffzuge wieder
die Feinde / gleichen Ruhm mit Juda Maccabaeo in warheit
führet / vnd nit ein geringes Zeugniß der Göttlichen
beywohnung / vnd künfftigen guten außgangs deß Göttlichen
Ehren Wercks ist.» [5]

Es war eine eher kleine Streitmacht, mit der Gustav Adolf


am 26. Juni 1630 nach dem julianischen Kalender –
beziehungsweise am 6. Juli nach dem gregorianischen – an
der Nordwestspitze von Usedom landete, dort, wo der
Peenestrom in das offene Meer mündet. «10400 Mann
Infanterie, 2750 Reiter und 81 leichte Geschütze wurden von
der 100 Transportschiffe, 25 Kriegsschiffe und vier
bewaffnete Kauffahrer umfassenden Flotte an Land
gesetzt.» [6] Das war eine große logistische Leistung, und
doch hätten die angelandeten Truppen kaum ausgereicht,
einem entschlossenen Gegenschlag der kaiserlichen Truppen
standzuhalten, wie ihn Wallenstein gegen die Dänen bei
Wolgast geführt hatte. [7] Gustav Adolf hatte den
Landungsort bei Peenemünde freilich geschickter
ausgewählt als der dänische König Christian, der sich nicht
für eine der Küste vorgelagerte Insel, sondern für das
Festland entschieden hatte. Im letzten Fall waren die
Kaiserlichen schnell und in großer Zahl an Ort und Stelle
gewesen, um die Invasionsstreitmacht am Küstensaum zu
halten und ins Meer zurückzuwerfen. Das war auf der
Ostseeinsel Usedom so nicht möglich, denn hier mussten die
Verteidiger selbst auf die Insel übersetzen, und dabei waren
sie auf dieselbe Weise verwundbar wie die angelandeten
Schweden.
Es mag sein, dass General Torquato Conti, der die
kaiserlichen Truppen in Pommern befehligte, diese Probleme
im Auge hatte, als er auf einen unmittelbaren Schlag gegen
die auf Usedom gelandeten Schweden verzichtete, aber er
blieb auch passiv, als die Schweden ihre Basis erweiterten
und in Pommern Fuß fassten. Zwei Wochen nach der
Landung verfügte Gustav Adolf bereits über 16000 Mann
Infanterie und 3200 Kavalleristen, [8] und das war eine
Streitmacht, mit der es Conti aus eigenem Entschluss und
ohne Verstärkung nicht mehr aufnehmen konnte.
Wallenstein, der Contis Entschlusskraft hätte aufhelfen
können, hatte sich zu dieser Zeit bereits nach Memmingen
begeben, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, um
die Truppenbewegungen in Norditalien zu koordinieren. Vor
allem aber wollte er von Memmingen aus beobachten, wie
sich das Geschehen auf dem Regensburger Kurfürstentag
entwickelte. Wallenstein wusste um die ablehnende
Einstellung der Reichsstände ihm gegenüber und rechnete
damit, dass es in Regensburg auch um ihn und das von ihm
geschaffene Heer gehen würde. Er hatte somit andere
Sorgen, als sich mit Gustav Adolf und seinen Truppen zu
beschäftigen. «Der Schwed», schrieb er an Collalto, «hat
sich Rügens und Usedoms bemächtigt, die Pommern halten
alle mit ihm wie nicht weniger die Märker und Hansestädt,
Torquato [Conti] begehrt Succurs, denn er ist bei weitem
den Schweden nicht stark genug, ich kann ihm keinen Mann
schicken.» [9]
Was Wallenstein seit langem befürchtet hatte, war
nunmehr eingetreten, und er hatte zu diesem Zeitpunkt
keine Möglichkeit des Gegenhandelns: Das Gros seiner
Streitkräfte befand sich in Italien, und die im Nordosten
stehenden Truppen waren nach seiner Auffassung zu
schwach, um gegen die Schweden offensiv vorzugehen.
General Conti war sicherlich auch nicht der richtige
Kommandeur, um eine schneidige Attacke gegen das
schwedische Heer zu führen; Wallenstein gehörte schwerlich
zu denen, die solches von ihm erwarteten, war die Leitidee
der von ihm vertretenen Strategie doch, dass man am Ort
der Entscheidung kräftemäßig deutlich überlegen sein
müsse. Das aber war unter den gegebenen Bedingungen
ausgeschlossen. Also fuhr Wallenstein in dem Brief an
Collalto fort: «Bei dieser Beschaffenheit werden wir müssen
das Volk [Kriegsvolk] aus Italien abfordern und uns in
unseren Ländern defendieren, und also wird Italien verloren
werden.» [10] Das war eine ziemlich präzise Beschreibung
der nunmehr entstandenen Lage und eine treffsichere
Vorwegnahme dessen, was kommen sollte.
«Gott [hat] das Glück und die Gnade gegeben», die
Truppen des Gegners vom Landungsort fernzuhalten,
berichtete Lars Grubbe über die Landung der schwedischen
Truppen in Deutschland. Das «unverständige Commando»
des gegnerischen Befehlshabers und der Umstand, dass
dessen Truppen von «einem besonderen Schrecken» erfasst
worden seien, hätten dazu beigetragen, dass das riskante
Unternehmen reibungslos abgelaufen sei. Die Fehler und
Missgeschicke des Gegners wollte Grubbe freilich nicht als
Nachlässigkeit des Feindes gewertet wissen, sondern als ein
Zeichen dafür, dass «Gottes Segen» mit dem schwedischen
Unternehmen sei. [11] Das war für Grubbe, den Sekretär
Gustav Adolfs, der die Gedanken und Stimmungen des
Königs zu Papier brachte, eine wichtige
Selbstvergewisserung, denn ohne den Segen Gottes würde
dem Vorhaben kein dauerhafter Erfolg beschieden sein. So
aber hatte alles gut begonnen, und man konnte voll
Zuversicht in die Zukunft blicken. Jetzt kam es darauf an, die
Operationsbasis zu verbreitern und Verbündete unter den
deutschen Protestanten zu finden. Beides waren
unabdingbare Voraussetzungen für den Vorstoß ins Reich.
Die Vergewisserung, dass Gottes Segen auf dem
Unternehmen liege, kam nicht von ungefähr, denn Gustav
Adolf scheint immer wieder von Zweifeln umgetrieben
worden zu sein, ob es richtig sei, in den seit einem Jahrzehnt
andauernden Krieg in Deutschland einzugreifen, einen
Krieg, bei dem nicht abzusehen war, wann er enden würde.
Stürzte der König sich und sein Heer womöglich in ein
Abenteuer, aus dem es kein Entkommen gab? Das klägliche
Scheitern des dänischen Konkurrenten, der Schweden
eineinhalb Jahrzehnte zuvor noch eine bittere Niederlage
beigebracht hatte, war ein Warnzeichen. Allein die
Solidarität mit den unterdrückten protestantischen
Glaubensbrüdern in Deutschland konnte keine hinreichende
Begründung sein, sich auf ein derart riskantes Unterfangen
einzulassen, zumal die protestantischen Fürsten in
Deutschland wenig dafür taten, ihrer Bedrückung selbst
abzuhelfen. Ein unüberhörbarer Hilferuf jedenfalls war von
ihrer Seite an Gustav Adolf nicht ergangen. Gleichwohl
erklärte er bei seiner Abschiedsrede vor den Reichsräten in
Stockholm am 19. Mai 1630: «Da Mancher sich einbilden
mag, daß wir uns diesen Krieg ohne gegebene Ursache
aufbürden, so nehme ich Gott den Allerhöchsten, in dessen
Angesicht ich hier sitze, zum Zeugen, daß ich solches nicht
aus eigenem Gefallen oder Kriegslust unternommen,
sondern dazu seit mehreren Jahren auffallende Ursache
habe, meist darum, daß unsere unterdrückten
Religionsgenossen mögen von dem päpstlichen Joche befreit
werden, was wir auch mit Gottes Gnade hoffen ausführen zu
können.» [12] Gegenüber den Reichsräten hat der König also
seine Verbundenheit mit den unterdrückten
Glaubensbrüdern deutlich betont.
Im Umgang mit den Großen seines Reichs bediente Gustav
Adolf sich freilich handfesterer Argumente, in denen
unüberhörbar der schwedische Großmachtanspruch zum
Ausdruck kam. Dieser nämlich, so eine der zentralen
Begründungen für die Intervention in Deutschland, sei durch
den Kaiser in Frage gestellt worden: zunächst durch dessen
Anspruch auf die Vorherrschaft im Ostseeraum, was seinen
Niederschlag in dem Wallenstein verliehenen Titel eines
«Generals des Ozeanischen und Baltischen Meeres»
gefunden habe; sodann in dem von Wallenstein verfolgten
Projekt, für den Kaiser eine Kriegsflotte aufzubauen und die
Kontrolle über den Ostseehandel sowie die dort erhobenen
Zölle zu erlangen; und schließlich in der Entsendung eines
Hilfskorps nach Polen, um die katholischen Wasa zu
unterstützen. Das waren allesamt Argumente dafür, dass
Schweden sich in einer Position der defensio befand und
gegen einen mächtigen Angreifer seinen Status zu
verteidigen hatte. Die Verteidigung des Status quo war einer
der in der Theorie des Krieges geforderten gerechten
Gründe (causae iustae), die vonnöten waren, damit man von
einem gerechten Krieg (bellum iustum) sprechen konnte. [13]
Der Intervent Gustav Adolf war dieser Auffassung nach also
der Verteidiger, und der Kaiser war der Angreifer. Diese
Sichtweise stand der Situation des Sommers 1630 zwar
augenscheinlich völlig entgegen, aber sie genügte, um
Gustav Adolf vom Odium des Aggressors zu befreien, und
gegenüber der eigenen Bevölkerung diente sie dazu, den
Krieg als unvermeidlich darzustellen: Wer nicht bereit war,
sich zu verteidigen, willigte in seinen Niedergang und
schließlich in den Untergang ein.

Das Flugblatt bringt das neue Selbstbewusstsein der deutschen Protestanten nach
den militärischen Erfolgen Gustav Adolfs zum Ausdruck. Einem Jesuiten wird der
Kopf gewaschen, als Stellvertreter für den Papst – das Wappen Urbans VIII. ist an
der Seite des Thrones zu sehen – und den Kaiser, der im Untertext als Opfer
jesuitischen Machtwillens erwähnt wird: «Wir wollten tilgen Luthers Lehr», gesteht
der Jesuit, «Nuhn sitzen wir im Badt / Daß Keyserthum haben wir Regiert / Sampt
des Papstes Stuhl guberniert.» Da meint selbst der am linken Rand stehende
«Dorff Pfaff»: «Besser man jagt euch auß dem Landt.»

Die Rolle des Verteidigers – sowohl des evangelischen


Bekenntnisses als auch der schwedischen Interessen –, die
Gustav Adolf für sich in Anspruch nahm, war geeignet, alle
Zweifel an der Richtigkeit des Eingreifens zu vertreiben.
Gustav Adolf, so die Selbstsuggestion, führte den Krieg nicht
aus eigenem, freiem Entschluss, sondern weil er ihm von
anderen aufgezwungen worden war. Wenn dem König aber
gar nichts anderes übrig blieb, als in Deutschland zu
intervenieren, dann war jedes weitere Nachdenken über die
Risiken überflüssig; es gehörte zu den Herrscherpflichten
eines Königs, solche Risiken auf sich zu nehmen und mit
ihnen umzugehen. Und wenn dazu sowohl die
protestantische Solidarität als auch die genuinen Interessen
Schwedens nötigten, dann stimmten ratio conscientiae und
ratio status, Gewissenspflichten und Staatsräson, zusammen.
Gustav Adolf scheint in den Debatten im Reichstag und im
Reichsrat sowie in den Gesprächen mit seinem Kanzler Axel
Oxenstierna zu diesem Ergebnis gekommen zu sein, und auf
dem Einklang von Gewissen und Staatsinteresse gründeten
die Entschlossenheit und die Konsequenz, mit denen er nach
der Landung auf Usedom den Feldzug in Deutschland führte:
umsichtig und entschieden, keineswegs verwegen und
tollkühn, durchaus mit Respekt vor seinen kriegserfahrenen
Gegnern, aber jederzeit erfüllt von der Überzeugung, dass
Gott mit ihm sei und sein Segen auf ihm ruhe.
Die Debatte über Gustav Adolfs
Kriegsgründe
In der Literatur zu Gustav Adolf ist das Motivbündel für das
Handeln des Königs immer wieder unter der Fragestellung
betrachtet worden, welcher Aspekt für den König wohl der
entscheidende gewesen sei und welcher eher
propagandistischem Schein und politischer Täuschung
gedient habe. So hat sich der Historiker Gustav Droysen in
seiner großen zweibändigen Gustav-Adolf-Biographie von
1869/70 gegen das in Deutschland vorherrschende,
namentlich durch Heinrich von Treitschke vertretene Bild
des schwedischen Königs als Glaubensheld und Streiter für
das evangelische Bekenntnis gewandt und stattdessen die
machtpolitische Dimension in Gustav Adolfs Handeln
herausgestellt. [1] In der an Droysen anschließenden Debatte
und in Weiterführung seines Ansatzes ist daraus ein Bild
Gustav Adolfs entstanden, das ihn als rücksichtslosen
Machtpolitiker zeigt, dem es wesentlich um die Sicherung
und Ausweitung des dominium maris Baltici für Schweden
gegangen sei; das Schicksal des Protestantismus habe ihm
nur als propagandistisches Strategem gedient, um
Mitstreiter in Deutschland zu finden. [2] Eine solche Sicht
berief sich auf die 1644 abgegebene Erklärung des Kanzlers
Axel Oxenstierna: «Pommern und die Seeküste sind gleich
einer Bastion für die Krone Schwedens, und darin besteht
unsere Sicherheit gegen den Kaiser. Das war die vornehmste
Ursache, welche die selige Majestät in die Waffen
brachte.» [3] Droysen spitzte diese geostrategische
Überlegung, von Oxenstierna im Rückblick zum Hauptmotiv
des Königs erklärt, weiter zu: «Der Gegensatz zwischen
Gustav Adolf und dem Haus Habsburg beruht in der
politischen Stellung beider zu der Frage der
Ostseeherrschaft. Das ist eine rein politische Frage.» [4]
Droysens Zeitgenosse Onno Klopp hat indes in seiner
gegenüber dem Kaiser und der katholischen Sache
durchweg apologetischen Darstellung des Dreißigjährigen
Krieges Gustav Adolfs machtpolitische Seite zwar
herausgestellt, den Schwedenkönig aber nicht darauf
reduziert. Anders als die bisherigen Anführer des
Protestantismus in Deutschland – Klopp nennt den
Pfalzgrafen, Mansfeld, den Halberstädter sowie Christian IV.
von Dänemark –, bei denen «das Wort der Religion oft nur
ein Name war, dem das Thun des Privatlebens sehr wenig
entsprach», beschreibt er den Schweden als einen Mann,
der seine Glaubensüberzeugungen ernst genommen habe:
«Er huldigte nicht dem Trunke, oder einer anderen
augenfälligen niederen Leidenschaft, geeignet ihn im
Ansehen der Menschen herabzusetzen. Dagegen ging er den
Seinen voran mit dem Beispiele der Theilnahme an dem
öffentlichen Cultus. Es ward bemerkt, daß er in Stettin an
einem Morgen drei Predigten hörte. Ein solches Beispiel
mußte Wirkung thun, zumal bei seiner Persönlichkeit. […]
Ein solcher Mann zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf
sich, auch wenn er nicht König gewesen wäre. Dazu kam der
ihn umgebende Glanz der bisherigen Waffenerfolge über die
Dänen, die Russen, die Polen. Es wird gesagt, daß seine
Soldaten ihn verehrten nicht bloß wie ihren König, sondern
gleich wie ein höheres Wesen. [5] Umso wirksamer musste
sein Beispiel in Betreff der Religionsausübung sein. […]
Überhaupt gehörten in der Fürsorge der Religionsausübung
die schwedischen Kriegsartikel zu den schärfsten der ganzen
Zeit.» [6]
Nun lässt sich freilich auch die in vielen Zeugnissen
dokumentierte Religiosität und Bekenntnispraxis des Königs
als ein politisches Strategem dekonstruieren, das dem
Zweck diente, die Truppe zu disziplinieren und so ihre
Kampfkraft zu erhöhen. Auf diese Weise ist es ohne weiteres
möglich, den König immer weiter zu skelettieren, bis zuletzt
nur noch ein machtpolitisches Gerüst übrig bleibt.
Psychologisch ist das wenig plausibel, da im Handeln Gustav
Adolfs beide Aspekte eng miteinander verbunden, wenn
nicht gar zu einer einzigen Handlungsdirektive
verschmolzen waren. Das zeigt sich erst recht bei dem
dritten Motivationsstrang, der in der Forschungsliteratur als
leitend für das königliche Agieren ausgemacht worden ist.
Gemeint sind die wirtschaftspolitischen Motive des Königs:
Der Krieg sei demnach zur Festigung der ökonomischen
Position Schwedens geführt worden, wobei es nicht nur um
die fiskalische Kontrolle des Ostseehandels gegangen sei,
sondern vor allem um die Stellung Schwedens in der
europäischen Eisen- und Kupferproduktion; das Vordringen
des Kaisers bis zur Ost- und Nordseeküste habe Deutschland
dem ungarischen Kupferhandel geöffnet und damit das
schwedische Quasi-Monopol über das Kupfer in
Norddeutschland gefährdet. [7] Paradigmatisch für diese
Sichtweise ist die Gustav-Adolf-Biographie des
sozialdemokratischen Historikers Franz Mehring, der den
Schwedenkönig als devastator Germaniae bezeichnete, der
einem hemmungslosen Militarismus angehangen habe. [8]
Mehring ging es vor allem um Geschichtspolitik, also den
Gebrauch historischer Beispiele für politische Zwecke, und
in diesem Sinn wollte er dem protestantischen
Nationalkonservatismus einen seiner Heroen entreißen
beziehungsweise zeigen, dass dieser mehr ein Verwüster
denn ein Befreier Deutschlands gewesen sei. Nachdem
einige Autoren eine direkte Verbindungslinie zwischen
Gustav Adolf und den Hohenzollern in Berlin hergestellt und
Gustav Adolf gewissermaßen «borussifiziert» hatten, war
dessen Desavouierung immer auch ein Angriff auf Kaiser
Wilhelm, von dem «ein klassenbewusster Proletarier» nur
Unglück und Verderben zu erwarten habe.

Gustav II. Adolf, König von Schweden. Der um 1640 angefertigte Stich geht auf ein
Gemälde zurück, das Gustav Adolf kurz vor Beginn seiner Intervention in den
«deutschen Krieg» zeigt. Das Staatsporträt verbindet die Insignien des Herrschers
und des Feldherrn miteinander.

Deutlicher als sonst der Fall, tritt bei Franz Mehring die
geschichtspolitische Grundierung in der Beschäftigung mit
dem Schwedenkönig zutage: Man schreibt über Gustav Adolf
und hat dabei stets die Fragen und Herausforderungen der
eigenen Zeit vor Augen beziehungsweise stellt bewusst
Parallelen zwischen dem Schwedenkönig und einigen
politischen Akteuren der Gegenwart her. Diese
geschichtspolitische Nutzung Gustav Adolfs geht bis auf den
Preußenkönig Friedrich II. zurück, der mit Blick auf die
begrenzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Schwedens und
die herausragenden Leistungen seiner Armee eine
Wahlverwandtschaft zwischen sich und Gustav Adolf erkannt
hat. Einiges daran traf auf frappierende Weise zu, denn
eigentlich war Schweden im 17. Jahrhundert ebenso wenig
wie Preußen im 18. Jahrhundert ökonomisch den Aufgaben
gewachsen, die den beiden Ländern von ihren Herrschern
aufgebürdet wurden. Diese Hypertrophie militärischer
Macht im Verhältnis zu politischer, ökonomischer und
kultureller (oder ideologischer) Macht wird üblicherweise
als Militarismus bezeichnet, [9] und ganz zweifellos ist der in
diesem Sinn verstandene Militarismus ein Bindeglied
zwischen dem Aufstieg Schwedens und dem Preußens. Zu
den Bindegliedern gehört indes auch, dass keine der beiden
Mächte ihre Kriege ohne Subsidien anderer hätte führen
können. Clausewitz hat das in einer prägnanten Formel
zusammengefasst: «Gustav Adolf betrieb ein Geschäft,
welches weit die Grenzen seiner Kräfte überstieg, wie der
Kaufmann durch bloßen Kredit.» [10] Die Armee, so lässt sich
diese Formulierung weiterführen, war durch ihre
Leistungsfähigkeit der Garant des Kredits. Das ist eine
weitere Definition von Militarismus: Militarismus liegt vor,
wenn die Armee – und nur die Armee – die internationale
Kreditfähigkeit eines Landes garantiert und diese Armee
mitsamt ihren Generälen durch Dritte finanziert wird, damit
sie bestimmte Aufgaben in deren Interesse erledigt.
Werden aus dem Motivbündel Gustav Adolfs einzelne
«eigentliche» Beweggründe herausgelöst, hinter denen man
propagandistische Zwecke und eine legitimatorische
Ideologie vermutet, dient das vor allem dem
geschichtspolitischen Kampf. Es geht dabei nicht darum, der
komplexen Vorstellungswelt Gustav Adolfs gerecht zu
werden, sondern ihn als politisches Vorbild oder Schreckbild
zu präsentieren. Das Gustav-Adolf-Bild der proschwedischen
Schriften, wie es zwischen 1630 und 1633 entstanden ist,
wird dekonstruiert. Doch diese Dekonstruktion eröffnet
entgegen einer weitverbreiteten Vorstellung keineswegs den
Blick auf eine unverstellte Wirklichkeit, sondern legt nur die
Elemente frei, aus denen ein «politisches Image» geformt
worden ist. Das Bedürfnis nach geschichtspolitischen
Konstruktionen besteht unterdessen fort und will befriedigt
werden. Das zeigt sich an der Gustav-Adolf-Biographie
Günter Barudios, der den Schwedenkönig, indem er ihn als
einen Verfechter des «libertären Verfassungsstaats»
beschreibt, für die Bundesrepublik Deutschland und die
Europäische Union anschlussfähig gemacht hat. [11] Einem
solchen Vorbild kann dann nach Barudios Auffassung auch
zugesprochen werden, was unter Historikern gänzlich aus
der Mode gekommen ist: historische Größe. [12] Demnach hat
Gustav Adolf interveniert, um dem aufkommenden
Absolutismus der Habsburger Grenzen zu setzen und all
denen zu Hilfe zu kommen, die im Reich ständische Libertät
bewahren wollten. [13] Auch das ist eher Geschichtspolitik als
eine Analyse der komplexen Motivlage Gustav Adolfs.
Es sind solche geschichtspolitischen Indienstnahmen des
Königs, von seiner Ausdeutung als «Christ und Held» bis zur
Interpretation als Repräsentant des neuzeitlichen
Verfassungsstaates, die den Zugang zu Gustav Adolf so
schwer und mühsam gemacht haben. Viel besser lässt sich
das Entscheiden und Handeln des Königs nachvollziehen,
wenn man hinnimmt, dass es für ihn zwischen einer
Militärintervention, die den bedrängten Protestantismus in
Deutschland unterstützen sollte, und einer Politik der
entschlossenen Verfolgung schwedischer Interessen keinen
Widerspruch gab. Ohnehin flossen in der zeitgenössischen
Wahrnehmung politische und religiöse Motive zusammen,
und dementsprechend nahmen sich die Kontrahenten auch
gegenseitig wahr. Der sächsische Oberhofprediger Matthias
Hoë von Hoënegg warf in seiner Eröffnungspredigt zum
Leipziger Konvent der Liga und dem Kaiser vor, es gehe
ihnen um politische und religiöse Macht, und deswegen
versuchten sie, mit militärischem wie dogmatischem Druck
den Protestantismus in Deutschland zu vernichten. [14]
Zumeist wurde der Krieg als ein Strafgericht Gottes
wahrgenommen, [15] und zwar unabhängig davon, ob man ihn
wesentlich als einen Kampf zwischen Gut und Böse,
zwischen Gott und Teufel begriff, wie das die Radikalen
beider Seiten taten. [16] Der militärische Kampf ist immer
auch als eine spirituelle Auseinandersetzung angesehen
worden, [17] weswegen es wenig sinnvoll ist, im Rückblick
den geostrategisch denkenden Machtpolitiker Gustav Adolf
gegen den Glaubenskämpfer Gustav Adolf auszuspielen,
wenn man dessen Selbstverständnis und seinen
«eigentlichen» Motiven auf die Spur kommen will.
Obendrein war für den Verlauf des Krieges nicht wichtig,
welche Motive Gustav Adolf insgeheim hatte und welche er
öffentlich verbreitete; vielmehr kam es bei der Suche nach
Verbündeten darauf an, was diese potenziellen Partner über
die Gründe dachten, die Gustav Adolf zur Intervention in
Deutschland veranlasst hatten. Dabei sollte man die
potenziellen Bündnispartner des Königs weder für dumm
noch für naiv halten, indem man davon ausgeht, sie seien
der schwedischen Propaganda einfach auf den Leim
gegangen. Der Krieg dauerte bereits zu lange, und die
Propagandisten beider Seiten hatten in den zurückliegenden
Jahren ihre Instrumente schon allzu häufig eingesetzt, als
dass eine solche Annahme plausibel wäre.
Das Streben nach Neutralität: Die
Zögerlichkeit der protestantischen
Fürsten, sich den Schweden
anzuschließen
Nach seiner Landung auf Usedom blieb Gustav Adolf
zunächst auf sich allein gestellt. Die protestantischen
Fürsten im östlichen Norddeutschland hielten sich zurück
und reklamierten im Konflikt zwischen König und Kaiser
Neutralität für sich. Während der ersten Wochen war die
Hansestadt Stralsund der einzige Verbündete der Schweden,
und nur die vertriebenen Herzöge von Mecklenburg, die
nichts mehr zu verlieren hatten, schickten Gesandte ins
schwedische Lager, um Unterstützung anzubieten. Die
bestand indes in nicht mehr als gutem Willen und der
Hoffnung, Gustav Adolf werde sie, wenn er militärisch
erfolgreich sei, wieder in ihre Herzogtümer einsetzen. Alle
anderen warteten zunächst einmal ab, wie sich die Lage
entwickelte. Einige, allen voran Kurfürst Johann Georg von
Sachsen, misstrauten dem Schweden und hätten es lieber
gesehen, wenn er sich aus dem Krieg in Deutschland
herausgehalten hätte. [1] So distanziert wie der sächsische
verhielt sich der brandenburgische Kurfürst nicht;
schließlich war er der Schwager Gustav Adolfs und hatte in
den zurückliegenden Jahren mehrfach versucht, den
Schweden in den Krieg hineinzuziehen. Aber auch er wollte
zunächst abwarten, ob es dem König gelingen würde, sich in
Deutschland festzusetzen. Und so beanspruchte er ebenso
wie Herzog Bogislaw von Pommern, in dessen Gebiet die
Schweden gelandet waren, die Anerkennung der Neutralität
durch die Schweden. Genau die aber konnte und wollte
Gustav Adolf keinem von ihnen zugestehen; stattdessen
drängte er darauf, sich zu entscheiden, ob sie ihm
gegenüber «Freund oder Feind» sein wollten. [2]
Es gab eine Reihe von Gründen dafür, dass die deutschen
Fürsten zunächst einmal abwarten wollten. Nur zu deutlich
hatte man das politische Schicksal derer vor Augen, die sich
fünf Jahre zuvor auf die Seite des Dänenkönigs Christian
geschlagen hatten und in dessen Scheitern hineingerissen
worden waren. Christian selbst mochte zwar im Lübecker
Frieden glimpflich davongekommen sein, doch das galt nicht
für seine deutschen Parteigänger, die im Stich zu lassen eine
der Voraussetzungen dafür gewesen war, dass Christian
selbst so günstige Friedensbedingungen erhalten hatte. Das
kaiserliche Restitutionsedikt bedrohte zwar nahezu alle
protestantischen Landesherren mit Gebietsverlusten, was
ein guter Grund gewesen wäre, sich auf die Seite des
Schweden zu schlagen, aber die offene politische und erst
recht militärische Parteinahme gegen den Kaiser konnte
schnell, wie das Beispiel des Pfalzgrafen oder der Herzöge
von Mecklenburg zeigte, mit dem Verlust des gesamten
Herrschaftsgebiets enden. Man hatte die Stärke des
Wallenstein’schen Heeres in den letzten Jahren
kennengelernt und wusste nicht, ob Gustav Adolf dem
gewachsen sein würde. Wie, so scheinen sich die meisten
gefragt zu haben, wollte er mit seinen begrenzten
Ressourcen gegen diese gewaltige Übermacht ankommen?
Die glaubensfesten Protestanten mochten im schwedischen
König den seit langem erwarteten Befreier sehen, aber die
Fürsten und ihre Räte hatten die Kräfteverhältnisse zu
bedenken und auf dieser Grundlage Voraussagen zu machen,
wie sich der Krieg entwickeln werde. Es sprach zunächst
wenig dafür, dass es Gustav Adolf anders ergehen würde als
Christian von Dänemark.
Die jetzt einsetzende Propagandaschlacht war eine
innerprotestantische Auseinandersetzung um die Frage, ob
man Gustav Adolf eine grundlegende Wende in diesem Krieg
zutrauen könne und sich ihm anschließen solle oder ob es
ratsam sei, auf Abstand zu bleiben und zunächst einmal
abzuwarten. Die Analogien zwischen dem schwedischen
König und den großen Gestalten des Alten Testaments, die
Stilisierung Gustav Adolfs zu einem neuen Luther und
schließlich die christusähnliche Zeichnung des Königs, der
als Befreier von der Macht des Bösen gekommen sei, [3]
waren Formeln, die Mut machen sollten; sie versicherten,
dass der Schwede kein zweiter Christian sei, denn Gott
selbst sei mit ihm. Wie sehr es dabei um eine
innerprotestantische Streitfrage ging, zeigt sich an der
Parallelisierung Gustav Adolfs mit Martin Luther; der
nämlich hatte den Gebrauch von Waffengewalt im Konflikt
mit dem Papsttum abgelehnt und darauf bestanden, dass es
sich um eine Auseinandersetzung handele, die allein mit
Wort und Schrift auszutragen sei. Auf Luthers Ablehnung
von Waffengewalt berief man sich vor allem in Kursachsen.
So sah man sich ganz in der Tradition des Reformators, als
man in Dresden die Bündnisangebote des Schweden
dilatorisch behandelte und trotz des Restitutionsedikts an
einer kaisernahen und reichstreuen Politik festhielt.
Dagegen wandte sich die Darstellung Gustav Adolfs als
«neuer Luther», wie sie in einer Reihe von Predigten und
Flugschriften zu finden ist: Man sei in eine neue Etappe des
heilsgeschichtlichen Kampfes eingetreten, in der, da sich der
Antichrist in Rom bewaffnet habe, auch die Protestanten zu
den Waffen greifen und in dem großen apokalyptischen
Ringen solcherart gerüstet auf die Seite Gottes treten
müssten. [4] Die apokalyptische Grundierung brachte zum
Ausdruck, dass es um einen Kampf zwischen Gott und Teufel
ging, bei dem es keine Neutralität und kein zögerliches
Beiseitestehen geben konnte.
Die Frage, ob sich Gustav Adolf würde behaupten können,
bezog ihre Dramatik nicht nur aus dem Blick auf die realen
Kräfteverhältnisse, die im Herbst 1630 für Schweden in
Nordostdeutschland so schlecht gar nicht waren, sondern
auch aus den Enttäuschungen eines Jahrzehnts der
Niederlagen, die zu allgemeiner Niedergeschlagenheit und
fehlendem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten geführt
hatten. Gegen diesen Geist gingen die Flugschriften mit
biblischen Analogien an, in denen durch die Verheißung
eines gottgesandten Anführers die Kräfteverhältnisse
umgekehrt und die Resignation überwunden werden sollten.
Mehr noch als die Befreiung des Gottesvolkes aus der
Babylonischen Gefangenschaft wurde dabei auf die
Herausführung der Juden aus Ägypten verwiesen: [5] Es war
ein Fremder – Moses –, der kam und zum Retter des Volkes
wurde, und obwohl die Streitmacht des Pharao den
Israeliten um ein Vielfaches überlegen war, wurde sie doch
besiegt. Gustav Adolf war ein neuer Moses, den Gott den
deutschen Protestanten zu Hilfe gesandt hatte, und so hatte
man ihm zu folgen. Einmal mehr zeigt sich in dieser
Argumentation die enge Verbindung politischer und
religiöser Fragen, die den Krieg am Brennen hielt.
Nun gab es freilich neben dem sozialpsychologischen
Erfordernis neuer Zuversicht auch einen
politikorganisatorischen Handlungsbedarf: Das schwedische
Heer war zwar kriegserprobt, aber recht klein; es musste,
um den Kräften des Kaisers gewachsen zu sein, durch
Werbungen deutlich vergrößert werden. Aber wie sollte das
arme Schweden eine solche Vergrößerung finanzieren? «Die
neue Großmacht», so der Historiker Theodor Lorentzen, der
sich mit dem schwedischen Militärwesen eingehend
beschäftigt hat, «war ein Koloss mit thönernen Füssen.» [6]
Der schwedische Diplomat Johan Adler Salvius hat das auf
die griffige Formel gebracht: «Andere Völker fangen Krieg
an, weil sie reich sind, Schweden, weil es arm ist.» [7] Die
potenziellen Verbündeten konnten sich ausrechnen, dass sie
für die Kosten des schwedischen Heeres würden aufkommen
müssen, auch und gerade dann, wenn es siegreich war. Es
war daher nicht unbedingt verlockend, sich in ein Bündnis
mit Schweden zu begeben: Wenn der Feldzug scheiterte und
die Schweden sich wieder zurückziehen mussten, verfiel
man dem Strafgericht des Kaisers, und wenn die Schweden
siegten und die kaiserliche Macht zurückdrängten, würde
man die schwedische Heeresmacht für lange Zeit finanzieren
müssen, und das würde wohl teurer kommen als die
Forderungen, die der Kaiser zuletzt geltend gemacht hatte.
Also beanspruchten die pommerschen und
brandenburgischen Gesandten, die bei Gustav Adolf
auftauchten, dass der König die Neutralität ihrer Länder
respektiere.

Gustav Adolf musste seine Position auf Usedom und danach


an der Odermündung sichern und ausbauen. Er positionierte
Kriegsschiffe von Rügen bis über die Odermündung hinaus,
um zu verhindern, dass die Gegenseite über See
Verstärkungen heranführte. Die in Mecklenburg und
Vorpommern befindlichen kaiserlichen Truppen standen
unter dem Befehl des Herzogs Federigo Savelli, die in
Hinterpommern unter dem des bereits erwähnten Torquato
Conti; es lag für Gustav Adolf also nahe, Stettin zu besetzen,
so dass beide Korps, wenn sie sich vereinigen wollten, dies
nur oderaufwärts konnten. Hatte Gustav Adolf sich erst
einmal in den Besitz von Stettin gebracht, so blieb Savelli
und Conti nichts anderes übrig, als sich nach Süden
zurückzuziehen, denn mit Stettin als Rückendeckung konnte
der König den einen wie den anderen mit überlegenen
Kräften angreifen, ohne dass dem Angegriffenen das jeweils
andere Korps der Kaiserlichen zu helfen vermochte. Der
Erfolg der schwedischen Landung hing also davon ab, dass
der König Stettin zu seiner festen Basis und zu seinem
Waffenplatz machte. [8] Schon daher konnte Gustav Adolf auf
das pommersche Neutralitätsersuchen keine Rücksicht
nehmen. Als Abgesandte des Herzogs Bogislaw noch vor
Abfahrt der Flotte nach Usedom Gustav Adolf um
Respektierung der pommerschen Neutralität baten,
antwortete er ihnen, wie Gustav Droysen schreibt, er werde
allerdings «in Pommern landen, weil er keinen Platz wüßte,
wo er es mit besserem Fug und Recht thun könnte, wie hier.
Auch hätte Pommern ihm genug Ursache gegeben, es nicht
gar so höflich, sondern als Feind zu behandeln.» [9] Als
Begründung für die, wie er meinte, feindliche Haltung
Pommerns verwies er darauf, dass es Wallenstein, als dieser
bis zur Ostsee vorgedrungen war, keinen Widerstand
geleistet und auch nicht seine protestantischen
Glaubensbrüder zu Hilfe gerufen habe. Gustav Adolf wertete
das als indirekte Parteinahme für den Kaiser. Er selbst hätte
sich zwar, so erklärte der Schwedenkönig den pommerschen
Gesandten, «in den deutschen Krieg nicht mischen wollen,
so lange derselbe fern von seinen Grenzen geblieben sei und
ihm weder genützt noch geschadet habe. Da er [der Krieg]
sich aber zu seiner und der Ostsee höchster Gefahr genähert
und mitten in Pommern eingenistet, würde er die begehrte
Hülfe [um die ihn der Herzog von Pommern jedoch nicht
gebeten hatte] gewiß nicht abgeschlagen haben. Er
unternehme den Krieg nicht allein für die Restitution der
Freunde und Blutsverwandten, sondern auch und
vornehmlich seiner eigenen Versicherung halber.» [10] In
diesem Fall stellte Gustav Adolf also das politische Motiv für
sein Eingreifen heraus.
Am 10. Juli, also nur vier Tage nach der Landung auf
Usedom, erschien Gustav Adolf mit einem Teil seiner
Truppen vor Stettin und erzwang die Übergabe der Stadt.
Die pommerschen Truppen unter Oberst Damitz wurden
dem schwedischen Kommando unterstellt, und zwischen
Herzog Bogislaw und dem König wurde ein Vertrag
geschlossen, der de facto auf die Unterwerfung Pommerns
unter schwedische Oberherrschaft hinauslief: Alle zu
Pommern gehörigen Provinzen und Städte, die Gustav Adolf
bereits erobert hatte oder noch erobern würde, sollten
ausnahmslos und unentgeltlich zu Pommern gehören,
freilich unter der Voraussetzung, dass der Herzog sich
verpflichtete, kein Stück seines Landes unter fremde
Kontrolle kommen zu lassen. Außerdem dürfe er mit keiner
anderen Macht ohne Zustimmung Gustav Adolfs einen
Vertrag schließen. Zudem behielt sich der König
ausdrücklich vor, dass, sollte Bogislaw XIV. kinderlos
sterben, wovon auszugehen war, Schweden das Land in
Besitz nehme, bis die Nachfolgefrage zu seiner Zufriedenheit
geklärt sei. [11] Bogislaw hatte allen Grund, wenige Tage
nach Abschluss dieses Vertrags an den Kaiser zu schreiben,
um ihm zu versichern, er sei mit nackter Gewalt zu dieser
Vereinbarung gezwungen worden. [12] Er hielt diese
Rückversicherung für unbedingt nötig, obwohl im Vertrag
ausdrücklich festgehalten war, dass dieser nicht gegen
Kaiser und Reich gerichtet sei.
So einfach wie mit dem Pommernherzog konnte es sich
Gustav Adolf mit Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg
nicht machen: Mit ihm musste er verhandeln, und in einem
langen Gespräch mit dessen Gesandten Cuno von
Wilmersdorf am 22. Juli wies er die von diesem vorgebrachte
Bitte, die brandenburgische Neutralität zu respektieren,
entschieden zurück. Wie die Athener in dem von Thukydides
überlieferten Dialog mit den Meliern, argumentierte er, dass
es sich hier um eine Konstellation handele, in der es keine
Neutralität geben könne. Anders als die Athener berief er
sich jedoch nicht auf die Physik der Macht, sondern auf die
existenzielle Entscheidungssituation des konfessionellen
Bürgerkriegs. Gegenüber Georg Wilhelm stellte er also die
religiöse Dimension seiner Intervention heraus: «Weiß denn
Se. Lbd. [Seine Liebden] noch nicht, daß des Kaisers und der
Seinigen Intent sei, nicht eher aufzuhören, bis die
evangelische Religion im Reiche ganz ausgerottet werde,
und daß Se. Lbd. sich nicht Anderes zu versehen haben, als
daß Sie werden gezwungen werden, entweder Ihre Religion
zu verleugnen oder Ihre Lande zu verlassen? Meinen Sie,
daß Sie mit Bitten und Flehen ein Anderes erlangen werden?
Um Gottes willen bedenken Sie sich doch ein wenig und
fassen mascula consilia [mannhafte Beschlüsse]. Sie sehen
hier, wie wunderbarlich Gott diesen frommen Herrn, den
Herzog in Pommern, welcher auch so unschuldiger Weise –
indem er gar nichts verwirkt, sondern nur sein Bier in Ruhe
getrunken hat – so jämmerlich um das Seine gebracht
worden ist, fato quodam necessario [durch eine
gewissermaßen erzwungene Fügung] – denn er wohl
gemußt – errettet hat, daß er sich mit mir verglichen [indem
er mit mir einen Vergleich geschlossen hat]. Was derselbe
fato [durch Fügung] gethan, das mag Se. Lbd. deliberato
consilio [aus wohlbedachtem Ratschluss] thun. – Ich kann
nicht wiederum zurück: jacta est alea; transivimus
Rubiconem [der Würfel ist gefallen, wir haben den Rubicon
überschritten]. Ich suche in diesem Werke nicht das Meine,
ganz keinen Gewinn, als die Sicherheit meines Königreiches:
sonsten habe ich nichts davon als Unkosten, Mühe, Arbeit
und Gefahr Leibes und Lebens.» [13]
Die Sicherheit Schwedens und die Verteidigung des
protestantischen Bekenntnisses in Deutschland stehen in
Gustav Adolfs Argumentation also eng beieinander; sie sind
kein Widerspruch, sie bilden eine Einheit. Die Alternative,
wie sie sich in Gustav Adolfs Augen darstellte, lief darauf
hinaus, entweder für seine Sache entschlossen einzutreten
und dafür zu kämpfen oder sich zum Spielball des Schicksals
zu machen und daran zugrunde zu gehen. Gustav Adolfs
Argumentation war ein Generalangriff auf die
Unentschlossenheit und den mangelnden Mut der
protestantischen Fürsten in Deutschland, und hinter dem
Spott auf den biertrinkenden Bogislaw verbarg sich der auf
den mindestens ebenso trinkfesten Johann Georg von
Sachsen. Der nämlich weigerte sich beharrlich, Partei zu
ergreifen und sich dem Schwedenkönig anzuschließen, und
solange der Sachse nicht auf die schwedische Seite
überwechselte, würden das auch viele andere
protestantische Fürsten nicht tun. Diesen mitleidigen bis
verachtungsvollen Blick auf die protestantischen Fürsten hat
Gustav Adolf bis zuletzt behalten. Es gab für ihn nur wenige
Ausnahmen.
Georg Wilhelm gehörte nicht zu diesen Ausnahmen, und so
setzte Gustav Adolf dessen Gesandten Wilmersdorf weiter
unter Druck: «Ich will von keiner Neutralität etwas wissen
noch hören. Der Kurfürst muß Freund oder Feind sein. Wenn
ich an seine Grenze komme: so muß er kalt oder warm sich
erklären. Hier streiten Gott und der Teufel. Will der Kurfürst
es mit Gott halten, wohl, so trete er zu mir: will er es lieber
mit dem Teufel halten, so muß er zuvor mit mir fechten,
tertium non dabitur [ein Drittes wird es nicht geben]: das
seid gewis. Das überbringt ihm.» [14] Es ging Gustav Adolf
dabei um die Festungen in Brandenburg, vor allem um
Spandau und Küstrin, durch deren Kontrolle er seine
Operationsbasis erheblich ausweiten konnte. Wenn sich der
Kurfürst schon nicht offen an seine Seite stellen wolle, «so
gebt mir Euere Festungen, so will ich euch vertheidigen, und
euer Herr mag dann verharren in seiner Thatlosigkeit, die er
so sehr liebt». [15]
Sein Herr, so Wilmersdorf dagegen, sei ein Freund des
Friedens, und augenblicklich sei die Chance darauf durch
die Einberufung eines Kurfürstentags nach Regensburg
besonders günstig; dort könne über alle Beschwernisse
gesprochen werden, um Abhilfe zu schaffen. Werde der
Krieg hingegen von neuem entfacht, so würden dadurch nur
«Land und Leute verdorben». Daraufhin Gustav Adolf: Wenn
die durch den Kaiser Vertriebenen wieder in ihr Land
zurückdürften, die durch den Kaiser Enteigneten ihren
Besitz zurückerhielten, den Ständen die überkommenen
Freiheiten gelassen würden und auch das Königreich
Schweden vom Kaiser nichts zu befürchten habe, so könne
er, Gustav Adolf, sich mit dem Frieden anfreunden. Freilich
bedürfe er auf dem Weg dorthin einiger Sicherheiten – worin
die wohl bestehen könnten: «Was meint Ihr, Papier und
Tinte?» [16] Wilmersdorf beharrte darauf, dass schriftliche
Zusicherungen genügen müssten, während Gustav Adolf
unter den «Gewisheiten und Cautionen», von denen er
sprach, die brandenburgischen Festungen meinte. So
trennte man sich, ohne eine Verständigung erreicht zu
haben. Der König und seine Interventionsarmee blieben
zunächst auf sich allein gestellt. Hätten die Kaiserlichen in
dieser Situation unter Zusammenziehung aller verfügbaren
Kräfte die Schweden angegriffen, hätten diese sich
schwerlich in Deutschland halten können. Dass sie es nicht
taten, hatte wesentlich mit den Vorgängen auf dem
Regensburger Kurfürstentag zu tun.
Wallensteins Entlassung
Der neue Mainzer Erzbischof Anselm Casimir Wambolt von
Umstadt hatte in seiner Eigenschaft als Erzkanzler des
Reichs auf den 3. Juni 1630 zu einem Kurfürstentag nach
Regensburg geladen. Am 13. Juni traf Kaiser Ferdinand II.
mit großem Gefolge ein, am 3. Juli wurde die Versammlung
eröffnet. Das war, gemessen an Früherem, nur eine kleine
Verspätung, was zeigt, dass die Mehrheit der Versammelten
ein großes Interesse an dem Regensburger Treffen hatte. Es
gab viel zu besprechen und einiges zu regeln. Das Problem
dabei war, dass der Kaiser und die Kurfürsten mit
unterschiedlichen Agenden und gegensätzlichen
Erwartungen nach Regensburg gekommen waren. Die
beiden protestantischen Kurfürsten, der Sachse und der
Brandenburger, erschienen aus Protest gegen das
kaiserliche Restitutionsedikt nicht persönlich, sondern
hatten Gesandtschaften geschickt, denen aufgetragen war,
gegen das Edikt zu protestieren und Koalitionen gegen seine
Durchführung zu schmieden. Sie hatten damit keinen Erfolg:
Das Restitutionsedikt war mithin das Einzige, was den
Kurfürstentag unbeschadet überstand. Das lag auch daran,
dass die katholische Mehrheit zwar einige Bedenken wegen
der politischen Folgen des Edikts hatte, an seiner
Rücknahme aber nicht wirklich interessiert war – einige aus
religionspolitischen Gründen, andere eher aus egoistischen
Motiven, weil sie darauf setzten, dass bei der Restitution
auch für sie etwas abfallen würde.
Mehr als alles andere lag dem Kaiser, der in den letzten
Jahren deutlich gealtert und zunehmend kränklich war, die
Wahl seines Sohnes zum Römischen König, also zu seinem
Nachfolger, am Herzen. [1] Dann gab es da die offene Frage
der Nebenkriegsschauplätze, über die er sich mit den
Kurfürsten beraten wollte, und die von diesen
Nebenkriegsschauplätzen ausgehende Bedrohung des
Friedens im Reich: Im Blick hatte er dabei vor allem die ewig
unruhigen Generalstaaten und ihre Versuche, Friedrich V.
sein Pfälzer Fürstentum zurückzugeben; sodann die
Angriffspläne des schwedischen Königs, die bei Eröffnung
des Kurfürstentags bereits realisiert waren; und schließlich
das aus kaiserlicher Sicht aggressive Vorgehen Frankreichs
und Venedigs im Erbfolgestreit von Mantua. Im Reich jedoch
herrschte zurzeit Frieden, und diesen Frieden wollte
Ferdinand, wie er versicherte, zu einem umfassenden
Frieden in Europa ausweiten. Aber wie? Der Kaiser hatte
einen erneuten Feldzug gegen die Niederlande im Sinn, der
dieses Mal mit stärkeren Kräften als zuletzt durchgeführt
werden sollte, um den Niederländern den Krieg so nahe zu
bringen, dass sie bereit waren, Frieden zu schließen. Auch
gegen Frankreich musste man, wenn es sich weiterhin in die
mantuanische Angelegenheit einmischte, mit kriegerischen
Mitteln vorgehen, und gegen Schweden war dies nicht
weniger erforderlich, nachdem am 8. April bereits
schwedische Truppen von Stralsund nach Rügen übergesetzt
und die dort stehenden kaiserlichen Truppen von der Insel
vertrieben hatten. Das alles zusammengenommen hieß, dass
an eine Abdankung der kaiserlichen Truppen, wie sie von
der Liga, namentlich einigen Kurfürsten, mehrfach gefordert
wurde, nicht zu denken war. Die Abdankung des Heeres
konnte nach Abschluss eines Universalfriedens ins Werk
gesetzt werden; jetzt aber brauchte man das Heer noch. Das
war die Sicht des Kaisers und seiner Berater.
Die katholischen Kurfürsten sahen das völlig anders. Für
sie war der wichtigste Punkt die Reduzierung des Heeres,
die Beendigung der Kontributionen, die zu dessen
Finanzierung erhoben wurden, und schließlich der Wechsel
im Kommando des kaiserlichen Heeres, also die Entlassung
Wallensteins. Wallenstein war für die katholischen
Kurfürsten und die ihnen folgenden Reichsstände zum
Inbegriff all dessen geworden, was in den letzten Jahren
falsch gelaufen war. Folglich musste er weg. Die
Nebenkriegsschauplätze interessierten die Kurfürsten
dagegen nicht sonderlich, schließlich hatte der Kaiser sie
gegen ihren Rat eröffnet, und im Reich herrschte ja Frieden.
Also brauchte man diese riesige Armee nicht länger. Und am
wenigsten brauchte man ihren eigenwilligen
Oberbefehlshaber, der hinter all dem steckte, was die
Kurfürsten jetzt ändern wollten. Was für den Kaiser die Wahl
seines Sohnes zum Römischen König war, war für die
Kurfürsten die Absetzung Wallensteins.
Wallenstein verhielt sich auffällig zurückhaltend, um nicht
zu sagen passiv. Weder versuchte er, persönlich Kontakt zu
den Kurfürsten aufzunehmen, noch bemühte er sich darum,
seine Wertschätzung bei den kaiserlichen Räten in Wien
sicherzustellen. [2] In der Literatur ist darum vermutet
worden, Wallenstein sei im Frühjahr und Sommer 1630 zu
erschöpft und niedergeschlagen gewesen, um sich ernstlich
seiner drohenden Absetzung entgegenzustellen. [3] Dafür
waren weniger die Stimmungsschwankungen verantwortlich,
denen Wallenstein seit jeher unterlag, sondern eine Lage,
von der er nicht mehr wusste, wie er sie in den Griff
bekommen sollte: Die Kurfürsten standen in notorischer
Opposition zu ihm, und er sah keine Möglichkeit, den
Gesprächsfaden mit ihnen wieder aufzunehmen. Der Kaiser
hatte sich mit dem Erlass des Restitutionsedikts und dem
Engagement in der mantuanischen Erbfolgekrise seinen,
Wallensteins, nachdrücklichen Einreden widersetzt und das
Reich in eine, wie der Generalissimus meinte,
Überforderung hineinmanövriert, die inzwischen bedrohliche
Züge angenommen hatte. Und auch das Heer, auf dem
Wallensteins Machtstellung beruhte, befand sich in einer
Krise, weil unsicher war, wie die Finanzierung künftig
aussehen sollte, und weil die Truppen auf
Nebenkriegsschauplätze aufgeteilt waren, so dass sie sich
nicht mehr uneingeschränkt in seiner Hand befanden. Man
kann Wallensteins Verhalten im Juli und August 1630 auch
so deuten, dass er geradezu auf seine Entlassung gewartet
habe und diese für ihn, als sie erfolgte, eine Befreiung von
der untragbar gewordenen Bürde gewesen sei. Die
Bereitwilligkeit, mit der er seine Absetzung als
Oberkommandierender des kaiserlichen Heeres hinnahm,
spricht jedenfalls dafür. Gleichzeitig steht sie dem
Wallenstein-Bild entgegen, wonach der Herzog von
Friedland und Mecklenburg von grenzenlosem Machtstreben
und großer Habgier getrieben gewesen sei.
Wallenstein verzichtete also darauf, sich nach Regensburg
zu begeben, um durch seine Präsenz die drohende
Entwicklung aufzuhalten. Stattdessen schlug er sein
Hauptquartier in dem mehr als 100 Kilometer entfernten
Memmingen auf, wo er im Palast der Fugger Quartier nahm.
Da ihn, wie üblich, seine 600 Mann starke Leibgarde
begleitete, wurde das Memminger Hauptquartier von
einigen in Regensburg als Drohgebärde gegenüber dem
Kurfürstentag wahrgenommen. [4] Tatsächlich jedoch entglitt
Wallenstein zu dieser Zeit der Gang der Dinge mehr und
mehr: Auf die Operationen in Italien hatte er so gut wie
keinen Einfluss, die Generäle im Nordosten, die gegen die
Schweden kämpfen sollten, forderten Verstärkungen an, die
er ihnen kurzfristig nicht geben konnte, und auch der
Kurfürstentag in Regensburg nahm einen Verlauf, den der
Herzog nicht zu kontrollieren vermochte. Das Hauptquartier
in Memmingen war der Abglanz einer Macht, die realiter
nicht mehr vorhanden war.

Die Schwäche Wallensteins war zugleich die Schwäche des


Kaisers. In der Erwartung, dass er auf diese Weise die Wahl
seines Sohnes zum Römischen König sicherstellen könne,
opferte er Wallenstein und willigte am 13. August in dessen
Entlassung ein. Indem er Wallenstein entließ, gab er jedoch
ein entscheidendes Mittel aus der Hand. Ferdinand verfügte
zwar nach wie vor über das Heer, aber das war zerstreut
und auf unterschiedlichen Kriegsschauplätzen gebunden, als
Machtinstrument im Innern war es also nicht einzusetzen.
Außerdem fehlte mit Wallenstein der Wille, der diese Kräfte
zu einer einheitlichen Macht geformt hatte. So begann vom
Tag der Entlassung Wallensteins an der Zerfall der Armee.
Dass das Heer um die Hälfte reduziert werden müsse, war
eine der Forderungen, die die Kurfürsten in Regensburg
durchsetzen wollten. Mit der Absetzung Wallensteins begann
die Heeresreduzierung von selbst. Mit einem Schlag stand
der Kaiser mit leeren Händen da. Er hatte nichts mehr,
womit er die Kurfürsten unter Druck setzen oder aber
ködern konnte, und so wurde er zwangsläufig zum großen
Verlierer des Kurfürstentags. [5] Sein wichtigstes Ziel, die
Wahl eines Nachfolgers, um im Falle eines überraschenden
Todes ein Interregnum zu vermeiden, erreichte er nicht, und
auch für seine außenpolitischen Projekte in Italien und den
Niederlanden erhielt er keinerlei Unterstützung. Mit der sich
schnell entwickelnden schwedischen Machtposition in
Pommern befasste man sich in Regensburg nur am Rande.
Die einen unterschätzten die Herausforderung durch Gustav
Adolf, die anderen wollten sich mit ihr nicht befassen, weil
jede Beschäftigung damit ihr Hauptziel, die Entlassung
Wallensteins und die Reduzierung der Armee, durchkreuzt
hätte. Den Niedergang der kaiserlichen Macht hatten nicht
Gustav Adolf und das schwedische Heer eingeleitet, sondern
die katholischen Kurfürsten mit ihrem Widerstand gegen
eine starke Stellung des Kaisers im Reich. [6]
Der Regensburger Kurfürstentag von 1630 war indes nicht
nur aus dem Reich beschickt worden, sondern es waren auch
Gesandte aus den Ländern gekommen, mit denen es einen
Konflikt gab. Der Kurfürstentag wurde dabei zu einem
Triumph Frankreichs und zu einem Desaster für Spanien.
Man kann das auf das größere Geschick Père Josephs beim
Verhandeln und Intrigieren zurückführen, muss dann aber
hinzufügen, dass der Kopf der französischen Delegation es
erheblich leichter hatte als die Spanier, deren Interessen
eng mit denen des Kaisers verknüpft waren. Dagegen
stimmte die von Père Joseph verfolgte Linie weitgehend mit
den Verhandlungszielen der katholischen Kurfürsten
überein. Der Sieg der Kurfürsten war insofern auch der Sieg
Frankreichs, und die Niederlage des Kaisers wurde zur
Niederlage Spaniens. [7] Das begann mit der unterbliebenen
Wahl des Kaisersohns zum Römischen König, auf die
Spanien gesetzt hatte, während aus der französischen
Delegation gestreut wurde, es sei eigentlich an der Zeit,
wieder einmal einen Wittelsbacher, also den bayerischen
Kurfürsten Maximilian, zum Kaiser zu wählen, und es endete
damit, dass der Kaiser die mit der Intervention in den
mantuanischen Erbfolgestreit verfolgten Ziele restlos
aufgeben musste. [8] An ein Eingreifen in den Niederlanden
war unter diesen Umständen nicht mehr zu denken, zumal
nach der Landung Gustav Adolfs abzusehen war, dass die
verfügbaren Streitkräfte vollständig gegen die Schweden
eingesetzt werden mussten. Die dem Kaiser zugeschriebene,
aber nicht belegte Äußerung über die schwedische
Intervention – «Da haben wir eben ein feinderl mehr» [9] –
brachte die Stimmung in Regensburg durchaus zum
Ausdruck; die aber änderte sich schnell nach der
Beendigung des Kurfürstentags.
Konsolidierung der schwedischen Position
in Mecklenburg und Pommern
«Gustav Adolf war kein systematischer Staatsmann, wie
Richelieu, der die neuen Ordnungen, die er der Welt
auferlegen wollte, sich von Anfang an ausrechnete und in
festem Zusammenhang vor seinem geistigen Auge hielt, er
war ein wagender Kriegsmann, der, erfüllt von dem
unbedingten Recht seiner Sache und seines Gebots, die
Forderungen, die er stellte, nach den wechselnden
Gelegenheiten und Vermittlungen einrichtete.» [1] Moriz
Ritters prägnante Charakterisierung des Kardinals und des
Königs ist dahingehend zu ergänzen, dass Richelieu durch
die Stärke und den Reichtum Frankreichs auch die
Ressourcen zur Verfügung standen, ohne die sich eine
langfristig angelegte systematische Politik nicht betreiben
ließ, während Gustav Adolf diese Voraussetzungen fehlten:
Aufgrund der begrenzten Kräfte Schwedens war er zu einem
pragmatischen Vorgehen gezwungen, bei dem er von Fall zu
Fall entschied, welchen Schritt er als nächsten machte, und
dabei reagierte er mehr auf die sich bietenden
Gelegenheiten, als dass er einem von Anfang an
feststehenden Plan folgte. Das sollte auch nach seinem
großen Sieg bei Breitenfeld so bleiben. Das macht es
unmöglich, belastbare Aussagen darüber zu machen, welche
Ziele Gustav Adolf verfolgen wollte, als er nach der Landung
auf Usedom seine Operationsbasis an den Mündungsarmen
der Oder konsolidierte und mit Stettin als Zentrum eine feste
Basis in Pommern errichtete. Zuvor, als er sich selbst als
Bündnispartner des Dänen Christian ins Gespräch gebracht
hatte, war ein Vorstoß parallel zur Oder nach Schlesien
geplant gewesen, um von dort aus in unterschiedlichen
Richtungen gegen die kaiserlichen Erblande operieren zu
können. Ein solches Vorgehen hatte freilich zur
Voraussetzung, dass die rechte schwedische Flanke durch
einen starken Bündnispartner gedeckt wurde, der es mit
dem im Nordwesten Deutschlands stehenden Heer der Liga
unter Tilly aufnehmen konnte. Einen solchen Bündnispartner
hatte Gustav Adolf im Sommer 1630 nicht, und er war auch
trotz der sich abzeichnenden Verträge mit dem Landgrafen
Wilhelm von Hessen-Kassel, der reichen und mächtigen
Hansestadt Magdeburg sowie Herzog Franz Karl von
Sachsen-Lauenburg nicht in Sicht. An einen Vorstoß nach
Schlesien war zunächst also nicht zu denken.
Hinzu kamen die gravierenden Versorgungsprobleme, mit
denen das schwedische Heer seit seiner Landung auf
Usedom zu kämpfen hatte. Auf der seit Mitte April
schwedisch kontrollierten Insel Rügen waren entgegen der
Anordnung des Königs keine Versorgungsdepots angelegt
worden, aus Schweden traf Verpflegung nur in sehr
geringen Mengen ein, und aus Preußen, wo Oxenstierna die
Kontrolle hatte, kamen so gut wie keine Verstärkungen und
auch kein Geld. Gustav Adolfs wütende Briefe konnten daran
nichts ändern. Auch die eingespielte schwedische
Kriegsmaschine lief zunächst leer. Zwar hatte der König bis
Ende August die pommersche Küste östlich der Oder unter
seine Herrschaft gebracht, aber Pommern war ein durch die
Einquartierungen Wallensteins wirtschaftlich ausgepresstes
Land, aus dem sich die schwedische Armee nicht versorgen
ließ. [2] In der Folge schwand die Disziplin der Soldaten, und
im Land breitete sich eine antischwedische Stimmung aus.
In einem Brief an Oxenstierna schrieb Lars Grubbe, im Heer
herrsche mehr Zuchtlosigkeit, als dies bei der Söldnerarmee
Mansfelds der Fall gewesen sei. Das war sicherlich
übertrieben, aber in jedem Fall war es ein schlechtes
Zeichen.
Da weit ausgreifende Operationen unter diesen
Umständen nicht in Frage kamen, konzentrierte sich Gustav
Adolf darauf, seine Position zu festigen. [3] Die Passivität der
kaiserlichen Kommandeure kam ihm dabei zugute; sie hatten
sich bei Gartz und Greifenhagen festgesetzt, um den
erwarteten Vorstoß der Schweden entlang der Oder zu
blockieren. Nachdem er bis auf Kolberg und Greifswald alle
größeren Städte in seine Hand bekommen hatte, entschloss
sich Gustav Adolf, nach Mecklenburg vorzustoßen. Mehr
noch als strategische Überlegungen dürfte dabei die
Heeresversorgung eine Rolle gespielt haben, denn
Mecklenburg war nicht durch die jahrelange Einquartierung
von Truppen ausgesogen, sondern hatte unter der kurzen
Herrschaft Wallensteins als Versorgungszentrum der
kaiserlichen Truppen eine wirtschaftliche Blüte erlebt. Hier
konnten sich die Schweden holen, was sie brauchten, um zu
überwintern. Für den Vorstoß nach Mecklenburg hatte
Gustav Adolf jedoch nur eine kleine Streitmacht von
4000 Fußsoldaten und 1500 Reitern zur Verfügung. An die
Einnahme Rostocks, das anfängliche Ziel des Unternehmens,
war damit nicht zu denken. Immerhin drang Gustav Adolf bis
Ribnitz vor und besetzte die Stadt. Ein weiterer Vorstoß kam
nicht in Frage, da Herzog Franz Karl von Lauenburg, der im
Westen eine kleine Armee gesammelt hatte und die Stadt
Ratzeburg zu seinem Waffenplatz machen wollte, von einem
Armeekorps der Liga unter Graf Pappenheim geschlagen
worden war. Von ihm war keine Unterstützung zu erwarten.
Im Gegenteil: Gustav Adolf musste damit rechnen, dass sich
Pappenheim in Rostock mit den kaiserlichen Truppen unter
Savelli verbinden und ihn von dort aus mit überlegenen
Kräften angreifen würde. Zum Glück der Schweden tat
Pappenheim das nicht, sondern zog sich, nachdem er die
Truppen des Lauenburgers zerstreut hatte, wieder über die
Elbe zurück. Selbst der tatkräftigste und sonst durchweg
risikobereite Heerführer der katholischen Seite agierte zu
dieser Zeit ausgesprochen vorsichtig und zurückhaltend.
Es waren somit zwei Erfahrungen, die Gustav Adolf
während der ersten Monate in Deutschland machte: die
Zögerlichkeit der protestantischen Fürsten, sich ihm
anzuschließen und gemeinsam mit ihm den Krieg zur
Verteidigung des Protestantismus zu führen, und der
Umstand, dass mit der Ausweitung der eigenen Machtbasis
die Stärke seiner für Offensivoperationen einsetzbaren
Truppen kontinuierlich zurückging. Clausewitz hat das als
das «Gesetz der abnehmenden Kraft des Angriffs»
bezeichnet. [4] Dieses Gesetz gilt grundsätzlich, wirkt sich im
jeweiligen Fall aber unterschiedlich aus. Im Prinzip war
Gustav Adolf davon auch bei seinen Feldzügen im Baltikum
und in Preußen betroffen, doch blieb hier der Anteil der
durch Festungs- und Garnisonsdienst immobilisierten
Truppen im Verhältnis zum Feldheer sehr viel geringer als
auf dem deutschen Kriegsschauplatz. Das hatte mit der
Stärke des Gegners zu tun und mit dessen Fähigkeit, in die
Operationsbasis der anderen Seite einzubrechen, aber auch
mit der Dichte der Festungen, die man besetzt halten
musste, um den Gegner an einem solchen Einbruch zu
hindern. Diese Erfahrung hatte auch Wallenstein gemacht,
was diejenigen, die an der Größe seiner Armee Kritik übten,
zumeist übersahen: Mindestens die Hälfte der Truppen war
unbeweglich, ein anderer Teil war auf
Nebenkriegsschauplätzen eingesetzt, so dass man dort, wo
man die Schlacht suchte, oft nur ein Viertel des
Gesamtheeres zur Verfügung hatte. Das unterschied das
inzwischen erreichte «Niveau» des Krieges von dessen
Anfangsjahren, als sehr viel weniger Kapazitäten zu
Sicherungszwecken immobilisiert werden mussten. Die
Folge dieser strategischen Entwicklung war, dass der Krieg
immer aufwendiger und teurer wurde. Gustav Adolf
brauchte eine sehr viel größere Armee als ursprünglich
geplant, um zu einer wirksamen Offensivkriegführung in der
Lage zu sein. Die Vergrößerung des Heeres aber war nur
durch neue umfassende Werbungen oder durch starke
Verbündete möglich.
Neben dem Herzog von Lauenburg, der sich ihm schon
früh angeschlossen hatte, dessen Truppen jedoch durch
Pappenheim zerschlagen worden waren, [5] kamen für
Bündnisse, wie gesagt, nur die Landgrafschaft Hessen-
Kassel, die große und reiche Stadt Magdeburg sowie die
Herzöge von Sachsen-Weimar in Frage: Die Kasseler
Landgrafen hatten von Kriegsbeginn an unter den
protestantischen Fürsten zu den aktiven gehört, Magdeburg
besaß seit dem 16. Jahrhundert eine Tradition, entschieden
für das lutherische Bekenntnis einzutreten, und von den
Weimarer Herzögen hatten einige seit Anfang des Krieges in
den protestantischen Heeren Dienst getan. [6] Das Beispiel
des Lauenburgers zeigte jedoch, dass es nicht ratsam war,
sich zu früh als Verbündeter der Schweden zu erkennen zu
geben – jedenfalls so lange ein militärisches
Zusammenwirken mit den Truppen Gustav Adolfs noch nicht
möglich war, weil man sonst mit der Übermacht der
kaiserlichen und ligistischen Streitkräfte konfrontiert
worden wäre, gegen die man für sich allein keine Chance
gehabt hätte. Die Folge war, dass Gustav Adolf eine ganze
Reihe von «stillen», aber keine offenen Verbündete hatte.
Magdeburg war die einzige Ausnahme. Sobald er stark
genug war, würden sich diese stillen Verbündeten ihm
anschließen und offen auf seine Seite treten. Bis dahin aber
mussten sie sich zurückhalten, um sich nicht zum Ziel
ligistisch-kaiserlicher Attacken zu machen. Wie der Fall von
Magdeburg zeigt, für das die frühzeitige Parteinahme im
Untergang endete, war diese Basisdirektive richtig. [7]
Die beiden protestantischen Fürsten, die ein
Militärbündnis mit den Schweden hätten abschließen
können, ohne dass sie sogleich von einer kaiserlich-
ligistischen Übermacht niederzuwerfen waren, die
Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, trafen sich zwar
Anfang September auf Schloss Zabelitz und verständigten
sich über Maßnahmen zum Widerstand gegen das
kaiserliche Restitutionsedikt, aber dabei hielten sie an der
bisherigen Linie fest, der deutsche Protestantismus solle
einen eigenen, von Schweden unabhängigen Weg gehen.
Man beschloss (wogegen sich der sächsische Kurfürst bis
dahin gesperrt hatte), eine Versammlung der evangelischen
Reichsstände einzuberufen, auf der beraten werden sollte,
welche Richtung man zwischen dem Kaiser und dem
schwedischen König einschlagen wollte. [8]

Die Absicht, einen Konvent der protestantischen Stände für


Januar oder Februar 1631 nach Leipzig auszuschreiben,
löste umgehend hektische diplomatische Betriebsamkeit aus.
Schließlich kündigte sich darin das Wiedererstarken einer
protestantischen Partei an, die dieses Mal unter der Führung
Kursachsens stehen würde, das bis dahin eine weitgehend
kaisertreue Linie verfolgt hatte. [9] In Absprache mit dem
Mainzer Kurfürsten ließ Landgraf Georg von Hessen-
Darmstadt seinen Kanzler Wolf den Entwurf für einen neuen
Religionsfrieden in Deutschland ausarbeiten. Er stellte eine
Revision des kaiserlichen Restitutionsedikts in Aussicht und
war damit hinreichend attraktiv, um den sächsischen
Kurfürsten und die ihm anhängenden Reichsstände davon
abzuhalten, gegenüber dem Kaiser weiter auf Distanz zu
gehen. Auch wenn die katholischen Kurfürsten von einer
Rücknahme des Restitutionsedikts wenig angetan waren,
verständigte man sich doch auf eine für Februar 1631
anberaumte Versammlung in Frankfurt, wo die katholischen
und die protestantischen Stände einen Versuch machen
wollten, sich über die Religionsverfassung im Reich zu
einigen. [10] Bis dahin sollten alle Restitutionsakte ausgesetzt
werden. Das war die erste politische Maßnahme der
katholischen Seite gegen einen wachsenden Einfluss
Schwedens auf den deutschen Protestantismus. Man wollte
Zeit gewinnen.
Die Landung Gustav Adolfs hatte, ohne dass es bisher zu
größeren militärischen Auseinandersetzungen gekommen
war, die politischen Konstellationen in Deutschland
grundlegend verändert. Sachsen und Brandenburg, die auf
dem Höhepunkt der Wallenstein’schen Machtentfaltung
politisch vernachlässigbare Größen im Spiel der Mächte
dargestellt hatten, erlangten neue Bedeutung, und die Liga
war bereit, ihnen entgegenzukommen, damit sie nicht ins
schwedische Lager überwechselten. Sie waren die
politischen Profiteure der schwedischen Intervention, und
wenngleich Johann Georg offiziell eine Friedensregelung in
Deutschland ohne Einbezug der Schweden anstrebte und die
Überzeugung vertrat, das schwedische Eingreifen stehe der
von ihm gewünschten «innerreichischen» Regelung
entgegen, dürfte ihm doch klar gewesen sein, dass er ohne
den Vorstoß Gustav Adolfs das politische Leichtgewicht
geblieben wäre, zu dem er durch die militärischen Erfolge
Wallensteins geworden war. Er musste darum die jetzt
entstandene Konstellation ausnutzen, um sich als politischen
Faktor wieder ins Spiel zu bringen. Mehr als das kaiserliche
Restitutionsedikt dürfte also die günstige Ausgangslage für
ihn den Ausschlag gegeben haben, einen Konvent der
protestantischen Stände nach Leipzig einzuberufen. Dabei
mögen es Informationen über die diplomatischen
Anstrengungen Gustav Adolfs gewesen sein, eine
protestantische Allianz unter schwedischer Führung zu
bilden, die Johann Georg zu einer Eile veranlassten, wie er
sie sonst eher selten zeigte.
Sachsen war durch die schwedische Präsenz in
Deutschland politisch aufgewertet worden, aber es musste
jetzt auch Führungsfähigkeit zeigen, um von den Schweden
nicht an die Wand gespielt zu werden. Wie die schwedische
Führungsrolle aussehen konnte, zeigte die am 21. November
1630 geschlossene «Eventualkonföderation» zwischen
Gustav Adolf und Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel.
Dabei wurde «eine unverhohlen gegen den Kaiser gerichtete
Offensivallianz» [11] für den Fall vereinbart, dass die
Schweden ihre Position in Deutschland ausbauen und zu
einer entschiedeneren Kriegführung übergehen würden.
Auch wenn es sich im Kern um ein Militärbündnis handelte,
so hatte dieses doch politische Zielsetzungen, und die liefen
– mit Moriz Ritters Worten – auf die «Vernichtung der
katholischen Gegenreformation hinaus, wie sie ihren letzten
Ausdruck im Restitutionsedikt gefunden hatte, Sturz der
kaiserlichen Militärdiktatur mit all ihren Bedrückungen und
mit allen sonstigen Einschränkungen reichsständischer
Selbstherrlichkeit, Herstellung endlich der durch den Kaiser
gestürzten oder in Besitz und Rechten beschränkten
Reichsstände, alles unter den drei Schlagworten
‹evangelische Religionsfreiheit, deutsche Freiheit und
Restitution›» [12].
Das war ein deutlich radikaleres Projekt als das von
Johann Georg verfolgte des politischen Ausgleichs, und es
war klar, dass dieses Vorhaben nicht auf diplomatischem,
sondern nur auf militärischem Wege durchzusetzen war. Mit
der schwedischen Intervention war der Protestantismus
nicht nur als politische Größe wieder im Spiel, sondern er
verfügte auch wieder über zwei alternative Perspektiven.
Das Problem dabei war, dass Kursachsen seine neuerlangte
Verhandlungsposition nicht aus eigener Kraft besaß,
sondern ein politischer Kostgänger der Schweden war:
Würden diese nämlich aus Deutschland herausgedrängt, was
Johann Georg im Grundsatz ja wollte, so würde auch die
Option eines Ausgleichs wieder verschwinden. Kursachsen
war zwischen beiden Optionen hin- und hergerissen, und
dementsprechend wechselhaft war die sächsische Politik.
An der Politik Johann Georgs, des Kurfürsten von Sachsen, scheiden sich die
Geister – von den Zeitgenossen bis zu heutigen Historikern: Man kann in ihm
einen opportunistischen Zauderer sehen, der stets auf seinen Vorteil bedacht war,
oder aber einen vorausschauenden Politiker, der jede weitere Eskalation des
Krieges vermeiden wollte. «Scopus vitae meae Christus» lautet die Umschrift des
Porträts: Das Ziel meines Lebens ist Christus. Der Stich von Anselm van Hulle
zeigt Johann Georg in der Schlussphase des Krieges.

Das zeigte sich auch im Verlauf des Leipziger Konvents. Am


16. Februar wurde die Versammlung eröffnet, kam aber
nicht recht voran, weil einige protestantische Reichsstände
die Aufstellung einer protestantischen Bundesarmee im Sinn
hatten, die nach dem Vorbild der Liga-Armee einheitlich
geführt werden sollte. Man wollte zwar kein Bündnis mit den
Schweden eingehen, aber von ihnen als bewaffneter Akteur
ernst genommen und als gleichberechtigter
Verhandlungspartner wahrgenommen werden. Dazu war
kein Reichsstand für sich allein in der Lage. Im Status der
bewaffneten Neutralität und bei politisch geschlossenem
Auftreten durfte man bessere Verhandlungsergebnisse
erwarten, als wenn man einzeln mit dem schwedischen
König Abkommen traf, in denen man zuletzt dann doch, wie
das auch für Hessen-Kassel galt, die schwedische
Oberhoheit anerkennen musste. Die Präferenz für das
gemeinsame Auftreten war sicherlich nachvollziehbar –
wenn man denn bereit war, mit den Schweden überhaupt ein
Bündnis zu schließen, und genau das traf auf Kursachsen
nicht zu. Johann Georg hatte den Konvent einberufen, um
«durch diese Demonstration protestantischer Einheit und
durch die Drohung, militärisch aufzurüsten, den Kaiser zu
beeindrucken und zum Einlenken in der leidigen
Restitutionsangelegenheit zu bewegen» [13]. Wie es nach
dem Konvent weitergehen sollte, hatte der Kurfürst
offengelassen. Das war neben der Abhängigkeit von der
schwedischen Präsenz die zweite Schwäche der sächsischen
Position: dass Sachsen nicht in der Lage war, längerfristige
Projekte zu entwerfen, weil es dabei offenbart hätte, dass es
auf wackeligen Füßen stand.
«In Gefahr und höchster Not / bringt der Mittelweg den
Tod.» [14] Dieser später vielzitierte Aphorismus des
schlesischen Dichters Friedrich von Logau dürfte unter
anderem auch auf die sächsische Politik eines mittleren
Wegs bezogen gewesen sein, der Logau ablehnend
gegenüberstand. Es gibt, so die Aussage seines Sinnspruchs,
Situationen, in denen man sich für das eine oder das andere
entscheiden muss und der sonst als «golden» apostrophierte
Mittelweg unmittelbar ins Verderben führt. Über lange Zeit
war es dem Kurfürsten gelungen, durch seine Politik eines
Mittelwegs zwischen den Parteien den Krieg von Sachsen
fernzuhalten und das Land dennoch durch den Zugewinn der
beiden Lausitzen zu einem Profiteur des Krieges zu machen.
Das verband ihn mit Maximilian von Bayern, dem dasselbe
bis in die frühen 1630er Jahre gelungen war. Für beide sollte
sich das jetzt ändern. Sachsen und Bayern wurden nun zum
Operationsgebiet für die Heere beider Seiten und blieben es
bis zum Kriegsende. [15] Die Option eines Mittelwegs gab es
nur noch dem Anschein nach, und wo einer der Kurfürsten
dennoch versuchte, einen solchen Mittelweg zu gehen,
scheiterte er. Die Grammatik der politischen
Entscheidungen wurde, wie Gustav Adolf dies dem Herrn
von Wilmersdorf nahezubringen versucht hatte, [16] durch die
schwedische Intervention auf eine Ordnung des Binären
umgestellt, bei der man sich entweder als Freund oder als
Feind zu erklären hatte, es ein «Weder-noch» oder «Sowohl-
als-auch» im Sinne von Entscheidungsvermeidung nicht
mehr gab beziehungsweise die kriegführenden Mächte dafür
sorgten, dass es nicht mehr geltend gemacht werden konnte.
Dass es sich dabei um einen prinzipiellen Wandel der
politischen Konstellationen und nicht etwa um eine
Ungeschicklichkeit der sächsischen Politik handelte, zeigt
sich darin, dass der bayerische Kurfürst Maximilian, der eine
ähnliche, in den Einzelzielen freilich entgegengesetzte
Politik verfolgte wie Johann Georg, ebenso scheiterte wie
dieser. Beide erkannten die Gefahren, die aus dem
wachsenden Einfluss äußerer Akteure auf einen
Friedensschluss im Reich resultierte, wobei Maximilian als
Bedrohung vor allem Spanien, Johann Georg hingegen
Schweden im Auge hatte. Während Johann Georg
ausländische Hilfe ablehnte, auch die des Schwedenkönigs,
versuchte Maximilian die Rivalität der Bourbonen mit den
Habsburgern auszunutzen, um seine eigenen politischen
Handlungsspielräume zu vergrößern. [17] Er wollte der
spanischen Gefahr durch das Ausspielen der «französischen
Karte» begegnen und, wie die britische Historikerin
Wedgwood es formuliert hat, «das Reich vom Einfluss einer
ausländischen Macht durch Herbeirufung einer anderen
befreien». [18] Infolgedessen gewann Richelieu zunehmend
Einfluss auf die deutschen Angelegenheiten, und der
bayerische Kurfürst geriet in dasselbe Verhältnis zu
Frankreich wie der sächsische zu Schweden: Für einige Zeit
ging man Bündnisse miteinander ein und kämpfte gegen
gemeinsame Feinde, aber dann geriet man wieder auf
Konfrontationskurs und führte Krieg gegeneinander. So
scheiterten beide, Bayern und Sachsen, als sie auf
unterschiedlichen Wegen versuchten, dasselbe Ziel zu
erreichen.
War eine alternative Entwicklung vorstellbar? Ja, wenn
Kaiser Ferdinand auf dem Kurfürstentag von 1630 nicht nur
Wallenstein, sondern auch das Restitutionsedikt zu opfern
bereit gewesen wäre. Mit der Entlassung Wallensteins hatte
das Spiel mit der «französischen Karte», die von den in der
Liga verbündeten Kurfürsten immer wieder eingesetzt
worden war, seine politische Bedeutung verloren; mit dem
Verzicht auf das Restitutionsedikt hätte sich die Anlehnung
vieler Protestanten an Gustav Adolf erübrigt, und der
schwedische König hätte in Deutschland kaum Verbündete
gefunden. Ferdinand war bereit, mit Wallenstein den Mann
aufzugeben, der ihn erst auf die Höhe der Macht gebracht
hatte, aber unter keinen Umständen wollte er auf das
Projekt verzichten, das zur idée directrice seiner Herrschaft
geworden war: die Durchsetzung der Gegenreformation in
Deutschland. «Er war», so Wedgwoods resümierendes Urteil
über Ferdinand, «kein Politiker, sondern der Führer eines
Kreuzzuges, und er hätte ebensogut Christus verleugnen wie
das Restitutionsedikt aufgeben können.» [19]
Der politische Nutznießer von Ferdinands Unnachgiebigkeit
war Gustav Adolf. Nach dem Abschluss der
«Eventualkonföderation» mit Hessen-Kassel und zuvor des
Bündnisvertrags mit Magdeburg, wo ein Aufruhr den zu
vorsichtigem Abwarten neigenden Rat der Stadt zum Pakt
mit Schweden gezwungen hatte, [20] wurde in dem am
23. Januar 1631 geschlossenen Vertrag von Bärwalde die
schwedisch-französische Kooperation in eine verlässliche
Form gebracht: Frankreich verpflichtete sich, jährlich
400000 Reichstaler zu zahlen, wenn Schweden 30000 Mann
Infanterie und 6000 Mann Kavallerie gegen den Kaiser ins
Feld führte. [21] Für die bislang geleisteten Dienste gegen
den Kaiser wurden weitere 120000 Taler ausgezahlt. Die
Verhandlungen hatten mehrfach zu scheitern gedroht, wobei
nicht inhaltliche Differenzen, sondern formale Fragen das
Problem darstellten: Wer von den beiden Königen sollte als
Erster genannt werden? Es ging um die Frage der
Präzedenz, die symbolisch für Vorrang und Nachordnung
stand. Der französische Verhandlungsführer Charnacé hatte
ganz selbstverständlich Ludwig XIII. an die erste Stelle
gesetzt, was Gustav II. Adolf nicht akzeptieren konnte, hätte
dies doch so ausgesehen, als sei er der Erfüllungsgehilfe
Frankreichs. Schließlich einigte man sich darauf, dass in
dem schwedischen Vertrag der französische und in dem
französischen Vertrag der schwedische König zuerst
genannt wurden. Gustav Adolf konnte es noch so an Geld
mangeln – die Gleichrangigkeit beider Könige musste zum
Ausdruck gebracht werden. Da sich bald darauf auch die
Generalstaaten verpflichteten, Schweden mit eben den
monatlichen Zahlungen zu unterstützen, die sie in der
Vergangenheit an Christian IV. geleistet hatten, waren die
drängendsten Finanzierungsprobleme vorerst beseitigt, und
Gustav Adolf konnte sich auf den Aufbau seines Heeres und
die Pläne für den Feldzug des Jahres 1631 konzentrieren.
Schon Ende 1630 handelte es sich bei dem, was gemeinhin
als «das schwedische Heer» bezeichnet wird, keineswegs
mehr um eine nationalschwedische Truppe; von den
42000 Mann, die dem König zur Verfügung standen, [22]
dürften etwa die Hälfte Schweden und die andere Hälfte in
Deutschland und andernorts unter Vertrag genommene
Söldner gewesen sein. Vor allem in Schottland und England
wurden Infanterieregimenter geworben, wobei man
diejenigen, die bereits für Christian IV. in Deutschland
gekämpft hatten, wieder auffüllte und in schwedische
Dienste übernahm. Unter ihnen befand sich auch das
Regiment von Robert Monro, das sich bei der Verteidigung
Stralsunds hervorgetan hatte. Es wurde aus Preußen, wohin
es zeitweilig verlegt worden war, nach Hinterpommern
verschifft und beteiligte sich dort am Kampf um die Festung
Kolberg, die, ebenso wie Greifswald, weiterhin in
kaiserlicher Hand war. [23]
Diese beiden stark befestigten Städte mussten
eingeschlossen werden, um die Besatzungen daran zu
hindern, im Rücken der schwedischen Truppen zu operieren;
dadurch waren die Offensivkräfte des Königs stark
eingeschränkt. Kolberg kapitulierte im März 1631,
Greifswald leistete noch bis Juni Widerstand. Greifenhagen
und Gartz, die kaiserlichen Sperrpositionen an der Oder, die
den Vorstoß der Schweden nach Süden blockieren sollten,
waren bereits Ende Dezember 1630 gefallen, woraufhin sich
die Truppen des Kaisers in die Oderfestung Frankfurt
zurückzogen, um dort ihr Winterquartier einzurichten.
Gustav Adolf dachte freilich nicht daran, den bisherigen
Kriegsgepflogenheiten gemäß die Truppen im Spätherbst
Winterquartiere beziehen zu lassen, [24] sondern setzte den
Krieg im Winter fort, wobei ihm die Vertrautheit der
nationalschwedischen Einheiten mit Eis und Schnee
zugutekam. In Greifenhagen und Gartz hatte er so die
kaiserlichen Truppen überrumpelt, die es sich in ihren
Quartieren bequem gemacht und nicht mit einem
schwedischen Angriff gerechnet hatten. Es waren leichte
Siege, die Gustav Adolf im Winter 1630/31 errang.
Die schnellen Erfolge machten Gustav Adolf zuversichtlich,
dass der Krieg für ihn so weitergehen werde. «Wir haben in
diesem Lande», schrieb er am 22. Januar 1631 aus Bärwalde
an den Reichsrat in Stockholm, «durch Gottes Gnade einen
guten Fuß und sedem belli [wörtlich Sitz des Krieges; eine
feste Position] gefaßt, welche dergestalt beschaffen ist, daß
uns nach menschlichem Ermessen der Feind so leicht nicht
daraus drängen soll.» [25] Was Gustav Adolf dabei falsch
einschätzte, war die zeitliche Begrenztheit der Vorteile, die
ihm aus der unklaren Führungs- und Befehlsstruktur der
Gegenseite nach der Entlassung Wallensteins erwuchsen.
Der hatte sich, nachdem ihm der Regensburger Beschluss
übermittelt worden war, umstandslos in die Lage gefügt und
war nach Gitschin, seiner böhmischen Residenz,
aufgebrochen. [26] Von dort aus kommunizierte er zwar
weiterhin mit einigen der höheren Offiziere, doch er gab
keine Anweisungen mehr und erteilte keine Befehle, sondern
erörterte die politische und militärische Lage. Wallenstein
hatte die Position eines kommentierenden Beobachters
eingenommen.
Ganz sang- und klanglos ging Wallensteins Verschwinden
von der Spitze des Heeres jedoch nicht vonstatten. Schon
bald nach seiner Abreise aus Memmingen brach das
Finanzierungssystem des Heeres zusammen – die Kredite
flossen nicht mehr, nachdem Hans de Witte sich das Leben
genommen hatte. Zwar ließ Wallenstein das kaiserliche Heer
weiterhin aus seinen Vorratsspeichern und Waffenfabriken
in Friedland beliefern, aber nur noch, wenn man das
Gelieferte auch bezahlen konnte. War das nicht der Fall,
gingen die Produkte auf die Märkte – vor allem Hamburg
hatte hier eine zentrale Stellung – und wurden an diejenigen
verkauft, die dafür zu zahlen in der Lage waren. Wallenstein
wechselte von der Rolle des Heeresorganisators in die eines
Unternehmers zurück, der vom Krieg profitierte. Mit
Heeressabotage, die man ihm unterstellt hat, [27] hatte das
wenig zu tun. Wallenstein wurde nur wieder der, der er vor
1625 gewesen war: einer, der Geschäfte machte. Die Folge
war, dass die Versorgung der kaiserlichen Truppen
kollabierte. Als Tilly, der neue Oberkommandierende des
ligistischen und kaiserlichen Heeres, im Januar 1631 die in
Frankfurt an der Oder liegenden Truppen inspizierte, [28]
schrieb er an Trauttmansdorff in Wien, «daß ich die Tag
meines Lebens khein Armada gesehen, deren alle
nothwendige Requisita von grösserstem bis zum geringsten
auf einmal totaliter abgehen, […] kein Geld noch Proviant
vorhanden, dass ich gegen den Feindt, wie gern ich
gleichsamb wolte, nichts furchtbarlichs tentiren khan,
sondern muess alle Occasiones wieder meinen Willen
vergebens hingehen lassen. Unnd verwundert mich über
dass zum höchsten, dass die armen Soldaten bei ihrer so
grossen Bedürftigkheit so lange geplieben seindt.» [29]
Solche Beschreibungen hatten sicherlich auch die
Aufgabe, in Wien deutlich zu machen, dass mit einem
schnellen Sieg über Gustav Adolf vorerst nicht zu rechnen
war: Mit derart heruntergekommenen Truppen ließ sich
nichts Entscheidendes bewerkstelligen. Dennoch ist es
unangebracht, Tilly Untätigkeit vorzuhalten, wie Gustav
Droysen das getan hat, [30] und den alten Haudegen mit
Zauderern wie Conti und Savelli auf eine Stufe zu stellen,
oder auch mit Schauenburg, der inzwischen die kaiserlichen
Truppen an der Oder befehligte. Es ist richtig, dass
Pappenheim, inzwischen Feldmarschall, ein schnelles und
entschlossenes Vorgehen gegen Gustav Adolf forderte und
Tilly drängte, endlich die Initiative zu ergreifen. Aber
Pappenheim war nicht nur für seine Initiative und seinen
Wagemut, sondern auch für seinen Leichtsinn und seine
Ungeduld bekannt, weshalb es zwischen ihm und Tilly immer
wieder zu Auseinandersetzungen kam. Tilly soll zwar
mehrfach erklärt haben, «daß er nur deshalb länger leben
wolle, um mit ihm, Gustav Adolf, auf Leben und Tod zu
kämpfen» [31], doch unter Bedingungen, bei denen er von
vornherein im Nachteil war, wollte er den Kampf nicht
wagen. Nachdem er sich einen Eindruck von den an der
Oder stehenden kaiserlichen Regimentern verschafft hatte,
soll er, so berichtete Oberst Hebron an Oxenstierna, «sehr
melancholisch und malcontent [übellaunig]» gewesen sein
und erklärt haben: «Das ist kein Volk [Kriegsvolk], die
Schweden damit zu schlagen; mit diesem Volk kann ich
meine Reputation, die ich solange erhalten habe, nicht
hazardieren.» [32]
Gustav Adolfs Heer
Angesichts des geringen Widerstands, auf den er bis dahin
gestoßen war, entwickelte Gustav Adolf für das Kriegsjahr
1631 große Pläne: Bis zum Frühjahr wollte er nicht weniger
als 80000 Soldaten zusätzlich zur Verfügung haben, um mit
fünf Armeen Kaiser und Liga anzugreifen. Die Last des
Krieges – also die Finanzierung dieses gewaltigen Heeres –
sollte in die kaiserlichen Erblande getragen und auf die
«päpstliche Klerisei» abgewälzt werden: Der Krieg sollte
fortan den Krieg ernähren. [1] Aber ein solcher Vorstoß
musste auf der rechten Flanke, also gegen Niedersachsen,
wo starke kaiserliche Kräfte standen, gedeckt werden, und
deswegen hatte der König eine Aufstellung gewählt, bei der
eine durchgehende Front von der Weser bis an die polnische
Grenze gebildet wurde. Die erste der fünf Armeen, die unter
der persönlichen Führung des Königs stand, die sogenannte
Royalarmee, sollte in einer Stärke von 42000 Mann die Basis
der schwedischen Kriegführung schützen, also Vorpommern
und Mecklenburg sowie die Ostseeküste. Die zweite und die
dritte Armee unter Gustav Horn und Maximilian Teuffel
sollten sich im Raum Stettin und in Hinterpommern
sammeln, die Oder kontrollieren, sich der Mark
Brandenburg bemächtigen und nach Schlesien eindringen.
Für diese beiden Armeen war eine Stärke von zusammen
46000 Mann vorgesehen. Die vierte Armee, 10000 Mann
stark, sollte bei Magdeburg aufgestellt werden, die Elbe
unter Kontrolle bringen und in Verbindung mit der
Hauptarmee des Königs die Kurfürsten von Brandenburg
und von Sachsen dazu bringen, in ein offizielles Bündnis mit
Gustav Adolf einzutreten. Eine fünfte Armee schließlich,
deren Kern 10000 englische und schottische Söldner
bildeten, sollte in wohlgesinnten Städten wie Bremen,
Braunschweig und Hildesheim aufgestellt werden. Vier
Regimenter Infanterie und 1000 Reiter unter Oberst Leslie
sollten zu ihnen stoßen und eine feste Stellung an der Weser
beziehen. [2]
Ein solch rasanter Aufwuchs des Heeres war kaum
möglich, ohne dass sich unter den eilends angeworbenen
Söldnern auch solche befanden, die Militär und Krieg als
Freibrief begriffen, um zu rauben und zu morden. Gustav
Adolf setzte jedoch darauf, von der Bevölkerung als Freund
und Beschützer – und nicht als Feind und Eroberer –
wahrgenommen zu werden, und deswegen erließ er ein
strenges Reglement für das Verhalten der Soldaten in den
besetzten Gebieten. Außer einer Lagerstatt sowie Essig und
Salz durften sie von dem Wirt, in dessen Haus sie
untergebracht waren, nichts verlangen. Nur gegen
Barzahlung oder einen Berechtigungsschein sollten
Offizieren, Soldaten und Marketendern der Armee Nahrung
und Pferde gestellt werden. Jede Erpressung und
Gewaltandrohung sollte streng geahndet werden. [3] So
jedenfalls stellte es sich der König vor.
Die Realität indes sah anders aus. Schweden konnte trotz
erheblicher Steuer- und Abgabenerhöhungen die
erforderlichen Summen zum Unterhalt des Heeres nicht
aufbringen. Am 18. Juli 1631 schrieb Gustav Adolf an seinen
Kanzler Oxenstierna aus dem Lager von Werben, er müsse
«einzig ex rapto [aus Geraubtem], zum Schaden und
Verderben all unserer Nachbarn, den Krieg führen […] – was
bis auf diese Stunde continuiret – so dass wir nichts haben,
die Leute damit zu conteniren, ausser was sie selbst mit
unleidlichem Plündern und Rauben usurpiren». [4] Und in
einem weiteren Brief an den Kanzler schrieb er, alle,
Offiziere wie Soldaten, hätten darauf vertraut, dass
Oxenstierna einen größeren Geldbetrag transferieren werde.
«Nebst dieser Hoffnung haben wir nur Kommissbrot zu
ihrem [der Soldaten] Unterhalte gehabt, was wir von den
Städten erpresst; allein nun hat auch das ein Ende. Mit den
Reitern, die sich nicht damit begnügen wollten, hat man
keine Ordnung halten können; sie leben bloß von
unordentlichem und ungebührlichem Plündern. Einer hat
dadurch den andern ruinirt, so dass nichts mehr zu fangen
[zu erlangen] ist, weder für sie [die Kavalleristen] noch die
Soldaten in den Städten und auf dem Lande.» [5]
Der Erfolg bei der Anwerbung von Söldnern hing davon
ab, wieviel Vertrauen sie in die Zahlungsfähigkeit des
Kriegsherrn hatten. In dieser Hinsicht hatte Gustav Adolf
Glück, denn durch den Zusammenbruch des
Wallenstein’schen Finanzierungssystems und die Auflösung
seines Heeres waren viele Soldaten aus kaiserlichen
Diensten ausgeschieden und auf der Suche nach neuen
Beschäftigungsverhältnissen. Die französischen und
niederländischen Subsidien verschafften den Schweden die
Möglichkeit, diese Männer in Dienst zu nehmen. So kam
Gustav Adolf Ende des Jahres 1630 auf eine Heeresstärke
von 76600 Mann. Zusammen mit den im Sommer 1631 auf
die schwedische Seite gewechselten kursächsischen
Truppen sowie den Einheiten Kurbrandenburgs, die im
Verband des sächsischen Heeres kämpften, verfügte er Ende
1631 über eine Streitmacht von nahezu 100000 Mann. [6] Die
Folge war, dass der relative Anteil der nationalschwedischen
Soldaten im Heer des Königs immer geringer wurde, so dass
sich das Heer in seiner Zusammensetzung schon bald nicht
mehr von den anderen Heeren unterschied, die auf dem
deutschen Kriegsschauplatz eingesetzt wurden. [7] Trotz aller
Strenge, mit der Gustav Adolf zunächst den Gepflogenheiten
der Söldner entgegentrat, hatte er damit auf Dauer keinen
größeren Erfolg als Wallenstein. Die Aufrechterhaltung der
Disziplin und die Rücksichtnahme der Soldaten auf die
Bevölkerung waren mehr eine Frage der verfügbaren
Geldmittel als des Willens der Männer an der Spitze des
Heeres.
Trotz des beträchtlichen Aufwuchses des Heeres war es
weit davon entfernt, in fünf Armeen aufgespalten werden zu
können, um eine Front von der Weser bis zur Warthe zu
bilden und sich mit unaufhaltsamer Macht nach Süden zu
bewegen. Der skeptische Oxenstierna, der für die
Geldbeschaffung zuständig war und um die finanziellen
Möglichkeiten Schwedens wusste, hatte, als Gustav Adolf
ihm seine Vorstellungen mitteilte, umgehend einen
alternativen Kriegsplan entworfen, der deutlich
bescheidener ausfiel. Letzten Endes musste sich der doch
realistisch denkende König daran orientieren. In einem
Schreiben an Gustav Adolf hob Oxenstierna hervor, «daß
eine feste und geordnete Vertheidigung dessen, was man
inne habe, das rechte Fundament des Krieges und die
bequemste Offensive wäre. Darum müsse man vor Allem
dafür sorgen, das zu behalten, was man jetzt habe, und wenn
sich günstige Gelegenheit darbiete, Frieden machen.
Jedenfalls aber sollte man die Pommer’sche Garnison von
der Armee trennen und sie nicht mit zur Action verwenden;
dann würde Gustaf Adolf, wenn die Feldtruppen abzögen,
alle Plätze und Pässe sicher in seiner Hand behalten.» [8]
Anstelle der bedingungslosen Offensive, wie sie Gustav
Adolf vorschwebte, bevorzugte Oxenstierna eine
strategische Defensive, aus der heraus offensive
Operationen unternommen werden konnten; außerdem
setzte er für den Frieden nicht umstandslos einen
grundlegenden Sieg voraus. Oxenstierna wollte sich
durchaus mit einem Verhandlungsfrieden begnügen, wenn
dieser zu günstigen Bedingungen für Schweden zu haben
war. Trotz dieser gegensätzlichen Auffassungen
funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Gustav Adolf
und Axel Oxenstierna sehr gut. Sie ergänzten sich
vorzüglich – nicht zuletzt deshalb, weil Gustav Adolf bereit
war, in entscheidenden Situationen auf seinen Kanzler zu
hören. [9]

Das war auch beim Kriegsplan für 1631 der Fall:


Oxenstierna schlug vor, 11400 Mann zur Sicherung der
Festungen und festen Plätze in Pommern zurückzuhalten
und das Feldheer in zwei Armeen zu teilen: [10] Die größere
unter Führung des Königs sollte 27 Regimenter mit etwa
30000 Mann umfassen und die Aufgabe haben, dem
konzentrierten Gegenstoß der kaiserlichen und ligistischen
Truppen, mit dem Oxenstierna rechnete, entschlossen
entgegenzuwirken. Dabei sollte sie auch in der Lage sein,
eine große Schlacht zu schlagen (was dann bei Breitenfeld
der Fall war). Die zweite Armee unter dem Oberbefehl von
Gustav Horn, [11] bestehend aus 12 Regimentern mit knapp
14000 Mann, sollte den Oderraum sichern und, falls sich die
Möglichkeit dazu bot, nach Schlesien vorstoßen.
Gustav Adolf wollte es für den Winter 1630/31 nicht bei
dem Erfolg von Greifenhagen und Gartz bewenden lassen,
sondern die Initiative behalten, bevor mit einsetzendem
Tauwetter die Wege unpassierbar wurden, was größere
Truppenbewegungen unmöglich machte. Sein Ziel war
Demmin, ein gut befestigter Platz an einer strategisch
zentralen Position zwischen Pommern und Mecklenburg, den
Lars Grubbe in einem seiner Berichte als «durch Arbeit und
Natur so fortificiert» beschrieb, «daß er nicht leicht zu
erobern». «Vor der Stadt ist ein kleines Schloß und ein
starker Thurm, der mitten im Morast liegt und die
Umgegend beherrscht.» [12] Ohne schwere, mauerbrechende
Kanonen war hier nichts zu erreichen, und Gustav Adolf
erteilte Lennart Torstensson den Auftrag, diese Geschütze
auf den zugefrorenen Wegen heranzuführen. Tilly wiederum,
der die Operationsführung auf kaiserlich-ligistischer Seite
übernommen hatte, gab Savelli den Befehl, Demmin
mindestens drei Wochen zu halten; bis dahin wollte er mit
den in der Oderfestung Frankfurt stehenden Truppen zum
Entsatz herangeeilt sein. [13]
Das Kriegsjahr 1631 sollte zu einem Jahr des Ringens
zwischen Gustav Adolf und Tilly werden, und Demmin war
dabei die erste Etappe. Sie ging an den schwedischen König:
Bereits nach dreitägiger Belagerung war Savelli bereit, die
Stadt aufzugeben, wenn man ihm freien Abzug gewährte.
Gegen das Versprechen, drei Monate lang in Pommern und
Mecklenburg nicht gegen den König zu kämpfen, zog er ab
und überließ die Stadt mit Vorrat und Munition sowie der
dortigen Artillerie den Schweden. «Wäre der Gouverneur,
der Herzog von Savelli», so der Schotte Monro, «so tapfer
gewesen wie jene, die er befehligte, hätte er angesichts der
Jahreszeit und der Lage in der Stadt diese einen Monat
länger halten können, so daß er nach unserer Einschätzung
kein guter Soldat war, zumal er wußte, daß ihn sein General
[Tilly] hätte entsetzen können.» [14]
Tilly hatte seine Truppen aus ihren Winterquartieren
geholt und eine Streitmacht von 12000 bis 15000 Mann
zusammengezogen. Er suchte nun nach einem
Schwachpunkt in den schwedischen Positionen, an dem er
ansetzen konnte, um dem König die erste größere Schlappe
zuzufügen. [15] Gustav Adolf ging davon aus, dass Tilly bei
Prenzlau, Neubrandenburg oder Ribnitz zuschlagen könnte,
und traf entsprechende Verteidigungsmaßnahmen. Tilly
hatte den Vorteil, sich den Ort des Angriffs aussuchen zu
können, und Gustav Adolf musste darauf reagieren. Der
sonst so draufgängerische König agierte vorsichtig und
zurückhaltend, weil er sich nicht von einem bis dahin
ungeschlagenen Heerführer zu einer großen Schlacht
zwingen lassen wollte. Wer von beiden den ersten großen
Sieg errang, würde dadurch Reputationsvorteile haben, die
sich auf lange Zeit nicht mehr ausgleichen ließen. Während
Gustav Adolf seine Streitkräfte breit aufgestellt hatte, um
seine Positionen zu verteidigen, konnte Tilly seine
Streitkräfte konzentrieren; er war also dort, wo er angriff,
kräftemäßig überlegen. Tilly entschied sich für
Neubrandenburg. Gustav Adolf wollte Dodo von
Knyphausen, der dort mit 750 Mann postiert war, die
Anweisung geben, nach einem gewissen Widerstand
Verhandlungen anzubieten und dabei entweder freien Abzug
herauszuhandeln oder in Gefangenschaft zu gehen. Auf
keinen Fall aber solle er damit rechnen, dass ihm der König
zu Hilfe kommen und Neubrandenburg entsetzen werde.
Doch der Reiter, der diese Anweisung überbringen sollte,
kam nie bei Knyphausen an; er wurde von kroatischen
Soldaten abgefangen. [16]
Dodo von Knyphausen hatte kein Glück: Bei Höchst und
Stadtlohn hatte er auf der Seite der Verlierer gestanden, und
nach der Schlacht von Stadtlohn hatte Christian von
Braunschweig ihn wegen des frühen Auseinanderfallens
seiner Einheit gar zum Tode verurteilen wollen; jetzt musste
er eine Stadt verteidigen, die mit den zur Verfügung
stehenden Kräften nicht zu verteidigen war. [17] Demmin war
für Gustav Adolf die strategisch entscheidende
Verteidigungsposition, Neubrandenburg nur ein
vorgeschobener Posten, an dem Tilly so lange aufgehalten
werden sollte, bis das einsetzende Tauwetter weitere
Operationen unmöglich machte. Zwischenzeitlich wollte
Gustav Adolf in Odernähe gegen Schwedt und Angermünde
operieren, so dass Landsberg und Frankfurt bedroht
schienen und Tilly sich dadurch veranlasst sah, diesen
wichtigen Plätzen zu Hilfe zu kommen.
Generalmajor Knyphausen wusste von alldem nichts und
wies Tillys Aufforderung, sich zu ergeben beziehungsweise
in Kapitulationsverhandlungen einzutreten, dreimal zurück –
beim letzten Mal mit der Bemerkung, «er werde sich bis auf
den letzten Mann halten». [18] Aber da war schon eine
Bresche in die Stadtmauer geschossen, und der Sturm stand
kurz bevor. Jetzt erst, so berichtet Monro, schickte
Knyphausen einen Offizier mit Trommler zur Bresche, um
Verhandlungen aufzunehmen, doch dieses Angebot fand
keine Beachtung mehr. Der Parlamentär und sein Trommler
wurden bei dem Angriff auf die Bresche getötet, ebenso alle
Soldaten, die in diesem Bereich eingesetzt waren. «Da man
ihnen ‹Quartier› verweigert hatte», so Monro, also eine
Kapitulation nicht mehr annahm, «kämpften sie alle tapfer
bis zum letzten Mann.» «In seiner Wut» habe der Angreifer
«den größten Teil der Verteidiger über die Klinge springen»
lassen. [19] Es blieb indes nicht bei der Tötung der Soldaten,
es wurde auch ein Teil der Einwohnerschaft
Neubrandenburgs von den entfesselten Truppen Tillys
niedergemacht. So wiederholte sich in Neubrandenburg,
was Tilly einige Jahre zuvor bei der Eroberung Mündens
vorgeführt hatte, [20] nur dass es sich in diesem Fall um das
Vorspiel zu einem noch größeren Massaker handelte,
nämlich zur Vernichtung Magdeburgs.
Gustav Adolf revanchierte sich mit einem Vorstoß auf
Landsberg und Frankfurt, den er seit längerem schon
geplant hatte und nun ausführte, damit die Schlappe von
Neubrandenburg dem Siegercharisma des Königs keinen
Abbruch tat. Dabei hatte Gustav Adolf keine Zeit zu
verlieren. Am 27. März nach julianischem Kalender brach
man auf, geriet auf dem Anmarsch in Scharmützel mit
kroatischen Streifscharen des Kaisers, was auf das
Marschtempo aber keinen Einfluss hatte, und am 2. April,
also nach gregorianischem Kalender am 12. April, standen
die Truppen vor Frankfurt. Die starke kaiserliche Besatzung
war fest entschlossen, die gutbefestigte Stadt zu verteidigen,
und hatte deswegen die beiden Vorstädte vor dem Lebuser
und dem Gubener Tor niedergebrannt. Vor den Stadtmauern
waren hohe Wälle mit Palisaden errichtet worden. Bei
Belagerungen war es üblich, dass die Angreifer zunächst das
Terrain um die Stadt erkundeten und sich dann vorsichtig
den Befestigungen näherten. Eine wichtige Rolle spielten
dabei Schanzkörbe, die von Infanteristen aus biegsamen
Ästen und Zweigen geflochten, anschließend mit Erde gefüllt
und an die gegnerischen Stellungen herangeschoben
wurden. Sie dienten als Deckung sowohl für die
Bedienungsmannschaft der Kanonen als auch für Dragoner,
die in ihrem Schutz ein regelmäßiges Musketen- oder
Arkebusenfeuer auf die Verteidiger eröffneten.
Nicht so in diesem Fall: Während ein Teil der Fußtruppen
noch mit dem Anfertigen der Schanzkörbe begann, stürmte
ein anderer Teil, der eigentlich nur den Feind hinter die
Wälle zurückdrängen sollte, über den Graben vor, riss die
Palisaden nieder, nahm den Wall und drängte die
Verteidiger aus den Außenwerken auf die Stadttore zurück.
Auf Sturmleitern wurden die Mauern überstiegen, und mit
Petarden wurden die Tore aufgesprengt. [21] Angesichts der
Wucht dieses Angriffs gerieten die Kaiserlichen in Panik; ein
Teil von ihnen floh über die Oderbrücke aus der Stadt, ein
anderer ergab sich. Dass die Kaiserlichen neben
1000 Gefangenen auch 1700 Tote zu beklagen hatten, lag
nicht an ihrem anhaltenden Widerstand, sondern war die
Rache der Angreifer für das Massaker in Neubrandenburg.
[22] «Durch diesen von Gott verliehenen Sieg», so schrieb
Gustav Adolf wenige Tage danach an Oxenstierna, «haben
wir nicht allein den größten Theil der feindlichen Armee
vernichtet, Uns seiner Artillerie bemächtigt, sondern auch
die wenigen übrig Gebliebenen zersprengt und ihnen alle
Kräfte genommen, so daß wir sagen können: ehe der Feind
sich wieder gestärkt hat, gehen wir ins römische Reich,
wohin wir wollen, und bringen Unsern unterdrückten und
ins Elend geführten Religionsverwandten einen mächtigen
Beistand. Dazu hat Uns Gott augenscheinlich diese herrliche
Victorie bescheert.» [23]
Das war kein an die Öffentlichkeit gerichtetes Schreiben.
Wäre Gustav Adolf die Rettung und Bewahrung des
protestantischen Bekenntnisses nur ein Vorwand gewesen,
um dahinter rein machtpolitische Ziele zu verfolgen, so hätte
es in dieser vertraulichen Kommunikation zwischen König
und Kanzler keinen Grund gegeben, die Hilfe für die
Glaubensbrüder als göttlichen Auftrag herauszustellen.
Wäre es Gustav Adolf allein um Machtpolitik gegangen, so
hätte es nahegelegen, in diesem Brief geopolitische
Überlegungen auszubreiten, etwa darüber, wie man den
Erfolg von Frankfurt (und den kurz darauf folgenden von
Landsberg) nutzen könne. Davon ist aber nicht die Rede. Das
ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir es bei Gustav Adolf mit
einer komplexen Motivlage zu tun haben, in der
machtpolitische Erwägungen und religionspolitische Motive
eng miteinander verknüpft waren. Gustav Adolfs Agieren
lässt sich sicherlich nicht auf Interessenkalküle reduzieren,
wie dies bei Wallenstein möglich ist. War Tilly der
Glaubenskämpfer, dessen Tun und Handeln vor allem durch
den Dienst an der Gottesmutter Maria bestimmt war,
während die für Wallenstein maßgeblichen Direktiven in der
machtpolitischen Position des Kaisers und seinem eigenen
Nutzen lagen, so wurde Gustav Adolf stets durch beides
angeleitet: durch die machtpolitische Stellung Schwedens
und die Verteidigung des protestantischen Bekenntnisses im
Reich.
Der Leipziger Konvent
Anfang Februar versammelten sich die protestantischen
Stände in Leipzig, um sich auf eine gemeinsame Linie beim
Frankfurter Compositionstag zu verständigen. [1] Unter
kursächsischem Einfluss einigte man sich auf eine Agenda,
bei der ein eventuelles Bündnis mit Schweden oder die
Stellung zum Kaiser nicht verhandelt wurden, sondern die
Beratungen auf die Religionsgravamina, die Beschwerden
über die religiöse Bedrängnis, konzentriert waren – als
könne man in Frankfurt miteinander verhandeln, als habe
man nicht zehn Jahre lang Krieg gegeneinander geführt.
Diese Agenda lässt sich als eine auf dem Prinzip des Als-ob
begründete politische Strategie ansehen: Man tat einfach so,
als ob es den bisherigen Krieg nicht gegeben hätte; als ob
Fragen der Religion darin keine Rolle gespielt hätten; als ob
Gustav Adolfs Heer nicht in Deutschland stünde und es nach
dessen Eingreifen noch möglich wäre, Neutralität zu
beanspruchen. Folgt man dieser Sicht des strategischen Als-
ob, so handelte es sich um einen kühnen Schachzug der
sächsischen Politik, die so tat, als könne man einfach noch
einmal ganz von vorn anfangen und alles vergessen, was
friedensorientierten Ausgleichsverhandlungen
entgegenstand. Das war die Voraussetzung für die
Rückgewinnung einer belastbaren Verhandlungsperspektive
und die Verlagerung des Geschehens vom Militärischen aufs
Diplomatische: Amnesie als Voraussetzung von Amnestie.
Ebenso gut aber kann man in der kursächsischen Agenda
auch einen Akt der Realitätsverweigerung sehen, eine
Herangehensweise, bei der die tatsächlichen Konstellationen
nicht zur Kenntnis genommen und durch
Wunschvorstellungen ersetzt wurden. Das war dann bloßes
Herumtappen in einem Feld, das längst von anderen
politisch kartographiert und aufgeteilt worden war.
Gescheitert ist die kursächsische Politik freilich nicht an
dem von ihr unterstellten Als-ob selbst, sondern daran, dass
ihr die Machtmittel fehlten, dieses Als-ob für die
Verhandlungspartner verbindlich zu machen. Johann Georg
und seine Räte hatten die paradoxe Voraussetzung für den
Erfolg ihrer Strategie nicht begriffen: dass sich nämlich das
Absehen von der Realität nur durchsetzen ließ, wenn man
Herr dieser Realität war. Das aber war Kursachsen nicht,
und die Leipziger Versammlung der protestantischen
Fürsten und Grafen sowie der Reichsstädte war es auch
nicht. [2] Das Als-ob war nur für den eine Option, der aus
einer Position der Stärke heraus agierte, und das hieß: der
über eine starke Heeresmacht verfügte. Es konnte also nicht
ausbleiben, dass man in Leipzig immer wieder darauf
zurückkam, dass man sich bewaffnen müsse, wenn man
zwischen dem Kaiser, Gustav Adolf und der Liga eine Rolle
spielen wolle. Genau das wollte Johann Georg aber
vermeiden, denn er fürchtete, dass der Druck, sich für die
eine oder andere Seite entscheiden zu müssen, dann noch
größer würde.
Sieht man genauer hin, so lassen sich erhebliche Risse in
der nach außen geschlossenen Fassade der kursächsischen
Politik ausmachen. Der kursächsische Hofprediger Matthias
Hoë von Hoënegg eröffnete den Konvent mit einer Predigt
über den 83. Psalm, der mit den Worten beginnt: «GOtt
schweige doch nicht also / Vnd sey doch nicht so still: / Gott
halte doch nicht so inne. Denn sihe, / Deine Feinde toben, /
und die Dich hassen, / richten den Kopff auf.» [3] Daraus ließ
sich kaum eine an Ausgleichsverhandlungen orientierte
Friedenspredigt machen. Der Oberhofprediger, der das Ohr
des Kurfürsten besaß, stellte die biblische Klage über das
«Toben der Feinde» mit dem gegenwärtigen «Wüten und
Toben» des Papsttums zusammen und zeichnete so eine
Lage, in der nicht das demütige Hinnehmen der «listige[n]
anschlege» (Psalm 83,5) gegen die Gläubigen, die
Protestanten, angezeigt war, sondern der Zusammenschluss
aller evangelischen Kräfte, um Kaiser und Liga Widerstand
zu leisten. [4] Dem Hofprediger gelang der Spagat, indem er
nicht den Kaiser, sondern stets nur den Papst und die
katholischen Orden als das gegenwärtige Pendant der
Feinde im Psalm benannte. So konnte er sich in die Tradition
der antipäpstlichen Polemik Luthers stellen, ohne zugleich
dessen Forderung nach Gehorsam gegenüber der weltlichen
Obrigkeit verwerfen zu müssen.
Auf diese politische Linie schwenkte schließlich auch
Kurfürst Johann Georg ein, als klar wurde, dass die
evangelischen Reichsstände ihre Forderungen nach
Wiederherstellung des Augsburger Religionsfriedens,
Bewahrung der überkommenen Reichsverfassung und
Verteidigung der ständischen Libertät nicht zur Geltung
bringen konnten, solange sie nicht über ein Heer verfügten,
das sie zu einem eigenen Faktor in den politischen
Auseinandersetzungen werden ließ. Sobald man jedoch mit
den Beratungen darüber begann, stellte sich die Frage, wie
man eine protestantische Streitmacht errichten konnte, ohne
gegen die Reichsverfassung zu verstoßen. Selbstverständlich
hätte man es sich einfach machen und zur Rechtfertigung
auf das Heer der katholischen Liga verweisen können, dem
nun (wieder) ein protestantisches Heer gegenübergestellt
werden sollte. Doch das wäre dem Eingeständnis
gleichgekommen, dass man der eskalatorischen Logik
konfessioneller Konfrontation folgte, was man ja vermeiden
wollte. Vor allem hätte es dann keinen Grund mehr gegeben,
warum sich die protestantischen Reichsstände nicht dem
offensichtlich erfolgreichen Gustav Adolf anschließen
sollten. Mit der Erörterung dieser Dilemmata verbrachte
man in Leipzig viel Zeit. Schließlich verständigte man sich
darauf, dass Kursachsen ein Heer von 11000 Mann
aufstellen solle, Brandenburg weitere 5000 Mann anwerben
werde, und die anderen Stände wollten das Ihrige tun – alles
freilich nach den Vorgaben der Defensionsverfassung des
Reichs, also ohne gemeinsames Oberkommando. Dass dies
im Vergleich mit der kaiserlichen, aber auch der
schwedischen Macht keine relevante Größe war, dürfte den
Beteiligten klar gewesen sein. Dennoch kündigten sie dem
Kaiser ihr Vorhaben an und baten ihn um Zustimmung. Der
freilich wies das Vorhaben mit äußerster Entschiedenheit
zurück und erließ Mandate mit der Aufforderung, den in
Leipzig gegründeten Bund sofort wieder aufzulösen.
Gustav Droysen hat über die protestantischen Stände ein
vernichtendes Urteil gefällt: «Sie behandelten Gustaf Adolf,
als säße er unthätig wie sie in seiner nordischen Heimath,
und nicht, als stände er mit siegreichen Waffen an den
Grenzen ihrer Territorien. Sie versuchten ihn mit Phrasen
abzuspeisen, wie sie es unter sich zu thun gewohnt waren.
Eben jetzt, wo die streitenden Mächte ihre Kraft auf das
Höchste anspannten und es den blutigen Austrag eines
gewaltigen Gegensatzes galt, mißkannten sie ihre Ohnmacht
so durchaus, daß sie sich zusammenthaten, um mitten
zwischen den Kämpfenden eine, wie sie meinten,
selbständige Partei zu bilden: eine Partei der devoten
Mißvergnügten dem Kaiser gegenüber, eine Partei der
glaubenstreuen Reichspatrioten Gustaf Adolf gegenüber; nur
daß sie auf das Strengste gegen jenen eine schüchterne
Defensive, gegen diesen eine faule Neutralität zu
beobachten gedachten, mochte kommen, was da wollte. Man
wird nicht sagen dürfen, daß ihnen allen das politische
Verständniß der Situation fehlte, aber die Erkenntniß und
das Eingeständniß des eigenen Unvermögens und vor allem
der Muth des Entschlusses ging ihnen ab. Sie waren
geflissentlich blind, getrösteten sich der frommen und
fürsichtigen Phrasen und suchten nach immer neuen
rettenden Redewendungen in einem Moment, wo nur noch
Thaten retten konnten.» [5]
Was Droysen im Rückblick zu einem düster-pathetischen
Urteil veranlasste, reizte die der politisch-konfessionellen
Gegenseite zugehörigen Zeitgenossen zu hämischem Spott:
«Ach, die armen lutherischen Hündlein / Hatten zu Leipzig
ein Conventlein! / Wer war dabei? / Anderthalb Fürstlein. /
Was wollen sie machen? / Ein kleines Krieglein. / Wer soll
ihn führen? / Das schwedische Königlein. / Wer soll das Geld
dazu geben? / Das sächsische Jägerlein. / Wer wird sich
dieses freuen? / Das pfälzische Fürstlein. / Worum ist es ihm
zu thun? / Um sein Heidelberger Nestlein.» [6]
Die Vernichtung Magdeburgs
Derweil spitzte sich die Lage um Magdeburg zu. Die Stadt
an der Elbe hatte zu den ersten gehört, die sich Gustav Adolf
anschlossen. Im Sommer 1630 war es in Magdeburg zu einer
Rebellion von Teilen der Einwohnerschaft gegen die
Durchführung des Restitutionsedikts gekommen, nachdem
Kaiser Ferdinand seinen zweitgeborenen Sohn, den damals
vierzehnjährigen Leopold Wilhelm, der bereits über eine
Reihe einträglicher Pfründen verfügte, [1] zum Bischof hatte
wählen lassen. Nun trafen kaiserliche Deputierte ein, um die
protestantischen Domherren abzusetzen. Schon die Wahl
Leopold Wilhelms war unter kaiserlichem Druck erfolgt,
denn man hatte in Magdeburg bereits den kursächsischen
Prinzen August zum Bischof gewählt und musste diese Wahl
jetzt für ungültig erklären, um den kaiserlichen Spross im
Bischofsamt installieren zu können. Das Domkapitel hatte
sich diesem Druck gebeugt, was bei Teilen der Bevölkerung
großes Missfallen erregt hatte. Dem war dann die
Restitution der Magdeburger Klöster gefolgt, und als sich
der Rat der Stadt dieser Entwicklung nicht entgegenstellte,
richtete sich der Zorn eines großen Teils der
Einwohnerschaft auch gegen ihn. [2]
Gegen den Willen des Rats hatte die versammelte
Bürgerschaft bereits im Sommer 1629 die Aufnahme eines
kaiserlichen Infanterieregiments verweigert, das Wallenstein
in die Stadt verlegen wollte, und die Fischer und Schiffer der
Stadt hatten Elbkähne, die Fracht für das kaiserliche Militär
transportierten, angehalten und durchsucht. Wallenstein
hatte die Stadt daraufhin einschließen und belagern lassen.
Er wollte an ihr ein Exempel statuieren, doch was in
Stralsund nicht gelungen war, misslang auch hier: Die Stadt
hielt ersten Angriffen stand und wies die Forderung, eine
kaiserliche Besatzung aufzunehmen und 300000 Taler
Kontribution zu zahlen, entschieden zurück. Als ein Teil der
Hansestädte Anstalten machte, ihre Schwesterstadt zu
unterstützen, hob Wallenstein die Belagerung gegen
Zahlung von 10000 Talern wieder auf. Er war im Hinblick
auf seine Ostseepläne an einem guten Verhältnis zu den
Hansestädten interessiert und wollte es wegen Magdeburg
nicht ruinieren. In Magdeburg fühlte sich das wie ein Sieg
an, und gemessen an den Erfahrungen, die andere Städte
mit Wallensteins Forderungen gemacht hatten, war es das
auch. Im Verbund mit der Erinnerung an die Jahre 1550 und
1551, als Magdeburg unter der stolzen Bezeichnung
«Unseres Herrgotts Kanzlei» der Belagerung durch Kaiser
Karl V. getrotzt hatte, entstand in der Stadt eine Vorstellung
von Unbesiegbarkeit – jedenfalls bei den unteren Schichten
und befeuert durch die evangelischen Prediger, die bei ihnen
in besonderem Maße Gehör fanden. Die vermögenden
Bürger Magdeburgs standen dieser Entwicklung skeptisch
bis ablehnend gegenüber und wollten gut kaiserlich bleiben:
Bei einer Belagerung hatte man viel zu verlieren, selbst
wenn die Stadt nicht gestürmt und verwüstet wurde, denn
allein die Blockade des Warenverkehrs hatte große Verluste
zur Folge.
Deutlicher als in anderen Handelsstädten zeigte sich in
Magdeburg die soziale Grundierung, die den konfessionellen
Auseinandersetzungen immer auch zu eigen war, jedoch
unterschiedlich zutage trat. Üblicherweise hatten die
ärmeren Schichten, die Bewohner der Vorstädte, die
Handwerker und das Dienstpersonal, eine größere Affinität
zu den radikalen Strömungen der Reformation, als das bei
den arrivierten Bürgern und dem städtischen Patriziat der
Fall war. Ob die Präferenzen in Glaubensfragen etwas mit
den Glaubensinhalten zu tun hatten oder auf den Umstand
zurückzuführen sind, dass die Arrivierten institutionell
gefestigten Religionspraktiken anhingen und alle
Bewegungen, die auf Veränderung aus waren, ablehnten,
mag hier dahingestellt bleiben. Der politische Erfolg der
städtischen Unterschicht hing jedoch davon ab, ob sie einen
Anführer hatte. Genau das war in Magdeburg der Fall, wo
der schwedische Kriegsrat Johan Stalmann für die
proschwedische Partei warb, als Agent des
brandenburgischen Markgrafen Christian Wilhelm, der
wegen seiner Unterstützung Christians IV. das Amt als
Administrator des Erzbistums verloren hatte. [3] Als dann im
Sommer 1630 kaiserliche Gesandte nach Magdeburg kamen,
um die Huldigung der Bürgerschaft gegenüber dem neuen
Bischof, dem Kaisersohn Leopold Wilhelm,
entgegenzunehmen, erzwangen Teile der Bürgerschaft den
Anschluss Magdeburgs an Schweden. Stalmann sowie der
nach Magdeburg zurückgekehrte Christian Wilhelm hatten
erklärt, Gustav Adolf werde die Stadt gegen ihre Feinde
schützen. Mit einigen hundert Söldnern begann der
Markgraf danach einen «Befreiungskrieg» gegen das im
Magdeburger Umland befindliche kaiserliche Militär, bei
dem er anfangs erfolgreich war. Diese Erfolge waren jedoch
im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass es nach der
Entlassung Wallensteins kein kaiserliches Oberkommando
gab und niemand so recht wusste, was zu tun war.
Keiner außer Pappenheim. Nachdem dieser im Oktober
1630 den Herzog von Lauenburg geschlagen und die Elblinie
gegen Gustav Adolf gesichert hatte, [4] zog er im späten
November gegen Magdeburg, drängte die markgräflichen
Streifscharen zurück und traf Anstalten, die Stadt zu
belagern. Da ihm für eine vollständige Einschließung die
Kräfte fehlten, musste er sich mit der Errichtung eines
festen Lagers nahe Magdeburg begnügen, von wo aus er den
Warenverkehr von und nach Magdeburg teilweise blockierte
und einen Scharmützelkrieg gegen das Umland der Stadt
führte. In Magdeburg war inzwischen der von Gustav Adolf
entsandte Oberst Dietrich von Falkenberg eingetroffen, ein
gebürtiger Westfale, der zeitweilig im Dienst des Kasseler
Landgrafen gestanden hatte, bevor er 1623 in schwedische
Dienste übergewechselt war. [5] Falkenberg systematisierte
die Verteidigung Magdeburgs, indem er die
Stadtbefestigungen instand setzen und durch die Errichtung
vorgelagerter Schanzen verstärken ließ. Diese Schanzen
sollten den Gegner daran hindern, unmittelbar bis an die
Stadtmauern heranzurücken. Sie machten die Belagerung zu
einem langwierigen Vorgang, verhinderten einen
Überraschungscoup gegen eine unaufmerksame Besatzung
und sorgten dafür, dass sich ein Sturmangriff im Vorfeld der
Stadtmauern «festfraß». Namen wie «Trutz Kaiser», «Trutz
Tilly» und «Trutz Pappenheim», die man den Schanzen gab,
sollten dem Widerstandswillen Ausdruck verleihen und die
Zuversicht bei der Verteidigung gegen die Übermacht der
kaiserlichen Truppen stärken. Ansonsten versicherte
Falkenberg, dass Gustav Adolf schon bald die Stadt
entsetzen werde.
Doch so weit war es zunächst noch nicht. Pappenheim
drängte Tilly zwar unausgesetzt, ihm Verstärkungen zu
schicken oder mit dem gesamten Heer anzurücken, um
Magdeburg zur Kapitulation zu zwingen oder im Sturm zu
nehmen, doch Tilly zögerte. Er wollte die ihm verbliebenen
Kräfte nicht über Wochen oder gar Monate durch die
Belagerung binden, und obendrein hatte er Zweifel, ob die
Eroberung der inzwischen gutbefestigten Stadt überhaupt
möglich sei: Spínola hatte Breda monatelang belagert, bevor
die Stadt kapitulierte, La Rochelle hatte gegen die Truppen
Richelieus ebenfalls über Monate Widerstand geleistet, und
Wallenstein war an Stralsund gescheitert. Er müsse wissen,
so Tilly an Pappenheim, dass er hier nicht ein paar Bauern
vor sich habe, sondern einen Wall und Soldaten. [6]
Pappenheim dürfte sich über diese Anspielung auf seine
oberösterreichischen Siege geärgert haben, schließlich hatte
er auch das gutbefestigte Wolfenbüttel erobert. Tilly war
skeptisch, ob er genügend Zeit haben würde, Magdeburg zur
Übergabe zu zwingen; er wollte stattdessen sein Augenmerk
vor allem auf Gustav Adolf richten und verhindern, dass der
Schwede politisch und militärisch weiter an Boden gewann.
Zwei Mal tauchte er mit dem Gros seines Heeres vor
Magdeburg auf, und zwei Mal zog er wieder weiter, weil
andere Aufgaben ihm wichtiger waren. Pappenheim dagegen
drängte darauf, alle Kräfte auf Magdeburg zu konzentrieren.
Für ihn war die Herrschaft über Magdeburg «das
Fundament und Centrum des Krieges», [7] denn wer
Magdeburg in der Hand habe, kontrolliere den
Schiffsverkehr auf der Elbe und könne durch die
Beherrschung der Elbfestung auch verhindern, dass die bis
Soest vorgestoßenen Niederländer sich mit dem an der Oder
und in Mecklenburg stehenden Gustav Adolf verbänden. Das
sah Tilly ganz ähnlich, [8] aber er wollte eine größere
operative Beweglichkeit behalten. Tilly, klagte Pappenheim
in einem Brief an Maximilian, habe ihm erst den Angriff auf
Magdeburg verboten, ihm anschließend 5000 Reiter und
1300 Fußsoldaten entzogen und dann doch keinen Angriff
auf Gustav Adolf gewagt. [9]
Der Konflikt zwischen Pappenheim und Tilly war
grundsätzlicher Art; es handelte sich keineswegs nur um
einen Disput über das Vorgehen gegen Magdeburg.
Pappenheim lehnte Tillys Defensivstrategie gegenüber den
Schweden von Grund auf ab und plädierte für einen
entschlossenen Offensivstoß gegen Gustav Adolf. Da er dafür
aber kein rechtes Ziel anzugeben vermochte, war es
naheliegend, dass er sich auf Magdeburg konzentrierte,
womöglich in der Hoffnung, Gustav Adolf könne so dazu
verleitet werden, seine sicheren Positionen an der Oder
aufzugeben und bis zur Elbe vorzustoßen. Tillys
Defensivstrategie lief für Pappenheim auf eine Form des
«Soldatenverbrauchs» hinaus, die keinerlei relevanten
Ergebnisse zeitigte. Für ihn war Tillys Vorsicht nicht
Ausdruck strategischer Umsicht, sondern eine Folge des
Alters: Tilly war in Pappenheims Augen zu alt für den Krieg
und den Aufgaben eines Oberkommandierenden nicht mehr
gewachsen. Wahrscheinlich hatte Pappenheim damit
gerechnet, dass ihm nach der Entlassung Wallensteins der
Posten des Oberkommandierenden angetragen würde, so
dass in seinen Klagen auch Enttäuschung über die
ausgebliebene Beförderung zum Ausdruck kam. Materielle
Begehrlichkeiten kamen wohl hinzu: Pappenheim war nicht
verborgen geblieben, mit welchen Reichtümern die nach
Italien entsandten kaiserlichen Generäle nach Deutschland
zurückgekehrt waren, während er als General der Liga an
den deutschen Kriegsschauplatz gefesselt blieb, wo weniger
zu holen war; das Projekt, anstelle des im Bündnis mit
Christian IV. gescheiterten Friedrich Ulrich zum Herzog von
Braunschweig-Wolfenbüttel zu werden, war nicht erfolgreich
gewesen, und so war er bislang leer ausgegangen. [10]
Magdeburg bot nun die Chance, einiges nachzuholen, und
vor allem dürfte Pappenheim das Amt des Magdeburger
Burggrafen gereizt haben. Dabei kam er jedoch mit dem
kaiserlichen Obersten Wolf von Mansfeld in Konflikt, der
ebenfalls auf dieses Amt spekulierte. [11] Pappenheims Eifer
gegen Magdeburg wurde schließlich noch durch den
persönlichen Hass genährt, der entstanden war, als ihn die
Bürger im Sommer 1629 beim Einfordern der
Kontributionen so «hochmütig» abgefertigt hatten. [12]
Pappenheim hatte es jedenfalls eilig, und deswegen bot er
Falkenberg 400000 Taler und einen Grafentitel, wenn der
ihm Magdeburg übergebe. Falkenberg wies dieses Angebot
empört zurück und drohte, wenn noch einmal ein Bote mit
solchen Vorschlägen komme, werde er ihn aufhängen lassen.
Das dürfte Pappenheims Zorn weiter angefeuert haben.
Seit Ende März 1631 wurde es für Magdeburg ernst: Tilly
sah nach dem Verlust von Frankfurt und Landsberg keine
Möglichkeit mehr für einen aussichtsreichen Vorstoß zur
Oder, und in Mecklenburg oder Pommern waren wegen der
schwierigen Versorgungslage infolge aufgetauter Wege
größere Operationen vorerst unmöglich. Also zog er mit dem
Hauptheer nach Magdeburg und sorgte dafür, dass der
Einschließungsring um die Stadt immer enger gezogen
wurde. In Magdeburg wiederum standen sich zwei Parteien
gegenüber: die Partei derer, die auf jeden Fall durchhalten
wollten und dabei auf die Zusage Gustav Adolfs vertrauten,
dass er der Stadt zu Hilfe kommen werde, wenn sie bedroht
sei; und die Partei jener, die erklärten, der König sei allen
Zusagen zum Trotz bislang nicht gekommen, weswegen man
Verhandlungen aufnehmen müsse, um eine Erstürmung der
Stadt zu verhindern. Einige hofften dabei wohl, man könne
auf diesem Weg ein für Magdeburg ähnlich günstiges
Ergebnis erzielen wie im Sommer 1629 (was illusionär war),
andere vertraten die Auffassung, dass eine Kapitulation der
Stadt ihrer Eroberung unbedingt vorzuziehen sei. Eine
weitere, vermutlich sehr kleine Gruppe, die im Verborgenen
agierte, ging sogar so weit, Tilly dadurch Vorschub zu
leisten, dass sie ihm Informationen über die Stärke der
Verteidiger, die Besatzung in den Schanzen, die
Meinungsverschiedenheiten im Rat und anderes mehr
zukommen ließ. Es scheint sich bei dieser Gruppe um «die
Vornehmsten» Magdeburgs gehandelt zu haben, jedenfalls
vermuteten das diejenigen, die für eine bedingungslose
Verteidigung Magdeburgs waren. Diese gehörten
überwiegend zu den unteren Schichten, dem «gemeinen
Pöbel». [13] Infolgedessen kam es wiederholt zu Tumulten, in
denen sich Fischer und Schiffsleute gegen das städtische
Patriziat wandten. Die sozialen Gegensätze hatten sich in
Magdeburg zu politischen Spaltungslinien verdichtet.
Nach dem Eintreffen Tillys betrug die Stärke der
Kaiserlichen 22600 Fußsoldaten und 3100 Berittene sowie
86 Geschütze. Außerdem standen bei der Dessauer Brücke,
um die Mansfeld und Wallenstein im Jahr 1626 gekämpft
hatten, weitere 4850 Soldaten, die schwedische Truppen an
der Überquerung des Stroms hindern sollten. Dagegen
verfügte Falkenberg über gerade einmal 3000 Mann, zudem
musste er sich auch noch mit den inneren Zerwürfnissen in
der Stadt beschäftigen. Er klagte, dass er in Magdeburg
«Vielen wenig zutrauen dürfe». [14] Unter diesen Umständen
entschloss er sich dazu, die Schanzen aufzugeben und die
Verteidigung auf die Stadt selbst zu konzentrieren. Doch
dieser Entschluss kam zu spät, denn Pappenheim hatte
bereits damit begonnen, die Schanzen der Reihe nach zu
erobern, und dabei verloren die Verteidiger um die
500 Mann. [15]
Der Verlust der Außenwerke hatte zur Folge, dass die
Belagerer ihr Vorgehen von der Aushungerung auf die
Erstürmung der Stadt umstellen konnten. Falkenberg
bereitete die Verteidigung auf einen Kampf um die Wälle
und die dahinterliegenden Tore der Stadtmauer vor. Das
hieß, dass die Vorstädte Sudenburg und Neustadt
aufgegeben und deren Einwohner in die Stadt hereingeholt
werden mussten. Anschließend sollten die Vorstädte
niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht werden.
Das war keine einfache Entscheidung, denn sie bedeutete,
dass die Vorstädter Haus und Hof verloren und in der Stadt
von dem Wohlwollen anderer abhingen. Wer nicht bei
Bekannten und Verwandten unterkam, musste mit einer
Notunterkunft in der Nicolaikirche vorliebnehmen.
Falkenberg trug sein Vorhaben dem Rat vor, und der gab
ihm die Genehmigung, die erforderlichen Schritte zu
unternehmen, forderte ihn aber auch auf, dabei
zurückhaltend vorzugehen. [16] Das Niederbrennen der
Vorstädte führte vor Augen, was die Stadt zu erwarten hatte,
wenn sie erstürmt wurde. Mit der Aufnahme der Vorstädter
verschärfte sich auch das Versorgungsproblem, denn von
nun an war man ausschließlich auf die eingelagerten Vorräte
angewiesen. [17] Hatte sich die Belagerung Magdeburgs seit
November 1630 dahingeschleppt, ohne dass Entscheidendes
passiert wäre, so kam es jetzt zu einer dramatischen
Beschleunigung des Geschehens. Konkret hieß das: Gustav
Adolfs Entsatzheer musste in den nächsten Tagen eintreffen,
oder Magdeburg war verloren.
In dieser Lage versicherte Falkenberg den ihn
bedrängenden Ratsmitgliedern, der König habe ihm in einem
neuen Schreiben sein Erscheinen angekündigt und er habe
sichere Informationen, dass das schwedische Heer innerhalb
weniger Tage eintreffen werde. Tatsächlich hatte
Falkenberg jedoch nichts in der Hand. Gustav Adolf hatte
der Stadt zwar Hilfe zugesagt, aber in seinen Briefen auch
darauf hingewiesen, dass er aufgehalten werde, weil die
Verhandlungen mit den Kurfürsten von Brandenburg und
Sachsen nicht vorankämen und er ohne Zugriff auf die
Festungen Küstrin und Spandau sowie die sächsische
Zusage, ihn bei Wittenberg die Elbe passieren zu lassen,
nicht auf Magdeburg vorrücken könne. [18] Hätte Falkenberg
preisgegeben, was er wirklich wusste, hätte die Gruppe
derer, die Kapitulationsverhandlungen aufnehmen wollten,
mit Sicherheit weiteren Zulauf erhalten. Das heißt aber
nicht, dass die Mehrheit der Magdeburger dann in die
Kapitulation eingewilligt hätte. Durch den Zuzug der
Vorstädter, die bereits ihre Häuser verloren hatten,
erhielten auch die Durchhaltewilligen Unterstützung, und
die Gruppierung derjenigen, die in der nun eingetretenen
Lage nicht auf weltliche, sondern auf göttliche Hilfe setzten,
war nach wie vor groß. Die evangelischen Pfarrer, so Gustav
Droysen, predigten gegen alle, die «mit den Päpstlichen und
den Feinden des Evangeliums» verhandeln und sich mit
ihnen zusammentun wollten. «Solche Leute, sagten sie,
hätten kein Vertrauen zu Gott, der sein Wort gewiß halten
und der Stadt in so gerechter Sache wohl beispringen
werde, sondern wollten lieber dem Teufel dienen und ihr
Vaterland dem abgöttischen Papstthum in den Rachen
stecken.» [19] Das Eingeständnis, dass es aus militärischer
Sicht gute Gründe für eine Kapitulation gab, hätte all jene,
die auf Gottes Hilfe und ein Wunder vertrauten, nicht
überzeugt.
Tillys erste Aufforderung zur Kapitulation erfolgte am
4. Mai 1631. [20] Es waren drei Briefe, die gegen Abend von
einem Trompeter in die Stadt gebracht wurden: einer an den
Bürgermeister und den Rat, einer an den Administrator
Christian Wilhelm und einer an den Oberkommandierenden
Falkenberg. Entweder wusste Tilly nicht, wer in Magdeburg
das Sagen hatte, oder er versuchte, die dafür in Frage
Kommenden gegeneinander auszuspielen. Es antwortete der
Rat, und die beiden anderen schlossen sich ihm an. Man
wolle, so die Antwort des Rats, mit den Kurfürsten sowie den
Hansestädten über die Aufnahme von Verhandlungen
sprechen und bitte um Pässe, damit Gesandte zu ihnen
reisen könnten. Das diente dem Zeitgewinn. Tilly übersandte
erst eine Woche später, am 12. Mai, die erbetenen Pässe,
merkte aber an, dass die von Magdeburg gewünschten
Beratungen Zeit bräuchten; die Angelegenheit dulde jedoch
keinen weiteren Aufschub. Magdeburg könne
Unterredungen führen, wann immer und so lange es wolle,
aber kapitulieren müsse es jetzt. Am 14. Mai antwortete der
Rat, die Gesandten seien jetzt reisefertig, Tilly möge einen
Trompeter schicken, der sie durch die Linien der Belagerer
bringe.
Aber Tilly reagierte nicht. Er war nicht länger bereit, das
von den Magdeburgern eröffnete Spiel auf Zeit mitzuspielen.
Inzwischen hatte er erfahren, Gustav Adolf habe sich mit
dem Brandenburger geeinigt: Spandau sei den Schweden
übertragen worden und der König habe sich nach Potsdam
begeben. Es war also nicht mehr auszuschließen, dass er
zum Entsatz Magdeburgs anrücken würde. Außerdem gab es
das Gerücht, auch der sächsische Kurfürst Johann Georg
wolle den Magdeburgern zu Hilfe kommen und marschiere
auf die Dessauer Brücke zu. Tilly ließ Vorbereitungen zur
Zerstörung der Brücke treffen, und als schwedische Reiter
bei Zerbst auftauchten, wurde sie tatsächlich abgebrochen.
Am 17. Mai begann das Bombardement Magdeburgs, in
dessen Schutz sich die Kaiserlichen in den Laufgräben
immer näher an die Stadtmauer heranarbeiteten. Sie sollte
untermininiert werden, um sie zum Einsturz zu bringen.
Seitenarme der Elbe wurden gestaut, damit man den Fluss
beim Angriff leichter durchschreiten konnte. Der niedrige
Wasserstand kam den Belagerern ohnehin entgegen. Die
Verteidiger setzten sich zur Wehr, indem sie Ausfälle
unternahmen, Laufgräben und Sturmleitern zerstörten und
mit Contreminen – Sprengsätzen gegen die feindlichen
Minen – die an die Mauern herangeführten Stollen
sprengten. Des Weiteren feuerten sie mit den auf den Wällen
postierten Geschützen auf die Laufgräben der Belagerer.
Man habe, berichtet der kaiserliche Soldat Peter Hagendorf,
«mit Schanzen und Laufgräben alles zugebaut, doch hat es
viel Leute gekostet». [21] Infolge der Abwehrmaßnahmen
wurde in Magdeburg aber das Schießpulver knapp, und es
war absehbar, dass die Verteidiger auf diese Weise nicht
mehr lange durchhalten konnten.
Am 18. Mai erfolgte Tillys dritte und letzte
Kapitulationsaufforderung, mit der die Stadt vor die
Entscheidung zwischen Unterwerfung oder Erstürmung
gestellt wurde. Tilly ging noch einmal auf den Wunsch des
Rats ein, freies Geleit für die Gesandten zu erhalten: Dazu
sei es nun zu spät, jede weitere Verzögerung werde die
Gefahr nur vergrößern. «Die Stadt», so fasst Gustav Droysen
Tillys Ultimatum zusammen, «möge vielmehr doch kurze
Resolution fassen und sich dem Kaiser unterwerfen. Wo
nicht, würde er vor Gott, der Welt und seinem eigenen
Gewissen entschuldigt sein, daß nicht er, sondern sie selbst
die einzige Ursache allen Unglücks wären.» [22] Am
darauffolgenden Tag ließ der Rat die gesamte Bürgerschaft
versammeln und befragte sie, ob man sich mit Tilly auf
Verhandlungen einlassen solle oder nicht. Es gab
unterschiedliche Meinungen: Einige waren für
Verhandlungen, andere wollten sich bis zum letzten Mann
wehren, wiederum andere meinten, diese Frage solle der Rat
entscheiden. Der Rat beschloss zu verhandeln, Falkenberg
indes bat darum, damit bis zum nächsten Morgen zu warten.
Währenddessen brach der ständige Beschuss der Stadt ab,
und man konnte beobachten, dass die Kanonen
zurückgezogen wurden. Viele meinten daraufhin, Tilly hebe
die Belagerung auf, weil schwedische Truppen sich der Stadt
näherten.
Tilly täuschte die Magdeburger jedoch nur. Sie gingen
davon aus, dass er unterhandeln wollte, deswegen waren die
Verteidigungswälle am frühen Morgen des 20. Mai weniger
dicht besetzt als sonst. An einigen Stellen hatten sich die
Verteidiger – zu den 2500 Soldaten Falkenbergs kamen noch
5000 Männer der Bürgerwehr – zu Gottesdiensten
versammelt. Andere hatten die Lunten gelöscht, nachdem
die Nacht über nicht geschossen worden war. Der Angriff
der Sturmkolonnen Pappenheims traf die Magdeburger mit
voller Wucht, und schnell war der Neustädter Wall erobert.
Durch eine Pforte am Fischerufer drangen Kroaten in die
Stadt ein. Falkenberg führte ein paar Kompanien zum
Gegenangriff heran; für kurze Zeit stand der Kampf auf
Messers Schneide. «Da bin ich mit stürmender Hand»,
berichtet Hagendorf, «ohne allen Schaden in die Stadt
gekommen. Aber in der Stadt, am Neustädter Tor, bin ich
2mal durch den Leib geschossen worden, das ist meine
Beute gewesen.» [23] Unter dem Eindruck dieses Widerstands
gab Pappenheim den Befehl, ein paar Häuser in Brand zu
setzen, um den Gegner zu verwirren. Als Falkenberg im
Kampf tödlich verwundet wurde und weitere Offiziere der
Verteidiger fielen, war der Kampf um Magdeburg
entschieden: Immer mehr kaiserliche Soldaten drangen in
die Stadt ein, und schon bald war der Weg frei, um zu
rauben und zu plündern. Es war eine Orgie der Gewalt, die
am frühen Vormittag über die Bevölkerung Magdeburgs
hereinbrach. Sie ging erst am frühen Abend zu Ende, als
aufkommende Winde das Feuer weiter anfachten, bis
schließlich die ganze Stadt in Flammen stand. Die Gluthitze
zwang die Eroberer, sich zurückzuziehen, und auch für die
Plünderer war kaum noch etwas zu holen, da nahezu alle
Häuser brannten. Am Tag nach der Eroberung war von der
stolzen und reichen Stadt an der Elbe kaum etwas übrig
geblieben. [24]

Die Zahl derer, die bei der Eroberung Magdeburgs ums


Leben kamen, kann nur geschätzt werden. Tilly ließ
Tausende Leichen, die zu bestatten als zu aufwendig
angesehen wurde, mit Karren zur Elbe schaffen und in den
Fluss werfen. Monatelang wurden elbabwärts Leichen aus
dem Wasser gezogen, und ein dem Magdeburger Inferno
Entkommener schrieb, er hoffe, «daß milde Menschen, die
an der Elbe wohnen, die Leichen aus dem Wasser fischen
und ihnen bei sich Ruhe in der Erde gönnen». [25] Wie viele
Tote genau in die Elbe geworfen wurden, hat keiner gezählt
und festgehalten; eine Schätzung von 8000 findet sich in
einem Brief Leonhard Wolffs, der als kaiserlicher Soldat an
der Eroberung Magdeburgs teilgenommen hat. [26] Tote, bei
denen man wusste, um wen es sich handelte, wurden
mitunter auf einem Friedhof bestattet. Wolff weist aber auch
darauf hin, dass man bei Aufräumarbeiten in den Kellern der
abgebrannten Häuser – nicht selten suchte man dabei nach
vergrabenen Wertgegenständen – noch lange danach Tote
fand, die in den Kellern erstickt waren: «Was sich versteckt
ist vom Rauch erstickt, daß man in einem Keller 40 bis
50 Personen findet. […] Es ist aber, weil die Keller zumteil
verfallen sind, noch nicht die Hälfe gefunden.» [27] Vor seiner
Zerstörung hatte Magdeburg um die 25000 Einwohner;
einige davon hatten die Stadt rechtzeitig verlassen, andere
hatten sich aus dem Umland dorthin geflüchtet. Hinzu
kamen die 2500 Soldaten, die man zur Verteidigung
geworben hatte und von denen fast alle getötet wurden. Von
der Einwohnerschaft dürften etwa 5000 Menschen überlebt
haben. Man kann also davon ausgehen, dass beim
Untergang Magdeburgs um die 20000 Menschen den Tod
gefunden haben. [28] Bedenkt man, dass bei der größten
Schlacht des Dreißigjährigen Krieges, der von Breitenfeld,
um die 12000 Soldaten getötet wurden, [29] so war der
20. Mai, an dem Magdeburg unterging, der blutigste Tag in
der gesamten Geschichte des Krieges.
«Diese Stadt», schreibt Leonhard Wolff, «so zuvor an
Reichtum, Stärke, Kaufmannschaft und anderer Nahrung der
berühmtesten eine gewesen ist, ist innerhalb 10 Stunden so
erbärmlich ruiniert, ihr Gedächtnis erloschen, der Reichtum
zerschmolzen und auf den Grund ausgebrannt, daß manch’
Uebergebliebener die Stätte, da sein Haus gestanden, nicht
zu finden weiß.» [30] Der Untergang Magdeburgs sei
schrecklicher gewesen, «als es zu Troja, glaub’ ich,
zugegangen ist». [31] «Es ist gewiß seit der Zerstörung
Jerusalems», so Pappenheim am Tag nach der Katastrophe,
«kein gräulicheres Werk und Strafe Gottes gesehen
worden.» [32] Papst Urban VIII. gratulierte Tilly zu seinem
Erfolg und schrieb ohne jegliche Anteilnahme: «Wenn er die
Vergeltung sieht, freut sich der Gerechte; er badet seine
Füße im Blut des Frevlers.» [33] Das war die eine Richtung, in
der das furchtbare Ereignis gedeutet wurde: Man war zum
Zeugen der gerechten Strafe geworden, die Gott über das
stolze und hochmütige Magdeburg verhängt hatte. Als er
Magdeburg «in Glut und Asche liegen» sah, so der Offizier
Georg Ackermann, der bis 1627 auf Seiten der Protestanten
gekämpft hatte und nach der Kapitulation Wolfenbüttels in
ein Regiment Pappenheims eingetreten war, habe er darin
«Gottes sonderbare Allmacht und Strafe» erkannt, und auch
Leonhard Wolff meint, die Stadt hätte nicht im ersten Sturm
genommen werden können, «wo nicht Gott sie wegen der
übergroßen Hoffahrt und Sünde gestraft hätte». [34] Die an
der Erstürmung (und vermutlich auch Plünderung)
Beteiligten erzählten ihre Verantwortlichkeit weg, indem sie
von Gottes Strafe sprachen und sich selbst als Werkzeug
eines letztlich heilsgeschichtlichen Geschehens kleinredeten.
Man darf darin wohl eine Form der Traumabewältigung
sehen.

Der in Merians Theatrum Europaeum veröffentlichte Kupferstich zu der


Belagerung Magdeburgs und dem Sturmangriff der Truppen Tillys auf die
vorgelagerten Bastionen ist die wohl bekannteste Abbildung von den Kämpfen des
Dreißigjährigen Krieges. Der Stich fasst, wie die meisten Schlachtbilder der Zeit,
unterschiedliche Etappen des Ringens um Magdeburg zusammen. Die
Kampfhandlungen der unteren Bildhälfte fallen in die Wochen vor der Eroberung,
die Feuersbrunst am Rand der Stadt oben links gehört bereits zum 20. Mai, als die
Stadt erobert und eingeäschert wurde. Da der Brand noch nicht um sich gegriffen
hat, ist die Handelsstadt an der Elbe ein letztes Mal in ihrer ganzen Pracht zu
sehen.

Aber wie ließ sich ein solcher Gewaltexzess in der


Öffentlichkeit rechtfertigen? Eine Erklärung dafür war, dass
sich in Magdeburg die gesamte Bürgerschaft am Kampf
beteiligt hatte, so dass die Gewalt der Angreifer auch die
Zivilbevölkerung treffen musste. «Die Kaiserlichen», so
Zacharias Bandhauer, ein in Magdeburg geborener
Prämonstratenser, Propst des Klosters Jerichow, der die
Erstürmung Magdeburgs aus dem Lager des Tilly’schen
Heeres vor der Stadt beobachtete, «hatten nunmehr die
Mauern inne und die meisten, die sie in der Furie erreichen
konnten, und besonders, was Waffen trug, niedergemacht.
Aber die Bürger und Soldaten begaben sich oben in die
Häuser, daraus sie größeren Schaden taten mit Steinen und
anderen Waffen, als auf dem Wall geschehen.» [35] Die
Behauptung, es sei angesichts einer fanatisierten
Bürgerschaft gar nicht möglich gewesen, zwischen
Kombattanten und Nonkombattanten zu unterscheiden,
findet sich auch in einer Wiener Zeitung, die am 31. Mai
über den Fall Magdeburgs berichtete: «Und hat man, daß
die Belagerten also halsstarrig und verwegen gewesen, daß
auch da sie gesehen, daß es schon mit ihrem Tun und
Wehren verloren und vergebens gewesen, jedoch sich jung
und alt, Mann und Weib, ja auch die Kinder von 7 und
8 Jahren mit Steinwerfen und heißem Wasser gießen aufs
äußerste gewehrt, und letztlich, da sie ganz übermannt sich
gesehen, die Stadt selbst an unterschiedlichen Orten
angezündet und eine solche Brunst verursachet, ob welchem
die Unsrigen erbittert und nit allein die darin gelegenen
Soldaten, sondern auch die meisten Bürger und gemeinen
Pöbel niedergehaut und die Stadt Gottlob erobert.» [36]
Tilly reitet in eine Stadt hinein, die im Begriff steht, in einer gewaltigen
Feuersbrunst unterzugehen. Der um 1890 entstandene Holzstich nach einem
Gemälde von Emil Klein hält das Entsetzen des Generals und der ihn begleitenden
Soldaten fest. Nur flüchtig huscht der Blick über die toten Leiber und leidenden
Menschen, die rechts und links des von Trümmern gesäumten Weges am Boden
liegen. Das Bild zeigt die Ohnmacht des Siegers just in dem Augenblick, da er
eigentlich sein Ziel erreicht hat.

Der Verweis auf die Schuld der Magdeburger Bürger, die


sich am Widerstand beteiligt und schließlich sogar das Feuer
selbst gelegt hätten, geht mit der Erzählung einher, Tilly
habe alles unternommen, um den Brand zu löschen. So
schrieb Zacharias Bandhauer in seinem Tagebuch: «Tilly
wollte gern, das Feuer wäre gelöscht worden und die Stadt
erhalten, rief den Soldaten zu, sie sollten niemand mehr
umbringen, der Sieg wäre schon ihrer; sie sollten löschen
helfen, er verhieße ihnen gute Belohnung. Es war aber nicht
möglich zu retten, denn das Feuer wegen des angelegten
Pulvers gar zu geschwind überhand genommen. […] Tilly
bemühte sich auch sehr, die Ueberwundenen beim Leben zu
erhalten, aber die Feuersbrunst hatte mehr Schaden getan
als die Soldaten.» [37] Und auch Georg Ackermann, der am
Sturm beteiligte Offizier, berichtet: «Aber den Herrn
General Tilly jammerte die schöne Domkirche und ließ
alsbald 500 Fußsoldaten zum Löschen kommandieren und
war selber dabei; er erhielt darauf so nicht allein den Dom,
sondern auch das schöne Kloster [Unserer Lieben Frauen]
und alle Häuser am Domplatz.» Dem stellt Ackermann das
Verhalten der Magdeburger gegenüber: «Es wollte sich aber
kein einziger Bürger von den Waffen zum Löschen begeben,
sondern fochten an allen Enden der Stadt unaufhörlich und
verzweifelt mitsamt der Reiterei, worüber wir unsere Kräfte
verloren.» [38] Neben der Vorstellung einer Strafe Gottes, die
über Magdeburg gekommen sei, steht somit die Erklärung,
die Bürger Magdeburgs seien selbst für den Untergang ihrer
Stadt verantwortlich, da sie sich den Löscharbeiten
verweigert hätten. Auf der anderen Seite habe Tilly nicht nur
seine Soldaten zum Löschen befohlen, sondern sich auch
selbst daran beteiligt.
Es gab eine weitere Möglichkeit, sich von der Schuld
freizusprechen, die sich schon bei Bandhauer findet. Dabei
ging es um die Frage, wer für die Feuersbrunst
verantwortlich war, der sehr viel mehr Menschen zum Opfer
fielen als den Waffen der Eroberer. Wo vom erbitterten
Widerstand der Einwohner die Rede ist, wird zumeist auch
behauptet, es habe sich bei dem großen Brand um eine von
den Verteidigern selbst vorbereitete Aktion gehandelt: Sie
hätten Pulverladungen in den Häusern deponiert und diese
entzündet, als klar war, dass Tilly die Stadt erobert hatte.
Dafür aber hätte in Magdeburg Pulver im Überfluss
vorhanden sein müssen, wogegen Berichte sprechen, die
einen zuletzt spürbaren Mangel verzeichnen. Dass man den
Brand systematisch vorbereitet hat, ist unwahrscheinlich,
nachdem sich große Teile der Bürgerschaft am Nachmittag
des 19. Mai auf Verhandlungen mit Tilly eingestellt hatten.
Außerdem hätte eine solche «Verteidigungsmaßnahme»
vorausgesetzt, dass in der Bürgerschaft eine große
Geschlossenheit herrschte, was nicht der Fall war. Otto
Gericke (nach der Adelung im Jahre 1666 von Guericke),
Ratsmitglied und für das Bau- und Festungswesen
Magdeburgs zuständig, berichtet, der Konflikt zwischen
beiden Parteien innerhalb der Bürgerschaft sei mit dem
Untergang der Stadt keineswegs zu Ende gewesen.
«Insgemein aber, weil zwei Parteien in der Stadt waren (die
eine für den Anschluß an Schweden, die andere dagegen),
legte ein Teil die Schuld auf den andern und waren sie also
vor wie nach der Eroberung ganz heftig wider einander.» [39]
Das macht eine kollektive Selbstvernichtung
unwahrscheinlich.
Unbestritten ist, dass Pappenheim, nachdem seine
Sturmtruppen in die Stadt eingedrungen waren, eine Reihe
von Häusern in Brand setzen ließ. So schreibt Bandhauer,
als Parteigänger der Kaiserlichen ein in dieser Frage
verlässlicher Gewährsmann: «Als Pappenheim gesehen, daß
er solchen starken Widerstand gefunden und auf der andern
Seite noch nichts unternommen worden, hat er seinen
Soldaten befohlen, ein paar Häuser bei dem Wall und der
Stadtmauer in Brand zu stecken, damit teils die
Magdeburger erschräken, teils seine Soldaten wegen des
Rauchs über sich beim Heraufkommen auf den Wall von den
Magdeburger, die stark auf sie Feuer gaben [auf sie
schossen], nicht gesehen wurden und einander unterstützten
und den furieusen Magdeburgern besser begegnen
konnten.» [40] Ackermann, der Offizier, nennt einen weiteren
Grund für das Anzünden der Häuser: Pappenheim habe auf
diese Weise versucht, «die Bürger von den Waffen
abzubringen und zum Löschen zu veranlassen». [41] Das von
den Eroberern gelegte Feuer wäre auf die Häuser an Wall
und Mauer und ein paar angrenzende Straßenzüge
beschränkt geblieben, wenn nicht ein starker Wind mit
wechselnden Richtungen eingesetzt hätte, durch den die
Flammen angefacht und das Feuer über die ganze Stadt
verteilt wurde. Gericke berichtet, dass das «Morden,
Brennen, Plündern, Peinigen, Prügeln», bei dem «mit
gräulichem Mordgeschrei viel tausend unschuldige
Menschen, Weiber und Kinder kläglich ermordet» worden
seien, etwas länger als zwei Stunden angedauert habe, als
«durch den unversehens zustoßenden Wind das Feuer
überhand genommen, das zwar anfangs Pappenheim den
Bürgern zum Schrecken einzulegen befohlen, nachmals aber
die gemeine Soldateska hierin keine Vorsicht und Aufhören
gewußt hat. Um 10 Uhr vormittags hat alles in Feuer
gestanden und um 10 Uhr Nachts hat die ganze Stadt völlig
in der Asche gelegen.» [42]
Was ein begrenzter und nach den Kämpfen leicht zu
löschender Brand geblieben wäre, wurde durch den
Zusammenbruch der Ordnung, auf Seiten der Besiegten wie
auf Seiten der Sieger, zu einem um sich greifenden
Flächenbrand. Doch auch der wäre vermutlich auf ein
bestimmtes Stadtviertel beschränkt geblieben, wenn nicht
die starken Windböen hinzugekommen wären. Dass die Zahl
der Toten so hoch war, hatte wiederum mit der in den
Straßen tobenden Kriegsgewalt zu tun, denn viele Menschen
blieben in den Häusern und versteckten sich im Keller oder
auf dem Dachboden, wo sie verbrannten oder erstickten.
Nun gab es für sie gute Gründe, im Haus zu bleiben und
nicht auf die Straße zu flüchten, wo eine rasende Soldateska
die Männer auf der Stelle tötete und die Frauen
vergewaltigte, einzeln oder in Gruppen. Es drangen jedoch
auch Soldaten in die Häuser ein, einzeln oder in kleinen
Gruppen, um nach Geld und Schmuck, Stoffen und Kleidern
zu suchen. Dazu mussten sie freilich mit den
Hausbewohnern sprechen oder ihnen Gewalt androhen, um
zu erfahren, wo etwas versteckt war. War es aber erst
einmal zur «Kooperation» zwischen Hausbewohnern und
Plünderern gekommen, schwand auch der unmittelbare
Gewaltimpuls, und die Soldaten zogen weiter. Dann folgten
die nächsten Plünderer, und solange die Hausbewohner
noch etwas anzubieten hatten, standen die Chancen gut, die
Begegnung zu überleben. Kritisch wurde es erst, wenn die
Bewohner vollkommen ausgeplündert waren. [43] Dann
versteckten sie sich, um der Wut der Soldaten zu entgehen,
und dabei hofften sie, dass diese das Haus nur verwüsten
und weiterziehen würden. Aber die letzten Soldaten
verließen die Häuser erst, als diese schon in Brand geraten
waren – mit der Folge, dass die Bewohner darin verbrannten
oder erstickten.
In den Stunden vor dem Untergang der Stadt im Feuer
kam es in Magdeburg zu einer Orgie der Vergewaltigungen,
wie der Prämonstratenser Bandhauer bezeugt: «Weil es noch
früh war, als sie [die Soldaten] hereinkamen, fanden sie
noch viel Leut, Frauen und Jungfrauen in Betten, nahmen sie
warm heraus, ehe sie sich anziehen konnten, und führten sie
gefangen hinweg. […] Aber den meisten waren ihre Kleider
ausgezogen, wenige sind ungeschändet von den Soldaten
weggelassen.» [44] Auch ein Jesuitenpater namens Wiltheim
berichtet von einer entfesselten Soldateska, die tötete und
vergewaltigte. Er habe entgegenkommende Soldaten
ermahnt, «die Frauenehre zu schonen und sich des Mordens
zu enthalten, wie Tilly es befohlen hatte. Aber ach, schon
waren alle Straßen gepflastert mit den nackten Leichen der
Gemordeten. Öffentlich tobten unsere siegreichen Soldaten
ihre hündische Lust an den Frauen der Geschlagenen
aus.» [45]
Die beiden Geistlichen haben die Gewaltexzesse vor dem
großen Brand festgehalten und sich damit dem wohl
furchtbarsten Ereignis des Krieges gestellt, das sich nicht
auf die Magdeburger schieben oder als Strafe Gottes
einordnen ließ. Wiltheim ist so weit gegangen, in diesen
Gewaltorgien den Grund dafür zu sehen, dass sich das bis
dahin siegreiche in ein besiegtes Heer verwandelte.
Magdeburg wurde zum zentralen Element in einer Kette von
Ursachen, die erklären sollten, warum die Siegesserie des
kaiserlichen Heeres zu Beginn der 1630er Jahre riss und
Tilly, der bislang in allen Schlachten gesiegt hatte, danach
zum Verlierer wurde. «Am eindrücklichsten», so der
Germanist Michael Schilling, «hat das Blatt ‹Magdeburger
Laug› den Zusammenhang von Zerstörung und
anschließender göttlicher Strafe inszeniert. Aus dem
brennenden Magdeburg am linken Bildrand bringen
Pferdefuhrwerke Säcke voll Asche, die von Engeln auf einen
Haufen geschüttet und mit den Tränen der Opfer zu einer
scharfen Lauge verarbeitet wird. Mit eben dieser Lauge
waschen dann auf der rechten Seite schwedische Soldaten
unter Aufsicht König Gustav Adolfs den kaiserlichen Truppen
den Kopf. Im Hintergrund beobachtet die protestantische
Öffentlichkeit beifällig das Geschehen.» [46] Diese
theologisch-moralische Erklärung der Kriegswende
konkurriert mit politisch-militärischen Erklärungen, bei
denen die Überdehnung der kaiserlichen Macht oder
taktische Innovationen der Schweden im Zentrum stehen.
Es gab auf Seiten der Kaiserlichen aber auch einen ganz
anderen Umgang mit der Magdeburger Gewaltorgie. Dabei
setzte man an der Volksetymologie der Stadt als
«Mädchenburg» an und griff auf die in Soldatenkreisen
verbreitete Metapher der Brautwerbung für die Belagerung
einer Stadt zurück. [47] Städte wurden oft als
Frauengestalten personifiziert, während die Anführer der sie
belagernden Heere natürlich durchweg Männer waren. Dem
Namen der Stadt gemäß erschien Magdeburg als Jungfrau,
und eine solche stand auch im Mittelpunkt des
Stadtwappens; der Kranz, den sie in die Höhe hält, galt als
Zeichen ihrer Unberührtheit. [48] Magdeburg hatte zweimal,
1551 und 1629, einer Belagerung durch kaiserliche Truppen
widerstanden. Die Jungfräulichkeit der Stadt war also, folgt
man der Metaphorik, noch unversehrt. Im Frühjahr 1631, als
die Kaiserlichen den Belagerungsring enger zogen, pflanzte
man aus Holz geschnitzte Jungfrauenfiguren auf die
Stadttore, um zu zeigen, dass Magdeburg auch diesmal nicht
«genommen» werden könne. Nebenbei bedeutete das eine
Provokation für den Marienverehrer Tilly, dem hier eine
andere Jungfrau als die Gottesmutter entgegengestellt
wurde. «Sie hatten», so berichtet Bandhauer, «auf dem
Krökentor ein hölzernes Jungfrauenbild, gar schön
geschnitzt und farbig geputzt, [von] einer ziemlichen Größe,
lassen aufsetzen, einen Kranz auf den Kopf, anzudeuten, daß
vor diesem zur Zeit Karls V. die Stadt Jahr und Tag belagert
gewesen und die Jungfrau dennoch ihr Kränzlein auf dem
Kopf behalten. Den anderen Kranz hielt sie in der linken
Hand vor die Brust, daß sie der Herzog von Friedland auch
belagert anno Christi 1629. Aber dennoch hat sie ihr
Kränzlein noch behalten. Den dritten Kranz zeigte sie mit
dem rechten Arm ausgestreckt in die Höhe, als wollte sie
anzeigen: Trutz, wer ist so keck, der das Kränzle darf
holen?» [49]
Jetzt da die Stadt erobert war, verkehrte sich die Symbolik
der Jungfrau ins Gegenteil: «Gott sei ewig gelobt», so
Pappenheim in einem Schreiben am Tag nach dem Sturm,
«Magdeburg ist gedämpft, und ihre Jungfrauschaft ist
hinweg.» [50] Und schon bald sang man das höhnische Lied:
«Vor Jahren hat die alte Magd / Dem Kaiser einen Tanz
versagt. / Jetzt tanzt sie mit dem alten Knecht, / So geschieht
dem stolzen Mädchen recht. / Es war nie keine Nuß so hart, /
Die endlich nicht aufbissen ward.» [51] Eher melancholisch
als übermütig kommentiert Bandhauer das Geschehen:
«Aber der alte Bräutigam General Tilly hat’s gewagt und
geholt. Über diesen Kranz und diesen Sieg hat sich aber Tilly
nicht gefreut, sondern schwer seufzend beklagte er das
Schicksal der Stadt.» [52] Bei Bandhauer findet sich auch die
Bemerkung, die hölzerne Jungfrau vom Krökentor habe nach
der Eroberung der Stadt zerschossen, verstümmelt und
verbrannt im Graben vor der Stadtmauer gelegen; auch das
war ein Symbol dessen, was Magdeburg ereilt hatte.
Tilly war also alles andere als ein glänzender Sieger. Im
Gegenteil, der Untergang Magdeburgs wurde für ihn zum
strategischen Desaster. Das zeigte sich als Erstes in der
Logistik: Tilly hatte darauf gesetzt, dass er in der reichen
Elbmetropole seine Truppen über einige Zeit versorgen und
die Elbfestung zu seinem Waffenplatz für den Feldzug gegen
Gustav Adolf machen könnte. An beides war nach dem Brand
der Stadt nicht mehr zu denken. Die unsicheren und in sich
widersprüchlichen Bewegungen, die Tilly sein Heer in den
kommenden Monaten machen ließ, [53] sind auch darauf
zurückzuführen, dass ihm mit dem Brand von Magdeburg
der Angelpunkt seiner Operationen abhandengekommen
war. Tillys Versuch, nach Mecklenburg einzudringen, um die
dortigen Ressourcen zu nutzen, scheiterte daran, dass
Gustav Adolf am Zusammenfluss von Havel und Elbe bei
Werben ein festes Lager bezogen hatte. Tilly wollte die
Schweden zu einer Schlacht zu provozieren, aber Gustav
Adolf ließ sich darauf nicht ein, woraufhin Tilly wieder
abzog. Nun bat er Maximilian und den Kaiser darum, mit
seinem Heer nach Sachsen einrücken zu dürfen, was ihm
jedoch nicht erlaubt wurde; man befürchtete in München
und Wien, Johann Georg damit in die Arme Gustav Adolfs zu
treiben. Tilly war gezwungen, den Sommer weithin tatenlos
zu verbringen. Noch schlimmer aber waren die
propagandistischen Folgen, die der Untergang Magdeburgs
nach sich zog: War Tilly bis dahin das Image vom «Mönch im
Harnisch» zu eigen gewesen, so wurde er nun als
«Jungfrauenschänder» dargestellt, wobei die Metaphern um
Magdeburg und das tatsächliche Verhalten seiner Soldaten
verbunden und auf den Oberkommandierenden projiziert
wurden. [54] Tilly hat in Magdeburg unwiederbringlich den
Nimbus verloren, gegen den selbst Münden und
Neubrandenburg nichts hatten ausrichten können. [55] Die
Folgen sollten sich schon bald auch auf dem Schlachtfeld
zeigen.
Entscheidungszwang und
Entscheidungsvermeidung: Johann Georg
von Sachsen
Gustav Adolf war, obwohl er der Stadt nicht zu Hilfe
gekommen war, der politische Gewinner des Magdeburger
Untergangs. Mit dem Kaiser und der Liga, die ein solches
Blutbad angerichtet hatten, konnten die protestantischen
Stände unmöglich verhandeln; es blieb nur die Wahl
zwischen Unterwerfung oder bewaffnetem Widerstand, und
Letzterer bedeutete, dass sie sich den Schweden
anschlossen. «Wir sind leider verloren», soll Johann Georg
ausgerufen haben, als man ihm die Nachricht vom
Untergang Magdeburgs überbrachte. «Niemand gewinnt
dem Tilly was ab; ich sitze der in die Höhe ausgeschlagenen
Flamme am nächsten!» [1] Es waren indes nicht nur Tilly und
sein unterversorgtes Heer, die Johann Georg in Bedrängnis
brachten, sondern auch eine kleine Schrift Gustav Adolfs, in
der dieser erklärte, warum er Magdeburg nicht hatte
unterstützen können: Die Hauptschuldigen in dieser
Apologie waren die Kurfürsten von Brandenburg und
Sachsen, von denen Gustav Adolf «nicht habe wissen
können, ob sie Freund oder Feind» seien. Die Politik der
«dritten Partei», auf die der sächsische Kurfürst bisher
gesetzt hatte, war nach der Eroberung Magdeburgs
desavouiert. [2]
Der Kurfürst hatte den Augenblick verpasst, um auf
Augenhöhe mit dem schwedischen König zu verhandeln. Auf
Grundlage der Leipziger Schlusserklärung hätte Johann
Georg als Repräsentant des politischen Protestantismus in
Deutschland auftreten und mit diesem Anspruch die
Bündnisverhandlungen führen können; nach dem Untergang
Magdeburgs und angesichts des Vorwurfs, durch seine
Zögerlichkeit den Entsatz der Stadt verhindert zu haben,
war das nicht mehr möglich. Es war auch deswegen nicht
mehr möglich, weil Gustav Adolf von nun an konsequent die
Strategie verfolgte, nicht mit einem durch den Kurfürsten
vertretenen Corpus Evangelicorum zu verhandeln, sondern
nur noch Bündnisse mit einzelnen protestantischen Fürsten
oder Ständen zu schließen. Da man befürchtete, Tilly werde
die Eroberung Magdeburgs zum Ausgangspunkt einer
großen Offensive machen (was er nicht tat), blieb keine Zeit
für eine Taktik des Hinhaltens und Hinauszögerns, mit der
man den König doch noch zu Verhandlungen mit Johann
Georg als dem Repräsentanten des deutschen
Protestantismus hätte zwingen können. Waren Tilly und der
Kaiser die logistischen und propagandistischen Verlierer der
Magdeburger Katastrophe, so war Johann Georg ihr
politischer Verlierer. Durch Tillys unentschlossenes
Handeln, sein Umherirren zwischen Unstrut, Werra und
Havel, wurde Gustav Adolf im Sommer 1631 zum
militärischen Profiteur der Magdeburger Katastrophe: Er
konnte ganz Mecklenburg unter seine Kontrolle bringen,
bevor er Anfang Herbst auf einem Feld nordwestlich von
Leipzig Tilly in einer großen Schlacht besiegte.
Gustav Adolfs neue politische Strategie wurde in einer
Denkschrift von Dr. Jakob Steinberg mit dem Titel Norma
futurarum actionum entwickelt. [3] Steinberg schlug vor,
grundsätzlich nur mit einzelnen Reichsständen Bündnisse
abzuschließen und darauf zu bestehen, dass dem König für
die Dauer des Krieges das «absolute Direktorium» in allen
militärisch-strategischen Fragen eingeräumt wurde. Die
Bündnispartner sollten sich verpflichten, «die Schweden mit
Geld und Leuten zu unterstützen, ihnen ihre Festungen zur
Verfügung zu stellen und im Bedarfsfall für Quartiere und
Verpflegung zu sorgen». [4] An die Stelle eines horizontalen
Bündnissystems, in dem die Mehrheit der Mitglieder über
die Strategie entschied, die der Bündnisoberste verfolgen
sollte, trat damit ein vertikales Bündnissystem, in dem
Gustav Adolf allein die Entscheidungen traf. Dabei konnte er
sich mit den Bündnispartnern beraten und auf ihre Wünsche
und Vorstellungen eingehen, aber sie vermochten nicht, ihn
auf bestimmte Schritte und Handlungen zu verpflichten. Die
in der «Eventualkonföderation» mit Hessen-Kassel verfolgte
Linie wurde so zur allgemeinen politischen Linie: Ja, es gab
ein Corpus Evangelicorum, doch es bestand nur in den
aufsummierten Einzelbündnissen der protestantischen
Reichsstände mit Schweden.
Der Erste, der sich dieser Politik Gustav Adolfs beugen
musste, war der Kurfürst von Brandenburg. Er hatte den
Schweden die strategisch wichtige Festung Spandau
überlassen, damit diese Magdeburg entsetzten, aber nach
dem Untergang der Stadt wollte er die Festung
zurückhaben; außerdem bestand er auf seiner Neutralität im
Konflikt zwischen König und Kaiser. Für Gustav Adolf hätte
das bedeutet, dass er die Havellinie aufgeben und sich auf
die Oderlinie zurückziehen musste. [5] Unter dem Eindruck
der Magdeburger Katastrophe hatte Gustav Adolf zeitweilig
über diesen Rückzug nachgedacht, doch als Tilly untätig bei
Magdeburg verharrte und anschließend ziellos nach
Thüringen und Hessen marschierte, beschloss der
Schwedenkönig, an der Havellinie festzuhalten. Dafür
brauchte er jedoch ein Bündnis mit Brandenburg. Um den
zögerlichen Georg Wilhelm dazu zu zwingen, wählte Gustav
Adolf ein doppeltes Vorgehen: Einerseits drohte er, seine
Truppen aus Brandenburg abzuziehen und das Land Tilly zu
überlassen, der es gewiss gründlich aussaugen werde;
andererseits positionierte er starke Kontingente nahe Berlin
und ließ Kanonen auffahren, als habe er vor, den Kurfürsten
anzugreifen. Er wollte endlich wissen, woran er mit
Brandenburg war. «Unsere Tractate [Verhandlungen] mit
dem Kurfürsten von Brandenburg», schrieb er am 4. Juni an
Feldmarschall Horn, «haben einen sehr seltsamen Verlauf;
was den einen Tag abgehandelt ist, wird den andern
umgestoßen, so daß wir uns auf keine Weise versichert
halten können.» [6]
Gut zwei Wochen später, am 21. Juni, gab Georg Wilhelm
klein bei und schloss einen Vertrag, in dem er Gustav Adolf
für die Dauer des Krieges das Besatzungsrecht für Spandau
einräumte, dazu das Recht, im Notfall die Festung Küstrin
mit eigenen Truppen zu besetzen, und schließlich die
Zahlung monatlicher Kontributionen in Höhe von
30000 Reichstalern als Entgelt für die Abwehr Tillys.
Brandenburg stand damit in einem Klientelverhältnis zu
Gustav Adolf. Nur aus einer Notlage heraus und weil die
Schweden Druck auf ihn ausgeübt hätten, sei er dieses
Bündnis eingegangen, ließ Georg Wilhelm in Briefen an den
Kaiser und den sächsischen Kurfürsten mitteilen. Der Kaiser
nahm die Erklärung nicht an, sondern forderte Georg
Wilhelm ultimativ auf, allen kaiserlichen Mandaten und
Ermahnungen zu folgen und in ein Bündnis gegen Schweden
einzutreten. Für Johann Georg wiederum war klar, dass
Brandenburgs Bündnis mit Schweden die erste Bresche im
Leipziger Bund war und dass ihr weitere folgen würden. Der
Druck auf Johann Georg wuchs noch dadurch, dass Herzog
Wilhelm von Sachsen-Weimar sich durch Tillys Marsch in
Richtung Unstrut und Werra genötigt sah, seine gemäß den
Leipziger Beschlüssen angeworbene Armee wieder
aufzulösen und nach Dresden unter den Schutz Johann
Georgs zu flüchten. [7] Gewährte der Kurfürst ihm Schutz,
ergriff Johann Georg Partei, und seine Neutralität war in
Frage gestellt; verweigerte er dagegen den Schutz, so
kündigte er selbst die Leipziger Beschlüsse auf und dankte
als Haupt des politischen Protestantismus in Deutschland
ab. Johann Georg musste sich entscheiden, auch deswegen,
weil Wilhelms Bruder Bernhard sich nicht nach Dresden,
sondern ins Feldlager Gustav Adolfs begeben hatte, um sich
diesem als Offizier zur Verfügung zu stellen. Die Weimarer
zeigten so, welche zwei Optionen die deutschen Protestanten
hatten. Johann Georg musste nun beweisen, dass er
tatsächlich eine Option war.
Das Flugblatt stellt den Anschluss Brandenburgs und Sachsens an Schweden im
Jahr 1631 als Bündnis im Zeichen biblischer Verheißungen dar. Die drei Männer –
Gustav Adolf in der Mitte, Johann Georg von Sachsen und Georg Wilhelm von
Brandenburg zu beiden Seiten – stehen einträchtig beisammen. Das Kleeblatt
(lateinisch trifolium), auf dem sie stehen, ist ein Sinnbild des festen Bandes, das
sie umschlingt. So sind sie vom Kleeblatt über das verknotete Tuch in Hüfthöhe
bis zum Symbol des Göttlichen über ihnen dreifach miteinander verbunden –
allegorisch wird hier beschworen, was politisch fragil ist.

Die endgültige Festlegung des Kurfürsten erzwangen indes


der Kaiser und Tilly. Der Kaiser verbot Johann Georg den
Aufbau des Heeres, den der in sächsische Dienste getretene
Feldmarschall Arnim organisierte. Hinzu kam eine Erklärung
Tillys, in der es hieß, der Augsburger Religionsfrieden, auf
den sich die kursächsische Politik durchweg berief, sei nur
ein Interim. Früher einmal seien die Katholiken dazu
gezwungen worden, als die Protestanten übermächtig waren
und ihnen Vorschriften machen konnten, jetzt aber, da sich
das Blatt gewendet habe und die Katholischen im Vorteil
seien, müsse man auch den Religionsfrieden neu
verhandeln. [8] Johann Georgs kaisertreue Gesinnung sei ihm
zwar bekannt, fuhr Tilly fort , doch er müsse ihn auffordern,
sein Heer wieder aufzulösen, weil es zu Irritationen und
Missverständnissen führe, die sich später nicht mehr
korrigieren ließen. Tilly trat um einiges resoluter auf, als das
sonst seine Art war. Er hatte inzwischen vom Kaiser freie
Hand bekommen, zur Elbe vorzustoßen und in das
Territorium des Kurfürsten einzudringen, wenn Johann
Georg nicht zu einer «wirklichen Deponierung der Waffen»
bereit sei, «sondern einen abschlägigen oder auch nur einen
verzuglichen Bescheid erfolgen» lasse. [9] Der Kaiser wollte
auf den sächsischen Kurfürsten hinfort keine Rücksicht mehr
nehmen. Kursachsen sollte sich den kaiserlichen
Anordnungen unterwerfen, oder Tilly würde das Land
besetzen. Auch der Kaiser verweigerte sich also dem
kurfürstlichen Neutralitätsanspruch.
Doch Tilly rückte vorerst nicht bis zur Elbe vor, sondern
marschierte zur Havel nach Werben, wo es ihm, wie
berichtet, nicht gelang, Gustav Adolf aus seinem gut
befestigten Lager herauszulocken. Noch traute dieser sich
eine offene Feldschlacht gegen Tilly nicht zu. Derweil war in
Tillys Rücken ein weiterer Unruheherd entstanden, denn
Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel ging nun mit einem
7000 Mann starken Heer gegen die an Werra und Fulda
stehenden kaiserlichen Besatzungen vor. [10] Im Unterschied
zu dem immer noch zögerlichen sächsischen Kurfürsten
hatte der Landgraf eine Entscheidung getroffen und am
22. August sein Bündnis mit Schweden öffentlich gemacht.
Das war nicht ungefährlich für ihn, denn aus
Süddeutschland rückten starke kaiserliche Verbände unter
Egon von Fürstenberg und Otto Heinrich von Fugger heran.
Sie waren bislang damit beschäftigt gewesen, die von den
evangelischen Ständen im Süden gemäß den Leipziger
Beschlüssen geworbenen Truppen zu zerstreuen.
Fürstenberg aber zog an Hessen-Kassel vorbei, denn Tilly
hatte ihm den Befehl gegeben, sich mit seinen Regimentern
dem Hauptheer anzuschließen und mit ihm in Kursachsen
einzufallen. Damit war die Zeit des Zauderns und Zögerns in
Dresden zu Ende: Am 12. September wurde das Bündnis
zwischen Gustav Adolf und Johann Georg geschlossen. Fünf
Tage später kam es bei Breitenfeld zur
Entscheidungsschlacht.
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des
Krieges
Dass es zur Schlacht bei Breitenfeld kam, war unter
anderem die Folge einer doppelten Fehlannahme. Gustav
Adolf ging davon aus, er sei nach der Verbindung mit den
Truppen des sächsischen Kurfürsten seinem Gegner an
Soldaten deutlich überlegen. Tilly hingegen nahm an, er
habe es nur mit der sächsischen Armee zu tun, als er sich
entschloss, nördlich des von ihm eingenommenen Leipzig
eine Schlachtaufstellung gegen den anrückenden Feind
einzunehmen. Hätte er gewusst, dass er es mit dem bei
Düben vereinigten Heer der Sachsen und Schweden zu tun
bekommen würde, hätte er sicherlich noch ein paar Tage
gewartet, zumindest bis die 6500 Veteranen eingetroffen
wären, die durch Thüringen heranzogen und zum Zeitpunkt
der Schlacht etwa 100 Kilometer von Leipzig entfernt waren.
Hätte er noch etwas länger gewartet, wäre Fugger mit
weiteren 10000 Mann dazugekommen. So aber waren die
Heere der Schweden und Sachsen am 17. September 1631
den kaiserlich-ligistischen Truppen zahlenmäßig überlegen:
Die Schweden verfügten über 24900 Mann, die Sachsen
über 18300 Mann, beide zusammen also über 43200 Mann,
denen auf Seiten Tillys 32000 Mann gegenüberstanden. [1]
Da Tilly einen Tag früher als Gustav Adolf auf dem Terrain
zwischen den Dörfern Podelwitz und Göbschelwitz eintraf,
nahm er die zunächst günstigere Position ein: Er bezog in
dem ebenen Gebiet auf einem leichten Höhenzug nach
Norden hin Stellung, so dass ihm die Sonne im Rücken
stand. Schweden und Sachsen mussten nicht nur gegen die
Sonne marschieren, sondern hatten am Vormittag auch
starken Gegenwind, der auf den ausgetrockneten Feldern
Sand und Erde aufwirbelte. [2] Obendrein hatte Tillys Heer
auf dem Schlachtfeld übernachtet, während die Truppen
Gustav Adolfs und des Kurfürsten in Kampfformation
vorrückten und erst gegen Mittag die vorgesehenen
Gefechtspositionen erreichten. Robert Monro, der mit
seinem schottischen Regiment an der Schlacht von
Breitenfeld teilnahm, hält in seinen Kriegserlebnissen fest,
Tilly habe «das Gelände höchst vorteilhaft für die
Aufstellung seiner Infanterie, der Reiterei und der Artillerie
ausgesucht» und der Feind sei nicht nur durch das Gelände,
sondern auch durch «die Windrichtung und den
Sonnenstand» begünstigt gewesen. [3] Bereits beim
Anmarsch gerieten die Schweden und Sachsen unter
schweres Feuer der kaiserlich-ligistischen Kanonen, das sie
nicht erwidern konnten, weil ihre eigenen Geschütze erst in
Stellung gebracht werden mussten. «Wir rückten», so
Monro, «in Schlachtaufstellung unter
Trompetengeschmetter, Trommelklang und mit fliegenden
Fahnen vor, bis wir in den Feuerbereich der Artillerie des
Feindes kamen. […] Die ganze Zeit über, in der wir unter
Kanonendonner und dem Heulen und Jaulen der
heranfliegenden Kanonenkugeln nach dem Schlachtplan
aufmarschierten, feuerte der Feind in unsere Reihen, wo die
Geschosse, wie man sich vorstellen kann, große Verluste
hervorriefen.» [4]

Von 1625 bis 1649 hat der kaiserlich-ligistische Söldner Peter Hagendorf in einem
Tagebuch festgehalten, was ihm widerfahren ist – in einer bemerkenswert
sorgfältigen Schrift. Offenbar hat Hagendorf seine Aufzeichnungen um 1647/48 in
eine systematische Niederschrift gebracht. Das Tagebuch Hagendorfs wurde 1988
von Jan Peters in der Handschriftenabteilung der Berliner Staatsbibliothek
gefunden. Es scheint 1803 aus dem Nachlass eines Predigers dorthin gelangt zu
sein.

Monro bemüht sich, das Schlachtgeschehen präzise


darzustellen. Man kann davon ausgehen, dass der
kriegserfahrene Mann das, was er beschreibt, auch so
wahrgenommen hat; aber das war keineswegs bei allen
Soldaten der Fall. Für die übliche Wahrnehmung des
Geschehens dürfte eher der Bericht des Soldaten Peter
Hagendorf typisch sein, der freilich im Verband der
kaiserlich-ligistischen Truppen diente. Hagendorf berichtet,
wie man Anfang September nach Leipzig zog, die Stadt
belagerte und nach ihrer Übergabe in Richtung Norden
marschierte, wo man sich mit dem schwedischen König
schlug – das alles ohne Blick für die Bedeutung der Schlacht
oder ein tiefergehendes Interesse am Schlachtverlauf. Er
fasst die Ereignisse von etwas mehr als einer Woche in
wenigen Zeilen zusammen; er beginnt mit der Belagerung
Leipzigs: «Hier das Lager aufgeschlagen, alsbald geschanzt,
Laufgräben gemacht, die Kanonen aufgefahren und die Stadt
beschossen. Den 7. September da haben sie mit Akkord die
Stadt samt dem Schloß aufgegeben und sind abgezogen den
7. September im Jahr 1631. Da sind wir im Lager wohlauf
gewesen die Zeit über, bis der Schwede ist angekommen.
Den 17. September nach Eroberung der Stadt [Leipzig] ist
der König [Gustav Adolf] mit ganzer Macht samt der
sächsischen Armee angekommen. Da sind wir ihm
entgegengegangen, über zwei Stunden [gemeint ist der
Marsch vom Leipziger Lager auf den leichten Höhenzug
zwischen Podelwitz und Göbschelwitz]. An diesem Tag sind
wir geschlagen worden, die ganze bayrischen Armee,
ausgenommen diese 4 Regimenter nicht, nämlich
Pappenheim, Wallies, Wangler und Jung-Tilly. Denn wir sind
auf dem rechten Flügel gestanden und sind auf den Sachsen
getroffen, die haben wir alsbald in die Flucht geschlagen. Da
wir vermeint haben, wir haben gewonnen, ist aber unser
linker Flügel ganz geschlagen gewesen. Da haben wir uns
auch müssen wenden. Zu allem Glück kommt uns die Nacht
auf den Hals, sonst wären wir auch kaputt gemacht
worden.» [5]
Die Wahrnehmung und Beschreibung eines
Schlachtverlaufs kann also erheblich variieren. [6] In der
Wiedergabe Hagendorfs ist das Geschehen auf ein
Mindestmaß beschränkt, vor allem geht es um die Folgen für
ihn selbst: Er gehörte zu den Geschlagenen, wiewohl die
eigenen Einheiten zunächst erfolgreich waren; das
Wichtigste für ihn aber war, mit heiler Haut
davongekommen zu sein. Hagendorfs Blick ist auf seine
unmittelbare Umgebung gerichtet. Das ist es, was ihn
beschäftigt; alles andere hält er nur insofern für
erwähnenswert, als es ihn mehr oder weniger betrifft. Der
«Blick von unten», die Wahrnehmung des einfachen
Soldaten, verbindet sich hier mit einer radikal subjektiven
Sichtweise, dementsprechend eingeschränkt ist das
Blickfeld. Der Verlauf der Schlacht in seinen einzelnen
Abschnitten war für Hagendorf ohne Relevanz, zumal er
selbst keinen Einfluss darauf hatte. Er war ein Teil der
Massen, die von den Feldherren bewegt wurden, und worauf
es für ihn ankam, das teilte er mit. Wäre Hagendorfs Bericht
das einzige historische Zeugnis über die Schlacht von
Breitenfeld, könnten wir schwerlich ermessen, was sie für
den Fortgang des Krieges bedeutet hat.
Dem steht der Blick vom Feldherrnhügel gegenüber, der
das gesamte Geschehen erfasst, das eigene Zentrum, die
beiden Flügel, dazu den Gegner und dessen Aufstellung; der
die feindlichen Bewegungen in ihrer Bedeutung für den
Schlachtverlauf zu begreifen versucht, um Befehle zu
eigenen Gegenmaßnahmen geben zu können, und
beobachtet, ob und wie sie ausgeführt werden – kurzum: der
weit genug reicht für Aktion und Reaktion. Dieser Blick vom
Feldherrnhügel ist freilich eine idealisierte Position, die von
den wirklichen Feldherren nur für kurze Zeit oder gar nicht
eingenommen wurde. Bei Breitenfeld dürfte Tilly in der
Anfangsphase der Schlacht eine solchen Stellung
eingenommen haben. Gustav Adolf dagegen ist an diesem
Tag zu keinem Zeitpunkt in dieser Position gewesen: Sein
Aufmarschraum bot keine Erhöhungen, von denen aus man
das Schlachtfeld überblicken konnte, der König und seine
Umgebung befanden sich in der Bewegung, und obendrein
hatte Gustav Adolf die Angewohnheit, sich an den Stellen
des Kampfgeschehens aufzuhalten, wo er gebraucht zu
werden glaubte. Er neigte dazu, «von vorne» und nicht vom
Feldherrnhügel aus zu führen; das konnte er sich freilich nur
leisten, weil er in der Lage war, sich ein Bild von der
Schlacht zu machen, als ob er sie vom Feldherrnhügel aus
überblicken würde. Hatte die Schlacht erst einmal
begonnen, so war die Sicht durch den Rauch der Musketen
und Kanonen sowie den bei Kavallerieattacken
aufgewirbelten Staub ohnehin so stark beeinträchtigt, dass
man sich auf seine Vorstellungskraft verlassen musste.
Dass die Wahrnehmung der Schlacht sehr unterschiedlich
ausfallen kann, gilt auch für den retrospektiv arbeitenden
Historiker, der sich entweder auf den imaginierten
Feldherrnhügel stellt und von dort das Geschehen überblickt
oder sich selbst ins Kampfgetümmel stürzt und so tut, als
stünde er an der Seite eines der Kämpfer. Beides stimmt mit
dem tatsächlichen Blickfeld der jeweiligen Akteure nicht
unbedingt überein: Der Historiker auf dem Feldherrnhügel
sieht sehr viel mehr, als der Feldherr im Augenblick der
Schlacht sehen konnte, und vor allem weiß er mehr, als der
Feldherr in der konkreten Situation wissen konnte. In
gewisser Hinsicht trifft das auch auf jenen Historiker zu, der
sich in die Lage des einfachen Soldaten hineinversetzt, denn
sein Bericht ist raumzeitlich sehr viel stärker strukturiert,
als die unmittelbare Wahrnehmung der Kampfsituation das
zulässt. Wie auch immer das Geschehen durch den
Historiker beschrieben wird – es ist klarer und geordneter,
als es die Beteiligten wahrgenommen und im Nachhinein
selbst dargestellt haben.
Oberst Monro nimmt bei alldem eine mittlere Position ein:
Er befindet sich mitten im Gefecht, muss aber mehr erfassen
als nur die unmittelbaren Vorgänge, um seine Soldaten
dirigieren und die eintreffenden Befehle ausführen zu
können. Unter feindlichem Feuer hatte man am Vormittag
des 17. September schließlich die vorgesehenen Positionen
erreicht; dann wurden die eigenen Geschütze in Stellung
gebracht, durch Schanzkörbe rechts und links gegen
Musketenfeuer gesichert und auf den Feind ausgerichtet.
Bis dahin hatten, sieht man von den Scharmützeln der
Plänkler und der leichten Reiterei einmal ab, nur die
aufmarschierenden Schweden und Sachsen Verluste erlitten.
Tilly hatte den Geländevorteil und seinen Zeitvorsprung
genutzt. «Dann», so Monro, «brüllten unsere Kanonen los,
große und kleine, und zahlten dem Feind mit gleicher Münze
zurück. Dieses Artilleriefeuer dauerte dann auf beiden
Seiten etwa zweieinhalb Stunden. Während dieser Zeit
standen unsere Schlachtreihen der Infanterie und der
Kavallerie fest wie eine Mauer, obwohl die Kanonenkugeln
ab und zu große Lücken in die Formationen unserer Leute
rissen. Aber durch die Wachsamkeit der Offiziere und
dadurch, dass alle Hände mit anpackten, wurden die Lücken
sofort wieder geschlossen, und die Verwundeten wurden auf
die Seite zu den Feldschern gebracht. So standen die
Offiziere fest, überblickten ihren Kommandobereich, und
einer trat für den anderen ein, wenn sich eine Gelegenheit
dazu ergab.» [7]
Monro hatte schon eine Reihe von Gefechten hinter sich
und war nicht leicht aus der Fassung zu bringen. Man darf
unterstellen, dass er auch an diesem Vormittag den
Überblick behielt. An einer so großen Schlacht wie der bei
Breitenfeld hatte er jedoch noch nicht teilgenommen.
Außerdem war er in der beschriebenen Situation nicht nur
Beobachter: Er gehörte zu den Offizieren, die dafür sorgten,
dass die Lücken geschlossen wurden, die feindliche Kugeln
in die Aufstellung gerissen hatten. Auch wenn die
Infanterieformationen noch gar nicht ins Gefecht
eingegriffen hatten, musste er doch ständig Kommandos
geben und sicherstellen, dass seine Einheit unter dem
feindlichen Artilleriefeuer nicht auseinanderfiel. Das
Krachen der Kanonen und die Schreie der Sterbenden
dürften seine Sinne in Anspruch genommen haben. Monros
im Gestus unmittelbarer Authentizität verfasster Bericht
bietet eine strukturierte Ordnung, die Monro erst im
Rückblick in die Darstellung hineinerzählt hat, und dabei
entsteht auch der heroische Ton, der das Erzählte
überwölbt. Das alles muss man in Rechnung stellen, wenn
man Monros Bericht liest. Er ist eine der wichtigsten
Quellen, auf deren Grundlage Spätere den Verlauf der
Schlacht von Breitenfeld rekonstruiert und dargestellt
haben. [8]

Tilly und Gustav Adolf scheinen sich bis zum Vorabend des
17. September nicht sicher gewesen zu sein, ob sie die
Schlacht annehmen sollten, die ihnen ihr jeweiliges
Gegenüber offenbar anbot. Es waren andere, die ihnen die
Entscheidung abnahmen oder zumindest erleichterten: bei
Tilly einmal mehr der ungestüme Pappenheim und bei
Gustav Adolf der gerade erst als Verbündeter gewonnene
Kurfürst von Sachsen, der darauf drängte, den in sein Land
eingedrungenen Feind so schnell wie möglich wieder
hinauszuwerfen. Anscheinend hat der König erwogen, Tillys
Heer mit Diversionsoperationen aus Kursachsen
herauszudrängen und dabei eine Entscheidungsschlacht zu
vermeiden. Das entsprach dem damaligen Stand der
Kriegslehre: Bei einer Schlacht ließ man sich auf eine Fülle
von Unwägbarkeiten ein, man begab sich in die Hand der
Glücksgöttin Fortuna, bei der man nicht wusste, wem sie
gewogen war. Dagegen hatte man in der Manöverstrategie,
dem Operieren gegen die Versorgungslinien des Feindes, die
Vorgänge sehr viel besser unter Kontrolle. Seit der
Vereinigung mit dem sächsischen Heer war Gustav Adolf
dem Gegner zahlenmäßig überlegen, doch was die gerade
erst geworbene sächsische Armee zu leisten imstande war,
hatte sie noch nicht unter Beweis gestellt. Die sächsischen
Rekruten mussten sich gegen Tillys altgediente, in vielen
Schlachten erprobte Krieger behaupten. Am Schluss setzten
sich bei Gustav Adolf die politischen gegen die militärischen
Argumente durch, und der König ließ sich auf die Schlacht
ein. Seinem Temperament entsprechend tat er dies,
nachdem er die Entscheidung erst einmal getroffen hatte,
mit großer Entschlossenheit.
Bei Tilly lagen die Dinge etwas anders: Er war dem
anrückenden Feind von Leipzig aus entgegenmarschiert, wie
oben dargestellt in der Annahme, es handele sich nur um die
sächsische Armee. Dann trafen Meldungen ein, dass auch
die Schweden heranzogen, und das hieß, dass der Gegner
kräftemäßig überlegen war. Tilly berief einen Kriegsrat ein
und gab zu bedenken, ob es nicht besser sei, den Zuzug der
Verstärkungen abzuwarten und sich erst dann zur Schlacht
zu stellen. Feldmarschall Pappenheim vermutete hinter
diesem Vorschlag einmal mehr jene Zögerlichkeit, über die
er sich oft beklagte. Er hatte kein Zutrauen mehr zu Tillys
Urteilskraft und Entscheidungsfähigkeit. Mit einer starken
Kavallerieeinheit unternahm er einen Erkundungsvorstoß
nach Norden, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, auf
wen man treffen werde. Er stieß auf sächsische Kavallerie,
die er in die Flucht schlug; Gefangene ließ er mit der
Bemerkung zum eigenen Heer bringen, man habe es
offenbar doch nur mit den Sachsen zu tun. Tillys
Aufforderung, sich zurückzuziehen, folgte Pappenheim nicht.
Schließlich stieß er auf die Hauptarmee des Gegners und
teilte Tilly mit, jetzt sei ein Rückzug zu gefährlich, er
brauche 2000 Mann Verstärkung. [9] Da war Tilly klar, dass
Pappenheim ihn zur Schlacht zwingen wollte und er dem
nichts entgegenzusetzen hatte. «Dieser Kerl», soll er im
Zorn gerufen haben, «wird mich um meine Ehre und meinen
guten Ruf bringen und den Kaiser um sein Land und sein
Volk.» [10]
Vor Beginn der Schlacht wurden die Feldzeichen
ausgegeben und der Schlachtruf festgelegt: Auf Seiten Tillys
handelte es sich um weiße Armbänder und den Ruf «Jesu
Maria!»; bei Schweden und Sachsen war es ein grüner
Zweig, der am Hutband befestigt wurde, und der Ruf «Gott
mit uns!». Tilly hatte seinen spanischen Vorlieben gemäß
eine tiefe Aufstellung gewählt, was darauf hinweist, dass er
die Schlacht von Anfang an offensiv führen wollte. Im
Zentrum waren die aus Musketieren und Pikenieren
zusammengesetzten Tercios schachbrettförmig angeordnet.
Sie sollten nach vorbereitendem Artilleriefeuer und
Kavallerieattacken auf die gegnerischen Flügel den
entscheidenden Stoß führen, und dabei vertraute Tilly auf
die Angriffswucht seiner Veteranen. Die Einheiten des linken
Flügels kommandierte Pappenheim, die des rechten Flügels
Fürstenberg. Gustav Adolf hatte sich für eine deutlich
flachere Aufstellung entschieden; sie verschaffte höhere
Feuerkraft und größere Beweglichkeit, ließ aber nicht zu,
derart kraftvoll anzugreifen wie Tillys Tercios. Im Prinzip
führte Gustav Adolf das schwedische Zentrum selbst. Da er
jedoch, wie oben angedeutet, die Angewohnheit hatte,
dorthin zu reiten, wo sich gerade das Hauptgeschehen
abspielte, übernahmen die Obersten Wolf Matthias von
Teuffel und John Hepburn das Kommando; Generalleutnant
Johan Banér kommandierte den rechten, Feldmarschall
Gustav Horn den linken Flügel. Die schwedische Aufstellung
war eher defensiv, und ein Offensivstoß sollte aus der
Verteidigung heraus geführt werden. Das sächsische Heer
wiederum, das sich an den linken Flügel der Schweden
anschloss, hatte eine ganz eigene, eher kompakte
Aufstellung gewählt, bei der ebenfalls die Flügel von
Kavallerie und das Zentrum von Infanterieeinheiten gebildet
wurden, wobei Kavallerie und Infanterie in Form von
Dreiecken mit der Spitze gegen den Feind positioniert
waren. Der erfahrene Feldmarschall Arnim, der, auch wenn
sich Kurfürst Johann Georg bei der Armee befand, de facto
das sächsische Heer führte, misstraute offenbar der
Kampfkraft seiner Truppen und stellte deswegen seine
Regimenter so auf, dass sie sich gegenseitig Rückhalt gaben.
Wenn sie dem Angriff von Tillys rechtem Flügel standhalten
würden, hatten sie ihren Beitrag zur Schlacht geleistet.
Gustav Adolf entfaltete bei Beginn des Gefechts seinen
starken rechten Flügel – ob er das aus taktischen
Überlegungen heraus tat oder nur, um Sand und Staub
auszuweichen, mag dahingestellt bleiben –, so dass der ihm
gegenüberstehende Pappenheim sich immer weiter von
Tillys Zentrum entfernte, zumal dieses sich nach rechts
bewegte, da Tilly relativ früh die Sachsen als Schwachstelle
der gegnerischen Front ausgemacht hatte. Dadurch entstand
in Tillys Aufstellung eine Lücke zwischen dem linken Flügel
und dem Zentrum, in die Gustav Adolf hineinstieß, nachdem
sein eigener linker Flügel unter Horn am Nachmittag den
Angriff der kaiserlich-ligistischen Hauptmacht aufgefangen
und zurückgeschlagen hatte. Zuvor freilich hatte die
Schlacht auf Messers Schneide gestanden, da ein Großteil
der sächsischen Armee dem Angriff von Tillys rechtem
Flügel unter Fürstenberg nicht standgehalten hatte und vom
Schlachtfeld geflohen war. Gustav Adolfs Plan ging auf: Aus
einer stabilen Defensive heraus führte er, nachdem sich der
Gegner durch fortgesetzte Angriffe erschöpft hatte, den
entscheidenden Gegenangriff, den Tilly nicht mehr parieren
konnte. Tilly hatte keine Reserven mehr, denn diese waren
in der offensiven Aufstellung der Spanischen Tercios nicht
vorgesehen.

In den Analysen der Schlacht von Breitenfeld ist immer


wieder mit Erstaunen bemerkt worden, dass die beiden
Flügel Tillys gleichzeitig angriffen. [11] Das war damals
unüblich; in der Regel lag zwischen den Attacken der Flügel
ein zeitlicher Abstand, so dass sich beobachten ließ, wo der
Gegner stärker und wo er schwächer war. Unklar ist auch,
ob Pappenheim, der beim Angriff den Anfang machte,
während Fürstenberg unmittelbar danach folgte, dies auf
Weisung Tillys tat oder aber aus eigenem Entschluss
handelte. Manches spricht für Letzteres. Das schwedische
Artilleriefeuer, so wird berichtet, habe eine furchtbare
Wirkung in den Reihen des kaiserlich-ligistischen Heeres
gehabt. Die Verluste dürften doppelt so hoch gewesen sein
wie die in den Reihen der Schweden. [12] Einmal mehr
scheint Pappenheim zu dem Schluss gelangt zu sein, mit
Tillys Zögerlichkeit verspiele man den Sieg und ruiniere die
Armee. Also ergriff er die Initiative und befahl seinen
Kürassieren anzugreifen. Die Schweden aber waren darauf
vorbereitet, und zwischen den Kavallerieeinheiten, denen
Pappenheims Angriff galt, standen Musketiere, die seine
4000 Kürassiere mit Salvenfeuer empfingen. Vor allem
verfügten die Schweden über leichte Regimentskanonen, die
in den Reihen der Reiter aufgestellt waren und in schneller
Folge in die feindliche Kavallerie hineinschossen. Anstelle
der traditionell gegen Reitereiattacken eingesetzten
Pikenierhecke [13] hatte Gustav Adolf die Feuerkraft seiner
Musketiere erhöht und ihnen durch die Regimentskanonen
zusätzlichen Rückhalt verschafft.
Als Pappenheim erkannte, dass seine Kavallerie die
schwedischen Reihen nicht aufbrechen konnte, zog er das
seinem Flügel zugeordnete Infanterieregiment Holstein
sowie die Arkebusierregimenter Merode und Piccolomini
nach, um die schwedischen Linien seinerseits unter
Salvenfeuer zu nehmen. Zudem sammelte er erneut seine
Kürassierregimenter, um den schwedischen Flügel
anzugreifen und aufzurollen. Dazu musste er noch weiter
nach links ausholen und entfernte sich so immer weiter von
Tillys Zentrum. Gustav Adolf winkelte daraufhin die am
äußersten Rand seines rechten Flügels stehenden
Regimenter nach hinten ab und verstärkte sie durch ein
Kavallerieregiment seines zweiten Treffens. Sieben Mal soll
Pappenheim mit seinen Reitern angegriffen haben, doch
jedes Mal prallte der Angriff an der schwedischen Feuerkraft
ab. Am Nachmittag gegen vier Uhr waren Pappenheims
Reiter erschöpft und desorganisiert. Die Lücke zum Zentrum
war immer größer geworden, und in diese stieß nun, wie
oben bereits angedeutet, der von frischen Einheiten des
zweiten Treffens vorgetragene schwedische Gegenangriff.
Ihm hatte der linke Flügel des kaiserlich-ligistischen Heeres
nichts mehr entgegenzusetzen. Er löste sich auf.
Der Erfolg der Schweden auf dem rechten Flügel wäre für
den Schlachtverlauf indes folgenlos geblieben, wenn es nicht
Horn auf dem linken Flügel gelungen wäre, die Flucht eines
Großteils der sächsischen Armee durch geschicktes
Taktieren auszugleichen und den Stoß von Tillys rechtem
Flügel sowie dessen Zentrum aufzufangen. Die von
Fürstenberg kommandierte Kavallerieattacke hatte zunächst
einen ganz anderen Verlauf genommen als der von
Pappenheim geführte Angriff: Unter ihrer Wucht waren die
sächsischen Infanterieregimenter auseinandergebrochen,
deren gesamte Artillerie war in die Hände der Angreifer
gefallen, diese hatten die Kanonen umgedreht und aus
kurzer Entfernung in die Reihen der Sachsen
hineingeschossen. Einige Offiziere suchten die Ordnung
wiederherzustellen, doch als sie dabei den Tod fanden, gab
es kein Halten mehr und die sächsische Armee floh vom
Schlachtfeld. Als einer der Ersten floh Kurfürst Johann
Georg; erst in Eilenburg, mehr als zehn Kilometer vom
Schlachtfeld entfernt, machte er halt. Dieser Ort habe «den
Namen nicht vergebens gehabt, weil sie eilen mußten»,
spottete man im schwedischen Lager. [14] Das war eher
zurückhaltend. Monro verlieh seiner Verachtung für die
Soldaten des Kurfürsten deutlicher Ausdruck: «Die ganze
Nacht [nach der Schlacht] über aber gaben die Sachsen,
unsere tapferen Kameraden, Fersengeld, weil sie dachten, es
sei alles verloren. Dafür plünderten sie unsere Wagen und
unser Gepäck als gute Belohnung für diese elenden Tröpfe,
die ihren Herzog im Stich gelassen und die gute Sache und
ihr Land verraten hatten, während wir als Fremde unser
Leben für ihre Freiheit einsetzten.» [15]
Es flohen indes nicht sämtliche sächsische Einheiten;
mehrere Regimenter unter Feldmarschall Arnim hielten
stand und zogen sich kämpfend auf den linken Flügel der
Schweden zurück. Zwei Faktoren entschieden den Ausgang
der Schlacht zugunsten der Protestanten. Zunächst der
Umstand, dass Fürstenberg den rechten Flügel Tillys nach
dem Sieg über die Sachsen nicht unter Kontrolle behielt: Die
Kroaten – und nicht etwa die flüchtenden Sachsen selbst,
wie Monro behauptete – plünderten die sächsische Bagage,
[16] andere Einheiten verfolgten die Fliehenden und standen
damit für einen weiteren Angriff auf die Schweden nicht zur
Verfügung. Insgesamt gab man sich mit dem Sieg über die
Sachsen zufrieden, offenbar in der Überzeugung, damit habe
man seine Schuldigkeit für diesen Tag getan. Es war also
nur das Zentrum Tillys, das nun gegen den linken
schwedischen Flügel vorstieß; durch die Untätigkeit
Fürstenbergs war inzwischen jedoch so viel Zeit vergangen,
dass Gustav Horn sich auf die neue Lage einstellen und eine
geschlossene Abwehrlinie entlang der Straße von Leipzig
nach Düben bilden konnte. Die schwedische Kavallerie
deckte die durch die Flucht der Sachsen offene Flanke. Horn
stellte sie in einem abknickenden Winkel zur Infanterie auf,
deren Position er nur geringfügig verändern musste. Das
ging schnell, und es entstanden keine Lücken. Inzwischen
hatte auch der Wind gedreht und blies nun den kaiserlich-
ligistischen Truppen Staub und Qualm entgegen.

Der Kupferstich aus Merians Theatrum Europaeum zeigt die Entwicklung der
Schlacht bei Breitenfeld aus Sicht der siegreichen Schweden. Gustav Adolfs linker
Flügel geht zu einem massiven Angriff vor, dem die Kaiserlichen nicht standhalten
können. An ihrem hinteren Rand lösen sich Tillys Einheiten auf. Ganz links stehen
verlassene Kanonen, die auf die Flucht der Sachsen hindeuten. Währenddessen
geht das in mehrere Treffen gegliederte schwedische Zentrum zusammen mit
dem linken Flügel zum Angriff über. Der Kupferstecher hat den Kampf der
Infanteriemassen ins Zentrum seiner Darstellung gerückt; wer sich in das Bild
hineinliest, findet darin eine bemerkenswert analytische Schlachtdarstellung.

Damit begann nach den Kämpfen auf beiden Flügeln die


dritte Phase der Schlacht. Tillys Zentrum rücke in drei
Säulen zum Angriff vor. Sie trafen auf eine schwedische
Formation, die nach den von Gustav Adolf modifizierten
Vorgaben der oranischen Strategielehre aufgestellt war, also
nicht in tiefen Blöcken, sondern in zweimal sechs Gliedern,
einem ersten und einem zweiten Treffen. Dazwischen überall
leichte Kanonen, mit denen die Feuerkraft der Musketiere
erhöht wurde. Schon die ersten Salven brachten Tillys
Tercios zum Stehen. Die so entstandene Verwirrung
ausnutzend, gingen die Schweden zum Pikenangriff über,
trieben die Tercios auseinander und schlugen sie in die
Flucht. Als auch die schwedische Kavallerie zur Attacke
überging, schlossen sich weitere, bislang noch
unerschütterte Einheiten den Fliehenden an. Die Auflösung
des kaiserlich-ligistischen Heeres nahm ihren Anfang, als
Gustav Adolf das Zentrum seiner Aufstellung in die durch
Pappenheims Linksschwenk entstandene Lücke hineinstoßen
ließ.
Am Nachmittag des 17. September hörte Tillys
Veteranenarmee, die in den zurückliegenden zehn Jahren
von Sieg zu Sieg geeilt war, auf zu bestehen. Sie habe, so
William Guthrie, aus den besten Soldaten Europas
bestanden. [17] Diese galten als unbesiegbar. Insofern ging
bei Breitenfeld auch ein Mythos zugrunde, der bis dahin das
militärische Planen und Handeln beider Seiten bestimmt
hatte. Damit veränderten sich die Konstellationen des
Krieges von Grund auf. Am Abend auf dem Schlachtfeld, als
aus zerbrochenem Kriegsgerät wärmende Feuer entzündet
wurden, [18] dürfte das den wenigsten klar gewesen sein. Die
Folgen der Schlacht sollten sich aber schon bald darauf
zeigen.
Gustav Adolfs Siegeszug durch
Deutschland
Drei Tage nach seinem großen Sieg bei Breitenfeld schrieb
Gustav Adolf, er habe allen Grund, «Gott zu danken, daß er
uns mildigliche beschützt hat in einer so evidenten Gefahr,
wie wir kaum je zuvor in einer gewesen». [1] Ein ums andere
Mal hatte er sich dorthin begeben, wo der Kampf am
härtesten tobte, um durch Befehl und Vorbild für die eigene
Seite die Oberhand zu gewinnen. Zugleich war dem
Lutheraner Gustav Adolf die Nähe des Todes stets präsent:
Er hielt sich weder für unverwundbar, noch war er der
Überzeugung, Gott werde ihn in allen Gefahren beschützen.
In seiner Abschiedsrede vor Reichsrat und Reichstag beim
Aufbruch nach Deutschland hatte er erklärt: «Und da es die
Regel ist, daß der Krug so oft zum Brunnen geht, bis er
schließlich bricht, so wird das auch mit mir nicht anders
geschehen, daß ich, der ich in so vielen Gefahren und bei so
vielen Gelegenheiten mein Blut für das Wohlergehen des
schwedischen Reiches vergossen habe, obgleich ich bisher
durch den gütigen Schutz Gottes mit dem Leben
davongekommen bin, dieses letztendlich doch verlieren
muß.» [2] Bei Breitenfeld war der Tod am König
vorübergegangen. Das war für Gustav Adolf nicht
selbstverständlich, und so begann er einen Brief vom
20. September auch mit dem tiefen Bedauern über den
«Verlust so tapferer Männer», fuhr dann aber fort, der
errungene Sieg sei von unendlicher Wichtigkeit gewesen.
Gustav Adolf hatte schnell erfasst, dass dieser Sieg einen
Wendepunkt des Krieges darstellte. [3]
Die Schweden konnten die auf dem Schlachtfeld erlittenen
Verluste von etwa 3000 Mann – die sächsischen Verluste
allein dürften ebenso hoch gewesen sein – leicht
ausgleichen, indem sie ihre Regimenter mit gefangen
genommenen Soldaten des Gegners wieder auffüllten. Und
nicht nur das: Sie konnten neue Einheiten aufstellen und so
das Heer weiter vergrößern. Größere Probleme waren dabei
nicht zu erwarten, denn viele Soldaten des kaiserlichen
Heeres waren Protestanten, und das Charisma des Siegers,
dem die Söldner neben der Aussicht auf regelmäßige
Bezahlung folgten, war nun von Tilly auf Gustav Adolf
übergegangen. In einem am Tag nach der Schlacht im
schwedischen Heerlager verfassten Schreiben heißt es, Tilly
habe «in etwa 5 Stunden (so lange währte die Schlacht)
seine Reputation verloren», denn man habe gesehen, «daß
Tilly auch eine Schlacht verlieren kann». [4] Tilly selbst war
in der Schlacht verwundet worden; 600 Fußsoldaten und
1500 Reiter hatten ihn, der auf einer Bahre transportiert
werden musste, vom Schlachtfeld eskortiert, zunächst nach
Leipzig und dann nach Halle, wo er medizinisch versorgt
wurde. Auch er war dem Tod nur knapp entgangen: In der
Schlussphase der Schlacht, als sich die Tercios in Auflösung
befanden, hatte ein hochgewachsener schwedischer Offizier
dem General, der bereits durch mehrere Pistolenschüsse
verwundet war, im Kampfgetümmel seinen Karabiner in den
Nacken geschlagen. Er hätte den kleinen und schmächtigen
Tilly überwältigt, wenn nicht Herzog Franz Albrecht von
Sachsen-Lauenburg herangaloppiert wäre und den
Schweden mit seiner Reiterpistole vom Pferd geschossen
hätte. [5] Tilly genas wieder, die kaiserlich-ligistische Armee
aber war bei Breitenfeld vernichtet worden. [6]
Der Kupferstich bezieht sich auf den Sieg Gustav Adolfs über Tilly bei Breitenfeld:
Kurfürst Johann Georg schlägt mit seinem Stab dem aus den Schüsseln «Religion»
und «Regio» naschenden Tilly auf die Finger, und Gustav Adolf bedroht ihn mit
einer Schale. Tilly ist die Verkörperung aller Laster: Er steht auf den Kugeln
«Betrug» und «Missgunst», seine Arme heißen «Geiz» und «Tyrannei». Gustav
Adolf als Verkörperung von «Stärke» und Johann Georg als «Verletzte Geduld»
klären den kaiserlichen General über ihre als Konfekt allegorisierten Werte auf:
«Heilig ist unß diß Confect / drum schlagen wir dich billich weg.»

Nach Breitenfeld stand Deutschland für Gustav Adolf offen.


In protestantischen Flugschriften wurde er als Retter und
Held gefeiert. Aber wohin sollte er sich wenden? Beim
Kriegsrat in Halle vom 24. bis 26. September wurden drei
Möglichkeiten diskutiert. [7] Die erste Option war, den
verbliebenen Streitkräften des Feindes zu folgen, sie
zunichtezumachen und Nordwestdeutschland unter
Kontrolle zu bringen. Diesen Vorschlag vertrat vor allem der
sächsische Feldmarschall Hans Georg von Arnim-
Boitzenburg. Die zweite Möglichkeit bestand in einem
Vorstoß nach Südosten, entweder entlang der Oder über
Schlesien oder auf dem direkten Weg nach Böhmen, um die
kaiserlichen Erblande zu erobern, bis Wien vorzudringen
und dem Kaiser den Frieden zu diktierten. Diese
«napoleonische Option» wurde von einigen Offizieren
vertreten, aber ihr wohl einflussreichster Fürsprecher,
Kanzler Oxenstierna, war beim Kriegsrat in Halle nicht
zugegen. [8] Die dritte Möglichkeit lief darauf hinaus, von
Sachsen aus nach Südwesten vorzustoßen und dabei in die
«Pfaffengasse» einzufallen, also die reichen Bistümer am
Main, von Oberfranken bis zum Rhein, unter Kontrolle zu
bringen. Damit wurden der Liga die
Finanzierungsgrundlagen entzogen, und der
südwestdeutsche Protestantismus, der sich seit Beginn der
1620er Jahre dem Katholizismus hatte beugen müssen,
konnte wieder in seine alten Rechte eingesetzt werden.
Dieser Option neigte der König selbst zu.
In allen drei Fällen gab es jedoch logistische
Beschränkungen und politische Faktoren, die genau zu
bedenken waren. Bis das Heer wieder in Bewegung gesetzt
werden konnte, würde es Anfang Oktober sein; bis zum
Wintereinbruch musste man die wesentlichen Ziele erreicht
haben, und die Truppen sollten sich in einem Gebiet
befinden, wo sie den Winter über Quartier beziehen und
versorgt werden konnten. Das sprach gegen den Vorstoß auf
Wien, denn bis Ende Herbst hätte man die Stadt kaum
eingenommen, und eine Belagerung im Winter war
ausgeschlossen. Solche jahreszeitlichen und logistischen
Überlegungen standen weder der Verlagerung des Krieges
nach Nordwestdeutschland noch der nach Süddeutschland
entgegen, wobei die Versorgungsmöglichkeiten in der
bislang vom Krieg verschonten «Pfaffengasse» deutlich
besser waren als die in Nordwestdeutschland, das in den
letzten Jahren ein Hauptkriegsschauplatz gewesen war. Den
Ausschlag für den Vorstoß zu Main und Rhein dürften aber
die politischen Konstellationen gegeben haben, und dabei
war, wie so oft in der Koalitionskriegführung, der Blick auf
den Freund wichtiger als der auf den Feind. Gustav Adolf
hatte nicht vergessen, wie lange es gedauert hatte, bis sich
der sächsische Kurfürst ihm als Verbündeter angeschlossen
hatte, und nach wie vor misstraute er dessen
Bündnisloyalität. Andererseits hatte sich die sächsische
Armee bei Breitenfeld nicht gerade rühmlich geschlagen,
was die Verhandlungs- und Durchsetzungsmacht Johann
Georgs erheblich einschränkte. Gustav Adolf war politisch
versiert genug, das den sächsischen Kurfürsten nicht spüren
zu lassen; vielmehr führte er mit ihm ein Gespräch «von
Sieger zu Sieger» und lobte Johann Georg für den Mut, die
Schlacht überhaupt gewagt zu haben. Über seine Flucht vom
Schlachtfeld wurde nicht geredet. Johann Georg wusste
freilich, dass sie jederzeit auf den Tisch kommen konnte,
wenn er allzu fordernd auftrat oder sich dem König
entgegenstellte.
Der sächsische Kurfürst schlug vor, dass er sich selbst mit
dem inzwischen reorganisierten sächsischen Heer in
Richtung Main und Rhein aufmachte, um den dortigen
Protestanten als Befreier zu Hilfe zu kommen; Gustav Adolf
hingegen solle den Krieg in Böhmen und Schlesien
fortsetzen und dabei versuchen, den Kaiser friedenswillig zu
machen. Gustav Adolf durchschaute Johann Georgs Plan: Der
Sachse wollte sich aus dem Krieg gegen den Kaiser
heraushalten und selbst einen Feldzug mit Aussicht auf
große Beute führen. Dabei würde er wohl die Liga
schwächen, aber deren Oberhaupt, Kurfürst Maximilian von
Bayern, nicht angreifen. Die Politik der «dritten Partei»
würde damit auf die politische Bühne zurückkehren:
Während Gustav Adolf mit dem Kaiser in Böhmen, Schlesien
und Oberösterreich Krieg führte, würde der sächsische
Kurfürst die reichsten Gebiete Deutschlands unter seine
Kontrolle bringen und sich mit dem bayerischen Kurfürsten
über Einflussgebiete und Interessengrenzen verständigen.
Gustav Adolf fürchtete, Johann Georg werde bei nächster
Gelegenheit zum Kaiser zurückkehren. Er entschied sich
darum für die umgekehrte Rollenverteilung und legte fest,
dass die Sachsen in Schlesien und Böhmen Krieg führen
sollten, da Johann Georg in diesen an sein Land
angrenzenden Gebieten ja auch eigene Interessen habe,
während er, Gustav Adolf, mit seinem Heer zum Main
aufbrechen werde. Dort stehe ein harter Kampf bevor, für
den das sächsische Heer noch zu unerfahren sei, wie sich bei
Breitenfeld gezeigt habe. Johann Georg konnte dem schlecht
widersprechen; nun musste er den Preis für seine Flucht
vom Schlachtfeld doch noch bezahlen.
Die Entscheidung von Halle legte indes ein politisch-
strategisches Dilemma Gustav Adolfs offen, über das er sich
schwerlich im Klaren gewesen sein dürfte, als er den
Entschluss fasste, nach Deutschland zu gehen und in den
Krieg einzugreifen. Dabei ging es um die bereits erörterten
Fragen, [9] welche Motive für den König handlungsleitend
waren: konfessions- oder machtpolitische Ziele, und worin
der Zweck des Krieges bestehen sollte: in der
Wiederherstellung des Augsburger Religionsfriedens oder in
der Absicherung der schwedischen Vormachtstellung an der
Ostsee. Für Gustav Adolf verbanden sich beide
Motivkomplexe miteinander, und er stellte je nach Lage den
einen oder den anderen heraus. Er sah sich nie gezwungen,
Zweck und Ziel präzise zu bestimmen. Mit Clausewitz kann
man sagen, im Zweck ist festgelegt, was man mit dem Krieg
erreichen will, während die Ziele beschreiben, was man in
dem Krieg erreichen will. [10] Ging es allein um die Sicherung
der schwedischen Ostseehegemonie, so hatte Gustav Adolf
sie mit dem Sieg von Breitenfeld erreicht: Er kontrollierte
Pommern und Mecklenburg und hatte die kaiserlichen
Truppen aus Nordostdeutschland verdrängt. Gab es noch ein
militärisches Ziel, das diesen Zweck befördern konnte, dann
war dies die Ausdehnung der schwedischen Macht auf
Nordwestdeutschland, bis hin zur Kontrolle der Elb-, Weser-
und Emsmündung. Offenbar hatte Arnim mit seinem
Vorschlag, den Krieg nach Nordwestdeutschland zu
verlagern, darauf spekuliert. Bestand der Zweck des Krieges
hingegen in der Verteidigung des deutschen
Protestantismus, so war die Eroberung Süddeutschlands das
naheliegende Ziel. Andererseits war der politische Zweck
eines Krieges erst dann durchgesetzt, wenn die Gegenseite
den Sieg anerkannte. Das war nur in Form eines
Friedensschlusses möglich, und über diese vierte Option ist
in Halle nicht gesprochen worden.
Gustav Adolf bezweifelte, dass der Gegner bereit war, die
Wiederherstellung des Status quo bei Ausbruch des Krieges
zu akzeptieren, und dass der verbündete Kurfürst von
Brandenburg eine schwedische Dauerherrschaft in Pommern
als Bestandteil der Ostseehegemonie hinnehmen würde,
hielt er für ebenso unwahrscheinlich. Das politische
Dilemma des Schwedenkönigs bestand darin, dass der von
ihm verfolgte Zweck im einen Fall von einem Verbündeten
und im anderen von der Gegenseite nicht anerkannt werden
würde. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als vorerst
weiter die Bahn militärischer Siege zu beschreiten und
darauf zu hoffen, dass irgendwann der Punkt erreicht war,
an dem er das in dem Krieg Erreichte in das mit dem Krieg
zu Erreichende umwandeln konnte. Damit lief Gustav Adolf
jedoch Gefahr, sich entweder «zu Tode zu siegen» oder aber
politische Ziele formulieren zu müssen, bei denen er nicht
mehr als Retter des Protestantismus und Befreier
Deutschlands auftrat, sondern als Beherrscher des Reichs.
Um Letzteres ging es, wenn während des an Breitenfeld
anschließenden Siegeszugs immer wieder vermutet wurde,
der König wolle anstelle Ferdinands deutscher Kaiser
werden. Beim Kriegsrat in Halle hatte Johann Georg dem
Schweden zugetrunken, so berichtet der Diplomat Johan
Adler Salvius, und gerufen, er wolle nun mithelfen, «dass
ihm die römische Krone aufs Haupt gesetzt werde». [11]
Danach war diese Vorstellung in der Welt. Sie war die
Alternative zu einer Konstellation, in der Gustav Adolf von
Sieg zu Sieg eilen musste, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Und dann waren da noch Richelieu, seit Bärwalde ein
Verbündeter Schwedens, sowie Wallenstein, mit dessen
Rückkehr in den Krieg man jederzeit rechnen musste. Für
Richelieu waren Gustav Adolfs Siege zunächst auch Siege
Frankreichs. Der König aber war sich darüber im Klaren,
dass das nur galt, solange er nicht die Übermacht im Reich
gewann und keinerlei Gedanken an die Kaiserkrone
verschwendete. In Frankreich erwartete man, dass er die
Habsburger lediglich zurückdrängte und sich an die in
Bärwalde gegebene Zusage hielt, gegenüber der Liga
Neutralität zu wahren. [12] Mit dem Vorstoß in die
«Pfaffengasse», Liga-Gebiet, zeigte Gustav Adolf, dass er
sich an die Vorgaben von Bärwalde nicht gebunden fühlte;
begründen konnte er das damit, dass auch Truppen der Liga
sich bei der Eroberung und Vernichtung Magdeburgs nicht
an die von Frankreich gewünschte Neutralität gehalten
hatten. An Tillys Einfall in Kursachsen und an der Schlacht
bei Breitenfeld hatten sich ebenso Liga-Truppen beteiligt.
Richelieu hatte es also schwer, wenn er den König auf die
Vorgaben von Bärwalde festlegen wollte. Außerdem war
Gustav Adolf seit Breitenfeld der glänzende Sieger, und dem
daraus erwachsenen Führungsanspruch im deutschen
Protestantismus ließ sich wenig entgegensetzen. Insofern
war Breitenfeld für Richelieu ambivalent: Es war auch ein
französischer Sieg, da hier die Vormachtstellung des Hauses
Habsburg zertrümmert worden war, doch gleichzeitig hatte
dieser Sieg den politischen Spielraum Schwedens gegenüber
Frankreich erheblich vergrößert. Richelieu konnte kein
Interesse daran haben, dass die habsburgische Hegemonie
in Deutschland durch eine Hegemonie der Schweden
abgelöst wurde, eine Entwicklung, vor der Père Joseph
ständig warnte. Je größer die Erfolge Gustav Adolfs waren,
desto komplizierter wurde sein Verhältnis zu Frankreich.
Und Wallenstein? Kaiser Ferdinand hatte nach dessen
Absetzung den Kontakt zum Herzog von Friedland nie
abreißen lassen und ihn mehrfach um Gutachten zur
militärischen Lage gebeten. In seinen Briefen redete er
Wallenstein als «General-Obristen Feldhauptmann» an. [13]
Für Ferdinand und diejenigen unter seinen Räten, die gegen
die Absetzung des Generalissimus eingetreten waren, stellte
Wallenstein so etwas wie eine politisch-militärische
Rückversicherung dar, zumindest für den Fall, dass Tilly sich
der Herausforderung, zwei Heere zu befehligen, nicht
gewachsen zeigte. Mit der Niederlage von Breitenfeld war
dieser Fall eingetreten. Maximilian von Bayern war zwar
nach wie vor ein eingefleischter Gegner Wallensteins, aber
Tillys Niederlage hatte seine Position gegenüber dem Kaiser
geschwächt. Der hatte mit Wallenstein eine denkbare
Alternative. Der bayerische Kurfürst dagegen hatte keine; er
musste bedingungslos an Tilly festhalten. Demgemäß
schrieb Maximilian an Tilly: «Ihr werdet Euch in nit geringer
Bekümmernis befinden, derowegen ich Euch gnädigst
kondoliere. Mir gereicht dies allein zum Trost, daß Ihr Euch,
wie ich vernommen, mit Eurer Person salvo retiriert
[gerettet] habt; zumal wohl zu erachten ist, daß man Eurer
Person auf alle mögliche Weg nachzustellen nit unterlassen
wird. Es ist mir sehr unlieb zu vernehmen gewesen, daß Ihr
am Arm und Fuß verletzt worden; dennoch ist dem
Allmächtigen billig zu danken, daß er Euch hat so gnädiglich
konservieren und erretten wollen. Haltet Euch anjetz an
solchen Orten und Enden, wo Ihr Euch am sichersten zu
halten getrauet.» [14]
Auch im katholischen Lager waren die Folgen der Schlacht
somit ambivalent: Der Kaiser hatte eine schwere Niederlage
erlitten und doch gegenüber der Liga politischen Spielraum
gewonnen. Maximilian würde fortan nicht das Gewicht
haben, eine Rückberufung Wallensteins zu verhindern, wenn
der Kaiser sie für erforderlich hielt. Aber würde Wallenstein
überhaupt bereit sein, ein zweites Mal das Oberkommando
zu übernehmen? Das war unklar, und so war er für den
Kaiser bloß eine vage Option. Seit Breitenfeld war
Wallenstein jedenfalls wieder ein begehrter Mann: Der
Kaiser ließ vorfühlen, ob er mit ihm rechnen könne, wenn er
ihn brauche; Pappenheim drängte Wallenstein, von sich aus
tätig zu werden und wieder in kaiserliche Dienste zu treten –
«Gott und der Religion zu Dienst, dem Kaiser und
allgemeinen Vaterlande zu Hülfe», wie er an den Herzog
schrieb [15] –, und selbst die protestantische Seite versuchte,
Wallenstein auf ihre Seite zu ziehen. Man vermutete, dass er
nach seiner Entlassung Ressentiments gegen Kaiser und
Liga hatte, und wollte verhindern, dass er der Gegenseite
wieder zur Verfügung stand. Dass Wallenstein in Fragen der
Konfession flexibel war, hatte man sehr wohl bemerkt. Er
selbst nahm all das mit Genugtuung zur Kenntnis, ließ sich
aber auf nichts ein, zumal Kaiser und Liga vorerst noch auf
Tilly setzten. Wallenstein hatte Zeit, denn er konnte davon
ausgehen, dass die Zeit für ihn arbeitete.

So ging der Krieg mit dem Vorstoß des schwedischen Heeres


in Richtung Mainfranken weiter. Wilhelm von Sachsen-
Weimar nahm im Handstreich Erfurt, eine protestantische
Stadt, die politisch aber zu Kurmainz gehörte, und am
2. Oktober 1631 zog Gustav Adolf dort ein. Hier verteilte der
Schwedenkönig nach der Zuweisung Böhmens und
Schlesiens an Sachsen innerhalb seines eigenen Bereichs die
Aufgaben: Wilhelm von Weimar sollte Thüringen wieder
unter seine Kontrolle bringen und dort neue Truppen
aufstellen; Johan Banér erhielt den Auftrag, Magdeburg zu
erobern, in dessen Trümmern sich eine kaiserliche Garnison
befand; Wilhelm V. von Hessen-Kassel sollte seine
Landgrafschaft von den dort stehenden feindlichen
Einheiten säubern; Åke Tott schließlich erhielt den Befehl,
die mecklenburgischen Hafenstädte zu erobern und von da
aus nach Niedersachsen zu ziehen, um auch hier den Feind
zu vertreiben. [16] Nach Niedersachsen hatte sich auch Tilly
zurückgezogen, darum bemüht, die verbliebenen Einheiten
zu sammeln, den bei Breitenfeld verlorenen Artilleriepark
durch Kanonen aus den Weserfestungen zu ersetzen und
wieder ein schlagkräftiges Heer auf die Beine zu stellen.
Mitte Oktober hatte Tilly nach der Vereinigung mit den
Truppen Aldringens und Fuggers wieder 25000 Mann
zusammen, mit denen er durch Hessen zum Main
marschierte. In Aschaffenburg stießen weitere
10000 Soldaten unter Herzog Karl von Lothringen zu ihm.
[17] Das war eine bemerkenswerte Leistung, die bewies, dass
man vorerst nicht auf Wallenstein zurückgreifen musste. Der
Krieg konnte auch ohne ihn weitergehen.
Am 6. Oktober standen Gustav Adolfs Truppen vor der zum
Bistum Würzburg gehörigen Festung Königshofen; sie waren
damit in einen Kernbereich der katholischen Liga
eingedrungen. Dass er deren Neutralität zu achten habe, wie
im Vertrag von Bärwalde festgelegt, interessierte Gustav
Adolf nicht. Nachdem die schwedische Artillerie einen Turm
der Festung zusammengeschossen hatte, kapitulierte die
Besatzung. Die Soldaten wurden in schwedische Dienste
übernommen, ihr Hauptmann nach Würzburg geschickt, um
anzukündigen, dass Gustav Adolf ihm bald folgen werde. Die
Residenzstadt des Fürstbischofs Franz von Hatzfeld war eine
reiche Stadt in einer wohlhabenden Region, und Gustav
Adolf setzte darauf, dass sein Heer hier überwintern konnte,
falls das erforderlich werden sollte. Voraussetzung dafür war
jedoch, dass er Würzburg unversehrt einnahm. Als die
Schweden am frühen Morgen des 14. Oktober vor der Stadt
erschienen und in die ungeschützten Vorstädte eindrangen,
forderte Gustav Adolf bis zum kommenden Vormittag die
Kapitulation. Da Würzburg kaum befestigt und der
Fürstbischof geflohen war, willigten die Verteidiger ein. Die
in der Stadt befindlichen Truppen zogen sich in die Festung
Marienburg zurück, die auf der anderen Mainseite oberhalb
der Stadt lag. Einige wohlhabende Bürger schlossen sich mit
ihren Familien den Soldaten an; ihre wertvollste Habe
nahmen sie mit.
Die Besetzung Würzburgs war für Gustav Adolf nicht viel
wert, solange die Marienburg in feindlicher Hand war, da
der Gegner von dort aus die Stadt beschoss. Die
Marienfestung stand auf einem hohen Felsen und war stark
befestigt. Bei ihrem Rückzug aus der Stadt hatten die
Verteidiger einen Bogen der Mainbrücke herausgebrochen,
so dass man die Brücke in ihrem Mittelteil nur auf einer
schmalen Planke passieren konnte oder aber mit Booten
übersetzen musste. In beiden Fällen war man starkem
Beschuss ausgesetzt. Robert Monro meint, der Sturm auf die
Marienburg sei «die gefährlichste und wichtigste Aktion»
gewesen, «die je während des Krieges in Deutschland
durchgeführt wurde». [18]
Was als unmöglich erschien, gelang: Stoßtrupps
überquerten mit Booten den Main, danach folgten im
Gänsemarsch Truppen über die schwankende Planke, das
alles unter heftigem feindlichen Feuer. Sie vertrieben die
Verteidiger aus den Schanzen und drängten sie in die
Festung zurück. Am frühen Morgen des darauffolgenden
Tages konnten schwedische und deutsche Einheiten die
Besatzung der dem Festungstor vorgelagerten Bastion
überrumpeln; als die Soldaten über den tiefen Graben in die
Hauptfestung flüchteten, folgten ihnen die Angreifer, so dass
es nicht mehr möglich war, die Zugbrücke hochzuziehen und
die Fallgitter herunterzulassen. Die Verfolger machten die
Besatzung bis auf den letzten Mann nieder. Monro berichtet,
auf die Rufe, man solle «Quartier geben», also die
übergabewilligen Verteidiger gefangen nehmen, sei
geantwortet worden, es gebe nur «Magdeburger Quartier».
Es waren indes nicht nur die Soldaten, die dem Wüten zum
Opfer fielen, sondern auch die in die Marienburg
geflüchteten Bürger mitsamt ihren Familien. «Zu dieser
Zeit», so Monros Resümee, «begünstigte das Glück S.M.
[Seine Majestät] wie früher auch hier wunderbar, indem ihm
entgegen der Erwartung aller großer Reichtum in die Hand
fiel und er dazu noch viele Kanonen und einen großen Vorrat
an Munition gewann, nicht weniger Lebensmittel aller Art im
Überfluß.» [19]
Das Blutbad, das die Eroberer anrichteten, zeigt ein
weiteres Mal die Nachwirkungen der Vernichtung
Magdeburgs. Zwar war es auch zuvor schon bei der
Eroberung von Festungen zu Massakern gekommen, wie in
Münden und Frankfurt an der Oder, aber nun gab es auch
noch eine Rechtfertigung für das Massakrieren, nämlich den
Anspruch auf Vergeltung für Magdeburg. Dass sich
stürmende Soldaten in einen Blutrausch hineinsteigerten,
war das eine; dass sie das als berechtigte Vergeltung
betrachten konnten, war ein anderes; und selbstverständlich
galt eine solche Rechtfertigung bei nächster Gelegenheit
auch für die Gegenseite. So etablierte sich ein neuer
Kriegsbrauch, der jegliche Konvention missachtete und der
Gewalt keine Grenzen setzte. Das, was zuvor eine Ausnahme
gewesen war, wurde zur allgemeinen Praxis. Die Marienburg
wurde indes nicht «magdeburgisiert», also dem Erdboden
gleichgemacht. Gustav Adolf ließ die Festung umgehend
wieder instand setzen sowie zusätzliche Sperrwerke
errichten.
Ein weiteres Element bei der Eroberung der Marienburg
soll nicht unerwähnt bleiben. Es wird berichtet, dass «der
heimische Pöbel die Gelegenheit [nutzte],
zwischendurchzuschlüpfen und nach Kräften seinen
wohlhabenden Mitbürgern das Ihre zu stehlen». [20] Die
«wohlhabenden Mitbürger» dürften gewusst haben, warum
sie mit ihren Wertsachen in die Marienburg geflüchtet
waren: Sie fürchteten Neid und Rache der städtischen
Unterschicht, die sich nun etwas von dem aneignen wollte,
was sie sonst entbehrte; einige, die Glück hatten, konnten
dabei mit einem Schlag zu «gemachten Männern» werden.
Grimmelshausens Kriegsromane, vor allem Der
abenteuerliche Simplicissimus und die Lebensbeschreibung
der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage, führen vor
Augen, wie schnell man in den Wirren der Kämpfe zu
Reichtum kam, aber auch wie schnell man ihn wieder
verlieren konnte. [21] Die sozialrevolutionäre Komponente,
die mit dem Umsturz der Verhältnisse bei der Eroberung
einer Stadt für einen kurzen Augenblick aufschien, gehörte
durchweg zu diesem Krieg. Sie war das urbane Pendant zu
den zwischen Söldnern und Bauern ausgetragenen sozialen
Kämpfen. Während Letztere in den Stichen Hans Ulrich
Francks ihren Niederschlag fanden, blieben die
innerstädtischen Sozialkonflikte weitgehend unsichtbar, da
sie sich, wie im Falle Magdeburgs, [22] hinter den
proschwedischen oder prokaiserlichen Parteinahmen
verbargen oder in die Gewaltakte des Gegners bei der
Eroberung verwoben waren.
Von Würzburg aus stellte Gustav Adolf den drei geistlichen
Kurfürsten ein Ultimatum, in dem er von ihnen verlangte,
dass sie in ihren Territorien umgehend das evangelische
Bekenntnis zuließen, die den Protestanten entzogenen
Besitztümer zurückgaben, ihre Festungen für schwedisches
Militär öffneten und in die Errichtung von Werbeplätzen
einwilligten. Außerdem sollte jeder von ihnen monatlich
40000 Reichstaler Kontribution zahlen. [23] Das waren
Forderungen, wie sie zuvor, als sich die katholische Seite
noch auf der Siegerstraße befunden hatte, von den
Generälen des Kaisers und der Liga gegenüber
protestantischen Territorien erhoben worden waren. Es lässt
sich nicht mit Sicherheit sagen, ob Gustav Adolf davon
ausging, dass sein Ansinnen erfüllbar war. [24] Er wollte die
geistlichen Kurfürsten zwingen, politisch Farbe zu
bekennen, namentlich den Kurfürsten von Mainz, in dessen
Gebiet die schwedischen Truppen bereits standen: Blieben
sie weiter auf Seiten des Kaisers, oder waren sie bereit, sich
den neuen Verhältnissen zu fügen? Man kann es eine
«entwaffnete Neutralität» nennen, in die Gustav Adolf die
Kurfürsten am Rhein hineindrängen wollte. Wenn sie
einwilligten, war die Liga am Ende; willigten sie nicht ein, so
waren es nicht die Schweden, die den Bärwalder
Neutralitätszusagen zuwiderhandelten, sondern die drei
Liga-Mitglieder selbst. So jedenfalls sah es Gustav Adolf, und
mit der kurfürstlichen Weigerung, seine Forderungen zu
erfüllen, würde er freie Hand haben für den Vorstoß zum
Rhein. Diese «Einladung» erhielt er prompt, da der Mainzer
Erzbischof sich an Kurfürst Maximilian, an die spanischen
Statthalter in Brüssel sowie den Herzog von Lothringen
wandte und um Hilfe bat.
Mit dem lothringischen Herzog hatte es Gustav Adolf
ohnehin zu tun, denn der war mit mehr als 10000 Mann
herangezogen, die sich mit den Truppen Tillys verbanden.
Tilly, inzwischen nahe Tauberbischofsheim stehend, verfügte
nun über 35000 Soldaten und war damit den Truppen
Gustav Adolfs in Würzburg deutlich überlegen. Der
Schwedenkönig hatte beim Vorstoß durch Thüringen und
Nordfranken in allen Festungen und größeren Städten
Garnisonen zurückgelassen, wodurch die Anzahl der ihm
verfügbaren Soldaten auf weniger als 15000 Mann
zusammengeschmolzen war. Er hatte den
«Kulminationspunkt des Angriffs», wie Clausewitz es nennt,
[25] überschritten und befand sich in einer Krise, die seinen
Siegeszug leicht hätte beenden können, wenn er es mit
einem entschlossenen und tatkräftigen Gegner zu tun gehabt
hätte.
Gustav Adolf sammelte zusammen, was er an eigenen
Kräften fand, und marschierte mit ihnen nach Ochsenfurt,
wo Tilly vermutlich den Main überschreiten würde. Dort
stellte man sich auf die Verteidigung der Stadt ein,
gegebenenfalls auch auf den Abbruch der Mainbrücke, doch
es kam nur zu Plänkelgefechten; Tilly wollte das Risiko einer
Schlacht gegen Gustav Adolf nicht eingehen und zog in
Richtung Südosten ab. Auch das war eine Folge von
Breitenfeld: Der Mann, der zuvor so gut wie nie vor einer
großen Auseinandersetzung zurückgeschreckt war, zumal
dann nicht, wenn seine Truppen in der Überzahl waren,
operierte nun mit äußerster Vorsicht. «So gab er die letzte
große Chance seiner langen Feldherrnlaufbahn aus der
Hand», resümiert Marcus Junkelmann. «Es war die
Umkehrung der Situation von Neubrandenburg keine neun
Monate zuvor, als der König [Gustav Adolf] trotz seiner
großen Übermacht einem offenen Kräftemessen mit dem
gefürchteten Tilly aus dem Weg gegangen war. Nun haftete
Gustav Adolf und seiner Armee der Nimbus absoluter
taktischer Überlegenheit an und ließ sie eine verzweifelte
operative Krise kampflos überstehen. Der den Gegner
demoralisierende Ruf schwedischer Unbesiegbarkeit, der auf
der staubverhangenen Walstatt von Breitenfeld geboren
worden war, stellte die wertvollste Nachwirkung jener
Schlacht dar.» [26] Der neuerworbene Siegernimbus hat
Gustav Adolf in dieser Situation somit gerettet. «Dieser
König», schreibt Monro, «besaß wirklich eine seltene
Urteilskraft, Verstand und Gewandtheit, dazu große
Erfahrung im Kommando. Dennoch, um die Wahrheit zu
sagen, in der ganzen Zeit, in der ich dem König in allen
Kriegsläuften folgte, und das waren beinahe drei Jahre, habe
ich ihn nie so bedrückt im Gemüt und so entschlußlos
gesehen wie zu der Zeit in Ochsenfurt, wo er selber nicht
genau wußte, was er tun sollte, denn der Feind stand vor
und hinter ihm.» [27]
Gustav Adolf war in Gebiete vorgedrungen, die von der
Reformation unberührt geblieben waren, in denen er also
nicht auf die Bindekraft konfessioneller Zugehörigkeit bauen
konnte. Solange er Besatzungen zurückließ, würde es keinen
Widerstand gegen die schwedisch-protestantische
Herrschaft geben, aber damit schrumpfte auch die Stärke
seiner Feldarmee. Erstmals war Gustav Adolf mit der
«abnehmenden Kraft des Angriffs», wie es bei Clausewitz
heißt, [28] konfrontiert und musste darauf eine Antwort
finden. Er erteilte großzügig Werbepatente, aber auch diese
Maßnahme hatte Grenzen, denn die neu aufgestellten
Truppen waren zu besolden und zu versorgen, und das hieß,
dass in befreundeten wie eroberten Gebieten weitere
Kontributionen erhoben werden mussten. Sympathie oder
Unterstützung war damit nicht zu gewinnen.
Raumbeherrschung durch die Vergrößerung des Heeres bei
ständigen Kontributionen war die Wallenstein’sche Lösung
dieses Problems; diesen Weg zu gehen konnte Gustav Adolf
nicht gänzlich vermeiden. Aber er wollte ihn nicht so weit
und nicht so brutal beschreiten, wie es der Herzog von
Friedland getan hatte.
Der König nahm ergänzend zur Besetzung von Territorien
und Städten auch die Bevölkerung bis hin zu den einzelnen
Haushalten in die Pflicht. Mitunter wurde der Landbesitz
neu verteilt, was möglich war, weil viele Prälaten und
Mönche vor den anrückenden Schweden geflohen waren.
Gustav Adolf bestimmte, dass sich an einem festgelegten
Tag jeder huldpflichtige Einwohner einzufinden und dem
schwedischen König Treue zu geloben hatte. Im Gegenzug
nahm er die Huldigenden unter «Specialschutz und
Protection» und versprach ihnen, «sie gegen alle
Vergewaltigung [zu] sichern [und] ihnen die Justiz bei seiner
bereits angeordneten Landesregierung [zu] eröffnen». [29]
Außerdem mussten die zum Huldigungszeremoniell
zusammengekommenen Bauern und Städter «einen Eid zu
Gott auf das heilige Evangelium schwören, daß sie niemand
anders, denn Ihre Königliche Majestät zu Schweden, dero
Nachkommen und dero wohllöbliche Regierung und Beamte
für ihre alleinige, rechte, natürliche Landes- und
Erbherrschaft und Obrigkeit erkennen, ehren und halten, …
ihr gehorsam, gewärtig, getreulich und hold sein, … und
insgemein sich also erweisen wollte, wie es unmittelbaren,
erbgehuldigten, getreuen Unterthanen von Rechts und
landesüblicher Gewohnheit wegen gegen ihren ordentlichen
Landesfürsten und Erbherrn in aller Weis und Wege obliegt,
ohne alle List und Gefährde.» [30] Man kann diesen
Huldigungsakt in Analogie zur Leitformel des
Vertragstheoretikers Thomas Hobbes verstehen: pro
protectione oboedientia – für Schutz Gehorsam. [31] Solange
der König seine Untergebenen schützen kann, darf er als
Gegenleistung erwarten, dass sie ihm gehorsam sind. Das
Problem für die Konsolidierung der schwedisch-
protestantischen Herrschaft war dieses «Solange» sowie der
Umstand, dass die neuen Untertanen nur Nutznießer des
Schutzes waren, zu diesem selbst aber nichts beitrugen.
Durch Huldigungsakt und Treueid suchte der König die
Bevölkerung vom Widerstand gegen seine Administration
abzuhalten und ihr klarzumachen, dass Folgsamkeit in ihrem
eigenen Interesse lag. Mehr noch als auf Gehorsam war
Gustav Adolf aber auf Personen angewiesen, die aktiv für die
neue Ordnung eintraten und sie verteidigten, wenn äußere
Feinde sie angriffen. Zu diesem Zweck betrieb er eine auf
das Recht des Siegers gestützte Schenkungs- und
Umverteilungspolitik, bei der er die Besitzungen der
geflohenen Prälaten auf diejenigen übertrug, die sich ihm
ohne jede Einschränkung angeschlossen hatten. Die ihnen
zur Nutzung übertragenen Klöster und Kirchensprengel,
Stifte und Abteien besaßen sie nur durch die Macht des
Königs, weswegen sie ein fundamentales Interesse daran
hatten, dass diese Machtstellung erhalten blieb. Der König
zeichnete auf diese Weise Offiziere aus, die sich in den
zurückliegenden Monaten besonders hervorgetan hatten,
und motivierte dadurch andere, es ihnen gleichzutun – ein
Verfahren, das bereits Wallenstein angewandt hatte.
Gleichzeitig ersetzte Gustav Adolf die bisherige geistliche
Führungsschicht durch eine neue Elite, die überwiegend
militärisch geprägt war; obendrein verpflichtete er sich den
protestantischen Adel auch angrenzender Gebiete, indem er
ihn mit neuen Besitztümern versah: Der Graf von Erbach
bekam das Kloster Amorbach, der Graf von Hanau das
Kloster Schlüchtern, der Graf von Solms die Abtei
Bildhausen und so weiter. Das waren Maßnahmen, die dazu
beitragen sollten, die schwedische Stellung in Deutschland
dauerhaft zu festigen.
In gewisser Hinsicht ahmte Gustav Adolf nach, womit die
katholische Seite in der Zeit ihres Siegeszugs begonnen
hatte – zumindest rechtfertigt Gustav Droysen so diese «auf
das Recht des Krieges» gestützte Politik. [32] In zwei Punkten
aber ging der schwedische König über die kaiserliche Praxis
hinaus: Der Kaiser hatte die pfälzische Kurwürde auf Herzog
Maximilian übertragen und die Herzöge von Mecklenburg
enteignet, um an ihrer Stelle Wallenstein einzusetzen, doch
das waren Maßnahmen, die auf die oberste Führungsschicht
beschränkt blieben, während Gustav Adolf sich ihrer in
großem Stil bediente. Obendrein konnte sich der Kaiser
darauf berufen, dass er mit diesen Eingriffen in die
Eigentumsverhältnisse Rebellen bestrafte, die einen
Aufstand angezettelt und trotz mehrfacher Ermahnung nicht
davon abgelassen hätten. Eine solche Rechtsfigur stand dem
schwedischen König nicht zur Verfügung; ihm blieb nur der
Verweis auf das Recht des Siegers. Insofern stellten Gustav
Adolfs Maßnahmen in den eroberten Gebieten eine weitere
Eskalation der Gewaltherrschaft gegenüber der Herrschaft
des Rechts dar, und daran änderte auch der Umstand nichts,
dass der König alle diese Maßnahmen unter den Vorbehalt
eines zukünftigen Friedensschlusses stellte.

Nach dem Abzug Tillys von Tauber und Main nahm Gustav
Adolf die Politik der Eroberung wieder auf. Wie schon im
vergangenen Jahr schickte er seine Truppen nicht ins
Winterquartier, sondern setzte den Feldzug fort. Das begann
damit, dass er Oberst Christoph Hubald den Auftrag erteilte,
mit dem blauen Regiment – «blau», weil das
Infanterieregiment blaue Jacken trug [33] – die Festung
Hanau einzunehmen. Es gelang den Schweden, die
kaiserliche Besatzung zu überrumpeln und gefangen zu
nehmen. [34] Wer diese Festung besaß, kontrollierte die
fruchtbare Wetterau, die in den zurückliegenden
Kriegsjahren für die Versorgung der Truppen überaus
wichtig gewesen war. [35] Kurz darauf zogen die kaiserlichen
Garnisonen aus Gelnhausen, Friedberg und Höchst ab, weil
sie mit dem Verlust der Festung Hanau ihre strategische
Bedeutung verloren hatten. Damit war die Mainlinie für
Gustav Adolf gesichert.
Am 25. November hielt der König in Hanau Einzug. Dort
empfing er eine Gesandtschaft aus Frankfurt, die geltend
machte, die Krönungsstadt der Kaiser könne keine
ausländische Besatzung aufnehmen; außerdem sei die
Anwesenheit von Truppen den Messen in der Stadt
abträglich. Gustav Adolf fragte zurück, wie man von
Jahrmärkten reden könne, wenn es um die Freiheit
Deutschlands und die Zukunft des Protestantismus gehe.
Wenn man sich nicht in Güte fügen wollte, so habe er
Kanonen, um Fügsamkeit zu erzwingen. [36] Das genügte: Am
27. November zog er in Frankfurt ein; die gesamte Armee
rückte nach Sachsenhausen ein, überquerte den Main auf
der großen Brücke, marschierte durch Frankfurt und verließ
die Stadt wieder am Mainzer Tor. Das war eher eine
symbolische Inbesitznahme als eine Besetzung. Der Grund
für dieses Entgegenkommen war, dass sich der Rat der Stadt
verpflichtet hatte, Frankfurt gegen die Feinde des Königs zu
verteidigen, ihm selbst aber jederzeit Einlass zu gewähren.
Die linksmainische Festung Sachsenhausen wurde jedoch
von schwedischen Truppen dauerhaft besetzt. [37]
Das schwedische Heer paradiert im November 1631 an den Befestigungen des
linksmainischen Sachsenhausen vorbei, bis es nach rechts abbiegt und über den
Wassergraben hinweg nach Sachsenhausen hineinmarschiert, die Festung, von
deren Wällen herab Salut geschossen wird, durchschreitet und an der Mainbrücke
wiederauftaucht, auf dieser den Main überquert, um anschließend durch Frankfurt
zu marschieren, am Kaiserdom vorbei zum Mainzer Tor, wo es die Stadt wieder
verlässt. Auf dem Main sind Schiffe zu sehen, die Kanonen und Munition
transportieren: In der Wahl- und Krönungsstadt der Kaiser demonstriert Gustav
Adolf seine Macht.

Ähnlich großzügig verfuhr Gustav Adolf mit Landgraf Georg


von Hessen-Darmstadt, der bislang eine dezidiert
kaisertreue Politik verfolgt und sich mehr im Feindes- als im
Freundeslager aufgehalten hatte. Er war der Schwiegersohn
des sächsischen Kurfürsten, und schon deswegen schien es
dem König nicht angezeigt, ihn wie die Fürstbischöfe in
Franken zu behandeln. Außerdem lagen Georgs Besitzungen
zwischen den fränkischen Fürstbistümern und
kurmainzischem Territorium, hatten also eine strategische
Bedeutung, und so war es ratsam, ihn als Bündnispartner zu
gewinnen. Bei einem Treffen in Frankfurt verständigte man
sich darauf, dass das Gebiet des Landgrafen von
Kontributionen sowie Besatzungen, Einquartierungen und
Musterplätzen verschont blieb und der Landgraf den
Schweden für die Dauer des Krieges nur die Festung
Rüsselsheim zu überlassen hatte. [38] Dabei dürfte auch eine
Rolle gespielt haben, dass der König bis Jahresende weitere
Ziele erreichen wollte und ein Streit mit dem Darmstädter
Landgrafen dabei nur hinderlich gewesen wäre. Es ging um
Heidelberg oder Mainz, die Hauptstadt des abgesetzten
Pfälzer Kurfürsten oder die Residenz des
Reichserzkanzlers – die Einnahme einer der beiden Städte
sollte für die Siege Gustav Adolfs im Kriegsjahr 1631 die
Krönung darstellen.
Derweil hatte sich Tillys Heer Nürnberg genähert, das mit
Gustav Adolf verbündet war. Tilly forderte Proviant und
Kontribution, was die Nürnberger ablehnten. Stattdessen
setzten sie die imposanten Befestigungen der Stadt instand.
Das genügte, um Tilly zum Abzug zu bringen; auf eine
längere Belagerung wollte er sich nicht einlassen, da er
davon ausging, dass Gustav Adolf, der kein zweites
Magdeburg riskieren konnte, zum Entsatz des Verbündeten
heranziehen würde. Nachdem Tilly sich bei Würzburg unter
günstigeren Bedingungen nicht auf eine Schlacht
eingelassen hatte, wollte er es unter den sehr viel
schlechteren Umständen bei einer Belagerung erst recht
nicht tun. [39] Noch am 6. Dezember schrieb Gustav Adolf an
Pfalzgraf Johann Casimir, dass «der alte Teufwel [Tilly] mit
allen seinen jungen, als da sein Lotringer, Papenheimb,
Furstebergh, Fugher, Aldringer, Galas, Ossa, vnd wen der
böse geist mehr erweckt hat den armen Christen zur straf,
ligen itzo vor Nürnbergh, brauchen gewalt vnd list». [40] Der
König hatte sein Heer schon zum Entsatz der Stadt in
Marsch gesetzt, als die Nachricht eintraf, Tilly sei wieder
abgezogen, Karl von Lothringen sei auf dem Heimmarsch
und der Kaiser habe 11000 Mann von Tillys Heer nach
Böhmen geschickt. [41] Dort war gemäß den Verabredungen
von Halle ein sächsisches Heer einmarschiert und bis nach
Prag vorgestoßen. [42]
Die nach der Breitenfelder Demütigung wiederhergestellte
sächsische Armee war Mitte Oktober aufgebrochen und
hatte zunächst den kaiserlichen General Tiefenbach aus der
Lausitz vertrieben. Tiefenbach zog sich nach Schlesien
zurück, doch der sächsische Befehlshaber Arnim folgte ihm
nicht, sondern wandte sich nach Böhmen. Ob dafür die
böhmischen Emigranten den Ausschlag gaben oder die
Vorstellung, die Grenzen Sachsens ließen sich durch einen
Vorstoß nach Böhmen sehr viel besser schützen als durch
Operationen in Schlesien, mag dahingestellt bleiben. [43] In
Absprache mit dem sächsischen Kurfürsten drang Arnim von
Görlitz aus in Richtung Leitmeritz und Saaz vor und
versetzte die schwachen kaiserlichen Kräfte derart in
Aufregung, dass die zum Schutz Prags bereitgehaltenen
Truppen in größter Eile die Stadt verließen. Kampflos zogen
die Sachsen in Prag ein; die kleine Armee Arnims musste
sich jedoch wieder zurückziehen, als Verstärkung für das
kaiserliche Heer eintraf. Zuvor wurden freilich die
abgeschlagenen Köpfe der Rebellen vom Brückenturm
entfernt, wo sie 1621 aufgehängt worden waren und mehr
als zehn Jahre lang gehangen hatten. Auch das war ein
Zeichen dafür, wie grundlegend sich die Machtverhältnisse
geändert hatten.
Aber noch war dieses annus mirabilis des deutschen
Protestantismus nicht zu Ende, denn Gustav Adolf ließ sich,
wie oben angedeutet, durch die in diesem Jahr früh
einsetzende Kälte nicht davon abhalten, den Feldzug
weiterzuführen. Von Höchst marschierte sein Heer in
Richtung Darmstadt, wahrscheinlich mit dem Ziel
Heidelberg. An der Rheinschleife zwischen Oppenheim und
Gernsheim jedoch hatten die nach wie vor in der Rheinpfalz
stehenden Spanier auf der rechtsrheinischen Seite eine
Sternschanze errichtet, von der aus sie den Strom
kontrollierten, Truppen vom einen zum anderen Rheinufer
verlegen und damit das schwedische Heer im Rücken
bedrohen konnten. Gustav Adolf wollte kein Risiko eingehen.
Er forderte die Spanier zum Abzug auf, und als die
ablehnten, erkundete er mit wenigen Begleitern in einem
Kahn die Möglichkeiten, den Rhein zu überqueren. In der
Nacht auf den 17. Dezember setzte eine kleine Einheit mit
Booten auf den Kühkopf über. Spanische Kavallerie griff an,
um sie zurückzuwerfen, doch eine zweite Landungswelle
sorgte dafür, dass sich die Schweden halten konnten.
Daraufhin zogen sich die Spanier zurück, gaben die
rechtsrheinische Sternschanze auf, und ihre in Oppenheim
verbliebenen Soldaten kapitulierten am folgenden Tag.
Einen breiten Strom bei feindlichem Widerstand zu
überschreiten war eine beispiellose Operation – die
Rheinüberquerung trug zu Gustav Adolfs Ruf als
hervorragender Heerführer bei.
Anschließend zog das schwedische Heer nach Norden. [44]
Am 20. Dezember standen die Truppen vor Mainz, einer
riesigen Festung, die mit 2000 spanischen Soldaten viel zu
schwach besetzt war. Aus dem Anmarsch heraus ließ Gustav
Adolf eine Reihe von Schanzen und Vorwerken stürmen, um
seine Kanonen unmittelbar an die Stadtbefestigung
heranführen zu können. Die Kanonen einer «schwimmenden
Batterie», eines im Rhein verankerten Floßes, eröffneten das
Feuer. Nach nur zwei Tagen kapitulierte der spanische
Kommandant gegen ehrenhaften Abzug. Am 24. Dezember
hielt Gustav Adolf in Mainz Einzug. Seine Soldaten fanden
am Mittelrhein, der lange vom Krieg verschont geblieben
war, vorzügliche Winterquartiere, und der König konnte von
Mainz aus seine Politik auf dem Weg der Diplomatie
fortsetzen. Er residierte im Zentrum des Reichs. Einen
glänzenderen Abschluss hätte man sich für den Feldzug des
Jahres 1631 schwerlich vorstellen können.
Zwischenspiele der Diplomatie
Die militärische Präsenz der Schweden am Rhein war für
Freunde wie Feinde Gustav Adolfs ein Problem. Zunächst
natürlich für die Spanier, die sich in der Rheinpfalz
eingerichtet hatten; für sie stellte dieses Gebiet ein zentrales
Verbindungsstück ihrer «spanischen Gasse» zwischen
Norditalien und den Niederlanden dar. [1] Nach der
Rheinüberquerung und der Besetzung von Mainz fragte man
sich in Madrid, ob man den Kriegszustand, der de facto
herrschte, durch eine Kriegserklärung gegen Schweden in
einen offiziellen Krieg verwandeln solle; letztlich entschloss
man sich, es nicht zu tun. [2] Gustav Adolf stand vor
derselben Frage, und auch er scheint unschlüssig gewesen
zu sein: Dagegen sprach, dass er bereits zahlreiche Gegner
hatte, denen er nicht ohne Not einen weiteren hinzufügen
wollte. Der Bedarf an eigenen Soldaten würde dadurch nur
weiter anwachsen, und auch ohne Krieg gegen die Spanier
plante Gustav Adolf, im Kriegsjahr 1632 mit neun Armeen in
einer Gesamtstärke von etwa 228000 Soldaten zu operieren.
Das war nahezu das Doppelte dessen, was Wallenstein auf
dem Höhepunkt seines ersten Generalats zur Verfügung
gehabt hatte. [3] Ein Krieg mit Spanien würde zwangsläufig
zu einer Überdehnung der Kräfte führen. Für die Option,
Spanien offiziell den Krieg zu erklären, sprach hingegen,
dass sich damit das Bündnis mit Frankreich festigen ließ,
nachdem man in Paris den schwedischen Vorstoß an den
Rhein mit Misstrauen beobachtet hatte und darin einen
Einbruch des Verbündeten in die eigene Interessensphäre
sah. Außerdem würde ein Krieg mit Spanien den
schwedisch-niederländischen Beziehungen zugutekommen,
was wiederum Christian IV. von Dänemark mit Sicherheit
daran hindern würde, die Bindung der schwedischen
Militärmacht in Deutschland zu nutzen, um seine Position im
Ostseeraum zu verbessern. Gustav Adolf legte das Problem
dem Reichsrat in Stockholm vor, und der sprach sich dafür
aus, vorerst auf eine Kriegserklärung gegen Spanien zu
verzichten. Gustav Adolf folgte dem. [4] Die Truppenstärken,
mit denen der König für das Jahr 1632 plante, zeigen für sich
genommen an, in welche Schwierigkeiten der schwedische
Siegeszug geraten war und dass man sich inzwischen in
Dimensionen bewegte, die jedes bisherige Maß weit
überschritten.
Es gab jedoch noch einen weiteren Aspekt, der aus
schwedischer Sicht für einen Konfrontationskurs gegen
Spanien sprach, während er aus spanischer Perspektive
äußerste Zurückhaltung gegenüber Schweden nahelegte: die
Frage nach dem Charakter des Krieges und den Zwecken,
die in ihm verfolgt wurden. Handelte es sich um eine
Rebellion gegen den Kaiser, die in Böhmen begonnen und
sich ausgeweitet hatte, bis auswärtige Mächte in den Krieg
eingriffen – oder um einen Konfessionskrieg zwischen
Protestanten und Katholiken? Spanien war stets von
Ersterem ausgegangen, wobei es nicht zuletzt seine
Auffassung vom Krieg in den Niederlanden auf die Situation
im Reich übertragen hatte. Es ging darum, die vormalige
Ordnung wiederherzustellen und die Feinde dieser Ordnung
niederzuwerfen. Diese reichskonservative Deutung
entsprach den machtpolitischen Interessen Spaniens. [5]
Dagegen hatten die Schweden immer die Dimension des
Konfessionskriegs herausgestellt, in dem sich der
Protestantismus in Deutschland behaupten musste. Sofern
man sich dabei auf den Augsburger Religionsfrieden und die
Rechte der Reichsstände berief, die es wiederherzustellen
gelte, lief auch die schwedische Kriegsdeutung auf eine
konservative Position hinaus, die sich durch ihre defensive
Ausrichtung legitimierte. [6] Wie im Fall Spaniens stimmte
diese Sicht des Konflikts mit den eigenen machtpolitischen
Interessen überein.
Die gegensätzliche Interpretation des Krieges und seiner
maßgeblichen Konfliktlinien hatte sich im Ringen um
Kursachsen konkretisiert. Mehr als zehn Jahre hatte Johann
Georg es mit dem Kaiser gehalten und sich einer Deutung
des Krieges als Konfessionskrieg widersetzt. Er war damit
der spanischen Sichtweise gefolgt, und in Madrid hatte man
das durchaus zu schätzen gewusst. Gleichzeitig hatte man
die Politik Maximilians von Bayern mit wachsendem
Misstrauen beobachtet und den Kaiser mehrfach gedrängt,
entschieden gegen den bayerischen Kurfürsten vorzugehen.
Maximilian werde das Reich ins Verderben stürzen, so
brachte man vor, nicht nur durch seine notorischen
Unterhandlungen mit Frankreich, sondern auch weil er auf
einer Revision des Augsburger Religionsfriedens beharre.
Das könne auf längere Zeit nur dazu führen, dass der
sächsische Kurfürst dauerhaft aus dem prokaiserlichen
Lager heraus- und in ein Bündnis mit Schweden
hineingetrieben werde. [7] Der Herzog Cesare von Guastalla
hatte die spanische Position mehrfach in Wien vorgetragen,
war aber ein ums andere Mal auf taube Ohren gestoßen. In
einer Stellungnahme vom 7. September 1631, als Sachsen
de facto bereits ins schwedische Lager übergewechselt war,
hielt Olivares in einer Denkschrift für Philipp IV. fest: «Am
gleichen Tag, an dem Sachsen mit dem Kaiser brechen wird,
darf E.M. [Philipp] sicher sein, daß aus dem Krieg in
Deutschland ein Religionskrieg wird, den zu beruhigen
menschliche Kräfte übersteigt. An diesem Tag werden sich
die Heere des Kaisers wie Schaum auf dem Wasser auflösen,
und wenn auch bei Gott kein Ding unmöglich ist, darf E.M.
doch überzeugt sein, daß der Kaiser eine Todsünde begeht,
wenn er es bis dahin kommen läßt. […] Das heißt Gott
versuchen, Wunder zu wirken, weil man allein mit dessen
Hilfe aus einer solchen Gefahr heil herauskommen kann.» [8]
Die Räson der spanischen Politik legte nahe, jeden Anschein
eines Religionskriegs zu vermeiden, und das bedeutete,
nicht in einen Krieg gegen Schweden einzutreten.
Ging es im Verhältnis zwischen Spanien und Schweden
wesentlich um den Charakter des Krieges, so war das
Verhältnis zwischen Frankreich und Schweden um einiges
komplizierter – auch deswegen, weil Frankreich inzwischen
eine deutlich aktivere Rolle im Krieg spielte als Spanien.
Letzteres wirkt auf den ersten Blick paradox, wenn man
bedenkt, dass die Spanier allein in Nordwestdeutschland
zwölf Garnisonen mit etwa 8000 Soldaten unterhielten, 2500
davon in Wesel, 2000 in Lingen und 1000 in Lippstadt, [9]
wohingegen Frankreich bislang offiziell nur in der Rolle
eines Vermittlers in das Geschehen eingegriffen hatte.
Tatsächlich aber verfolgten die Franzosen dabei überaus
zielstrebig eigene Interessen. Es war ein Wesenszug dieses
Krieges, dass in ihm diplomatische Aktivitäten nicht, wie in
den späteren Kriegen der Westfälischen Ordnung, einen
vermittelnden und deeskalierenden Charakter hatten,
sondern immer wieder dazu beitrugen, dass der Krieg
komplizierter wurde und weiter eskalierte. Das lässt sich
gerade an der Rolle der französischen Diplomatie
beobachten, bei der es sich letzten Endes um eine Art
verdeckter Kriegführung handelte. Ihr Hauptziel war, die
Macht des Kaisers zurückzudrängen und dadurch die
Position des Hauses Habsburg im Spiel der europäischen
Mächte zu untergraben. [10]
Richelieu hatte zwei Karten im Spiel, die er abwechselnd
einsetzte: Schweden, mit dem er seit dem Vertragsschluss
von Bärwalde verbündet war, sowie Kurfürst Maximilian und
die katholische Liga, mit denen er am 30. Mai 1631 im
Vertrag von Fontainebleau eine Defensivallianz eingegangen
war. Beide Verträge ergänzten sich, wenn man ihre
Stoßrichtung gegen den Kaiser oder das Haus Habsburg
betrachtete: Schweden als direkte Waffe gegen den Kaiser;
die katholischen Reichsstände als indirekte Schwächung
Habsburgs durch ihre Verpflichtung auf eine Politik der
Neutralität, die sie immer weiter vom Kaiser entfernen
sollte. Aus dieser antihabsburgischen Komplementarität
wurde jedoch ein Gegensatz, sobald man sich auf das
Verhältnis zwischen Schweden und der Liga konzentrierte,
die sich beide im Bündnis mit Frankreich befanden, aber
gegeneinander Krieg führten. Dieses zuvor latente Problem
war mit Gustav Adolfs Vorstoß nach Mainfranken akut
geworden, und es führte nun, im Winter 1631/32, zu
verstärkter diplomatischer Aktivität. Seitdem das
schwedische Heer auf der linksrheinischen Seite operierte
und Gustav Adolf in Mainz residierte, gab es obendrein einen
Konflikt um die Interessen- und Einflussgebiete, der sich zu
einer regelrechten Kraftprobe zwischen Schweden und
Frankreich auswuchs. Hier liegt die zweite Paradoxie im
Verhältnis der Schweden zu Frankreich und Spanien: Die
Ausweitung der schwedischen Operationsgebiete auf die
linksrheinische Seite führte gleichermaßen zu einer
Konfrontation mit Spanien wie mit Frankreich, weil Spanien
und Frankreich in einem mehr oder weniger offenen Konflikt
um die Hegemonie in Europa standen und Schweden
Frankreichs Verbündeter, aber Spaniens Kontrahent war.
Die Schwierigkeiten begannen unmittelbar nach der
Schlacht von Breitenfeld, als Kurfürst Maximilian das im
Vertrag von Fontainebleau zum Schutz der bayerischen
Neutralität versprochene französische Heer anforderte.
Richelieu belehrte ihn, dass in Fontainebleau eine
Defensivallianz vereinbart worden sei, und da Tilly
Kursachsen angegriffen habe, könne Maximilian sich nicht
auf den Vertrag berufen. [11] Anfang November kam
Charnacé, der deutschlanderfahrene Gesandte Richelieus,
nach München, um Maximilian für ein
Neutralitätsabkommen mit Schweden zu gewinnen. Jetzt
musste der Kurfürst Farbe bekennen und sich für oder
gegen den Kaiser entscheiden, was er bislang tunlichst
vermieden hatte. Er wich aus, indem er vorschlug, man solle,
anstatt über Neutralitätsabkommen zu verhandeln, am
«Traktat eines Generalfriedens» arbeiten. Abgesehen davon,
dass ein allgemeiner Frieden wenig Erfolgsaussichten hatte,
lag er auch nicht im französischen Interesse, das weiterhin
darauf aus war, das Haus Habsburg zurückzudrängen.
Charnacé hielt also dagegen, dass sich Gustav Adolf nicht
auf Friedensgespräche einlassen werde, solange die Liga
kein Neutralitätsabkommen mit ihm geschlossen habe. Er
schob den schwedischen König vor, um die Ziele der
französischen Politik nicht offenlegen zu müssen.
Ganz ähnlich, wie Gustav Adolf das Für und Wider der
Frage einer Kriegserklärung an Spanien durchgespielt hatte,
ventilierte nun Maximilian in einem Brief an seinen Bruder
Ferdinand, den Erzbischof von Köln, das Pro und Kontra
eines Neutralitätsabkommens. [12] Lasse Kurbayern sich auf
eine neutrale Position ein, so verletze es die mehrfach
bekräftigten Verpflichtungen gegenüber dem Kaiser; lehne
man es ab, über die Neutralität zu verhandeln, so werde
Gustav Adolf in die Territorien der Liga einfallen und sie
erobern. Dass man ihm dabei kaum etwas entgegenzusetzen
hätte, so Maximilian weiter, liege auch am Kaiser, der seine
Truppen zum Schutz der Erblande aus dem Reich abgezogen
habe. Über seine eigene militärische Handlungsfähigkeit
unterrichtete sich Maximilian bei einem Treffen mit Tilly und
Aldringen in Donauwörth. Beide ließen ihm wenig Hoffnung,
dass sie mit den vorhandenen Kräften gegen Gustav Adolf
etwas ausrichten könnten: Man habe zu wenig Soldaten, und
diejenigen, über die man verfüge, seien in schlechtem
Zustand. Im Augenblick könne man allenfalls 6000 Mann
einsetzen. [13] Das gab den Ausschlag: Maximilian erklärte
sich bereit, Neutralitätsgespräche mit Gustav Adolf zu
führen.
Damit aber legte er die Axt an die Wurzeln der Liga; die
bislang latenten Zentrifugalkräfte wurden durch diese
Verhandlungen freigesetzt. Erzbischof Philipp Christoph von
Sötern, der Trier und Speyer unter seiner Herrschaft
miteinander verband, schloss am 21. Dezember 1631 mit
Ludwig XIII. einen Separatvertrag. Der sah unter anderem
vor, dass französische Truppen die Festung Ehrenbreitstein
an der Mündung der Mosel in den Rhein übernahmen. Damit
standen neben den schwedischen nicht nur spanische,
sondern auch französische Truppen auf dem Boden des
Reichs. Außerdem stellte der Trierer Erzbischof seine
Zahlungen an die Liga ein, mit denen er ohnehin im
Rückstand war. Er betrachte die Liga, so erklärte er am
23. Dezember, als aufgelöst; Frankreich werde seine
Bistümer Trier und Speyer schützen. [14] Dagegen setzte der
nach Köln geflohene Mainzer Erzbischof Anselm Casimir
Wambolt von Umstadt ganz auf Spanien. Ein Gesandter der
Brüsseler Statthalterin bestärkte ihn durch die Ermahnung,
sich zu «dergleichen Neutralität, als Kurtrier sich bereits
begeben haben solle, nicht verleiten zu lassen», denn
Spanien werde niemals dulden, dass Frankreich derart auf
die Angelegenheiten des Reichs Einfluss nehme. [15] Der
Kölner Kurfürst schließlich lavierte: Er trete gern in
Neutralitätsgespräche mit Schweden ein, wenn zuvor
sichergestellt sei, dass sie den Auftakt zu Verhandlungen
über einen allgemeinen Frieden bildeten. Damit folgte er der
Linie seines Bruders in München. Die bis dahin so mächtige
und erfolgreiche Liga der katholischen Reichsstände hatte
zum Jahreswechsel 1631/32 de facto zu bestehen aufgehört,
und das hatte nicht Schweden mit militärischen, sondern
Frankreich mit diplomatischen Mitteln bewirkt. [16]

Die anschließend unter Vermittlung französischer


Diplomaten geführten Verhandlungen – zu Charnacé kamen
noch der Marquis de Brézé und der Baron de l’Isle –
erwiesen sich als schwierig, denn beide Seiten, Gustav Adolf
wie Maximilian, bestanden auf Vorbedingungen, die für die
andere Seite nicht akzeptabel waren. Gustav Adolf etwa
verlangte, dass die Liga ihre Streitkräfte vom Kaiser abziehe
und sie französischem Kommando zum Kampf gegen
Spanien unterstelle. Diese Forderung zeige, so der
sächsische Rittmeister Vitzthum, der von den Mainzer
Verhandlungen nach Dresden berichtete, dass der König
«sich mit der Neutralität nicht begnügen, sondern Freund
oder Feind von ihnen haben wollte, da sie unter dem Schein
der Neutralität doch nicht unterlassen würden, dem Feinde
allein Vorschub zu thun». [17] Der Marquis de Brézé
wiederum kommentierte das entschiedene Auftreten Gustav
Adolfs wie folgt: «Der Appetit hat sich bei Gustav Adolf
infolge der gelungenen Eroberungen in dem Grade
gesteigert, daß er bereits alles anstrebt, und das Vertrauen
in sein Glück ist bereits so hoch gestiegen, daß er an keinem
Erfolg mehr zweifelt und Angriff und Sieg für
gleichbedeutend hält.» [18] Darin zeigte sich das wachsende
französische Misstrauen gegenüber Gustav Adolf, der
kategorisch erklärte, er wolle bei den
Neutralitätsgesprächen nichts von Restitution hören;
gemeint war damit die Forderung Maximilians, dass sich die
Schweden von Rhein und Main zurückziehen sollten. Für
Maximilian war das eine Vorbedingung für die Neutralität
der Liga, weil er nur so seinen Anspruch auf die Führung der
katholischen Partei im Reich aufrechterhalten konnte. Da
Gustav Adolf unnachgiebig blieb, traten die
Neutralitätsverhandlungen auf der Stelle. Schließlich
entschloss sich Maximilian, an der Seite des Kaisers zu
bleiben und den Krieg fortzuführen. Er rettete damit einen
Rest der Liga, opferte aber sein Land, das schon bald danach
zum Kriegsschauplatz werden sollte.
Im Prinzip war Gustav Adolf an der Neutralität der Liga
überhaupt nicht interessiert, da ein Abkommen nur seinen
Bewegungsspielraum eingeengt und ihn am Gebrauch seines
wichtigsten Instruments gehindert hätte: am Einsatz des
Heeres. Obendrein misstraute er Maximilian und vermutete,
der Kurfürst wolle mit den Neutralitätsverhandlungen nur
Zeit gewinnen. Gegenüber Vitzthum erklärte er, seine
einzige Rücksicht bestehe darin, daß er sich «Frankreich
nicht zum Feind mache». Und doch stand in diesen Tagen
das französisch-schwedische Bündnis auf Messers Schneide,
was nicht zuletzt daran lag, dass die französischen
Gesandten Gustav Adolf gegenüber sehr selbstbewusst und
fordernd auftraten. So beklagten sie sich darüber, dass die
schwedischen Truppen auf das linke Rheinufer
übergewechselt seien, was dem Vertrag von Bärwalde
widerspreche. Darauf der König: «Wäre Euer Herr hier
gewesen und hätte es auf seiner Seite richtig gemacht, wie
ich auf der meinen, so wäre es bei der Abrede verblieben.
Weil aber Euer Herr der Abrede zuwider außen geblieben
und mir die Last allein auf dem Halse gelassen, habe ich
thun müssen, wie ich gekonnt, und zu meiner Sicherheit
meinen Feind bestes Vermögens verfolgen müssen.» [19] Als
die französischen Gesandten daraufhin erklärten, ihr König
sei mit einem Heer von 40000 Mann unterwegs (es handelte
sich indes um eine kleinere Streitmacht unter Marschall La
Force, die gegen die Festung Moyen-Vic im Grenzbereich
Lothringens zog [20]), verstand Gustav Adolf dies als eine
Drohung und antwortete: «Euer König bedarf nicht so viel
Volks [Kriegsvolks], mich zu schlagen, denn wenn es an der
Menge und Macht des Volks gelegen, hätte ich den Kaiser
nicht, sondern er mich geschlagen. Doch Euer König ziehe
hin, wo er wolle, so mag er zusehen, daß er meiner Armee
nicht zu nahe komme, oder er muß ein Rencontre
[Zusammentreffen] mit mir halten.» [21] Dazu kam es nicht.
Man gelangte zwar nicht zu einer wirklichen Verständigung,
aber das war nach Lage der Dinge auch nicht vonnöten.
Tillys Ende an Lech und Donau
Noch während der Neutralitätsverhandlungen hatte Kurfürst
Maximilian alle Anstrengungen unternommen,
leistungsfähige Streitkräfte aufzustellen. Da der
Söldnermarkt infolge der Werbungen Schwedens und des
neuerlichen Aufbaus eines kaiserlichen Heeres in Böhmen
durch Wallenstein, der nun wieder ins Spiel kam, leergefegt
war und es obendrein um die Kriegskasse der Liga nicht zum
Besten bestellt war, ließ er Landeskinder mobilisieren.
«Churfürst Maximilian», so der Erlinger Pfarrvikar Maurus
Friesenegger in seinem Tagebuch, «ließ eilends den
Ausschuß seiner Land-Miliz aufbieten, um die baierischen
Grenzen zu besetzen.» [1] Von Flüchtlingen aus Franken
erfuhr man, der Feind habe «Schlösser, Kirchen und Klöster
mit großer Wut beraubet, […] und allerort mit Tyrannei
gehauset». [2] Zwischenzeitlich habe sich die Lage wieder
etwas beruhigt, doch mit Beginn des neuen Jahres sei klar
geworden, dass Bayern als «allgemeine Zuflucht der
katholisch Gesinnten» stark bedroht war. «Demnach wurde
von unserem Churfürsten eilends die junge Mannschaft von
18 bis 40 Jahren [aus]geschrieben und von Erling 8 Buben
ausgehoben, die sich den 24. Januar [1632] in München zu
stellen hatten.» [3] Sicherlich waren «grüne Rekruten» wie
die acht jungen Männer aus Erling nur begrenzt einsetzbar
und der direkten Konfrontation mit einer Veteraneneinheit,
sogenannten «Beschossenen», kaum gewachsen. Sie gaben
dem Heer indes Masse, und darauf kam es in der aktuellen
Lage zunächst einmal an.
Unterdessen hatte Feldmarschall Horn, von Gustav Adolf
zum «Director des würzburgischen Fürstentums» ernannt, [4]
eine Offensive auf Franken eröffnet und die bischöfliche
Residenz Bamberg besetzt. Es waren indes nur drei
Regimenter mit zusammen weniger als 10000 Mann, die
Horn zur Verfügung standen. Die weimarischen und
thüringischen Truppen, die eigentlich dazustoßen sollten,
mussten im Raum Magdeburg verbleiben, wo Pappenheim
sehr aktiv war. Tilly, inzwischen nur noch
Oberkommandierender der Liga-Truppen, erhielt von
Maximilian den Auftrag zu einer Gegenoffensive; er verfügte
über etwas mehr als 20000 Soldaten, allerdings waren mehr
als die Hälfte jene unerfahrenen Rekruten, von denen
Friesenegger berichtete. Immerhin befanden sich auch
5000 Veteranen unter seinen Fahnen, auf die sich Tilly
verlassen konnte. [5] Um die Mainübergänge zu sichern,
entsandte Horn 1500 Reiter und 500 Musketiere, die
verhindern sollten, dass Tilly ihm den Rückzugsweg
abschnitt. Da sich Bamberg nur schwer verteidigen ließ,
hatte der König Horn freigestellt, die Stadt zu halten oder
den Rückzug anzutreten. Horn entschied sich für die
Verteidigung, weil er mit Verstärkungen rechnete. Er
unterschätzte, was es hieß, dass sich von den 8000 Mann,
mit denen er Bamberg verteidigen wollte, 3000 gerade erst
hatten anwerben lassen. Während Tilly die Rekruten als
Reserve zurückhielt und seine alterfahrenen Soldaten
angreifen ließ, mischte Horn die Rekruten mit den
Veteranen und beorderte sie in die ersten
Verteidigungsstellungen. Dann bekam er doch Bedenken,
zumal die Verstärkungen nicht eintrafen, und ließ nicht nur
die schweren Bagagewagen, sondern auch die Artillerie den
Rückzug antreten. Infolgedessen mussten seine Soldaten das
Gefecht ohne Artillerieunterstützung führen, wohingegen
Tilly seinen Angriff durch systematisches Artilleriefeuer
vorbereitete. Die Stellungen vor der Stadt wurden
überrannt, und hätte Horn nicht einen energischen
Gegenangriff geführt, wären die Angreifer über eine Brücke
in den inneren Stadtbereich vorgedrungen. So konnten
wenigstens die städtischen Befestigungen gehalten werden,
was einen geordneten Abzug in der Nacht ermöglichte. Horn
hatte 1300 Mann verloren, 500 davon waren getötet worden,
800 in Gefangenschaft geraten. Viele der Gefangenen waren
nach Breitenfeld in die schwedische Armee «untergestoßen»
worden und kehrten nun wieder zu ihren alten Kameraden
zurück. [6]
Die Niederlage bei Bamberg war für die schwedische
Armee eine empfindliche Schlappe und gleichzeitig Tillys
letzter Sieg. Gustav Adolf machte Horn den Vorwurf, sein
symbolisches Kapital, nämlich den Ruf der Unbesiegbarkeit,
leichtfertig verspielt zu haben; das Charisma der
Unbesiegbarkeit sei so viel wert wie 50000 Mann. Das war
wohl etwas hoch gegriffen, aber keinesfalls abwegig. Gustav
Adolf wollte seinen Ruf so schnell wie möglich
zurückgewinnen, und es war klar, dass es dazu einer
neuerlichen Konfrontation mit Tilly bedurfte, in der die
Scharte ausgewetzt wurde. Also gab der König seinen
ursprünglichen Plan auf, aus dem Mainzer Raum in die Pfalz
aufzubrechen, Heidelberg einzunehmen und ins
evangelische Württemberg vorzustoßen, um stattdessen
mainaufwärts zu marschieren, sich mit Horns Truppen zu
vereinigen, nach Süden vorzudringen und bei Ingolstadt die
Donau zu erreichen. Dort hoffte er auf Tilly zu treffen. [7] Als
Erstes richtete Gustav Adolf ein Schreiben an die
evangelischen Stände Frankens, namentlich an das
verbündete Nürnberg, in dem er erklärte, der jüngste
Rückschlag werde seinen Siegeszug nicht aufhalten – und
überhaupt sei Bamberg «ein schier offenes Dorf», das jeder
erobern könne. [8] Tilly entschloss sich seinerseits zum
Rückzug auf die Donau; er wollte «das schlüpfrige Glück,
welches ihn einmal verführt und dann die Ferse gewiesen
hatte», kein weiteres Mal auf die Probe stellen. [9] Offenbar
schätzte er selbst seinen Erfolg von Bamberg nicht
sonderlich hoch ein.
Am 31. März traf Gustav Adolf in Nürnberg ein, und sein
Einzug war ein einziger großer Triumphzug. Der König hatte
ein Gespür für solche Auftritte und wusste, wo sie
angebracht waren und wie sie auszusehen hatten. Frankfurt
war die Wahl- und Krönungsstadt der Kaiser, Nürnberg die
Stadt, wo die Insignien des Reichs aufbewahrt wurden. In
Frankfurt hatte Gustav Adolf sein gesamtes Heer durch die
Stadt marschieren lassen, eine Machtdemonstration und
symbolische Inbesitznahme; in Nürnberg dagegen bestand
der Zug aus glanzvollen Nürnberger Reitern mit
Trompetern, dem Rat der Stadt, schwedischer Kavallerie,
ebenfalls mit Trompetern und Heerpaukern, den
Leibpferden des Königs, dem Hofmarschall und schließlich
Gustav Adolf selbst, umgeben von Grafen und Herzögen, die
sich ihm angeschlossen hatten. Gustav Adolf legte Wert
darauf, nicht nur als Mann des Schlachtfelds
wahrgenommen zu werden; er nutzte solche Anlässe, um
sein Siegercharisma in die Autorität eines legitimen
Herrschers zu verwandeln. Auf dem Schlachtfeld stand er
den Generälen seiner Feinde gegenüber; hier maß er sich
am Kaiser selbst. Gustav Adolfs Nürnberger Einzug übertraf
alles, was Kaiser Ferdinand an Pracht aufbieten konnte.
Tilly zog sich auf Ingolstadt zurück und hoffte, der
Schwede werde ihm in die Oberpfalz folgen. Er spekulierte
darauf, dass Wallenstein, der in Böhmen gerade ein großes
Heer auf die Beine stellte, den Truppen der Liga zu Hilfe
kommen würde und dass die beiden Feldherren die
Schweden in die Zange nehmen und aufreiben könnten. Das
setzte jedoch voraus, dass Gustav Adolf östlich von Tilly zur
Donau vorstieß, so dass dieser, wenn Gustav Adolf vor
Wallenstein nach Westen zurückweichen musste, in seinem
Rücken die Pässe des fränkischen Jura blockieren konnte.
Tillys Kalkül war: Wenn Gustav Adolfs Vorstoß dem Kaiser
galt und nach Wien führen sollte, so war naheliegend, dass
die Schweden den direkten Weg über die Oberpfalz suchten.
Außerdem befand sich Pfalzgraf Friedrich beim
schwedischen Heer, und ihm würde an der Rückeroberung
der Oberpfalz gelegen sein, die bis 1620 zu seinen
Territorien gehört hatte. Die andere Voraussetzung für das
Gelingen dieses Plans war, dass Wallenstein mitspielte und
nicht in Böhmen blieb, um die Sachsen zurückzudrängen.
Dass er zu Hilfe kommen werde, hatte er versprochen –
meinten jedenfalls Kurfürst Maximilian und Tilly. [10]
Gustav Adolf war jedoch zu vorsichtig, um in die Falle
hineinzutappen. Er hatte sich entschlossen, auf Donauwörth
vorzustoßen, und so erreichte er den Fluss westlich von
Tilly. Dieser entsandte daraufhin eiligst Truppen nach
Donauwörth, um die Stadt gegen die Schweden zu halten;
gleichzeitig errichtete er auf der rechten Donauseite entlang
des Lech eine Sperrlinie, um die Schweden am Eindringen
nach Altbayern zu hindern. An dem Winkel, den Donau und
Lech mit Donauwörth als Spitze bildeten, wollte er den
schwedischen Vormarsch zum Stehen bringen. Tilly dürfte
sich indes darüber im Klaren gewesen sein, dass ihm dies
mit seinen begrenzten Kräften nur für kurze Dauer gelingen
konnte. Aber er wollte Zeit gewinnen, da er nach wie vor
hoffte, Wallenstein werde den Bayern zu Hilfe kommen.
Doch Wallenstein kam nicht. Er gab eine Reihe von
Ratschlägen, setzte das Heer jedoch nicht in Bewegung. Wie
lässt sich das erklären?
Ein Teil der Forschung hat sich in dieser Frage auf
Wallensteins Persönlichkeit konzentriert und herausgestellt,
dass er ein Rachebedürfnis gegenüber Maximilian hegte. [11]
Der andere Teil hat nach politischen und strategischen
Gründen gesucht, die Wallenstein veranlasst haben könnten
zu zögern, und dabei geht es um mehrere Punkte: zunächst
den, dass Kurfürst Maximilian noch kurz zuvor an eine
Trennung vom Kaiser gedacht und über ein von Frankreich
garantiertes Neutralitätsabkommen mit Schweden
verhandelt hatte. Wallenstein konnte nicht wissen, woran er
mit dem bayerischen Kurfürsten war. Ein weiterer Grund für
Wallensteins Untätigkeit könnte darin bestanden haben,
dass er seine formelle Bestellung als Oberkommandierender
des kaiserlichen Heeres klären wollte, bevor er sich auf das
in seiner Sicht kriegsentscheidende Duell mit Gustav Adolf
einließ. [12] Auch Wallensteins Versicherung, das Heer sei
noch im Aufbau und nicht einsatzfähig, lässt sich kaum von
der Hand weisen. In militärischer Hinsicht war da außerdem
das Argument, dass sich Wallenstein bei einem Marsch zum
Lech sehr weit von seiner böhmischen Basis entfernen
musste, während Gustav Adolf sich von seiner Position am
Lech jederzeit weiter nach Westen zurückziehen konnte.
Dann würde Wallenstein ihm folgen oder den Feldzug
abbrechen müssen; einen Verfolgungsfeldzug aber scheute
Wallenstein seit seinen ungarischen Erfahrungen gegen
Mansfeld. [13] Der Ertrag des Feldzugs hätte allein darin
bestanden, dass Bayern zeitweilig geschützt wurde. Dafür
hätte Wallenstein jedoch riskiert, dass die Sachsen,
womöglich durch schwedische Einheiten aus dem
norddeutschen Raum verstärkt, weiter in Böhmen
vorgedrungen wären und sein Herzogtum Friedland
verwüstet hätten, um nach den Grundsätzen der
Diversionskriegführung ihn, Wallenstein, zum Abzug aus
Bayern zu zwingen. Außerdem war in diesem Fall mit der
Rückkehr der böhmischen Exilanten zu rechnen, die ihren
von Wallenstein übernommenen Besitz zurückhaben wollten.
Wallenstein hätte also Bayern gerettet und sein eigenes
Herzogtum preisgegeben. Und überhaupt: Warum sollte er
einem Kurfürsten zu Hilfe kommen, der für eine ganz andere
Ordnung des Reichs eintrat als er? Da war es naheliegend,
die militärische Macht des schwedischen Königs zu nutzen,
um die Macht des bayerischen Kurfürsten einzuschränken,
und die entscheidende Auseinandersetzung mit Gustav
Adolf, die Wallenstein seit langem als unausweichlich
betrachtete, allein und unter selbstgewählten Bedingungen
zu führen. Man muss also nicht Wallensteins Rachebedürfnis
gegenüber Maximilian bemühen, um zu erklären, warum er
ihm nicht zu Hilfe kam. Spieltheoretisch betrachtet, wäre
jede Unterstützung für Maximilian aus der Sicht
Wallensteins ein falscher Zug gewesen.

Welche Motive auch immer für Wallenstein den Ausschlag


gegeben haben – er kam nicht und schickte keine
Unterstützung. Kaiser Ferdinand, an den sich Maximilian mit
der dringlichen Bitte um Hilfe wandte, sah sich gegenüber
seinem neuen Oberbefehlshaber nicht in der Position, ihm
den Befehl zu geben, den Bayern am Lech zu Hilfe zu
kommen. Ferdinand befand sich vor Wallenstein selbst in
der Rolle eines Bittstellers, da er darauf hoffen musste, dass
der Mann, den er auf Drängen des bayerischen Kurfürsten
abgesetzt und gedemütigt hatte, ihn jetzt retten würde. Er
war dankbar, dass Wallenstein am 15. Dezember das
Oberkommando übernommen hatte, und er fürchtete, er
würde es sofort niederlegen, wenn er ihm in seine Pläne
hineinredete. Obendrein war unklar, ob Wallenstein das
Oberkommando über den Aufbau des Heeres hinaus
behalten wollte. Vereinbart war, dass er es vorerst für die
Zeit bis Ende März innehatte. [14]
Seit der Niederlage Tillys bei Breitenfeld hatte man sich in
Wien bemüht, Wallenstein zu reaktivieren. Die Gruppe
seiner Feinde war angesichts der Erfolge Gustav Adolfs eher
kleinlaut geworden, und die für das Militärwesen
zuständigen Räte wollten Wallenstein als
Oberkommandierenden zurückgewinnen. Doch der
verweigerte sich diesem Ansinnen zunächst. Dabei mag
Eitelkeit eine Rolle gespielt haben, vor allem aber scheute
Wallenstein vor der beträchtlichen Anzahl seiner
Widersacher in der Hofburg zurück. Im Augenblick zeigten
sie sich nicht, doch sobald er die Lage wieder stabilisiert
hatte, würden sie wieder gegen ihn intrigieren und
Schwierigkeiten machen, wo sie nur konnten. Wallenstein
schützte seine Erkrankungen vor: Podagra, Gicht usw. Sein
Gesundheitszustand erlaube es ihm nicht, das Amt des
Oberkommandierenden erneut zu übernehmen. In Wien, wo
man sah, wie sich die Lage von Tag zu Tag verschlechterte,
ließ man nicht locker. Schließlich erklärte sich Wallenstein,
der mit Beginn des sächsischen Vorstoßes nach Pardubitz
ausgewichen war, zu einem Treffen mit dem Ersten Minister
des Kaisers bereit. Auf halbem Weg zwischen Pardubitz und
Wien, in Znaim, traf er sich mit Fürst Eggenberg. [15]
Offenbar setzte Wallenstein sämtliche seiner Bedingungen
bei Eggenberg durch: Er wurde zum «General-Capo» der
kaiserlichen Truppen ernannt, übernahm den Oberbefehl
aber, wie erwähnt, lediglich für drei Monate, also bis Ende
März, und das ausdrücklich ohne Entgelt. Wallenstein
willigte ein, eine Armee aufzubauen, begrenzte seine Dienste
jedoch zunächst auf die Zeit des Aufbaus dieser Armee.
Von Znaim aus organisierte Wallenstein das Vorhaben,
wobei er das neue Heer auf eine Mannschaftsstärke von
100000 Mann bringen wollte. An guten Soldaten und
Offizieren war kein Mangel: Wallensteins Ruf genügte, um
die Männer, die früher schon unter ihm gedient hatten,
erneut zu seinen Fahnen zu rufen. Ein größeres Problem war
der Ankauf von Waffen und Munition sowie Uniformen und
was sonst noch zur materiellen Ausstattung eines Heeres
gehörte. Das System der Kontributionen, mit dem
Wallenstein während seines ersten Generalats gearbeitet
hatte, konnte nach dem Selbstmord des Bankiers de Witte
nicht wieder eingerichtet werden; es fehlte ein Mann, der
das Vertrauen der Kreditmärkte besaß und damit die
Vorfinanzierung des Heeres sicherstellen konnte. Auch stand
Wallenstein dieses Mal nicht selbst als Investor zur
Verfügung, sondern beschränkte sich auf die Aufgaben des
Organisators. Die Folge war, dass der Kaiser die
erforderlichen Mittel in seinen Erblanden auftreiben musste
beziehungsweise auf Finanzmittel aus Madrid und Rom
angewiesen war. Wallenstein achtete recht genau darauf,
dass die Belastungen, die mit Aufbau und Unterhalt des
Heeres verbunden waren, nicht an ihm hängenblieben.
Was kaum einer für möglich gehalten hätte, gelang: der
Aufbau eines neuen Heeres, mit dem man Gustav Adolf in
einer offenen Feldschlacht gegenübertreten konnte.
Zunächst war noch die Frage offen, wer dieses Heer führen
sollte. Die in Znaim getroffenen Verabredungen galten ja nur
bis zum 31. März 1632, vielleicht mit einer Übergangsphase
von ein paar Wochen, aber nicht länger. Erneut traf sich
Eggenberg mit Wallenstein, um ihn auch für die Führung
des Heeres im Felde zu gewinnen, und vermutlich war
Wallenstein, der diese Aufgabe einige Monate zuvor noch
entschieden von sich gewiesen hatte, inzwischen nicht mehr
abgeneigt; es sollten jedoch Bedingungen gelten, die er
selbst festgelegt hatte. Man traf sich in Göllersdorf, diesmal
auf halbem Weg zwischen Znaim und Wien. Es ist unklar, ob
die Ergebnisse des Treffens vom 13. April schriftlich
festgehalten wurden oder ob es sich um eine mündliche
Verabredung entlang einiger schriftlich fixierter Stichpunkte
handelte. [16] Eine von Wallenstein und Eggenberg
abgezeichnete Fassung wäre bedeutsam für die
Beantwortung der Frage, ob sich die Verhandlungen, die
Wallenstein vor seiner Ermordung geführt hat, innerhalb
seiner Kompetenzen als Oberkommandierender des
kaiserlichen Heeres bewegten oder ob er diese dabei
überschritt. Es spricht vieles dafür, dass ihm in Göllersdorf
nicht nur das Oberkommando über alle kaiserlichen Truppen
in Deutschland übertragen wurde, sondern dass er es
absolutissima forma erhielt. Das bedeutet, dass der Kaiser
keine Befehle unter Umgehung Wallensteins geben konnte,
dass Wallenstein das unbeschränkte Recht zu Konfiskationen
hatte und über Werbeplätze und Truppenzahl allein
entschied und dass ihm auch das Recht eingeräumt wurde,
aus eigener Machtvollkommenheit Gespräche über Krieg
und Frieden zu führen. Wallenstein, der Herzog von
Friedland, hätte sonst auf Rechte verzichtet, die Johann
Georg von Sachsen und Maximilian von Bayern, denen er
sich tendenziell gleichgestellt sah, selbstverständlich für
sich in Anspruch nahmen. Damit waren wesentliche
Elemente der Politik auf ihn übertragen worden, weswegen
einige in der Forschung davon sprechen, Wallenstein sei
damit zum Diktator im Reich avanciert. [17] Wallenstein war,
formal betrachtet, nie mächtiger als nach den Göllersdorfer
Vereinbarungen.

Für Tilly stellte sich die Lage anders dar: «Nicht nur das
Bayernland ist in Gefahr», schrieb er an den Kaiser,
«sondern das gesamte Heilige Römische Reich. Wenn man
den Fortschritten und Machinationen des Feindes nicht
unverzüglich einen hinreichend schnellen und energischen
Widerstand entgegensetzt, und zwar seitens Ihrer
Kaiserlichen Majestät und aller katholischen Staaten, dann
ist es tatsächlich unrettbar um alle und auch um uns
geschehen. Ich bitte Eure Kaiserliche Majestät daher
inständig, […] die Armee, die Eure Kaiserliche Majestät
soeben aufgestellt hat, ohne Verzögerung und verderblichen
Aufzug [Verzug] in Marsch setzen zu lassen […].» [18] An
diesem Schreiben Tillys ist zweierlei bemerkenswert:
zunächst die Selbstverständlichkeit, mit der er davon
ausging, dass es sich um einen Religionskrieg handelte und
dass mit Blick auf die Konfession auch die Frage, wer
Freund oder wer Feind sei, beantwortet werden könne.
Während Ferdinand diese Sicht teilte, sah Wallenstein das
selbstverständlich anders, und auch Tillys Dienstherr, der
bayerische Kurfürst, hatte bei den
Neutralitätsverhandlungen mit Gustav Adolf auf eine andere
Deutung des Krieges gesetzt. Bemerkenswert ist zweitens,
dass Tilly annahm, der Kaiser könne die von Wallenstein neu
geschaffene Armee in Bewegung setzen, indem er seinem
Oberkommandierenden entsprechende Weisungen erteilte.
Aus der Zeit der gemeinsamen Kriegführung hätte Tilly
wissen können, dass das Verhältnis zwischen Wallenstein
und dem Kaiser gänzlich anders war als das zwischen ihm,
Tilly, und Maximilian. Wallenstein nahm stets eine deutlich
größere Unabhängigkeit für sich in Anspruch, als Tilly sie je
besessen hatte. Eigentlich hätte er also Wallenstein selbst
schreiben müssen (was er davor und danach auch tat). Dass
Tilly sich in diesem Fall an den Kaiser wandte, hatte wohl
damit zu tun, dass er Wallensteins aus Zorn und Verachtung
gespeiste Haltung gegenüber Maximilian kannte und sie
umgehen wollte.
Wallenstein kam Tilly aus den oben genannten Gründen
nicht zu Hilfe, und Donauwörth wurde von den vorrückenden
Schweden schnell erobert. [19] Einmal mehr konnte Lennart
Torstensson seine Fähigkeiten als Artilleriekommandeur
unter Beweis stellen. Herzog Rudolf Maximilian von
Sachsen-Lauenburg, der mit acht Infanteriekompanien,
einem halben Kavallerieregiment sowie einer größeren
Anzahl Milizsoldaten die Stadt halten sollte, beantwortete
die schwedische Kapitulationsaufforderung mit der
Erklärung, er habe dafür nur «Kraut und Kot sowie die
blanke Spitze des Degens» übrig, [20] aber als die Schweden
von einem höhergelegenen Hügel aus mit 20 Kanonen das
Feuer auf die Stadt eröffneten, schlug die Stimmung rasch
um: Die Bürger beschworen den Herzog, die Stadt zu
übergeben. In der Nacht vom 5. auf den 6. April zogen die
ligistischen Truppen ab; damit kamen sie einem Sturm der
Schweden gerade noch zuvor. Gustav Adolf hatte die Donau
erreicht. Nach Oder und Elbe, Main und Rhein musste er nur
noch sie unter seine Kontrolle bringen, um Deutschland zu
beherrschen.
Die Entscheidung darüber sollte am Lech fallen. Tilly hatte
sich entschlossen, die Lechlinie zu halten, da er nur so die
Donaulinie würde verteidigen können; dazu hatte er nahe
dem Städtchen Rain ein festes Lager errichtet, von dem aus
er seine Kräfte lechaufwärts in Richtung Augsburg, aber
auch donauabwärts in Richtung Ingolstadt verschieben
konnte. Die Mündung des Lech in die Donau war für ihn die
Spitze eines Dreiecks, dessen Schenkel, die durch die beiden
Flussläufe gebildet wurden, er verteidigen wollte. Tilly hatte
16800 Fußsoldaten und 5300 Reiter sowie 20 Kanonen zur
Verfügung; dem standen auf Seiten Gustav Adolfs
24600 Infanteristen, 14800 Kavalleristen und 72 Kanonen
gegenüber. [21] Der König hatte beschlossen, weder an der
Donau noch lechaufwärts einen Flussübergang zu suchen,
von dem aus er Tilly umgehen konnte, sondern dessen Lager
bei Rain anzugreifen. Seine Generäle hatten davon
abgeraten und auf die hohen Verluste hingewiesen, die bei
einer Frontalattacke zu erwarten waren, aber Gustav Adolf
hatte diesen Einwand unter Verweis auf seinen erfolgreichen
Rheinübergang bei Oppenheim abgewehrt. Er wollte die
Gelegenheit nutzen, sich der Loyalität der schwäbischen
Protestanten sowie der Stadt Ulm zu versichern, und da er
damit rechnen musste, dass Wallenstein Tilly doch noch zu
Hilfe kommen würde, war ihm eine großräumige Umgehung
des ligistischen Lagers bei Rain zu riskant: Wenn die Dinge
schlecht liefen, konnte er zwischen Tilly und Wallenstein
geraten. Er wollte den Feind vor sich haben und nicht neben
oder hinter sich.
Tilly ließ seine Position durch die Anlage von Erdwerken
befestigen. Ihr Zentrum bildete das durch Wälle geschützte
Hauptlager, das 700 bis 800 Meter vom Lechufer entfernt
lag; dort waren auch die schweren Kanonen aufgestellt.
Näher am Ufer befanden sich drei kleinere Lager, in denen
die leichten Kanonen postiert waren, die so den Fluss und
das Ufer mit ihrem Feuer bestreichen konnten. Die
Lechbrücke bei Rain wurde abgebrochen; außerdem ließ
Tilly seine Kavallerie nach beiden Seiten ausschwärmen, um
festzustellen, ob die Schweden an einer anderen Stelle den
Lech zu überschreiten versuchten. Durch die
Schneeschmelze in den Alpen und starke Regenfälle war der
sonst nicht besonders tiefe Fluss angeschwollen und bildete
eine passable Barriere gegen einen schwedischen Angriff.
Offenbar ging Tilly davon aus, Gustav Adolf werde wie bei
Oppenheim versuchen, den Fluss mit Booten zu überqueren.
Die drei kleineren Lager in Ufernähe sollten sicherstellen,
dass seine Soldaten sogleich zur Stelle waren, wenn die
Boote den Fluss überquerten. Tillys Stellung am Lech hatte
den Nachteil, dass das gegenüberliegende Ufer, an dem die
Schweden standen, um einige Meter höher lag, was sich bei
einem Artillerieduell rächen konnte. Obendrein befand sich
das Lager im Inneren einer Flussschleife: Von hier aus
konnte man die Umgebung zwar gut kontrollieren, dafür
konnte der Gegner das Lager nicht nur frontal, sondern auch
von den Seiten her unter Feuer nehmen. So gut, wie man auf
den ersten Blick meinen mochte, war Tillys Position nicht
gewählt.
Gustav Adolfs Angriffsplan sah ein langanhaltendes
Artillerieduell und die Überquerung des Flusses mit Hilfe
einer Pontonbrücke vor. Die für den Bau der Brücke
notwendigen Bretter und Balken verschaffte er sich durch
den Abbruch von Häusern der naheliegenden Ortschaft
Oberndorf. [22] Südlich der Lechschleife, wo Tillys Stellungen
lagen, befand sich in der Flussmitte eine schmale Insel, die
den Angreifern als Sprungbrett dienen konnte. Die
schwedischen Ingenieure, die sich mit den Möglichkeiten
eines Brückenschlags beschäftigten, schlugen vor, die
Pontons knapp unter der Wasseroberfläche zu halten, so
dass die Brücke kaum auszumachen und durch
Kanonenbeschuss nur schwer zu zerstören war.

An zwei Stellen überschreiten die Schweden im April 1632 den Lech: auf einer
Brücke (Mitte der linken Bildhälfte) und mit Reitern, die den Fluss durchqueren
(ganz rechts). Die Masse des schwedischen Fußvolks befindet sich noch auf dem
linken Ufer, und man fragt sich, ob die wenigen schwedischen Soldaten auf der
anderen Seite dem massiven Angriff von Tillys Infanterie standhalten können. Der
Kupferstecher hat übersehen, dass sich zwischen ihnen und den Truppen Tillys ein
weiterer Flussarm befand, so dass die schwedische Avantgarde sich auf einer Insel
im Lech festsetzen konnte, um ihre Artillerieüberlegenheit auszuspielen. Hier erlitt
Tilly die schwere Verwundung, an der er bald darauf verstarb.

Am 14. April eröffneten die Schweden das Artilleriefeuer.


Torstensson hatte die Kanonen zu drei Batterien
zusammengefasst, jede mit 24 Geschützen. Den ganzen Tag
über wurde auf Tillys Stellungen gefeuert, wobei das
Bombardement eine doppelte Aufgabe hatte: zunächst der
Gegenseite Verluste zuzufügen und sie zu demoralisieren,
sodann aber auch, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu
ziehen und so vom Bau der Pontonbrücke lechaufwärts
abzulenken. Am Nachmittag verstärkte Gustav Adolf dieses
Ablenkungsmanöver, indem er das Heer gegenüber Tillys
Stellungen aufmarschieren ließ, als wolle er über den Fluss
hinweg angreifen. Tilly ließ seine Truppen ebenfalls
Schlachtaufstellung einnehmen, wodurch er sie erst recht
der Wirkung des schwedischen Artilleriefeuers aussetzte.
Während der folgenden Nacht wurden die Arbeiten an der
Pontonbrücke fortgesetzt. Gustav Adolf entzündete an
mehreren Stellen grünes Holz, dessen Rauch zusammen mit
dem Pulverqualm des Artilleriefeuers die Sicht des Gegners
erschwerte. Am frühen Morgen setzten 300 finnische
Soldaten in Booten auf die Lechinsel über, die Brücke wurde
am Inselufer verankert, Verstärkungen über sie
nachgezogen, darunter auch leichte Infanteriekanonen, dann
überquerten die Finnen auch noch den zweiten Flussarm
und bildeten einen Brückenkopf auf Tillys Flussseite.
Der Brückenkopf wurde stetig erweitert, Gegenangriffe
der Tilly’schen Reiterei schlug man zurück. Nachdem Tillys
Stellvertreter General Aldringen schwer verwundet aus dem
Gefecht ausscheiden musste, ritt Tilly selbst heran, um die
Angriffe zu koordinieren. Da traf ihn eine schwedische
Doppelkugel, zerschmetterte sein Bein und warf ihn vom
Pferd. Man brachte ihn ins Lager zurück. Kurfürst
Maximilian musste jetzt selbst das Kommando übernehmen,
und nach Absprache mit seinen Regimentskommandeuren
entschloss er sich, die Schlacht abzubrechen und den
Rückzug nach Ingolstadt anzutreten. Das war eine schwere
Entscheidung, lief sie doch darauf hinaus, dass er das Land
den Schweden preisgab, um sein Heer zu retten. Tilly, der
das Bewusstsein inzwischen wiedererlangt hatte, stimmte
dem Entschluss zu. Als die Schweden am Morgen des
16. April die Befestigungen der Liga-Armee stürmen wollten,
waren sie leer. Die zur Verfolgung losgeschickte Kavallerie
bekam nur ein paar Nachzügler zu fassen. Gustav Adolf war
ein weiterer glänzender Flussübergang gelungen, aber sein
Ziel, die Vernichtung des Liga-Heeres, hatte er verfehlt.
Die Schweden belagerten später Ingolstadt, zogen jedoch
bald wieder ab. Damit fand der schwedische Siegeszug
vorläufig ein Ende. Der Krieg, der nach der Schlacht von
Breitenfeld ein rasendes Tempo aufgenommen hatte, wurde
nun wieder entschleunigt, und dabei verzettelte er sich
immer mehr. Hatte man nach dem Siegeszug Gustav Adolfs
den Eindruck gewinnen können, der Krieg gehe seiner
militärischen Entscheidung entgegen, so konnte davon
inzwischen keine Rede mehr sein. Es schien, als habe Gustav
Adolf mit dem Rückzug der Bayern nach Ingolstadt und
Regensburg sein Ziel aus den Augen verloren. Der Krieg
ging weiter, aber für mehrere Monate richtete sich seine
Gewalt nicht gegen den bewaffneten Feind, sondern gegen
eine weithin wehrlose Zivilbevölkerung, die beraubt und
ausgeplündert wurde. Systematischen Widerstand gab es
nicht. In dieser Lage, so Golo Mann, «weiß Gustav Adolf
nicht mehr, was er tun soll». [23]
Am 30. April verstarb Tilly in Ingolstadt an den Folgen
seiner Verwundung. Die letzten Tage seines Lebens, das für
einen ständig auf Feldzügen befindlichen Soldaten sehr
lange währte – er stand im dreiundsiebzigsten Lebensjahr –,
beschäftigte er sich mit militärischen Anweisungen und
religiösen Praktiken. So drängte er darauf, dass ein Teil des
Heeres von Ingolstadt nach Regensburg verlegt werden
sollte, um wenigstens zwei Städte an der Donau und auf
diese Weise zumindest punktuell die Donaulinie zu halten.
[24] Dass Augsburg, wohin er eine 5000 Mann starke Einheit
verlegt hatte, um die gut befestigte Stadt zu verteidigen,
zwischenzeitlich kapituliert hatte und nun in schwedischer
Hand war, erfuhr Tilly noch, und das war ein schwerer
Schlag für ihn. Er vermachte sein Barvermögen den
Soldaten, die ihn mehr als zehn Jahre lang begleitet hatten.
Nachdem Tilly gestorben war, wurde er in der Stadt
aufgebahrt, und die bei der Verteidigung der
Befestigungsanlagen nicht gebrauchten Truppen defilierten
an seinem Sarg vorbei. Das Herz des tiefgläubigen
Marienverehrers wurde nach Altötting gebracht; der Körper
verblieb in Ingolstadt, wurde aber nach dem Krieg ebenfalls
in Altötting beigesetzt. Dort wurde eine Tilly-Kapelle
errichtet, die das katholische Gegenstück zum
protestantischen Tilly-Bild werden sollte, in dem der
Feldherr als das apokalyptische Ungeheuer von Magdeburg
verteufelt und als der gedemütigte Verlierer von Breitenfeld
verspottet wurde. [25]
Der Söldner Peter Hagendorf indes, der bei Donauwörth
und Rain zugegen war, hat über diese Ereignisse in seinem
Tagebuch nur festgehalten, dass «General Tilly […] mit einer
Kugel geschossen worden, da sind die andern davon
gelaufen». [26] Eine geschichtspolitische Ausdeutung war mit
einer derart lakonischen Bemerkung nicht verbunden. Der
Augsburger Bertolt Brecht hat Anna Fierling, seine «Mutter
Courage», bei der Beerdigung Tillys in Ingolstadt dabei sein
lassen, um sie in ein Gespräch über Kriegshelden und
Kriegsdauer zu verwickeln. «Der Feldhauptmann», so die
Mutter Courage, «hat die letzte Zeit Sorgen gehabt, hör ich.
Im Zweiten Regiment solls Unruhen gegeben haben, weil er
keinen Sold ausgezahlt, sondern gesagt hat, es ist ein
Glaubenskrieg, sie müssen ihn umsonst tun.» Der
Feldprediger, Anna Fierlings Gesprächspartner, weist sie
darauf hin, dass die Soldaten auch dieses Regiments jetzt
«vor der hohen Leich» defilieren. Anna Fierling bedauert
den toten Tilly: Große Ziele habe er verfolgt, doch er habe
sie ohne die Unterstützung der einfachen Leute nicht
ausführen können, und die würden oft alles kaputt machen,
weil sie die großen Ziele nicht verstünden. Darauf der
Feldprediger: Mit den Soldaten vor dem Zelt, die gerade
ihren Branntwein tränken, den sie sich von dem anlässlich
des Begräbnisses ausgezahlten Sold gekauft hätten, könne
man hundert Jahre Krieg führen, selbst wenn man «kein
gelernter Feldhauptmann» sei. «Dann meinen Sie nicht», so
die besorgte Fierling, «daß der Krieg ausgehn könnt?» –
«Weil der Feldhauptmann hin ist? Sein Sie nicht kindisch.
Solche finden sich ein Dutzend, Helden gibt’s immer.» [27]
Der Tod Tillys, sollte das heißen, war für den Fortgang des
Krieges keine relevante Zäsur.
Die Verwüstung Bayerns, das Schwanken
Sachsens und der Wiederaufstieg
Wallensteins
Die Eroberung Augsburgs im Jahr 1632 war für Gustav Adolf
strategisch wie symbolisch von größter Bedeutung,
unterstrich sie doch wie die Rückgewinnung keiner anderen
Stadt in Deutschland seinen Anspruch, der Befreier und
politische Führer des deutschen Protestantismus zu sein.
Augsburg – das war nicht nur die Stadt des Religionsfriedens
von 1555, auf den sich alle beriefen, wenn nach der
Grundlage für eine Friedensordnung Ausschau gehalten
wurde, sondern die Stadt stand auch für die dort formulierte
Confessio Augustana, das Augsburger Bekenntnis, in dem
sich 1530 die verschiedenen Strömungen der Reformation
auf ein gemeinsames Glaubensbekenntnis geeinigt hatten.
Wer die Stadt am Lech in der Hand hatte, war der erste
Verhandlungspartner für einen zukünftigen Religionsfrieden
in Deutschland – gegenüber den Katholiken, aber vor allem
auch innerhalb der unterschiedlichen Gruppen des
politischen Protestantismus.
Es war freilich nicht nur die konfessionspolitische
Symbolik, die Gustav Adolf veranlasste, nach dem
erfolgreichen Lechübergang die zurückweichenden Liga-
Truppen nicht mit ganzer Macht zu verfolgen, sondern sich
der Stadt Augsburg zuzuwenden. Tilly hatte die Stadt von
achtzehn Fähnlein Fußvolk und zwei Reiterkompanien
besetzen lassen. Neben der Verteidigung Ingolstadts und
Regensburgs hatte für ihn die Kontrolle über Augsburg eine
elementare Bedeutung für den weiteren Kriegsverlauf. Das
sah Gustav Adolf unter anderen Vorzeichen genauso:
Nachdem er die Stadt eingenommen hatte, schrieb er am
22. April an Oxenstierna, er habe nun «die gewünschte
Gelegenheit seine Intention fortzusetzen, und wegen der
Commodität der beiden Städte Ulm und Augsburg und des
Trigons des Lech und der Donau eine solche sedem belli
[Sitz der Kriegführung] dieser Orten zu formiren, daß ihn,
wenn er defensive gehen wollte, der Feind so leicht nicht
daraus bringen sollte, und wäre er auch noch so stark». [1]
Augsburg wurde nach kurzen Verhandlungen und dem
Zugeständnis eines «leidlichen Accords» für die Besatzung
eingenommen. Die Augsburger Garnison unter Oberst de
Treberes zog «mit Sack und Pack, Ober- und Untergewehr,
brennenden Lunten, Kugeln im Munde und fliegenden
Fahnen» ab und wurde von den Schweden bis in die Nähe
von Ingolstadt eskortiert. [2] Diese Art der Übergabe kam
Gustav Adolf zupass: Sie war das genaue Gegenteil dessen,
was sich ein Jahr zuvor in Magdeburg abgespielt hatte, und
das steigerte die Symbolkraft Augsburgs noch mehr.
Anschließend ging es darum, die inneren Verhältnisse in
Augsburg neu zu ordnen. [3] Als Erstes wurde der katholische
Magistrat abgesetzt und durch eine evangelische
Stadtregierung ersetzt, wobei aus Respekt vor der
patrizischen Stadtverfassung ein paar evangelische Familien
in die Liste der Stadtgeschlechter aufgenommen werden
mussten. Sodann hatte die gesamte Bürgerschaft dem König
zu huldigen, und zwar in der Form, wie jedes Jahr der
Bürgereid geleistet wurde. Die Huldigungsformel war
dieselbe, die Gustav Adolf in allen größeren von ihm
eingenommenen Städten vorgab: Die Bürger gelobten und
schworen, dass sie Gustav Adolf und der schwedischen
Krone «getreu, hold, gehorsam und gewärtig sein, dero
Bestes prüfen, Schaden warnen und äußerster Möglichkeit
nach abwenden, auch alles das thun und lassen wollen, was
getreuen Unterthanen ihren natürlichen Herrn zu thun und
zu leisten obliegt, treulich ohne Gefährde. So wahr uns Gott
helfe an Seele und Leib.» [4] Es wurde vereinbart, dass die
Stadt eine starke schwedische Garnison aufzunehmen habe,
dass eine von schwedischen Soldaten ausgebildete
Bürgerwehr gebildet werden solle und schließlich eine
monatliche Kontribution von 20000 Gulden zu entrichten sei.
Außerdem sollte die Bürgerschaft umfangreiche Arbeiten an
der Stadtbefestigung vornehmen. Anschließend wurde ein
großes Fest gefeiert.
So erfolgreich die Einnahme Augsburgs für Gustav Adolf
verlief, so sehr wurde sein Versuch, Ingolstadt einzunehmen,
zu einem Misserfolg. Ingolstadt war die imposanteste und
modernste bayerische Festung, und es war klar, dass eine
Belagerung der Stadt mehrere Monate in Anspruch nehmen
würde. So viel Zeit hatte Gustaf Adolf angesichts der
massiven Rüstungsanstrengungen Wallensteins in Böhmen
und der politischen Wankelmütigkeit Sachsens nicht. Also
musste er einen Sturm wagen, der jedoch abgewehrt wurde.
Obendrein hatte er nicht verhindern können, dass ein Teil
des ligistischen Heeres nach Regensburg, zur anderen
großen Donaufestung, weiterzog. Zurück blieb eine
7000 Mann starke Besatzung, mit der sich Ingolstadt gut
verteidigen ließ. Tilly hatte das noch auf dem Sterbebett
vorgeschlagen, und Kurfürst Maximilian war diesem Rat
gefolgt. Beide Festungen deckten sich gegenseitig, und das
machte die Belagerung einer von ihnen noch schwieriger, als
es ohnehin schon war. Schließlich hatte Gustav Adolf mit der
langwierigen Belagerung gutausgebauter Festungsstädte
keine Erfahrung; er hatte bislang alle Städte durch
Kapitulation oder im schnellen Sturm genommen. Nach
wenigen Tagen brach er die Belagerung Ingolstadts ab.
Was aber sollte Gustav Adolf stattdessen tun? Man kann
sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der bislang so klug
und entschlossen agierende König nach dem Abbruch der
Belagerung Ingolstadts zwischen Aktion und Reaktion
schwankte, ohne ein strategisches Ziel vor Augen zu haben.
Er hätte sich nach Böhmen wenden können, um gegen
Wallenstein die Entscheidung zu suchen und dessen noch im
Aufbau befindliches Heer zu zerschlagen. Aber was war,
wenn Wallenstein genauso reagierte wie zuletzt Tilly und
sich auf stark befestigte Positionen zurückzog, um die Zeit
als strategische Ressource einzusetzen? Obendrein war
damit zu rechnen, dass die in Ingolstadt und Regensburg
stehende bayerisch-ligistische Armee dann wieder aktiv
werden und alle Erfolge der Schweden in Süddeutschland
zunichtemachen würde. Das galt auch für den Fall, dass
Gustav Adolf den von Wallenstein zunehmend bedrängten
Sachsen zu Hilfe kam. Er wusste von den Verhandlungen,
die Arnim und Wallenstein miteinander führten, und
zweifelte an der Bündnistreue Johann Georgs.
Selbstverständlich gab es auch die Möglichkeit, das Heer
zu teilen, einen Teil an der Donau stehen zu lassen, um die
Bayern in Schach zu halten, und mit dem anderen nach
Sachsen zu marschieren. Doch damit lud der König
Wallenstein geradezu ein, seinerseits die Initiative zu
ergreifen und sich mit überlegener Macht entweder auf die
in Bayern verbliebenen oder die nach Sachsen vorrückenden
Teile des schwedischen Heeres zu werfen. Das konnte auf
eine Wiederholung dessen hinauslaufen, was Horn gegen
Tilly bei Bamberg widerfahren war. [5] Und schließlich war
da noch die Möglichkeit, den ursprünglichen Plan
weiterzuverfolgen und nach Wien vorzustoßen, um dem
Kaiser in seiner Hauptstadt einen diktierten Frieden
aufzuzwingen. In diesem Fall aber würde das schwedische
Heer im Rücken durch die bayerischen Festungen Ingolstadt
und Regensburg und auf den Flanken durch das in Böhmen
stehende Heer Wallensteins bedroht werden. Ein Vorstoß
auf Wien wäre das riskanteste Vorhaben gewesen.
Der König konnte sich für keine dieser drei Möglichkeiten
entscheiden; stattdessen reagierte er auf einen im
Bodenseeraum ausgebrochenen Bauernaufstand, der durch
die Unterstützung kaiserlicher Truppen eine
antischwedische Stoßrichtung erlangt hatte und den der
schwedische Statthalter in Ulm, Oberst Ruthwen – wegen
seiner Trinkgewohnheiten von den Soldaten auch «Oberst
Rotwein» genannt –, nicht in den Griff bekam. Gustav Adolf
zerschlug die aufständischen Bauernhaufen, deren
Empörung sich weniger gegen das Vordringen des
Protestantismus als gegen die Gewaltakte von Soldaten in
schwedischem Dienst gerichtet hatte, und setzte nach
Augsburger Vorbild in allen größeren Städten
Oberschwabens evangelische Magistrate ein. Ihm ging es
vor allem um die Einrichtung loyaler Verwaltungen; er
mischte sich in Konfessionsfragen nicht weiter ein und ließ
den ortsansässigen Katholiken die Möglichkeit, ihr
Bekenntnis auszuüben. Aber Gustav Adolf betrachtete nur
diejenigen als loyale Magistrate, die dem evangelischen
Bekenntnis angehörten, und infolgedessen vertieften sich die
konfessionellen Spaltungslinien. [6]
Vor dem Feldzug zum Bodensee hatte Gustav Adolf einen
Vorstoß tief nach Bayern hinein unternommen, bei dem er
mehrere Ziele verfolgte: Er wollte München, neben Wien das
Zentrum des politischen Katholizismus, besetzen und so den
bayerischen Kurfürsten Maximilian, nachdem er ihn bei Rain
nicht zur Entscheidungsschlacht hatte stellen können,
demonstrativ demütigen. Außerdem wollte er München und
anderen bayerischen Städten derart hohe
Kontributionszahlungen auferlegen, dass dem Kurfürsten die
finanziellen Mittel für den Krieg ausgingen. Mit der
Ausplünderung Bayerns war ein weiteres Ziel dieses
Feldzugs verbunden, nämlich Wallenstein vielleicht doch
noch dazu zu bringen, dem Kurfürsten zu Hilfe zu kommen.
Obwohl die Schweden das Land gründlich ausraubten,
wurde dieses Ziel nicht erreicht: Wallenstein bewegte sich
nicht. «Wenn man nit eilen wird», so Maximilian an
Wallenstein, «so geht der Donaustrom auch ganz hinweg so
wie der Rhein.» [7] Wallenstein setzte darauf, dass sich
Maximilian in den beiden Donaufestungen halten konnte, so
dass Gustav Adolf einen Vorstoß nach Wien nicht riskieren
würde. Der materielle Ruin des bayerischen Kurfürsten war
ihm durchaus recht.
Maximilian saß in der Falle. Er versuchte, sich daraus zu
befreien, indem er die Neutralitätsgespräche mit Gustav
Adolf wiederaufnahm; dazu bediente er sich des
französischen Gesandten in München, des Barons von Saint-
Étienne. Als der ins schwedische Feldlager kam und das
Anliegen des Kurfürsten vortrug, erklärte Gustav Adolf, er
glaube nicht an die Aufrichtigkeit Maximilians, denn aus
abgefangenen Briefen entnehme er das Gegenteil dessen,
was Saint-Étienne ins Gespräch bringe. Der französische
Gesandte wurde energischer; der Kaiser habe versprochen,
Maximilian in Kürze mit 50000 Mann beizustehen. Das
könne ihm nur recht sein, so der König darauf, «weil
dadurch Bayerland desto eher ruiniert werde». [8] Wenn aber
Maximilian wirklich an Neutralität interessiert sei, so solle
er seine Soldaten die Waffen niederlegen lassen und die
Armee auflösen; «alsdann wolle er [Gustav Adolf] ihm
Gesetze vorschreiben». Wenn der Kurfürst sich bis Anfang
Mai darauf nicht einlasse, werde er damit beginnen, «in
Bayern sengen, brennen, plündern und morden zu lassen».
[9] Gustav Adolf war an einem Neutralitätsabkommen mit
Bayern nicht mehr interessiert; entweder würde Maximilian
bedingungslos kapitulieren, oder er, Gustav Adolf, würde
einen beispiellosen Verwüstungsfeldzug in Gang setzen.
Letzteres mochte im Zorn gesprochen sein, war aber wohl
auch ein Ausdruck der schwierigen Lage, in der sich der
König befand, da alle denkbaren Kriegsziele mit unwägbar
hohen Risiken verbunden waren. Darin zeigt sich eine
latente Tendenz dieses Krieges: Der Verlust strategischer
Ziele führte dazu, dass sich die Gewalt verselbständigte und
schließlich gegen alles richtete, was auf dem Weg lag. Der
schwedische Verwüstungsfeldzug in Bayern wurde zum
Vorspiel des Kriegsverlaufs in seinem letzten Jahrzehnt.
Die Schweden rückten auf Landshut vor; Feldmarschall
Horn besetzte die Stadt und erlegte ihr 100000 Reichstaler
«Ranzion» auf, eine Art Lösegeld, das als Ausgleich für die
unterbliebene Plünderung gezahlt wurde. [10] Als Nächstes
war Freising dran, dem es ähnlich erging. Schließlich
erreichten die Truppen München, das ebenso kampflos
übergeben wurde wie zuvor Landshut und Freising. Er
werde Magdeburg an München rächen, erklärte Gustav
Adolf, ließ sich dann aber dazu bewegen, der Stadt gegen
das exorbitante Lösegeld von 300000 Reichstalern ein
vergleichbares Schicksal zu ersparen. Am 17. Mai zog er in
München ein, begleitet von Pfalzgraf Friedrich, dem es eine
besondere Genugtuung war, im Residenzschloss seines
Gegenspielers um die Kurfürstenwürde Quartier zu
beziehen. Das bei Kriegsbeginn fertiggestellte Schloss
Maximilians galt als das prächtigste im ganzen Reich.
Könnte man es auf Rollen setzen, so würde er es mit nach
Schweden nehmen, soll Gustav Adolf gesagt haben. Er hielt
sich stattdessen an den Kunstsammlungen des Kurfürsten
schadlos. Insgesamt verlief der Aufenthalt der Schweden in
München jedoch leidlich diszipliniert, was wohl auch daran
lag, dass der Großteil des Heeres außerhalb der Stadt auf
dem Schwabinger Anger kampierte. So wurden zwar
Maximilians Besitzungen ausgeräumt, aber die
Bürgerhäuser blieben weitgehend verschont. Das war das
Gegenteil dessen, was Gustav Adolf angedroht hatte. Der
König neigte dazu aufzubrausen, wenn er verärgert war,
doch er ließ sich auch schnell wieder beruhigen, wenn man
ihm entgegenkam und nachvollziehbare Argumente
vorbrachte.
Der Einzug Gustav Adolfs in München war, wie sein
Biograph Junkelmann schreibt, «der abschließende
Höhepunkt seiner Laufbahn als größter Eroberer, den
Europa seit dem Mongolensturm des 13. Jahrhunderts
gesehen hatte». [11] Die Einzüge in Frankfurt und Augsburg
waren Inbesitznahmen symbolträchtiger Reichsstädte; der
Einzug in München dagegen war ein Triumph über den
unmittelbaren Gegner, symbolisch und physisch zugleich.
Nirgendwo wurde das deutlicher als in der «Auferweckung
der Toten». Maximilian hatte von Regensburg aus
angeordnet, dass die im Münchner Zeughaus befindlichen
Kanonen, die nicht mehr rechtzeitig weggeschafft werden
konnten, vergraben werden sollten. Es handelte sich dabei
um Kanonen, die eigens für den Kurfürsten gegossen worden
waren, aber auch um viele Beutestücke aus den
vorangegangenen Kriegsjahren, die Tilly in den Schlachten
gegen den Mansfelder und den Halberstädter, den
Markgrafen von Baden-Durlach und den Dänenkönig
Christian erbeutet hatte. Sie waren so etwas wie eine
Verkörperung des bisherigen Kriegsverlaufs. Nun hatte man
zwar die Geschützrohre vergraben, aber die Lafetten, auf
denen sie sonst lagen, aus Nachlässigkeit nicht zerstört. Die
leeren Lafetten fielen Gustav Adolf beim Besuch des
Münchner Zeughauses auf, und er ließ Nachforschungen
anstellen, wo die zugehörigen Kanonenrohre verblieben
waren. Man riss die Dielen auf und fand sie darunter
vergraben. Auf einem Hocker sitzend, verfolgte der König
ihre Ausgrabung und Bergung: Es waren im Ganzen
119 Kanonen, die, wie man sagte, aus ihren Gräbern
auferstanden und zu neuem Leben erweckt wurden. Beinahe
war es, als würde Gustav Adolf in diesem Augenblick den
bisherigen Kriegsverlauf rückgängig und die Niederlagen
der Protestanten ungeschehen machen. Der König, ein
bibelfester Lutheraner, bediente diese Vorstellung dadurch,
dass er den ersten Rohren, die mit Winden nach oben
gezogen wurden, zurief: «Surgite mortui – Erhebt Euch, Ihr
Toten!» [12]

So geordnet wie in München erfolgte die Ausplünderung


Bayerns sonst nicht. Der Erlinger Pfarrvikar Friesenegger
berichtet, wie sich die Verwüstungsstrategie auf dem
«flachen Land» darstellte. Nach der Einnahme von
Donauwörth sei alles «mit Vergraben, Einpacken und
Flüchten beschäftigt» gewesen. Die Bewohner Erlings
«brachten die Nächte meistenteils in den Wäldern zu». [13]
Bevor die feindlichen Soldaten leibhaftig auftauchten,
versetzten Gerüchte die Menschen in Furcht: Landshut,
Moosburg und Freising seien schon besetzt, und der Feind
habe «aller Orten mit unerschwinglichen Schatzungen,
Verwüsten, Brennen und Morden übel gehauset. Zur
Überzeugung dieser Wahrheit sahe man alle Nächte von
weitem 4, 5 und noch mehr Feuersbrünste.» [14] Am 18. Mai,
so Friesenegger, seien dann auch Reiter nach Erling und
zum Kloster Heiligenberg (Andechs) gekommen, hätten die
Pferde und das Beste, was sie fanden, geraubt und seien
wieder davongeritten. Dann seien andere Reiter
eingetroffen, hätten mitgenommen, was noch geblieben war,
seien dann aber wiederum von anderen Reitern vertrieben
worden, die sich im Kloster an Wein und Bier gütlich getan
hätten. Drei Wochen hätten die Schweden so gehaust, dann
seien sie wieder abgezogen. Als die Mönche ins Kloster
zurückkehrten, bot sich ihnen ein grauenhafter Anblick:
«Das Gotteshaus war voll Gestank und Pferde-Mist, auf den
Altären Überbleibsel von Futter, die Opferstöcke alle
zerbrochen, und die Grabstätte des Stifters geöffnet.» Die
Bilder des heiligen Rasso habe man «mit Kot bedecket
außerhalb des Gotteshauses gefunden». [15] Im Kloster habe
eine «abscheuliche Verwüstung» geherrscht: «Keine ganze
Tür, kein Schloss, kein Kasten, kein Schrank, kein Fenster,
das nicht zerbrochen war; alle Gänge, alle Zimmer, das
Refectorium, Dormitorium, Colloquium waren mit Stroh,
zerschlagenen Fenster- und Tür- und Kästen-Splittern, mit
Pferd- und Menschen-Unrat, mit Gestank und Grausen, so
angefüllet, daß 5 Mann 10 Tage genug zu tun gehabt, das
Kloster nur vom größten Unrat zu reinigen.» [16]
Dass sich die protestantischen Soldaten in einem Kloster
alles andere als respektvoll aufführten, war nicht
überraschend. Zur allgemeinen Zerstörungslust, die sich
ausbreitet, wenn Soldaten, die oft unter freiem Himmel
kampieren, in Wohnräume kommen, von denen sie wissen,
dass sie diese schon bald wieder verlassen müssen, kam hier
eine konfessionelle Komponente dazu: die Gewalt gegen
Sakralgegenstände und Heiligenbilder der Katholiken, die
das Wesen des Feindes treffen sollte. Indem man zerstörte,
was der Gegenseite heilig war, demütigte man sie nicht nur,
sondern beraubte sie auch ihrer Kraft und ihres
Selbstbewusstseins. Doch dabei blieb es nicht. «Noch
elender als im Kloster sah es im Dorf aus. Das obere
Wirtshaus, das schöne Richterhaus, das neue Schulhaus, in
allem 43 Häuser, fast das ganze obere Dorf, lag in der
Asche, wozu die Feinde am 24ten Mai Feuer angelegt haben.
[…] Von 140 Pferden waren einzige 3, von 400 Stück
Hornvieh nur 4 mehr übrig. Schaf, Schwein und das gesamte
Geflügel war ganz und gar verloren.» [17]
Was Friesenegger beschreibt, fand nicht nur in Bayern
statt, sondern weitete sich mit Gustav Adolfs Feldzug gegen
die aufständischen Bauern des Bodenseegebiets auch auf
Oberschwaben aus. Sebastian Bürster, Klosterbruder in
Salem, schildert die Ankunft schwedischer Soldaten in
Oberschwaben, womit der «Bock», wie Bürster den Krieg
nennt, auch hier Einzug hielt. «Den 26. Aprilis [1632] allhier
geht der Bock an. An diesem Tag seien [sind] die
Schwedischen, eine großen Truppen, von Ravensburg aus
auf das Kloster, solches zu verbrennen und in die Asche zu
legen, abgefertigt. Eben wollten wir zu Nacht essen und
seien zu der Tafel zu Hof gesessen, als seien sie bei dem
Untertore herein. Sobald sie aber in das Kloster gekommen,
haben sie 8 oder 9 Geistliche ertappt, […] gefänglich nach
Ravensburg geführt, alldort so lange behalten, bis man ihnen
die Ranzion oder Brandschatzung, 6000 Taler, erlegt.» [18]
Bürster berichtet, dass der Offizier des Trupps den Auftrag
gehabt habe, die Kirche des Klosters in Brand zu setzen. Als
er aber «das schöne, heroische, majestätische Gewölb,
Gebäu und Altar ansichtig worden, ist ihm, wie er selbst
bekennt, ein solcher Greuel, Schrecken und Zittern
angekommen, daß er gleichsam ertattert, hat also nit können
und mögen seinem anbefohlenen Befehl nachzukommen und
ins Werk zu setzen». [19]
Dieses Erzählmuster – man könnte auch von einer
«Bewältigungsstrategie» sprechen – [20] findet sich bei den
Opfern der Gewalt immer wieder: Etwas Wundersames habe
sich zugetragen, als hätte ein Heiliger oder die Gottesmutter
selbst eingegriffen und die Mordbrenner an der Ausführung
ihrer schändlichen Tat gehindert. Auch bei Friesenegger
gibt es eine solche Passage. «Eben so wunderbarlich ist es
auch, daß das Klostergebäude, wo die Feinde öfters, und an
mehreren Orten Feuer angeleget, um, der Wallfahrt zum
Trotz, dasselbe ganz zu verheeren, wie die Ketzer von
Augsburg, Ulm, Nürnberg verlangten, niemal Feuer
gefangen habe, so daß sich die Gottlosen nach der Hand
selbst verwunderten, und die Sache an mehreren Orten
erzählten, und auch zu Herrsching fragten, was denn das für
ein Ort, der kein Feuer fange.» [21] Wie durch göttliche
Fügung schreckte auch der Offizier, von dem Bürster
berichtet, vor der Brandstiftung zurück, weil ein Zittern
seinen Körper überfiel. Da dieser Offizier aber, so Bürster
weiter, von «seinem Obrist Major Rudtwein» in Ulm den
Befehl bekommen habe, neben der Klosterkirche noch ein
paar Dörfer in Brand zu setzen, habe er «im
Hinwiederziehen den Flecken zu Neufa angezündt und, so
ers nit getan und gar nichts brennt hätte, hätte er müssen
hangen, seien also 26 First abgebrennt und zu Asche
gemacht und auf die 75 Stück Ross und Vieh. Ist auch unser
Lustgärtner [der Gärtner des Klostergartens] verstochen und
auch 3 Personen verbrennt worden.» [22]
Die Verwüstung Bayerns und Oberschwabens durch die
Schweden war auch eine Folge davon, dass Gustav Adolf die
erreichbaren und mit Erfolgsaussicht zu bekämpfenden
Gegner ausgegangen waren: Maximilian war in Regensburg
verschanzt, Wallenstein blieb in Böhmen, und ein Vorstoß
auf Wien war unter den gegebenen Umständen nicht
möglich. Das Militär musste also untätig bleiben, was die um
sich greifende Zerstörungslust weiter antrieb. Es waren
jedoch nicht nur schwedische Soldaten, die raubten und
plünderten, sondern an der Verwüstung des Landes
beteiligte sich auch das eigene bayerische Militär.
Friesenegger hält fest: «Zu Anfang Dezember [1632] rückte
die baierische Armee zu 26000 Mann stark, über Rain und
Donauwörth in Baiern herein, um den Feind von Landsberg
und der oberen Gegend zu vertreiben.» Dabei seien
Einquartierungen vorgenommen worden, und die Dörfer
mussten für die Truppen, «Mann und Pferd», Unterhalt
aufbringen. «Hierzu geschahen allerorten die
gewalttätigsten Erpressungen, Streifereien und
Plünderungen, so daß Elend und höchste Armut allgemein
wurde.» [23] Auch das war ein Vorspiel auf das letzte
Jahrzehnt des Krieges, als es für die Bevölkerung der Dörfer
und Städte zunehmend gleichgültig wurde, ob es eigene
oder feindliche Soldaten waren, die anrückten, da beide die
Bevölkerung gleichermaßen drangsalierten. Die
konfessionellen wie die politischen Frontlinien verloren ihre
Bedeutung, und an ihre Stelle trat der Gegensatz zwischen
Bauern und Soldaten. In vielen Darstellungen wird er als die
prägende Konfliktlinie dieses Krieges hervorgehoben. [24]
«Man kann aber wirklich nicht sagen», so Maurus
Friesenegger in seinem Tagebuch über die Plünderungen
des Jahres 1632 in Bayern, «ob die Auswärtigen oder
einheimische Diebe mehr geraubt haben; denn nicht nur bei
dem letzten Abmarsche, sondern auch bei dem öfteren
Abzug der Feinde und Einzug der anderen war immer das
Kloster voll Männern und Weibern, deren ein jedes nahm,
was ihm gefiel. Wenigst wurde nach der Hand auf
Vorstellung und Gewissens-Rührung manches freiwillig und
anderes bei gerichtlicher Haus-Untersuchung
zurückgebracht.» [25] Was hier aufscheint, ist die mit der
Dauer des Krieges immer stärker ausgreifende
Gesetzlosigkeit, der die Regeln des sozialen
Zusammenlebens mehr und mehr zum Opfer fielen. Das
betraf im Übrigen nicht nur die unteren Schichten der
Städte und die Besitzlosen auf dem Land, denen die
Auflösung der etablierten Ordnung eine Chance bot, ihre
Situation zu verbessern oder sich auch bloß das Nötigste zu
verschaffen, sondern dazu gehörten etwa auch alle, die als
Hehler und Aufkäufer des geraubten Gutes zugange waren.
Es mussten nicht immer einzelne soziale Gruppen sein, wie
die Marketender im Tross des Heeres; mitunter waren es
ganze Ortschaften, die sich mit der raubenden Soldateska
verbanden und die von ihr herbeigeschafften
Wertgegenstände weitervertrieben.
Der Tagebuchschreiber Friesenegger nennt ein Beispiel:
«Unter der Zeit taten sich die Machtlfinger Bauern mit mehr
andern in der Gegend zusammen, versahen sich mit Waffen
und wollten die berauschten und schlafenden Freibeuter zu
Herrsching nächtlicher Weile überfallen, morden und die
Beute ihnen abjagen. Allein die Herrschinger drohten der
Gewalt mit Gewalt zu widerstehen und für ihre besten
Freunde und angenehmsten Gäste, wie sie die Schweden
nannten, zu streiten und schickten die Bauern nach Haus.
Und in der Tat lebten die Herrschinger vielfältig von der
Beute derlei Freibeuter und Räuber, die es überall genug
gab, um wohlfeil Geld.» [26] Grimmelshausen lässt seinen
Simplicius Ähnliches erzählen: Ein Trupp Kroaten raubt eine
Schar junger Männer, die vor der Festung Hanau auf dem
winterlichen Eis herumgetollt hatten. Zu ihnen gehört auch
der Erzähler. «Ob zwar nun die Hanauer gleich Lärmen
hatten, sich zu Pferd herausließen und die Kroaten mit
einem Scharmützel etwas aufhielten und bekümmerten
[belästigten], so mochten sie ihnen doch nichts abgewinnen;
denn diese leichte War ging sehr vorteilhaftig [schlau] durch
und nahm ihren Weg auf Büdingen zu, allwo sie futterten
und den Bürgern daselbst die gefangene hanauische reiche
Söhnlein wieder zu lösen gaben, auch ihre gestohlene Pferd
und andere War verkauften.» [27] Da der arme Simplicius
nicht zu den «reichen Söhnlein» gehört und man mit ihm
keinen guten Preis erzielen kann, wird er mitgenommen und
findet sich, statt in Hanau, im Stift Hersfeld wieder, wo es
ihm bei weitem nicht so gut geht wie zuvor. [28] Die «reichen
Söhnlein» hingegen haben das Glück, dass «die Büdinger»,
wer auch immer das war, den Kroaten «die Ware» gegen
entsprechendes Geld abnehmen, mit Sicherheit in der
Erwartung, sie mit Gewinn nach Hanau zurückverkaufen zu
können. Die Praxis des Raubens und Plünderns, die von
regulärem Militär ebenso gepflegt wurde wie von
Freibeutern, also Bewaffneten, die auf eigene Faust
loszogen, war nur möglich in Zusammenarbeit mit denen,
die das Raub- und Diebesgut aufkauften, um damit
Geschäfte zu machen. Der Krieg entwickelte mit der Zeit
seine eigenen Wirtschaftskreisläufe, und sie waren ein
weiterer Grund für seine lange Dauer.
Die Festung Hanau, deren mächtige Wälle um das Schloss herum auf Merians
Stadtvedute gut erkennbar sind, war seit Mitte der 1630er Jahre das strategische
Verbindungsglied zwischen dem schwedischen Heer im Nordosten und den von
Frankreich bezahlten und zum Teil auch aufgestellten Heeren im Südwesten.

Ein mindestens ebenso großes Problem wie der Mangel an


großen strategischen Zielen war für Gustav Adolf die
notorisch schwankende Haltung Kursachsens und damit
jenes Teils der protestantischen Stände, die sich an der
Politik Dresdens orientierten. Kurfürst Johann Georg hatte
den Weg an die Seite Schwedens nur zögerlich beschritten,
und der Siegeszug Gustav Adolfs hatte seinen Bedenken
neue Nahrung gegeben. Wäre es nicht besser gewesen, das
politische Momentum nach dem großen Sieg von Breitenfeld
(zu dem die Sachsen freilich wenig beigetragen hatten) zu
nutzen, um Friedensverhandlungen aufzunehmen? Was
waren die Ziele des schwedischen Königs, und ließen sie
sich überhaupt mit der Reichsverfassung in ihrer bisherigen
Form in Einklang bringen? Johann Georgs
Reichskonservatismus lehnte grundlegende Veränderungen
ab, und dass diese kommen würden, wenn der König
militärisch weiterhin erfolgreich war, dürfte dem Kurfürsten
klar gewesen sein. Wenn er auch meistens betrunken war, so
war er doch nicht dumm. Vermutlich hatte er von dem
Projekt gehört, die geistlichen Kurfürstentümer im Reich
abzuschaffen und auf diese Weise den Weg für die Wahl
eines evangelischen Kaisers frei zu machen – wer auch
immer das sein würde. Vor allem von Schwedens engem
Verbündeten, Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel,
wurde dieses Vorhaben vertreten, [29] und Johann Georg
argwöhnte, Gustav Adolf wolle selbst zum deutschen Kaiser
gewählt werden – worauf er nach der Schlacht von
Breitenfeld ja noch einen Trinkspruch ausgebracht hatte.
Der sächsische Kurfürst ließ sondieren, ob man den
Schweden durch Separatfriedensverträge isolieren und aus
Deutschland hinausdrängen könnte. Zum einen nutzte er die
guten Beziehungen seines Heeresbefehlshabers Arnim zu
Wallenstein, um herauszubekommen, ob der Kaiser
womöglich zur Rücknahme des Restitutionsedikts bereit war
und wie er sich die Lösung der kurpfälzischen Frage
vorstelle; kam man in diesen Fragen überein, so würden sich
auch alle weiteren Probleme lösen lassen. Zum andern
verhandelte er mit Kurbrandenburg über ein Separatbündnis
beider Länder, das Schweden aus den Angelegenheiten des
deutschen Protestantismus ausschließen sollte. [30] Ende
Februar und Anfang März trafen sich sächsische und
brandenburgische Räte in Torgau, um die Chancen einer
gemeinsamen Politik gegen Schweden zu erkunden. Wider
Erwarten stieß Johann Georg bei Georg Wilhelm von
Brandenburg jedoch auf wenig Gegenliebe. Er hatte damit
gerechnet, dass die Pommern-Frage Brandenburg auf
Distanz zu Schweden bringen würde, aber das war nicht der
Fall. Hätte man sich auf dem Leipziger Konvent enger an
Schweden angelehnt, so die Antwort Georg Wilhelms, wäre
den deutschen Protestanten viel Unheil erspart geblieben.
Offenbar spielte der Untergang Magdeburgs für die
brandenburgische Politik eine deutlich größere Rolle als für
die sächsische. Die brandenburgischen Räte traten dafür
ein, vor Beginn allgemeiner Friedensverhandlungen einen
Konvent der evangelischen Stände abzuhalten, um eine
gemeinsame Verhandlungslinie festzulegen. Diese
Forderung kam letzten Endes eher den Schweden entgegen,
die in Deutschland einen Corpus Evangelicorum unter ihrer
Führung schaffen wollten, als den Sachsen, die vorsahen,
eigenständig mit dem Kaiser zu verhandeln und die
Ergebnisse anschließend von den protestantischen Ständen
annehmen zu lassen. Letztlich ging es also um die Frage,
wer die Verhandlungsführerschaft bei Friedensgesprächen
haben sollte: Schweden oder Sachsen, Gustav Adolf oder
Johann Georg.
Sieht man davon ab, dass eine gehörige Portion
Eigeninteresse im Spiel war, so kann man der sächsischen
Sicht eine gewisse Rationalität nicht absprechen. Johann
Georg war vor allem daran interessiert, den Krieg zu
beenden, und dafür war er zu weitgehenden Konzessionen
gegenüber dem Kaiser und der katholischen Seite bereit.
Selbstverständlich gründete sich diese Bereitschaft darauf,
dass Sachsen bislang eher zu den Gewinnern des Krieges
gehört hatte, so dass es eine Revision des Status quo nicht
für notwendig hielt. Das sahen jene protestantischen Stände,
die in den zurückliegenden Kriegsjahren vor allem Verluste
hatten hinnehmen müssen, ganz anders, weswegen sie sich
stärker an Schweden anlehnten. Die ursprüngliche
Konfliktlinie innerhalb des Protestantismus zwischen
Lutheranern und Reformierten wurde zunehmend überlagert
durch eine zwischen denen, die mit dem Status quo
abzüglich des kaiserlichen Restitutionsedikts leben konnten,
und jenen, die eine Entschädigung für die im Kriegsverlauf
erlittenen Verluste erwarteten. Will man es pointieren, so
kann man in anachronistischer Begrifflichkeit von den
Anhängern eines «Verhandlungsfriedens» und denen eines
«Siegfriedens» sprechen; Sachsen war in diesem Fall der
Repräsentant des Verhandlungsfriedens. Noch mehr freilich
war das Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt, den Gustav
Adolf einmal als «des Heiligen Römischen Reiches
Erzfriedsstifter» [31] verspottet hatte. Er pflegte einen engen
Kontakt zu Sachsen und zum Kurfürsten von Mainz. Auch er
war eher ein Profiteur als ein Verlierer des bisherigen
Kriegsverlaufs, war er doch in den Besitz des Marburger
Erbes gelangt, [32] das er bei weiteren Siegen der Schweden
und in Anbetracht der engen Anlehnung seines Kasseler
Vetters an Gustav Adolf kaum behalten würde. So waren die
prinzipiellen Fragen – Krieg oder Frieden – mit dem
jeweiligen Eigeninteresse verquickt, und das sprach nicht
dafür, dass man zu einer belastbaren Verständigung
kommen konnte.

In Gustav Adolf reifte die Vermutung, dass Kursachsen eine


politische Linie verfolgte, die der seinen entgegenstand.
Eine nicht unerhebliche Rolle spielten dabei die
Verhandlungen, die Arnim seit dem Spätherbst 1631 mit
Wallenstein führte. [33] Ihr Inhalt ist kaum zu ermitteln, weil
sie nicht zu schriftlichen Abmachungen geführt haben.
Einige Historiker gehen von einer Verschwörung aus: im
Falle Arnims gegen Gustav Adolf und die protestantische
Sache; [34] im Falle Wallensteins als Vorgeschichte des
Verrats am Kaiser. Nicht einfacher wird das Urteil über
diese Verhandlungen durch die Rašín-Relationen, Berichte,
die der böhmische Exilant Jaroslaw Sezyma Rašín nach der
Ermordung Wallensteins und der Zusage seiner
Begnadigung durch den Kaiser sowie der Rückgabe seines
böhmischen Besitzes verfasst hat. Dass dieser Text, der noch
durch Wallensteins Erzfeind Slawata überarbeitet wurde,
eher eine Gefälligkeitsdenunziation als ein verlässliches
historisches Dokument darstellt, ist in der Forschung
inzwischen Konsens. Arnim und Wallenstein tauschten sich
jedenfalls mehrfach miteinander aus, einmal auch in einem
längeren Vieraugengespräch in Schloss Kaunitz bei Prag.
Was dabei verhandelt wurde, wissen wir nicht, aber man
kann davon ausgehen, dass jeder den anderen auf die eigene
Seite zu ziehen versuchte: Wallenstein wollte seinen
einstigen Feldmarschall – im Übrigen mit Wissen des
Kaisers – dazu bringen, gemeinsam mit dem sächsischen
Kurfürsten auf die kaiserliche Seite überzuwechseln, und
Arnim dürfte sich bemüht haben, Wallenstein für die
Friedenspartei im Reich zu gewinnen. Beide respektierten
sich, und im Grundsatz lagen ihre Positionen nicht so weit
auseinander. Das Problem, mit dem sie zu kämpfen hatten,
bestand eher darin, ihre Sichtweise im eigenen Lager
durchzusetzen, und dabei kamen beide nicht weiter. Man
ging jedoch auch weiterhin rücksichtsvoll miteinander um:
Als Arnims Truppen Prag besetzten, ließ er vor Wallensteins
Palais eine Wache aufziehen, außerdem sorgte er dafür, dass
das Herzogtum Friedland weitgehend ungeplündert blieb;
als Wallenstein im Frühjahr 1632 damit begann, die
sächsische Armee aus Böhmen hinauszutreiben, tat er das
mit großer Vorsicht und war bemüht, den sächsischen
Truppen keine Niederlage zuzufügen. Arnim wiederum war
klug genug, Wallenstein nicht zu einer Schlacht
herauszufordern. Das weckte Misstrauen auf beiden Seiten,
wobei Gustav Adolf mehr Grund dazu hatte als der Wiener
Hof. [35]
Stellungskrieg bei Nürnberg und
Entscheidungsschlacht bei Lützen: zwei
Etappen im Duell zwischen Gustav Adolf
und Wallenstein
Im Frühjahr 1632 hatte Wallenstein die Sachsen aus
Böhmen herausgedrängt; er hatte das auf die von ihm
bevorzugte, weitgehend unspektakuläre Art getan: keine
Schlachten, sondern ein Manövrieren mit überlegenen
Kräften, vor denen der Gegner von sich aus zurückwich. Das
war nicht nur strategisch sinnvoll, weil Wallenstein dadurch
in der Konfrontation mit einem weniger wichtigen Gegner
keine eigenen Truppen verschliss, sondern es war auch
politisch sinnvoll, weil Wallenstein diesen Gegner als einen
zukünftigen Verbündeten ansah, den er noch brauchte. Mehr
als ein Jahrzehnt lang hatte Sachsen sich kaisertreu
verhalten, und es war erst infolge von Tillys unklugem
Agieren auf die schwedische Seite gewechselt. Wallenstein
setzte darauf, dass er Sachsen wieder auf die kaiserliche
Seite ziehen konnte. Dass dies möglich war, glaubte er den
mit Arnim geführten Gesprächen entnommen zu haben.
Sicherlich hatten die Sachsen in konfessionellen Fragen
Gemeinsamkeiten mit den Schweden, aber die genuin
politischen Interessen des Kurfürsten lagen sehr viel näher
beim Kaiser als beim schwedischen König. Die Probleme mit
Gustav Adolf würden in aller Deutlichkeit hervortreten,
sobald dieser seine politischen Ziele offengelegt hatte, denn
dann würde sich zeigen, dass die schwedische Politik auf
einen Umsturz der Reichsverfassung und eine Revolution
der politischen Konstellationen im Reich hinauslief, während
die sächsische Politik in diesen Fragen ausgesprochen
konservativ war. Wallenstein war überzeugt, dass die Zeit
für ihn arbeitete. Er musste nur warten, bis Kursachsen zum
Kaiser zurückkehrte, dann würde sich die strategische Lage
im Reich grundlegend ändern: Unter diesen Umständen
nämlich war die exponierte schwedische Position in
Süddeutschland nicht mehr zu halten. Aus diesem Grund
agierte er zurückhaltend gegen die sächsische Armee, jagte
sie nicht aus dem Land, sondern drängte sie langsam hinaus.
Es war ein Wesensmerkmal der Wallenstein’schen
Kriegführung, dass er Ziel und Zweck immer miteinander
verband und dafür Sorge trug, dass sich die Ziele nicht
gegenüber dem Zweck verselbständigten.
Die Gegner Wallensteins verstanden das nicht oder wollten
es nicht verstehen: Er behandele die Sachsen zu
rücksichtsvoll, nutze die Gelegenheiten nicht, sie militärisch
zu schlagen, und stecke mit ihnen vielleicht sogar unter
einer Decke. Schließlich habe er während des Winters
mehrfach mit dem sächsischen Generalleutnant von Arnim
Kontakt gehabt, sich mit ihm zu einem längeren
Vieraugengespräch getroffen, und es sei schon auffällig, wie
sehr sich die Sachsen bei ihrem Vorstoß nach Böhmen
bemüht hätten, das Eigentum und die Ländereien des
Herzogs von Friedland zu schonen. Kaum war Wallenstein
erneut im Amt, machte sich wieder das alte Misstrauen
gegen ihn bemerkbar, und man beobachtete und bewertete
seine Handlungen genau. Das hatte auch mit der
herausragenden Stellung des Generalissimus im kaiserlichen
Machtapparat zu tun, mit den außerordentlichen
Befugnissen, die er sich in Znaim und Göllersdorf
ausbedungen hatte, und nicht zuletzt mit dem Umstand, dass
er das Militärische vom Politischen her dachte und
deswegen Entscheidungen traf, die in Wien als Eingriff in die
Zuständigkeiten der Politik wahrgenommen wurden. Das
Misstrauen gegen Wallenstein hatte aber auch mit seiner
Person zu tun, mit seiner Verschlossenheit, aus der er
plötzlich hochfahren konnte, und mit Äußerungen über seine
Kontrahenten in Wien und München, die von beißendem
Spott begleitet waren. Wallenstein konnte durchaus
zuvorkommend und gewinnend sein, wenn er dazu aufgelegt
war und ihm dies als opportun erschien, aber die Fähigkeit,
sich konsequent diplomatisch zu verhalten, ging ihm ab. Das
war ein Problem, weil, wie Golo Mann festhält, «der
Organisator der Armee […] den Staat, den es nicht gab,
durch diese seine eigene, einsame Person ersetzen» musste.
[1] In der Folge bekam die Person Wallenstein eine
Bedeutung, die sie in einem gefestigten Institutionensystem
nicht gehabt hätte. Das war wiederum die Ursache dafür,
dass von dem Moment an, da Wallenstein zurück war, auch
die Kritiker und Neider, die Gerüchtestreuer und
Verdachthaber allesamt wieder da waren. Diese Schatten
wurde Wallenstein nicht los. Er verachtete sie und
bekümmerte sich nicht weiter um das, was sie über ihn
verbreiteten. Das war richtig, denn nur so konnte er sich auf
seine vielfältigen Aufgaben konzentrieren. Aber es hatte zur
Folge, dass Wallenstein zunehmend in politische Isolation
geriet. Kennt man die Geschichte des zweiten Generalats, so
lässt sich dessen Ende von Anfang an absehen.

Zunächst freilich bewegte sich Wallenstein auf einem


aufsteigenden Ast. Im späten Frühjahr 1632 war das neue
Heer einsatzfähig: 54 Regimenter Infanterie, 75 Regimenter
Kavallerie, eine starke Artillerieabteilung sowie kroatische
und polnische leichte Reiterei als Späher und Plänkler
standen zur Verfügung. Etwa 100000 Mann hatte der
Herzog von Friedland zusammengebracht. Eigentlich hatte
er die doppelte Anzahl unter Waffen bringen wollen, aber
der Söldnermarkt und die finanziellen Möglichkeiten der
habsburgischen Erblande hatten nicht mehr hergegeben.
Wenngleich die meisten Regimenter deswegen nur die
Hälfte ihrer Sollstärke erreichten, war dies doch die
leistungsfähigste und zuverlässigste Armee, über die der
Kaiser je verfügt hatte. [2] Der Däne Heinrich (Henrik) Holk,
einer der Verteidiger Stralsunds und damals Wallensteins
Gegner, inzwischen in kaiserliche Dienste übergewechselt
und zum Generalwachtmeister befördert, übernahm die
Organisationsarbeit und wurde zu Wallensteins «rechter
Hand». [3] Matthias Gallas und Johann von Aldringen stiegen
zu Generälen der Artillerie auf, [4] Christian von Ilow und
Adam Trčka wurden zum Feldmarschallleutnant befördert,
und aus ligistischem Dienst übernahm Wallenstein den
draufgängerischen Pappenheim als Feldmarschall, ein Rang,
den später auch Ottavio Piccolomini bekleidete. [5] Da
Pappenheim im Nordwesten weitgehend selbständig
operierte und dabei durch seine schnelle und überfallartige
Art der Kriegführung starke feindliche Kräfte band, [6] war er
dort unabkömmlich, und Wallenstein verzichtete vorerst
darauf, ihn zum Hauptheer nach Böhmen zu holen. Wiewohl
Pappenheim in fast jeder Hinsicht das Gegenteil
Wallensteins war, bewunderte er den Generalissimus
zutiefst. Er war ihm treu ergeben, jedoch ein zu
eigenständiger Charakter, als dass er es lange in
Wallensteins straff organisiertem Heer ausgehalten hätte.
Insofern kam die räumliche Distanz dem Verhältnis der
beiden durchaus zugute. Die Folge war, dass neben Holk vor
allem Piccolomini zum Vertrauten Wallensteins wurde. Wie
kaum ein anderer (allenfalls mit der Ausnahme von Gallas)
wurde Piccolomini von Wallenstein gefördert, womit dieser
den Mann groß machte, der bei seiner Ermordung die
entscheidende Rolle spielen sollte. [7]
Doch so weit war es noch nicht; Wallenstein wurde für die
Auseinandersetzung mit Gustav Adolf gebraucht, und selbst
seinen ärgsten Widersachern in Wien und München war
klar, dass nur er diesen Zweikampf führen und gewinnen
konnte. Das wiederum wusste auch Wallenstein, und
deswegen lehnte er es ab, sein Heer auf Kriegsschauplätzen
zu verzetteln, die er für den Kampf gegen Gustav Adolf als
bedeutungslos ansah. Marcus Junkelmann hat dieses Duell
als «den dramatischen Höhepunkt des Dreißigjährigen
Krieges» bezeichnet, als die Auseinandersetzung «zwischen
den beiden größten Heerführern ihrer Zeit». [8] Wallenstein
hat sich auf das Zusammentreffen gründlich vorbereitet,
nicht nur durch den Aufbau und die Organisation des
Heeres, sondern auch durch eine Reihe von Operationen, die
ihm die strategische Initiative gegenüber Gustav Adolf
verschaffen sollten. Zwei davon waren von besonderer
Bedeutung: der Verzicht, nach Bayern vorzustoßen und dort
die Entscheidung gegen den Schwedenkönig zu suchen, und
die Bedrohung Sachsens, die Gustav Adolf zwingen sollte,
Süddeutschland zu verlassen und sich Wallenstein in einem
Raum zum Kampf zu stellen, den dieser nach seinen
Vorstellungen ausgesucht hatte. Wären die beiden in Bayern
zusammengetroffen, hätte Gustav Adolf die Initiative
behalten, und sei es bloß dadurch, dass er sich nach Westen
zurückgezogen hätte und Wallenstein ihm zu seinem
Nachteil hätte folgen müssen. Wallenstein aber kannte den
schwachen Punkt der schwedischen Machtstellung in
Deutschland: Wenn er den Druck auf die Sachsen erhöhte,
musste Gustav Adolf ihnen zu Hilfe kommen, entweder
selbst oder indem er ein größeres Armeekorps entsandte,
und Wallenstein konnte sich dann aussuchen, auf wen er
sich werfen würde. Zog Gustav Adolf sämtliche in
Süddeutschland stehenden Truppen zusammen und
marschierte nach Thüringen und Sachsen, so würde das
zudem zwangsläufig zur Erosion der schwedischen
Machtstellung an Donau und Rhein führen, so dass viele
Ergebnisse des Siegeszugs von 1631/32 wieder zur
Disposition standen.
Gustav Adolf misstraute dem Durchhaltevermögen und der
Opferbereitschaft seiner deutschen Verbündeten, wenn er
nicht zur Stelle war, um sie gegen ihre Widersacher zu
beschützen. In seinen Augen waren die deutschen
Protestanten allzu wetterwendisch, und man durfte von
ihnen nicht erwarten, dass sie in Glaubensfragen wie
politischer Loyalität standhaft blieben, sobald sich die Lage
verschlechterte. «Ihr pflicht- und gottvergessenen Buben,
die ihr euren Glauben schon unter vielerlei Religion
verleugnet und die schändliche Abgötterei des Papsttums
angenommen», herrschte er die Menschen in der Oberpfalz
an, die nach der Eroberung des Landes durch Tilly die
Konfession gewechselt hatten, anstatt auszuwandern. [9]
«Sollt ihr zu Gott nit soviel Vertrauen haben, daß ihr um
seines göttlichen Wortes willen Euer Haus, Hof, Weib und
Kind nit hintansetzt und verlasset? Ihr leichtfertigen,
abtrünnigen Schelme. Deswegen straft Euch auch Gott.» [10]
Auf solche Glaubenshelden gab der König nicht viel; er
musste mit seiner Heeresmacht ständig bei ihnen sein, damit
sie im Glauben standhielten. Also konnte Gustav Adolf seine
Truppen nicht zur Konfrontation mit Wallenstein
konzentrieren. Das war sein strategisches Handicap
gegenüber Wallenstein, der diese Sorge nicht hatte.
Gustav Adolf musste seine Kräfte verteilen: Horn ging zu
Oxenstierna an den Rhein, um die Spanier in Schach zu
halten, Grubbe sollte die schwedischen Kräfte im
niedersächsischen Kreis koordinieren und Wilhelm von
Weimar in Thüringen neue Soldaten anwerben. Da der König
ganze 22000 Mann unter Banér und Bernhard von Weimar
südlich der Donau zurückließ, umfasste die Armee, mit der
er nach Nordosten aufbrach, nicht mehr als
10000 Fußsoldaten, 8500 Reiter und 70 Kanonen. [11] Gustav
Adolf hatte die Information, dass sich Wallenstein mit
seinem Heer auf Eger im Nordwesten Böhmens zubewegte,
also eine Position bezog, von der aus er den Durchzug der
Schweden nach Sachsen verhindern konnte. Es ist
unwahrscheinlich, dass Gustav Adolf sich auf ein Treffen mit
dem deutlich überlegenen kaiserlichen Heer einlassen
wollte; stattdessen dürfte er geplant haben, den von
Regensburg aus in Richtung Eger marschierenden
Kurfürsten Maximilian, der etwa 7000 Mann bei sich hatte,
abzufangen und dessen Truppen zu zersprengen. [12] Gelang
ihm das, so war er die Sorge um das ligistische
Operationsheer los und konnte einen Teil der in Bayern
zurückgelassenen Truppen nachziehen, um mit etwa
gleichstarken Kräften die entscheidende
Auseinandersetzung mit Wallenstein zu suchen. Doch das
Vorhaben, die Bayern zum Kampf zu stellen, misslang. Als
Gustav Adolf am 24. Juni in der Nähe von Weiden anlangte,
musste er feststellen, dass Maximilian mit seiner Armee
bereits nördlich von Weiden war und damit nicht mehr an
der Vereinigung mit den Truppen Wallensteins gehindert
werden konnte. Er zog sich daraufhin auf Nürnberg zurück.
Das vereinigte kaiserlich-ligistische Heer, das nun
31000 Infanteristen, 13000 Kavalleristen und 80 Kanonen
umfasste, zog ebenfalls von Neustadt an der Waldnaab in
Richtung Nürnberg.
Als Gustav Adolf seine Streitkräfte bei Nürnberg konzentrierte, verlegte er sie
nicht in die auf herkömmliche Weise durch eine Doppelmauer mit zahllosen
Wachtürmen befestigte Stadt, sondern ließ sie großflächig in einem Ring um die
Stadt unterbringen. Die Truppen waren so verteilt, dass sie die ihnen
zugewiesenen Verteidigungsabschnitte schnell erreichen konnten. Die neue Art
des Festungsbaus mit Sternschanzen, die flankierendes Feuer auf Angreifer
ermöglichten, ist auf dem Plan gut zu erkennen, ebenso das Exerzieren der
Truppen außerhalb der Schanzen.

Gustav Adolf konnte sich mit weniger als 20000 Mann nicht
zur Schlacht stellen. [13] Aber Nürnberg als strategische
Position und wichtigen Verbündeten aufgeben konnte und
wollte er auch nicht. Also ließ er um die Reichsstadt eine
zweite, ungefähr 16 Kilometer lange Umwallung errichten,
die sich wie ein äußerer Ring um die eigentlichen
Befestigungsanlagen der Stadt zog, und dazwischen brachte
er sein Heer unter. Der Ring um Nürnberg war zu groß, als
dass Wallenstein ihn selbst noch einmal einschließen konnte,
und das ermöglichte Gustav Adolf, Nachschub,
Verstärkungen und das für die Verpflegung der Soldaten
Erforderliche heranzuführen. Wenn Wallenstein die
Umwallung angreifen wollte, so musste er gegen gut
gesicherte Schanzen anrennen, und seine Sturmtruppen
waren dem schwedischen Abwehrfeuer deckungslos
ausgesetzt. Doch Wallenstein griff nicht an, sondern ließ bei
Zirndorf in der Nähe von Fürth ebenfalls ein Lager
errichten, in dem er das Gros seiner Truppen konzentrierte.
Des Weiteren baute er in größerem Abstand um Nürnberg
eine Reihe befestigter Lager auf, von denen aus er die
Versorgungslinien des schwedischen Heeres abschneiden
wollte. Man kann das als indirekte Belagerung bezeichnen,
die darauf setzte, dass mit der Zeit die
Nahrungsmittelvorräte in Nürnberg knapp wurden und das
schwedische Heer daran zugrunde ging – oder den Kampf
annahm. Der Stellungskrieg bei Nürnberg war ein Ringen
mit der Zeit, und die Zeit konkretisierte sich in dem auf
beiden Seiten um sich greifenden Hunger und der Hoffnung,
dass die in solchen Situationen zwangsläufig auftretenden
Seuchen als Erstes dem Gegner zusetzen würden.
Um in dieser Lage die Initiative zurückzugewinnen, musste
Gustav Adolf seine auf diverse Nebenkriegsschauplätze
verteilten Truppen zu sich heranziehen. Die Frage war, wo
sich Truppen abziehen ließen, ohne dass dies gravierende
Folgen hatte. Zunächst bot sich hierfür Sachsen an, da mit
dem Abzug des Wallenstein’schen Hauptheeres die für das
Kurfürstentum drohende Gefahr geschwunden war. Arnim
hatte die Kaiserlichen schon wieder aus der Lausitz
hinausgedrängt und stieß nunmehr nach Schlesien vor. Er
eroberte Breslau und Glogau und besetzte auch Wallensteins
Fürstentum Sagan, wo er nicht so rücksichtsvoll auftrat wie
zuvor bei der Besetzung von Teilen Friedlands. Wallenstein
ließ sich zu einem Vergeltungsfeldzug provozieren: Sein
Generalwachtmeister Holk drang mit den im Raum
Bamberg/Forchheim stehenden Truppen in die Gegend um
Meißen vor, die er nach Kräften verwüstete. Dabei kam Holk
bis vor die Tore Dresdens, so dass Kurfürst Johann Georg
Nacht für Nacht die brennenden Dörfer in der Umgebung
seiner Hauptstadt sehen konnte. Aber Holks
Diversionsfeldzug bewirkte das Gegenteil des Bezweckten:
Johann Georg, dessen politische Unzuverlässigkeit Gustav
Adolf das ganze Frühjahr über beschäftigt hatte, rückte
wieder fest an die schwedische Seite. Der sorgenvolle Blick
des Königs nach Dresden erübrigte sich vorerst, und mehr
noch: Johann Georg schickte ihm einige seiner Regimenter
zu Hilfe.
Weniger erfreulich entwickelte sich die Lage im
niedersächsischen Kreis, wo Pappenheim in schnellen
Bewegungen die Schweden unter General Baudissin, die
hessischen Truppen des Landgrafen Wilhelm sowie die
kleine Armee Georg von Lüneburgs beschäftigte und ihnen
immer wieder Niederlagen zufügte. Doch so erfolgreich, wie
Pappenheim in seiner Operationsführung war, so ignorant
war er im Hinblick auf die strategische Gesamtlage. So ließ
er sich dazu verleiten, die von den Niederländern bedrängte
spanische Festung Maastricht zu unterstützen, womit sich
die Lage im niedersächsischen Kreis entspannte und
Wilhelm von Hessen-Kassel einige seiner Regimenter nach
Franken in Marsch setzen konnte. Am überschaubarsten war
aus schwedisch-protestantischer Sicht die Lage in Bayern,
wo es nach dem Abzug der ligistischen Mobilarmee aus
Regensburg nicht länger nötig war, starke Kräfte
bereitzuhalten. Banér und Bernhard von Weimar sollten, so
die Anweisung des Königs, mit 10000 Mann ins westliche
Franken marschieren, wo Oxenstierna, der sich mit Horns
Hilfe am Rhein Luft verschafft hatte, eine Entsatzarmee
zusammenführte, um mit ihr auf Nürnberg vorzustoßen und
dem König zu Hilfe zu kommen.
In Nürnberg selbst und im schwedischen Lager war es
derweil nicht zu der dramatischen Zuspitzung gekommen,
mit der Wallenstein gerechnet hatte. Weder war die
Blockade so dicht, dass keine Lebensmittel zu den Schweden
hereinkamen, noch waren Seuchen ausgebrochen, die das
Heer dezimiert hätten. Es dürfte das weitläufige Areal, das
Gustav Adolf hatte umwallen lassen, gewesen sein, das den
Ausbruch von Seuchen verhinderte. Das größte Problem war
der Futtermangel für die Pferde, und es war absehbar, dass
man bald keine leistungsfähige Kavallerie mehr haben
würde. Andererseits hatte auch Wallenstein erhebliche
Schwierigkeiten bei der Versorgung seiner Truppen. Zwar
hatte er einen besseren Zugriff auf die Ressourcen des
Landes, aber er musste die doppelte Anzahl von Soldaten
versorgen, und dabei hatte er keine Stadt wie Nürnberg mit
ihren Provianthäusern, Mühlen und Bäckereien im Rücken.
Alles, worauf Gustav Adolf in Nürnberg zurückgreifen
konnte, musste Wallenstein selbst aufbauen. So stand die
Lage in etwa im Patt, als nach einem sechswöchigen
Stellungskrieg Ende August die Entsatzarmee Oxenstiernas
heranrückte und zu den Truppen des Königs Verbindung
aufnahm. Gustav Adolf ging davon aus, dass er jetzt die
Oberhand hatte, und nach langem untätigen Warten drängte
es ihn, die Initiative an sich zu reißen und die befestigten
Stellungen Wallensteins anzugreifen. Der Kampf um die Alte
Veste, eine alte Burgruine nahe Fürth, wurde zum nächsten
Schritt im Nürnberger Stellungskrieg. [14]
Gustav Adolf hatte sich jedoch gründlich verrechnet, als er
darauf setzte, dass ihm die größere Zahl der nun
verfügbaren Soldaten beim Angriff auf Wallensteins
Hauptlager den Sieg sicherte. Zwei Umstände dürften bei
dieser Fehlkalkulation zusammengekommen sein: zum einen
das Vertrauen, dass er mit seinen kampferfahrenen Truppen
bei entsprechender artilleristischer Vorbereitung jeden
Gegner aus seinen Stellungen werfen könne, und zum
anderen die Ungeduld des Königs, der sich nach einem
knappen Jahr weit ausgreifender Operationen und
unausgesetzter Siege von Wallenstein für sechs Wochen in
Nürnberg festgenagelt sah und das seinem Gegner nun
heimzahlen wollte. Nirgendwo sonst als im Kampf um die
Alte Veste traten die unterschiedlichen Temperamente des
Schweden und des Böhmen sowie ihre gegensätzlichen
strategischen Leitvorstellungen deutlicher zutage. Gustav
Adolf hatte stets das Gefühl, er müsse jede sich bietende
Gelegenheit zur Entscheidung ergreifen. In den Monaten
nach seiner Landung auf Usedom hatte er sich kontrolliert
und über längere Zeit eher vorsichtig und zurückhaltend
agiert – etwa bei Werben, wo er sich Tilly nicht zur Schlacht
gestellt hatte –, doch nach den Erfolgen im Anschluss an den
Sieg von Breitenfeld hatte er diese Zurückhaltung verloren.
Die Ungeduld gewann die Kontrolle über ihn. Er spürte, dass
er bei einem sich hinziehenden Krieg in Deutschland im
Nachteil war und deshalb die schnelle Entscheidung suchen
musste, was seiner Vorliebe für die Offensive und die
Schlacht als Hauptmittel der Kriegführung entsprach.
Wallenstein war darin das genaue Gegenteil. Es mochte sein,
dass man in Wien von ihm eine schnelle Entscheidung im
Duell mit dem Schweden erwartete, aber davon ließ er sich
nicht aus dem Konzept bringen. Seine abgrundtiefe
Verachtung für die Schreibtischstrategen des Hofkriegsrats
war ein festes Bollwerk, das ihn gegen dessen Erwartungen
schützte. Nach den unguten Erfahrungen, die er 1626 in
Ungarn gemacht hatte, [15] ließ er sich auf eine offensive
Operationsführung nur noch ein, wenn er kräftemäßig um
das Doppelte überlegen war; ansonsten agierte er aus einer
stabilen Defensive heraus. Rein militärisch betrachtet, lag
Wallenstein damit durchaus richtig: Er hatte die Zeit auf
seiner Seite. Politisch betrachtet war das jedoch keineswegs
der Fall, denn je länger er brauchte, um den Krieg
erfolgreich zu Ende zu bringen, desto größer wurde die
Anzahl seiner Kritiker, die ihm vorwarfen, untätig zu sein
oder gar den Feind wohlwollend zu schonen. Im Kampf um
die Alte Veste zeigten sich erstmals die Grunddispositionen,
an denen beide, Gustav Adolf wie Wallenstein, schließlich
scheitern sollten: Ersterer an seiner ungestümen
Entschlossenheit, die ihn zunächst von Sieg zu Sieg geführt
hatte; Letzterer an seinem mangelnden Gespür für die
unterschiedlichen Zeitspannen, die ihm in militärischer und
in politischer Hinsicht zur Verfügung standen.
Wallensteins Lager bei Fürth ist in der rechten unteren Bildhälfte dargestellt, das
Gustav Adolfs in der oberen Bildmitte. An der Kante von Wallensteins Lager ist die
Alte Veste (im Stich «Altenburg» genannt) zu erkennen. Wallensteins Lager liegt
auf einer Erhebung, was einen Angriff zusätzlich erschwert. Beide Lager sind
durch Erdaufwürfe geschützt. Die schwedischen Regimenter haben ihr Lager
verlassen und bilden eine Angriffslinie; die kaiserlichen haben sich gesammelt und
stehen zur Unterstützung der an den Schanzen eingesetzten Verbände bereit.

Es gab freilich, wie so oft in diesem Krieg, auch logistische


Erfordernisse, die Gustav Adolf dazu veranlassten,
seinerseits nicht auf Zeit zu spielen. Er hatte seit der
Ankunft von Oxenstiernas Entsatzarmee – zu den 20000
Mann der Royalarmee kamen 13000 unter schwedischem
Kommando stehende Soldaten, 4000 des nordhessischen
Landgrafen, 6000 des thüringischen Herzogs Wilhelm und
5000 Kursachsen – eine so große Menge an Kriegsvolk
konzentriert, dass er sie kaum über eine längere Zeitspanne
würde versorgen können. [16] Die Versorgungsfrage zwang
Gustav Adolf dazu, so schnell wie möglich eine Schlacht
gegen Wallenstein zu wagen oder aber abzuziehen. Im
letzteren Fall hätte die Heranführung von bald
30000 Soldaten allein dazu gedient, den König aus einer
Lage zu befreien, in die er sich selbst gebracht hatte. Das
kam für Gustav Adolf nicht in Frage. Nachdem er den
Herangezogenen drei Tage Ruhepause gegönnt hatte, suchte
er die Entscheidung.
Aber wie ließ sich Wallenstein aus seinen Verschanzungen
locken? Am 31. August marschierte die schwedische Armee
in Schlachtordnung vor der Ostseite des Wallenstein’schen
Lagers auf. Als die Schweden den Schanzen näher kamen,
wurden sie von heftigem Geschützfeuer empfangen, doch
Wallenstein verließ die Schanzen nicht. In der Nacht
brachten die Schweden ihrerseits Kanonen in Stellung, die
am nächsten Tag die kaiserlichen Positionen unter Beschuss
nahmen. Das Gelände war für einen Sturmangriff jedoch
ungeeignet, da Wallenstein seine Kanonen in eine Position
zurückziehen ließ, wo sie von den Schweden nicht mehr
beschossen werden, ihrerseits aber die anstürmende
schwedische Infanterie unter Feuer nehmen konnten. Gustav
Adolf wiederum konnte seine Geschütze nicht weiter
vorziehen, weil man sie sonst auf die andere Seite des
Flüsschens Rednitz bringen musste, wo sie in einer
exponierten Position gestanden hätten. Also entschied er, im
Verlauf des kommenden Tages eine besser geeignete
Angriffsposition einzunehmen: Die Armee marschierte nach
Fürth, schwenkte dort nach Westen und stand danach im
Norden von Wallensteins Lager. Erneut wurde geschanzt.
Am Morgen des 3. September erhielt Gustav Adolf die
Nachricht, der Gegner habe mit dem Abzug begonnen und
es seien nur wenige Regimenter im Lager zurückgeblieben.
Womöglich war das eine von Wallenstein lancierte
Fehlinformation, vielleicht hörte der König aber aus
Gefangenenaussagen auch nur das heraus, was er hören
wollte. Jedenfalls gab er den Befehl zum Angriff, und in der
Folge stürmten seine Soldaten den ganzen Tag über gegen
die stark befestigte Nordseite von Wallensteins Lager an. Im
Zentrum der Verschanzungen befand sich eine bewaldete
Anhöhe mit einer Burgruine, der Alten Veste, wo der
Friedländer einen größeren Teil seiner Artillerie
konzentriert hatte. Um ein gutes Schussfeld zu bekommen,
hatte er die Bäume um die Ruine fällen und in die
Verschanzungen einbauen lassen. Dieses Mal war die
schwedische Artillerie nicht in der Überlegenheit, wie
zumeist in den zurückliegenden Schlachten, so dass die
Infanterie ohne eigene Artillerieunterstützung über
deckungsloses Gelände hügelaufwärts angreifen musste. Sie
stürmte tapfer voran, erzielte aber keine nennenswerten
Erfolge. Sobald sie sich in eine aussichtsreiche Position
gebracht hatte, wurde sie durch Gegenangriffe der
kaiserlichen oder bayerischen Kavallerie zurückgeschlagen.
Wallenstein, der die Attacken befehligte, stellte mit großer
Zufriedenheit fest, dass dieses erste Zusammentreffen mit
seinem Gegenspieler ganz so verlief, wie er sich das
vorgestellt hatte. Bei der Alten Veste behielt Wallensteins
kühle Berechnung gegenüber Gustav Adolfs impulsiver
Entschlossenheit die Oberhand.
Gustav Adolf hatte Kampfgruppen aus Musketieren bilden
lassen, die in vorgeschobener Position den Angriff der
Pikeniere durch ihr Feuer auf die Verteidiger vorbereiten
und unterstützen sollten. Da er von seinen Kanonen nicht
den gewohnten Gebrauch machen konnte, zumal sein
Artilleriekommandeur Lennart Torstensson bei einem
Erkundungsritt von bayerischen Reitern gefangen
genommen worden war, sollten die Musketiere die fehlende
Artilleriewirkung durch Musketenfeuer ersetzen. Oberst
Monro, der den Sturm auf die Alte Veste beschrieben hat,
berichtet: «Kaum waren die Sturmgruppen vorgegangen,
mußten schon die Verstärkungen vorgezogen und eingesetzt
werden, ihnen beizustehen. Der Tod war so häufig unter
Offizieren und Mannschaften, daß diejenigen, die verwundet
wurden, froh waren, mit dem Leben davongekommen zu
sein, denn sie sahen unsere Lage als verzweifelt an, da wir
unsere Leute verloren, ohne gegen den Feind
voranzukommen, der durch seine Verschanzungen gedeckt
war, während wir, Offiziere wie Mannschaften, wie die
Zielscheiben vor ihm standen, auf die man nur zu feuern
brauchte, da sie keine Deckung hatten, es sei denn man
bezeichnet den Schatten einiger großer Bäume im Wald als
solche.» [17] Bei der Einweisung von Verstärkungen wurde
Monro dann verwundet, offenbar von einem gegnerischen
Scharfschützen, der auf einem Baum saß und den Auftrag
hatte, gezielt auf Offiziere der Angreifer zu schießen. «Trotz
meiner Verwundung und obwohl ich viel Blut verloren hatte,
fühlte ich mich kräftig genug, auf meinem Posten bis zum
Abend auszuhalten. Dann kam mein Oberstleutnant John
Sinclair, uns abzulösen. Ich brachte aber nur einen geringen
Teil meiner Leute zurück, da ich beinahe zweihundert Mann
verloren hatte, nicht gerechnet die Offiziere und Soldaten,
die verwundet worden waren.» [18] Als es gegen Abend zu
regnen begann, sah Gustav Adolf ein, dass dieser Kampf
nicht zu gewinnen war, und brach das Gefecht ab. Seine
Truppen zogen sich in ihre Ausgangsstellungen zurück. Die
Schweden hatten an diesem Tag 1200 Tote und
2000 Verwundete, die Kaiserlichen dagegen bloß 300 Tote
und 700 Verwundete zu beklagen. [19] Insofern konnte
Wallenstein den Kampf um die Alte Veste als Sieg
verbuchen.
Am 11. September, als klar war, dass Gustav Adolf kein
weiteres Mal versuchen würde, das kaiserliche Lager zu
stürmen, und sein Heer bereits abzog, schrieb Wallenstein
an den Kaiser: «So hat sich der König bei dieser impresso
[bei diesem Angriff] gewaltig die Hörner abgestoßen, indem
er allen zu verstehen gegeben, er wolle sich des Lagers
bemächtigen oder kein König sein, er hat auch damit sein
Volk [Heer] über die Maßen discouragiert, daß er sie so
harzadosamente [waghalsig] angeführt, daß sie in
vorfallenden Occasionen ihm desto weniger trauen werden,
und ob zwar Ew. Maj. Volk [das kaiserliche Heer] Valor und
Courage zuvor überflüssig [im Überfluss] hat, so hat doch
diese Occasion sie mehr assekutiert [bestärkt], indem sie
gesehen, wie der König, so alle seine Macht
zusammengebracht, repussiert [zurückgeschlagen] worden,
das Praedikat invictissime [gänzlich unbesiegbar] nicht ihm,
sondern Ew. Majestät gebührt.» [20] Die erste Runde im Duell
mit Gustav Adolf, so Wallensteins stolzes Resümee, sei an
ihn gegangen, und er habe dem schwedischen König den Ruf
der Unbesiegbarkeit genommen. Umgekehrt nahm er diesen
Ruf aber nicht für sich selbst in Anspruch, sondern überließ
ihn dem Kaiser als Geschenk.

Wallensteins Strategie war aufgegangen: Der Siegeszug


Gustav Adolfs, in Bayern bereits diffus und ziellos, war im
Stellungskrieg bei Nürnberg zu Ende gegangen. Wallenstein
hatte mit seiner Auffassung, wie der Held aus dem Norden
zu bekämpfen und zu besiegen war, recht behalten. Er hatte
seine Kritiker ins Unrecht gesetzt. Doch wenn er hoffte,
daraus politisches Kapital schlagen zu können, so war das
ein Irrtum. Die Kritiker und Neider waren keineswegs
verstummt: Wallenstein habe nicht verhindert, dass die
Entsatzarmee zu Gustav Adolf stieß, und nach seinem Erfolg
gegen den Schwedenkönig habe er diesen abziehen lassen,
ohne ihm nachzusetzen und den begrenzten Abwehrerfolg in
einen entscheidenden Sieg zu verwandeln. [21] Was sie dabei
nicht sahen, war der Umstand, dass Gustav Adolf nach dem
misslungenen Angriff auf einen solchen Versuch
Wallensteins nur gewartet hatte, denn auch er suchte die
Schlacht: Bevor der König am 18. September von Nürnberg
nach Windsheim und Neustadt an der Aisch aufbrach,
marschierte er mit dem gesamten Heer noch einmal vor
Wallensteins Lager auf, um «den Fuchs doch per
diversionem [durch Ablenkung] heraus zu kriegen», wie
Johan Adler Salvius ein paar Tage später schrieb. [22]
Auch im protestantischen Lager wurden die Folgen der an
der Alten Veste erlittenen Schlappe diskutiert. Ludwig
Camerarius, ehemals Rat des böhmischen «Winterkönigs»
und weiterhin bemüht, die Interessen Friedrichs V.
gegenüber den Schweden zur Geltung zu bringen, schrieb
danach, Gustav Adolf habe «den Feind mit großer Tapferkeit
an[gegriffen], aber nicht mit dem Erfolg, den wir wünschten,
da der Feind äußerst vortheilhaft gelagert war. – Wäre des
Königs Unternehmen geglückt, so war es um den Feind
gethan.» [23] Das war die typische Sichtweise eines
Intellektuellen, der eher vertane Gelegenheiten wahrnahm
und ihnen nachtrauerte, als dass er Chancen und Risiken
gegeneinander abwog und sich fragte, warum Gustav Adolf
auf die Finte seines Feindes hereingefallen war. Camerarius
war von derselben Ungeduld getrieben, die auch bei den
Kritikern Wallensteins immer wieder aufscheint. Wenn man
eine Niederlage erlitten hatte, so rubrizierte man das im
Konjunktiv: Was für ein gewaltiger Erfolg wäre es gewesen,
wenn man gesiegt hätte. Die Konditionalkonstruktion tritt
hier an die Stelle einer verantwortungsvollen Bewertung der
Lage.
In mancher Hinsicht neigte auch Gustav Adolf zu einer
solchen Sichtweise. Das zeigte sich in seinem Wutausbruch
unmittelbar vor dem Sturm auf Wallensteins Lager. Anlass
waren Berichte über die wachsende Zahl von Desertionen
gerade unter den deutschen Söldnern, und ihr Eindruck
verstärkte sich durch Einwände und Bedenken vorwiegend
deutscher Offiziere im Heer, die dem König von einem
direkten Angriff auf die feindlichen Schanzen abrieten: «Ihr
Fürsten, Grafen, Herren und Edelleute, ihr seid es, die ihr
am meisten euer eigenes Vaterland verderbt.» Zwar hätten
sich die Deutschen durchaus als tapfer erwiesen, den Ertrag
aber durch Raub und Plünderung verdorben. «Richtet euch
selbst und prüfet, ich bitte euch, euer eigenes Gewissen,
wieviel Antheil ihr habt an den Erpressungen und
Grausamkeiten.» All das werde jetzt der schwedischen
Armee zur Last gelegt. «Ja, ihr Deutschen seid es vorzüglich,
die ihr euer Vaterland bestehlt und gegen eure eigenen
Glaubensgenossen wütet.» [24] Gustav Adolf hätte sich nicht
zu solchen Vorhaltungen hinreißen lassen, wenn er mit der
allgemeinen Lage und seinem Heer zufrieden gewesen wäre.
Er spürte, wie seine Truppen den Heeren ähnlich wurden,
die seit bald fünfzehn Jahren in Deutschland kämpften, und
fürchtete, diese Entwicklung werde weitergehen, solange
der Krieg dauerte. Als König wie als gläubigem Protestanten
war ihm das zuwider. Es gab viele Gründe, warum er auf
eine Beschleunigung des Geschehens setzte, und der
Sittenverfall im Heer, den er in seiner Wutrede anprangerte,
war einer davon. Der Zwang zur Beschleunigung dürfte
Gustav Adolf auch beeinflusst haben, als er die Chancen und
Risiken eines Angriffs auf Wallensteins Lager abgewogen
hatte. [25]
Überaus nüchtern und eigentlich «modern» muten
dagegen die Reflexionen Monros über den Kampf um die
Alte Veste an: «Aber solch ein tapferer Befehlshaber, wie es
unser Führer [Gustav Adolf] war, der nichts fürchtete, wenn
er den Kampf begann, hätte es nicht auf die leichte Schulter
nehmen dürfen, als er sah, daß sich die Sache zu seinem
Nachteil entwickelte, sondern er hätte sich rechtzeitig, mit
so wenig Verlusten, wie nur möglich, zurückziehen müssen.
[…] Die Kühnheit eines einzigen Tapferen an der Spitze kann
dazu führen, eine ganze Armee aus Mangel an
Urteilsvermögen einzusetzen, wie es hier geschah, als wir an
diesen Hügel der Alten Veste vor Nürnberg heranrückten,
wo dann so viele in Gefahr gebracht wurden, da sie,
ebenfalls aus Mangel an Urteilsvermögen, ihrem Führer auf
dem Fuß folgten, wobei sie alle mehr unüberlegt als klug
handelten. Jedoch Wagemut, gepaart mit Verstand, führt
zum Sieg, während andererseits ein voreiliger Mann ohne
Urteilsvermögen und Klugheit in einer Armee ebenso
untragbar ist wie ein Feigling.» [26] Das war die schärfste
Kritik, zu der sich Monro, sonst durchaus ein Bewunderer
Gustav Adolfs, hinreißen ließ. Sie zeigt, dass der Verlust des
invictissime das Vertrauen der Soldaten in ihren Anführer
erschüttert hatte. Die im Rückblick urteilenden Historiker
sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl diesem Urteil gefolgt.
Golo Mann: «Aus dem legendären Siegeszug des Vorjahres
war Konfusion und Entlarvung geworden; Hin-und-her-
Ziehen ohne Zweck, je nach dem, was der Feind tat; Sterben
und verbrannte Erde.» Oder Junkelmann: «Gustav Adolf
verließ die Nürnberger Festungslandschaft mit
angeschlagener Reputation, doch ‹im Felde unbesiegt›.»
Und Findeisen: «Der Beherrscher Deutschlands war zum
konfusen Marschierer geworden.» [27]
Das größte Manko der Schlappe an der Alten Veste
bestand für Gustav Adolf aber darin, dass er wieder mit
demselben Problem konfrontiert war wie vor dem Marsch
nach Nürnberg: der Frage, wohin er sich mit seinem Heer
wenden sollte. Wieder gab es drei Möglichkeiten. Zunächst
konnte man zum Lech zurückmarschieren, um von hier aus
Bayern, Schwaben und das Bodenseegebiet zu beherrschen,
sich mit dem im Elsass operierenden Horn zu verbinden und
die Schweiz als Rekrutierungsgebiet für neue
leistungsfähige Söldner zu nutzen. Sodann gab es die
Option, sich nach Sachsen zu begeben, dem wilden Treiben
Holks ein Ende zu machen und die politisch-militärische
Verbindung mit Kurfürst Johann Georg aufrechtzuerhalten.
Dafür sprach auch die Sorge um die «Rettungsleine» der
Schweden in Deutschland, nämlich der Schutz der
Ostseehäfen. Und schließlich gab es die von Oxenstierna
favorisierte Möglichkeit, direkt auf Wien zu marschieren und
einen Angriff in das Herz des Feindes zu starten. Der
Rückzug nach Sachsen und der Vorstoß auf Wien waren die
entgegengesetzten Pole dieses Optionsfeldes, Ersterer eher
defensiv und auf die Sicherung der Rückzugslinien bedacht,
Letzterer bedingungslos offensiv und alles auf eine Karte
setzend; die Entscheidung für Augsburg und den Lech als
Zentrum der Operationen lag etwa dazwischen. Gustav Adolf
entschied sich für den Kompromiss und marschierte zum
Lech. [28] Zwischen Straßburg und München wollte er einen
geschlossen protestantischen Raum herstellen, der wie ein
Riegel gegen die katholischen Einflüsse aus dem Süden
wirken sollte.
Aber dieser Entschluss hatte nicht lange Bestand. Als
Johann Georg schrieb, neben den Streifscharen Holks und
dem in Schlesien operierenden Korps unter Gallas seien nun
auch die Truppen Pappenheims im Anmarsch auf
Kursachsen (was eine Fehlinformation war), beschloss
Gustav Adolf, nach Sachsen zu marschieren, um den
strategisch wichtigen Verbündeten nicht im Stich zu lassen.
Wenngleich Pappenheim auf sich warten ließ und selbst
Wallenstein zeitweilig nicht wusste, wo dessen Truppen
standen, so hatte sich die Gesamtlage doch weitreichend
verändert: Wallenstein hatte beschlossen, in diesem Jahr
seine Truppen nicht in den Erblanden, sondern in
Kursachsen und angrenzenden Territorien Winterquartier
beziehen zu lassen. Das hatte grundlegende Folgen für seine
Kriegführung gegen Sachsen, die er in einem Brief an Gallas
so beschrieb: «Allermasßen Wier nun zwar von diesem
ermeldten Veldtmarschalckh-Leuthenandt Holka [Holk], umb
eine diversion zu machen, das Landt mit Plündern, Brennen,
Vieh wegtreiben undt sonsten zu ruiniren undt dardurch den
Churfürsten … zur ragion zu bringen dahin geschickhet,
anietzo aber sehen, dz gantz keine weder güettliche noch
dergleichen Zwangsmittel etwass bey ihm verfangen und er
höchstgedachter Ihr Kay. Maj. Landen feindtseeliger weisse
unablässig zuezusetzen obstiniret [beschlossen hat], dahero
unsere Intention nicht mehr auf bloße diverson besondern
[sondern] auff occupirung seines Landes gerichtet: Alss
haben Wier dem herrn solches hiermit notificiren … wollen,
dasßelbe zu conserviren, die vorhin [zuvor] angesteldten
diversionsmittel mit Plündern, Brennen, Vieh wegtreiben …
gentzlich abzustellen undt es in Ihr Kay. Maj. devotion zu
nehmen undt zu erhalten.» [29] Wenn das Land als
Winterquartier genutzt werden sollte, durfte es nicht länger
verwüstet werden. Aber Wallenstein ging es nicht nur um
Winterquartiere für seine Armee, sondern er wollte mit dem
Zug nach Sachsen auch Gustav Adolf zwingen, nach Norden
zu marschieren, wo die Schweden von Wallensteins
Hauptmacht und dem aus Westen heranrückenden
Pappenheim in die Zange genommen und vernichtet werden
sollten.
Anfang Oktober stieß Wallenstein nach Kursachsen vor;
zunächst wollte er auf Dresden ziehen, änderte dann aber
seinen Plan und marschierte in Richtung Leipzig. Er ging
davon aus, dass Gustav Adolf ihm folgen würde: Wenn man
die Schweden in Sachsen schlug, dann waren ihre Positionen
in Schwaben, Bayern und Franken nicht mehr zu halten. Das
war ein Argument, das Wallenstein gegenüber Kurfürst
Maximilian gebrauchte, der mit der Entscheidung für
Sachsen überhaupt nicht einverstanden war, nachdem er
erfahren hatte, dass Gustav Adolf sich auf den Lech
zubewegte. [30] Man einigte sich darauf, dass Maximilian mit
seinen bayerischen Truppen sowie einem Korps kaiserlicher
Soldaten unter General Aldringen, insgesamt mehr als
10000 Mann, nach Regensburg marschierte, um sein Land
zu schützen. Im Gegenzug willigte Maximilian ein, dass die
Truppen Pappenheims dem Kommando Wallensteins
unterstellt wurden. Gustav Adolf indes musste sich
eingestehen, dass nicht er, sondern Wallenstein festlegte,
auf welchem Kriegsschauplatz die Entscheidung fallen sollte:
Am 18. Oktober entschloss er sich, dem sächsischen
Verbündeten zu Hilfe zu kommen und nach Norden zu
marschieren. In 17 Tagen legte sein Heer über
600 Kilometer zurück; am 5. November stand die
schwedische Hauptmacht in Arnstadt, von wo aus sie nach
Naumburg vorrückte. Wallenstein näherte sich, inzwischen
durch den Zuzug Pappenheims verstärkt, Weißenfels und bot
Gustav Adolf dort eine Schlacht an.

Diesmal war es der König, der das Kräftemessen verweigerte


und in seinen Verschanzungen bei Naumburg verharrte.
Wallenstein kam daraufhin zu dem Schluss, dass in diesem
Jahr keine große Schlacht mehr stattfinden werde, und
ordnete den Abmarsch in die Winterquartiere an. Das aber
hieß, dass die bis dahin konzentrierten Truppen in
unterschiedliche Richtungen abzogen: Pappenheim mit
5000 Mann nach Halle, Gallas mit 6000 bis 8000 Mann in
Richtung Grimma, während Wallenstein und Holk mit der
Hauptarmee, 15000 bis 18000 Mann, im Leipziger Raum
blieben. [31] Der Militärhistoriker Guthrie hat das als eine der
bizarrsten Entscheidungen des Krieges bezeichnet; [32]
jedenfalls war es ausgesprochen leichtfertig, aus dem
Verharren der Schweden in den Verschanzungen bei
Naumburg zu schlussfolgern, für sie sei der Krieg des Jahres
1632 zu Ende. Die Winterkriegführung Gustav Adolfs in den
beiden zurückliegenden Jahren hätte Wallenstein eine
Warnung sein müssen. Aber vermutlich wollte er, dass der
Krieg zu Ende war und er nach den körperlichen Strapazen
des Sommers und Herbstes für längere Zeit ein komfortables
Quartier beziehen konnte. Gichtanfälle machten ihm zu
schaffen, er hatte Mühe zu reiten und musste häufig in der
Sänfte getragen werden. Wallensteins labile körperliche
Verfassung dürfte zumindest einer der Gründe für seinen
Entschluss gewesen sein.
Am 15. November noch vor fünf Uhr morgens
marschierten die Schweden von Naumburg los. [33] Gustav
Adolf hatte von der Verteilung der Kaiserlichen erfahren und
wollte die überraschend aufgetauchte Gelegenheit nutzen,
Wallenstein doch noch zur Entscheidungsschlacht zu
stellen – und zwar unter Bedingungen, die er und nicht, wie
ein paar Tage zuvor, Wallenstein bestimmte. Er hatte
zusammen mit den inzwischen dazugestoßenen Truppen
Bernhards von Weimar etwa 20000 Mann zur Verfügung,
wobei seine Kavallerie nicht mehr die Qualität hatte, auf die
der König so großen Wert legte. Die im Stellungs- und
Belagerungskrieg bei Nürnberg zugrunde gegangenen
Pferde hatten noch nicht ersetzt werden können. Dafür
waren die Schweden an Artillerie klar überlegen. Gustav
Adolf, der nach dem Fehlschlag an der Alten Veste und dem
Hin und Her der Marschbewegungen in Süddeutschland
zeitweise recht niedergeschlagen gewesen war, hatte nach
dem Marsch von der Donau zur Elbe neue Zuversicht
gewonnen und wollte alles daransetzen, das Kriegsjahr 1632
doch noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Dafür musste jetzt aber alles ganz schnell geschehen. Es
ging darum, die kurzzeitige Arglosigkeit und Nachlässigkeit
der Gegenseite entschlossen auszunutzen. Deswegen
verzichtete er auch darauf, das Eintreffen des bei Torgau
stehenden Korps unter Herzog Georg von Lüneburg und der
dorthin beorderten sächsischen Regimenter des
Generalleutnants von Arnim abzuwarten. Auch musste er
ohne seine bewährten schwedischen Unterführer
auskommen, mit denen er bis dahin seine Siege erzielt hat:
Horn, Banér und Torstensson waren in der Schlacht von
Lützen nicht dabei. Stattdessen spielten zwei deutsche
Generäle eine entscheidende Rolle, Bernhard von Weimar
und Dodo von Imhausen und Knyphausen, denen Gustav
Adolf das Kommando über den linken Flügel und das
Zentrum übertrug. Der König selbst führte den rechten
Flügel.

Louis Braun ist vor allem als Maler des Deutsch-Französischen Krieges von
1870/71 hervorgetreten; die dabei gewonnenen Eindrücke hat er in die bald
250 Jahre frühere Schlacht von Lützen zurückgespiegelt: der König Gustav II. Adolf
vor der Front einer Kavallerieeinheit beim Gebet, unmittelbar hinter ihm Reiter mit
schwedischen Fahnen, vor ihm Gefallene der vorangegangenen Kämpfe. Dieser
Holzstich nach Brauns Gemälde wurde 1894 in der Gartenlaube abgedruckt, die
von einem überwiegend weiblichen Publikum gelesen wurde.

Zuerst galt es, möglichst unbemerkt an die kaiserlichen


Truppen heranzukommen. In Weißenfels, das auf dem
Anmarschweg der Schweden lag, hatte Wallenstein nur eine
kleine Besatzung von 300 Mann zurückgelassen, die von den
Schweden überrumpelt wurde. Ein plötzlich aufkeimendes
Misstrauen hatte Wallenstein jedoch veranlasst, den
Generalwachtmeister Rudolf Colloredo mit 1000 Kroaten
und Dragonern in Richtung Weißenfels und Naumburg
ausschwärmen zu lassen, um die Schweden zu beobachten.
Am Mittag des 15. November stießen Colloredos Reiter auf
die anrückenden Truppen Gustav Adolfs und stellten fest,
dass sie es mit dessen gesamter Armee zu tun hatten. Sie
zogen sich auf das Flüsschen Rippach zurück, hinter dessen
sumpfigem Ufer sie eine Zeitlang Widerstand leisteten.
Während Colloredo Boten zu Wallenstein sandte, um ihn
über den Anmarsch des Feindes zu unterrichten, hinderten
seine Dragoner die Schweden an der Überquerung der
Rippach und verschafften Wallenstein so wertvolle Zeit.
«Hätte nicht der Pass Ripack den König lange aufgehalten,
würde er den ersten Abend einen großen Effekt erzielt
haben», schrieb Wallensteins Stellvertreter Holk nach der
Schlacht. [34] Den Gegner etwa zwei Stunden lang
aufzuhalten hatte Mitte November eine große Wirkung, denn
die Tage waren kurz, und am Nachmittag ließ sich keine
Schlacht mehr beginnen. Gustav Adolf hatte zwar das
Überraschungsmoment auf seiner Seite, aber die Schlacht
als einen Überfall zu gestalten war nach den Verzögerungen
an der Rippach nicht mehr möglich.
Im kaiserlichen Lager war man seit zwei Uhr nachmittags
fieberhaft damit beschäftigt, die bereits abgerückten
Regimenter zurückzurufen: Drei Kanonenschüsse wurden als
Signal zur Umkehr abgefeuert, und es wurden Meldereiter
losgeschickt, die den Truppen hinterherjagten, um sie bei
der Rückkehr zur Eile anzutreiben. Wallenstein schrieb
Briefe mit neuen Anordnungen, während Holk die
eintreffenden Regimenter nachts noch in ihre Stellungen
einwies. Der berühmteste Brief Wallensteins war der an
Pappenheim: «Der feindt marchirt hereinwarths, der Herr
lasse alles stehen und liegen und incaminire [bewege] sich
herzu mitt allem Volck und Stücken, auf dass er morgen frue
bey uns [sich] befünden kann.» [35] Pappenheim war gerade
in Halle eingetroffen, als ihn Wallensteins Nachricht
erreichte. Er war kein Mann des Bedenkens und des
Zögerns, und Wallensteins Postskriptum auf der Rückseite
des Schreibens – «cito cito citissime»: schnell, schnell,
äußerst schnell – zeigte ihm, dass größte Eile geboten war.
Also ließ er umgehend die Pferde satteln, um mit der
Kavallerie vorauszueilen, während die Fußtruppen mit den
Kanonen folgen sollten. Sie waren naturgemäß langsamer,
und wenn er sich an ihnen orientierte, würde er frühestens
am späten Abend bei Lützen eintreffen. Also unternahm
Pappenheim mit seinen vier Kavallerieregimentern einen
Nachtmarsch, was hieß, dass seine Reiter nach einem Ritt
von etwa 50 Kilometern erschöpft und übermüdet bei Lützen
eintreffen würden. Für Pappenheim war das kein Problem,
für viele seiner Reiter sehr wohl, wie sich auf dem
Schlachtfeld herausstellen sollte.

Am Vorabend der Schlacht bei Lützen erreichte Pappenheim dieser Brief


Wallensteins: «Der feindt marchirt hereinwarths, der Herr lasse alles stehen und
liegen und incaminire [bewege] sich herzu mitt allem Volck und Stücken, auf dass
er morgen frue bey uns [sich] befünden kann. Ich aber verbleibe hiemitt des herrn
dienstwilliger AhzM. [Albrecht Herzog von Mecklenburg) / Lützen den 15. Novemb
Ao [Anno] 1632 / Er [der Feind] ist schon an dem pas wo gestern der böse weg
gewest ist.» Pappenheim trug das Schreiben bei sich, als er am nächsten Tag auf
dem Schlachtfeld von Lützen eintraf. Es weist großflächige Blutspuren auf, die von
Pappenheims tödlicher Verwundung stammen dürften.

Derweil ließ Holk die verfügbaren Infanterieregimenter


schanzen: Artilleriestellungen mussten vorbereitet werden,
und in dem ebenen Gelände mit Höhenunterschieden von
allenfalls ein bis zwei Metern musste man Erdwälle
aufwerfen, hinter denen die Musketiere Halt und Deckung
fanden. Es ist unwahrscheinlich, dass Wallenstein, wie
mitunter zu lesen ist, das Gelände bei Lützen mit Bedacht
für die Schlacht ausgesucht hat. Der schwedische Vorstoß
kam zu überraschend. Aber mit dem sicheren Blick des
erfahrenen Feldherrn nutzte er die wenigen vorhandenen
Geländevorteile, um eine geeignete Defensivstellung zu
beziehen. Er hätte sich dabei auf den Floßgraben stützen
können, einen zwei bis drei Meter breiten und etwa einen
Meter tiefen Kanal zwischen Saale und Elster, der von den
Flößern für den Transport von Holzstämmen genutzt wurde.
Diese Stellung hätte Gustav Adolf jedoch leicht von der
Flanke her aufrollen können, und der Vorteil, den der
Floßgraben gegen einen Frontalangriff bot, hätte dann
nichts genutzt. Wallenstein entschloss sich, stattdessen
seinen linken Flügel an das Städtchen Lützen anzulehnen.
Lützen hatte etwa 300 Häuser, war von Mauerbefestigungen
umgeben und besaß in seinem Zentrum ein aus
Bruchsteinen errichtetes Schloss. Der Ort lag an der
Poststraße von Weißenfels nach Leipzig. Die an die
Stadtmauer angrenzenden Gärten waren von Lehmwänden
umgeben. Daran schloss sich ein Windmühlenhügel an, auf
dem Wallenstein einen Teil seiner Artillerie postierte, die
von dort aus das gesamte Gelände bestreichen konnte.
Dieser rechte Flügel, der in Richtung des schwedischen
Anmarschwegs obendrein durch einen Mühlgraben mit
ausgedehnten Sumpfwiesen gedeckt war, bildete den festen
Punkt in Wallensteins Aufstellung. Auf ihm – und nicht etwa
im Zentrum oder auf dem linken Flügel – wollte Wallenstein
die Schlacht entscheiden. Der Schwachpunkt seiner
Aufstellung war hingegen der von Holk und Piccolomini
geführte linke Flügel, für den nur schwächere Kräfte
verfügbar waren, bis die von Halle kommenden Regimenter
Pappenheims ihn verstärken konnten.
Für Gustav Adolf hingegen war klar, dass er eine
Angriffsschlacht schlagen musste, bei der ihm das
Überraschungsmoment verloren gegangen war. Jetzt kam
alles darauf an, dass die Schlacht begann, bevor
Wallensteins Verstärkungen eintrafen. Ob Gustav Adolf sich
dabei über die zentrale Rolle des Pappenheim’schen Korps
im Klaren war, muss offenbleiben. Was er jedoch mit
Sicherheit wusste, war, dass mit jeder Stunde, die verging,
die eigene Überlegenheit dahinschmolz. [36] Aber am Morgen
des 16. November lag starker Nebel über der Ebene von
Lützen, so dass Gustav Adolf zögerte, die Schlacht zu
eröffnen. Seine Armee rückte von dem Dorf Meuchen, wo
der König und die höheren Offiziere übernachtet hatten,
über den Floßgraben vor und nahm Gefechtsaufstellung ein:
die schweren Kanonen vor dem Zentrum, das wie üblich in
zwei Treffen gestaffelt war, die Regimentskanonen auf die
gesamte Breite der Front verteilt, die Fußtruppen im
Zentrum konzentriert, die Reiterei auf den beiden Flügeln,
zwischen den Reitereinheiten überall Musketiertrupps.
Gustav Adolf führte den rechten, Bernhard von Weimar den
linken Flügel. Man kann davon ausgehen, dass der König die
Entscheidung auf dem rechten Flügel suchen wollte, der
dem schwachen linken Flügel Wallensteins gegenüberstand.

Lützen wurde eine taktisch uninspirierte Schlacht, da beide


Seiten die gegnerische Aufstellung mitsamt ihren Stärken
und Schwächen nicht hatten erkunden und darauf reagieren
können. So lief das Geschehen auf einen Abgleich von
Kampfkraft und Opfermut hinaus. Da Wallenstein – im
Unterschied zu Tilly bei Breitenfeld – die flache Aufstellung
anstelle des Tercio-Systems übernommen und wie die
Schweden Gruppen von Musketieren zwischen den
Kavallerieformationen postiert hatte, ergaben sich auch aus
der Grundformation der Truppen keine größeren Vor- oder
Nachteile für eine der beiden Seiten.
Als vormittags gegen zehn Uhr die Sonne allmählich durch
den Nebel brach, standen die Heere einander beidseits der
Poststraße im Abstand von einem Kilometer gegenüber.
Während des Wartens hatten auf Seiten der Evangelischen
Feldprediger mit den Truppen gebetet, es wurden
Kirchenlieder gesungen, und Gustav Adolf, der auf seinem
Schlachtross «Streiff» die Front abgeritten war, hatte vor
einzelnen Brigaden haltgemacht und aufmunternde Worte
an sie gerichtet. [37] Auf Seiten der Kaiserlichen ging es
prosaischer zu: Auch Wallenstein ritt die Truppen ab, hielt
jedoch keine größeren Ansprachen, sondern beschränkte
sich in düsterer Strenge auf das Versprechen von
Belohnungen für besondere Tapferkeit und die Androhung
von Strafen für Feigheit und Desertion. Dann begannen die
Kanonen zu feuern, wahrscheinlich zuerst die kaiserlichen,
da die Schweden näher an sie heranrücken mussten und erst
dann das Artilleriefeuer eröffnen konnten. Als Erstes griff
der vom König selbst kommandierte rechte Flügel der
Schweden an, und in hartem Kampf gelang es, die in Gräben
verschanzten Musketiere Wallensteins zurückzudrängen
oder niederzukämpfen. Eine wuchtige Reiterattacke weitete
den Erfolg aus, drang bis zu den Kanonen der Kaiserlichen
vor und nahm sie. In dieser Situation hielt Gustav Adolf den
Kampf auf seinem rechten Flügel für entschieden und gab
dem zweiten Treffen unter dem finnischen Obersten Torsten
Stålhandske den Befehl, durch einen entschlossenen Angriff
den Zusammenbruch des linken kaiserlichen Flügels
herbeizuführen. Der wäre wahrscheinlich auch erfolgt, wenn
nicht just in diesem Augenblick die von Halle
herangeführten Reiterregimenter Pappenheims – es handelte
sich um etwa 3000 Mann – eingetroffen und unmittelbar zum
Gegenangriff übergegangen wären. Pappenheims Eingreifen
stabilisierte den kaiserlichen rechten Flügel vorerst.
Währenddessen hatte sich auf dem linken Flügel der
Schweden die Lage gänzlich anders entwickelt. Das von
Herzog Bernhard geführte erste Treffen stieß auf die
stärksten Positionen Wallensteins und erlitt durch starkes
Artilleriefeuer vom Windmühlenhügel aus große Verluste.
Lützen stand, von Wallensteins Soldaten in Brand gesetzt, in
hellen Flammen, und der dichte Rauch trieb den Schweden
entgegen. Schließlich fiel ihnen ein kaiserliches
Kürassierregiment in die Flanke und zwang sie zum
Rückzug. Damit war die linke Flanke des schwedischen
Zentrums bedroht. [38] Als Gustav Adolf davon Kenntnis
erhielt, wechselte er mit dem småländischen
Kavallerieregiment vom rechten zum linken Flügel, um die
Ordnung wiederherzustellen und die eigenen Truppen
erneut zum Angriff zu führen. Zwar hatte er dem rechten
Flügel in seinem Schlachtplan die entscheidende Rolle
zugedacht und dort auch seine kampfstärksten Einheiten
aufgestellt: Er wollte Wallensteins linken Flügel
zertrümmern, anschließend dessen Zentrum von der
entblößten Flanke her aufrollen und danach Wallensteins
starke, an Lützen angelehnte Positionen angreifen. Doch
dieser Plan konnte nur funktionieren, wenn sein eigener
linker Flügel nicht zusammenbrach. Also musste die Lage
dort stabilisiert werden.
Es dürfte halb eins am Mittag gewesen sein, als Gustav
Adolf mit dem Kavallerieregiment den Flügelwechsel
vollzogen hatte. Auf der linken Seite seiner Aufstellung
herrschten sehr schlechte Sichtverhältnisse;
Rauchschwaden des brennenden Lützen vermischten sich
mit dem Pulverqualm der Schlacht, und zu alldem kam noch
der erneut einsetzende Nebel. Als Gustav Adolf die
Småländer zum Gegenangriff führte, geriet er in ein
Kampfgewühl, in dem er von seinen Kavalleristen getrennt
wurde. Vermutlich hat dabei auch seine starke
Kurzsichtigkeit eine Rolle gespielt, denn der König weigerte
sich, in Kampfsituationen eine Brille zu tragen. Eine Kugel
zerschmetterte ihm den linken Ellenbogen. Was darauf
folgte, ist unklar: In einigen Berichten ist davon die Rede,
Gustav Adolf sei aus dem unmittelbaren Kampfgeschehen
herausgeritten, habe sich von seinem persönlichen Pagen,
dem Nürnberger Patriziersohn August von Leubelfing, [39]
den Arm verbinden lassen und sei dann in den Kampf
zurückgekehrt. [40] Das ist jedoch unwahrscheinlich, da
Gustav Adolf nach einer so schweren Verwundung (in
manchen Quellen heißt es, der Armknochen habe aus dem
Ärmel herausgeragt) nicht mehr in der Lage gewesen sein
dürfte, sein Pferd mit der linken Hand zu lenken – was er
jedoch musste, um in der Rechten eine Waffe führen zu
können. Viel wahrscheinlicher ist also, dass der König nach
seiner Verwundung den Zügel mit der Rechten ergriff,
infolgedessen keine Waffe mehr führen konnte und somit
wehrlos war. [41] Wahrscheinlich verlor er während des
Wechsels der Zügelhand auch die Kontrolle über sein Pferd,
das von da an seine eigene Richtung nahm. Ein Kürassier
des kaiserlichen Regiments Götz feuerte seine Reiterpistole,
sein «Faustrohr», auf den Dahinjagenden ab und traf ihn im
Rücken. Hätte der König einen Harnisch getragen, wie das
bei für den Nahkampf ausgerüsteten Reitern üblich war,
wäre die Kugel womöglich abgeprallt. Wegen einer
Verwundung der rechten Schulter, fünf Jahre zuvor
davongetragen, konnte Gustav Adolf aber keinen Harnisch
tragen, sondern nur ein Elchlederkoller. Die Kugel drang in
den Körper ein, und der König stürzte rücklings vom Pferd.
Ob dieses ihn noch eine Strecke mitschleifte oder ob er
sofort zu Boden fiel, ist unklar, zumindest widersprechen
sich die Berichte. Über dem darniederliegenden König tobte
der Reiterkampf, und wahrscheinlich wurde er von
mindestens einem Huftritt getroffen. Es war dann ein von
oben geführter Degenstich, der Gustav Adolf tötete.
Die Schlacht bei Lützen: Rechts oben ist das brennende Lützen zu sehen, in der
rechten Bildmitte der Windmühlenhügel, auf dem Wallenstein seine Artillerie
aufgestellt hatte, schräg darunter, neben einer Hinrichtungsstätte, die Explosion
mehrerer Pulverwagen, die sich gegen Ende der Schlacht ereignete. Die linke
obere Bildhälfte wird von einem Floßgraben durchzogen. Sieht man genau hin, so
sind die Truppenblöcke auf den Flügeln beider Heere als Kavallerieformationen zu
erkennen, und nur im unmittelbaren Zentrum der Darstellung, dort wo die Blöcke
der Pikeniere zu sehen sind, kämpfen Fußtruppen gegeneinander.
Der Tod des schwedischen Königs Gustav Adolf, das bei weitem folgenreichste
Einzelereignis der Schlacht bei Lützen, ist unzählige Male dargestellt worden.
Einmal wird ein aus unmittelbarer Nähe in den Rücken des Königs abgefeuerter
Pistolenschuss gezeigt, ein anderes Mal der Kampf mit Hieb- und Stichwaffen. Carl
Wahlbom, ein schwedischer Maler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hat für
die Darstellung des Todes von Gustav Adolf eine wilde Kampfszene gewählt. Der
König fällt dabei rücklings von seinem sich aufbäumenden Pferd.

Die Nachricht vom Tod des Königs verstärkte auf dem linken
schwedischen Flügel die Neigung der Soldaten, die Flucht
zu ergreifen. Das war der kritische Augenblick der Schlacht:
Wäre jetzt eine große Panik ausgebrochen, wäre die
Schlacht für die Schweden verloren gewesen. Es waren vor
allem zwei Männer, die das verhinderten: der Feldprediger
Jacob Fabricius, der die Behauptung ausstreute, der König
sei gar nicht tot, sondern nur verwundet, und mit einigen
hundert Mann den Choral «Erhalte uns, Herr, bei Deinem
Wort» anstimmte, [42] und Herzog Bernhard, der die
zurückweichenden Truppen sammelte und erneut zum
Angriff führte. Die sich abzeichnende Panik schlug ins
Gegenteil um, als Bernhard die Soldaten mit dem Ruf
anfeuerte, sie müssten ihren König rächen. Aus der
drohenden «Rückwärtspanik» wurde jetzt eine
«Vorwärtspanik», und die schwedischen Truppen drangen
mit berserkerhafter Wut auf den Feind ein, der nun
seinerseits zurückwich. Bernhard von Weimar hatte sich
zuvor kurzzeitig mit Knyphausen beraten, der für den
Rückzug stimmte. Der achtundzwanzigjährige Bernhard
entschied sich für den Angriff und entriss damit Wallenstein
den schon fast sicheren Sieg. Sein kometenhafter Aufstieg
begann am Tag von Lützen. [43]
Nahezu gleichzeitig mit dem schwedischen König fand
auch Feldmarschall Pappenheim den Tod. Nach einer kurzen
Einweisung hatte er das Kommando auf dem linken Flügel
der Kaiserlichen übernommen. Seiner Gewohnheit
entsprechend ritt er an die Spitze des Angriffs, mit dem er
die bedrohliche Lage entschärfen wollte. Da traf ihn die
Kugel einer schwedischen Regimentskanone (anderen
Berichten zufolge war er bereits zuvor von mehreren
Pistolenschüssen getroffen worden) [44] und riss ihm die
Seite auf. Der ihn begleitende Trompeter brachte ihn aus
dem Kampfgeschehen heraus. Man legte ihn in eine Kutsche,
um die Wunden zu versorgen. In Windeseile verbreitete sich
die Nachricht vom Ausfall des Feldmarschalls, und in der
Folge breitete sich Panik unter den von Pappenheim
herangeführten Kavalleristen aus. Einige ergriffen die
Flucht, andere verweigerten den Befehl zum Angriff,
darunter auch Offiziere. Hier mag dahingestellt bleiben, ob
dabei deren protestantisches Bekenntnis eine Rolle spielte,
wie häufig angeführt, oder ob vielmehr der Umstand
ausschlaggebend war, dass die Männer seit Mitternacht im
Sattel gesessen hatten und vor dem Angriff nicht mehr
hatten verpflegt werden können. Voll Verzweiflung soll
Pappenheim noch beobachtet haben, dass sich mit der
Flucht «seiner» Reiterregimenter die Lage auf Wallensteins
rechtem Flügel weiter verschlechterte. «Ist denn keiner
mehr, der für den Kaiser treulich fechten will», soll der
Schwerverwundete gerufen haben. [45] Dann wurde
Pappenheim in der Kutsche weggefahren. Ob er die
Pleißenburg bei Leipzig noch lebend erreicht hat, ist unklar:
Einige berichten, er sei dort unter qualvollen Schmerzen
gegen drei Uhr morgens gestorben; andere gehen davon
aus, dass er bereits unterwegs verstorben ist. [46]
Beinahe gleichzeitig mit dem schwedischen König fand auch Graf Pappenheim in
der Schlacht bei Lützen den Tod. «Ist denn keiner mehr, der für den Kaiser treulich
fechten will», soll der Schwerverwundete noch gerufen haben, als er seine
Kavallerie flüchten sah. Auf der Zeichnung von René Reinicke ist zu sehen, wie der
sterbende Feldmarschall vom Schlachtfeld gebracht wird.

Unterdessen ging die Schlacht mit Angriffen und


Gegenstößen weiter, und dabei vermochte keine Seite einen
nachhaltigen Erfolg zu erringen. Um seinen nach dem Tod
Pappenheims und der Flucht seiner Regimenter erneut
wankenden linken Flügel zu stabilisieren, entsandte
Wallenstein Piccolomini mit einigen Reiterregimentern vom
rechten zum linken Flügel – was sich auf dem rechten Flügel
sofort bemerkbar machte, als Bernhard von Weimar die
Schweden wieder gesammelt zum Angriff führte. Es gelang
ihm, die große Batterie auf dem Windmühlenhügel zu
erobern, und wahrscheinlich hätte er in dieser Situation den
Sieg errungen, wenn nicht vom linken Flügel der
Kaiserlichen Hilfe herbeigeeilt wäre, deren Einsatz den
Zusammenbruch des rechten Flügels verhinderte. Diese
neuerliche Kräfteverschiebung war möglich, weil auf dem
rechten schwedischen Flügel große Verwirrung entstanden
war, nachdem die mit Pappenheim eingetroffenen Kroaten
die schwedische Aufstellung großräumig umgangen und in
deren Rücken mehrere schwedische Pulverwagen in die Luft
gejagt hatten.
So wogte die Schlacht hin und her, bis Wallenstein gegen
Abend den Befehl zum Rückzug gab, womit der Sieg
symbolisch den Schweden zufiel. Betrachtet man den
Schlachtverlauf, dann war Lützen indes eher ein Patt als ein
schwedischer Sieg. Das zeigt sich auch in der Verteilung der
üblichen Trophäen: So fiel die gesamte kaiserliche Artillerie
in schwedische Hände, da beim Abzug keine Pferde zur
Verfügung standen. Dafür büßten die Kaiserlichen nur einige
Fahnen und Standarten ein, während die Schweden etwa
60 Fahnen verloren. Das spricht dafür, dass die
entsprechenden Einheiten völlig zerschlagen worden waren
oder sich in der kurzen Phase der Panik zwischen Gustav
Adolfs Tod und der Wiederherstellung der Lage durch
Herzog Bernhard weitgehend aufgelöst hatten. Dazu passt,
dass die Schweden um die 5000 Tote und Verwundete zu
beklagen hatten, während es auf Seiten Wallensteins etwa
4000 waren. [47]
Was hat Wallenstein dazu veranlasst, den Rückzugsbefehl
zu geben? Der Generalissimus hatte eine Verwundung
erlitten, die jedoch nicht sonderlich schwer war. Trotz
heftiger Gichtanfälle hatte er die Schlacht vom Pferderücken
aus geleitet, und es ist nicht auszuschließen, dass sein
körperlicher Zustand eine Rolle spielte. Wahrscheinlicher ist
freilich, dass Falschinformationen über anrückende
schwedische Verstärkungen, nämlich das Korps Georgs von
Lüneburg und die sächsischen Truppen Arnims, ihn zu
dieser Entscheidung veranlassten. So begründet sie
jedenfalls Feldmarschall Holk in seinem Bericht über den
Schlachtverlauf: Da «der Herzog und alle hohen Offiziere
blessiert» gewesen seien, «hielt man es für besser,
abzumarschieren, die Stücke [Kanonen] stehen zu lassen
und sich mit Gallas zu konjugieren [vereinigen], bevor die
Sächsischen sich mit den Schweden konjugierten und man
dadurch einer partikulären Ehre halber die ganze Wohlfahrt
des Kaisers hazardierte». [48] Es war demnach kluge
Vorsicht, die Wallenstein den Rückzugsbefehl geben ließ.
Mit dem Tod Gustav Adolfs hatte er das unmittelbare Duell
für sich entschieden (wobei unklar ist, ob Wallenstein zum
Zeitpunkt des Rückzugsbefehls vom Tod des Königs wusste).
Jedenfalls spielte die Siegessymbolik, die der Behauptung
des Schlachtfelds zukam, für ihn keine Rolle.

Der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen musste von den Protestanten
verarbeitet werden: Der schwedische König hatte nicht nur Sieg um Sieg
errungen, sondern auch die notorisch zerstrittenen Protestanten politisch geeint.
Das Flugblatt zeigt Gustav Adolf im Kampf mit einem vielköpfigen Drachen, dem
er die meisten Köpfe schon abgeschlagen hat. Der Drache beherrscht nur noch
einen kleinen Teil des Landes, der von seinem langen Schwanz umschlungen wird.
Die dem König auferlegte Aufgabe, so die Botschaft, ist fast erledigt.
Politische Bewegung, militärischer
Stillstand
Mit der Schlacht von Lützen ging das Kriegsjahr 1632 zu
Ende; beide Seiten waren mit der Reorganisation ihrer
Kräfte beschäftigt, und keiner hatte die Kraft, den Ausgang
der Schlacht militärisch auszunutzen oder deren Ergebnis zu
revidieren. Wallenstein zog sich mit den Überresten seines
Heeres nach Böhmen und Schlesien zurück. Er ließ das Heer
also entgegen seinen ursprünglichen Plänen nicht im
Feindesland überwintern, sondern musste ein weiteres Mal
die kaiserlichen Erblande dafür in Anspruch nehmen. Das
gab seinen Kritikern erneut Auftrieb. Auf schwedischer Seite
führte Bernhard von Weimar, der noch auf dem Schlachtfeld
von Lützen das Kommando über das Heer übernommen
hatte, [1] die Truppen nach Naumburg zurück, wo sie neu
zusammengestellt und wieder aufgefüllt werden konnten.
Zunächst aber waren die Schweden mit dem Tod ihres
Königs und dessen Folgen beschäftigt. Weit mehr noch als
Tilly und Pappenheim war Gustav Adolf das Idol des Heeres
gewesen, und es blieb abzuwarten, wie dieses auf den
Verlust reagieren würde. Der König war der Kopf und das
Herz der schwedischen Kriegführung in Deutschland
gewesen, und es musste geklärt werden, wer an seine Stelle
treten konnte.
Die politische Leitung, das zeichnete sich früh ab, würde
Reichskanzler Axel Oxenstierna übernehmen, der diese
Aufgabe bereits früher verschiedentlich innegehabt hatte.
Einen unmittelbaren Nachfolger auf dem Thron gab es nicht,
da Gustav Adolfs einzige Tochter Christina noch unmündig
war. Oxenstierna war sich darüber im Klaren, dass die
schwedische Politik nur von Deutschland aus zu leiten war,
da er nur so die erforderliche Autorität aufbringen konnte,
um die eigenwilligen deutschen Verbündeten
zusammenzuhalten. Also blieb er in Mainz, wo die
Kommunikationswege zu den Verbündeten Frankreich und
Niederlande kurz waren. Oxenstierna wurde für das
kommende Jahrzehnt zum Kopf der schwedischen Politik,
und diese Aufgabe hat er auch in schwierigen, mitunter
verzweifelten Situationen gemeistert. [2] Die operative
Führung des Heeres konnte Oxenstierna jedoch nicht
übernehmen, da ihm das Kriegswesen und die begeisternd-
mitreißende Art, über die Gustav Adolf verfügt hatte,
fernlag. Die Heeresführung teilten sich bis zur Katastrophe
von Nördlingen im Jahr 1634 Bernhard von Weimar und
Horn, später übernahmen Banér und dann Torstensson. Das
Herz der schwedischen Politik, das für ihre Dynamik und
den Rhythmus des politisch-militärischen Geschehens
gesorgt hatte, konnte jedoch nicht ersetzt werden, und das
hatte zur Folge, dass die Direktionsgewalt über die
Entwicklungen zunehmend von Schweden auf Frankreich
überging. Die alles beherrschende Autorität Gustav Adolfs,
sein Selbstbewusstsein und sein Siegercharisma hatten dem
bis dahin entgegengestanden.

Axel Oxenstierna, zu Lebzeiten des Königs bereits dessen engster und wichtigster
Mitarbeiter, übernahm nach Gustav Adolfs Tod die Leitung der schwedischen
Politik und zeitweilig auch die Militärführung in Deutschland. Bis Kriegsende blieb
er die politisch beherrschende Gestalt Schwedens.

Der in schwedischen Diensten stehende Bogislaw Philipp von


Chemnitz hat die zunächst undurchsichtige Situation nach
dem Ableben Gustav Adolfs beschrieben. In Wien und
München, Innsbruck und Brüssel habe man
Dankgottesdienste und Freudenkundgebungen veranstaltet
und den Tod des Königs wie einen großen Sieg gefeiert. Man
habe gehofft, «das Blättlein würde sich nunmehr wenden
und der Evangelische Haufe als Schafe ohne Hirte ihnen
leichtlich wieder zu Teil werden». [3] Gänzlich unbegründet
war diese Erwartung nicht, denn Chemnitz fährt fort: «Es
ging auch gleich nach des Hochseligsten Königs Ableben der
Same einer Differenz, Trennung und Zwietracht sowohl
unter den Kurfürsten und Ständen als vornehmlich mit der
Kron Schweden an vielen Orten nicht unkenntlich sich
hervorzutun.» [4] Oxenstierna war im Jahr 1633 vorwiegend
damit beschäftigt, diese «Schafe ohne Hirte»
zusammenzuhalten und den Ausfall des Königs institutionell
zu kompensieren. Auf der Gegenseite nahm Wallenstein
frühere Gesprächsfäden wieder auf und erkundete die
Möglichkeiten für einen Separatfrieden, der zum Ziel hatte,
die Schweden in Deutschland politisch zu isolieren. Sie
sollten in die Rolle von Fremden hineingedrängt werden, die
im Bündnis mit Frankreich einen Angriffskrieg gegen das
Reich führten, um möglichst große Teile in ihren Besitz zu
bringen. Wallensteins Strategie lief darauf hinaus, die
Elemente des Religionskriegs zurückzunehmen, damit er den
Krieg als Staatenkrieg gegen die äußeren Interventen
weiterführen konnte – nicht um Eroberungen zu machen,
sondern um den Status quo ante wiederherzustellen.
Oxenstierna hingegen musste die protestantische Solidarität
herausstellen und alles dafür tun, dass sich die
Wallenstein’sche Interpretation des Krieges nicht
durchsetzte. Insofern war das Jahr 1633, in dem es zu keinen
größeren Kampfhandlungen kam, ein indirekter Zweikampf
zwischen Oxenstierna und Wallenstein, der in politischen
Schachzügen und weniger in militärischen Feldzügen
ausgetragen wurde.
Auf dem Schlachtfeld von Lützen musste man den Körper
des Königs finden und ihn aufbahren. Noch in der Nacht
nach der Schlacht schickte Herzog Bernhard Suchtrupps los,
die einen schwer verwundeten Begleiter des Königs fanden.
Der berichtete, wie er den König habe fallen sehen und das
Pferd ihn noch ein Stück mitgeschleppt habe. Darauf
suchten sie die Umgebung ab und entdeckten «endlich des
Königs Körper […], ausgezogen im Hemd und von Pferden
zertreten und so verstellt, daß er kaum zu erkennen war». [5]
In der Pfarrkirche von Meuchen, dem Dorf, wo Gustav Adolf
in der Nacht vor der Schlacht sein Hauptquartier
aufgeschlagen hatte, wurde der Leichnam gesäubert, die
Wunden untersucht und danach der Körper einbalsamiert,
damit er den langen Rückweg nach Stockholm antreten
konnte. Der führte über Wittenberg ins Schloss von Wolgast,
wo der Sarg bis zum Sommer 1633 stand. «Man musste
warten», so Jörg-Peter Findeisen, «bis ein repräsentatives
Geschwader in Schweden segelfertig war. Endlich folgte die
feierliche Überführung nach Schweden, schließlich die
ehrenvolle Beisetzung im Sommer 1634 in der
Riddarholmskirche in Stockholm.» [6] Dass zwischen der
Ankunft in Schweden und der Bestattung noch einmal ein
ganzes Jahr verging, lag an Maria Eleonora, der Ehefrau
Gustav Adolfs, die den Sarg ein Jahr lang in ihrem
Witwensitz Schloss Nyköping aufbahren ließ, bevor sie ihn
zur Bestattung freigab. Das Herz des Königs, das dem
Leichnam bereits bei der Einbalsamierung in Meuchen
entnommen und später in eine Goldkapsel eingeschlossen
worden war, behielt sie bei sich. [7] Bis zum Ende ihres
Lebens mehr als zwanzig Jahre nach dem Tod ihres Mannes
verblieb sie im Gestus demonstrativer Trauer.
Wallenstein war mit der Lützener Schlacht gänzlich anders
umgegangen: Er hatte die Offiziere, die nach dem Ausfall
Pappenheims, teilweise an der Spitze ihrer Einheiten, vom
Schlachtfeld geflohen waren, festnehmen und ihnen wegen
Feigheit und Desertion den Prozess machen lassen. Er wollte
ein Exempel statuieren, das dafür sorgen sollte, dass sich so
etwas in einem von ihm geführten Heer nie wiederholte. Das
«Prager Blutgericht», als das die öffentliche Hinrichtung von
zwölf zum Tode verurteilten Offizieren in die Geschichte des
Dreißigjährigen Krieges eingegangen ist, [8] war sicherlich
nicht die einzige Exekution, mit der die Neigung der
Söldner, das eigene Leben mehr wertzuschätzen als den Tod
für den Dienstherrn, begrenzt werden sollte. Sie war aber
die größte und spektakulärste – fand sie doch dort statt, wo
mehr als ein Jahrzehnt zuvor die böhmischen Rebellen
hingerichtet worden waren. Im Übrigen spricht vieles dafür,
dass Wallenstein mit dieser Aktion sein Verhältnis zu den
Offizieren des Heeres erheblich verschlechtert hat, was
denen, die bald danach seinen Sturz betrieben, sehr
entgegenkam.
Unterdessen war Oxenstierna damit beschäftigt, den Bund
der protestantischen Reichsstände zu festigen und dabei die
schwedische Führungsrolle zu sichern. Sie hatte in den
zurückliegenden Jahren an der Person des Königs und
seinem Kriegscharisma gehangen und musste nun in die
institutionelle Ordnung eines Bundes überführt werden.
Unmittelbarer Gegenspieler Oxenstiernas war einmal mehr
der sächsische Kurfürst Johann Georg, der zu den
Konstellationen des Leipziger Konvents zurückkehren und
eine allgemeine Versammlung der protestantischen
Reichsstände einberufen wollte. Unter seiner Leitung sollten
dort die Grundlinien der Kriegführung und der
Friedensverhandlungen festgelegt werden. [9] Das war eine
Kampfansage an Oxenstierna, denn an einer solchen
Versammlung konnte Schweden als auswärtige Macht nicht
teilnehmen. Obendrein machte Johann Georg geltend, dass
es keine alleinige schwedische Direktion in Sachen
Kriegführung geben dürfe: Die Schweden sollten die
Führung in Oberdeutschland, also im Elsass, in Schwaben
und in Bayern, innehaben, während Kursachsen im ober-
und im niedersächsischen Kreis für sich die Leitung
beanspruchte. Das war für Oxenstierna nicht akzeptabel.
Den Schweden wäre damit nicht nur die schwierigere
Aufgabe zugefallen, sondern sie hätten auch, wie sich zuletzt
mehrfach gezeigt hatte, immer wieder den militärisch
schwächeren Sachsen zu Hilfe kommen müssen, ohne
Einfluss auf deren Operationsführung zu haben. Erst recht
wollte Sachsen bei den Friedensverhandlungen die
entscheidende Rolle spielen, und als Christian von
Dänemark sich als Vermittler anbot, stieß er sowohl in Wien
als auch in Dresden auf offene Ohren. Schweden dagegen
lief Gefahr, bei der Regelung der deutschen
Angelegenheiten von seinem alten Rivalen um die
Ostseehegemonie ausgebootet zu werden. Das war die eine
Front, an der Oxenstierna sich zu behaupten hatte; die
andere Front bildete der Reichsrat in Stockholm, den er
davon zu überzeugen hatte, dass der Krieg in Deutschland
auch nach dem Tod des Königs fortgesetzt werden musste
und «dass wir», wie er an Lars Grubbe schrieb, die
Angelegenheiten «billigerweise hier nicht aus den Händen
geben können». [10]
Oxenstierna war all diesen Herausforderungen gewachsen.
Er brachte die schwedische Aristokratie dazu, an der von
Gustav Adolf betriebenen Kriegspolitik festzuhalten, wozu
sicherlich auch die Aussicht auf Posten, Beute und Gewinn
beitrug, und er spielte die deutschen Protestanten so
geschickt gegeneinander aus, dass die kursächsische Politik
zunächst keinen Einfluss bekam. Als Erstes versicherte er
sich dabei des brandenburgischen Kurfürsten Georg
Wilhelm, der bei der Bildung eines proschwedischen Blocks
großes Gewicht besaß. Er war für Oxenstierna jedoch kein
einfacher Gesprächspartner, weil man in der Pommern-
Frage unterschiedliche Interessen verfolgte: Brandenburg
wollte nach dem Tod des kinderlosen Herzogs Bogislaw das
Land übernehmen, Schweden wollte damit seine
Ostseehegemonie absichern. Unter dem Eindruck der sich
verschlechternden Lage der Protestanten und der Schwäche
der sächsischen Armee beschloss Georg Wilhelm, sich eng
an Schweden anzulehnen, was er Ende Februar 1633 bei
einem Treffen mit dem sächsischen Kurfürsten
unmissverständlich deutlich machte: Er sprach sich gegen
einen protestantischen Konvent ohne Einbezug Schwedens
aus. Brandenburg war für Schweden unverzichtbar, um das
notorisch wankelmütige Sachsen einigermaßen unter
Kontrolle zu behalten.
Der entscheidende Schachzug gelang Oxenstierna
zwischen Mitte März und Ende April, als er die vier
oberdeutschen Kreise in einen festen Bund mit Schweden
brachte. Dieser legitimierte als Defensivbündnis den
Verbleib schwedischer Truppen auf dem Boden des Reichs,
band einen Großteil der deutschen Protestanten eng an
Schweden, übertrug Oxenstierna das uneingeschränkte
Direktorium in allen «Kriegssachen», verpflichtete die
evangelischen Reichsstände zur Finanzierung der
protestantischen Kriegsmacht in Deutschland und sicherte
schließlich Schweden zu, dass ihm bei Friedensschluss
«Satisfaktion» für die Verteidigung des deutschen
Protestantismus geleistet werde. Bereits am 18. Januar hatte
Oxenstierna die vier oberdeutschen Reichskreise, Franken,
Schwaben, Kurrhein und Oberrhein, nach Ulm eingeladen,
um über ein Bündnis zu sprechen. Am 18. März wurde die
Versammlung nicht in Ulm, sondern in Heilbronn eröffnet,
da Heilbronn besser gegen feindliche Überfälle gesichert
war. Was dort vereinbart wurde, war ein Vertrag, den jeder
der vier Reichskreise einzeln mit dem schwedischen
Reichskanzler schloss. Schon in der Anlage des Vertrags
kamen die Machtverhältnisse zum Ausdruck: Was Schweden
einbrachte, war seine Militärmacht, wohingegen die vier
Reichskreise sich verpflichteten, für die Finanzierung dieser
Militärmacht aufzukommen. Das war der eigentliche Kern
des «Heilbronner Bundes», und deswegen war es auch nur
konsequent, wenn im zweiten Artikel des Bundesvertrags
festgelegt wurde, dass das Direktorium des Bündnisses beim
schwedischen Reichskanzler liege. [11] Außerdem entsandte
Schweden drei Vertreter in den Beirat des Bundes, während
jedem Reichskreis nur ein Vertreter zustand. Dieser
machtpolitische Kern des Bündnisses wurde von einer
Präambel ummantelt, die den defensiven Charakter des
Bündnisses herausstellte, was zu den üblichen
Legitimationsmustern des Krieges gehörte. [12]
Mit dem Abschluss des Heilbronner Bundes war
Kursachsen zunächst einmal außen vor; wie verärgert man
in Dresden war, zeigte sich, als Johann Georg in scharfen
Schreiben an die in Heilbronn versammelten Reichskreise
vor dem Abschluss dieses Bündnisses warnte. Da der
Kursachse den vier Kreisen jedoch keine Schutzgarantien
geben konnte und auch in der Vergangenheit nichts zu ihrer
Sicherheit beigetragen hatte, verhallten seine Mahnungen
ohne weitere Folgen. Sachsen würde erst wieder ins Spiel
kommen, wenn allgemeine Friedensverhandlungen
begannen, und dementsprechend war man daran
interessiert, mit Wallenstein und dem Kaiser erneut
Verhandlungen aufzunehmen. Das war die Kehrseite des
Heilbronner Bundes: dass er die Sachsen mitsamt ihrer
Anhängerschaft dem Kaiser beziehungsweise Wallenstein in
die Hände trieb. Oxenstierna war sich darüber im Klaren,
dass er Friedensgespräche nicht einfach ablehnen konnte,
sondern sie verzögern und verschleppen musste. Darin
bestand die zweite Komponente im politischen Ringen
zwischen Oxenstierna und Wallenstein: Drehte sich die erste
um die politische Geschlossenheit des deutschen
Protestantismus, so ging es in der zweiten um die
Reichweite der Friedensgespräche – allgemeiner Frieden
versus Separatfrieden – wie auch darum, bis zu welchem
Grad die Vorkriegsverhältnisse wiederhergestellt werden
sollten. Konkret lief das auf die Frage hinaus, ob die
Restitution der Pfalz Bedingung für einen Friedensschluss
war oder nicht. [13]
Oxenstierna war bestrebt, die Latte für einen «guten
Frieden» möglichst hoch zu legen, und zu diesem Zweck
griff er auf die Forderung nach einer Restitution des
pfälzischen Kurfürsten zurück. Friedrich V. war zwar
inzwischen gestorben – dreizehn Tage nach Gustav Adolfs
Schlachtentod, als sei mit dem schwedischen König seine
letzte Hoffnung dahingegangen, wieder in die einstige
Position zurückzukehren –, aber der Anspruch seiner noch
unmündigen Kinder wurde im Heilbronner Bund
aufrechterhalten. Die Pfalz-Frage war ein heikler Punkt,
denn hier war die katholische Seite kaum kompromissbereit,
und Bayern trat als notorischer Blockierer auf. In Dresden
wusste man darum und war der Pfalz-Frage deswegen stets
ausgewichen. Indem Oxenstierna sie im Heilbronner Bund in
den Mittelpunkt stellte, positionierte er sich als
konsequenter Vertreter der protestantischen Interessen. Die
Restitution der Pfalz wurde zum Mittel, um den Weg zu
einem Friedensschluss zu erschweren, wenn nicht sogar
unmöglich zu machen. Sie war der Knüppel, den Oxenstierna
den friedenswilligen Sachsen immer wieder zwischen die
Beine warf. So ganz uneigennützig, wie er das darstellte,
agierte er ohnehin nicht, denn er bestand darauf, dass die
kurpfälzischen Festungen unter schwedischer Kontrolle
blieben und den Lutheranern alle Rechte der
Religionsausübung eingeräumt wurden. Als Oxenstierna
schließlich auch das Bündnis mit Frankreich erneuerte, und
zwar im Wesentlichen zu Bedingungen, die Gustav Adolf
ausgehandelt hatte, war die schwedische Vormachtstellung
im protestantischen Deutschland vorerst gesichert.
Während sich die politischen Entwicklungen durchweg
nach Oxenstiernas Vorstellungen vollzogen, war das bei der
Suche nach einem Nachfolger Gustav Adolfs in der Führung
des Heeres nicht der Fall. Auf den ersten Blick nahm sich die
vorläufige Zuständigkeitsverteilung unter Gustav Adolfs
Generälen harmonisch aus: Gustav Horn übernahm die
Elsass-Armee, Johan Banér die Truppen in Schwaben,
Pfalzgraf Christian von Birkenfeld die am Rhein, Georg von
Lüneburg die in Nordwestdeutschland und Herzog Bernhard
die zwischen Meißen und Franken stehenden Einheiten. [14]
Was jedoch offenblieb, war die Position des
Oberkommandierenden, und Oxenstierna traute sich nicht,
einen dieser Kommandeure den anderen vorzuziehen und an
die Spitze des Heeres zu stellen. Also übernahm er selbst
das Oberkommando, was im Ergebnis darauf hinauslief, dass
es keine strategische Führung gab. In der Folge blühten die
Rivalitäten, und es kam immer wieder zu Streitigkeiten
zwischen den Befehlshabern. [15]
Schließlich war auch noch die Frage zu beantworten, wie
und von wem die Truppen besoldet werden sollten. Zwar
hatte man im Heilbronner Bund bezüglich der im Jahr 1633
anfallenden Kosten eine Regelung getroffen, aber die
Soldaten hatten seit Monaten keinen Sold mehr erhalten,
und auch die Obristen, die gemäß den Vorgaben der
Regimentswirtschaft ihre Einheiten vorfinanzierten,
warteten seit längerem auf ihr Geld. Gustav Adolf hatte
große Versprechungen gemacht, die er nach dem
endgültigen Sieg einlösen wollte, doch jetzt, da er tot war,
war unklar, wer für diese Zusagen geradestehen sollte. Am
30. April traten ein Teil der Obristen und einige höhere
Offiziere zu einem Bund zusammen und verlangten, dass der
Sold für die Soldaten, die Einlösung der «Reconpensen»
(Entschädigungen) für die Offiziere und die Auszahlung des
zukünftigen Solds umgehend sichergestellt wurden. Sie
gaben Oxenstierna eine Frist von einem Monat, ihre
Forderungen zu erfüllen; danach würden sie keine
Operationen mehr durchführen.
Die Verhandlungen zogen sich länger hin. Am 22. Juli
wurde schließlich ein Abkommen geschlossen, das die
Barauszahlung eines gesamten Monatssoldes ohne Abzüge
für erhaltene Naturallieferungen vorsah und die
Forderungen der Regimentsobersten durch die Übertragung
eroberter Ländereien und Güter beglich. Letzteres war
jedoch mit der Erwartung verbunden, dass aus diesen
Werten auch alle weiteren Forderungen der
Regimentsangehörigen bezahlt würden. Klöster, Stifte und
Teile katholischer Fürstentümer wurden daraufhin in
großem Stil «verschenkt». Auf diesem Wege gelangte auch
Bernhard, der jüngste von zehn Söhnen des Weimarer
Fürstenhauses und damit ohne Aussicht, jemals zur
Herrschaft zu gelangen, in den Besitz des Herzogtums
Franken, bestehend aus den Fürstbistümern Würzburg und
Bamberg. [16] Die Folge dieser großen Schuldentilgung war
freilich, dass neue Restitutionsforderungen entstanden,
dieses Mal auf katholischer Seite, so dass die Hürden auf
dem Weg zum Frieden zahlreicher und vor allem höher
wurden. Die schwedische Lösung setzte auf einen
«Siegfrieden», in dem diese Umverteilung bestätigt wurde,
oder aber die völlige Niederlage des Gegners, bei der
sämtliche neuen Besitztitel mit einem Schlag getilgt waren.
Was im Vertrag des Heilbronner Bundes «der konigl.
Wuerden vnnd Mayt. vnnd Cronn Schweden gebührendte
Satisfaction» hieß, [17] wurde immer mehr zu einer
Sammlung unerfüllbarer Forderungen. Der Krieg behielt
dadurch seine Eigendynamik, was heißt, dass er stets aufs
Neue Faktoren hervorbrachte, die für seinen Fortgang
sorgten.
Das alles spielte im Frühjahr und Sommer 1633 jedoch keine
große Rolle, weil jede Seite mit sich selbst beschäftigt war
und keine größeren Anstrengungen unternahm, dem Gegner
zuzusetzen. Der Kleinkrieg der Streifscharen ging
unterdessen weiter. Man war dabei bestrebt, den Gegner in
seinen Quartieren zu überfallen, seine Einheiten zu
zersprengen und Nachschubtransporte abzufangen, um sie
der eigenen Seite zuzuführen. Hier und dort wurden kleinere
Einheiten des Gegners auch auf dem Marsch angegriffen.
Dieser Kleinkrieg wurde mit Reitern geführt, die
auftauchten, wo man sie nicht erwartete, zuschlugen und
wieder verschwanden, bevor die Angegriffenen dazu kamen,
Gegenmaßnahmen zu organisieren. Neben den leichten
Reitern, über die beide Seiten verfügten, gewann ein neuer
Typ des Kavalleristen an Bedeutung, der Dragoner, der
Beweglichkeit und Kampfkraft miteinander verband. [18] Ein
Spottvers lautete: «Dragoner sind halb Mensch, halb Vieh,
aufs Pferd gesetzte Infanterie.» [19] So kann es nicht
überraschen, dass im weiteren Verlauf des Krieges der
Anteil solcher Kavalleristen in den Heeren stieg, während
der Infanterieanteil zurückging, bis sich bei Kriegsende
beide Waffengattungen tendenziell die Waage hielten. [20]
Diese veränderte Art der Kriegführung, die den Krieg zwar
von Anfang an begleitet hatte, aber nun mehr und mehr zum
vorherrschenden Typus wurde, machte vor allem der
Zivilbevölkerung zu schaffen, wie den
Tagebuchaufzeichnungen des Maurus Friesenegger gerade
für das Jahr 1633 zu entnehmen ist. [21] Ständig musste man
damit rechnen, dass Reiter auftauchten und Dörfer
überfielen. An die Stelle der durchziehenden
Heereskolonnen trat die diffuse Präsenz von Streifscharen,
bei denen man nicht mehr wusste, welcher Seite sie
angehörten. Friesenegger berichtet nach einem Überfall:
«Jedermann glaubte, daß es Schweden sein müssen. Nach
der Hand zeigte sich aber, daß es Kaiserliche gewesen
seien.» [22] Für die Bauern war es oft nicht mehr möglich,
ihre Felder zu bestellen: «Zu Utting nahmen derlei Räuber
am 10. August alles Vieh und Pferd weg. Und da die Bauern
wieder einiges mit Geld einlösen wollten, sagte ein Redlicher
ihnen, sie sollten es nicht tun; denn über ein kurzes werden
andere kommen, und es neuerdings abnehmen. Und dessen
wird, so lange als ein Klau und Huf übrig sein wird, kein
Ende sein. Und so zeigte es sich in der Tat allerorten. Wehe
für die Zukunft! Viele Äcker lagen schon öde, die Ernte war
eben nicht die beste, und das künftige Feld konnte man nicht
anbauen aus Abgang der Pferde. Welche bittere Aussicht für
den äußersten Hunger!» [23]
Der große Krieg belastete die Zivilbevölkerung, da ihr
wirtschaftlicher Ertrag kontinuierlich abgeschöpft wurde,
und die Verluste betrafen nach mehr als zehn Kriegsjahren
auch die Substanz der Dorf- und Stadtwirtschaft. Der kleine
Krieg dagegen zehrte diese Substanz auf. Er brachte eine
Art der Kriegführung mit sich, bei der politische Vorgaben
und strategische Direktiven kaum noch eine Rolle spielten,
so dass sich das Gewaltgeschehen verselbständigte. Es gab
weder militärische Ziele noch politische Zwecke; man fügte
dem Gegner Schaden zu, wo und wie man konnte, und das
tat man in dem Bewusstsein, dass die andere Seite es ebenso
tat. Ein Meister dieser hochbeweglichen Kriegführung war
der bayerische Reiterführer Jan von Werth, der in mancher
Hinsicht ein neuer Pappenheim war und in anderer Hinsicht
der Inbegriff jener Heerführer, von denen das letzte
Jahrzehnt des Krieges geprägt war: Sie führten Krieg, ohne
sich zu fragen, was daraus folgte und womit das enden
sollte. Der Krieg war ihnen zur Lebensgewohnheit
geworden. [24] Insofern steht das Jahr 1633 für eine
Übergangsphase: Es begann etwas Neues, das noch viel
schrecklicher war als das bislang Erlebte, weil es nicht
gelang, den Krieg zu beenden. Er ging nicht bloß weiter,
sondern machte eine Mutation durch, nach der er um einiges
verheerender war als zuvor.
Nach dem Tod von Tilly, Pappenheim, Gustav Adolf und Wallenstein übernahm
eine neue Generation von Heerführern das Kommando. Einer von ihnen war der
Reiterführer Jan von Werth, ein Bauernjunge, der sich in der bayerischen Armee
hochgedient hatte. Der Stich von Wenzel Hollar zeigt ihn in der typischen
Feldherrnpose zu Pferde, rechts oben die ihn begleitenden Symbole: bona fama,
der geflügelte Ruhm im vierrädrigen Wagen, davor die spezifischen
Kriegstugenden Werths mit Fahnen und Emblemen, von der celeritas
(Schnelligkeit) bis zur vigilantia (Wachsamkeit).

Grimmelshausen erzählt in seinem Roman Der


abenteuerliche Simplicissimus von den in immer größerer
Zahl auftauchenden «Freireitern» oder Freibeutern: «Sie
wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht und
kommen auch in keine Schlachtordnung, und sie ernähren
sich doch! Was aber der Feldherr, der Landmann und die
Armada selbst, bei deren sich viel solches Gesindel befindet,
vor Schaden davon haben, ist nicht zu beschreiben.» [25] Der
unbedarfteste Reiterjunge, der nichts anderes tue, als sich
um die Pferde zu kümmern, sei dem Feldherrn nützlicher als
tausend Freibeuter, denn diese «spolieren [rauben] vor,
neben und hinter der Armee alles, was sie antreffen; und
was sie nicht genießen können, verderben sie, also daß die
Regimenter, wenn sie in die Quartier oder ins Läger
kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser finden; und
wenn sie alles Ernstes angehalten werden, bei der Bagage
zu bleiben, so wird man oft beinahe dieselbe Stärke finden,
als die Armee selber ist. Wenn sie aber gesellenweis
marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben
sie keinen Wachtmeister, der sie kommandiert, keinen
Feldwaibel oder Schergianten, der ihnen das Wams
ausklopft oder vielmehr ausstäubt, keinen Korporal, der sie
wachen heißt, keinen Tambour, der sie des Zapfenstreichs,
der Schar- und Tagwacht erinnert, und in Summa niemand,
der sie anstatt des Adjutanten in Battaglia stellt und anstatt
des Furiers einlogiert, sondern leben vielmehr wie die
Freiherrn.» [26]
Freiherren stehen in Grimmelshausens Sicht für die
Auflösung der Heeresordnung, des Militärreglements und
der organisatorischen Hierarchie. Kein Heerführer kann mit
ihnen etwas anfangen. Aus der Perspektive des Schlachten-,
Festungs- und Manöverkriegs heraus gedacht und ohne
Vorstellung davon, dass der reine Verwüstungskrieg selbst
zu einer strategischen Direktive werden konnte, war das
konsequent. Im Grundsatz war es indes eine konservative
Sichtweise, die den Krieg wieder in seine alten geordneten
Bahnen zurückbringen wollte – was mit dem Westfälischen
Frieden dann auch geschah.

Auf Seiten der Protestanten war es naheliegend, zeitweilig


auf größere Militäroperationen zu verzichten, da man mit
inneren Konflikten zu tun hatte. Warum aber blieb die
kaiserliche Seite, also Wallenstein, so ruhig, wo man doch
leicht gegen einen desorganisierten Gegner hätte erfolgreich
sein können? Wallenstein setzte auf Verhandlungen. Seit
längerem war er der Überzeugung, dass Schlachtensiege oft
das Gegenteil des Bezweckten bewirkten, deswegen
verzichtete er darauf, seine Armee, so wie er das im Herbst
1632 vorgehabt hatte, nach Sachsen zu führen und das Land
zu besetzen. Er wollte den Kurfürsten, über dessen Distanz
gegenüber den Schweden Wallenstein sehr genau
unterrichtet war, nicht wieder auf deren Seite bringen.
Sicherlich hätte er sich auch gegen Horn und Herzog
Bernhard in Oberdeutschland wenden können, die seit April
wieder Bayern bedrohten und dort bereits kleinere
Eroberungen gemacht hatten. Aus Wallensteins Sicht
sprachen jedoch mindestens drei Gründe dagegen. Zunächst
die flexible Operationsführung der beiden: Wenn er mit
Übermacht vorrückte, würden sie ihn ins Leere laufen
lassen, indem sie sich zurückzogen, bis seine eigenen
Versorgungslinien länger und länger wurden. Wallenstein
bevorzugte eine Strategie der Überwältigung des Gegners
durch große Überlegenheit der eigenen Kräfte, doch dafür
brauchte er eine «Wand», gegen die er den Gegner drücken
konnte, und die gab es in diesem Fall nicht. [27] Wenn es ihm
doch gelang, einen der beiden, Horn oder Bernhard, zu
stellen und zu besiegen, würde sein Ziel, aussichtsreiche
Verhandlungen zur Beendigung des Krieges aufzunehmen,
nur in größere Ferne rücken, weil unter dem Eindruck des
Sieges die Konzessionsbereitschaft in Wien und München
schlagartig schwinden würde. Zumindest die Rücknahme
des Restitutionsedikts durch den Kaiser musste er in
Aussicht stellen können, damit man einem
Verhandlungsfrieden näher kam. Das also war Wallensteins
Dilemma: Er durfte den Gegner nicht wirklich schwächen,
weil er dadurch seine eigene politische Ausgangslage
schwächte. Mehr noch als die alte Abneigung gegen Kurfürst
Maximilian, die in der einschlägigen Literatur zumeist
angeführt wird, hat dieses Dilemma Wallensteins Handeln
im Kriegsjahr 1633 bestimmt und ihn dazu veranlasst, den
Schwerpunkt seiner Kriegführung gerade nicht nach Bayern
und Schwaben zu verlegen.
Wallenstein ließ das inzwischen reorganisierte Heer in
Schlesien einmarschieren, machte dann aber halt und
schloss mit dem sächsischen Generalleutnant Arnim einen
Waffenstillstand, der im Prinzip von Mitte Juni bis Anfang
Oktober dauerte. [28] Um seine Untätigkeit, die in Wien und
München nach einiger Zeit kritisch vermerkt wurde, nicht
gar zu auffällig werden zu lassen, entsandte er Mitte August
Holk mit einem größeren Verband nach Sachsen, wo dieser
sich durch Plünderung und Brandschatzung hervortat.
Außerdem ließ Wallenstein mehrere Regimenter unter
Aldringen zum Schutz Bayerns gegen Horn und Herzog
Bernhard aufmarschieren. Gleichzeitig gab er Aldringen
jedoch die strenge Anweisung, sich auf keine Schlacht oder
Belagerung einzulassen. Im Ergebnis nährte Aldringens
Anwesenheit in Bayern das Misstrauen gegen Wallenstein,
da man bei ihm Verstärkungen anforderte, die er entweder
nicht bewilligte oder zusagte, dann aber nicht entsandte. [29]
Holks Feldzug in Sachsen wiederum brachte keine
Bewegung in die Verhandlungen Wallensteins mit Arnim,
sondern führte nur dazu, dass Holk und Teile des Heeres
einer Seuche zum Opfer fielen. Anstelle von Holk machte
Wallenstein Matthias Gallas zu seinem Stellvertreter, was
für ihn noch weitreichende Folgen haben sollte. [30]
Unterdessen war der Krieg im niedersächsischen Kreis
wieder aufgelebt. Die Protestanten brachten den von Jost
Maximilian von Gronsfeld geführten kaiserlichen Truppen
am 8. Juli bei Hessisch Oldendorf eine schwere Niederlage
bei und eroberten anschließend die Festung Hameln. Damit
geriet die Weserlinie für die Kaiserlichen in Gefahr.
Pappenheim, der zuvor in diesem Raum kommandiert hatte,
war nicht zu ersetzen. Hatte er durch Schnelligkeit und
Kühnheit die kräftemäßige Unterlegenheit des Kaisers und
der Liga im niedersächsischen Kreis wettgemacht, so war
der vorsichtige und mitunter schwerfällige Gronsfeld dazu
nicht in der Lage. [31] In den meisten Darstellungen des
Dreißigjährigen Krieges findet die Schlacht von Hessisch
Oldendorf keine größere Beachtung. Das hat damit zu tun,
dass für diese Zeitspanne das Augenmerk auf den sächsisch-
schlesischen sowie den schwäbisch-bayerischen
Kriegsschauplatz gerichtet ist. Dabei wird übersehen, dass
sich mit Gronsfelds Niederlage die Gesamtsituation im
Nordwesten veränderte und die kaiserliche Macht nach
Westfalen zurückgedrängt wurde. In Wien und München
wurde das sehr genau registriert und als ein weiterer Punkt
auf Wallensteins Versäumnisliste rubriziert. Es waren
schwedische Truppen unter Dodo von Knyphausen sowie
Truppen des Landgrafen von Hessen-Kassel unter General
Melander, [32] die zusammen mit dem Heer Herzog Georgs
von Lüneburg den Sieg bei Hessisch Oldendorf erfochten. Es
war ein großer Sieg, der dieses Mal im Zentrum der
Schlachtaufstellung errungen wurde. Nach dem Bericht des
Theatrum Europaeum verloren die Kaiserlichen in dem
dreistündigen Ringen 5000 Mann, und 2500 wurden
gefangen genommen, während auf schwedischer und
hessischer Seite nur 200 bis 300 Tote zu beklagen waren. [33]
Dazu kam auf kaiserlicher Seite der Verlust von 13 Kanonen
sowie 70 Fahnen und Standarten mitsamt der Bagage. Eine
Reihe höherer Offiziere geriet in die Hand des Gegners.
«Auch ist Herrn Grafen von Merode Gemahlin zusamt ihren
Frauenzimmern und vielen Domherren gefangen
worden.» [34] Offenbar hatten die kaiserlich-ligistischen
Truppen – es dürfte sich um 15000 bis 16000 Mann
gehandelt haben – nicht im mindesten damit gerechnet, dass
sie die Schlacht zum Entsatz der von den Schweden
belagerten Festung Hameln verlieren konnten. Wenige Tage
nach der Schlacht kapitulierte Hameln.
Wallenstein und Arnim verhandelten derweil über einen
Separatfrieden mit Sachsen, dem sich dann weitere
protestantische Reichsstände anschließen sollten. Die
Verhandlungen kamen jedoch nicht recht voran, weil
Kurfürst Johann Georg als Vorleistung eine verbindliche
Zusage des Kaisers zur Rücknahme des Restitutionsedikts
erwartete, wozu Ferdinand nicht bereit war. [35] Beide Seiten
bestanden auf Garantien, die die jeweils andere nicht geben
konnte oder nicht geben wollte. Arnim berichtete seinem
Kurfürsten Johann Georg, der sich dann mit Oxenstierna in
Verbindung setzte, und da dieser auf den in Heilbronn
formulierten Positionen beharrte, scheute Johann Georg,
wiewohl durchaus friedenswillig, vor größeren Konzessionen
im Alleingang zurück. Wallenstein wiederum, der auf der
Grundlage der Göllersdorfer Vereinbarungen viel
weitergehende Verhandlungsbefugnisse hatte als Arnim,
drängte auf die Zusage aus Wien, das Restitutionsedikt
zurückzunehmen, erhielt sie jedoch nicht. Das hatte neben
der Sturheit des Kaisers und dem missionarischen Eifer, mit
dem er die Ausrottung der evangelischen Ketzerei im Reich
anstrebte, auch handfeste realpolitische Gründe: Ferdinand
wollte sich nicht noch stärker an seinen Generalissimus
binden, als er das bereits getan hatte, und das wäre bei
einer solchen Zusage der Fall gewesen. Wallenstein war
nicht der Mann, der in einer solchen Situation resignierte,
sich auf seine militärischen Befugnisse zurückzog und
andere die Politik machen ließ. Er fürchtete, dass die
Gelegenheit zur Beendigung des Krieges, die sich aus dem
augenblicklichen militärischen Gleichgewicht ergab,
ungenutzt verstreichen und der Krieg weitergehen würde.
Also machte er Arnim den Vorschlag, das Instrument des
Militärischen, über das sie beide verfügten, zu nutzen, um
Wien und München sowie Dresden und Mainz zu den
Schritten zu nötigen, die diese von sich aus zu machen nicht
bereit oder nicht in der Lage waren. Konkret schlug er vor,
die beiden Heere, das kaiserliche in Böhmen und das
sächsisch-schwedische in Schlesien und Kursachsen, zu
«konjugieren», sie also zu einem gemeinsamen Heer zu
verbinden, das zum Angelpunkt des Vertrauens zwischen
den Verhandlungspartnern werden sollte. Das war ein
überaus kühner Vorschlag, der durch die in Göllersdorf
ausgehandelten Befugnisse nicht mehr gedeckt war.
Wallenstein wollte eine Mittelpartei herstellen. Diese war
aber nur dann wirklich handlungsfähig, wenn sie nicht selbst
aus unterschiedlichen Gruppen zusammengesetzt war und
divergierende Interessen in ihrem Innern zur Deckung
bringen musste, sondern geschlossen und doch flexibel
auftrat. Dass dies durch die «Konjugation» der beiden Heere
möglich sein sollte, war die Sichtweise eines Militärs, der zu
befehlen gewohnt war und erwartete, dass Befehle befolgt
und nicht zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht
wurden. Der Vorschlag war zugleich von den politischen
Erfahrungen des Lübecker Friedensschlusses getragen, als
Wallenstein die Verhandlungen an sich gezogen und die
erforderlichen Kompromisse kurzerhand durchgesetzt hatte.
Das wollte er jetzt wiederholen. Doch mit Arnim ließ sich ein
derart kühnes Vorhaben nicht verwirklichen. Sehr viel
vorsichtiger und abwägender als Wallenstein, beriet er
dessen Vorschlag mit Johann Georg – und damit war das
Projekt bereits gescheitert. Hans Georg von Arnim war als
Generalleutnant der Stellvertreter des
Oberkommandierenden, und dementsprechend handelte er
auch; Wallenstein dagegen war Generalissimus, also selbst
der Oberkommandierende, und das fand in seinen Plänen
und Projekten auch Ausdruck. Anders formuliert:
Wallensteins Vorhaben konnte nur gelingen, wenn er auf der
anderen Seite einen ebenbürtigen Partner hatte – von den
Befugnissen bis zu den charakterlichen Dispositionen. Den
aber hatte er nicht, und dass er das nicht erkannte, war eine
weitere Ursache seines Untergangs.
Zunächst hatte Wallenstein jedoch ein ganz anderes
Problem, nämlich die Dresdner Gerüchteküche. Es gab keine
Information, die im kurfürstlichen Schloss eintraf und
ausschließlich dort blieb. Das war einerseits ein Bestandteil
des politischen Spiels, mit dem Kursachsen sein politisches
Gewicht vergrößerte und den Eindruck erweckte, hier
würden die großen politischen Entscheidungen getroffen,
andererseits aber auch die Folge nachlässigen Umgangs mit
einem Wissen, das geheim bleiben sollte. In der sächsischen
Hauptstadt hatte sich eine Szene von Informanten und
Beobachtern angesiedelt, die auf die Weitergabe von
Informationen und deren Aufblähung zu Gerüchten
spezialisiert war. Zu dieser Szene gehörte auch eine Gruppe
böhmischer Exilanten, die sich nach 1620 in Dresden
niedergelassen hatte, um von hier aus ihre Rückkehr in die
Heimat vorzubereiten. Diese Gruppe war ein Treibhaus der
Gerüchte. Nun hatte man von den Gesprächen zwischen
Wallenstein und Arnim Wind bekommen und sah darin
einmal mehr eine Chance zur Revision der Niederlage am
Weißen Berg.
Es waren indes nicht nur die aus Böhmen Vertriebenen
und Geflüchteten, sondern auch eine Reihe von im Land
gebliebenen Magnaten, die darauf hofften, dass sich in den
Verhandlungen zwischen Wallenstein und Arnim die
Möglichkeit ergab, die böhmischen Freiheiten zu erneuern.
Dresden war ein Ort der Gerüchte, aber auch einer der
Projektemacher, und so entstand in der Umgebung des
Grafen Kinský, eines der böhmischen Exilanten, die Idee,
Wallensteins «Konjunktion» der Heere als Fokus einer
dritten Gruppierung oder Mittelpartei für einen Umsturz der
politischen Ordnung in Böhmen zu nutzen. Wallenstein sollte
als das Zugpferd dieser Revision dienen, und im Gegenzug
wollte man ihm die «böhmische Krone» anbieten. Man
wusste, dass Wallenstein für den politischen Aufstieg
empfänglich war. Dieser hat sich auf den Vorschlag des
Grafen Kinský jedoch nie wirklich eingelassen, und als
Wallenstein bei einer Unterredung damit konfrontiert wurde,
hat er ihn als «rechtes Schelmenstück» bezeichnet. Aber die
Sache war nun einmal in der Welt, und es war
unvermeidlich, dass das in Dresden kursierende Gerücht bis
nach Wien drang. Nur zu gut passte es dort in die
Vorstellung von einer großen Verschwörung gegen den
Kaiser, an deren Spitze Wallenstein stand.
In diese Vorstellung fügte sich auch die Reise eines
französischen Gesandten ein, des Marquis de Feuquières,
der von Richelieu nach Deutschland geschickt worden war,
um die Chancen zur Bildung einer von Frankreich
unterstützten (und gesteuerten) «dritten Partei» zu
erkunden. [36] Dresden hatte zuerst gar nicht auf seinem
Reiseplan gestanden, aber die allenthalben umlaufenden
Gerüchte über die von Wallenstein geführten Verhandlungen
veranlassten ihn zu einem Abstecher dorthin. Feuquières
blieb recht lange in der Stadt, denn er kam auf die Idee,
anstelle der aus Wallensteins Heer und Kursachsen
gebildeten Mittelpartei lasse sich auch eine Dreierkoalition
aus Frankreich, Schweden und dem Herzog von Friedland
schmieden – was den französischen Interessen sehr viel
mehr entsprochen hätte als das Wallenstein’sche Projekt,
das Reich zu befrieden, um seine Kräfte gegen äußere
Feinde zu bündeln. In Anbetracht der sehr unterschiedlichen
Interessen war Feuquières Vorhaben zum Scheitern
verurteilt, aber es wurde, nachdem es in die Dresdner
Gerüchteküche Eingang gefunden hatte, zu einem weiteren
Beleg für den von Wallenstein angeblich betriebenen
Hochverrat. Immer mehr Anhänger und Parteigänger des
Generalissimus in Wien gingen auf Distanz zu ihm, um nicht
in seinen absehbaren Sturz hineingerissen zu werden. [37]
Informationen über die Stimmungslage in Wien gelangten
auch zu Wallenstein, der zunehmend von den Verhandlungen
mit Arnim enttäuscht war. Er war keinen Schritt
weitergekommen und hatte das Jahr 1633, mit den Worten
von Moriz Ritter, in «tatenloser Defensive» vertan. [38] Nun
wollte er sich gegenüber seinen Kritikern durch einen
Militärschlag Luft verschaffen: Gallas sollte nach Sachsen
vorstoßen, Aldringen sich mit den aus Mailand kommenden
Truppen des Herzogs von Fería verbinden, um das von den
Schweden belagerte Breisach zu entsetzen, und er selbst
drang mit dem Gros seines Heeres in Schlesien vor. Sein Ziel
war die Oder bei Steinau, wo eine 6000 Mann starke Einheit
schwedischer Soldaten unter Graf Heinrich Matthias Thurn
stand, einem der Anführer des Prager Fenstersturzes, der
unermüdlich Projekte zur Rückeroberung Böhmens
vorantrieb. [39] Wallenstein ging kein Risiko ein und umfasste
Steinau mit 30000 Mann. Eine Tag später kapitulierte
Thurn; die einfachen Söldner traten in Wallensteins Dienste
über, und Thurn, den man in Wien gern als Rädelsführer des
böhmischen Aufstands hingerichtet hätte, erkaufte seine
Freilassung gegen die von Wallenstein vorgegebene
Anweisung an alle schlesischen Festungskommandanten, die
von ihnen gehaltenen Plätze unverzüglich an die
Kaiserlichen auszuliefern – was dann auch so geschah. [40]
Glogau, Sagan, Liegnitz, Breslau und Frankfurt an der Oder
fielen Wallenstein dadurch kampflos in die Hände. Das war
ein großer Erfolg, der schwerer wog als mancher Sieg, den
die Schweden im Frühjahr und Sommer dieses Jahres in
Oberdeutschland errungen hatten.
Die weitgehend kampflose Rückeroberung Schlesiens
konnte Wallensteins Reputation am Wiener Kaiserhof jedoch
nicht mehr retten. Man empörte sich darüber, dass er den
Grafen Thurn und die böhmischen Exilanten nicht in Ketten
nach Wien gebracht hatte. Thurn sei ein notorischer
Versager, entgegnete Wallenstein, der für den Kaiser an der
Spitze gegnerischer Truppen sehr viel hilfreicher sei als in
einem Wiener Gefängnis. Von der Sache her war diese
sarkastische Antwort durchaus zutreffend; die Gegner
Wallensteins streuten jedoch die Behauptung, Wallenstein
habe Thurn nur deswegen nicht nach Wien bringen lassen,
weil dieser dort über die hochverräterischen Gespräche
berichtet hätte, die er mit Wallenstein geführt habe. So
wurde der Erfolg Wallensteins in Schlesien zu einem
weiteren Anklagepunkt gegen ihn.
Das galt auch für die anderen Herbstoperationen.
Aldringens Korps entsetzte wie geplant zusammen mit den
9000 aus Mailand herangeführten Soldaten des Herzogs von
Fería die Festung Breisach, außerdem gelang es, die
Schweden unter Horn aus dem Bodenseegebiet und Teilen
Oberschwabens zu vertreiben. Da Aldringen gemäß einer
Anweisung Wallensteins ausgesprochen vorsichtig operierte,
wurde der Erfolg von Breisach aber nicht weiter gewürdigt;
die Operationsführung nährte wiederum den Verdacht, dass
Wallenstein ein einziges Ziel verfolgte, nämlich die
Kriegführung des Kaisers zu sabotieren und dem Gegner in
die Hände zu spielen, wo immer er konnte. [41] Es sollte indes
noch schlimmer kommen. Weil nach Aldringens Vorstoß zum
Rhein keine kaiserlichen Truppen mehr an der Donau
standen, trat ein, was Wallenstein befürchtet hatte, als er
Aldringen aufforderte, umsichtig vorzugehen: Herzog
Bernhard, der dem bedrängten Horn zu Hilfe geeilt war,
aber zu spät kam, um den Entsatz Breisachs zu verhindern,
rückte nun in Eilmärschen entlang der Donau vor. In Ulm
verschaffte er sich Flusskähne, auf denen die Kanonen und
Bagagewagen seines Heeres deutlich schneller transportiert
werden konnten als mit Zugtieren auf dem Landweg. Das
Erstaunliche war, dass die bayerische Besatzung von
Ingolstadt, die zumindest die Lastkähne hätte aufhalten
können, diese passieren ließ, so dass Bernhard am
4. November mit 10000 Mann sowie Artillerie und
Schiffsmaterial vor Regensburg stand. Das war eine der
schnellen Offensivoperationen, die für Bernhards Art der
Kriegführung typisch waren und auf denen sein Ruf als
genialer Heerführer gründete.
Regensburg war eine starke Festung – wenn ausreichend
Soldaten in der Stadt waren und auch die Bürgerschaft
entschlossen war, sie zu verteidigen. Das war jedoch nicht
der Fall. Die etwa 1500 bayerischen Soldaten, die Kurfürst
Maximilian der Bürgerschaft aufgenötigt hatte, waren für
die Verteidigung gegen einen entschlossen angreifenden
Feind zu wenig, und gleichzeitig waren es zu viele, um der
Bürgerschaft nicht zur Last zu fallen, die diese lieber heute
als morgen los sein wollte. Die Regensburger Bürger
mussten für die Soldaten im Monat 40000 Gulden bezahlen,
während Bistum und Klöster keinen Beitrag zu leisten
hatten – als ob die nicht ebenso vom Schutz profitiert hätten.
Das sorgte bei der überwiegend evangelischen Bevölkerung
für Verärgerung (Kurfürst Maximilian sprach von den
«schwedischen Regensburgern»), die auch nicht dadurch
besänftigt wurde, dass die Ausgaben des Militärs wiederum
der städtischen Wirtschaft zugute kamen. «Das Geld,
welches sie [die Bürgerschaft] auf die Garnison spendiere»,
so Maximilian, falle «gleichsam per circulum in den Säckel»
zurück. [42] Der Kurfürst bezweifelte indes selbst, dass sich
die Stadt lange gegen Bernhard werde halten können, und
bat den Kaiser, Verstärkungen zu schicken. Wallenstein,
nach wie vor ganz auf Sachsen und Brandenburg
konzentriert, erwiderte, Bernhard operiere nur zum Schein
gegen Regensburg, sein eigentliches Ziel sei ein Einfall in
Böhmen. Er fürchtete einen koordinierten Angriff Arnims
aus dem Norden sowie Bernhards aus Südwesten und
zögerte, weitere Truppen abzugeben. Am 10. November
begann Bernhard mit der Belagerung Regensburgs, am
14. November kapitulierte die Stadt. Es gab keinen
hartnäckigen Widerstand, weswegen man das Problem
zunächst einmal bei den bayerischen Verteidigern hätte
suchen müssen. Doch auch für den Fall von Regensburg
wurde Wallenstein verantwortlich gemacht.
Zuvor war es zu Irritationen gekommen, als der Kaiser an
Wallenstein vorbei Gallas den Befehl erteilte, ein
ausreichend starkes Hilfskorps zur Donau in Marsch zu
setzen. Das war ein Bruch der Göllersdorfer
Vereinbarungen, der dem Generalissimus zeigte, wie prekär
seine Stellung inzwischen war. Wallenstein machte in dieser
Lage den Fehler, doch noch zu einem Entlastungsvorstoß
zur Donau aufzubrechen, womit er seine Grundauffassung
dementierte, Böhmen und Nordostdeutschland seien der
Schlüssel, um den Krieg zu entscheiden. Ein noch größerer
Fehler war jedoch, dass er diesen Kriegszug, als es im
späten November zu einem Wintereinbruch kam und starker
Schneefall einsetzte, in dem bayerischen Grenzort Furth
abbrach und sich auf Pilsen zurückzog. [43] Jetzt schwand
auch bei denen, die Wallenstein keineswegs für einen
Verschwörer und Verräter hielten, das Vertrauen in seine
militärische Urteilskraft. «Dieser Rückzug», so Eggenberg,
mit dem Wallenstein die Grundlagen seines zweiten
Generalats ausgehandelt hatte und der bislang als Kopf
seiner Anhänger in Wien gegolten hatte, «ist das
Schändlichste, Gefährlichste, Unbedachteste, was der
Herzog je getan hat.» [44] Es wurde einsam um Wallenstein.
Wallensteins Ermordung in Eger
Auch das Vertrauen des Heeres in den Oberbefehlshaber
schwand, sowohl bei den Offizieren als auch bei den
einfachen Soldaten. Die meisten von ihnen waren zur Armee
gekommen, weil Wallensteins Name für regelmäßige
Besoldung, reichlich Beute und Aufstiegsmöglichkeiten
innerhalb der Heereshierarchie stand. Doch diese Erwartung
aus der Zeit des ersten Generalats ließ sich jetzt nicht mehr
so bedienen wie zuvor: erstens, weil die Armee nicht mehr
wie anfangs finanziert wurde; zweitens, weil nach dem
schwedischen Siegeszug 1631 und 1632 große Teile
Deutschlands, die zuvor zur Finanzierung des Heeres
beigetragen hatten, nicht mehr unter kaiserlicher Kontrolle
standen; drittens, weil mit der weitgehenden Untätigkeit des
Heeres im Jahr 1633 auch der übliche Beutemechanismus
nicht in Gang gesetzt werden konnte. Dass sich im Heer
Unzufriedenheit ausbreitete, nahm Wallenstein nicht zur
Kenntnis. Während der Feldzüge war der ohnehin nicht
sonderlich leutselige Wallenstein mit seinen Soldaten immer
wieder in Berührung gekommen, aber 1633, als er vor allem
mit Sondierungen für Friedensgespräche beschäftigt war,
ging auch dieser Kontakt verloren. Wallenstein hatte kein
Gespür mehr für die Stimmung unter den Soldaten. Es ist
unwahrscheinlich, dass der Oberkommandierende im
Spätherbst 1633 noch jene uneingeschränkte Bewunderung
und Verehrung genoss, wie sie Schiller im ersten Teil seiner
Trilogie, Wallensteins Lager, dargestellt hat.
Wallenstein selbst war es nie um die Verehrung und
Bewunderung seiner Soldaten gegangen. Für ihn war das
Heer ein Instrument, um seine Ziele zu verfolgen. Gehorsam
genügte ihm. Dabei übersah er, was in den Söldnerheeren
des 17. Jahrhunderts die Voraussetzung für diesen
Gehorsam war. Die Lebensbeschreibung des Söldners
Hagendorf gibt darüber Aufschluss. Mit großer
Zufriedenheit vermerkte Hagendorf, dass ihn sein
Hauptmann nach dem erfolgreichen Entsatz des belagerten
Straubing zum «Wachtmeister» befördert hatte. «Ich habe
gutes Quartier gehabt bei einem Weinwirt ‹Zur grünen
Tanne›. Habe auch hübsch Geld gehabt und bekommen.» [1]
Nicht nur dieses Zusammenhalt stiftende Mittel fiel 1633
aus, sondern auch die regelmäßigen Soldzahlungen. Wurde
der Sold des Öfteren nicht gezahlt, half die Anhänglichkeit
gegenüber dem Truppenführer weiter, die von den meisten
Condottieri des Dreißigjährigen Krieges gepflegt wurde.
Darauf hatte Wallenstein jedoch keinen Wert gelegt, und das
wurde für ihn jetzt zum Problem: Er hatte das Heer,
Soldaten wie Offiziere, als Apparat und nicht als
Gefolgschaft behandelt, doch die Voraussetzungen für einen
derartigen Umgang mit den Truppen begannen zu
schwinden. Zu Wallensteins Untergang trug bei, dass das
Heer just zu dem Zeitpunkt, als er es als Instrument
brauchte, aufhörte, ein solches zu sein – und dass
Wallenstein diese Veränderung nicht realisierte. Lange Zeit,
vermutlich bis in den Januar 1634 hinein, ging er davon aus,
dass sich das Offizierskorps in einem Loyalitätskonflikt
uneingeschränkt für ihn entscheiden würde. Sein gesamtes
Handeln beruhte auf dieser Annahme. Als Wallenstein
schließlich begriff, dass er sich irrte, war es zu spät.

Über lange Zeit sind die Wallenstein-Forschung und die


Historiographie des Dreißigjährigen Krieges davon
ausgegangen, Wallensteins häufig unklares, teilweise
widersprüchliches, zuletzt immer öfter gegen die Vorgaben
aus Wien opponierendes Verhalten lasse nur folgende
Erklärungen zu: Er habe sich mit einigen böhmischen
Exilanten sowie dem Feind gegen den Kaiser verschworen,
um das Haus Habsburg vom Thron zu stoßen – so die
Auffassung, bei der man ihm egoistische Ziele und Absichten
unterstellte, oder um gegen die unnachgiebigen
Kriegsparteien in Wien und München einen
Verhandlungsfrieden durchzusetzen – so die gegenüber
Wallenstein eher wohlwollenden Vertreter der
Verschwörungsthese. Beide Sichtweisen bewerteten das
häufig konfuse Handeln Wallensteins und die zahllosen
Fehler, die ihm zuletzt unterliefen, als durchaus planvoll.
Und so war das stärkste Argument für die
Verschwörungsthese, dass nur sie es erlaubte, ein
kohärentes Wallenstein-Bild zu zeichnen – vom habgierigen
Profiteur in Böhmen bis zum großen Strategen des Krieges.
Stellte man die Verschwörungsthese dagegen in Frage,
wurde Wallenstein zu einer Person mit vielen Seiten, zu
einem, der keineswegs immer der überragende Stratege
war, den man in ihm sehen wollte, und der in der
Schlussphase seines Lebens eher getrieben wurde, als dass
er das Geschehen beherrschte. Das Bild vom großen
Feldherrn, der zum Verschwörer gegen den Kaiser wurde,
und vom machtpolitischen Aufsteiger, der keine Grenze
kannte und immer höher hinauswollte, lässt sich leichter
begründen als die Vorstellung von dem Mann, der, nachdem
er durch den Krieg groß geworden war, zum Friedensstifter
mutierte und um dieses Zieles willen alles daranzusetzen
bereit war.
Der Letzte, der die These vom Verschwörer Wallenstein
mit großem Nachdruck vertrat und der Auffassung war,
damit sei das «Rätsel Wallenstein» ein für allemal geklärt,
war der tschechisch-österreichische Historiker Josef Pekař.
[2] Ihm hat bereits der österreichische Historiker Heinrich
Ritter von Srbik widersprochen, der Wallensteins
Friedensabsicht betont hat, jedoch hinzufügte, es seien
grobe politische Fehler gewesen, die letztlich seinen
Niedergang verursacht hätten. [3] Nun haben Srbik und
andere, indem sie die Friedensidee als Triebkraft von
Wallensteins Handeln im Jahr 1633 herausstellten, die These
der Verschwörung und des Hochverrats nicht wirklich
widerlegt: Man kann sich auch aus ehrenhaften Gründen
und mit hochstehenden Motiven gegen die an der Macht
Befindlichen verschwören und ihren Sturz betreiben. An
diesem Problem haben sich die Wallenstein-Biographen
Hellmut Diwald, Golo Mann sowie Josef Polišenský und Josef
Kollmann abgearbeitet. Die beiden Letztgenannten mussten
sich dabei noch mit einem Spezialproblem des tschechischen
Blicks auf Wallenstein auseinandersetzen, der Frage
nämlich, ob Wallensteins angeblicher Griff nach der
Wenzelskrone zu einer tschechischen
Nationalstaatsgründung bereits im 17. Jahrhundert hätte
führen können. [4] Die «Wallenstein-Frage» ist in mehrfacher
Hinsicht in geschichtspolitische Debatten verwoben, aus
denen sie sich erst in den letzten Jahrzehnten gelöst hat.
Hellmut Diwald und Golo Mann haben Wallensteins
Handeln dagegen aus seinen eigenen Perspektiven und
Optionen heraus zu erklären versucht. Dabei sind sie mit
unterschiedlicher Akzentsetzung, in der Konsequenz aber
übereinstimmend, zu dem Ergebnis gekommen, Wallenstein
habe zwar das Ziel verfolgt, den Krieg zu beenden, es sei
ihm jedoch keineswegs darum gegangen, die kaiserliche
Macht zu schwächen oder gar zu vernichten, sondern diese
im Gegenteil gegenüber den Kurfürsten zu stärken. Über
seine Kontakte mit dem Gegner habe er den Wiener Hof
jederzeit und vollständig informiert, einschließlich der
Gespräche, die er mit den böhmischen Exilanten geführt
hatte. Gegen Verschwörungsabsichten spreche auch, dass
Wallenstein seinen Rücktritt vom Oberkommando angeboten
habe, ein Anerbieten, das er mehrfach wiederholte, als
unübersehbar war, dass der Kaiser und seine bisherigen
Unterstützer am Hof auf Distanz zu ihm gingen. Wenn
Wallenstein tatsächlich gegen den Kaiser konspiriert und
hinter dessen Rücken mit dem Feind verhandelt habe, dann
erst in den letzten Wochen seines Lebens, als er davon
ausgehen musste, dass der Wiener Hof ihm nach dem Leben
trachtete. Bei Diwald mehr als bei Mann und explizit bei
Polišenský und Kollmann findet sich die Vorstellung einer
Wallenstein’schen Gegenverschwörung, die eine Reaktion
auf die Verschwörung des Kaisers und einiger hoher
Offiziere gegen den Generalissimus war. [5] Unter diesen
Offizieren spielte Ottavio Piccolomini, den Wallenstein
gefördert hatte und dem er vertraute, eine besondere Rolle.
So hat sich in den letzten Jahrzehnten die Debatte von der
einer Verschwörung Wallensteins gegen den Kaiser zu der
einer Verschwörung Piccolominis gegen Wallenstein
verschoben. [6]
Angelpunkt von Piccolominis Verschwörung gegen
Wallenstein ist die «Bamberger Schrift», ein im Herbst 1633
verfasstes militärisches Gutachten des Generals, in dem
Wallensteins Kriegführung seit dem Frühjahr einer scharfen
Kritik unterzogen und die Verhandlungen über einen
Friedensschluss als Bestandteil einer Konspiration
Wallensteins dargestellt wurden. Was auch immer
Piccolomini zu diesem Schritt veranlasst haben mag,
Habsucht, wie Diwald meint, [7] oder eher Karrierestreben
und die Furcht vor einem Ende des Krieges – das Gutachten
war in jedem Fall ein ungeheurer Vertrauensbruch
gegenüber Wallenstein. Die «Bamberger Schrift» leitete die
Abkehr des Kaisers von Wallenstein ein. Im Hintergrund
stand freilich ein Kurswechsel der kaiserlichen Politik
gegenüber Spanien, mit dem sich Wien wieder mehr den
spanischen Interessen annäherte und dabei einen Krieg mit
Frankreich riskierte. Wallenstein lehnte diesen
Politikwechsel entschieden ab: Wenn sich der Kaiser durch
Spanien in einen Krieg gegen Frankreich hineinziehen ließ,
rückte der angestrebte Frieden in immer weitere Ferne.
«Man muß Fried machen», ließ Wallenstein Mitte Dezember
1633 dem Kaiser durch Trauttmansdorff ausrichten, «sonst
wird alles unsererseits verloren sein.» [8]
Wallensteins Widerwille gegen einen Krieg mit Frankreich
war auch der Grund, warum er Aldringen im Sommer bei der
Unterstützung des Herzogs von Fería äußerste
Zurückhaltung auferlegt hatte. Eine Operation spanischer
Truppen am Oberrhein musste fast zwangsläufig
französische Gegenmaßnahmen auslösen. Außerdem war es
ein Verstoß gegen die Göllersdorfer Abmachungen, wenn
der spanische König ohne jede Rücksprache mit Wallenstein
den Statthalter von Mailand als seinen General nach
Deutschland schickte. Wallenstein spürte, wie ihm die
Voraussetzungen des Friedensprojekts aus der Hand
genommen wurden, und stemmte sich dagegen. Damit verlor
er die Gunst Spaniens, das ihn bislang weitgehend
unterstützt hatte. [9] Wallenstein unterschätzte, was es hieß,
den spanischen Gesandten in Wien zum Feind zu haben.
Graf Oñate koordinierte von nun an die zuvor unabhängig
voneinander agierenden Feinde Wallensteins: die Böhmen
um Wilhelm Slawata, den Präsidenten des Hofkriegsrats,
Heinrich von Schlick, die Bayern, deren Interessen in Wien
von dem Gesandten Bartholomäus Richel wahrgenommen
wurden, und schließlich die Jesuiten um den kaiserlichen
Beichtvater Wilhelm Lamormaini sowie den Hofprediger
Johannes Weingartner. Es lässt sich nicht ausschließen, dass
Piccolominis Gutachten gegen Wallenstein von Oñate selbst
oder über einen Mittelsmann bestellt worden ist. Solange
der Kaiser überzeugt war, Wallenstein in Sachen
Kriegführung nicht entbehren zu können, war dessen
Position kaum zu erschüttern. Piccolominis Gutachten hat
diese kaiserliche Überzeugung in Frage gestellt.
Die Karriere des Ottavio Piccolomini, Spross eines toskanischen Adelsgeschlechts,
begann im mantuanischen Erbfolgekrieg und fand einen ersten Höhepunkt auf
dem Schlachtfeld von Lützen, wo er nach dem Tod Pappenheims den linken Flügel
des Wallenstein’schen Heeres stabilisierte. Die zentrale Rolle, die er bei der
Ermordung Wallensteins spielte, schadete ihm eher, da ihm die höheren Offiziere
danach mit Misstrauen begegneten.

Ottavio Piccolomini war es auch, der sich um die


Organisation der von Wallenstein abtrünnigen Offiziere
kümmerte, teils in persönlichen Gesprächen, teils in Briefen.
Männer wie Rudolf Graf von Colloredo und Don Balthasar
Marradas, die Wallenstein für militärische Versager hielt,
waren sofort zu gewinnen, ebenso der kaiserliche
Feldzugmeister Carretto di Grana, von dem Wallenstein
gesagt hatte, er würde ihm nicht einmal ein Regiment
anvertrauen. [10] Alle, die sich von Wallenstein zurückgesetzt
fühlten oder einmal seine Verachtung zu spüren bekommen
hatten, schlossen sich den gegen den Generalissimus
Verschworenen umgehend an. Um einiges schwieriger zu
überzeugen waren die Offiziere in Wallensteins Umgebung,
und wahrscheinlich hätte das gesamte Vorhaben,
Wallenstein abzusetzen, einen anderen Verlauf genommen,
wenn Piccolomini es nicht in die Hand genommen hätte. Er
vermochte auch Gallas, Wallensteins Generalleutnant und
damit die wichtigste Person in dem Spiel, auf seine Seite zu
ziehen. [11]

Seit Ende Dezember 1633 trieben die Dinge auf eine


Entscheidung zu. Der Kaiser entschloss sich, Wallenstein das
Oberkommando über die Armee zu entziehen – allerdings
nicht, indem er Wallensteins zwei Wochen zuvor gegenüber
Trauttmansdorff geäußertes Angebot annahm, den
Oberbefehl von sich aus niederzulegen und aus dem
kaiserlichen Militär auszuscheiden, und auch nicht in Form
einer Wiederholung des Regensburger Kurfürstentags, der
Wallenstein 1630 des Oberkommandos enthoben hatte. Es
sollte vielmehr eine Aktion werden, bei der Wallenstein
festgenommen und nach Wien überstellt wurde, um ihm den
Prozess zu machen. Wenn das nicht möglich war, sollte er
getötet werden. Man wollte Wallenstein nicht einfach
loswerden, sondern seiner habhaft werden – oder ihn tot
wissen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der Kaiser
entweder von einer Verschwörung innerhalb der Armee
überzeugt war und davon ausging, das Rücktrittsgesuch sei
nur eine Finte; oder Ferdinand fürchtete, der abgetretene
Generalissimus könne als Herzog von Friedland zum
Zentrum einer Opposition gegen die Politik des Kaiserhofs
werden. Im letzten Fall ging es von Anfang an nicht bloß um
die Ausschaltung des Generalissimus, sondern auch um die
des Herzogs von Friedland. Man musste Wallenstein alle
Macht und allen Einfluss nehmen, und das ging nur in Form
eines Prozesses oder durch Exekution.
Es gab aber noch einen dritten Grund, der Ferdinand II.
veranlasst haben könnte, statt auf eine Entlassung oder
Absetzung auf die Enteignung oder Exekution Wallensteins
zu setzen, und das war der Umstand, dass ihm mit dem
eingezogenen Vermögen des Herzogs die Mittel zur
Verfügung standen, um sich der Treue und Anhänglichkeit
einer neuen Generation führender Offiziere zu versichern –
was dann auch tatsächlich der Fall war: Alle, die am Sturz
und der Ermordung Wallensteins beteiligt waren, wurden in
den Monaten danach reichlich belohnt. [12]
In einem Punkt freilich konnte man Wallenstein vorwerfen,
seine Befugnisse überschritten und gegen den Kaiser
konspiriert zu haben, und das betraf, wie schon oben
angedeutet, die mit Arnim verhandelte «Konjunktion» des
kursächsischen und des kaiserlichen Heeres. [13] Dabei war
man indes nicht vorangekommen, da Wallenstein darauf
beharrte, dass selbstverständlich ihm das Oberkommando
zustand, wohingegen Arnim für sich eine gleichberechtigte
Kommandoposition beanspruchte. Das kam für Wallenstein
nicht in Frage – und insofern lässt sich durchaus fragen, ob
er sich tatsächlich auf eine Konspiration gegen den Kaiser
eingelassen habe, da die «Konjunktion» doch nur darauf
hinausgelaufen wäre, das sächsische Heer seinem
Oberbefehl zu unterstellen. Auf dieses Vorhaben ließ sich
eine Anklage gegen ihn schwerlich stützen, und tatsächlich
hat das Konjunktionsprojekt in den Vorwürfen gegen
Wallenstein keine Rolle gespielt.
Etwas anders verhält es sich bei der Versammlung der
Generäle und Obristen, die Wallenstein vom 11. bis
13. Januar in Pilsen veranstaltet hat. Sie fand zu einem
Zeitpunkt statt, als der Generalissimus bereits über die von
Wien gegen ihn eingeleiteten Maßnahmen informiert war
und sich der Loyalität seiner Offiziere versichern wollte. Gibt
es einen Moment, von dem an man von einer Verschwörung
Wallensteins gegen den Kaiser sprechen kann, dann den der
Unterzeichnung des ersten Pilsener Revers. Zu Beginn der
Versammlung kündigte Wallenstein seinen Rücktritt vom
Amt des Oberkommandierenden an und begründete diesen
mit grundlegenden Differenzen gegenüber den strategischen
Vorgaben aus Wien. Die Offiziere begriffen schnell, was das
für sie bedeutete: dass es danach niemanden mehr gab, der
für ihre Geldforderungen aufkommen würde. Sie
beschworen Wallenstein, im Amt zu bleiben, und der
akzeptierte das – unter der Voraussetzung, dass sie sich
verpflichteten, «bey Hochgedachter Ihr Fürstl. Gn. [etc.]
diesfalß erbar undt getreü zue halten, auf keinerlei weiß von
deroselben unß zue separieren, zue trennen noch trennen zu
laßen, besondern alles dasselbe, so zue Ihrer undt der
Armada Conservation geraichet, nebenst Ihr Fürstl. Gn.
[etc.] eüßerster möglichkeit zu beferdern undt bey, nebenst
undt für dieselbe alles unßere bies den lezten blutstropffen
ungesbarter aufzuesezen, wie wir dan auch, im fahl einer
oder der ander unßers mittelß diesem zuewieder handeln
unndt sich absondern wolte, sambtlich undt ein ieder
innsonderheit den oder dieselbe wie treuloße, Aydts
vergeßene Leuth zuverfolgen undt an deßen Haab und
Güethern, Leib undt Leben unß zurechnen schuldieg undt
verbunden sein sollen und wollen.» [14] Auch Ottavio
Piccolomini unterzeichnete diesen Revers, um Wallenstein in
Sicherheit zu wiegen. [15]
Offenbar hat Piccolomini nach dem ersten Pilsener Revers
in Wien Druck gemacht: Man müsse schnell zur Tat
schreiten, denn Wallenstein sei misstrauisch geworden.
Gleichzeitig nutzte er seinen Pilsener Aufenthalt, um
achtzehn Regimentskommandeure in die bevorstehende
Absetzung Wallensteins einzuweihen und sie für die
kaiserliche Seite zu verpflichten. Am 24. Januar
unterzeichnete Ferdinand dann das Ächtungsdekret gegen
Wallenstein, in das auch Feldmarschall Christian von Ilow
und Feldmarschallleutnant Adam Erdmann Trčka
eingeschlossen waren. «Wir geben euch allen zur Kenntnis»,
so der Beginn des Dekrets, «daß wir aus hochwichtigen und
dringenden Ursachen mit unserem gewesenen General-
Obersten Feldhauptmann eine Veränderung vorzunehmen
veranlaßt worden sind.» Anschließend wird dazu
aufgefordert, dies allen Offizieren und Soldaten des Heeres
mitzuteilen; sie seien aus allen Verpflichtungen gegenüber
Wallenstein entlassen. Ausdrücklich wird in diese
Verpflichtungsentbindung auch das Pilsener Revers
einbezogen. Niemand solle sich «zu unverantwortlichen,
verzweifelten Entschlüssen verleiten lassen». [16] Man hatte
in Wien offenbar erkannt, womit Wallenstein die
Kommandeure des Heeres an sich zu binden versuchte,
deswegen beschäftigte sich die Ächtungserklärung mehr mit
der Entbindung von Verpflichtungen, als dass sie etwas zur
Ächtung des Generalissimus selber sagte; Begründungen
gab sie keine.
Nachdem Wallenstein erfahren hatte, dass man ihn
absetzen wollte (den Text der Ächtungserklärung kannte er
noch nicht), fasste er den Entschluss, sich von seinem
Hauptquartier in Pilsen nach Prag zu begeben, um sich der
Loyalität der in und um Prag befindlichen Regimenter zu
versichern. [17] Aber schon bald war klar, dass die Einheiten
bereits zu Gallas und Piccolomini übergegangen waren. Von
da an standen beide Seiten vor der Frage, ob sie die ihnen
ergebenen Truppen gegeneinander kämpfen lassen sollten
und wie man damit umging, dass die Loyalität im Heer
gespalten war. Für einige Tage herrschte Verwirrung, weil
Gallas und Piccolomini zögerten, den am 28. Januar erteilten
Befehl zu befolgen, Wallenstein auszuschalten – «per
prigionar o per morte», durch Einkerkerung oder Tod, wie es
in dem kaiserlichen Schriftstück heißt. Gallas zögerte, weil
er immer noch davon ausging, alles sei ein Missverständnis
und man könne Wallenstein zurückgewinnen; Piccolomini
dagegen wollte den Coup erst durchführen, wenn der bei
weitem größere Teil des Heeres auf seiner Seite stand. Was
beide fürchteten, waren Kämpfe innerhalb des Heeres,
wobei man sich vor allem über die sieben Regimenter Trčkas
im Unklaren war. Was würde geschehen, wenn diese
Einheiten Widerstand leisteten? Würden die zum Kaiser
stehenden Truppen gegen sie kämpfen? Alles hing davon ab,
was Wallenstein tun würde.
Der wich einer direkten Konfrontation aus – sei es, weil er
über das illoyale Verhalten einer Reihe von Offizieren
bestürzt war, sei es, weil schwere Gichtanfälle ihn hinderten
zu handeln. Im Rückblick ist klar, dass Wallenstein nur zwei
Möglichkeiten hatte: Entweder stellte er sich an die Spitze
der ihm ergebenen Einheiten und suchte die bewaffnete
Konfrontation, oder er begab sich umgehend ins sächsische
Lager und stellte sich unter den Schutz Arnims. Er musste
sich sofort entscheiden und schnell tätig werden, denn die
Zeit arbeitete gegen ihn. Das Problem war, dass beide
Optionen auf ein Eingeständnis des Scheiterns hinausliefen:
der Wechsel ins sächsische Lager in jedem Fall und die
bewaffnete Konfrontation mit Teilen seines Heeres insofern,
als damit das Instrument zerstört wurde, mit dem
Wallenstein seine politischen Ziele durchsetzen wollte. Im
Unterschied zu einigen Biographen, die Wallensteins
hektische Aktivitäten im Februar 1634 mit
politikstrategischem Handeln verwechseln, [18] erfasst der
Dramatiker Schiller Wallensteins Verhalten im Kern, wenn
er es als ein nicht endendes Zögern und Zaudern
charakterisiert. Wallenstein verfiel in einen Zustand
grüblerischer Resignation, der durch Scheinaktivität
überdeckt wurde. So fertigte er einen Vertrag an, der die
Grundzüge einer Allianz seines Heeres mit Sachsen und
Brandenburg umriss und den er an Arnim sandte, damit der
ihn mit den beiden Kurfürsten abstimme. Gleichzeitig
entschloss er sich, Pilsen aufzugeben und nach Eger zu
wechseln, von wo aus er leichter mit den Sachsen, aber auch
den in der Oberpfalz stehenden Schweden Kontakt
aufnehmen konnte. Auf diese Weise lieferte er sich seinen
Gegnern aus.
Welche Rolle hat bei alldem der von Schiller
herausgestellte Glaube Wallensteins gespielt, das
menschliche Schicksal sei durch den Gang der Gestirne
vorbestimmt? Fest steht, dass sein Vertrauen gegenüber
Piccolomini unter anderem astrologisch begründet war,
denn der war unter ähnlichen Gestirnskonstellationen
geboren wie er selbst. Das dürfte Wallenstein auch daran
gehindert haben, gegen Piccolomini jenes Misstrauen zu
entwickeln, mit dem er sonst schnell bei der Hand war. Und
welchen Einfluss hatte Giovanni Battista Senno, Schillers
Seni, auf Wallenstein in den letzten Tagen seines Lebens?
Golo Mann bezeichnet Senno als «die junge Sumpfblüte aus
Padua», denn der von Wallenstein üppig alimentierte
Astrologe stand auch in den Diensten von Gallas, der ihm
regelmäßig größere Geldgeschenke zukommen ließ. Gallas
wollte sich keineswegs aus den Sternen die Zukunft deuten
lassen, sondern von dem bestens informierten Senno
erfahren, was Wallenstein dachte und beabsichtigte. Senno
war es auch, der dem kaiserlichen Rat Putz die Gelegenheit
verschaffte, den Pilsener Revers abzuschreiben und die
Abschrift nach Wien zu schicken. [19] Dass Senno mit
Wallensteins Gegnern unter einer Decke steckte, zeigte sich
schließlich nach der Ermordung des Generalissimus, denn er
kam dabei nicht nur mit dem Leben davon, was bei einem so
engen Vertrauten Wallensteins mitnichten selbstverständlich
war, sondern durfte nach einem oberflächlichen Verhör in
Wien auch seiner Wege gehen. Er starb zweiundzwanzig
Jahre später in Genua. [20] Die Astrologie hat Wallenstein
jedenfalls nicht vor dem Untergang bewahrt, aber dass sein
Zaudern mit dem Warten auf günstigere
Gestirnskonstellationen zusammenhing, wie Schiller es
dargestellt hat, lässt sich mit den verfügbaren Quellen
ebenso wenig belegen. Mehr als der Glaube an die Macht
der Gestirne dürfte Wallensteins schlechter
Gesundheitszustand ihn daran gehindert haben, die
erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und das Blatt doch
noch zu wenden. [21]

Am 22. Februar brach Wallenstein nach Eger auf, begleitet


von den ihm verbliebenen Vertrauten Ilow, Trčka und dem
böhmischen Grafen Kinský. Trčka und Kinský reisten in
Begleitung ihrer Ehefrauen. Wallenstein konnte kein Pferd
mehr besteigen und bediente sich deswegen einer Sänfte.
Der Zug wurde von zehn Kompanien eskortiert, von denen
man annahm, dass sie Wallenstein weiterhin ergeben waren
und notfalls auch für ihn kämpfen würden. In dem Städtchen
Mies wurde übernachtet. Hier stieß der irische Oberst
Walter Butler mit seinem Reiterregiment hinzu, um den
Marsch nach Eger zu begleiten. Ob das ein Zufall war oder
ein Schachzug Piccolominis, ist nicht zu entscheiden. Butler
gehörte zu den Unterzeichnern des ersten Pilsener Revers,
aber es ist wahrscheinlich, dass Piccolomini ihn bei seinem
letzten Pilsener Aufenthalt ins Vertrauen gezogen und auf
die Linie der Wallenstein-Gegner verpflichtet hatte. [22]
Jedenfalls ließ Butler Piccolomini noch vor der Ankunft in
Eger durch seinen Feldkaplan Patrick Taaffe ausrichten, er
wisse, was seine Pflicht sei und werde ihr nachkommen.
Damit waren die Würfel gefallen: Piccolomini hatte jetzt
jemanden in der unmittelbaren Umgebung Wallensteins, der
willens war, die Mordaktion durchzuführen, und der über die
dazu erforderlichen Mittel verfügte.
In Eger wurde Wallenstein vom Stadtkommandanten
Oberstleutnant John Gordon und dessen Stellvertreter
Walter Leslie empfangen. Wallenstein wurde im
Pachelbel’schen Haus einquartiert, wo er bereits bei
früheren Aufenthalten in Eger gewohnt hatte. In der Nacht
trafen sich Butler, Gordon und Leslie und beschlossen,
Wallenstein in Eger unschädlich zu machen – ob durch
Gefangennahme oder Mord, scheint bei dem ersten
Gespräch noch offengeblieben zu sein. Am nächsten Morgen,
dem 25. Februar, berief Feldmarschall Ilow, der
Ranghöchste der bei Wallenstein Verbliebenen, eine
Offiziersversammlung ein, in der er die während der Nacht
in Eger eingetroffene Nachricht von Wallensteins Absetzung
als ein Komplott bezeichnete und erklärte, Wallenstein habe
die kaiserliche Gnade zu Unrecht verloren. Ilow verlangte
von den Anwesenden einen neuerlichen Treueid, den Butler,
Gordon und Leslie auch schworen. Spätestens von diesem
Augenblick an dürfte ihnen klar gewesen sein, dass sich
Wallenstein nur durch eine Mordaktion ausschalten ließ.
Um das gute Einverständnis miteinander zu besiegeln, lud
Stadtkommandant Gordon Ilow, Trčka, Kinský und
Wallensteins Sekretär, den Rittmeister Heinrich Niemann,
zu einem Bankett auf die Burg ein. [23] Die vier trafen dort
am frühen Abend ein. Dragoner, die den drei irisch-
schottischen Offizieren ergeben waren, hatte man in
Nebenzimmern des Bankettsaals versteckt. Weitere kamen
nach dem Eintreffen der Gäste hinzu; dann wurden die
Burgtore geschlossen. Wallensteins Getreue sollten
ausgeschaltet werden, ohne dass man in der Stadt etwas
davon mitbekam. Man war schon beim Konfekt, als ein
Diener hereinkam und Leslie ins Ohr flüsterte, alle
Vorbereitungen seien abgeschlossen. Auf ein Zeichen hin
stürmten Butlers Dragoner in den Raum. Gordon, Butler und
Leslie sprangen auf und riefen «Vivat Ferdinandus»,
Hauptmann Walter Deveroux, der den Trupp anführte,
antwortete: «Und das ganze Haus Österreich.» Ein Dragoner
stieß dem am Tisch sitzenden Kinský den Degen durch den
Hals; Ilow schaffte es noch, sein an der Wand hängendes
Schwert in die Hand zu bekommen, er verwundete Leslie
leicht, wurde dann aber von der Übermacht zu Boden
geworfen und erstochen. Trčka, der ein Elenkoller trug, war
nicht so leicht zu erledigen: Er verwundete zwei Dragoner
im Kampf, zerschlug Deveroux’ Degen und gelangte bis ins
Vorhaus. Dort machten ihn Musketiere mit dem
Gewehrkolben nieder, Hauptmann Dionysios Macdaniel hob
das Koller an und stach ihm durch die Brust. Rittmeister
Niemann schaffte es schwerverwundet bis in die Küche, wo
er eingeholt und getötet wurde. Jetzt war nur noch
Wallenstein übrig, der seiner körperlichen Verfassung
wegen nicht am Bankett teilgenommen hatte. Er war im
Pachelbel’schen Haus geblieben und früh zu Bett gegangen.
Es wäre ein Leichtes gewesen, den kranken Wallenstein zu
verhaften. Man beriet sich noch einmal und beschloss, auch
ihn zu töten. Wahrscheinlich fürchteten Butler und Gordon,
Wallenstein könne sonst Belastendes preisgeben und damit
einige aus dem Kreis seiner jetzigen Feinde mit in den
Abgrund reißen. Auch musste man, wenn Wallenstein in Haft
genommen wurde, mit einem Befreiungsversuch rechnen. Da
war es naheliegend, vollendete Tatsachen zu schaffen.
Hauptmann Deveroux eilte mit einigen Dragonern zu
Wallensteins Unterkunft. Inzwischen hatte ein starker
Schneesturm eingesetzt, so dass sich niemand auf den
Straßen der Stadt blicken ließ. Ein Diener und ein Page, die
sich den in das Haus eindringenden Dragonern
entgegenstellten, wurden kurzerhand niedergehauen. Dann
wurde die Tür zu Wallensteins Zimmer aufgesprengt. Mit
dem Ruf «Du schlimmer, meineidiger, alter, rebellischer
Schelm!» stürzte Hauptmann Deveroux seinen Männern
voran auf Wallenstein zu, die Partisane, die er anstelle des in
der Burg zerbrochenen Degens führte, in beiden Händen.
Wallenstein stand am Fenster, breitete die Arme aus und rief
«Quartier», gab also zu erkennen, dass er keinen Widerstand
leisten wollte, aber da rammte ihm Deveroux schon die
Partisane durch die Brust, bis ihre Spitze an den
Schulterblättern wieder herauskam. Wallenstein war sofort
tot.

Wallensteins Ermordung in Eger am 25. Februar 1634. Der Kupferstich zeigt


Hauptmann Deveroux an der Spitze mehrerer Offiziere auf Wallenstein zustürmen.
Der Stich legt nahe, dass Wallenstein bei der nächtlichen Arbeit überrascht wurde.
Andere Darstellungen zeigen ihn im Nachthemd, also als einen, der aus dem
Schlaf gerissen wurde. Deveroux soll, bevor er die Partisane in Wallensteins
Körper rammte, gerufen haben: «Du schlimmer, meineidiger, alter, rebellischer
Schelm!» Das sind fast zu viele Worte für den kurzen Weg von der Tür bis zu dem
Fenster, vor dem Wallenstein steht. Wallensteins Haltung erweckt den Eindruck,
er wolle um Gnade bitten.

Der Körper des toten Generalissimus wurde in einen Teppich


gewickelt und über Flur und Treppe aus dem Haus
geschleift. Man brachte ihn in einer bereitstehenden
Kutsche zur Burg, wo er zu den vier anderen Leichen
geworfen wurde, die von den Dragonern zwischenzeitlich
ausgeplündert worden waren. Als Piccolomini am
darauffolgenden Tag in Eger eintraf, um sich des Erfolgs der
Aktion zu vergewissern, waren die fünf Körper bereits
gefroren. Da Wallenstein wegen seiner Körperlänge nicht in
den vorgefertigten Sarg passte, wurden ihm mit einer Keule
die Beine zerschlagen. In der Nähe von Mies begrub man
Niemann unter einem Galgen, die vier anderen wurden in
der Franziskanerkirche der Stadt beigesetzt. [24] Das war ein
letzter Akt der Gnade, den Gallas seinem früheren
Vorgesetzten erwies. Piccolomini wollte Wallensteins
Leichnam nach Prag bringen und dort ausstellen lassen.
Gallas war dagegen, vielleicht aus Pietät, vielleicht aber
auch, weil er befürchtete, dass diese Aktion die Autorität der
kaiserlichen Offiziere untergraben würde.

Wallensteins Tod wird häufig mit der Behauptung


verbunden, damit sei die Epoche der Condottieri, der großen
Kriegsunternehmer, zu Ende gegangen. Das ist
genaugenommen nicht richtig, denn mit Herzog Bernhard
folgte ihm ein weiterer Condottiere, der bei Wallensteins
Tod noch schwedischer General war und erst nach der
Niederlage bei Nördlingen im Herbst 1634 und dem
anschließenden Zusammenbruch der schwedischen
Machtstellung in Oberdeutschland zum selbständigen
Kriegsunternehmer wurde. [25] Aber Bernhard schaffte es
genauso wenig wie Wallenstein, sich dauerhaft als
reichsunmittelbarer Fürst zu etablieren, wiewohl ihm das als
Herzog von Franken einmal für kurze Zeit gelang und er
kurz vor seinem Tod gute Aussichten auf ein Herzogtum im
Elsass besaß. Herzog von Franken war er von Gustav Adolfs
Gnaden, Herzog des Elsass wäre er von Richelieus Gnaden
geworden. Auch Wallenstein war ein Herzog von Kaisers
Gnaden – nur dass er selbst davon überzeugt war, er sei
beides aus eigener Kraft und durch eigene Leistung
geworden. Vermutlich hätte Bernhard das nicht anders
gesehen.
Der böhmische Edelmann und der zehnte Sohn eines
ernestinischen Herzogs waren sich in ihren militärischen
Fähigkeiten und ihrem eigensinnigen Auftreten nicht
unähnlich. Sie nutzten den Krieg, um mit dem Glücksrad der
Fortuna aufzusteigen, aber sie konnten, als sie oben
angekommen waren, die Bewegung des Rades nicht stoppen.
So sahen viele Menschen den Krieg als eine Zeit, in der die
Macht der Glücksgöttin, das Wechselspiel von Glück und
Unglück, besonders groß war. Auch nach dem Ende
Wallensteins und Bernhards gab es etliche, die durch den
Krieg hochkamen – wie der Reitergeneral Jan von Werth, der
von sich selbst sagte, er sei «ein armer Soldat von Fortuna»
und müsse sein Glück mit dem Degen suchen. [26]
Wallenstein scheiterte daran, dass er seine Möglichkeiten
schlichtweg überschätzte, während Bernhard mit noch nicht
fünfunddreißig Jahren einer der Krankheiten erlag, von
denen man im Heerlager und auf Feldzügen leicht ereilt
werden konnte.
Und doch vollzog sich in dieser Zeit eine Veränderung, die
man pointiert beschreiben kann: Das Erwerbsinteresse
wurde durch den Dienstgedanken verdrängt. Dieser
Übergang lässt sich jedoch nur beobachten, wenn man die
handelnden Personen als Repräsentanten von Idealtypen
begreift. Oder man stellt typologisch die bayerische gegen
die kaiserliche Heeresorganisation, Erstere als Beispiel für
das landesherrlich finanzierte und kontrollierte Heer,
Letztere hingegen noch ganz dem tradierten
Militärunternehmertum verpflichtet. [27] In dieser
Gegenüberstellung sticht heraus, dass Tilly unter einer sehr
viel direkteren landesherrlichen Kontrolle stand als
Wallenstein. Sobald man diese Beobachtung aber auf das
Finanzierungssystem des Heeres rückbezieht, was bei einer
Gegenüberstellung von Erwerbsinteresse und Dienstgedanke
ja naheliegt, zeigt sich, dass auch das bayerisch-ligistische
Heer organisatorisch auf der Regiments- und
Kompaniewirtschaft beruhte, was das Erwerbsinteresse der
jeweiligen Regiments- und Kompanieinhaber beförderte.
Kurfürst Maximilian suchte dem durch die Entsendung von
Kriegskommissaren einen Riegel vorzuschieben, hatte damit
aber nur mäßigen Erfolg. Im österreichischen Fall wiederum
gilt die Dominanz des Erwerbsinteresses sehr viel stärker
für Wallensteins erstes Generalat, bei dem er das Heer
durch ein Kontributionssystem finanzierte, als für das zweite
Generalat, als die erforderlichen Mittel zum Großteil aus den
habsburgischen Erblanden aufgebracht werden mussten und
infolgedessen die Kontrolle Wiens sehr viel größer war.
Formal waren Wallensteins Kommandobefugnisse im
zweiten Generalat erheblich größer als im ersten, ohne
jedoch durch die Versorgung und Finanzierung des Heeres
gedeckt zu sein. Das ist eine weitere Erklärung dafür,
warum Wallensteins Versuch scheitern musste, die Loyalität
seiner Offiziere durch den Verweis auf ihre finanzielle
Abhängigkeit von ihm zu erzwingen. Die Offiziere wussten,
dass letzten Endes nicht Wallenstein, sondern der
Hofkriegsrat in Wien und damit der Kaiser für den Unterhalt
des Heeres sorgte – und danach richtete sich ihre Loyalität.
Davon ausgehend kann man Wallensteins Untergang auch
als Folge eines großen Missverständnisses begreifen: Auf
der Grundlage der Göllersdorfer Vereinbarungen ging er von
einem juristisch fixierten Anspruch auf die alleinige
Kommandogewalt über das Heer aus, aber dieser Anspruch
war nicht durch die Realität gedeckt wie im ersten
Generalat, als Wallensteins formale Kompetenzen geringer
waren, sondern hing letzten Endes an der Bereitschaft des
Kaisers, sich an die in der Notlage nach Breitenfeld
gemachten Zusagen zu halten. Als diese Bereitschaft
schwand und Wallenstein auf den Zusagen bestand, war sein
Schicksal besiegelt. Jetzt nämlich zeigte sich, dass das, was
er als «sein» Heer ansah, tatsächlich das Heer des Kaisers
war und dass die wichtigsten Offiziere des Heeres das
begriffen hatten. Und so war Wallenstein in Eger allein.
Wallensteins Tod steht noch in anderer Hinsicht für eine
strukturelle Veränderung des Kriegsgeschehens: Akteure,
die eine politische Gesamtperspektive hatten und sich
zutrauten, diese auch zur Geltung zu bringen,
verschwanden. Für diesen Typus standen in der Mitte des
Krieges der Condottiere Wallenstein wie der legitime
Herrscher Gustav Adolf. Beide verstanden den Krieg zu
nutzen, um ihre weitgesteckten politischen Ziele zu
verfolgen, und sie hatten gleichzeitig eine Vorstellung
davon, dass der Krieg, wenn er fortdauerte, sie irgendwann
verschlingen würde. Gustav Adolf wollte den Krieg durch
einen Siegfrieden beenden, und wäre er dabei nicht auf
Wallenstein als Gegner gestoßen, hätte ihm das sogar
gelingen können. Wallenstein dagegen ist zu dem Ergebnis
gelangt, dass jeder Sieg, den er errang, nur weitere Gegner
auf den Plan rief, weswegen er darauf setzte, dass der Krieg
als ein Konflikt innerhalb des Reichs durch einen
Verhandlungsfrieden beendet wurde. Der am Siegfrieden
orientierte Gustav Adolf scheiterte konsequenterweise auf
dem Schlachtfeld, also am Gegner, während der einen
Verhandlungsfrieden anstrebende Wallenstein an den
eigenen Leuten zugrunde ging. Damit aber waren die beiden
möglichen Perspektiven, den Konflikt zu beenden, verstellt.
Der Krieg ging also weiter – ohne politische Perspektive und
ohne strategische Idee. Er ging «einfach so» weiter.
6. Kapitel
Ein Krieg, der nicht enden will: Vom
Zerfall der Macht

Das Eigenleben des Krieges und seine


Bilder
Lässt sich die erste Hälfte des Krieges plausibel analysieren,
indem man nach dem jeweils vorherrschenden politischen
Willen hinter dem Gewaltgeschehen sucht und die großen
Akteure benennt, so ist das für seine zweite Hälfte nur sehr
schwer möglich. Zwar gab es diese Akteure immer noch, und
sie hatten nach wie vor einen politischen Willen, doch waren
ihre Möglichkeiten, diesen Willen zur Geltung zu bringen,
deutlich geringer. Das zeigt sich im Vergleich zwischen
Oxenstierna und Gustav Adolf ebenso wie zwischen
Ferdinand II., dem Kaiser, der sich für den Krieg entschied,
und Ferdinand III., der im Unterschied zu seinem Vater zwar
selbst den Oberbefehl über das Heer innehatte, aber nie
ausschlaggebende Gestaltungsmacht erlangte. [1] Mithin am
deutlichsten zeigt sich die Erosion der politischen Macht im
Fall von Kurfürst Maximilian: In der ersten Kriegshälfte
einer der beherrschenden Akteure, spielte er in der zweiten
Hälfte zwar immer noch eine größere Rolle, war dabei
jedoch eher in das Geschehen verstrickt, als dass er es nach
seinem Willen beeinflussen konnte. Von einem
bestimmenden Handlungsträger wurde er zu einem
reagierenden. Das gilt in ähnlicher Weise auch für Johann
Georg, den sächsischen Kurfürsten, der auf der Suche nach
der politischen Mitte zwischen den Konfliktparteien zwar
weiterhin seine berüchtigte Schaukelpolitik betrieb, damit
aber weit weniger Einfluss erlangte als in der ersten Hälfte
des Krieges, obwohl er sehr viel häufiger die Seiten
wechselte. Vielleicht bildet Richelieu die einzige Ausnahme,
doch auch für ihn entwickelte sich der Lauf der Dinge
keineswegs in der Weise, wie er selbst sich das vorgestellt
beziehungsweise wie es Père Joseph, die graue Eminenz
seiner Politik, vorhergesagt hatte.
Handlungsmacht hat zur Folge, dass die kriegführenden
Parteien das Geschehen entsprechend den Parametern von
Erfolg und Rückschlag bewerten können und auf dieser
Grundlage ihre Politik fortsetzen oder verändern; der
Verlust von Handlungsmacht besteht darin, dass die
Parteien nicht mehr mit Sicherheit zu sagen vermögen, was
ein Erfolg und was ein Rückschlag ist, auch deswegen, weil
sich die zugrunde liegenden Parameter zur Beurteilung der
Situation innerhalb kurzer Zeit verändern. Der Kriegsverlauf
hat sich dann gegenüber den Zielen und Absichten der
Akteure verselbständigt.
Nun ist das in Kriegen immer der Fall, da es sich bei ihnen
ja nicht um die Überführung eines politischen Willens in
administrative Maßnahmen handelt, die schrittweise
implementiert werden, sondern um eine Konfrontation
konträrer Willen, die gewaltsam ausgetragen wird. Der
Krieg, so Clausewitz, «ist ein Konflikt großer Interessen, der
sich blutig löst, und nur darin ist er von den anderen
verschieden». [2] In der Regel stellen sich früher oder später
der eine Wille als über- und der andere als unterlegen
heraus. Man spricht dann von Siegern und von Verlierern.
Es ist der Kriegsverlauf, der darüber entscheidet, wessen
Handlungsmacht sich durchsetzt und wer sich der eines
anderen fügen muss. Dieser «übliche» Vorgang lässt sich
auch in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges
beobachten, zunächst in der langen Phase der Erfolge von
Kaiser und Liga und danach in der kurzen Periode der
schwedisch-protestantischen Erfolge. Jeder Sieg auf dem
Schlachtfeld brachte die erfolgreiche Seite ihrem politischen
Ziel einen Schritt näher – jedenfalls stellte sich das in der
Binnenperspektive der Sieger so dar. Das war in der zweiten
Hälfte des Krieges nicht mehr der Fall. Militärische Siege
waren immer weniger Schritte zum angestrebten Ziel als
vielmehr ein Mittel, um zu vermeiden, dass man sich noch
weiter davon entfernte. Sie gaben keinen Anlass zur
Euphorie mehr, sondern hielten die zunehmende Resignation
lediglich auf. Das ist gemeint, wenn von einer
Verselbständigung des Krieges gegenüber dem Willen der
Beteiligten die Rede ist. Das Kriegsgeschehen legte nicht
mehr fest, wer der Stärkere und wer der Schwächere, wer
der Sieger und wer der Verlierer war, sondern vermengte
beides so miteinander, dass die Oppositionsbegriffe von Sieg
und Niederlage ihre klärende Bedeutung verloren und nicht
länger maßgeblich waren.

Der Krieg, der sich längst verselbständigt hat, wird hier als Monstrum gezeigt: Der
menschliche Arm hält Waffen, Partisane, Reiterpistole und Brandfackel, der
gepanzerte Menschenfuß tritt einen Soldaten nieder. Mit der Löwenpranke stopft
sich das Monster Geldbeutel, Schätze und liturgisches Gerät in den Rachen. Der
Wolfskopf steht für Gier, der Pferdefuß für Zügellosigkeit. Das Monster ist nicht
allein, denn an seinem Schwanz folgen ihm Schlangen, Ratten und Kröten, die für
die Übel im Gefolge des Krieges stehen, vor allem für Hunger und Pest.

Man konnte den Eindruck gewinnen, der Krieg habe einen


eigenen Willen, den er gegen die Willen der Kriegführenden
durchsetzte. Was diese an Handlungsmacht einbüßten,
gewann der Krieg an Durchsetzungsfähigkeit hinzu. So
jedenfalls sahen es viele Zeitgenossen, die den Krieg als
eigenen Akteur metaphorisierten. Eine der Metaphern war
die vom Krieg, der sich nicht in Fesseln legen lassen wollte.
Er wurde als entfesselte Furie dargestellt, die alles
niedermalmte, was sich ihr entgegenstellte. In solchen
Bildern bekam der Krieg nicht nur einen eigenen Willen,
sondern auch einen eigenen Körper, der von Malern und
Kupferstechern monströs ausgestaltet wurde. Im
Hintergrund solcher Darstellungen sind zerstörte Dörfer und
verwüstete Landschaften zu sehen, die über die
tatsächlichen Verheerungen hinaus auf die gescheiterten
Pläne und zerbrochenen Projekte verweisen, die der
monströsen Bestie zum Opfer gefallen sind. Diese Bilder
stehen für Hilflosigkeit und Verzweiflung, und sie werfen
zugleich die Frage auf, wer diese Bestie wieder in Fesseln
legen kann und wann beziehungsweise wie das geschehen
wird. Sie zeigen einen radikal antiheroischen Blick auf den
Krieg und sind insofern ein Widerpart der Darstellungen, die
einen Heerführer zu Pferde zeigen, wie er in der Pose des
siegreichen Beschützers oder Befreiers herangesprengt
kommt. Dass der Heerführer das Geschehen beherrscht,
zeigt sich darin, dass er sein Pferd sicher lenkt. Man kann
darauf vertrauen, dass er die Bewohner der Städte, über die
er hinweggaloppiert, vor den Verheerungen des Krieges
beschützen wird. Vor der entfesselten Kriegsfurie dagegen
werden die Feldherren zu Randfiguren, die gegen die Bestie
nichts ausrichten können; eher stehen sie in der Gefahr, als
Nächstes niedergeworfen und getötet zu werden.
Die heroischen Reiterbilder verloren in der Mitte des
Krieges etwa ihre die Wahrnehmung prägende Kraft,
während die Allegorie der monströsen Bestie immer stärker
die Vorstellung bestimmte. Dieser Wechsel von einer
hegemonialen hin zu einer marginalen Sicht ist mit dem Tod
Tillys, Gustav Adolfs und Wallensteins verbunden. [3]
Sicherlich gibt es auch danach noch heldenhafte
Feldherrnbilder, aber sie werden seltener und wirken
zumeist wie eine Reminiszenz vergangener Zeiten. Das lässt
sich an der Gegenüberstellung zweier berühmter Bilder
erläutern: Diego Velázquez’ Monumentalgemälde «Las
Lanzas», das die Übergabe der strategisch wichtigen
Festungsstadt Breda an die Spanier zum Thema hat, und
Peter Paul Rubens’ großes allegorisches Werk «Die Folgen
des Krieges», [4] das zeigt, wie der Kriegsgott Mars aus dem
Janus-Tempel stürmt und dabei durch Venus, die Göttin der
Liebe, nicht aufgehalten werden kann.
Diego Velázquez, «Las Lanzas» («Die Übergabe von Breda»), um 1635.

Auf Velázquez’ Bild sind Sieger und Verlierer des


Kräftemessens um Breda zu sehen: Der niederländische
Festungskommandant Justin von Nassau übergibt dem
spanischen Belagerer Ambrosio Spínola als Zeichen der
Kapitulation den Schlüssel für die Stadttore. Der Genuese in
spanischen Diensten hat als Zeichen der Ehrerbietung den
Hut abgenommen und legt seinem unterlegenen
Kontrahenten in einer Geste des Trostes die rechte Hand auf
die Schulter. Demut und Großmut bilden im Zentrum des
Bildes eine Einheit; sie stehen für eine durch Ritual und
Recht gezähmte Form der Kriegführung, bei der beide
Seiten wissen, dass sich das Blatt auch wieder wenden kann.
Der Niederländer wusste, wann der Kampf für ihn
aussichtslos war; er hatte mit Spínola verhandelt und
kapituliert. Die Spanier mussten Breda nicht im Sturm
erobern, was der Stadt das Schicksal Magdeburgs erspart
hat. Man hat sich darauf verständigt, es nicht bis zum
Äußersten kommen zu lassen. Dennoch ist der Kampf um
Breda kein bloßes Spiel gewesen, wie die hinter Spínola
aufgereckten Lanzen und der auf Justins Seite aus dem Tal
aufsteigende Rauch zeigen. Auch sieht man im Hintergrund
die Schanzen, die für den Belagerungskrieg angelegt
wurden, und die künstlich hervorgerufenen
Überschwemmungen, mit denen Spínola seinen
Belagerungsring gegen niederländischen Entsatz sichern
wollte. Um Breda ist hart gekämpft worden, aber auf eine
solche Weise, dass man danach zu ritterlichen Gesten noch
in der Lage war. Das Bild ist auch ein Versprechen für die
Zukunft: Wie der Kampf um Breda zu Ende gegangen ist, so
könnte auch der Krieg insgesamt zu Ende gehen. Es kam zu
einer Entscheidung über Sieg und Niederlage, ohne dass
dabei das Land völlig verwüstet wurde und die Menschen
zugrunde gingen. [5]
Ein solches Bild hat sich dem Besucher des Landes im Jahr
1635, als Velázquez sein monumentales Gemälde
fertigstellte, nicht geboten. William Crowne, der im
darauffolgenden Jahr als Begleiter des Earl of Arundel durch
Deutschland reiste, hielt nach einer längeren Schiffsfahrt
über Rhein und Main fest: «Von Köln bis Frankfurt waren
alle Städte, Dörfer und Schlösser geschleift, ausgeplündert
oder niedergebrannt.» [6] Selbst in Mainz sei man an Bord
des Schiffes geblieben, «weil es nichts in der Stadt gab, was
uns anzog, seit sie vom König von Schweden eingenommen
und völlig zerstört worden war. […] Die Menschen waren
hier ebenfalls fast verhungert, und die, die die anderen
vorher unterstützen konnten, baten nun demütig selbst
darum, unterstützt zu werden. Nach dem Abendessen
bekamen sie alle am Schiff ein Almosen. Doch als sie dessen
gewahr wurden, rangen sie so heftig miteinander, dass
einige von ihnen in den Rhein fielen und dabei fast
ertrunken wären.» [7] Oder später, inzwischen in der
Oberpfalz angelangt: «Früh am nächsten morgen reisten wir
[von Neumarkt] ab, kamen an niedergebrannten Kirchen
vorbei und durchquerten gefährliche Wälder, von denen wir
wussten, dass Kroaten dort lagerten. Schließlich kamen wir
in ein armes, kleines Dorf namens Hemau, wo wir blieben
und speisten. Das Dorf war innerhalb von zwei Jahren
28 Mal ausgeplündert worden, an einem Tag gar zwei Mal,
und es gab, außer aufgefangenem Regenwasser, kein
Trinkwasser.» [8]
Velázquez hat in «Las Lanzas» ein gänzlich anderes Bild
vom Kriegsschauplatz gemalt. Nun ist er nie in den
Niederlanden gewesen. Seine Vorstellungen von der Lage
Bredas und der Topographie der Umgebung verschaffte er
sich anhand von Radierungen, die Jacques Callot für die
Brüsseler Regentin Isabella angefertigt hatte. [9] Vermutlich
wusste er auch, dass der Vertrag, den Ambrosio Spínola und
Justin von Nassau ausgehandelt hatten, einen ehrenhaften
Abzug der Holländer aus der Festung vorsah. Die
Verteidiger zogen in voller Bewaffnung und in Formation ab;
es erwartete sie weder eine lange Gefangenschaft, noch
waren sie gezwungen, in die Dienste des Gegners
einzutreten. Den geordneten Abzug aus der Festung, die
man so lange gehalten hatte, bis es keine Aussicht auf
Entsatz mehr gab, hat Velázquez nicht dargestellt, wohl
auch nicht darstellen wollen, denn es hätte die verbreitete
Vorstellung von dem großen Sieg in Frage gestellt, als der
die Einnahme Bredas zehn Jahre zuvor in Spanien gefeiert
worden war. Indem er all das in der Übergabe des
Schlüssels und der demütigen Geste des Holländers
verdichtete, zeigte er den Sieg Spaniens und die Großmut
des Siegers. Genau so stellte man sich am Hof und in adligen
Kreisen die eigene Kriegführung vor: siegreich und
großmütig gegenüber dem Unterlegenen.

Von der Macht der Feldherren über das Gewaltgeschehen


und einer zweifelsfreien Verteilung von Sieg und Niederlage
kann in Rubens’ Gemälde «Die Folgen des Krieges» nicht die
Rede sein. Der durch Mars verkörperte Krieg ist hier zu
einem eigenen Akteur geworden, der sich von einem in Lust
und Liebe aufgehenden Leben losreißt, eine verzweifelte
Europa hinter sich lässt und Kunst und Kultur rücksichtslos
niederwirft. Er wird von der Furie Alecto gezogen, die ihm
mit einer Brandfackel den Weg weist – nicht um diesen zu
erleuchten, sondern als Zeichen dafür, dass die Städte und
Dörfer in einer Feuersbrunst untergehen werden. Harpyien
eilen der Alecto voran, und ihr Atem sorgt für Hunger und
Pest als Wegbegleiter des Krieges. Jacob Burckhardt hat
Rubens’ Gemälde als das «unvergeßliche Titelbild zum
Dreißigjährigen Krieg» bezeichnet. [10]
Peter Paul Rubens, «Die Folgen des Krieges», 1638.

Rubens hat sich der antiken Mythologie von der heiklen


Beziehung zwischen Mars und Venus bedient, um den Krieg
als personifizierten Trieb und Willen vorzuführen. Als ein in
schwarzen Stahl gerüsteter Mann hebt sich Mars gegen den
hellen, nackten Leib der Venus ab, die ihn vergebens
zurückzuhalten sucht. Mars, der bereits das Schwert
gezogen hat und es kampfbegierig in der Rechten hält, blickt
noch einmal auf das ihn sehnsüchtig umfassende Weib
zurück, doch selbst im Zurückblicken stürmt er voran. Der
Kriegsgott ist keine monströse Bestie, sondern ein
kraftvoller Mann, der eine große sexuelle Attraktivität auf
Venus ausübt. Das rote Tuch, das seinen linken Arm mit
ihrem linken Oberschenkel verbindet und zu den
Bilddiagonalen gehört, die für die Dynamik des Dargestellten
sorgen, steht für den Krieg wie für die Liebe und
repräsentiert die heikle Beziehung der beiden zueinander:
des personifizierten Krieges und der personifizierten Liebe.
Aus dem Umstand, dass Venus den Kriegsgott
zurückzuhalten sucht, während es diesen zum Kampf drängt,
kann nicht unbedingt auf ihre pazifistische Grundhaltung
geschlossen werden. Venus hat durchweg selbstbezogene
Motive: Sie will Mars nicht entbehren. Ihr Verhältnis zum
Krieg ist, wie das rote Tuch zeigt, zutiefst ambivalent. Mars
zieht sie an, gerade weil er ein kriegerischer Mann ist, und
sein kurzer Blick zurück zeigt, dass auch er weiß, worauf er
in nächster Zeit verzichten wird. Alecto und die Harpyien
hindern ihn daran, es sich noch einmal anders zu überlegen.
Wer sich bei der Betrachtung von Rubens’ Bild nur auf
Mars und Venus konzentriert, wird darin keinen
Friedensappell, ja nicht einmal eine Kriegskritik entdecken,
sondern verbleibt gänzlich im Spannungsfeld von Gewalt
und körperlicher Attraktivität. Der Krieg, der gerade erst
beginnt, ist schön; er ist erfüllt von dem Streben nach
Siegen und Größe, so wie das auch Heere sind, die in guter
Ordnung und mit klingendem Spiel in den Kampf ziehen.
Rubens, der ein Zeitgenosse des Dreißigjährigen Kriegs in
Deutschland war, von seinem Antwerpener Atelier aus aber
auch den Achtzigjährigen Krieg in den Niederlanden
miterlebt hat, dürfte derlei oft genug beobachtet haben. Er
nimmt die verführerische Aussicht auf Ruhm und Ehre,
Beute und Bewunderung mit ins Bild hinein, ja, er stellt sie
geradezu in dessen Zentrum.
Doch der Titel des Bildes lautet nicht «Mars und Venus»,
sondern «Die Folgen des Krieges», mitunter auch «Die
Gräuel des Krieges», und das Dargestellte erschöpft sich
nicht in der spannungsgeladenen Beziehung der beiden
mythischen Götter: Fast die gesamte rechte Bildhälfte zeigt,
was der Krieg mit sich bringt. [11] Hier dominieren Gewalt
und Schrecken, deren stärkster Ausdruck die
weitaufgerissenen Augen der Alecto und ihr wild
hochstehendes Haar sind. Die Bösartigkeit der Furien und
die niedergeworfenen Körper der Tugenden und Künste
kontrastieren mit der körperlichen Schönheit des
Kriegsgotts. Es sind die Harmonie, erkennbar an der
zerbrochenen Laute, die lebende Fürsorge mit dem ängstlich
umschlungenen Kind und die auf den Rücken geworfene
Baukunst, erkennbar an dem in der Hand gehaltenen Zirkel,
die dem Kriegsgott als Erste zum Opfer fallen. Doch auch
Literatur und Wissenschaft werden von ihm zugrunde
gerichtet, wie das aufgeschlagene Buch unter seinem
rechten Fuß zeigt. Der Krieg hinterlässt eine Spur der
Zerstörung und des Elends. Die hinter Venus stehende
Europa scheint das zu wissen: Sie reißt die Arme zur Klage
hoch, nachdem sie die Gewalt des Krieges bereits am
eigenen Leibe zu spüren bekommen hat, denn ihr Kleid ist
zerrissen. Die physiognomische Ähnlichkeit von Europa und
Venus deutet darauf hin, dass Frauen, die eben noch die
starken gepanzerten Leiber der Krieger bewundert haben,
deren erste Opfer sind.

Rubens hat also eine andere Seite des Krieges dargestellt als
Velázquez. Ging es diesem um die Symbolik von Sieg und
Niederlage und die Einhegung der Gewalt durch Rituale und
Kriegsrecht, so hat Rubens den Wandel des Krieges vom
faszinierenden Anfang zum Schrecken ohne Ende ins Bild
gesetzt. Er hat nicht die kriegführenden Parteien und schon
gar nicht die Feldherren als beherrschende Akteure gemalt,
sondern zeigt den Krieg als ein verselbständigtes
Geschehen, auf das allenfalls Venus und Alecto Einfluss
haben, die Sehnsucht nach häuslicher Ruhe und die Lust an
der Zerstörung. Mars ist zwischen beiden hin- und
hergerissen, aber es ist doch unübersehbar, dass die Lust an
der Zerstörung ihn für sich gewinnt. Geht man von der
Attraktivität der beiden um Mars konkurrierenden
Frauengestalten aus, ist es nicht leicht nachzuvollziehen,
warum dieser Alecto folgt. Es muss in ihm einen Trieb
geben, der stärker ist als die Anziehungskraft der beiden
Frauen, und dieser Trieb wird in der tiefsten und
eigentlichen Schicht von Rubens’ Gemälde subtil sichtbar
gemacht: Der Krieg ist von außen nicht beherrschbar, er
macht, was er will, und sein Wollen ist zutiefst unvernünftig.
Die Kosten dieser Unvernunft sind unermesslich, und was
am Schluss bleibt, sind Elend und Zerstörung. Velázquez’
Bild steht für die Sichtweise, die bei den politischen
Entscheidungseliten in der ersten Kriegshälfte vorherrschte;
Rubens’ Bild zeigt, dass sich seit Mitte des Krieges etwas
geändert hat und man das Kriegsgeschehen nicht mehr als
eine Folge von Entschlüssen und Handlungen der
kriegführenden Parteien ansehen kann. Was zuvor als
Resultat betrachtet wurde, hat sich als der eigentliche
Akteur entpuppt, und dieser lässt sich kaum aufhalten.
Die Schlacht bei Nördlingen und der
Zusammenbruch der schwedischen Macht
in Oberdeutschland
Das Kriegsjahr 1634 begann, wie das Kriegsjahr 1633
geendet hatte: mit einer Konzentration auf Oberdeutschland.
Mit Wallensteins Tod war auf kaiserlicher Seite derjenige
verschwunden, für den Sachsen und Brandenburg die
strategisch entscheidenden Kriegsschauplätze gewesen
waren und der das Gebiet an der Donau immer nur als
Nebenkriegsschauplatz angesehen hatte. Wallensteins
Nachfolger dagegen machten Süddeutschland zum
Hauptkriegsschauplatz. Dafür gab es eine Reihe von
Gründen. Zunächst standen hier mit den Armeen Horns und
Herzog Bernhards die Hauptkräfte der schwedisch-
protestantischen Seite, und im Unterschied zu Wallenstein,
der auf die Schwachstellen des Gegners gezielt hatte, wollte
man nun den Krieg durch einen Angriff auf dessen
Hauptkräfte entscheiden. Des Weiteren hatte der
Heilbronner Bund, politische wie finanzielle Grundlage der
schwedischen Macht im Reich, seine wichtigsten Territorien
in Süddeutschland, so dass militärische Erfolge hier nicht
nur die Heeresmacht der Schweden schwächten, sondern
auch deren Stellung in ganz Deutschland erschütterten.
Schließlich war eine Verlagerung des Kriegsgeschehens in
den Donauraum auch deswegen naheliegend, weil im Verlauf
des Jahres mit dem Zuzug spanischer Truppen zu rechnen
war, die über Tirol nach Bayern kommen und von dort zum
Rhein marschieren sollten, entlang dem es dann in die
südlichen Niederlande weiterging. Es bot sich an, diese
Truppen auf ihrem Marsch zu nutzen, um die schwedischen
Armeen aus Süddeutschland zu verdrängen. Einige
kaiserliche und bayerische Generäle hatten bereits im Jahr
1633 auf einen ähnlichen Kriegsplan gesetzt, als der Herzog
von Fería spanische Truppen nach Deutschland führte, doch
das Vorhaben war gescheitert, weil Wallenstein eine
stärkere spanische Präsenz in Deutschland ablehnte und die
Truppen des Herzogs wenig leistungsfähig waren. [1] Das
sollte im Jahr 1634 anders werden.
Nach Wallensteins Ermordung hatte der Kaiser seinen
ältesten Sohn, den König von Ungarn und Böhmen, der
ebenfalls den Namen Ferdinand trug, zum neuen
Oberkommandierenden des Heeres bestimmt und ihm
Matthias Gallas als Generalleutnant zur Seite gestellt. Im
Prinzip lag die Operationsführung bei Gallas, der ein
umsichtiger Kommandeur war, bis er in den darauffolgenden
Jahren dem Alkohol verfiel und als «Heerverderber» in die
österreichische Militärgeschichte einging. [2] Der König von
Ungarn und Böhmen, damals gerade sechsundzwanzig Jahre
alt, verstand den Titel des Oberkommandierenden jedoch
nicht nur als einen formalen Rang und war, ganz im
Unterschied zu seinem Vater, darum bemüht, militärisches
Charisma zu erwerben. Also war er während des Feldzugs
ständig beim Heer und nahm Einfluss auf die militärischen
Entscheidungen. [3] Es gab aber noch einen weiteren guten
Grund für seine Anwesenheit beim Heer, ging es doch nun
um gemeinsame Operationen des kaiserlichen Heeres mit
einem spanischen Heer, das wiederum von einem Bruder
König Philipps IV. geführt wurde. Ferdinand von Spanien,
allgemein als Kardinalinfant bezeichnet, [4] verfügte im
Unterschied zu den anderen Mitgliedern des Hauses
Habsburg über militärische Fähigkeiten, die er als
Statthalter der Niederlande gegen die Oranier unter Beweis
stellte. Eine solche Kooperation konnte und wollte man nicht
Gallas überlassen, der seit 1632 zwar Reichsgraf war, damit
aber deutlich unter dem Kardinalinfanten stand. Außerdem
war das Zusammenwirken der beiden Ferdinands eine gute
Gelegenheit, die enge Kooperation zwischen der spanischen
und der österreichischen Linie des Hauses Habsburg zu
zeigen und so vom Fehlen Wallensteins abzulenken, der in
den vergangenen Jahren der Garant für die Kriegserfolge
des Kaisers gewesen war. Wie auch immer das Verhältnis
der beiden tatsächlich beschaffen war – bei den Operationen
im Spätsommer 1634 arbeiteten sie sehr gut zusammen. [5]
Im Unterschied dazu war auf der Gegenseite das Verhältnis
zwischen Gustav Horn, dem Schwiegersohn Oxenstiernas,
und Bernhard von Weimar ausgesprochen
spannungsgeladen. Beide hatten nach Gustav Adolfs Tod
damit gerechnet, das Oberkommando des Heeres zu
erhalten – Horn als Marschall von Schweden und «rechte
Hand» des verstorbenen Königs, Bernhard als derjenige, der
die Schlacht von Lützen zu Ende geführt und für den
schwedischen Erfolg gesorgt hatte. Obendrein war Bernhard
jetzt der höchste Offizier des Heilbronner Bundes.
Oxenstierna hatte es vermieden, zwischen beiden eine
Entscheidung zu treffen, und dann führte der Umstand, dass
Horn in Schwaben und Bernhard in Franken und der
Oberpfalz standen, auch noch dazu, dass sie zur Kooperation
genötigt waren.
Rubens’ Bild feiert die Einheit des Hauses Habsburg, die sich auch auf dem
Schlachtfeld bewährt. Der Kaisersohn Ferdinand mit dem dunklen Umhang und
der ungarischen Kopfbedeckung in der Linken begrüßt seinen Cousin Fernando,
der spanische Regimenter herangeführt hat. Der über beiden schwebende Adler
bringt die Lorbeerkränze als Zeichen des Sieges. Im Hintergrund eine Kirche,
stellvertretend für die zu schützende Institution. Im Vordergrund links der alte
Flussgott Donau, rechts von ihm die auf einen Schild mit Doppeladler gestützte
Germania, trauernd über das neuerliche Blutvergießen.

Mitte Mai, als Gallas aus Böhmen in die Oberpfalz und


Aldringen aus Bayern zur Donau vorstießen, geriet Herzog
Bernhard in die Defensive. Am 23. Mai begann Gallas mit
der Belagerung von Regensburg, das von 4000 Schweden
unter General Kagge gehalten wurde. [6] Da Bernhard nur
über 10000, Gallas hingegen über 25000 Mann verfügte, bat
er Horn um Unterstützung. Der hatte inzwischen Biberach,
Kempten und Memmingen erobert und war gerade dabei,
ganz Schwaben und den Oberrhein wieder unter seine
Kontrolle zu bringen. Dennoch eilte er Bernhard zu Hilfe,
und beider Truppen vereinigten sich bei Augsburg zu einer
Stärke von 22000 Mann. Unbeschadet dessen beschloss
man, Gallas nicht direkt anzugreifen, sondern Regensburg
durch eine doppelte Diversion zu entsetzen: Während Banér
und Arnim nach Böhmen vorrücken sollten, wollten Horn
und Bernhard nach Bayern einfallen. Letzteren gelang es,
am 22. Juli Landshut zu erobern, und beim Kampf um die
Stadt fand General Aldringen den Tod – nach einigen
Berichten durch eine Kugel der eigenen Leute, nach anderen
von der eigenen Kavallerie auf der Flucht niedergeritten und
zertrampelt. «Genialität und Phantasie», so sein Biograph
Arno Duch, «gingen ihm ab, dafür war er gewissenhaft und
sachlich, […], in großen und kleinen Kämpfen bewies er
Umsicht, Schlauheit und Tapferkeit.» [7] Das
Diversionsprojekt zum Entsatz von Regensburg schlug trotz
des Erfolgs von Landshut fehl. Regensburg kapitulierte am
26. Juli, was ein empfindlicher Rückschlag für die
schwedisch-protestantische Seite war. Dennoch kamen
Bernhard und Horn zu dem Ergebnis, dass damit die Krise
zu Ende sei, zumal Gallas sich mit seinen Truppen zunächst
nach Böhmen zurückzog; also trennten sie sich wieder.
Herzog Bernhard blieb an der Donau, während Horn tief
nach Bayern vorstieß, um den über Tirol anrückenden
spanischen Einheiten des Kardinalinfanten den Weg zu
versperren. Im gemeinsamen Kriegsrat waren sich beide
einig gewesen, dass Gallas durch Arnim und Banér
gebunden sei und vorerst nicht nach Oberdeutschland
zurückkommen werde. Doch die sächsischen Truppen
unterstützten Banérs Vorstoß nicht, so dass Gallas zu der
Überzeugung kam, die in Böhmen stehenden Truppen unter
Colloredo seien stark genug, die Schweden abzuwehren, und
wieder zur Donau zurückkehrte. Am 16. August eroberte er
Donauwörth. Die schwedische Position an der Donau war
damit in großer Gefahr, zumal Gallas umgehend auf
Nördlingen vorrückte, das er am 17. August einschloss.
Die Verteidigung Nördlingens war für die schwedisch-
protestantische Seite aus zwei Gründen bedeutsam: Es lag
an der Straße nach Württemberg, so dass es den Zugang zu
einem für beide Seiten strategisch wichtigen Gebiet
kontrollierte, und mit dem Verlust Nördlingens wäre nach
Regensburg und Donauwörth innerhalb kurzer Zeit die dritte
bedeutende Stadt dieses Raums verloren worden, was den
Zusammenhalt des Heilbronner Bundes gefährden würde.
Ein Rückzug kam für Horn und Bernhard, die ihre Truppen
am 16. August bei Ulm wieder miteinander verbunden
hatten, somit nicht in Frage, obwohl sie der Gegenseite
kräftemäßig deutlich unterlegen waren. Zusammen
verfügten sie über 16000 Mann; ihnen standen kaiserliche
Truppen in einer Stärke von 15000 Mann sowie bayerische
Einheiten mit 6000 Mann gegenüber. [8] Am 28. August
erhielten Horn und Bernhard Verstärkung von 6000 Mann
württembergischem «Landvolk». Diese Einheiten waren
nach dem Ende der Neutralitätspolitik Württembergs zu
Beginn der 1630er Jahre [9] auf der Grundlage des
Landesdefensionswesens aufgestellt worden, und man
musste bezweifeln, ob sie Söldnerverbänden gewachsen
waren. Die Verstärkung der schwedischen Seite wurde erst
recht wettgemacht, als am 4. September bei Gallas die
spanischen Truppen des Kardinalinfanten in einer Stärke
von 10000 Mann eintrafen. In dieser Lage plädierte Horn
dafür, in der Defensive zu bleiben, das Lager bei Bopfingen,
das man inzwischen bezogen hatte, zu verschanzen und
darauf zu vertrauen, dass sich Nördlingen halten werde.
Außerdem wollte er auf weitere Verstärkungen warten, mit
deren Eintreffen innerhalb einer Woche zu rechnen war. Da
die Spanier auf dem Marsch nach Flandern seien,
argumentierte Horn, würden sie nicht für längere Zeit an
der Donau bleiben, und nach ihrem Abzug könne man eine
Schlacht gegen die Kaiserlichen suchen. Das war ein
militärisch gutbegründeter Vorschlag. Herzog Bernhard
dagegen fürchtete, Nördlingen werde unter diesen
Umständen fallen und einige ohnehin furchtsame und
schwankende Mitglieder würden daraufhin den Heilbronner
Bund verlassen. Das war eine eher politisch als militärisch
begründete Sicht. Das Problem war, dass beide nach dem
Verlust von Regensburg und Donauwörth nicht mehr den
politischen Spielraum hatten, um allein nach militärischen
Erwägungen entscheiden zu können, deswegen entschlossen
sie sich dazu, den Gegner trotz Unterzahl anzugreifen, um
den Belagerungsring von Nördlingen zu sprengen.
Für den Kriegshistoriker William Guthrie war die
Kombination von Horn und Bernhard die unglücklichste des
ganzen Krieges. Herzog Bernhard war ein Draufgänger, der
bei Lützen die Erfahrung gemacht hatte, dass man eine
Schlacht gewinnen konnte, wenn man sich weigerte, die sich
abzeichnende Niederlage zu akzeptieren. Graf Horn war das
exakte Gegenteil, vorsichtig und eher pessimistisch, ein
vorzüglicher Taktiker mit bemerkenswerten operativen
Fähigkeiten, aber wenig Sinn für strategische Fragen und
politische Zusammenhänge. [10] Als Stellvertreter Horns
spielte noch Feldmarschall Johann Philipp Cratz von
Scharffenstein eine Rolle, ein überambitionierter und
notorisch unzufriedener Mann, der lange Jahre in der
ligistischen Armee gedient hatte und aus Verärgerung
darüber, dass Aldringen und nicht er das Kommando über
die kaiserlichen Truppen in Bayern erhalten hatte, zu den
Schweden übergelaufen war. [11] Den drei Männern stand auf
kaiserlich-spanisch-bayerischer Seite eine relativ
einheitliche Kommandoführung gegenüber, da jede
Meinungsverschiedenheit durch die beiden Ferdinands
geklärt werden konnte und die Kommandeure des
bayerischen Heeres, die von den habsburgischen Cousins
unabhängig waren, sich ihren Vorgaben bereitwillig fügten.
Die Kommandeure waren Herzog Karl von Lothringen und
General Otto Heinrich Fugger, ein Sproß der Augsburger
Kaufmanns- und Bankiersfamilie, der sich für eine
militärische Karriere entschieden hatte. Auf katholischer
Seite standen 33000 Mann zur Verfügung, während es auf
Seiten der Protestanten 25700 waren. Angesichts einer
Überlegenheit des Gegners im Verhältnis vier zu drei eine
Angriffsschlacht zu schlagen, wie Bernhard und Horn dies
vorhatten, war ein überaus kühnes Unterfangen. [12]

Am 5. September brachen Horn und Bernhard aus dem


Lager bei Bopfingen auf; um den Gegner zu täuschen,
marschierten sie nach Süden, als wollten sie zur Donau,
schwenkten dann aber auf die Straße von Ulm nach
Nördlingen und rückten gegen die Positionen der kaiserlich-
spanisch-bayerischen Truppen auf einem Höhenzug südlich
von Nördlingen vor. Das Täuschungsmanöver gelang; in
einem energischen Vorstoß eroberte Herzog Bernhard am
Nachmittag eine Erhebung namens Ländle und warf die dort
aufgestellten kaiserlichen Reiter zurück. Damit stand fest,
dass es zu einem Ringen um die Höhenkette kommen würde,
und dabei fiel der breitkuppigen Anhöhe Albuch eine
besondere Rolle zu. Sie dominierte die anderen Hügel, und
wer hier seine Kanonen in Stellung brachte, beherrschte das
Schlachtfeld. Wenn es Bernhard gelang, die Höhe Albuch
einzunehmen, würde der Gegenseite nichts anderes übrig
bleiben, als die Belagerung Nördlingens abzubrechen. Das
war auch Gallas klar, und so entschloss er sich, die Höhe
unter allen Umständen zu halten. Beide Seiten warfen immer
mehr Einheiten in den Kampf um die Hügelkuppe, bis am
späten Nachmittag klar war, dass jede Form des Rückzugs
einer Niederlage gleichkommen würde.
In dieser Situation verspielte die schwedisch-
protestantische Seite den aus der Überraschung
gewonnenen Vorteil. In dem unübersichtlichen, teilweise
bewaldeten Gelände, das den anrückenden Kolonnen die
Orientierung erschwerte, verzögerte sich der Anmarsch;
einige Einheiten ließen sich Zeit, rasteten zeitweilig,
während die Kaiserlichen immer mehr Infanterie
heranführten, wodurch sich der zunächst schwache
Widerstand zunehmend verstärkte. Vor Einbruch der
Dunkelheit gelang es den Protestanten zwar noch, den
Lachberg und den Heselberg zu erobern, doch die Höhe
Albuch blieb in der Hand des Gegners, der die Nacht dazu
nutzte, auf der Bergkuppe Kanonen in Stellung zu bringen
und die dort stehende Infanterie weiter zu verstärken.
Außerdem wurden drei Schanzen aufgeworfen.
Währenddessen gruppierten die Protestanten ihre Kräfte für
den Angriff des kommenden Tages, der dem von Horn
geführten rechten Flügel zufiel, während der linke Flügel
unter Herzog Bernhard zunächst in der Defensive bleiben
und den Angriff Horns decken sollte. Die Verteidigung der
Höhe Albuch hatten spanische Infanterieregimenter
übernommen. Dabei sollte sich für die Verteidiger als Vorteil
erweisen, dass die im Zentrum stehenden Truppen immer
wieder ausgetauscht werden konnten. Auf protestantischer
Seite war eine solche Ablösung nicht möglich, da man sich in
der Unterzahl befand und vor allem an Infanterieeinheiten
unterlegen war. Horn musste seinen Truppen also einiges
mehr abverlangen als der Gegner. Das war das Risiko dieses
Angriffs: Wenn er keinen durchschlagenden Erfolg hatte,
waren die eigenen Kräfte verausgabt, und dann hing alles
davon ab, dass es Bernhard gelang, die Defensive zu
übernehmen und den kaiserlich-bayerischen Gegenangriff
abzuwehren.
Die Schlacht bei Nördlingen am 6. September 1634. Der Kupferstich aus Merians
Theatrum Europaeum bietet die übliche Schlachtaufstellung: Infanteriekarrees,
davor postierte Kanonen, eine durch Pulverqualm markierte Gefechtslinie und
bereitgehaltene Reserven. Betrachtet man das Bild genauer, so erkennt man,
dass diese Schlacht nicht, wie die meisten anderen, in der Ebene, sondern in
hügeligem und bewaldetem Gebiet geschlagen wurde. Das hat mit der
vorangegangenen Belagerung und dem Entsatz Nördlingens zu tun, das oben
rechts am Rande des Schlachtgeschehens zu sehen ist. Mehr noch als bei den
anderen Schlachtenbildern Merians überwiegt der Eindruck von Plan und Ordnung.
Die Improvisationen beider Seiten im Verlauf der Schlacht werden nicht sichtbar.

Der 6. September begann für das schwedisch-


protestantische Heer vielversprechend: Während Bernhard
an mehreren Stellen kleinere Scharmützel eröffnete, um die
ihm gegenüberstehenden Einheiten daran zu hindern, den
Verteidigern der Höhe Albuch zu Hilfe zu kommen, und die
Verteidiger Nördlingens einen Ausfall unternahmen, um
gegnerische Kräfte zu binden, gelang es Horns
Sturmkolonnen im ersten Anlauf, die mittlere Schanze auf
der Höhe zu überrennen und die spanischen Regimenter
zurückzuwerfen. Doch anstatt sich in der eroberten Schanze
festzusetzen und diese gegen den zu erwartenden
Gegenangriff zu halten, setzten die Angreifer den
Flüchtenden nach. Dabei gerieten ihre Kolonnen in
Unordnung. Sie verloren die Stoßkraft, und sobald der
Kampf in ein allgemeines Handgemenge überging, kam die
zahlenmäßige Überlegenheit der katholischen Seite zur
Geltung. Als der Gegenangriff der kaiserlichen Infanterie
und Kavallerie begann, machte sich auch bemerkbar, dass
der Vorstoß der schwedisch-protestantischen
Infanterieeinheiten nicht mit dem der Kavallerie koordiniert
worden war, so dass die eigenen Reiter der bedrängten
Infanterie nicht zu Hilfe kommen konnten. Die Schweden
wurden zurückgeworfen, und die Schanze ging wieder
verloren. Die Unübersichtlichkeit des Geländes erschwerte
Horn den koordinierten Einsatz seiner Kräfte, was sonst
eigentlich seine Stärke war. Er hat dafür später
«Eigenmächtigkeiten des Kriegsvolks» verantwortlich
gemacht, [13] was bedeutet, dass er die Truppen nicht mehr
in der Hand hatte. Es mag dahingestellt bleiben, ob es an
den örtlichen Gegebenheiten, an der Eigenwilligkeit
untergeordneter Truppenführer oder an einem Fehler Horns
lag, der hinter der ersten Welle seiner Sturmkolonnen keine
hinreichenden Reserven bereitgestellt hatte, die den
Anfangserfolg sichern und die eroberten Positionen halten
konnten – jedenfalls kam es zu einem Abnutzungsgefecht um
die Hügelkuppe, das die Protestanten aufgrund ihrer
zahlenmäßigen Unterlegenheit verlieren mussten. Fünfzehn
Mal soll Horns Infanterie vergeblich gegen die Schanzen
angerannt sein, danach war sie ausgebrannt. Auch eine
Brigade, die Herzog Bernhard zur Unterstützung geschickt
hatte, konnte dem Kampf keine Wende mehr geben.
Das war die Krise der Schlacht; Gallas erkannte sie als den
Moment, in dem er selbst zum Angriff übergehen musste,
um zwischen den beiden Flügeln der Protestanten
durchzustoßen, Horn und Bernhard voneinander zu trennen
und sie in der Flanke und im Rücken zu fassen. Horn war
klar, dass es jetzt nur noch darum ging, sich vom Feind zu
lösen und Verteidigungsstellungen zu beziehen. Die Straße
zwischen Nördlingen und Ulm kam dafür in Frage. Die
beiden Heerführer vereinbarten, sich beim Rückzug
wechselseitig Deckung zu geben: Zunächst sollten
Bernhards Truppen die Horns decken, während der sich aus
dem Hügelland zur Ulmer Straße zurückzog; wenn Horns
Infanterie Position bezogen hatte, sollten seine Artillerie und
eine entschieden angreifende Kavallerie Bernhard die
Möglichkeit geben, sich seinerseits nach Südwesten
zurückzuziehen. Horn gelang sein Teil der Vereinbarung,
Bernhard nicht. Gallas hatte an der nachlassenden
Gefechtstätigkeit erkannt, was Horn und Bernhard
vorhatten, und reagierte darauf, indem er den Druck auf die
in der Gefechtslinie verbliebenen Regimenter Bernhards
erhöhte. Die wiederum waren wegen des bereits
begonnenen Abzugs der anderen Einheiten zu schwach, um
dem Angriff standzuhalten, und wandten sich zur Flucht. Die
Kavallerie, die es besonders eilig hatte, ritt dabei in die
zurückweichende eigene Infanterie hinein und löste eine
Panik aus. Aus dem Rückzug wurde Flucht, und als die
Fliehenden auf die abziehenden Regimenter Horns trafen
und diese in Verwirrung brachten, war die Schlacht für das
schwedisch-protestantische Heer verloren. Jeglicher
Widerstand brach zusammen, und die kaiserlich-bayerische
Kavallerie machte die Flüchtenden nach Belieben nieder.
Im Unterschied zu Merians Kupferstich zeigt Pieter Meuleners Gemälde von der
Nördlinger Schlacht die Auflösung der Ordnung nach lange währendem Kampf. Die
Blickrichtung ist dieselbe wie auf Merians Kupferstich, was man an der Lage
Nördlingens erkennen kann, nur etwas flacher angesetzt. In der Bildmitte scheint
sich noch einmal ein größeres Gefecht zu entwickeln, während sich am rechten
oberen Bildrand die schwedischen Verbände bereits in Auflösung befinden.

Allein von dem württembergischen Landvolk fanden bei


Nördlingen 4000 Mann den Tod. Den 1500 Gefallenen auf
kaiserlich-bayerisch-spanischer Seite standen 8000 Tote auf
Seiten der Protestanten gegenüber. 4000 Mann wurden
gefangen genommen, die gesamte Bagage sowie fast alle
Kanonen gingen verloren. [14] Das in Oberdeutschland
operierende schwedische Heer hatte zu bestehen aufgehört.
Horn war in Gefangenschaft geraten, in der er bis 1640
verblieb, als er ausgetauscht wurde. Ebenfalls in
Gefangenschaft geraten war Graf Cratz, den ein kaiserliches
Kriegsgericht als Verräter zum Tode verurteilte; er wurde
1635 in Wien enthauptet. Herzog Bernhard entkam dem
Untergang seines Heeres mit knapper Not und konnte in den
Wochen danach etwa 12000 Mann sammeln. Das war alles,
was nach der Katastrophe von Nördlingen übrig geblieben
war.

Der Nimbus der schwedischen Unbesiegbarkeit, auf den


Gustav Adolf so großen Wert gelegt und den Herzog
Bernhard bei Lützen noch einmal gerettet hatte, war nach
Nördlingen dahin. Noch schwerer wog indes, dass der
Heilbronner Bund, Oxenstiernas politisches Meisterstück zur
Sicherung der schwedischen Machtposition in Deutschland,
vor der Auflösung stand. Über die Folgen war sich kaum
einer besser im Klaren als Kardinal Richelieu, dessen Politik
zu einem Großteil auf die Verbindung mit diesem Bündnis
gegründet war. «Wenn die Partei [der Protestanten]»,
schrieb er nach Eintreffen der Nachricht über die
Niederlage bei Nördlingen, «ganz und gar vernichtet wird,
so würde sicherlich die ganze Wucht der Macht des Hauses
Habsburg auf Frankreich fallen. Es ist auch zweifellos, daß
nach der soeben erlittenen Niederlage die Partei nicht
weiter existieren könnte, wenn sie nicht durch eine sofortige
und bedeutende Hilfe und durch eine größere Hoffnung und
einen mächtigen Namen unterstützt würde. Denn ohne eine
solche Hilfe würden mit Sicherheit alle Reichsstädte sich
vom Bündnis [dem Heilbronner Bund] trennen, Sachsen
würde einen Vergleich schließen, und jeder würde an seine
eigenen Angelegenheiten denken und Mittel zu deren
Förderung ergreifen, die diese große Partei bald zu einem
Schatten von dem, was sie gewesen, machen würde.» [15]
Richelieu erkannte, dass die Zeit der indirekten
Beteiligung am Krieg zu Ende ging und Frankreich nun offen
Farbe bekennen musste. Es würde fortan nicht mehr
genügen, Geld aufzuwenden, um die antihabsburgischen
Kräfte in ihrem Kampf gegen den Kaiser zu unterstützen;
man war gezwungen, mit eigenen Truppen in den Krieg
eingreifen. Ein solcher Entschluss, der auf eine offizielle
Kriegserklärung an Wien hinauslief, musste in Frankreich
jedoch auf heftigen Widerstand stoßen, nicht nur bei der
Mutter des Königs, die einen Krieg katholischer Mächte
gegeneinander strikt ablehnte und stattdessen konfessionell
orientierte Bündnisse bevorzugte, [16] sondern auch bei all
denen, die sich vor den in die Höhe schnellenden finanziellen
Lasten fürchteten. Als sammle Richelieu Argumente für die
Debatte mit ihnen, notierte er: «Der schlimmste Entschluss,
den Frankreich fassen könnte, wäre ein Verhalten, das dahin
führt, Frankreich ganz allein die Kräfte des Kaisers und
Spaniens aushalten zu lassen. Das wird zweifellos eintreten,
wenn Frankreich nicht die Reste dieser großen Partei, die
seit langer Zeit in Deutschland bestanden hat, sammelte und
wieder vereinigte, schlimmstenfalls, indem man eine
Zeitlang die Ausgabe eines Krieges in Deutschland aushält,
[…] statt daß man ihn im Herzen Frankreichs austragen
müßte, ohne den Beistand der Fürsten, in deren Staaten der
Krieg lange ausgehalten wurde.» [17]
Der Krieg, so Richelieus Überlegung, war unvermeidlich,
es ging nur noch um die Frage, wo er geführt würde: auf
französischem Territorium oder auf dem Boden des Reichs.
Angesichts dieser Alternative war klar, wie die Entscheidung
ausfallen sollte. Aber hatte Frankreich überhaupt geeignete
Truppen, um in den Krieg eingreifen zu können? Das war die
Achillesferse der bisherigen Politik Richelieus: Frankreich
verfügte über keine kriegserprobten Truppen, vor allem
nicht über solche, die es mit denen aufnehmen konnten, die
seit mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland
Kriegserfahrung gesammelt hatten. Und was mindestens
ebenso ins Gewicht fiel: Es besaß keine Heerführer, die den
in Deutschland geschulten Generälen gewachsen waren.
Frankreich hatte sich bislang nur in Form von Subsidien am
Krieg beteiligt; man hatte die Heere anderer Mächte
alimentiert, aber keine eigenen Fähigkeiten entwickelt. Das
musste man jetzt nachholen, doch dafür brauchte man Zeit.
Richelieu musste also Zeit gewinnen.
Dabei kam ihm zupass, dass die von Bernhard von Weimar
wieder gesammelten Reste des schwedischen Heeres
angesichts des drohenden Zerfalls des Heilbronner Bundes
ohne einen zuverlässigen Finanzier dastanden. Sie boten
sich geradezu an, in französische Dienste übernommen zu
werden. Richelieu nutzte die Gelegenheit, eine
kriegserfahrene Armee zu gewinnen, mit der sich der Krieg
im oberdeutschen Raum unter französischer anstatt
schwedischer Ägide fortsetzen ließ. Derweil konnte der
Kardinal an den Aufbau eines französischen Heeres gehen,
mit dem er zu einem späteren Zeitpunkt in den Krieg
eingreifen würde. Durch die Anwerbung der Weimaraner,
wie die Truppen Herzog Bernhards von da an genannt
wurden, verschaffte er sich eine Übergangsphase zwischen
der verdeckten Kriegsbeteiligung und dem offenen
Kriegseintritt, die sich nutzen ließ, um die maßgeblichen
Kräfte am Hof auf ein zunehmendes Kriegsengagement
einzustimmen. Währenddessen konnte er den Krieg
weiterführen, ohne ihn formell erklärt haben zu müssen. [18]
Es kam auch nicht von ungefähr, dass er, als er im Mai 1635
Spanien den Krieg erklärte, das Reich und den Kaiser von
dieser Kriegserklärung aussparte. Das war umso
bemerkenswerter, als der Grund, den er für den Krieg gegen
Spanien geltend machte, auf dem Territorium des Reichs lag
und der Kaiser in den Vorgang tief verwickelt war:
Spanische Truppen waren in das Erzbistum Trier
eingedrungen und hatten den mit Frankreich verbündeten
und unter französischem Schutz stehenden Kurfürsten
Philipp Christoph von Sötern gefangen genommen, ihn aber
nicht nach Spanien oder in die südlichen Niederlande
gebracht, sondern an den Kaiser überstellt, der ihn in Wien
festhielt. Diese Flexibilität in der Frage eines offenen
Kriegseintritts war für Richelieu ein großer Vorteil, für den
er aber einen Preis zu zahlen hatte: Er musste Herzog
Bernhard bei der Planung und Ausführung der Kriegszüge
große Freiheiten einräumen und ihm als Gegenleistung für
seine militärischen Dienstleistungen die Übertragung des
Elsass als eigenständiges Herzogtum in Aussicht stellen. [19]
Auf diese Weise wurde Bernhard zum letzten großen
Condottiere der europäischen Geschichte: Sein Heer wurde
von Frankreich finanziert, aber er führte Krieg auf eigene
Faust und hatte dabei stets seine eigenen Interessen und
Ziele im Auge. Politisch weniger ambitioniert als
Wallenstein, weshalb er mit seinem Auftraggeber nicht in
einen grundsätzlichen Konflikt geriet, verfolgte er in einem
bescheideneren Rahmen dasselbe Projekt wie dieser: den
Krieg als Karrieresprungbrett zu einer eigenen Herrschaft
zu nutzen und sich dabei weder an der altüberkommenen
Ordnung des Reichs zu stören noch auf das Elend zu achten,
das dieses Vorhaben nach sich zog.
Der oberdeutsche Krieg wurde von nun an in Schwaben, in
Baden und im Elsass geführt. Bayern, die Oberpfalz und
Franken, die bis dahin der zentrale Kriegsschauplatz
gewesen waren, bekamen eine mehrjährige Ruhepause. Der
Schwerpunkt der Kriegführung verlagerte sich an den
Oberrhein. Beide Seiten versuchten, die dortigen Festungen
und befestigten Städte zu kontrollieren – Breisach spielte
hier die wichtigste Rolle –, um von dort aus in die Gebiete
rechts und links des Flusses vorzustoßen. Da Bernhard
seinen kaiserlich-bayerischen Gegnern zumeist überlegen
war, weil Gallas seinem Ruf als «Heerverderber» immer
mehr gerecht wurde und Jan von Werth, der
draufgängerische Kommandeur der bayerischen Kavallerie,
in französische Gefangenschaft geraten war (ursprünglich
war er ein Gefangener Bernhards gewesen, der diesen
«Schrecken der Franzosen» nach Paris weiterreichte), [20]
war es vor allem die Bevölkerung Württembergs und
Badens, die nunmehr die Schrecken und Zerstörungen des
Krieges zu tragen hatte. [21]
In seinem Zeytregister notierte der Schuhmacher Hans
Heberle aus Neenstetten bei Ulm, die kaiserlichen
Kriegsvölker hätten im «Wirtenberger landt […] alles
verwiest und verderbt, das schöne stetlein Giengen
außgeblündert und gar abgebrandt, das Ulmische stetlein
Geißlingen, welches sich ein wenig gewehrt, mit gewalt
überfalen und etliche hundert darin nidergemacht, wie auch
ihrem pfarrer den kopff abgehawen und das stetlein
außgeraubt, und in hertzogtumb Wirtenberg auch nicht
anders gemacht. In suma, ich kann den jamer nicht groß
gnug beschreiben, der damals geweßen ist.» [22] Und der
Ulmer Chronist Joseph Furttenbach hielt in seiner Cronica
fest: «In den dörffern wurden fast gar keine menschen mer
gefunden, allso das die hüesser von sich selbsten einfiellen,
der ackherbau lage ödt und wuest, das distel und dorn darob
waxten.» [23] Das materielle Elend und die physische
Unsicherheit der Menschen hatten schließlich auch Folgen
für ihre Glaubensgewissheit, wie der evangelische Pfarrer
von Ensingen beklagte: «Es war große Unbußfertigkeit,
Bosheit, Verachtung Gottes und seines Wortes und
grausame, ohne Schwert und Blutvergießung, Verfolgung
des heiligen Ministerii, und hätte man wahrlich mancher
Orten Gott, sein Wort und dessen Diener um eines Batzes
wegen fahren lassen, so weit die Welt war. Wie denn ein
solcher undankbarer, verruchter und gottloser Fleck
Ensingen auch gewesen. Gott bekehre sie.» [24]
Vom Prager Frieden zur Schlacht von
Wittstock
Die kursächsische Politik hatte, wie bereits beschrieben, der
schwedischen Intervention von Anfang an skeptisch bis
ablehnend gegenübergestanden. Erst das kaiserliche
Beharren auf dem Restitutionsedikt und Tillys Vordringen
auf kursächsisches Gebiet hatten zu einem
Gesinnungswandel in Dresden geführt, wobei auch das
energische Auftreten Gustav Adolfs und die Sympathie der
protestantischen Bevölkerung für den König eine erhebliche
Rolle gespielt hatten. Nun aber war Gustav Adolf tot, und
mit Wallenstein hatte man während des ganzen Jahres 1633
Gespräche über eine mögliche Beendigung des Krieges
geführt; aus kursächsischer Sicht stand dem nur noch die
Rücknahme des kaiserlichen Restitutionsedikts entgegen.
Auch Wallensteins Ermordung hatte der kursächsischen
Verhandlungsbereitschaft keinen Abbruch getan. 1634
wurden die Verhandlungen fortgeführt, mal offen, mal
verdeckt, und das sächsische Interesse, die Gespräche
aufrechtzuerhalten, war auch der Grund dafür, dass der
verabredete sächsische Diversionsfeldzug nach Böhmen, der
Gallas zum Abbruch der Belagerung Regensburgs zwingen
sollte, nicht in Gang gekommen war. Der Streit über den
Heilbronner Bund hatte die von Anfang an bestehende
politische Kluft zwischen Oxenstierna und Johann Georg
noch weiter vertieft. [1] Das Verhältnis der beiden Männer
war von einem tiefen gegenseitigen Misstrauen geprägt. [2]
Spätestens nach der schwedischen Niederlage bei
Nördlingen musste man damit rechnen, dass das Bündnis
der protestantischen Mächte zerbrechen würde.
Es war indes die Nördlinger Niederlage, die Sachsens
Abkehr von Schweden hinauszögerte, denn sie hatte
zunächst eine gewisse Verhärtung der kaiserlichen Position
in den Gesprächen mit Sachsen zur Folge. Dabei ging es um
die Festlegung eines «Normaljahres», das für die Verteilung
des kirchlichen Besitzes zwischen den Konfessionen als
Grundlage dienen sollte. Vor der Schlacht von Nördlingen
hatte Wien signalisiert, man könne sich auf das Jahr 1620
verständigen, also die Lage nach dem Sieg über die
rebellischen Böhmen. Nach dem kaiserlich-bayerischen Sieg
wurde nun aber 1627 als Normaljahr ins Spiel gebracht, was
für die Protestanten erheblich ungünstiger war. [3] Dabei
wurde deutlich, dass Kursachsen letzten Endes nicht aus
eigener Kraft verhandelte, sondern ein politischer
Kostgänger der schwedischen Macht war, die es
uneingestanden als Machtmittel einsetzte, während es sich
gleichzeitig von der kaiserlichen Diplomatie aus der Front
der Protestanten herausbrechen ließ. [4] Dass es bei einer
Verschiebung des Stichjahres blieb, zeigt aber auch die
fortbestehende Kompromissbereitschaft der Wiener Politik,
die den Sieg bei Nördlingen nicht nutzte, um wieder zu den
Vorgaben des Restitutionsedikts zurückzukehren. Offenbar
hatte man auch in Wien realisiert, dass das Kriegsglück
wechselhaft und launisch war und man nicht darauf setzen
sollte, nach den schweren Rückschlägen zu Beginn der
1630er Jahre auf die Siegesstraße der 1620er Jahre
zurückkehren zu können. Derjenige, der vor allem für diese
skeptische Grundhaltung stand, war der König von Ungarn
und Böhmen, der zu erwartende Kaiser, dem als «Sieger von
Nördlingen» politisch ein besonderes Gewicht zukam. [5]
«Dieser kluge Opportunismus», so Cicely Veronica
Wedgwood, «mag zum Teil das Werk des Königs von Ungarn
gewesen sein, der für die Verhandlungen hauptsächlich
verantwortlich war.» [6]

Der Prager Frieden vom Mai 1635, dem ein im November


des Vorjahres in Pirna geschlossener Vorvertrag zugrunde
lag, war zuallererst ein Separatfriedensvertrag zwischen
dem sächsischen Kurfürsten und dem Kaiser. Er war aber so
angelegt, dass ihm alle Reichsstände beitreten konnten,
denn er sollte zur Grundlage eines Friedens im gesamten
Reich werden. Als der Kaiser weitreichende
Amnestiezusagen machte und gleichzeitig all diejenigen mit
Sanktionen bedrohte, die dem Frieden fernblieben, kam eine
umfassende Beitrittsdynamik in Gang. Die Beschränkung auf
die Reichsstände war zugleich aber eine Schwäche dieses
Friedens, denn er enthielt keinerlei Beitrittsangebot an die
in den Krieg verwickelten, aber nicht reichsständischen
Mächte. Das traf insbesondere Schweden, das ja für alle
erkennbar Kriegspartei war, aber auch Frankreich, das nach
wie vor nicht offiziell am Krieg teilnahm. Beide Mächte
sollten durch die Vereinbarung gewissermaßen aus einem
befriedeten Reich herausgedrängt werden. Der Prager
Frieden war also ein gegen Schweden und Frankreich
gerichteter Friedensschluss, während er gleichzeitig das
zuletzt wieder enger mit dem Wiener Kaiserhaus liierte
Spanien privilegierte. Wedgwoods Resümee «Der Friede von
Prag verwandelte sich in ein Kriegsbündnis» ist pointiert,
aber im Kern zutreffend, und das gilt auch für die bittere
Nachbemerkung: «Seine Unterzeichner verpflichteten sich,
die Schlachten des Hauses Österreich zu schlagen.» [7] Es ist
darum nicht verwunderlich, dass die schwedische und die
französische Politik alles in ihrer Macht Stehende
unternahmen, um den Frieden zu Fall zu bringen
beziehungsweise seine Ausweitung auf ganz Deutschland zu
hintertreiben.
Durch seine Konstruktionsfehler, die letztlich zum
Scheitern führten, zeigte der Prager Frieden jedoch auch,
wie ein allgemeiner Friedensvertrag beschaffen sein musste:
Frieden im Reich konnte es nur geben, wenn auch die
äußeren Interventionsmächte einbezogen wurden. Insofern
war der Prager Frieden ein wichtiger Lernschritt auf dem
Weg zum Frieden von Münster und Osnabrück. Er stellte
unter Beweis, dass es sich um einen europäischen Krieg
handelte, der nur auf der Grundlage einer europäischen
Regelung beendet werden konnte. Das zu realisieren war
schon deswegen nicht einfach, weil man dazu einer
Neuauslegung, wenn nicht gar Neuausrichtung der
Reichsverfassung bedurfte. Der Prager Friedensvertrag ging
ein letztes Mal davon aus, dass es sich bei diesem Krieg um
einen Aufstand gegen den Kaiser beziehungsweise die
Ordnung des Reichs handelte, der durch eine allgemeine
Amnestie von Seiten des Kaisers sowie die Anerkennung des
«Normaljahres» von Seiten der Reichsstände beendet
werden konnte. Man vermied damit eine Entscheidung
darüber, ob man es mit einem Bürger- oder doch mit einem
Staatenkrieg zu tun hatte. Dazu hätte feststehen müssen,
wer souverän war und wer nicht; das heißt, wer das Recht
hatte, einem anderen den Krieg zu erklären, und bei wem es
sich eben bloß um einen Aufstand handelte. Diese
Souveränitätsvorstellung freilich konnte auf die
Reichsverfassung nicht angewandt werden, ohne sie zu
sprengen. Das war ein Problem, das auch bei den sich über
vier Jahre hinziehenden Friedensverhandlungen in Münster
und Osnabrück eine zentrale Rolle spielte: dass jeder
Vertrag, der nicht mit der Fiktion von Aufstand und
Amnestie arbeitete, Auswirkungen auf die innere Verfassung
des Reichs haben würde, die von mindestens einer Seite
strikt abgelehnt wurden.
Auf dem Weg zum Prager Frieden ging es zunächst darum,
Kursachsen für einen Separatfrieden zu gewinnen. Dazu
mussten die sächsischen Interessen bedient werden,
weshalb Kurfürst Johann Georg das Bistum Magdeburg
zuerkannt wurde; zudem musste der Vertrag Regelungen
enthalten, die den kursächsischen Führungsanspruch
gegenüber den protestantischen Reichsständen festigte. Von
der großzügigen kaiserlichen Amnestie für die am Krieg
Beteiligten, mit der man diesem Anspruch Rechnung tragen
wollte, waren nur die böhmischen Rebellen sowie die
pfälzische Fürstenfamilie ausgenommen. Sonderbünde der
Fürsten, wie Union und Liga, wurden grundsätzlich für
ungesetzlich erklärt, ebenso eigene Streitkräfte der
Landesfürsten. Es sollte nur noch eine Reichsarmee geben,
für die man sich de facto auf eine geteilte
Kommandostruktur verständigte: Im ober- und
niedersächsischen Kreis sollte die Führung bei Johann Georg
liegen, während Süd- und Westdeutschland unter dem
Kommando des Kaisers standen, der sich wiederum mit dem
bayerischen Kurfürsten über regionale Zuständigkeiten
absprach. Finanziert werden sollte die auf eine Sollstärke
von 78000 Mann bezifferte Reichsarmee durch regelmäßig
erhobene Steuern. [8] Diese Armee war das Instrument, mit
dem das längerfristige Ziel des Prager Friedens, Schweden
und Frankreich aus dem Reich herauszudrängen,
durchgesetzt werden sollte.
Neben der Ausschließung der ausländischen Mächte hatte
der Prager Frieden noch ein zweites Manko: Die
Reformierten wurden bei den konfessionspolitischen
Regelungen nicht berücksichtigt. Nur die Anhänger des
Augsburger Bekenntnisses waren einbezogen. Das Recht der
reformierten Fürsten auf freie und ungehinderte
Religionsfestlegung war damit nicht gesichert, weswegen sie
kein Interesse am Beitritt zum Friedensvertrag haben
konnten. Aber auch für alle Reichsstände, die nicht den
Status der Kurfürsten hatten, lief die dem Prager Frieden
zugrunde gelegte Neuordnung des Reichs auf eine
Herabstufung hinaus, denn der Reichstag, auf dem sie Sitz
und Stimme hatten, sollte unter den Prager Bedingungen
seine bisherige Bedeutung verlieren. Das Reich sollte vom
Kaiser im Zusammenwirken mit den Kurfürsten geleitet
werden, wobei dem bayerischen und dem sächsischen
Kurfürsten eine herausgehobene Rolle zufiel. [9] Der Prager
Friede wäre also, wenn er politische Wirksamkeit erlangt
hätte, zum Angelpunkt einer umfassenden Reichsreform
geworden, mit der die alte Reichsverfassung außer Kraft
gesetzt worden wäre. Der Kaiser erhielt das
Rüstungsmonopol, das Bündnismonopol und das Recht zur
Erhebung von Steuern – in Abstimmung mit den Kurfürsten,
aber ohne dass der Reichstag zustimmen musste. [10] Trotz
der besonderen Position, die dem sächsischen und dem
bayerischen Kurfürsten bei der Führung der Reichsarmee
zugestanden wurde, hätte man sich entschieden auf einen
durch die kaiserliche Souveränität beherrschten Zentralstaat
zubewegt.
Neben den konfessionellen Konflikten und den Interessen
der auswärtigen Interventen kommt damit ein weiteres
Problemfeld in den Blick: die Machtverlagerung und
Machtverteilung innerhalb des Reichs. [11] Man darf
bezweifeln, dass eine solche Entwicklung auf Dauer ohne
Widerstand und gewaltsames Gegenhandeln der
Benachteiligten geblieben wäre. In England begann etwa um
diese Zeit eine Opposition, die 1640 in einen offenen
Widerstand des Parlaments gegen die
Kompetenzausweitungen des Königs mündete. Im Frieden
von Münster und Osnabrück unterblieb ein vergleichbarer
Schritt hin zu einem Zentralstaat mit souveräner Spitze, was
nicht nur eine wesentliche Voraussetzung dafür war, dass
der Westfälische Friede zustande kam, sondern vermutlich
auch ausschlaggebend dafür war, dass er dauerhaft hielt. Es
ist zwar reine Spekulation, aber doch nicht unplausibel
anzunehmen, dass die in Münster und Osnabrück installierte
Ordnung eine Revolution englischen Typs in Deutschland
verhindert beziehungsweise «unnötig» gemacht hat.
Unter dem Eindruck der Verheerung großer Gebiete, des
Zusammenbruchs des wirtschaftlichen Lebens in vielen
Territorien, der verwüsteten Städte und der scharenweise
durchs Land ziehenden Flüchtlinge waren im Sommer
1635 – der Prager Vertrag zwischen dem Kaiser und dem
sächsischen Kurfürsten wurde am 30. Mai 1635
unterzeichnet – [12] viele Reichsstände trotz erheblicher
Vorbehalte bereit, dem Frieden beizutreten. So konnte man
für kurze Zeit meinen, hier sei ein bedeutender Schritt zum
dauerhaften Frieden gemacht worden. Dabei wurde jedoch
übersehen, dass zwei zentrale Fragen, die das
Kriegsgeschehen anfänglich geprägt und lange in Gang
gehalten hatten, im Prager Vertrag nicht geregelt waren: die
pfälzische Frage und das Los der böhmischen Exilanten.
Letztere waren sicherlich das geringere Problem, da sie in
Sachsen unter der Aufsicht Johann Georgs standen. In die
pfälzische Frage aber waren auswärtige Mächte involviert,
in jedem Fall England, doch auch die Niederlande, und
schon deshalb war es ausgeschlossen, dass man sie allein
mit repressiven Maßnahmen im Inneren lösen konnte. Das
zeigte sich etwa in den Instruktionen, mit denen der Earl of
Arundel als Sonderbotschafter des englischen Königs Karl
zum Regensburger Kurfürstentag von 1636 geschickt wurde.
Dort wollte Kaiser Ferdinand II. den Friedensschluss in eine
politisch feste Form bringen und seinen Sohn, den König von
Ungarn und Böhmen, als römischen König zu seinem
Nachfolger wählen lassen. Das war ihm auf dem
Kurfürstentag von 1630 trotz der Opferung Wallensteins
nicht gelungen. [13] Da der Kaiser den Kurfürsten im Prager
Frieden weit entgegengekommen war, ging er nun davon
aus, dass die Wahl ohne größere Probleme über die Bühne
gehen würde. Umso störender war der Auftritt des Earl of
Arundel, durch den all die im Prager Vertrag ungelösten
Fragen sichtbar wurden; dementsprechend unwillig wurde
der englische Gesandte in Regensburg abgefertigt. [14] König
Karl I. hatte seinem Gesandten aufgetragen, mit dem
«Kaiser und dem Haus Habsburg eine treue Allianz
einzugehen, um dadurch den Frieden zu sichern»,
«allerdings nur unter der Bedingung […], daß unser Neffe
[der Sohn des verstorbenen Friedrich V. von der Pfalz] in all
seine Würden und Ämter wieder eingesetzt wird». [15] Sobald
der Kaiser in diese Bedingung eingewilligt habe, sei der
englische König bereit, die protestantischen Fürsten und
Staaten im Reich dazu zu drängen, «sich dem Kaiser zu
unterwerfen und einen gerechten und ausgewogenen
Frieden […] anzustreben». Und was noch wichtiger war:
«Auch werden wir darauf hinarbeiten, unsere Nachbarn, die
Generalstaaten der Vereinten Provinzen, zu einem Frieden
oder zumindest einem Waffenstillstand mit dem König von
Spanien und dem Kardinalinfanten zu bewegen. Desgleichen
werden wir mit Frankreich verfahren.» [16]
Das war ein bedeutendes Angebot, denn wäre der
englische König im beschriebenen Sinne tätig geworden,
hätte das den Prager Vertrag um die ausgesparte
internationale Dimension ergänzen können. Ob der englische
Einfluss ausgereicht hätte, um Frankreich und die
nördlichen Niederlande zu Friedensverhandlungen zu
bewegen, muss freilich offen bleiben, da der Kaiser nichts
unternahm, um den englischen König in das Friedensprojekt
einzubinden und den Prager Frieden zum ersten Schritt
eines längeren «Friedensprozesses» zu machen. Der
ablehnende Umgang mit dem Earl of Arundel in Regensburg
zeigt, dass die Wiener Politik nicht wahrhaben wollte, was
der Historiker Axel Gotthard so formuliert hat: «Der
deutsche Konfessionskrieg war in den sechs Jahren seit dem
Restitutionsedikt zum europäischen Hegemonialkrieg
mutiert, reichsintern war dieser Krieg gar nicht mehr
beizulegen.» [17]

Tatsächlich war der Krieg nicht nur ein Verfassungskonflikt


und ein Religionskrieg, sondern von Anfang an auch ein
Hegemonialkrieg, doch sind diese drei Konfliktebenen im
Kriegsverlauf immer enger miteinander verwachsen, und mit
dem militärischen Eingreifen Schwedens und der
zunehmenden Verwicklung Frankreichs hat die Dimension
des Hegemonialkonflikts erheblich an Gewicht gewonnen.
Die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ist auch die
Geschichte beständiger Gewichtsverlagerung zwischen
diesen drei Typen des Krieges. Der Lübecker Friede mit
Dänemark war 1629 zustande gekommen, weil sich die
unterschiedlichen Dimensionen des Krieges ein letztes Mal
voneinander trennen ließen und der gescheiterte
Hegemonialaspirant Dänemark aus dem Krieg ausschied,
ohne dass die Konflikte innerhalb des Reichs zuvor gelöst
sein mussten. [18] Man kann den Prager Frieden als analoges
Projekt mit umgekehrter Reihenfolge begreifen: Man
versuchte, die verfassungspolitischen Fragen und die
konfessionspolitischen Konflikte zu klären, um erst
anschließend die internationale beziehungsweise
hegemoniale Dimension des Krieges zu bearbeiten. Doch die
Trennung von innen und außen, die in Lübeck noch einmal
möglich gewesen war, funktionierte in Prag nicht mehr.
Warum nicht?
Zunächst war die schwedische Position nach der
Niederlage von Nördlingen eine andere als die Dänemarks
nach 1627, als die kaiserlichen Truppen tief in das
Königreich vorgedrungen waren und die Dänen bei Wolgast
eine weitere schwere Niederlage erlitten hatten. Deren
letzter Halt war die für den Kaiser beziehungsweise
Wallenstein unangreifbare Flottenmacht; sie verhinderte die
völlige Niederwerfung Christians IV., verschaffte diesem
aber keine starke Verhandlungsposition bei allen Fragen
innerhalb des Reichs. Christian hat im Lübecker Frieden
seine Verbündeten im Reich samt und sonders aufgegeben.
Das war im Fall Schwedens anders: Nach Nördlingen war
zwar die schwedische Machtstellung in Oberdeutschland
zusammengebrochen, aber das bedeutete nicht, dass der
Kaiser oder der bayerische Kurfürst die zuvor von den
Schweden besetzten Gebiete beherrschte. Der Krieg ging
mit einer räumlichen Verschiebung zum Oberrhein weiter –
nicht zuletzt deswegen, weil Frankreich als Finanzier und
Ausrüster des wieder aufgefüllten Weimaraner Heeres an
die Stelle Schwedens beziehungsweise des Heilbronner
Bundes trat. [19] Außerdem bot der Prager Vertrag für
Südwestdeutschland keine verlässlichen
Friedensregelungen, da der Herzog von Württemberg und
der Markgraf von Baden-Durlach als nondum reconciliati, als
noch nicht mit dem Kaiser Ausgesöhnte, von den
allgemeinen Amnestiezusagen ausgenommen blieben. [20]
Oxenstierna durfte also davon ausgehen, dass er bei dem
Versuch, die schwedische Position in Südwestdeutschland
wiederherzustellen, zuverlässige Verbündete finden würde.
Hier rächte sich, dass der Prager Frieden aus
Separatverhandlungen zwischen dem Wiener Kaiserhaus
und Kursachsen hervorgegangen war: Johann Georg hatte an
den südwestdeutschen Protestanten, die sich seinen
Vorgaben notorisch widersetzt hatten, keinerlei Interesse,
und der Kaiser wollte Südwestdeutschland von der
Rücknahme des Restitutionsedikts ausgenommen wissen, um
die Konzessionsbereitschaft der Unnachgiebigeren unter den
Katholiken am Hof nicht überzustrapazieren. Ohnehin
scheint es in der Frage des Kirchenbesitzes zu einem Ringen
zwischen dem Kaiser und seinem Sohn, dem König von
Ungarn und Böhmen, gekommen zu sein, da dieser zu sehr
viel größeren Zugeständnissen bereit war als sein Vater. [21]
Dass Südwestdeutschland von der Aufhebung des
Restitutionsedikts ausgeschlossen wurde, war ein
Kompromiss zwischen den beiden, der wiederum die
schwedische beziehungsweise französische Position in
diesem Raum stärkte.
Von der Niederlage bei Nördlingen weitgehend
unbetroffen war die schwedische Stellung in
Norddeutschland. Dennoch war man in Schweden bereit,
sich auf einen Frieden mit dem Kaiser einzulassen, wenn
dieser zu «ehrenvollen Bedingungen» geschlossen wurde. [22]
Dies sahen im Grundsatz die assecuratio pacis und die
satisfactio militum vor. [23] Die assecuratio pacis forderte,
dass das Herzogtum Pommern unter schwedische Kontrolle
gestellt wurde, was zulasten Kurbrandenburgs ging; das
hätte die kaiserlichen Interessen zumindest kurzfristig nicht
negativ berührt. Bei der satisfactio militum hingegen, der
Abdankung der Soldaten, hätte Geld aufgewendet werden
müssen, das von den protestantischen Reichsständen
aufzubringen gewesen wäre, was ihren Beitritt zum Prager
Frieden erheblich erschwert und damit unwahrscheinlich
gemacht hätte. Die bei der Abdankung der Truppen
anfallenden Kosten sollten auch bei den
Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück ein
Haupthindernis auf dem Weg zu einem schnellen Frieden
darstellen.
Unter den gegebenen Umständen fiel es Oxenstierna nicht
schwer, den Stockholmer Reichsrat davon zu überzeugen,
dass ein Friedensschluss mit dem Kaiser vorerst nicht in
greifbarer Nähe lag – jedenfalls nicht zu «ehrenvollen
Bedingungen». Oxenstiernas Position wurde dadurch
gestärkt, dass Frankreich bereit war, einen Teil der
schwedischen Kriegskosten zu übernehmen. Das war
dringend erforderlich, da der schwedischen Kriegführung
mit dem Zerfall des Heilbronner Bundes die
Finanzierungsgrundlage entzogen war. Frankreich wurde so
zum ausschlaggebenden Akteur, der für die Fortsetzung des
Krieges sorgte. Hätte Richelieu im Sommer 1635 eine
andere Politik verfolgt, so wäre der Krieg vielleicht nicht
sogleich zu Ende gewesen, da die beschäftigungslosen
Truppen nach wie vor im Land standen und nach
Auftraggebern Ausschau gehalten hätten, aber der Krieg
hätte an Intensität verloren und wäre nach dem dann
unvermeidlichen Rückzug Schwedens mit der Zeit wohl
«eingeschlafen». Obwohl es 1635 noch nicht offiziell in den
Krieg eingetreten war, wurde Frankreich nun zur
wichtigsten Triebkraft des Krieges, weswegen viele
Historiker ab 1635 nicht mehr vom «schwedischen»,
sondern vom «schwedisch-französischen Krieg» sprechen.
[24]

Erst einmal sah freilich alles so aus, als könnte das Jahr
1635 zu einem großen Erfolg der kaiserlichen Politik
werden, denn immer mehr Reichsstände traten dem Prager
Frieden bei. Nur wenige, wie etwa Landgraf Wilhelm von
Hessen-Kassel, widersetzten sich dieser Entwicklung.
Oxenstierna sprach davon, der Kaiser habe «mit diesem
Frieden mehr erreicht als mit zwei Schlachten bei
Nördlingen». [25] Die schwedische Position in Deutschland
wurde durch die Beitritte der Fürsten immer weiter
geschwächt, insofern war Oxenstiernas Behauptung
wahrscheinlich durchaus zutreffend. Bestätigt wurde damit
Wallensteins zuletzt verfolgte Politik, die nicht auf
militärische Siege, sondern auf die politische Aufweichung
der durch Gustav Adolfs Erfolge geeinten Front der
Protestanten gesetzt hatte. «In summa», so Oxenstierna,
«haben nun Unbeständigkeit, Bosheit und Torheit bei diesen
Verbündeten überall die Oberhand gewonnen und so tiefe
Wurzeln geschlagen, daß man ihnen nicht mehr helfen kann.
Sie laufen in ihr eigenes Verderben, und fast niemand ist
übrig von denen, die mit uns kooperieren sollten. Trotzdem»,
so muntert sich Oxenstierna selbst auf, «will ich für meine
Person meiner Pflicht nachkommen, es ist mein höchstes
Gesetz, dieses schwache, nunmehr schiefe Werk aufrecht zu
erhalten, so lange ich kann.» [26]
Das aber war nur möglich, wenn sich Schweden aus
Süddeutschland zurückzog und den Kriegsschauplatz am
Rhein den Franzosen überließ, die am Oberrhein mit den von
ihnen finanzierten Truppen Herzog Bernhards auftraten,
während sie am Mittelrhein zwischen Mainz und Koblenz
sowie an der Mosel eigenes Militär einsetzten. Die
Schweden suchten sich dagegen auf dem norddeutschen
Kriegsschauplatz festzusetzen, wo Feldmarschall Johan
Banér das Kommando führte und allmählich die Initiative
zurückerlangte. Zunächst musste er jedoch Meutereien von
Soldaten niederschlagen, die eine sofortige Auszahlung ihres
Soldes verlangten, was infolge der prekären Haushaltslage
nicht möglich war. In einer Mischung aus Härte und
Versprechen gelang es Banér, die Disziplin
wiederherzustellen. Er war sich darüber im Klaren, dass er
sich damit nur Zeit gekauft und keineswegs die Probleme
des schwedischen Heeres gelöst hatte. Es bedurfte eines
großen Sieges, um die Reputation der schwedischen Waffen
zu erneuern und so viel Beute zu machen, dass die Soldaten
in materieller Hinsicht vorerst zufriedengestellt waren.
Banér musste also die Schlacht suchen und diese zur Not
auch unter ungünstigen Bedingungen annehmen. Im
Sommer und Herbst 1635 hing die schwedische Position in
Deutschland erneut fast ausschließlich vom Kriegsglück ab.
Doch Banér war der richtige Mann, um mit diesem
Entscheidungs- und Erfolgsdruck umzugehen.
Banér stammte nicht aus der schwedischen
Militäraristokratie, sondern war innerhalb des Militärs
aufgestiegen. [27] Als Kommandeur hielt er seine Truppen
ständig in Bewegung und sorgte dafür, dass sie
ununterbrochen Feindkontakt hatten. Er war ein Meister der
Kleinkriegführung und verfügte über bemerkenswerte
taktische Fähigkeiten. Von strategischen Fragen verstand er
wenig, sie interessierten ihn auch nicht. Er überließ sie
Oxenstierna, was offenbar die Voraussetzung dafür war,
dass die beiden miteinander auskamen. Banér war kaum zur
Kooperation fähig. Oxenstiernas politische Autorität jedoch
erkannte er an, und dessen strategische Vorgaben stellte er
niemals in Frage. Auch mit Lennart Torstensson, dem
zweiten Mann der Armee, kam Banér gut zurecht. Ansonsten
war er notorisch damit beschäftigt, seine Generäle
gegeneinander auszuspielen, zum einen, weil er ihnen
misstraute, zum andern, weil er überzeugt war, sie ließen
sich so zu besseren Leistungen motivieren. Banér war nach
dem Urteil des Kriegshistorikers William Guthrie eine der
abstoßendsten Gestalten des gesamten Krieges, zynisch und
brutal, ein Alkoholiker und Weiberheld – eine
Charakterisierung im Übrigen, die in der Kriegsgeschichte
immer wieder auftaucht.

Schiller mit Wallensteins Lager sowie Brecht mit seiner Mutter Courage haben
unsere Vorstellung vom Heerlager im Dreißigjährigen Krieg geprägt. Das hier
abgebildete, im Unterricht der 1930er Jahre eingesetzte Schulwandbild entspricht
dieser Vorstellung: Dem reich gedeckten Tisch und den bereitstehenden Fässern
nach zu urteilen, sind die Soldaten gut versorgt, besser jedenfalls als die drei sich
von links nähernden Gestalten, die offenbar etwas vom Festmahl der Soldaten
abhaben wollen. Die abgestellten Wagen und die Zelte zeigen, dass sich das
Militär hier für einige Zeit eingerichtet hat.

Die Trennung der Kriegsschauplätze zwischen Schweden


und Frankreich führte zu einer eigenständigen Entwicklung
beider Heere. Unter Gustav Adolf hatten sich die
nationalschwedischen Teile des Heeres mit den deutschen
gemischt, und die Führungsebene hatte sich zunehmend
«eingedeutscht». Im Zuge der schnellen
Heeresvergrößerung wuchs der Anteil der deutschen
Söldner auf bis zu vier Fünftel. [28] Das änderte sich nach der
Niederlage von Nördlingen und der Teilung des Heeres in
die Truppen Bernhards und die Banérs. Während Herzog
Bernhard fast ausschließlich deutsche Söldner befehligte,
die im Lauf der Zeit durch französische Einheiten ergänzt
wurden, nahm der Anteil nationalschwedischer Soldaten in
der Armee Banérs zu, und wenn dieser weitere Söldner
hinzuholte, so bevorzugte er Einheiten, die vor allem in
Schottland geworben und aufgestellt worden waren. Banér
unterstellte den deutschen Söldnern, sie kämpften allein um
des Soldes willen, und darum würden sie auch bei
Meutereien stets die Hauptrolle spielen. [29] Außerdem
wechselten sie sehr viel leichter und häufiger die Fronten als
die in Schottland geworbenen Söldner. Banérs Heer war also
sehr viel stärker schwedisch geprägt als das Heer Gustav
Adolfs in den Jahren 1631 und 1632. [30] Von den acht
Generälen, die an der Schlacht bei Wittstock teilnahmen,
waren drei Schweden, vier Schotten und nur einer ein
Deutscher. [31]
Banér bevorzugte von sich aus eine Kleinkriegführung, die
in schnellen Schlägen, Hinterhalten und Überfällen bestand,
bei der er nur begrenzte Risiken einging und nie alles aufs
Spiel setzen musste. Außerdem trug die Kleinkriegführung
den veränderten logistischen Gegebenheiten Rechnung. Es
gab in Deutschland kaum noch Regionen, aus denen man für
längere Zeit größere Truppenmassen versorgen konnte, weil
fast alle bereits vom Krieg verheert waren. Die Befehlshaber
beider Seiten sahen sich gezwungen, ihre Verbände breiter
zu verteilen; so wurden die Truppen andererseits
beweglicher, der Tross wurde kleiner und verlor an
Bedeutung. Wer diese neuen logistischen Umstände nicht
begriff und daraus nicht die erforderlichen Konsequenzen
zog, erwies sich, wie Matthias Gallas, als ein
«Heerverderber», der seine Truppen nicht im Kampf
zugrunde richtete, sondern durch ihre Konzentration zu
einer Schlacht, die dann nicht geschlagen wurde. [32] Banér,
Torstensson und Turenne auf der einen sowie Piccolomini,
Montecuccoli und Mercy auf der anderen Seite
konzentrierten ihre Truppen dagegen nur kurz und in
kleinerer Zahl. Sie griffen überfallartig den noch breit
verteilten Gegner an, zerschlugen seine Einheiten, machten
Beute und lösten danach die eigene Truppenkonzentration
wieder auf. Das erklärt, warum der Anteil von Kavalleristen
gegenüber Infanteristen im letzten Jahrzehnt des Krieges
ständig anstieg, bis beide Waffengattungen sich ungefähr
die Waage hielten. [33]
Unter diesen Umständen drängte der Krieg von sich aus
noch weniger zur militärischen Entscheidung, als er das
zuvor getan hatte. Diese Art des Krieges konnte endlos
weitergeführt werden, und sie war noch sehr viel stärker auf
die Entkräftung und Verheerung des Landes angelegt als der
Krieg der zurückliegenden knapp zwei Jahrzehnte. «Die
Verwüstung weiter Teile Deutschlands», so der Historiker
Georg Schmidt, «begann erst 1635, als der Krieg alle
geregelten Bahnen verließ.» [34] Das ist, wenn man die
Landstriche betrachtet, in denen der Krieg vor 1635 über
längere Zeit geführt worden ist, sicherlich übertrieben. Es
bringt aber pointiert zum Ausdruck, dass man sich beim Tod
Gustav Adolfs und Wallensteins noch nicht hatte vorstellen
können, zu welch furchtbaren Verheerungen der Krieg noch
führen würde.

Die Schlachten von Nördlingen und Wittstock sind


Übergangsetappen zwischen der mittleren und der
Schlussphase des Krieges, weil es in ihnen noch einmal zum
direkten Transfer militärischen Erfolgs in politische Macht
kam: Zum letzten Mal in diesem Krieg hatte das Geschehen
auf dem Schlachtfeld unmittelbaren Einfluss auf die
politischen Konstellationen und die Machtverteilung im
Reich. Bei Nördlingen war die schwedische Macht in
Süddeutschland zusammengebrochen, und der Krieg, der bis
dahin ein schwedisch-bayerisch-kaiserlicher Krieg gewesen
war, begann ein französisch-schwedisch-kaiserlich-spanisch-
bayerisch-sächsischer Krieg zu werden; bei Wittstock wurde
die schwedische Macht in Norddeutschland
wiederhergestellt, und man konnte danach davon ausgehen,
dass es nicht möglich war, die Schweden mit bewaffneter
Hand aus Deutschland herauszudrängen. Ein
Friedensschluss, der das Reich in seiner Gänze und auf
Dauer befrieden sollte, konnte nur unter Einschluss
Schwedens erfolgen.
In den Monaten vor der Wittstocker Schlacht hatte es für
die Schweden und die im Bündnis mit ihnen verbliebenen
Nordhessen nicht gut ausgesehen: Die Truppen des
kaiserlichen Generals Johann von Götz setzten denen des
Landgrafen von Hessen-Kassel schwer zu. Banér war
gezwungen, ein Armeekorps zu schicken, um zu verhindern,
dass die Kaiserlichen den Landgrafen niederwarfen. Dieser
hatte nach der Zweiteilung der Kriegsschauplätze eine
politisch wichtige Stellung gewonnen, da er das Bindeglied
zwischen den Schweden im Nordosten und den Franzosen
beziehungsweise den Truppen Herzog Bernhards im
Südwesten war. Wurde Landgraf Wilhelm aus der
antihabsburgischen Koalition herausgesprengt oder gerieten
seine Territorien dauerhaft unter kaiserliche Kontrolle, so
würden beide Kriegsschauplätze strategisch voneinander
getrennt, und die kaiserlich-bayerisch-sächsische Seite hätte
noch mehr Optionen als ohnehin schon. Es war für Banér
also ausgeschlossen, die prinzipiell verfügbaren Kräfte im
Nordosten zu einer Schlacht gegen die kursächsischen und
die kaiserlichen Truppen zu konzentrieren. Außerdem
musste er seine Versorgungsbasis in Pommern und die damit
verbundenen Rückzugslinien sichern, die durch ein an der
Oder stehendes kaiserliches Armeekorps unter
Feldmarschall Graf Rudolf Morzin (Rodolfo Giovanni
Marrazino) bedroht waren. [35] Banér musste seine Armee
also dreiteilen: 6000 Mann unter dem Schotten Alexander
Leslie entsandte er zur Weser, um den Hessen beizustehen,
6000 Mann unter dem Schweden Karl Gustav Wrangel
sollten Pommern decken, und er selbst bezog mit
12000 Mann im Raum Magdeburg Position. Dort konnte er
jedoch nicht bleiben, weil er das bedrängte Lüneburg
entsetzen musste. Währenddessen wurde Magdeburg von
den Sachsen erobert, und Banér war gezwungen, sich in die
Altmark zurückziehen, wo sich das Heer nicht lange
versorgen ließ, weil das Land von ständigen
Truppendurchzügen verheert war. Einstweilen bezog er bei
Dömitz ein befestigtes Lager, dessen Versorgung über die
nahe Elbe gesichert war. [36]
Das kaiserlich-sächsische Heer setzte auf
Manöverkriegführung: Die Schweden sollten, indem man
ihre Versorgungslinien abschnitt, Schritt für Schritt
zurückgedrängt werden. Kurfürst Johann Georg ging es vor
allem darum, sie möglichst weit von seinen Territorien
entfernt zu wissen, da er befürchtete, Banér plane einen
Einbruch nach Kursachsen, um seine Truppen dort zu
versorgen und sich so für den Bündniswechsel der Sachsen
zu rächen. Die Kommandostruktur im kaiserlich-sächsischen
Heer ist nicht leicht zu durchschauen, da Melchior von
Hatzfeld, der die operative Führung innehatte, in den
Quellen mitunter als kaiserlicher Feldmarschall, aber dann
auch wieder als sächsischer Generalleutnant bezeichnet
wird. [37] Heute würde man wahrscheinlich von einem
«Doppelhut» Hatzfelds sprechen, mit dem eine einheitliche
Kommandoführung der verbundenen Heere sichergestellt
werden sollte. Gemäß dem Prager Vertrag lag die Führung
der Heere bei Kurfürst Johann Georg, dem aber die
Fähigkeit abging, in der Schlacht einen kühlen Kopf zu
bewahren. Das hatte er bei Breitenfeld gezeigt, als er Gustav
Adolf durch seine überstürzte Flucht vom Schlachtfeld fast
um den Sieg gebracht hatte. [38] Der Wiener Hofkriegsrat
wollte ihm die kaiserlichen Regimenter nicht anvertrauen,
den neugewonnenen Verbündeten aber auch nicht vor den
Kopf stoßen. Die Doppelfunktion Hatzfelds sollte beiden
Anforderungen genügen. Das stellte sich bei Wittstock als
ein Problem heraus, da jede Anweisung Hatzfelds – so
jedenfalls stellte er es selbst danach dar – mit Verzögerung
umgesetzt wurde, weil sich der Kurfürst ständig einmischte.
Koalitionskriegführung war schwierig, [39] und während sie
bei Nördlingen unter den habsburgischen Cousins gut
geklappt hatte, litt sie bei Wittstock unter einer Fülle von
Spannungen.
Anfang September scheinen beide Seiten zu dem Ergebnis
gelangt zu sein, dass eine Entscheidungsschlacht
unvermeidlich war, wenn man den Feldzug des Jahres 1636
erfolgreich beenden wollte. Jedenfalls zogen Banér wie
Hatzfeld die detachierten Armeekorps an sich, um mit allen
verfügbaren Kräften in die Schlacht zu ziehen. [40] Marrazino
verließ das Odergebiet an der Grenze zu Pommern und stieß
mit seinen Regimentern bei Havelberg zur Hauptarmee.
Banér wiederum zog das Leslie’sche Korps an sich, ebenso
die kleineren Detachements unter Hans Vitzthum, einem
sächsischen Lutheraner, der auch nach dem Prager Frieden
auf schwedischer Seite geblieben war, und Torsten
Stålhandske, einem finnischen Kavalleristen, der es trotz
seiner militärischen Erfolge nie in den inneren Zirkel der
schwedischen Heeresführung geschafft hat. Durch einen
schnellen Vorstoß zu dem Flüsschen Dosse gelang es Banér,
den Zuzug der an der Havel stehenden sächsischen Truppen
unter Oberst Johann Kaspar von Klitzing zum kaiserlich-
sächsischen Hauptheer zu verhindern. Die Angaben über die
Kräfteverhältnisse beider Seiten differieren stark: Während
Banér in seinen Berichten behauptete, der Gegner sei ihm
im Verhältnis von zwei zu drei überlegen gewesen, machte
Hatzfeld die entgegengesetzte Angabe. Einige jüngere
Forscher gehen inzwischen davon aus, beide Seiten seien
ungefähr gleich stark gewesen, die Schweden etwas weniger
als 20000 Mann, die kaiserlich-sächsische Seite
wahrscheinlich etwas mehr. [41] Die Ausgangslage war
jedoch recht unterschiedlich: Banér, wie oben angedeutet,
musste die Schlacht schlagen und gewinnen, um die Sache
Schwedens in Deutschland zu retten; Hatzfeld hingegen
konnte die Schlacht schlagen, musste es aber nicht, weder
aus politischen noch aus strategischen Gründen. So konnte
Hatzfeld sich auch in einem Lager verschanzen und darauf
warten, dass Banér ihn angriff. Banér musste Hatzfeld also
unter Druck setzen, um ihn daran zu hindern, eine günstige
Position zu finden, was ihm nur teilweise gelang. Hatzfeld
bezog auf einer flachen Anhöhe südwestlich von Wittstock
Stellung und ließ das Gelände für eine Schlacht vorbereiten:
Die Soldaten warfen Schanzen auf und schufen freies
Schussfeld für die günstig postierten Kanonen. [42]
Banér erreichte am Vormittag des 4. Oktober die Dosse. Er
ließ das Gelände hinter dem Fluss erkunden und kam zu dem
Ergebnis, dass ein Frontalangriff auf die Stellungen des
Feindes unmöglich war. Banér wie Torstensson hatten
Gustav Adolfs Frontalangriff auf Wallensteins Lager bei der
Alten Veste nahe Nürnberg noch in Erinnerung und wollten
diesen Fehler nicht wiederholen. [43] Die Ausgangslage war
damit der von Nördlingen nicht unähnlich, aber während
Horn und Bernhard dort nur gegen einen Flügel des Gegners
operiert hatten, entschloss sich Banér zu einer doppelten
Bewegung: Der linke Flügel unter Stålhandske sollte ein
weiträumiges Umgehungsmanöver durchführen und der
kaiserlich-sächsischen Armee in den Rücken fallen, sobald
diese ihren rechten Flügel entblößt und alle Kräfte auf den
schon zuvor von den Schweden angegriffenen linken Flügel
geworfen hatte. Der wiederum sollte von Torstensson auf
kurzem Bogen umgangen und von der Flanke her
angegriffen werden. Banér wollte mit dem Gros der Truppen
folgen, während Leslie diesen Angriff auf den Flügel des
Feindes unterstützen sollte, indem er dessen Zentrum
angriff und ihn so daran hinderte, Kräfte an den linken
Flügel abzugeben. Als Reserve wurde Vitzthum mit einigen
Regimentern zurückgehalten. Es war absehbar, dass der
schwedische rechte Flügel für längere Zeit die Hauptlast des
Kampfes zu tragen hatte. Alles kam darauf an, dass die
gegen das gegnerische Zentrum und gegen dessen Rücken
eingesetzten Truppen zum richtigen Zeitpunkt in das
Kampfgeschehen eingriffen: Kamen sie zu früh, hatte die
Gegenseite die durch den schwedischen Flankenangriff
provozierten Kräfteverlagerungen noch nicht vollzogen, und
sie attackierten frontal ein noch ungeschwächtes Zentrum
oder trafen auf Einheiten, die ihnen noch nicht den Rücken
boten. Es ging somit um einen nachhaltigen Gebrauch der
Kräfte, wie Clausewitz das genannt hat, [44] aber der war nur
möglich, wenn der Gegner zuvor genau so reagierte, wie
Banérs Schlachtplan das vorsah.

Im Unterschied zu den Schlachtenbildern in Merians Theatrum Europaeum, die das


Geschehen aus der Vogelperspektive darstellen, haben Caspar Luyken und Pieter
van der Aa für ihre (freilich mehr als ein halbes Jahrhundert später entstandene)
Darstellung des schwedischen Sieges bei Wittstock im Oktober 1636 den Blick in
Augenhöhe der Kämpfenden gewählt. Die gewalttätige Dynamik tritt dabei an die
Stelle der sich allmählich entwickelnden Ordnung, und aus dem Schachspiel mit
Regimentern wird ein blutiger Kampf.

Der schwedische Angriff auf den linken feindlichen Flügel


war dank des Überraschungsmoments und des Eingreifens
der von Banér geführten Hauptmacht zunächst erfolgreich.
Dann verschob Hatzfeld seine Truppen und erlangte
seinerseits die Übermacht. Nun folgte Leslies Angriff auf
Hatzfelds Zentrum, so dass dort starke Kräfte gebunden
waren und nicht auf den linken Flügel befehligt werden
konnten. In dieser Situation entschloss sich Hatzfeld, seinen
eigenen rechten Flügel einzuziehen und dessen Kräfte auf
dem linken Flügel einzusetzen, wo er die Entscheidung
herbeiführen wollte. Doch die fiel auf ganz andere Weise, als
Hatzfeld erwartet hatte, denn damit gab er den Rücken frei,
in den Stålhandskes Reiterei nun hineinstieß. Zwei Mal hatte
Hatzfeld die Chance gehabt, die Schlacht für sich zu
entscheiden: vor dem Angriff Leslies mit dem Fußvolk und
vor der Kavallerieattacke Stålhandskes, doch beide Male
hatte er die zeitweilige Überlegenheit nicht entschlossen
genug genutzt. Damit war die Niederlage besiegelt.
Die schwere Artillerie der Sachsen und Kaiserlichen war
verloren, die Formationen lösten sich auf, und erste
Einheiten hatten in der einbrechenden Dunkelheit bereits
das Schlachtfeld verlassen. Hatzfeld und Johann Georg
befahlen den Rückzug, der durch vier Kavallerieregimenter
Montecuccolis gedeckt wurde. Die siegreichen Schweden
waren zu erschöpft, um entschieden nachzusetzen. Dennoch
waren die sächsisch-kaiserlichen Verluste deutlich höher als
die der Schweden, die keine Gefangenen, aber viele
Gefallene zu beklagen hatten. Die gesamte Bagage und nicht
zuletzt der Silberwagen Kurfürst Johann Georgs fiel in die
Hände der Schweden, die damit ihren Ruf als militärische
Macht wiederherstellen konnten. Wittstock war kein
überwältigender Sieg, aber ein Erfolg, der den Schweden
Luft verschaffte und ihre politische Position in
Norddeutschland erneuerte. Hatzfeld zog sich über
Pritzwalk und Werben nach Halberstadt zurück, wo die
Sachsen Winterquartier bezogen, während die Kaiserlichen
sich nach Westfalen begaben.

Wenige Wochen vor der Schlacht bei Wittstock, am


7. September, war in Regensburg der Kurfürstentag eröffnet
worden. Allein dass dies möglich war, zeigt die gefestigte
Stellung der habsburgisch-wittelsbachischen Partei in
Süddeutschland. Die Kurfürsten von Köln, Mainz und Bayern
reisten ebenso wie der Kaiser persönlich an, Kursachsen und
Kurbrandenburg waren durch Gesandte vertreten; die
Stimme des Trierer Erzbischofs, der sich wegen seines
Bündnisses mit Frankreich in kaiserlicher Haft befand,
wurde als ruhend betrachtet. [45] Am 22. Dezember wurde
der König von Ungarn und Böhmen zum Römischen König
gewählt und damit ein Interim verhindert, das man
angesichts des schlechten Gesundheitszustands
Ferdinands II. befürchtet hatte. Nachdem endlich erreicht
war, was er sich für seinen Sohn wünschte, reiste Ferdinand
nach Wien zurück, wo er am 15. Februar 1637 starb. Er
hatte in den knapp zwanzig Jahren seiner Herrschaft
ununterbrochen Krieg geführt, und dabei hatte er das
doppelte Ziel verfolgt, die kaiserliche Macht im Reich
wiederherzustellen und gleichzeitig den Einfluss der
römischen Kirche in Deutschland zu erneuern. Er war
diesem Ziel einige Male sehr nahe gekommen; in der Summe
aber muss man festhalten, dass Ferdinands Erfolge
weitgehend auf die Konsolidierung seiner Macht in den
habsburgischen Erblanden beschränkt blieben. Mit Blick auf
die Geschichte des Kaiserreichs war das nicht viel; im
Hinblick auf die Stellung des Hauses Habsburg in
Mitteleuropa dagegen schon sehr viel mehr. Ferdinand II.
sei, so hat Anton Gindely Ende des 19. Jahrhunderts das
Leben und Wirken des Kaisers zusammengefasst, ein
frommer und gutmütiger Mensch gewesen, «dessen Einsicht
und Thatkraft allein auf die Bewältigung und Ausrottung
seiner religiösen Gegner gerichtet und damit auch erschöpft
war, denn in allen anderen entscheidenden und
tiefgehenden Fragen bewegte er sich nur auf der Oberfläche
und scheute die eingehende und mühevolle Arbeit». [46]
Ferdinand III. übernahm von seinem Vater ein schweres
Erbe: Fast keines der Probleme, mit denen der verstorbene
Kaiser zu tun gehabt hatte, war gelöst oder auch nur einer
Lösung nahe; die Lage war zwar nicht mehr so schlecht wie
auf dem Höhepunkt des schwedischen Siegeszugs einige
Jahre zuvor, aber die Anzahl der Feinde hatte sich
vergrößert, und ein Ende des Krieges war trotz des Prager
Friedens nicht in Sicht.
Die große Klage: Unglücksbewältigung in
Literatur und bildender Kunst

Ich mache mir Gedanken, daß Deutschland immerdar,


Es tobe, wer da wolle, wird bleiben, was es war,
Im Fall mit fremden Schanden die deutschen Redligkeiten,
Vielmehr mit deutschem Hertzen, wir bessern, nicht
bestreiten. [1]

Verzweiflung und Hoffnung, Augenblick und Dauer, Fremdes


und Eigenes sind in diesem Sinngedicht Friedrich von
Logaus antithetisch gegenübergestellt, und es ist gerade die
Ordnung der Antithesen, die dem Dichter in einer Situation
der Not und des Unglücks die Hoffnung gibt, dass es bei Not
und Elend nicht bleiben wird. Mehr noch als eine bloße
Hoffnung formuliert Logau eine feste Zuversicht, die er sich
verschafft, indem er die Lage Deutschlands in diesem Krieg
als einen Augenblick begreift, der dem Dauerhaften und
Bleibenden wieder weichen muss. Aus Logaus Versen spricht
die Zuversicht, dass der Krieg die Konstellationen in
Deutschland nicht auf lange Zeit bestimmen wird, sondern
nur eine Unterbrechung, eine Störung ist. Die
Gegenüberstellung von Augenblick und Dauer, Situation und
Konstellation ist eine Form der Leidensbearbeitung und
Unglücksbewältigung des schlesischen Dichters, die durch
eine weitere Form ergänzt wird: die Kontrastierung des
Eigenen und des Fremden. Mit dem Krieg haben sich
Sittenverfall und Lasterhaftigkeit ausgebreitet, aber sie sind
ein Fremdimport und werden sich gegen die alte deutsche
Redlichkeit auf lange Sicht nicht durchsetzen. Logau
schreibt gegen die Furcht an, der nunmehr seit Jahren zu
beobachtende Verfall der Sitten werde eine Rückkehr zum
Früheren unmöglich machen; man könne politisch wohl
irgendwann Frieden schließen, aber die sozialmoralische
Verfassung der Gesellschaft aus Vorkriegszeiten werde
damit nicht zurückkommen.
Logau beschreibt die Lage aus einer gewissen Distanz.
Nicht seine eigene Situation bedenkt er, sondern die des
Landes, und es geht ihm nicht um materielle Zustände,
sondern um die moralischen Folgen des Krieges. Die
physische Verwüstung Deutschlands ist dagegen ein großes
Thema in der Literatur, die unter dem unmittelbaren
Eindruck des Krieges entstanden ist: die abgebrannten
Häuser, die verheerten Bauernhöfe, die zerstörten Städte. In
den Selbstzeugnissen aus der Zeit des Krieges, den
Tagebüchern und Briefen, geht es zumeist um unmittelbare
Ereignisse und deren Erleben; dabei stehen die materiellen
Folgen im Vordergrund, die Verluste an Hab und Gut, aber
auch der Tod von Verwandten und Freunden, dazu die
Beschäftigung mit der Frage, wie man selbst die nächsten
Tage und Wochen überleben wird. [2] In den literarischen
Zeugnissen des Krieges geht es durchaus auch um solche
Fragen, aber mehr noch darum, was wohl die längerfristigen
Auswirkungen des Unheils sein werden, das über das Land
gekommen ist, und ob es hinter dem Geschehen einen
göttlichen Sinn gibt oder zumindest eine innerweltliche
Gesetzmäßigkeit, die aufzudecken etwas Tröstliches hat. Das
ist der Modus einer Leidensbearbeitung und
Unglücksbewältigung durch Kultur: dass man nach dem
verborgenen Sinn des Elends fragt und sich mit Gottes
unergründlichem Ratschluss abmüht oder sich auf die Suche
nach Strukturmustern macht, um die traumatischen
Erlebnisse auf diese Weise zu bearbeiten.
Logau beschreitet den zweiten Weg und schöpft daraus
neue Zuversicht: Der Augenblick wird von der Dauer vertilgt
werden, und das Fremde wird dem Eigenen wieder weichen.
Krieg, Niedergang und Verfall sind nicht das letzte Wort.
Diese in Anbetracht der materiellen wie seelischen
Verwüstungen beruhigende Konstruktion hatte für das
deutsche Selbstverständnis einen sehr hohen Preis, der sich
bis ins 20. Jahrhundert hinein bemerkbar gemacht hat: eine
Form von Selbstgerechtigkeit, die darin gipfelte, dass man
stets die anderen als die Ursache der Probleme ausgemacht
und fast nie sich selbst in der Verantwortung gesehen hat.
Es seien die Fremden, die das Eigene malträtierten; man
selbst sei das Opfer und die anderen seien die Täter. Man
wehre sich bloß, wenn sie einem auf den Leib rückten. Die
eigene Redlichkeit und Tugend komme dabei aber nicht
unter die Räder, sie werde allen Anfechtungen und
Herausforderungen zum Trotz Bestand haben. Logau war
nicht der Einzige, der diesen Mechanismus der
Leidensbearbeitung und Unglücksbewältigung nutzte, und
weil viele auf ihn zurückgriffen, wurde er zu einem festen
Bestandteil der politischen Kultur und der kollektiven
Mentalität der Deutschen. Thomas Manns zu Beginn des
Ersten Weltkriegs geprägte Formel von der
«machtgeschützten Innerlichkeit» steht ganz in dieser
Tradition. Der Dreißigjährige Krieg hat in Deutschland
tiefere Spuren hinterlassen als nur physische Zerstörungen
und demographische Einbrüche.
Das Verhängnisvolle ist, dass Friedrich von Logaus
Antithesen angesichts der Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges unbestreitbare Plausibilität hatten: Der Krieg war in
dem nur eingeschränkt zum Reich gehörenden Böhmen
ausgebrochen und hatte von dort aus immer stärker auf
Deutschland übergegriffen; danach waren immer mehr
ausländische Soldaten nach Deutschland geströmt und
hatten es zum Tummelplatz des Krieges gemacht: als Erstes
Spanier und Italiener, dann Schotten und Iren, Dänen und
Schweden, Polen und Kroaten, zuletzt auch noch Franzosen.
Es seien ja, so eine häufig zu hörende These, überwiegend
italienische Offiziere gewesen, die Wallensteins Ermordung
organisiert, sowie Schotten und Iren, die sie ausgeführt
hätten. Es wäre Logau jedenfalls nicht schwergefallen zu
sagen, was er mit «den fremden Schanden» konkret meinte.
Dagegen ließ sich leicht eine «deutsche Redlichkeit»
konstruieren. Gustav Adolf dürfte etwas von diesem Gestus
der Selbstgerechtigkeit gespürt haben, als er in seiner
Nürnberger Anklagerede den deutschen Offizieren seines
Heeres vorwarf, sie vor allem seien es, die für den Ruin der
Sitten und die Ausbreitung des Lasters in Deutschland die
Verantwortung trügen. [3]
Logaus Blick auf den Krieg ist nicht durch eine starke
Parteinahme im Konflikt der Konfessionen geprägt. So
erklärt er:»Lutherisch / Päbstisch und Calvinisch / diese
Glauben alle drey // Sind vorhanden; doch ist Zweiffel / wo
das Christentum dann sey.» [4] Sehr viel stärker tritt bei ihm
eine nationalpatriotische Parteinahme hervor, in der sich
auch die Eigen-fremd-Antithese wieder zeigt, etwa in dem
Gedicht «Der deutsche Friede»:

Was kostet unser Fried? O, wie viel Zeit und Jahre!


Was kostet unser Fried? O, wie viel graue Haare!
Was kostet unser Fried? O, wie viel Ströme Blut!
Was kostet unser Fried? O, wie viel Tonnen Gut!
Ergetzt er auch dafür und lohnt so viel veröden?
Ja; wem? Frag Echo drumm; wem meint sie wohl?
[Echo.] den Schweden. [5]

Andreas Gryphius, der sicherlich bedeutendste schlesische


Dichter der Zeit, kam ohne solche Eigen-fremd-
Konstruktionen aus. In seinem bekanntesten Gedicht
«Threnen des Vaterlandes» aus dem Jahr 1636 beschrieb er
in einem Crescendo der Schrecken den Zustand
Deutschlands:

Wir sind doch nuhmer gantz / ja mehr den gantz verheret!


Der frechen völcker schaar / die rasende posaun
Das vom blutt fette schwerdt / die donnernde Carthaun
Hatt alles schweis / vnd fleis / und vorraht auff gezehret.
Die türme stehn in glutt / die Kirch ist vmbgekehret.
Das Rathaus ligt im graus / die starcken sind zerhawn.
Die Jungfrawn sindt geschändt / vnd wo wir hin nur schawn
Ist fewer / pest / vnd todt der hertz vndt geist durchfehret.
Hier durch die schantz vnd Stadt / rint alzeit frisches blutt.
Dreymall sindt schon sechs jahr als vnser ströme flutt
Von so viel leichen schwer / sich langsam fortgedrungen.
Doch schweig ich noch von dem was ärger als der todt.
Was grimmer den die pest / vndt glutt vndt hungers noth
Das nun der Selen schatz / so vielen abgezwungen. [6]

Das ganze Land verheert, Kirche und Rathaus zerstört, die


Männer erschlagen und die Frauen vergewaltigt; Seuchen
greifen um sich, während die Kriegsgewalt kein Ende
nehmen will und immer neue Ströme von Blut fordert. Das
war zunächst die Erfahrung in Schlesien, wo der Krieg schon
früh Einzug gehalten hatte und dann immer wieder das Land
verwüstete. Seit Ende der 1620er Jahre hatte sich die
Kriegsgewalt verstetigt und mit der Vertreibung von
Bevölkerungsgruppen verbunden. In den frühen 1630er
Jahren hatte die Pest das Land heimgesucht und ganze
Landstriche entvölkert. [7] Auch Gryphius arbeitet mit
Antithesen, doch diese dienen nicht wie bei Logau dazu, in
all dem Niedergang die Zuversicht auf bessere Zeiten
aufrechtzuerhalten, sondern sie überbieten noch einmal im
Negativen die lange Liste der Verheerungen in den ersten
Zeilen des Gedichts. Es ist die Antithese von Diesseits und
Jenseits, Immanenz und Transzendenz, die von Gryphius als
Steigerungsfaktor ins Spiel gebracht wird. Damit macht er
geltend, dass es in seiner Sicht noch etwas Schlimmeres gibt
als Gewalt und Elend, Not und Tod: Durch den Zwang zum
Glaubenswechsel oder zum geheuchelten Bekenntnis wird
das Seelenheil verspielt. Der Blick von der Immanenz auf die
Transzendenz bietet keine tröstende Hoffnung auf ein
besseres Jenseits, sondern zeigt, wie die Gewalt im Diesseits
den Menschen auch das Jenseits verstellt.
Gryphius’ Gedicht «Threnen des Vaterlandes» hat freilich
noch eine tiefere Schicht, die der Deutung Ferdinand van
Ingens zufolge in der Zahlenmystik des «dreimal sechs»
aufscheint. Auf den ersten Blick steht die Formel «dreymal
schon sechs jahr» für die achtzehn Jahre, die der Krieg zum
Zeitpunkt der Abfassung des Gedichts im Jahr 1636 schon
dauerte. Sie entspricht aber zugleich der Teufelszahl, die auf
die Apokalypse aus dem letzten Buch des Neuen Testaments
verweist. [8] Dort treten vier furchtbare Reiter auf, als das
Lamm die ersten vier Siegel des geheimnisvollen Buches
öffnet. Sie kommen auf einem weißen, einem roten, einem
schwarzen und einem fahlen Pferd daher und verkörpern
Tyrannei, Krieg, Teuerung (Hunger) und Pestilenz
(Seuchen). Wenn Gryphius in dem Sonett von der
Kriegsgewalt, der Aufzehrung aller Vorräte und der Pest
spricht, um dann in der letzten Zeile noch die Tyrannei des
Glaubenszwangs hinzuzufügen, dann sieht er in alldem
Vorboten des bevorstehenden Weltendes, das Eintreten all
dessen, was in der Offenbarung des Johannes als Auftakt
zum Jüngsten Gericht beschrieben worden ist. Die
Kriegserfahrung steht dafür, dass das Ende der Zeiten
gekommen ist.
Ohne eine solche geschichtstheologische Dramatisierung
schildern Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj im
Genre der Schäferdichtung den Krieg und seine Folgen. Der
Schäfer Clajus, der aus seiner Heimat Sesemin (ein
Anagramm für Meißen) geflüchtet ist, trifft an der Pegnitz,
also in der Nürnberger Gegend, auf den Schäfer Strefon
(hinter dem sich Harsdörffer selbst verbirgt). Die beiden
nehmen an einem Sängerwettstreit teil und treffen auf die
unglückliche Pamela, die sich einbildet, «sie were das arme
und in letzten Zügen liegende Teutschland». Sie beschreibt
ihren inneren Zustand so:

Es schlürfen die Pfeiffen / es würblen die Trumlen /


Die Reuter und Beuter zu Pferde sich tumlen /
Die Donnerkartaunen durchblitzen die Lufft /
Es schüttern die Thäler / es splittert die Grufft /
Es knirschen die Räder / Es rollen die Wägen /
Es rasselt und prasselt der eiserne Regen /
Ein jeder den Nechsten zu würgen begehrt /
So flinkert / so blinkert das rasende Schwert. [9]

Im Vergleich mit Gryphius’ düsteren Zeilen nimmt sich die


Harsdörffer-Klaj’sche Beschreibung des Krieges und seiner
Folgen verharmlosend aus; von den Opfern ist nicht die
Rede, der Krieg tritt stattdessen als eine ohrenbetäubende
Geräuschkulisse in Erscheinung, die dem Seelenfrieden der
Schäferin Pamela ein Ende gemacht und sie in ekstatischen
Taumel versetzt hat. Er ist also nicht viel mehr als ein in die
friedliche Ruhe des pastoralen Lebens einbrechender Lärm.
Aber die zeittypische Schäferdichtung hatte sich nicht zur
Aufgabe gemacht, die Welt realistisch zu beschreiben,
sondern verstand sich als Gegenentwurf zu dem, was die
Menschen als eine sich in rasender Eile verändernde
Lebenswelt erfuhren. Das Leben der Schäfer diente der
Imagination einer Rückkehr in die Vergangenheit eines
arkadischen Lebens. Dass selbst die Pastoraldichtung nicht
daran vorbeikam, dem Krieg in Deutschland Tribut zu
zahlen, zeigt dessen Omnipräsenz.
Vermutlich spielen für die unterschiedlichen
Wahrnehmungen des Krieges nicht nur die literarischen
Genres, sondern auch die Entstehungsregionen der Texte
eine Rolle. Nürnberg, wo Harsdörffer und Klajs Text
entstand, war weitgehend vom Krieg verschont geblieben.
Im Stellungs- und Belagerungskrieg von 1632 zwischen
Wallenstein und Gustav Adolf war die Gefahr einmal
bedrohlich nahe gewesen, [10] ansonsten aber hatte sich die
Kriegserfahrung darauf beschränkt, dass die Stadt
Kontributionen zahlen musste und einige ihrer jungen
Männer sich den vorbeiziehenden Heeren anschlossen,
Kriegsherren dienten und oft nicht zurückkehrten. [11] Der
Krieg stellte keinen so tiefen Eingriff in das städtische Leben
dar, wie das etwa in Schlesien, der Oberpfalz oder in
Württemberg und am Oberrhein der Fall war.
Den Zustand Schlesiens hat Andreas Gryphius in dem
Prosatext «Freystädtische Fewerstädt» beschrieben: «Man
sehe wohin man wolle», heißt es nach einer kurzen
Erinnerung an Wohlstand und Ordnung, «so wirdt man die
vorigen gutten Gesetze, welche bey oberhandt der
Schwerter schweigen müssen, nirgendts als in Büchern, die
schönesten Städte in der Aschen, die berühmtsten Leute vnd
rüstige Bürgerschafft in Gräbern, vnd was die numehr
neunzehenjährige verhergung vber gelassen in
vnermäßlichem Elend vnd Drangseligkeit antreffen.» [12] Der
Beschreibung dessen, was ist, steht hier nichts gegenüber,
kein Jenseits, kein Arkadien und auch nicht die Aussicht,
dass sich der deutsche Nationalcharakter durch den
zeitweiligen Einbruch des Fremden schon nicht werde
unterkriegen lassen. Gryphius fasst nur in Worte, was er in
seiner Heimat wahrnimmt: «Denn wird man wol jrgends ein
Dorff sehen können, das nicht geplündert, eingerissen,
zerschleifft, oder ja gar im rauch inn die Luft geschickt?
Wieviel deroselbigen sind gantz zur Wüsteney; Wieviel zur
Brandstädte worden?» [13] Man findet in Schlesien nur noch
Elend und Zerstörung. Alles andere liegt in ferner
Vergangenheit und ist unwiederbringlich dahin. Gryphius’
Beschreibungen sind im buchstäblichen Sinn trostlos, so
trostlos, dass man all diejenigen, die in den zurückliegenden
Jahren «durch vergiffte Feber vnd hefftige Pestilenzen
hingerissen, auch wol von Trawrigkeit vnnd furcht
verschmachtet», glücklich preisen müsse, da sie «die
schrecklichen Plünderungen, Raubereyen, Schläge, wie auch
vnerhörete Laster, so in offenen durchzügen so gar ohne
Schew verübet, daß auch wol der Himmel erblassen, vnd die
Erde darüber erzittern mögen, nicht mehr verschmertzen
dürffen». [14] Wenn der Tod die einzige Alternative zum
gegenwärtigen Leben geworden ist, dann sind auch alle
Möglichkeiten dahin, Leid und Unglück zu bearbeiten und zu
bewältigen. Selbst die laute Klage wird dann zum leisen
Wimmern: «Denn wie ein Krancker vnd auff dem Sichbette
langabgematteter Mensch die scharffen Angststösse vnd
Schmertzensrisse, mit dehnen er von stetten Wehtagen
angegriffen wird, mit weit kläglicherm Winseln beseuftzet,
als wol die letzte Macht, welche Leib vnd Seele voneinander
löset; Gleich so haben die vnsern mit viel tausendt Thränen
vnnd Jammerklagen bezeuget, wie tieff Ihnen obermeldete
Trübsalen die Gemütter vnnd Seelen durchschnitten, da sie
hergegen die einäscherung Ihrer Häuser vnnd Städte, als
das vor Menschlichen Augen höchste vnd letzte Vnglück,
nicht so sehr mit lautem weinen, als mit stillem, doch viel
heftigerm Trawren oder erstarren beschmertzet.» [15]
Gryhius schildert einen Zustand, in dem die Tränen versiegt
sind und die Trauer still und schweigend geworden ist.
Nur wenige Jahre später entwirft der evangelische Pfarrer
und Lieddichter Paul Gerhardt eine pastorale Idylle, in der
alle Verheerungen und Schrecken des Krieges getilgt sind,
so als ob es sie nie gegeben hätte. Der «Sommer-Gesang»,
Paul Gerhardts berühmtestes Lied, ist zwar erst nach dem
Ende des Krieges entstanden, [16] aber es liest sich, als wollte
Gerhardt ihn ungeschehen machen. Im Bild einer zyklisch
erblühenden lieblichen Natur verblasst jeder Eindruck von
Verwüstung und Zerstörung:

Geh aus mein Herz, und suche Freud /


Jn dieser lieben Sommerzeit
An deines Gottes Gaben:
Schau an der schönen Garten-Zier /
Und siehe, wie sie mir und dir
Sich außgeschmücket haben.

Die Bäume stehen voller Laub /


Das Erdreich decket seinen Staub /
Mit einem grünen Kleide:
Narcissus und die Tulipan
Die ziehen sich viel schöner an
Als Salomonis Seyde.

Die Lerche schwingt sich in die Lufft /


Das Täublein fleucht aus seiner kluft
Und macht sich in die Wälder:
Die hochbegabte Nachtigall
Ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg / Hügel / Thal und Felder.

Die Glukke führt ihr Völcklein aus /


Der Storch baut und bewohnt sein Haus /
Das Schwälblein speißt ihr Jungen
Der schnelle Hirsch / das leichte Reh
Jst froh und kommt aus seiner Höh
Jns tieffe Graß gesprungen.

Die Bächlein rauschen in dem Sand


Und mahlen sich und ihren Rand
Mit schatten reichen Myrten:
Die Wiesen ligen hart dabey
Und klingen gantz von Lust-Geschrey
Der Schaff und ihrer Hirten.

[…]

Der Weitzen wächset mit Gewalt


Darüber jauchzet Jung und Alt /
Und rühmt die grosse Güte
Deß / der so überflüssig labt’
Und mit so manchem Gut begabt
Das Menschliche Gemüthe. [17]
Die Natur selbst verschafft neues Weltvertrauen, aber sie
verweist, wie in der zuletzt zitierten Strophe deutlich wird,
auch auf den, der sie geschaffen hat. Paul Gerhardts
«Sommer-Lied» liest sich wie eine Antwort auf die
apokalyptischen Ängste des Andreas Gryphius und vieler
anderer Zeitgenossen. Die Beschreibung der Bäume und
Blumen, der Vögel und Wildtiere, schließlich der Nutztiere
und Kulturpflanzen ist eine einzige große Versicherung, dass
der Mensch Vertrauen haben kann zu dem sich im
natürlichen Gedeihen vollziehenden Wirken Gottes in der
Welt. Wie eine Conclusio des Beschriebenen lautet deshalb
die siebte Strophe:

Jch selbsen kan und mag nicht ruhn:


Des grossen Gottes grosses Thun
Erweckt mir alle Sinnen:
Jch singe mit / wenn alles singt /
Und lasse was dem Höchsten klingt
Aus meinem Hertzen rinnen. [18]

Gerhardt setzte den Bildern des Krieges also nicht nur


idyllische Natur entgegen, sondern auch ein Gottvertrauen,
das der Krieg bei vielen zerstört hatte: Einem Gott, der
solches zuließ, konnte man nicht vertrauen, und wenn es
keinen Gott gab, dem man vertrauen konnte, dann gab es
wahrscheinlich überhaupt keinen Gott. Das Wiederaufleben
der Natur ist Paul Gerhardts Zeugnis wider solches
Verzweifeln.
Freilich nahm nicht jeder das große Sterben so stoisch hin
wie der Söldner Hagendorf, der selbst schweres Leid
erfahren musste. Als er von Freising nach Straubing
kommandiert wird, folgt ihm seine Frau nach, die gerade ein
Kind geboren hat. «Das Kind ist ihr aber unterwegs
gestorben, und sie ist nach etlichen Tagen auch gestorben
zu München im Spital. Gott verleihe ihr samt dem Kind und
allen ihren Kindern [die schon zuvor bald nach der Geburt
starben] eine fröhlich Auferstehung, amen. Denn in dem
ewigen seeligen Leben wollen wir einander wiedersehen. So
ist nun mein Weib samt ihren Kindern entschlafen.» [19]
Diesem Eintrag von 1633 folgte zwei Jahre später, nachdem
Hagendorf wieder geheiratet hatte, eine neuerliche
Todesnotiz: «Den 11. November ist mein Weib eines Kindes
genesen. Ist gleich getauft worden. Sein Name ist gewesen
Jürg Martin, hat gelebt 24 Stunden. Gott gebe ihm eine
fröhliche Auferstehung.» [20] Im Jahr 1640: «Meine Frau ist
eines jungen Sohns genesen den 18. Februar. Hat geheißen
Quirinus, hat gelebt 6 Tage und ist gestorben. Gott verleihe
ihm eine fröhliche Auferstehung.» [21] Und im
darauffolgenden Jahr: «Den 9. April ist mein Weib einer
jungen Tochter genesen. Ist hier getauft worden zu
Tirschenreuth, liegt in der Oberpfalz am Böhmer Wald. Ihr
Name ist Barbara. Gott verleihe ihr langes Leben.» Doch
dann: «Den 9. Mai 1641 ist meine Tochter gestorben zu
Ingolstadt. Der liebe Gott verleihe ihr eine fröhliche
Auferstehung.» [22] Wenige Jahre später: «Zu Pappenheim ist
mein Weib einer jungen Tochter genesen, dem 3. November
im Jahr 1645. Gott verleihe ihr langes Leben.» Und im
nächsten Jahr: «Den 22. August ist mein Töchterlein
gestorben. Margareta. Gott verleihe ihr eine fröhliche
Auferstehung.» [23]
Immerhin, als der Krieg zu Ende ging, hatte Hagendorf mit
seiner zweiten Frau einen sechsjährigen Sohn und eine
eineinhalbjährige Tochter, Melchert Christoff und Anna
Maria mit Namen. Den beiden überlebenden Kindern, über
deren weiteres Schicksal wir nichts wissen, weil Hagendorfs
Aufzeichnungen bald nach Kriegsende abbrechen, stehen
acht während des Krieges verstorbene Kinder gegenüber.
Nun war die Kindersterblichkeit im 17. Jahrhundert hoch,
und der Tod der acht Kinder hatte nicht unmittelbar mit dem
Krieg zu tun; mittelbar indes schon, denn das Leben im
Heerestross, die dort grassierenden Seuchen und
Krankheiten sowie das ständige Weiterziehen haben die
übliche Kindersterblichkeit noch einmal deutlich erhöht.
Folgt man den Aufzeichnungen, so hat Hagendorf das ruhig
hingenommen, und so, wie er die Geburt eines Kindes mit
dem Wunsch auf ein langes Leben verbunden hat, so den
Tod mit dem Wunsch nach einer «fröhlichen Auferstehung».
Durch all die Kriegsjahre hindurch blieb für ihn der Glaube
an Gott und das jenseitige Leben zumindest formelhaft ein
Halt.

Als ein Auf und Ab von Glück und Unglück hat dagegen Hans
Jakob Christoffel von Grimmelshausen den Krieg
beschrieben. Die von dem großen Dichter des
Dreißigjährigen Krieges entworfenen Romanfiguren, der
zunächst weltfremde und dann überaus weltkundige
Simplicius Simplicissimus, die Erzbetrügerin und
Landstreicherin Courage und der Soldat und spätere
Kriegsversehrte Springinsfeld, sind Gestalten, die der Krieg
hervorgebracht, geformt und geprägt hatte. In ihrer
Einfältigkeit wie Niedertracht, ihrem naiven
Glücksvertrauen wie reflektierten Lernen aus Erfahrungen
sind sie Typen, die vom Krieg ebenso profitieren, wie sie an
ihm leiden. Sie alle haben sich dem rotierenden Glücksrad
der Fortuna anvertraut, also Gottvertrauen und
Gottergebenheit durch die Bereitschaft ersetzt, sich den
Launen des Glücks auszusetzen und durch Entschlusskraft
wie Gerissenheit das Beste daraus zu machen. Es gibt für sie
nichts, auf das sie sich dauerhaft verlassen können, immer
wieder aufs Neue steigen sie in das Spiel mit dem Glück ein,
das ihnen nach oben verhilft und Reichtümer beschert, aber
sie anschließend auch wieder nach unten reißt und ihnen
alles nimmt. Was Simplicius, Courage und Springinsfeld
voneinander unterscheidet, ist der Umgang mit diesem Auf
und Ab: [24] Simplicius steigt letztlich aus dem Glücksspiel
aus, lässt das Soldatenleben hinter sich und wendet sich
einem sittlichen und frommen Leben zu; die Courage bleibt
trotz mehrerer «Ausstiege» im Kriegsgeschäft und landet am
Schluss bei einer Bande umherziehender Zigeuner, deren
Anführerin sie dank ihrer grenzenlosen Durchtriebenheit
wird; Springinsfeld, der im Krieg ein Bein verloren hat und
sich selbst nunmehr als «Stelzvoraus» bezeichnet, [25]
verliert seine einstige Unbekümmertheit und wird zum
Skeptiker; dennoch kann er von dem Spiel mit dem Glück
nicht lassen. Er ist das Mittelglied zwischen dem reuigen
Simplicius und der störrischen Courage. Die drei stehen für
die unterschiedlichen Möglichkeiten, mit Leid und Unglück
zurande zu kommen.
Es ist ein ganz eigenartiger Satyr, der auf der Erstausgabe des Simplicissimus den
Leser begrüßt. Üblicherweise sind Satyrn Mischwesen aus Mensch und
Ziegenbock. Auf sie ist bis ins 18. Jahrhundert die literarische Gattung der Satire
zurückgeführt worden, in die sich auch der Roman Grimmelshausens einordnet.
Der hier zu sehende Satyr ist freilich ein Mischwesen aus Mensch, Bock, Vogel und
Fisch; das Satirische überbietet sich also selbst. Die Masken auf dem Boden
verweisen auf die ständigen Identitätswechsel der Hauptperson, und die Bilder in
dem weit geöffneten Buch zeigen, dass wir in eine Welt der Gaukler eintreten:
Man muss das Erzählte durchschauen, wenn man ihm auf den Grund gehen will.

Der Krieg hat die bestehenden sozialen und moralischen


Ordnungen aufgelöst. Es gibt keine Strukturen und
Bindungen, keine Sitten und Gewohnheiten mehr, die durch
Alter und Tradition selbstverständlich sind. Das ist der
Ausgangspunkt von Grimmelshausens Kriegsromanen: Alles
ist möglich, nichts ist gewiss, der Augenschein kann
jederzeit täuschen, wer sich auf ihn verlässt, geht in die Irre.
Indem der Krieg als der große Zerstörer des Bestehenden
und Überkommenen wirkt, ist er zugleich der Ermöglicher
dessen, was «unter normalen Umständen» ausgeschlossen
wäre. Diese Doppelgesichtigkeit des Krieges ist es, die das
Pikareske von Grimmelshausens Erzählungen in Gang setzt:
Simplicius, Courage und Springinsfeld nutzen den Umstand,
dass alles möglich ist, zu ihrem Vorteil, nur um dann doch
wieder alles zu verlieren, und das Bemerkenswerte dabei ist,
dass es dieselben Verhaltensweisen sind, die sie im einen
Fall zu Gewinnern und im anderen zu Verlierern machen.
Die Orientierung an althergebrachten Sitten wie
moralischen Regeln ist unter diesen Umständen kein
sicheres Mittel mehr, um unbeschadet durchs Leben zu
kommen.
Das beginnt bei der Herkunft der Protagonisten und geht
bis zu ihren wechselnden Identitäten. Simplicius’ Erinnerung
beginnt mit dem Einbruch des Krieges in sein Leben, und
zwar in Gestalt schwedischer Soldaten, von denen die Idylle
des elterlichen Bauernhofs im Spessart zerstört wird. Er
entkommt dem Überfall und wird schließlich von einem
Einsiedler aufgezogen, von dem man später erfährt, er sei
früher Offizier und Kriegsheld gewesen. Schon bald macht
Simplicius die Erfahrung, dass die Grenzen zwischen Adel
und gemeinem Volk viel durchlässiger sind, als man meinen
möchte, und dass im Krieg Fortuna, die Glücksgöttin, den
Menschen ihre Positionen zuweist und wieder entzieht. Im
Rückblick betrachtet Simplicius Fortuna als eine gefährliche
Verführerin, ja geradezu als Gegenspielerin Gottes im
Ringen um den Menschen: «Wann das Glück einen stürzen
will, so hebt es ihn zuvor in alle Höhe, und der gütige Gott
lässet auch einen jeden vor seinem Fall so treulich warnen.
Das widerfuhr mir auch, ich nahms aber nicht an!» [26] Der
Mensch, so die Lehre, liefert sich dem Glück selbst aus, und
die Macht, die das Glück über sein Schicksal hat, ist umso
größer, je weniger Macht der Mensch über sich selbst hat.
Der Krieg aber ist eine Zeit, in der viele ihren Lüsten und
Begierden freien Lauf lassen, weil alles, was sie daran
hindern könnte, außer Kraft gesetzt worden ist. «Meine
Hoffahrt», bekennt Simplicius an anderer Stelle, «vermehrte
sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts anders als
mein Fall erfolgen konnte.» [27] Schließlich begreift er, wie
Glück und Unglück miteinander zusammenhängen: «Ich
sehe erst zurück und merke, daß mein extraordinari Glück
im Krieg und mein gefundener Schatz nichts anders als ein
Ursach und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen,
welches mich nimmermehr so weit hinunter hätte werfen
können, da es mich nit zuvor durch solche falsche Blick
angeschaut und hoch erhoben hätte; ja ich fande, daß
dasjenige Gute, so mir begegnet und ich vor gut gehalten,
bös gewesen und mich in das äußerste Verderben geleitet
hatte.» [28]
Das abenteuerliche Leben des Simplicius ist eine zutiefst
moralische Erzählung, eine Bildungsgeschichte des
moralischen Subjekts, das nach dem Untergang der einst
Halt gebenden Mächte den Halt in sich selbst finden muss.
«Da war kein Einsiedel mehr, ders treulich mit mir gemeint,
kein Obrist Ramsay, der mich in meinem Elend
aufgenommen, kein Pfarrer, der mir das Beste geraten.» [29]
Auf sich allein gestellt, muss Simplicius auf seine eigene
Urteilskraft vertrauen. Der Krieg forciert die Herausbildung
moralischer Persönlichkeiten, die nicht aus Tradition oder
institutionellem Zwang, sondern von sich selbst aus das Gute
und Richtige tun und dabei feststellen, dass ihnen das auf
Dauer besser bekommt, als allerhand Gelegenheiten
hinterherzujagen, die sich fast durchweg als trügerisch
herausstellen. Wenn man so will, ist das die
Grimmelshausen’sche Polemodizee, die Rechtfertigung des
Krieges trotz seiner furchtbaren Zerstörungen: dass er dem
Menschen die Möglichkeit verschafft, aus eigener Reflexion
und Einsicht der zu werden, der er im positiven Sinn sein
kann. Der lange Weg des Simplicius durch viele Abenteuer
zu sich selbst erzählt davon.
Wer so in das Feld der Möglichkeiten hineingeschleudert
wird, kann freilich auch ganz anders enden. Das hat
Grimmelshausen in der Lebensbeschreibung der
Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage dargestellt, der
die Hauptfigur selbst den Titel Trutz Simplex, Dem Simpel
zum Trotz, gegeben hat. [30] Wie es dieser letztere Titel
andeutet, ging es Grimmelshausen darum, einen der
simplicianischen Wende entgegengesetzten Lebensentwurf
zu zeigen, der beim Spiel mit dem Glück und einem endlosen
Auf und Ab des Schicksals verharrt. Der Courage bleibt eine
durch Reflexion vermittelte Einsicht in ihr Leben verwehrt.
Dafür steht bei Grimmelshausen der Umstand, dass sie ihren
Lebensbericht nicht selbst aufschreibt, sondern einen
Schreiber bezahlt, dem sie ihre Lebensgeschichte in die
Feder diktiert – was der Leser aber nicht von der Courage
selbst und auch nicht aus ihrem Lebensbericht erfährt,
sondern erst im Springinsfeld, wo sich der Schreiber des
Berichts zu erkennen gibt. [31] Die Courage hat den Weg zu
sich selbst nicht gefunden.
Die genaue Herkunft der Courage, die bei einer
Säugamme aufwächst, liegt zunächst im Dunkeln. Sie wird
als Kind Libuschka genannt und tritt später aus Gründen der
Verstellung, aber auch infolge zahlreicher Eheschließungen
unter wechselnden Namen auf. «Mein natürlicher Vater», so
berichtet sie im Anschluss an eine Reise nach Prag und
Prachatitz, «sei ein Graf und noch vor wenigen Jahren der
mächtigste Mann im ganzen Königreich gewesen. Nun aber
sei er, weil er gegen den Kaiser rebelliert habe, des Landes
verwiesen worden und halte sich den neusten Nachrichten
zufolge bei der Hohen Pforte auf, wo er angeblich gar seine
christliche Religion mit der türkischen vertauscht hatte.» [32]
Aus dem Zusammenhang sowie späteren Andeutungen ist
ersichtlich, dass es sich dabei um den Grafen Heinrich
Matthias von Thurn handeln muss, einen der Anführer des
Prager Fenstersturzes, der den gesamten Krieg über in
verschiedenen Armeen gegen den Kaiser kämpfte und immer
wieder neue Projekte zur Rückkehr der Exilanten nach
Böhmen entwarf. Grimmelshausen lässt die notorische
Lügnerin und Betrügerin die natürliche Tochter des
notorischen Rebellen und Umstürzlers sein, und wie ihr
Vater wird sie nie zur Ruhe kommen, sondern ein
vagabundierendes Leben führen, in dem ein Projekt das
andere jagt und alles sich zu einer endlosen Kette des
Scheiterns und der Vergeblichkeit verbindet.
Es gibt indes durchaus Augenblicke, in denen die Courage
erkennt, was der Krieg aus ihr gemacht hat und dass sie
gegen dessen Gewalt nicht ankommt. Sie bringt nicht die
Kraft zu einer simplicianischen Wende auf, gesteht sich das
jedoch nicht ein, sondern macht dafür den Zwang der
äußeren Umstände verantwortlich. «Gern wäre ich in eine
andere Haut geschlüpft, aber sowohl die Gewohnheit als
auch die Leute, mit denen ich täglich umging, ließen nicht
zu, dass ich ein besserer Mensch wurde, wie ja überhaupt
die meisten Leute im Krieg eher schlimmer als braver
werden.» [33] Die Courage berichtet, wie sie immer wieder
dem Krieg zu entkommen suchte: Entweder trieben Gier und
Habsucht sie zurück, oder der Krieg ereilte sie dort, wo sie
geglaubt hatte, vor ihm in Sicherheit zu sein. Es gibt im
Krieg, so ihr abschließendes Credo, keine Sicherheit, und so
sieht sie keine andere Möglichkeit, als sich auf das stetige
Auf und Ab einzulassen. Allen kurzzeitigen Zweifeln zum
Trotz bleibt die Courage ein Spielball der Fortuna. [34]
Springinsfeld ist der dritte Typ, den Grimmelshausen
beschreibt. Wie Courage kommt auch er als Randfigur
bereits in den Abenteuern des Simplicius vor. [35] Im
Unterschied zu diesem bleibt Springinsfeld den ganzen
Krieg hindurch Soldat, bis er schließlich ein Bein verliert
und sich zuletzt als Bettler mit allerhand Betrügereien
durchschlagen muss. «Ich wurd’ ein Ball des Glückes, der
sich kugeln muss», sagt er von sich selbst, «und geh nun,
weil’s nicht anders geht, auf einem Stelzenfuß, / stelz vor
des Bauern Tür, im Land von Haus zu Haus, / und bitte da
ums liebe Brot, den ich sooft vertrieb daraus! / Zeig so der
ganzen Welt durch mein armseligs Leben, / dass junge
Soldaten alte Bettler geben.» [36] Auch dem Springinsfeld ist
der Krieg also auf Dauer nicht bekommen, obwohl er
zeitweilig zu beachtlichem Reichtum gelangt ist, vor allem
nach der Schlacht bei Nördlingen, wo er auf dem
Schlachtfeld einen schwerverwundeten schwedischen
Offizier erschoss, der ihn um Hilfe gebeten hatte. «Ich fand
Goldstücke bei ihm, die ich noch nicht kannte, so groß, wie
ich noch nie welche gesehen hatte. Sein Wehrgehänge war
mit Gold- und Silberstickereien verziert, das Degengefäß
war aus Silber, und sein Hengst war ein unvergleichliches
Soldatenpferd, wie ich mein Lebtag noch keines bestiegen
hatte. Das alles nahm ich mir und saß auf, als ich Gefahr
witterte und mich nicht getraute, noch länger bei dem Mann
zu verweilen oder ihn gar auszuziehen.» [37] Doch
Springinsfeld verschleudert seinen Reichtum in kurzer Zeit,
und so durchlebt er ein stetiges Auf und Ab, und wie die
Courage findet er keinen Ausweg. [38]
Springinsfelds Herkunft weist ihn als einen aus, der für ein
ruhiges, bescheidenes Leben nicht geschaffen ist. Seine
Mutter, eine reiche Griechin vom Peloponnes aus einem
alten und vornehmen Geschlecht, hatte sich als junge Frau
in einen albanischen Gaukler und Seiltänzer aus ärmlichen
Verhältnissen verliebt und war mit ihm und seiner
Komödiantentruppe durch den Balkan gezogen. [39]
Springinsfeld kam zur Welt. Bei einem Sturz vom Seil fand
der Vater den Tod; die Mutter heiratete einen anderen Mann
aus der Truppe, und die beiden zogen mit Springinsfeld
weiter, bis dieser auf einem auslaufenden Schiff mit mehr
oder weniger freiwillig angeworbenen Soldaten landete, wo
die Soldatenzeit des jungen Springinsfeld begann. Für die
ersten Jahre gerät er in den niederländischen Krieg,
wechselt dann auf den deutschen Kriegsschauplatz und
macht den Dreißigjährigen Krieg von den frühen 1620er
Jahren bis zu seinem Ende mit. Im Unterschied zum
Abenteuerlichen Simplicissimus sind die Courage und der
Springinsfeld Erzählungen, die den gesamten Kriegsverlauf
zum Hintergrund haben. Springinsfeld kann das Geschehen
auch distanziert beobachten, wie es die ganz auf Gewinn und
Verlust konzentrierte Courage nicht vermag. So vergleicht
er etwa den Krieg in den Niederlanden mit dem in
Deutschland und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die
Verdienstmöglichkeiten und Lebensverhältnisse der
Soldaten sich kontinuierlich verschlechtert hätten. Das habe
schließlich das ganze Land ruiniert: «Denn wenn ich den
damaligen Krieg [in den spanischen Niederlanden] mit dem
letzten vergleiche, dann war jener golden und dieser eisern.
In jenem wurden die Soldaten ausbezahlt und eingesetzt,
aber mit ihrem Leben wurde nicht leichtfertig gespielt. In
diesem hingegen blieben sie unbezahlt. Dafür wurden die
Länder ruiniert und durch Schwert und Hunger sowohl die
Bauern als auch die Soldaten aufgeopfert, so dass man
zuletzt fast gar nichts mehr bekommen konnte.» [40]
Es sind unterschiedliche Konservatismen, mit denen
Simplicius und Springinsfeld auf die Veränderungsdynamik
des Krieges reagieren. Springinsfeld klagt darüber, dass der
große Beschleuniger Krieg sich inzwischen selbst so
beschleunigt habe, dass keiner mehr von ihm profitiere und
alles in den Abgrund gerissen werde, Bauern wie Soldaten.
Das ist in seinen Augen eine Pervertierung des Krieges,
sollten doch die Bauern Opfer und die Soldaten Profiteure
sein: «Die Soldaten sind dazu erschaffen, die Bauern zu
piesacken, und wer von ihnen das nicht tut, der hat seinen
Beruf verfehlt», erklärt er der Mutter des Simplicius. [41]
Simplicius’ Konservatismus dagegen zielt auf die
Wiederherstellung der Vorkriegsverhältnisse, die Rückkehr
zum bäuerlichen Leben, das er zumindest seinen schließlich
wiedergefundenen Eltern mit Hilfe der aus dem Krieg
geretteten Gelder ermöglicht. Aber wer das friedliche Leben
des Landmanns führe, wisse das oft nicht zu schätzen und
sehne sich nach anderem und Höherem, so dass «all solche
Übel von der Güte des Allerhöchsten zu unserm Nutz oft
notwendig haben verhängt werden müssen». [42] Der Krieg
ist der von Gott eingesetzte Erzieher der Menschen, so die
oben schon erläuterte simplicianische Polemodizee, die zur
Theodizee wird, zur Rechtfertigung Gottes angesichts der
Übel in der Welt.
Springinsfeld, der von Grimmelshausens drei Typen seine
Position am wenigsten markant vertritt und sich eigentlich
darauf beschränkt, die frühere Art der Kriegführung
zurückzufordern, verkörpert eine Idee, die auch Jacques
Callots berühmtem Zyklus Les Misères et les Malheurs de la
Guerre – das Elend und das Unglück des Krieges – zugrunde
liegt. Zumeist werden die Stiche Callots als eine einzige
Anklage des Krieges interpretiert, als ein Appell, diesen
Krieg zu vermeiden oder so schnell wie möglich zu beenden.
Diese Sicht kann man im Sinne der obigen Überlegungen als
spät-simplicianisch bezeichnen, [43] aber sie trifft die
Intentionen Callots wohl nicht. «Callot verurteilt nicht den
Krieg an sich», so die Historikerin Angelika Lorenz,
«sondern dessen Begleiterscheinungen, die entstehen, wenn
die Menschen die Gesetze von Ordnung und Disziplin
zügellos übertreten. Der Krieg ist für ihn die Folie, um vor
ihr in drastischer Konsequenz den Gesetzesbruch und die
ihm folgenden Strafen zu exemplifizieren.» [44] Im Prinzip
geht es Callot um den Gegensatz zwischen disziplinierten
und undisziplinierten Soldaten sowie den Einsatz von
Militär, um dem Treiben der Marodeure ein Ende zu machen
und die Verbrecher ihrer Strafe zuzuführen. Der aus
achtzehn Radierungen bestehende Zyklus Callots mit den
jedem Blatt beigegebenen Kommentaren des Abbé Michel de
Marolles ist als eine Aufforderung zu verstehen, militärische
Disziplin zu wahren und dem Kriegsrecht wieder Geltung zu
verschaffen, und kann darum Hugo Grotius’ 1625
erschienenem großen Werk De iure belli ac pacis libri tres
zur Seite gestellt werden.
Callot hat als Lothringer die Kriege in den Niederlanden
und in Deutschland aus einer randständigen, aber
keineswegs unbeteiligten Position miterlebt. Zur Belagerung
von Breda ist er angereist, um sich einen Eindruck vom
Belagerungskrieg zu verschaffen. [45] Als sich der
lothringische Herzog Karl offen auf die Seite des Kaisers und
gegen Ludwig XIII. stellte, führte das jedoch dazu, dass
französische Truppen in das Herzogtum eindrangen und
seiner politischen Selbständigkeit ein Ende machten. Auch
hatte Karl, dessen Herzogtum eine Fülle von Gebieten
enthielt, die unter der Souveränität der französischen Krone
standen, während das Herzogtum als Ganzes als Reichslehen
galt, immer wieder Adlige bei sich aufgenommen, die gegen
Ludwig XIII. rebelliert hatten. Mit der Konsolidierung des
französischen Staates gerieten «Zwittergebilde» wie
Lothringen oder auch Savoyen zwangsläufig in den Kampf
um die Macht in Europa. [46] In dem Jahr, als französische
Truppen Nancy eroberten, hat Callot seinen Kriegszyklus in
Paris veröffentlicht. Er war in Sorge, dass der Konflikt um
seine Heimat einen ebenso furchtbaren Charakter annehmen
könnte wie der Krieg in Deutschland. Deshalb kann der
Zyklus über das Elend und Unglück des Krieges auch als
Mahnung begriffen werden, es nicht so weit kommen zu
lassen.

Jacques Callot, «Die Anwerbung der Truppen», aus dem Zyklus Les Misères et les
Malheurs de la Guerre (1633).

Die nach dem Titelblatt zweite Radierung des Zyklus zeigt


im Hintergrund links eine befestigte Stadt mit Türmen und
Bastionen, im rechten Bildvordergrund unter einem Baum
die hinter einem Tisch sitzenden Werbeoffiziere und davor
Männer, die sich für den Kriegsdienst anwerben lassen.
Ansonsten sehen wir auf dem Bild Gruppen von Pikenieren
und Musketieren, dazu Offiziere, die versuchen, die frisch
geworbenen Männer in Formation zu bringen, damit sie am
Ende des Tages vor dem Regimentsinhaber geordnet
vorbeimarschieren können. Marolles’ französischer Bildtext
lautet in deutscher Übersetzung: «Was Plutos [der Gott des
Reichtums] unablässig hehlt in seinem Schacht, / Metall, das
gleicherweise Krieg und Frieden macht, / das läßt den
Krieger, der nicht scheut Gefahr und Mühen, / aus seiner
Vaterstadt in fremde Lande ziehen. / Fernhin verschifft, reiht
er dem Heeresbann sich ein. / Wider das Laster muß er stark
gewappnet sein.» [47] Der Krieg wird hier nicht grundsätzlich
abgelehnt; vielmehr wird geltend gemacht, dass die
Soldaten, um ihre Aufgabe erfüllen zu können, doppelt
gewappnet sein müssen: gegen die Waffen des Feindes und
gegen die Laster, die es im Krieg besonders leicht haben,
von den Menschen Besitz zu ergreifen.
Auch das dritte Blatt mit dem Titel «Die Schlacht» bringt
keine ablehnende Grundhaltung zum Ausdruck. Im
Hintergrund nur schemenhaft erkennbar sind der Kampf
zweier Infanterieblöcke, aufgestellte Lanzen, die kurz vor
dem Aufeinanderprall beider Seiten gesenkt werden, dazu
Fahnen und über allem starker Qualm, der wohl von
Artilleriefeuer stammt. Im Vordergrund ein Reitergefecht; in
der rechten Bildhälfte das heransprengende zweite Treffen
der einen Seite, vorweg der Kommandeur mit gezücktem
Schwert, das seinen Männern die Angriffsrichtung weist, in
der dritten Angriffsreihe gut zu sehen ein Trompeter, der
zum Sturm bläst. In der Bildmitte ganz vorn verendete
Pferde und einige getötete Soldaten, verstreute
Ausrüstungsgegenstände, die darauf schließen lassen, dass
die von rechts angreifenden Reiter im Begriff sind, den
Gegner zurückzuwerfen. Marolles’ Text kommentiert: «Was
Mars auch weiß an harten Stößen zu versetzen, / an
Schlägen allzumal, die manchen grob verletzen, / so ficht das
nicht den Mut des Unerschrocknen an, / der ohne Wanken
den Gewittern trotzen kann / und der, um sich den Ruhm des
Kriegers zu erwerben, / mit seiner Feinde Blut muß seinen
Lorbeer färben.» [48] In der Abbildung der Schlacht hat der
Krieg seinen Höhepunkt erreicht; es gibt Sieger und
Verlierer. Was jetzt noch folgen könnte, wäre der Blick auf
ein verlassenes Schlachtfeld, der Einzug des Siegers in die
Hauptstadt des bezwungenen Gegners, die Unterzeichnung
der Kapitulationsurkunde oder des Friedensvertrags,
anschließend der Abzug und die Abdankung der Truppen. So
jedenfalls wäre es bei einem Krieg der Westfälischen
Ordnung oder bei Kriegen früherer Zeiten zu erwarten
gewesen.

Das fünfte Bild aus Callots Zyklus, «Die Plünderung auf einem Bauernhof».
Nicht jedoch beim Dreißigjährigen Krieg, und so beginnt die
Darstellung des für ihn typischen Elends und Unglücks bei
Callot erst nach der Schlacht. Dafür stehen vor allem die
fünf Blätter mit den Titeln «Die Plünderung», «Die
Plünderung auf einem Bauernhof», «Die Zerstörung eines
Klosters», «Zerstörung und Verbrennung eines Dorfes» und
«Der Überfall auf die Kutsche». Die Gewalt breitet sich im
Land aus und richtet sich nicht mehr gegen den bewaffneten
Feind, sondern gegen eine weithin wehrlose Bevölkerung; es
geht nicht mehr um den Sieg, sondern um die persönliche
Bereicherung der Marodeure, die sich aus disziplinierten
Soldaten in Raub- und Mordgesellen verwandelt haben.
Stellvertretend für diese fünf Radierungen soll hier «Die
Plünderung auf einem Bauernhof» [49] beschrieben werden.
Man sieht den Innenraum eines stattlichen Bauernhofs, in
den mehr als ein Dutzend Soldaten eingedrungen sind,
erkennbar an ihren breitkrempigen Hüten, die sie von den
Bewohnern des Hofs unterscheiden. In der vorderen
Bildmitte sind Soldaten um einen Tisch versammelt, auf dem
geschlachtetes Federvieh liegt, daneben tote Schafe und
Ferkel. Einer der Eindringlinge versucht, mit seiner
Hellebarde Vorräte herunterzuholen, die an der Decke des
Raums aufgehängt sind, während auf der rechten Bildseite
jemand eine Leiter bestiegen hat, um an Würste zu
gelangen. Davor werden in der Nähe einer Tür
Wandverkleidungen entfernt, wohl weil man dahinter
Schätze zu finden hofft. Wie die auf dem Boden stehenden
Kisten und Truhen zeigen, die von einem Soldaten
durchsucht werden, war die Vermutung nicht falsch, dass
der Bauer seine Wertsachen versteckt hat. Womöglich hat
das auch die im Hintergrund gefolterte Person verraten. Sie
baumelt mit dem Kopf nach unten über einem qualmenden
Feuer; daneben sitzt eine weitere Person, die dazu
gezwungen wird, ihre Füße ganz nahe an die Flammen zu
halten. Sie wird von einem hinter ihr stehenden Soldaten
offenbar gewürgt. Im Hintergrund der Bildmitte ein großes
Bett, auf dem eine Frau von zwei Soldaten vergewaltigt
wird; andere stehen daneben, einer davon mit
hocherhobenem Humpen, sie warten darauf, dass sie «an
der Reihe» sind. Links vom Bett gibt eine Tür den Blick auf
einen Raum mit großen Fässern frei, aus denen sich die
Soldaten mit Bier oder Wein versorgen, links daneben
stehen Männer in drohender Haltung vor einer Person, die
vor ihnen auf die Knie gefallen ist und sie anfleht. Im
Vordergrund der linken Bildhälfte ein Soldat, der einem auf
den Rücken geworfenen Mann die Degenspitze an den Hals
gesetzt hat; ganz am linken Bildrand ein weiterer Soldat, der
eine mit ihrem Kind flüchtende Frau am Haar gepackt hat.
Vergewaltigt wird im Übrigen nicht nur auf dem großen Bett
in der Bildmitte, sondern auch in einem kleinen Raum hinter
einer Tür auf der rechten Bildhälfte. Ganz rechts verlässt ein
Soldat mit einem großen Packen auf dem Rücken den Raum.
Marolles’ Kommentar zu diesem Bild lautet: «Die Schurken
tun sich noch mit ihren Streichen groß, / verheeren alles
rings und lassen nichts mehr los, / der eine foltert, bis sie
ihm das Gold verraten, / der andre stachelt auf zu tausend
Missetaten, / und insgeheim vergehn sie sich an alt und
jung / mit Diebstahl, Raub, Mord, Vergewaltigung.» [50]
Eine in vieler Hinsicht vergleichbare Gewaltszene findet
sich am Anfang von Grimmelshausens Der abenteuerliche
Simplicissimus: Die Reiter, die den elterlichen Bauernhof im
Spessart überfallen, «durchstürmten das Haus unten und
oben; ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam ob
wäre das gölden Fell von Kolchis darinnen verborgen.
Andere machten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat
große Päck zusammen, als ob sie irgends einen
Krempelmarkt anrichten wollten; was sie aber nicht
mitzunehmen gedachten, wurde zerschlagen; etliche
durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie
nicht Schaf und Schwein genug zu stechen gehabt hätten;
etliche schütteten die Federn aus den Betten und fülleten
hingegen Speck, andere Dürrfleisch und sonst Gerät hinein,
als ob alsdann besser darauf zu schlafen gewest wäre. […]
Unsere Magd ward im Stall dermaßen traktiert, daß sie
nicht mehr daraus gehen konnte, welches zwar eine Schand
ist zu melden. Den Knecht legten sie gebunden auf die Erd,
steckten ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm
einen Melkkübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib: das
sie ein schwedischen Trunk nenneten, wodurch sie ihn
zwungen, ein Partei [eine weitere Gruppe von Reitern]
anderwärts zu führen, allda sie Viehe und Menschen
hinwegnahmen und in unsern Hof brachten, unter welchen
mein Knan [Vater], meine Meuder [Mutter] und unser Ursele
[Simplicius’ Schwester] auch waren. Da fing man erst an, die
Steine [Zündsteine] von den Pistolen und hingegen an deren
Statt die Bauren Daumen aufzuschrauben und die arme
Schelmen so zu foltern, als wenn man hätt Hexen brennen
wollen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren
bereits in Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her
waren, man gesehen er noch nichts bekennt hatte. Einem
andern machten sie ein Seil um den Kopf und raitelten
[drehten] es mit einem Bengel [Prügel] zusammen, daß ihm
das Blut zu Mund, Nas und Ohren heraussprang. […] Allein
mein Knan war meinem damaligen Bedünken nach der
glückseligste, weil er mit lachendem Munde bekennete, was
andere mit Schmerzen und jämmerlicher Wehklag sagen
mußten; und solche Ehre widerfuhr ihm ohne Zweifel darum,
weil er der Hausvater war; dann setzten sie ihn zu einem
Feuer, banden ihm, daß er weder Händ noch Füß regen
konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtetem
Salz, welches ihm unser alte Geiß wieder ablecken und
dadurch so kützeln mußte, daß er vor Lachen hätte bersten
mögen. […] In solchem Gelächter bekannte er seine
Schuldigkeit und öffnete den verborgenen Schatz, welcher
von Gold, Perlen und Kleinodien viel reicher war als man
hinter Bauren hätte suchen mögen. Von den gefangenen
Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich nichts
zu sagen, weil mich die Krieger nicht zusehen ließen, wie sie
mit ihnen umgiengen. Das weiß ich noch wohl, daß man hin
und wieder in den Winkeln erbärmlich schreien hörte;
schätze wohl, daß es meiner Meuder und unserm Ursele nit
besser gangen als den andern.» [51]
Die bei Callot auf fünf Blättern ausführlich dargestellten
Verbrechen der Marodeure enden, wie auf der neunten
Radierung zu sehen, mit der Entdeckung und Festnahme der
Übeltäter durch eine Soldateneinheit, die losgeschickt
wurde, um die Bevölkerung vor den schlimmsten Verbrechen
zu schützen. Auf einer Lichtung werden die Marodeure
zusammengetrieben und entwaffnet. Einige verstecken sich
im Unterholz, werden aber, wie am linken Bildrand zu sehen,
von mit Spießen bewaffneten Männern aufgestöbert. Ein
Offizier zu Pferde, offenbar der Profos des Regiments, führt
den Zug der Festgenommenen, an dessen Spitze ein
gebückter Fährtenleser zu sehen ist, der weiteren Räubern
und Plünderern auf der Spur ist. Es handelt sich also nicht
um eine Zufallsentdeckung; die Kommandeure des Heeres
sind gewillt, systematisch gegen das Marodeurstum
vorzugehen. Marolles’ Kommentar lässt keinen Zweifel an
dem, was die Gefangenen erwartet: «Nachdem sie manche
schnöde Missetat begangen, / versuchet man mit Fleiß, die
Schändlichen zu fangen. / Nichtswürdig, ohne Ruhm, sieht
man die Bösen hier, / wie sie der Feldprofoß verbringt ins
Standquartier. / Schon lauert das Gericht, die Strafe wird
entsprechen / den allzulang verübten schrecklichen
Verbrechen.» [52]
Den fünf Blättern mit den Gewaltszenen der Marodeure
korrespondieren fünf Blätter, auf denen Callot die
unterschiedlichen Bestrafungen dargestellt hat, denen die
Marodeure zugeführt werden: «Der Wippgalgen», «Die
Gehenkten», «Die Erschießung», «Der Scheiterhaufen» und
«Das Rad». In den Bildunterschriften erläutert Marolles,
wofür der Delinquent verurteilt wurde und weshalb gerade
diese Strafe an ihm vollzogen wird. Die anwesenden
Heereseinheiten werden nicht aufgeboten, um zu
verhindern, dass die Straftäter von der aufgebrachten
Bevölkerung befreit oder aber massakriert werden, sondern
um ihnen vor Augen zu führen, womit sie rechnen müssen,
wenn sie Verbrechen begehen und gegen die
Soldatendisziplin verstoßen. Der Adressat des Strafvollzugs
ist das Militär selbst, weswegen auf Callots Radierungen nur
sehr wenige Zivilpersonen zu sehen sind, während die
Soldaten so aufgestellt wurden, dass sie zur Exekution
blicken – was sinnlos wäre, wenn es darum ginge, den
Vollzug der Strafe gegen Zivilisten zu sichern.
Jacques Callot, «Die Gehenkten».

Eines der fünf Blätter, das mit dem Titel «Die Gehenkten»,
zeigt die Strafe für Diebstahl und Plünderung. Es hat den
engsten Bezug zu den Verbrechen bei der «Plünderung auf
einem Bauernhof». Marolles’ Kommentar lautet: «Uns zeigt
das Diebsgesindel, das hier dicht gedrängt / wie unheilvolles
Obst an einem Baume hängt, / daß das Verbrechen selbst /
(verrufne, finstre Sache) / schon sei ein Instrument der
Züchtigung und Rache; / denn früher oder später stellt den
Bösewicht / ein unerbittlich Los vors himmlische
Gericht.» [53] Rechts und links des mächtigen Galgenbaums
sind mehrere Regimenter in Reih und Glied angetreten; sie
haben Gefechtsformation eingenommen, vorn die
Musketiere mit geschultertem Gewehr, dahinter die
Pikeniere mit hochgerichteten Lanzen, die wie eine
Umzäunung der Hinrichtung wirken; in den
Musketierpelotons die entrollten Regimentsfahnen, die den
offiziellen Charakter des Ereignisses unterstreichen.
Zwischen den beiden Fronten des Militärs ist eine Zeltstadt
zu sehen, was darauf hindeutet, dass die Exekution in
unmittelbarer Nähe des Feldlagers stattfindet. Doch all das
ist nur die Staffage für das Geschehen im Bildzentrum: An
einem gewaltigen alten Baum mit ausladenden Ästen hängen
etwa zwei Dutzend Männer, die Beine leicht gespreizt, die
Leichname im Winde schaukelnd. Links unterhalb des
Baumes stehen Unteroffiziere mit Hellebarden, die die
Exekution überwachen, sowie weitere Delinquenten, die auf
ihre Hinrichtung warten; dazu zwei Geistliche, die diese
darauf vorbereiten, einer mit erhobenem Kreuz auf einer an
den Baum gelehnten Leiter. Rechts unterhalb des Baumes
sind ebenfalls Hellebardenträger zu sehen sowie zwei
weitere Delinquenten, die auf einer Trommel ihre
Habseligkeiten abliefern. Womöglich würfeln sie nach
Landsknechtstradition um ihr Leben. Zuvor mussten sie
Stiefel und Obergewand ablegen, wie die Hüte und Kleider
im vorderen Bildzentrum zeigen. Der Weg zum Galgenbaum
ist einer der Entkleidung all dessen, was die Männer als
Soldaten gekennzeichnet hat; die Leiber der Baumelnden
sind nur noch mit einem Hemd bekleidet. Vor der
Hinrichtung wird dem Soldaten die Ehre genommen. Dass
die Exekution noch einige Zeit weitergehen wird, lassen
nicht bloß die unter dem Baum auf den Tod Wartenden
vermuten, sondern auch ein am äußersten rechten Bildrand
noch mit Stiefeln, Hose und Obergewand Herangeführter,
dem ein Mönch Trost für seinen letzten Gang zuspricht.
Callots Radierungen sind, zumindest was die ersten
vierzehn Blätter anbetrifft, auch eine Bearbeitung des
Elends und eine Bewältigung des Unglücks. Sie zeigen,
gemessen an den Gepflogenheiten der Kriegführung und
beurteilt nach dem Recht des Krieges, aus der Bahn
geratene Gewalt in ungeschönter Deutlichkeit, aber sie
führen auch vor, wie diese Gewalt abgestraft wird – und das
in einer Härte und Konsequenz, dass heutige Betrachter der
Callot’schen Radierungen häufig Mitleid mit den
Marodeuren haben. Dabei wird meist übersehen, dass es
nicht nur um die Genugtuung ging, die dem
zeitgenössischen Betrachter der Bilder im Nachhinein
verschafft wurde, sondern ebenso darum zu zeigen, dass die
Führung des Heeres bemüht war, das Marodeurswesen so
weit wie möglich einzudämmen. Callot beschränkt sich nicht
darauf, die Gewalt des Unrechts ins Bild zu setzen, vielmehr
führt er auch die Gewalt des Rechts vor Augen. Das
Vertrauen, dass sich die Ordnung gegen die andringenden
Kräfte ihrer Zerstörung selbst behaupten kann, wird so
wiederhergestellt. Ob unrechtmäßige und strafende Gewalt
dazu das richtige Mittel ist, steht auf einem anderen Blatt;
Callots Radierungen bilden ihrer Intention nach in jedem
Fall einen strikten Gegensatz zu den apokalyptischen
Darstellungen des Krieges.

Jacques Callot, «Die Rache der Bauern».

Der Dreißigjährige Krieg war jedoch schon aufgrund seiner


Dauer kein Krieg, dessen Schrecken sich durch eine solche
Komplementarität der Gewaltdarstellung bewältigen ließ.
Deswegen endet Callots Zyklus auch nicht mit der
Hinrichtung eines Delinquenten auf dem Rad, sondern setzt
sich in vier weiteren Bildern fort: «Das Hospital»,
«Sterbende am Straßenrand», «Die Rache der Bauern» und
«Die Verteilung der Belohnungen». Die ersten beiden
Radierungen zeigen die Folgen der Kriegsgewalt ohne
Gegenüberstellung von Recht und Unrecht, also schlichtweg
das, was die auf dem dritten Bild des Zyklus dargestellte
Schlacht am Leib der Soldaten hinterlässt:
Verstümmelungen und tödliche Wunden. Der vorletzte Stich
zeigt einen der alternativen Vorgänge zur Wiederherstellung
der Ordnung durch das Militär selbst: Bauern haben eine
Militärkolonne in einen Hinterhalt gelockt und machen die
Soldaten mit Sensen und Spießen, Knüppeln und
Dreschflegeln gnadenlos nieder – was mit dem Fortgang des
Krieges immer häufiger vorgekommen ist. Im Mittelpunkt
der Radierung steht eine Szene, in der den getöteten
Soldaten ihre Habseligkeiten geraubt und schließlich auch
ihre Kleider vom Leib gerissen werden. Im Vergleich weckt
das fünfzehnte Bild mit dem Titel «Das Hospital», das einen
Strom von Versehrten zeigt, die an ihren breitkrempigen
Hüten als ehemalige Soldaten erkennbar sind, Hoffnung auf
ein Ende des Leids. Man sieht Männer mit einem oder zwei
Stelzfüßen, einige mit Krücken, andere, die nur noch
kriechen können. Es ist das Elend des Krieges, das sich hier
versammelt hat. Aber in der unteren rechten Bildhälfte
werden die Verarmten und Versehrten gespeist. Die von
einer Mauer geschützte Stadt mit ihrer großen Kirche im
Zentrum wirkt vom Krieg unberührt und bereit, die Elenden
aufzunehmen. Das Bild zeigt damit zugleich die Schrecken
des Krieges wie die Wiederherstellung von Mitgefühl und
Ordnung.
Mit den drei Schreckensbildern lässt Callot es indes nicht
bewenden; er schließt seinen Zyklus mit einer Radierung ab,
die so gar nicht zum Thema Elend und Unglück passen will:
«Die Verteilung der Belohnungen». Das Geschehen spielt
sich in einem palastähnlichen Raum ab, in dessen Mitte ein
Herrscher thront, der die zu beiden Seiten seines Podiums
stehenden Offiziere belohnt. Es sind ausnahmslos
hochrangige Militärs, die in der dargestellten Szene
befördert und beschenkt werden: auf der linken Bildseite,
den Fahnen nach zu urteilen, die Kommandeure von
Fußtruppen, auf der rechten Bildseite offenbar
Kavallerieoffiziere. Sie haben den Krieg überlebt, gehören
der Siegerpartei an und nehmen nun die Ehrungen und
Geschenke entgegen, um derentwillen sie in den Krieg
gezogen sind. Das sind vermutlich nicht nur Halsketten und
Brustbänder, wie sie links des Thrones überreicht werden,
sondern auch Geldgeschenke und Ländereien als materielles
Unterpfand der immateriellen Ehre.
Während das Bild keine Frage offenzulassen scheint, ist
Marolles Text irritierend: «Dies ist ein Offizier, gerecht und
beispielhaft; / wie er die Guten lohnt und auch die Bösen
straft, / muß die Soldaten wohl bei ihrer Ehre greifen, / kann
ihnen doch das Glück nur aus der Tugend reifen, / und für
das Laster zahlt man, wie ein jeder weiß, / mit Schande,
Schimpf und Folter einen hohen Preis.» [54] Die
Bildunterschrift könnte so verstanden werden, als seien hier
die Guten wie die Bösen zu sehen, als werde sowohl über die
Tugend als auch über das Laster abgerechnet. Dieser
Deutung nach müssten die zur Linken des Offiziers
Befindlichen die Bösen und Lasterhaften sein, denen
Schimpf und Schande und womöglich sogar die Folter droht.
Dafür gibt es in Callots Darstellung jedoch keine
Anhaltspunkte. Marolles’ «wie ein jeder weiß» ist wohl auf
die vorangegangenen Bilder bezogen, auf denen die
Bestrafung der Übeltäter dargestellt wurde, während es auf
dem letzten Bild nur noch um «die Verteilung der Beute»
geht, wie Bernd Schuchter angemerkt hat. [55] Man kann in
der Radierung freilich auch einen kritischen Kommentar zu
den üblichen Ehrungen und Feiern nach Beendigung eines
Krieges sehen – jedenfalls wenn man das Bild nicht für sich
betrachtet, sondern es in den Gesamtzusammenhang des
Zyklus stellt. Dann nämlich bekommen die Belohnungen
einen faden Beigeschmack angesichts der Marodeure, die
von den Offizieren nicht unter Kontrolle gehalten worden
sind, sich bei ihren Überfällen und Raubzügen aber sicher
nur geringere Werte angeeignet haben, als sie hier
großzügig verteilt werden. Die Versehrten vor dem Hospital
und die Sterbenden am Wegrand (sechzehntes Bild) stünden
dann nicht nur für die unvermeidlichen Folgen des Krieges,
sondern wären auch die Negativfolie zur Vergabe von
Belohnungen auf dem letzten Blatt des Callot’schen Zyklus.

Einen etwas anderen Tenor haben die fünfundzwanzig


Radierungen Hans Ulrich Francks, der seine Arbeiten in
Augsburg, also einem der Zentren des Kriegsgeschehens,
angefertigt hat. [56] Die später unter dem Titel Kriegsserie
zusammengefassten Stücke sind zum Teil noch während des
Krieges, zum Teil aber auch erst danach entstanden. Im
Vergleich zu Callot kannte Franck den Fortgang des Krieges
und sein Ende. Francks Radierungen sind weniger detailliert
ausgearbeitet, dafür zeigen sie sehr viel unmittelbarer das
Tun und Unterlassen der Soldaten. Sie unterscheiden nicht,
wie Callot, zwischen Marodeuren und Freibeutern auf der
einen und diszipliniertem Militär auf der anderen Seite,
sondern beschreiben das, was bei Callot die Marodeure
ausmacht, als typisch für alle Soldaten. Callot orientierte
sich offenkundig an der ersten Hälfte des Krieges, als dieser
über weite Strecken nach den Grundsätzen der
Niederwerfungsstrategie geführt wurde und sowohl Tilly als
auch Gustav Adolf davon ausgingen, sie könnten den Krieg
in einer großen Schlacht entscheiden. Das war auch die Zeit,
in der die Heerführer (jedenfalls einige von ihnen) noch auf
die Disziplin ihrer Truppen achteten und mit drakonischen
Strafen gegen Marodeure und Freibeuter vorgingen.
Francks Radierungen dagegen reflektieren das Geschehen in
der zweiten Kriegshälfte, als man überwiegend einer
Verwüstungsstrategie folgte und die Trennlinie zwischen
rechtschaffenen und marodierenden Soldaten eingeebnet
wurde.
Die ersten fünf Radierungen Francks zeigen die
leichtfertigen, leichtlebigen und leichtsinnigen Seiten des
Soldatenlebens: Frisch angeworben erhalten die Söldner ihr
Handgeld, und das Wirtshaus wird zu ihrem bevorzugten
Aufenthaltsort, wo sie reichlich trinken und sich mit
Prostituierten abgeben. Aber dann geht es in den Krieg, der
von Franck nicht in Form von Schlachten mit Infanterie- und
Kavallerieangriffen dargestellt wird, sondern als
Scharmützelkrieg: Überfälle und Hinterhalte kleiner
Soldatengruppen, fast immer in einem von Bäumen und
Büschen umstandenen Gelände, und Kämpfe auf Leben und
Tod. Im Unterschied zu den Radierungen Callots
konzentrieren sich Francks Grafiken auf einzelne Szenen;
das Gewaltereignis füllt das ganze Bild aus, so dass für
andere Aspekte oder Vorgänge im Hintergrund kein Raum
bleibt. Das gilt nicht nur für die Kampfszenen, sondern auch
für jene Bilder, die sich mit der Gewalt von Soldaten gegen
Zivilisten befassen. Bauern und Frauen sind die Ziele der
Aggression; die Männer werden niedergemacht, die Frauen
getötet oder vergewaltigt. Die Gewalt ereilt freilich auch die
Gewalttäter selbst: Die Radierung «Des Reiters Ende» zeigt
einen Pferdekadaver und einen bereits weitgehend
skelettierten Mann, die den Raben als Nahrung dienen.
Franck stellt die Grausamkeit des Krieges dar, ohne dass
sich, wie bei Callot, Laster und Tugend, Verbrechen und
Strafe gegenüberstehen. Es gibt keine ordnende und
strafende Hand, die den Übeltäter richtet. Am Ende wird
diesem dasselbe Schicksal zuteil wie seinen Opfern: ein
gewaltsamer Tod.
Das Schlussblatt der Serie, die Radierung «Das
wechselhafte Kriegsglück», ist die Summe des zuvor
Dargestellten: Es zeigt einen wohlgekleideten Offizier mit
Schärpe und Wehrgehänge, der auf einer Kugel steht. Seit
der Renaissance steht die Kugel für die Unbeständigkeit des
Glücks, weswegen Fortuna häufig selbst auf einer solchen
dargestellt wird. In diesem Fall symbolisiert sie, dass der
eben noch stolze und selbstsichere Offizier morgen schon zu
Fall kommen kann. Das scheint den jungen Mann auf der
linken Bildseite, der sich dem Offizier mit einer Bittgeste
zuwendet, jedoch nicht zu stören: Er will Soldat werden und
hofft, es dabei ebenso weit zu bringen wie der Mann, den er
vor sich hat. Dabei achtet er weder auf die Kugel unter
dessen Füßen noch auf den sich mit Krücken
fortbewegenden Kriegsversehrten auf der rechten Bildseite.
Hinter beiden, dem jungen Mann wie dem aus dem Krieg
heimgekehrten Versehrten, sind ältere Leute zu sehen,
offenbar die Eltern der zwei Männer. In beiden Fällen sind
sie besorgt, das eine Mal angesichts der Zukunft, das andere
Mal angesichts der Gegenwart ihres verstümmelten Sohnes.
Sie stehen für zwei Formen des Unglücks. Hans Ulrich
Franck hat am Ende seiner Serie auf jeden Trost verzichtet.
Er bewältigt das Unglück, indem er es in just dem
Augenblick zeigt, da so mancher es noch für das reine Glück
hält.
Hans Ulrich Franck, «Überfall auf ein Dorf».
Das Eingreifen Frankreichs:
Verhandlungen, Bündnisse und der Krieg
am Oberrhein
Nach dem Zusammenbruch der schwedischen Macht im
Süden war Augsburg die letzte Bastion der Schweden und
des Protestantismus in Oberdeutschland. Sie galt es zu
halten, bis sich die Verhältnisse wieder gebessert hatten. In
der Stadt befand sich eine starke schwedische Garnison
unter dem Obersten Johann Georg aus dem Winckel; die
männlichen Bewohner waren militärisch erfasst und hatten
den Verteidigungsfall immer wieder geübt; außerdem hatte
man noch auf Geheiß Gustav Adolfs vor den Stadtmauern
gewaltige Schanzen aufgeworfen. [1] Ein Angreifer würde
sich schwertun, Augsburg im Sturm zu nehmen, und eine
Belagerung würde sich über Monate hinziehen. Es gab also
gute Gründe, warum die Sieger von Nördlingen sich nach
ihrem großen Erfolg andere Ziele gesucht hatten als die
Handels- und Weberstadt am Lech. Wenn es ihnen gelang,
das Land zwischen Donau und Rhein unter Kontrolle zu
bringen, dann würde ihnen Augsburg irgendwann von selber
in die Hände fallen. So gesehen, konnte man sich Zeit
lassen.
Das war indes bloß die militärische Logik; die politische
Logik sah anders aus. Augsburg war durch die Confessio
Augustana und den nach der Stadt benannten
Religionsfrieden nicht nur ein Symbol des Protestantismus,
[2] sondern hatte auch einige Jahrzehnte
gemischtkonfessioneller Kultur aufzuweisen, die den
Unnachgiebigen beider Konfessionen ein Dorn im Auge war.
Deswegen war Augsburg auch eines der ersten Ziele des
kaiserlichen Restitutionsedikts gewesen: Am 8. August 1629
hatte man die Ausübung des protestantischen Bekenntnisses
in der Stadt verboten, und unter dem Druck des Augsburger
Bischofs Heinrich V. von Knöringen begann eine rigide
Rekatholisierungspolitik, die erst mit dem Einzug
schwedischer Truppen in die Stadt am 20. April 1632
endete. [3] Augsburg hatte damals Glück gehabt, denn durch
den schnellen Abzug der bayerischen Truppen, von denen
die Stadt eigentlich hätte verteidigt werden sollen, blieb ihr
eine lange und ruinöse Belagerung erspart. Das sollte nun
anders werden: 1635 war weder die katholische Seite,
Kaiser Ferdinand, Kurfürst Maximilian und der umtriebige
Heinrich von Knöringen, gewillt, Augsburg unbehelligt zu
lassen, noch waren die schwedische Besatzung und große
Teile der Bürgerschaft bereit, die Stadt kampflos zu
übergeben.
Schon bevor der Krieg die Stadt unmittelbar erreichte,
standen die Dinge nicht zum Besten: Der Absatz der Tuche
war zurückgegangen, wodurch ein Großteil der städtischen
Weber und der ihnen verbundenen Handwerker in die Armut
absanken. [4] Bald nach Kriegsbeginn schoss der Brotpreis in
die Höhe, und die Entwicklung der Lebensmittelkosten
stürzte breite Schichten der Stadt, die bis dahin
einigermaßen auskömmlich hatten leben können, in Armut
und Elend. [5] Die schon früh zur Reformation
übergewechselte Stadt hatte ein gut funktionierendes
Armenwesen aufgebaut, aber durch die rückläufigen
Steuereinnahmen infolge der Absatzkrise im Stoffgewerbe
und der unsicheren Handelswege sah man sich zu
Einschränkungen gezwungen, als die Zahl der Armen immer
weiter anstieg. Es entstanden Elendsquartiere, wie sie
Augsburg zuvor nicht gekannt hatte.
Die Reichsstadt Augsburg als klagende Witwe in der unteren Bildmitte, mit der
Rechten auf die Stadtvedute verweisend, erinnert sich an die Durchsetzung des
kaiserlichen Restitutionsedikts, als ihr der Status der Bikonfessionalität
genommen und die protestantischen Kirchen «zwangskatholisiert» wurden. Für
diese Erinnerung steht die Kirche auf der linken Bildseite, aus der Bücher
herausgeworfen werden, darunter auch die Bibel. Aber dann kam Gustav Adolf mit
dem schwedischen Heer, nahm die Stadt ein und stellte die Rechte des
protestantischen Bekenntnisses wieder her: Der schwedische König ist der
Beschützer der Witwen und Waisen. «Diß ist der Mann / Der helffen kan.»

Schließlich erreichte auch eine der damaligen


Pestepidemien Augsburg. [6] Wahrscheinlich waren es
kaiserliche Soldaten, die auf dem Weg nach Süden, wo sie in
den Mantuanischen Erbfolgekrieg eingreifen sollten, [7] die
Seuche in die Stadt brachten. Die erhöhte regionale
Mobilität großer Menschenmassen im Zuge des Krieges war
eine wesentliche Ursache für den sprunghaften Anstieg von
Seuchen in dieser Zeit. [8] In Friedenszeiten zogen nur
Kaufleute, Scholaren und Pilger weit übers Land; ansonsten
hatte man es mit einer ortsgebundenen Gesellschaft zu tun,
in der sich Epidemien eher langsam ausbreiteten. Mit der
Reformation war die Zahl der Pilger zurückgegangen.
Außerdem hatten die Städte nach der verheerenden Pest in
der Mitte des 14. Jahrhunderts Hygieneregeln und
Vorsorgemaßnahmen eingeführt, die zwar eher lax
gehandhabt wurden, im Krisenfall aber schnell intensiviert
werden konnten. Dazu gehörten die Verhängung von
Quarantänen sowie die zeitweilige Schließung der Stadttore.
Das waren jedoch Maßnahmen, die auf eine Gesellschaft mit
begrenzter Mobilität abgestellt waren; Soldatendurchzügen
und Flüchtlingsströmen war damit nicht beizukommen. So
war es auch in Augsburg, wo im Frühjahr 1627 die ersten
Pestfälle auftraten und es im Verlauf des Jahres zu einer um
das Fünffache erhöhten Todesrate kam. [9] Jetzt fehlte von
den vier Reitern der Johannes-Offenbarung nur noch die
Kriegsgewalt selbst, aber auch die ließ nicht lange auf sich
warten.
Nach der Verlagerung des Kriegsgeschehens zur Donau im
Frühjahr 1632 war zuerst das Augsburger Umland betroffen.
Hier kam es immer wieder zu größeren Kämpfen, zumal das
Kriegsglück wechselte und einmal die schwedischen, einmal
die bayerischen und kaiserlichen Truppen im Vorteil waren.
Augsburg bekam das zu spüren, indem sich die
Nahrungsmittelversorgung deutlich verschlechterte, und da
der schwedische Militärkommandant regelmäßig Streifzüge
seiner Garnison in die Umgebung anordnete, wodurch diese
unter den «Augsburger Schweden» zu leiden hatte, wuchsen
in den Dörfern Hass und Feindschaft gegen die Städter. [10]
Immer häufiger mussten diese sich mit Gewalt holen, was
die Bauern zuvor aus eigenem Interesse auf die Märkte der
Stadt gebracht hatten. Als die Einschließung Augsburgs im
Winter 1634/35 begann, konnte die Stadt nicht mit
nennenswerter Hilfe aus dem Umland rechnen.
In den Monaten davor war zu allem Unglück auch noch die
Pest nach Augsburg zurückgekehrt und hatte der physisch
geschwächten Bevölkerung weiter zugesetzt. Nun stritt man
über die Frage, ob man durchhalten und auf schwedischen
Entsatz warten oder in Verhandlungen mit den Belagerern
eintreten solle. Die vier Jahre zuvor in Magdeburg geführten
Debatten wiederholten sich in Augsburg: Auf der einen Seite
stand die Gruppe derer, die um das Schicksal der Stadt
besorgt waren und bei einem Sturm viel zu verlieren hatten;
auf der anderen Seite jene, für die Widerstand eine
Glaubensverpflichtung war und die auf ein Wunder wie im
Frühjahr 1632 hofften. [11] Maximilian war zu klug, einen
Sturmangriff auf Augsburg anzuordnen, zumal die
militärische Lage sich so entwickelte, dass er sich Zeit
lassen konnte. Unter keinen Umständen sollten sich die
Vorgänge bei der Eroberung Magdeburgs wiederholen, als
das große Feuer die Eroberung wertlos gemacht und die
anschließende publizistische Kampagne Tillys Reputation
ausgelöscht hatten. Die Opfer von Seuchen und Hunger, so
das Kalkül des Kurfürsten, würden politisch nicht auf sein
Konto, sondern auf das der Widerstandleistenden gehen.
Diese Rechnung ging auf: Am 24. Mai 1635 willigte der Rat
in die angebotenen Kapitulationsbedingungen ein, und vier
Tage später verließ die schwedische Garnison die Stadt. Ihr
schloss sich eine große Gruppe von Emigranten an, die den
abzusehenden Prozess der Rekatholisierung nicht über sich
ergehen lassen, geschweige denn mitmachen wollten. [12]

Unterdessen gingen im Reich die Verhandlungen weiter, die


Schweden sowohl mit Sachsen als auch mit Frankreich
führte. Nach der Katastrophe von Nördlingen waren die
Schweden uneins, wie man mit der bedrohlichen Lage
umgehen sollte. Entweder ging man auf das mehr als
unbefriedigende Angebot Sachsens ein, das auf eine
Entschädigung von einer Million Reichstaler hinauslief,
wobei unklar blieb, wie und von wem das Geld aufgebracht
werden sollte, und zog sich aus Deutschland zurück; oder
aber man nahm das französische Angebot an, das erhebliche
und kontinuierliche Subsidienzahlungen vorsah, wenn
Schweden mit einer namhaften Militärmacht im Krieg
verblieb und dem Kaiser in Wien weiterhin zusetzte. [13]
Gegen das sächsische Angebot sprach, dass es der Kaiser
nicht für wert befunden hatte, selbst in Verhandlungen mit
Oxenstierna einzutreten, sondern diese Aufgabe an Sachsen
als Wortführer des deutschen Protestantismus delegiert
hatte. In Schweden fühlte man sich brüskiert. Für den
Rückzug aus dem deutschen Krieg sprach dagegen, dass
nach dem Tod Gustav Adolfs unklar war, wofür man diesen
Krieg führte und welches Gewicht dabei genuin
schwedischen Interessen zukam. Zog man sich aus
Deutschland zurück, so die Befürworter, werde man die
Armee gegen Polen und im Baltikum einsetzen können, wo
die wirklichen Interessen Schwedens lägen. Aber wie wollte
man diese Armee finanzieren? Die eigenen Mittel reichten
dafür nicht aus. Das wiederum sprach für ein enges Bündnis
mit Frankreich, das sowohl bereit als auch in der Lage war,
die Kosten des schwedischen Militärapparats weitgehend zu
übernehmen. Gegen ein enges Bündnis mit Frankreich
sprach hingegen, dass man politische Handlungsfreiheit
verlor und das Heer im französischen Interesse einsetzen
musste. Oxenstierna fürchtete nichts mehr, als in diese Rolle
hineingedrängt zu werden. [14]
Im Nachhinein betrachtet, ist es erstaunlich, wie
leichtfertig die kaiserliche Politik in den Jahren von 1635 bis
1637 die Chance vergab, sich ihren bis dahin militärisch
gefährlichsten Feind vom Halse zu schaffen. Es ist mehr als
fraglich, ob Frankreich ohne Schweden an seiner Seite die
offensive Strategie gegen den Kaiser durchgehalten hätte.
Richelieu wäre in jedem Fall sehr viel kompromissbereiter
gewesen. Frankreich konnte aufgrund seiner Finanzkraft
zwar die Kriege der anderen «anfüttern» und
Bundesgenossen unterstützen, aber es verfügte vorerst über
kein Heer, mit dem es diese Kriege selber führen konnte. [15]
Selbstverständlich stellen sich im Rückblick Kosten und
Nutzen eindeutiger dar als in der Situation selbst. Es dürften
die erneute enge Anlehnung an Spanien und die damit
verbundene Hoffnung auf einen «Siegfrieden» gewesen sein,
die für das Desinteresse an einem Friedensschluss mit
Schweden verantwortlich waren. Nach dem Sieg bei
Nördlingen überschätzte man in Wien die im spanischen
Bündnis liegenden militärischen Erfolgsaussichten und
unterschätzte die Probleme, die dem Kaiserhaus aus der
weiteren Konfrontation mit Schweden erwachsen würden.
Insofern hatte der militärische Erfolg bei Nördlingen einen
politisch hohen Preis. Hinzu kam, dass sich der Kaiser in
einer ähnlichen Situation befand wie Oxenstierna: Er
brauchte Geld, um das teure Heer weiterhin zu unterhalten –
und dieses Geld konnte er nur von Spanien bekommen. Also
schloss man sich der Madrider Linie des Hauses Habsburg
wieder enger an, und das hieß, dass man noch stärker
gegenüber Frankreich Stellung bezog.
Mitte April 1635 hielt Oxenstierna sich in Frankreich auf,
wo er den Vertrag von Compiègne aushandelte, der vorsah,
dass Frankreich den Wiener Habsburgern den Krieg erklärte
und 200000 Taler Subsidien an Schweden zahlte. Außerdem
verpflichteten sich beide Länder, keinen Separatfrieden
ohne das Wissen des anderen abzuschließen. Oxenstierna
wiederum sagte Frankreich zu, in allen von Schweden
abhängigen Gebieten Deutschlands für die Religionsfreiheit
der Katholiken zu sorgen. [16] Der Vertrag trat jedoch nie in
Kraft, weil Schweden ihn nicht ratifizierte und Frankreich
keine Subsidien zahlte. Noch setzten einflussreiche
Vertreter in Stockholm darauf, dass man mit dem Kaiser
einen Friedensvertrag aushandeln konnte, und daran wollte
man sich nicht durch einen Bündnisvertrag mit Frankreich
hindern lassen. Der neue Kaiser Ferdinand III. führte
unterdessen die prospanische Politik weiter, die sein Vater
auf dem Regensburger Kurfürstentag von 1634/35
eingeleitet hatte. Der alte Kaiser hatte dort erklärt, der
König von Spanien sei rechtmäßiger Herr der unverändert
zum Reich gehörenden Niederlande, und er, der Kaiser, sei
gewillt, den Bestimmungen des Burgundischen Vertrags von
1548 gemäß den spanischen König im Kampf gegen die
«Rebellen» zu unterstützen. Das Kaiserhaus sei in dem
Konflikt also nicht neutral, deswegen komme der Abschluss
eines Nichtangriffsvertrags, wie von den Generalstaaten
vorgeschlagen, nicht in Frage. [17] Das lief, nachdem sich
Frankreich auf die Seite der nördlichen Niederlande gestellt
hatte, auf eine Bestätigung des inoffiziellen Kriegszustands
mit Frankreich hinaus. Die anwesenden Kurfürsten, die vom
Schutz des kaiserlichen Heeres abhängig waren, wagten
nicht, dem Kaiser zu widersprechen, und versicherten, sie
hätten nie beabsichtigt, den Niederlanden neue Rechte und
Freiheiten zuzugestehen. Damit banden sie sich ebenso wie
der Kaiser an Spanien. Der Historiker Christoph Kampmann
hat die Folgen dieser Entscheidung zusammengefasst:
«Indem man sich nun der Hilfe Spaniens bediente, um den
Prager Frieden durchzusetzen, wurden Leitprinzipien dieses
Friedensschlusses aufgegeben: Denn statt die
westeuropäischen Großmachtkonflikte vom Reich
fernzuhalten, förderten sie [der Kaiser und die ihm
verbundenen Kurfürsten] auf diese Weise die Einbindung
des Reiches in die westeuropäische Blockpolitik. Logische
Konsequenz dieser Entwicklung war, dass nun auch die
Gegenseite mit einem engeren bündnispolitischen
Zusammenwirken antwortete.» [18]
Ferdinand III. folgte seinem Vater im Jahr 1637 als Kaiser. Das Porträt zeigt ihn im
Harnisch mit Schwert und Lorbeerkranz, in der Pose des Siegers – ein Rückverweis
auf die Schlacht von Nördlingen, wo Ferdinand den Oberbefehl über das
kaiserliche Heer innehatte. In Ferdinands III. eigener Regierungszeit nahm das
Kriegsgeschehen für die kaiserliche Seite jedoch einen eher unglücklichen Verlauf.

Im März 1635 verhandelten Schweden und Frankreich in


Wismar erneut. Diesmal einigte man sich, so die Historikerin
Jenny Öhman, den gemeinsamen Krieg «bis zur Erlangung
einer entsprechenden Satisfaktion fortzusetzen. Jeder Seite
sollten die jeweils von ihr eroberten Gebiete verbleiben.
Frankreich sollte jährlich eine Million Pfund an Schweden
zahlen; dafür durfte der Frieden nur mit gemeinsamer
Zustimmung geschlossen werden, und die Partner waren zu
gegenseitiger Hilfe verpflichtet.» [19] Aber wieder zögerten
die Schweden die Ratifikation des Vertrags hinaus, um auf
kaiserliche Verhandlungsangebote eingehen zu können. Man
müsse den König von Frankreich «so weit als möglich
ausnützen», erklärte Oxenstierna. [20] Er hatte dabei
keinerlei moralische Bedenken, weil er davon ausging, dass
auch Frankreich bestrebt war, seinerseits Schweden
auszunutzen.
Im Sommer 1637 geriet Schweden, das sich durch den
Sieg bei Wittstock als militärische Großmacht
zurückgemeldet hatte, [21] erneut in Bedrängnis, als sich
Banér bis nach Pommern zurückziehen musste und man
zeitweilig befürchtete, die kaiserlichen Truppen könnten bis
zur «Seekante» vorstoßen. Mit den militärischen Erfolgen
des Kaisers schwand auch die Aussicht auf ein politisches
Entgegenkommen von seiner Seite. Jetzt war man auch in
Stockholm bereit, den Wismarer Vertrag zu ratifizieren,
freilich um zwei Bestimmungen ergänzt: Frankreich sollte
dem Kaiser offiziell den Krieg erklären und die an Schweden
zu zahlenden jährlichen Subsidien deutlich erhöhen. [22]
Doch diese Forderungen waren für den Verhandlungsführer
Johan Adler Salvius nur noch Spielmaterial, denn Schweden
war jetzt dringend auf französische Gelder angewiesen. Am
24. Februar 1638 wurde das Kriegsbündnis in Hamburg
geschlossen. Da im Vertragstext einige Ergänzungen und
Erweiterungen gegenüber dem Vertrag von Wismar
enthalten waren, wird häufig auch vom «Hamburger
Vertrag» gesprochen. [23] In der Folge erklärte Frankreich
Kaiser Ferdinand, dem Hause Habsburg und seinen
Verbündeten den Krieg und zahlte Schweden, rückwirkend
auch für das Jahr 1637, von nun an jährlich
400000 Reichstaler. Damit war Schweden, wie sich schon
bald zeigen sollte, wieder in der Lage, Krieg zu führen. [24]
Für Frankreich war das ein gutes Geschäft, denn vorerst
war es noch auf «fremde» Hilfe angewiesen: die weitgehend
aus Deutschen sowie einigen Schweizern bestehenden
Truppen des Bernhard von Weimar, den man am 27. Oktober
1635 «unter Vertrag» genommen hatte (diese Truppen
stellten in den Jahren 1535 bis 1639 die schlagkräftigsten
Verbände Frankreichs am Rhein dar) [25]; und schließlich das
in Nordostdeutschland stehende schwedische Heer, das den
Kaiser daran hindern sollte, die gesamte Reichsarmada
gegen Frankreich einzusetzen. Das schwedische Heer war
für Frankreich so etwas wie eine «zweite Front». Doch im
Jahr 1635 und zunächst auch noch 1636 übte dieses Heer
auf die kaiserlichen Kräfte keinen größeren Druck aus, was
zur Folge hatte, dass diese in beiden Jahren zu
Offensivoperationen gegen Frankreich in der Lage waren.
Das Problem der Offensiven von 1635 und 1636 war, dass
Generalleutnant Matthias Gallas, der unter dem König von
Ungarn und Böhmen als Oberkommandierendem tatsächlich
die Truppen führte und auch für die Ausarbeitung der
Feldzugspläne verantwortlich war, kaum der Richtige für
eine offensive Kriegführung war. Er bevorzugte eine
defensive Strategie, aus der heraus begrenzte Offensiven
geführt werden konnten, und war darin ein Schüler
Wallensteins, der ebenfalls nach diesem Grundsatz agiert
hatte. Will man Gallas nicht von vornherein als
«Heerverderber» abtun, so muss man die Frage stellen, ob
eine «napoleonische Strategie» unter den Bedingungen des
17. Jahrhunderts überhaupt praktikabel war. Verneint man
das, so scheint Gallas’ Präferenz für die Rolle des
«Cunctators», wie man ihn in Wien nannte, des notorischen
Zögerers, durchaus vernünftig gewesen zu sein. [26] Gallas’
eigene Feldzugspläne liefen jedenfalls stets auf die
Verteidigung der Rheinlinie hinaus, wurden dann aber von
ihm selbst, den Anweisungen und Forderungen aus Wien
entsprechend, immer wieder zu Offensivplänen umgestaltet,
ohne dass darin ein schlüssiges Konzept zu erkennen
gewesen wäre. Dass dem kein durchschlagender Erfolg
beschieden war, kann nicht überraschen.
Das Kriegsjahr 1634 hatte nach dem großen Sieg bei
Nördlingen mit der Besetzung ganz Südwestdeutschlands
durch kaiserliche und bayerische Truppen geendet, die bis
zum Rhein und zum Neckar vorstießen. Dabei fiel auch
Heidelberg als eines der politischen Symbole dieses Krieges
wieder in katholische Hände. Noch vor Jahresende aber
überschritten französische Truppen von Mannheim aus den
Rhein und eroberten Heidelberg, Stadt und Schloss, im
Handstreich zurück. [27] Die bayerischen Verteidiger hatten
sich überrumpeln lassen; sie waren ebenso arg- wie sorglos,
vermutlich wegen der bevorstehenden Weihnachtstage,
womöglich aber auch deswegen, weil sich Frankreich und
der Kaiser nach wie vor offiziell nicht im Kriegszustand
befanden und der bayerische Kurfürst wieder einmal mit der
französischen Seite verhandelte. Der Schlag gegen
Heidelberg war jedenfalls eine Provokation, durch den der
Druck auf Gallas, einen Offensivkrieg gegen Frankreich zu
führen, erhöht wurde. Zunächst jedoch musste man sich mit
schnellen Vorstößen der Werth’schen Kavallerie über den
zugefrorenen Rhein begnügen. In seiner «Doppelstellung als
kaiserlicher wie kurbayerischer General» war Werth von den
üblichen Selbstblockaden des Koalitionskrieges befreit. [28]
Seine Angriffe waren dennoch nur Nadelstiche, die die
Franzosen in Unruhe versetzten, für die strategische
Gesamtlage jedoch keine Rolle spielten. Anders verhielt es
sich bei dem in umgekehrter Richtung erfolgenden Vorstoß
Herzog Bernhards, der bis nach Frankfurt und den Main
entlang weiter nach Osten führte. Gallas’ Pläne für den
Angriff auf das Elsass und nach Lothringen wurden dadurch
gehörig durcheinandergebracht, weil die Truppen zunächst
einmal dazu verwendet werden mussten, Bernhard und seine
hochbeweglichen Verbände wieder über den Rhein
zurückzudrängen. Die Folge war, dass die von Gallas
ohnehin nur widerstrebend geplante Offensive verspätet in
Gang kam.

Der Aufstieg des aus dem Trentino stammenden Matthias Gallas erfolgte zunächst
im Gefolge Wallensteins, der Gallas sehr schätzte und ihn förderte. Der Höhepunkt
in Gallas’ Karriere war der Sieg bei Nördlingen, wo ihm die taktische Führung des
kaiserlichen Heeres oblag. Mit strategischen Aufgaben war er jedoch überfordert:
Er scheiterte als Oberbefehlshaber mehrfach und erhielt schließlich den
Spottnamen «Heerverderber».

Zudem gab es strukturelle Probleme beim Zusammenwirken


der Truppen. Die bayerischen Kontingente der
Reichsarmada, auf deren relative Selbständigkeit Kurfürst
Maximilian nach der formellen Auflösung der Liga
entsprechend den Bestimmungen des Prager Friedens
großen Wert legte, standen unter dem Kommando Karls von
Lothringen, der, nachdem er von französischen Truppen aus
seinem Herzogtum verdrängt worden war, die Offensive zu
dessen Rückeroberung nutzen wollte. Er hatte für den
Feldzug seine eigene Agenda. Gallas aber hatte damit ein
zusätzliches Problem bei der Operationsführung. Die
ohnehin wirkenden Zentrifugalkräfte wuchsen noch dadurch,
dass kaiserliche und bayerische Truppenführer sich
gegenseitig mit Vorhaltungen und Vorwürfen überzogen.
Der draufgängerische Karl von Lothringen und der stets
skeptische und misstrauische, inzwischen übervorsichtige
Gallas passten nicht zusammen. Während Karl einen großen
Teil seines Herzogtums zurückeroberte, verschanzte sich
Gallas mit dem ebenfalls nach Lothringen vorgerückten
Hauptheer an der Seille und erwartete dort einen
französischen Angriff, der jedoch ausblieb. Von Streifzügen
der Kavallerie Werths abgesehen, [29] blieb er untätig, und
als die Versorgungsprobleme immer größer wurden, ordnete
er den Rückzug an. Dabei gingen Teile der Artillerie und der
Bagage verloren, und infolge von Krankheit und Überfällen
durch Bernhards Reiter auf die Nachhut der Reichsarmada
waren erhebliche Ausfälle zu beklagen. Der Feldzug von
1635 war auf ganzer Linie ein Fehlschlag, und er hätte ohne
Weiteres zu einem Desaster werden können, wenn die
französischen Truppen leistungsfähiger gewesen und besser
geführt worden wären. Gallas bot seinen Rücktritt an, der in
Wien jedoch nicht angenommen wurde. [30]
Teile des Hofkriegsrats in Wien sowie eine Reihe hoher
Offiziere der Reichsarmada, unter ihnen Werth und
Piccolomini, vertraten nach den Erfahrungen dieses
Feldzugs und in Anbetracht der Untätigkeit der
schwedischen Armee in Nordostdeutschland noch
entschiedener die Auffassung, man müsse die schwedische
Schwäche ausnutzen und Frankreich schwer zusetzen. Man
wollte erreichen, dass Richelieu seine Politik änderte oder
aber gestürzt und durch einen habsburgfreundlicheren
Politiker ersetzt wurde. Das war keineswegs aus der Luft
gegriffen, denn es gab in Frankreich nach wie vor eine
beachtliche Opposition gegen die Kriegspolitik Richelieus,
über die man im Heer durch die engen Kontakte des
Herzogs von Lothringen zu diesen Kreisen recht gut
informiert war. Man hoffte, dass sich durch eine deutliche
Erhöhung der Kosten, die Richelieus Politik für Frankreich
bedeutete, der Sturz des Kardinals würde herbeiführen
lassen. Dazu musste man jedoch Frankreich ganz andere
Schläge versetzen als beim Feldzug von 1635; gleichzeitig
musste man vermeiden, dass es im Zuge dieser Schläge in
Frankreich zu einer «nationalen» Einigung unter der
Führung Richelieus kam. Das war eine diffizile Aufgabe, der
man offenbar dadurch Rechnung zu tragen suchte, dass man
Karl von Lothringen als Oberkommandierenden der
bayerischen Einheiten innerhalb der Reichsarmada durch
Johann von Götz ersetzte, der aus kaiserlichen in bayerische
Dienste überwechselte. [31] Der Lothringer hatte seine
eigenen Interessen allzu offensichtlich verfolgt und sich
dafür der bayerischen Regimenter bedient, was Maximilian
missfallen hatte. Offenbar stand er aber auch dem Vorhaben
im Wege, mit militärischen Mitteln einen Kurswechsel in
Paris zu erzwingen.
Diese politische Zwecksetzung ließ sich jedoch nicht mit
einer Defensivstrategie erreichen, wie sie Gallas präferierte.
Deswegen wäre es richtig gewesen, auch ihn abzulösen. Das
Problem war, dass man im kaiserlichen Heer niemanden als
Alternative hatte oder sich zumindest niemand aufdrängte,
der ihn hätte ersetzen können. Feldmarschall Colloredo
verkörperte den Offensivgedanken, aber seine militärische
Karriere wies eine Reihe von Schlappen und
Führungsfehlern auf; [32] auch Feldmarschall Piccolomini
wäre für eine Offensivkriegführung in Frage gekommen, [33]
doch man schreckte in Wien davor zurück, die treibende
Kraft bei der Ermordung Wallensteins an die Spitze des
Heeres zu stellen. Das vorgesehene politisch-militärische
Vorhaben und das mit seiner Ausführung befasste Personal
passten jedenfalls nicht zusammen. Im Rückblick lässt sich
jedenfalls so viel sagen: 1636 bestand für den Kaiser zum
letzten Mal die Möglichkeit, aus der Position des Siegers
heraus einen Frieden zu schließen, [34] denn wäre Frankreich
aus dem Krieg ausgeschieden, hätte sich Schweden
zwangsläufig aus Deutschland zurückgezogen.

Der Feldzugsplan für 1636 sah einen Zangenangriff auf


Frankreich aus Osten und Norden vor: Der eine Teil der
Truppen sollte vom Rhein her vorstoßen, während der
andere von Flandern aus in die Picardie einfallen und auf
Paris marschieren sollte. [35] Es handelte sich also um eine
Operation auf der äußeren Linie, deren Gelingen von einer
funktionierenden Kommunikation zwischen beiden
Angriffszangen abhing. Dass man sich über den Punkt des
Zusammentreffens beider Angriffskeile nicht verständigte,
zeigt, dass sich Kardinalinfant Fernando und Ferdinand III.
über die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden
Koalitionskriegführung nicht im Klaren waren. Was bei
Nördlingen im taktischen Zusammenwirken beider Armeen
auf dem Schlachtfeld gut geklappt hatte, funktionierte bei
dem Feldzug von 1636 im strategischen Zusammenwirken
nicht. Der Kardinalinfant, 1635 noch ganz mit den
Niederländern beschäftigt, kam im Frühjahr 1636 zu dem
Ergebnis, dass die Holländer in diesem Jahr keinen Angriff
gegen die spanischen Niederlande unternehmen würden; er
konnte also seine Streitkräfte gegen Frankreich einsetzen.
Da sich deren Aufstellung in den südlichen Niederlanden
aufgrund der begrenzten Räume und des verzweigten Fluss-
und Kanalsystems leicht verändern ließ, begann der von ihm
geführte Angriff deutlich früher als jener der vom Oberrhein
her kommenden Reichsarmada. [36] Es kam hinzu, dass
Gallas etwa 30000 Mann der ihm verfügbaren Truppen hatte
abgeben müssen, damit sie auf anderen Kriegsschauplätzen
eingesetzt werden konnten: 10000 Mann unter Hatzfeld, die
dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg im Krieg gegen
die Schweden beistehen sollten, 10000 Mann unter Götz
gegen Wilhelm V., den Landgrafen von Hessen-Kassel, der
einmal mehr seinen Darmstädter Verwandten bedrängte,
sowie schließlich weitere 10000 Mann unter Piccolomini, die
zur Unterstützung des Kardinalinfanten in die südlichen
Niederlande entsandt wurden und dort die Spitze des
Angriffs in der Picardie bildeten. [37] Gallas standen also nur
noch begrenzte Kräfte zur Verfügung, was, wenn man die
Versorgungsprobleme des Heeres ins Auge fasst, auch von
Vorteil sein konnte. Er musste dazu jedoch schnell und
entschlossen operieren, und genau das war Gallas’ Sache
nicht. Dazu kam, dass am Wiener Hof Bedenken geäußert
wurden, ob es wirklich klug sei, den Krieg gegen Frankreich
durch eine solche Offensive zu forcieren. Schließlich befand
man sich nach wie vor offiziell nicht im Kriegszustand mit
Frankreich, und daher sei es, so vor allem die Hoffnung des
alten Kaisers, noch immer möglich, mit den Franzosen ein
Übereinkommen zu finden. [38]
Ob man Gallas das mitteilte oder ob es genügte, ihn nicht
zu entschlossenem Vorgehen anzutreiben – es war bereits
Mitte August, als die Reichsarmada durch die burgundische
Pforte zog, um über die Franche-Comté nach Frankreich
einzufallen. [39] Zu diesem Zeitpunkt hatten die durch die
Picardie vorstoßenden Truppen bereits die Somme
überquert und zogen gegen die Festung Corbie, die am
15. August den Spaniern übergeben wurde. Derweil war
Werths Kavallerie bereits bis Compiègne vorgedrungen. In
Paris hatte man Angst, dass der Feind schon bald in die
Vororte eindringen werde. [40] Es wurden alle verfügbaren
Kräfte gesammelt, um die Hauptstadt zu verteidigen. Da war
die größte Bedrohung jedoch schon überstanden, denn die
spanische Hauptmacht hatte bei Corbie haltgemacht. Ihre
Kräfte waren erschöpft, und der Kardinalinfant fürchtete,
dass seine Armee bei einem weiteren Vorstoß allzu leicht an
der Flanke angegriffen und vernichtet werden könne. Am
20. September traten seine Truppen den Rückzug an.
Dass Gallas’ im Vergleich dazu sehr viel langsamer und
schwerfälliger vorging, war auch eine Folge dessen, dass er
mit Herzog Bernhard und Kardinal La Valette auf sehr viel
agilere Kontrahenten stieß als der Kardinalinfant, der es mit
dem inzwischen über achtzigjährigen Marschall La Force zu
tun hatte. Bernhard beabsichtigte, seinerseits zügig den
Rhein zu überschreiten und bis nach Hanau vorzustoßen, um
die von den Kaiserlichen belagerte Festung zu entsetzen. Die
Festung Hanau war das Bindeglied zwischen dem
schwedischen Heer in Nordostdeutschland sowie den
antihabsburgischen Mächten am Oberrhein und damit für
den Thüringer Bernhard von Sachsen-Weimar von
besonderer Bedeutung. [41] Dass es dazu nicht kam, lag
weniger an Gallas, der in seinem befestigten Lager bei
Drusenheim weitgehend untätig blieb, sondern am Rat von
Straßburg, der in Sorge um seine Neutralität Bernhard die
Benutzung der reichsstädtisch kontrollierten Rheinbrücke
verweigerte und auch nicht bereit war, dem Herzog Schiffe
zur Rheinüberquerung zu überlassen. Anstelle Bernhards
leistete Herzog Wilhelm von Hessen-Kassel für Hanau
Entsatz und sprengte mit seinen durch die Wetterau
herangeführten Truppen den Belagerungsring des
kaiserlichen Generals Lamboy. [42] Zwar musste er sich dann
vor den kaiserlichen Generälen Götz und Gronsfeld wieder
zurückziehen, dennoch war Hanau vorerst gerettet. Erst im
Februar 1638 wurde die Festung von den Kaiserlichen
erobert. Die strategische Funktion, die es bis dahin für die
antihabsburgische Koalition gehabt hatte, übernahm
Hessen-Kassel, wo nach Wilhelms frühem Tod am 1. Oktober
1637 seine Gemahlin Amalie Elisabeth aus dem Hause
Hanau-Münzenberg die Regierungsgeschäfte übernahm und
mit großer Entschlossenheit führte. [43]
Nachdem Gallas von Drusenheim aufgebrochen war, zogen
sich Herzog Bernhard und Kardinal La Valette nach
Lothringen zurück, offenbar in der Erwartung, dass die
Kaiserlichen über Lothringen nach Frankreich vordringen
würden; vielleicht auch mit dem Ziel, das in den letzten
Jahren unter großen Anstrengungen eroberte Herzogtum
gegen seine Rückeroberung durch Herzog Karl zu
verteidigen. Sie gingen jedenfalls davon aus, Gallas werde
den Feldzug von 1635 wiederholen und versuchen, mit der
in die Picardie eingedrungenen Armee des Kardinalinfanten
zu kooperieren. Gallas Vormarsch nahm in diesem Jahr aber
einen anderen Weg: Er fiel in Burgund ein, wo ein
französisches Heer unter dem Herzog von Enghien die Stadt
Dôle belagerte. Bei Champlitte gelang es dem von Enghien
entsandten General Josias Rantzau, einem gebürtigen
Holsteiner, der lange in schwedischen Diensten gestanden
hatte, zusammen mit Truppen Bernhards und La Valettes
Gallas den Weg zu versperren. [44] Anstatt den schwachen
Gegner anzugreifen und den Vormarschweg freizukämpfen,
errichtete Gallas ein Lager, in dem er mehr als einen Monat
wartete, bis er in Richtung Dijon weiterzog. Mittlerweile war
es Anfang Oktober, es gab starke Regenfälle, die das
Fortkommen verlangsamten. Vor dem befestigten Städtchen
Saint-Jean-de-Losne kam er dann zum Stehen, und am
27. Oktober entschloss sich Gallas zum Rückzug. Der wurde
zum Desaster, denn auf den aufgeweichten Wegen blieben
die Kanonen und schweren Wagen stecken und mussten
zurückgelassen werden; die Soldaten litten Hunger und
desertierten in großer Zahl, «also daß wir», so der Gallas
verfolgende Herzog Bernhard, «mit Gefangenen überhäuft
worden». [45] Bernhard schätzte die Verluste der kaiserlichen
Armee während des Rückzugs auf 5000 Mann und hielt
bereits Anfang November fest: «Also ist die große Corpus
[Armeekorps] und starke Macht in kurzer Zeit durch Gottes
gnädigen Beistand dergestalt ruiniert worden, daß wenig
Dienste mehr von solchen zu hoffen.» [46]

Man wird das Scheitern des Zangenangriffs auf Frankreich


sicherlich nicht allein Gallas anlasten können; auch der
Vorstoß des Kardinalinfanten war bei Corbie zum Stehen
gekommen. Aber Fernando ruinierte das Heer nicht auf dem
Rückzug wie Gallas, der erst mit dem Vormarsch zu lange
gezögert und dann die Rückzugsorder zu spät gegeben
hatte. Der Hofkriegsrat in Wien zog aus dem Desaster
Konsequenzen, entfernte Gallas vom Oberrhein und
übertrug ihm das Kommando über die gegen die Schweden
eingesetzte Armee in Böhmen. Das ist nicht unbedingt als
Misstrauenserklärung zu verstehen; nachdem man bei
Wittstock gerade eine folgenreiche Niederlage erlitten
hatte, [47] kam es auf diesem Kriegsschauplatz darauf an, die
Armee zu reorganisieren und vorerst aus der Defensive
heraus zu operieren. Dafür war Gallas der richtige Mann. Es
gelang ihm, sich mit dem Feldzug gegen Banér, den er bis
nach Pommern zurückdrängte, zu rehabilitieren. [48]
Auch in Nordostdeutschland, wo nun schon seit mehreren
Jahren ununterbrochen Krieg geführt wurde, zeigten sich
immer deutlicher die Folgen für Land und Leute. Am
26. Oktober 1637 schrieb Banér an Oxenstierna: «Undt hatt
Gott der allmechtige überaus ein solch unglück über die
Marck, lande Mecklenburg undt Pommern verhenget, dass
fast alles viehe, davon man noch etliche jahr leben können,
hinweg gestorben, und die dörffer undt Felder damit
gleichsam beseet seind, so wohl auch die heusser voll todte
menschen liegen, undt der Jammer gewiss so gross ist, dass
er nicht grösser sein könnte, noch genug zu beschreiben ist.
[…] Denn zwischen hier [Stettin] und der Elbe ist alles
devastiret [verwüstet], auff jentseit [der Elbe] bis in
Francken ist es nicht viell besser, undt also in Deutschland
wenig zu hoffen, ausgenommen in den kayserlichen
erblendern.» [49] Aus den Beobachtungen Banérs, die auf
viele andere Regionen gleichermaßen zutreffen, lässt sich
mehreres folgern. Zunächst, dass der Krieg nicht so
weitergeführt werden konnte wie bisher, sondern dass man
ihn entweder beenden oder mit sehr viel kleineren Heeren
fortsetzen musste. Wenn man den Krieg fortsetzte, musste
bei der operativen Führung noch stärker auf die logistischen
Gegebenheiten geachtet werden: Es galt, alles
daranzusetzen, den Krieg aus den eigenen Gebieten in die
des Gegners zu tragen, um die eigenen Truppen daraus zu
versorgen und das Land gleichzeitig so zu «devastieren»,
dass dem Gegner die Möglichkeiten oder der Wille zur
Fortsetzung des Krieges genommen wurden.
Mehr als der Missmut über seine zögerliche Kriegführung
trug zu Gallas’ zeitweiligem Bedeutungsverlust innerhalb
der kaiserlichen Militärführung bei, dass Defensivstrategen
wie er unter den veränderten Erfordernissen der
Kriegführung immer weniger gebraucht wurden. Die
prägenden Generäle der kommenden Kriegsjahre waren
Praktiker der schnellen Offensive, die mehr auf Kavallerie
als auf Infanterie und Artillerie setzten: In mancher Hinsicht
trifft das auf Banér zu, vor allem aber auf Bernhard von
Weimar und Jan von Werth. Beide bestimmten das
Kriegsgeschehen am Oberrhein, das aus einer Mischung aus
Reitergefechten und Festungskrieg bestand. Was sich auf
den ersten Blick wie ein Widerspruch oder zumindest wie ein
ungeordnetes Nebeneinander ausnimmt, verhielt sich
tatsächlich komplementär zueinander: Die Truppen konnten
umso weiträumiger operieren, je mehr sie sich auf einen
festen Rückhalt verlassen konnten, der ihnen als Waffenplatz
und Rückzugsort diente. In der Periode der großen Heere,
der Ära Tillys, vor allem aber Wallensteins und Gustav
Adolfs, boten diesen Rückhalt ausgedehnte Territorien, in
denen die je erfolgreiche Seite auch ihre
konfessionspolitischen Ziele durchsetzte. Diese Territorien
mussten durch eine Reihe von Festungen und Garnisonen
gesichert werden, womit die Beweglichkeit der Truppen
abnahm. Das änderte sich nunmehr, da man sich auf wenige
Festungen konzentrierte, das breite Land dagegen
ungeschützt ließ und mit leichter Kavallerie sowie
Dragonern hier und dort auftauchte, ohne die Territorien
dauerhaft besetzen und kontrollieren zu wollen. In der Folge
trat die konfessionelle Komponente des Krieges immer mehr
zurück, und der obrigkeitlich ausgeübte Zwang zum Wechsel
des Bekenntnisses wurde seltener. Die Dimension des
Religionskrieges, die in der ersten Kriegshälfte großes
Gewicht gehabt hatte, verlor an Relevanz, während Raub
und Verwüstung, die den Krieg zwar von Anfang an begleitet
hatten, von der Heeresführung aber nach Möglichkeit
eingedämmt worden waren, nun die Oberhand erhielten. Es
gehört zur Ironie des Dreißigjährigen Krieges, dass gerade
diese Entwicklung die Friedensverhandlungen von Münster
und Osnabrück erleichtert hat.

Von Frieden konnte am Oberrhein indes noch lange nicht die


Rede sein. Herzog Bernhard nahm 1637 das Vorhaben eines
Angriffs über den Rhein hinweg wieder auf, und die
kaiserliche Seite versuchte zu verhindern, dass er durch die
Eroberung der Festung Breisach festen Fuß fasste. Dabei
kam Bernhard zugute, dass das Kommando über die
kaiserlichen Truppen Herzog Federigo Savelli übertragen
worden war, einem Mann, der sich bereits 1630/31 als
überfordert und unfähig erwiesen und die Festung Demmin
den Schweden ausgeliefert hatte. [50] Die ständigen Konflikte
zwischen Savelli und Werth führten dazu, dass die
Kaiserlichen das ganze Kriegsjahr 1637 damit beschäftigt
waren, die Brückenköpfe einzudämmen, die Bernhard
errichtete, um den Krieg auf die andere Rheinseite zu
tragen. Bernhard war dabei kein großes Glück beschieden,
[51] aber seine aktive Kriegführung sorgte dafür, dass es in
diesem Jahr zu keinen Einfällen kaiserlicher Truppen ins
Elsass und darüber hinaus kam. Überhaupt war das
Kriegsjahr 1637 eher ein «ruhiges Jahr», in dem die Gewalt
zwar stets präsent war, sich aber nirgendwo ballte.
Das änderte sich mit Beginn des Jahres 1638, als Herzog
Bernhard in Schweizer Gebiet eindrang, um dort Proviant zu
sammeln und einen Rheinübergang zu suchen, bei dem er
nicht sogleich auf gegnerische Truppen stieß, die seinen
Brückenkopf angriffen und das Heer am Übersetzen
hinderten. Die Schweiz war ein neutrales Gebiet, aber nur
im Prinzip: In Graubünden, im Veltlin, kämpften seit den
frühen 1620er Jahren Spanier und Franzosen um die
Kontrolle der Alpenpässe, immer wieder hatten Durchzüge
stattgefunden, und Schweizer Söldner waren in allen Heeren
vertreten. Die politischen Sympathien der einzelnen Kantone
waren recht unterschiedlich verteilt; die protestantischen
hatten der Union nahegestanden und später Sympathien mit
den Schweden und dem Nördlinger Bund entwickelt,
während die katholischen aus einer grundsätzlich
antihabsburgischen Haltung heraus zum Kaiser auf Distanz
blieben. Basel stellte einen besonderen Fall dar, insofern es
formal noch zum Reich gehörte, aus dem es dann mit dem
Westfälischen Frieden ausscheiden sollte. Überhaupt wurde
die eidgenössische Verbindung erst 1648 im
völkerrechtlichen Sinn als eigenständiger politischer Akteur
anerkannt. [52] Bernhards Einfall in das Basler Gebiet war
also eher ein Tabubruch als ein völkerrechtswidriger Akt,
und Basel oder die Schweiz wurden dadurch nicht zum
Kriegsschauplatz. Für seinen Feldzug von 1638, der mit der
Eroberung Breisachs endete, nutzte Bernhard seine Basler
Verbindungen, und seine spektakulären Siege wären ihm
kaum ohne den regelmäßigen Zufluss von
Versorgungsgütern aus Basel gelungen.

Neben dem romantischen Nostalgiker Christian von Braunschweig und dem


skrupellosen Geschäftsmann Ernst von Mansfeld verkörpert Bernhard von Weimar
einen dritten Typus des Kriegsunternehmers: Der protestantischen Sache treu
ergeben, verlor er sein Interesse an einer eigenen Herrschaft nie aus dem Auge.
Nachdem das Projekt eines fränkischen Herzogtums unter schwedischer
Protektion in der Schlacht bei Nördlingen zusammengebrochen war, strebte
Bernhard ein Herzogtum im Elsass unter französischem Schutz an. Er war der
bedeutendste Heerführer des deutschen Protestantismus.

Bernhard kaufte alles, was er brauchte, wandte zu keinem


Zeitpunkt Gewalt an und erwies sich für die Basler als
zuverlässiger Geschäftspartner. Max Conrad von Rehlinger,
der als Agent des Herzogs in Bern und Basel tätig war und
die Geschäfte abwickelte, schrieb seinem Auftraggeber: «Ist
also die ganze Schweizerei ein elend status und sonderlich
der Evangelischen, bei all ihrem vielen Land, Menge Volks
und genug Geld. Ich rathe, treibe und sollicitire [bearbeite]
sie eifrig: aber sie bleiben bei ihrem phlegmatischen alten
Tand. Gott behüte sie vor Feindes Gefahr und Krieg, denn
ich sorge, es würde schlecht hergehen. Ihr Wunsch und
Wille wäre, daß euer Fürstlichen Gnaden Armee, auch die
des Feindes, weit von ihren Grenzen wäre, damit sie in
stiller Ruhe sitzen bleiben möchten; denn sie fliehen alles
Kriegswesen ärger als den Tod.» [53] Das war ein Hinweis,
dass Bernhard keinen ernstlichen Widerstand zu erwarten
hatte, solange er dafür sorgte, dass es beim Aufenthalt
seiner Armee auf Basler Gebiet nicht zu Übergriffen auf die
Bevölkerung kam.
Bernhards Plan gelang: Die Kaiserlichen rechneten nicht
damit, dass er den Rhein nahe dem Bodensee von Süden her
überschreiten würde, und schon gar nicht erwarteten sie
dies im Winter, wenn normalerweise die Waffen ruhten und
die Soldaten ihre Quartiere bezogen hatten. Auch darin war
Bernhard ein gelehriger Schüler Gustav Adolfs, der 1630
und 1631 ebenfalls die Zeit zwischen Dezember und Februar
für Operationen genutzt hatte. Neben der Unterstützung
durch die Basler hing der Erfolg seines Unternehmens aber
auch davon ab, dass die Verteidiger der Festung Hohentwiel,
die von den Kaiserlichen zwar immer wieder belagert, aber
nie eingenommen worden war, [54] dem Vorstoß auf der
rechten Oberrheinseite keine Steine in den Weg legten.
Bereits im November 1637 hatte Herzog Bernhard mit dem
Kommandanten des Hohentwiel, Oberst Conrad Wiederhold,
einen Geheimvertrag geschlossen. Er scheint den Feldzug
von 1638 also von langer Hand vorbereitet zu haben. Am
20. Januar überquerten Vorausabteilungen seiner Armee auf
Kähnen bei Säckingen den Rhein. Die Stadt, deren Bürger
keinerlei Widerstand leisteten, diente als Sicherung bei dem
anschließenden Rheinübertritt des gesamten Heeres. Tags
darauf wurde Laufenburg eingenommen; damit hatte
Bernhard auf der rechten Rheinseite festen Fuß gefasst.
«Gott hat mich gesegnet», schrieb er an Oberst Hans
Ludwig von Erlach, einen Berner Patrizier in seinem Heer,
«daß alles glücklich und wohl abgegangen ist.» [55]

Die Verfügung über Festungsstädte spielte im Dreißigjährigen Krieg eine zentrale


Rolle. Dementsprechend waren sie hart umkämpft, zumal dann, wenn mit ihnen
auch die Kontrolle strategisch wichtiger Straßen und Wasserwege verbunden war.
Wer das hier abgebildete Breisach innehatte, kontrollierte den Oberrhein.

Bernhards Ziel war, wie die kaiserliche Seite richtig


vermutet hatte, die Festung Breisach. Auf einem Felsrücken
am Rhein gelegen, hatte sie sich als Schlüsselposition zur
Beherrschung des Flussabschnitts erwiesen; was
Ehrenbreitstein am Mittelrhein war, war Breisach am
Oberrhein. Die Festung ließ sich nicht im Sturm nehmen,
sondern konnte nur ausgehungert werden, doch um eine
lange Belagerung durchführen zu können, musste man die
Umgebung der Festung im Umkreis von mindestens
50 Kilometern beherrschen. Es war jederzeit mit
Entsatzversuchen des Gegners zu rechnen; die kaiserlich-
bayerische Seite würde alles daransetzen, dass diese
strategisch wichtige Position nicht in feindliche Hand fiel.
Als Erstes musste Bernhard die Waldstädte unter Kontrolle
bringen, und nach schnellen Erfolgen blieb nur noch
Rheinfelden übrig, das gut befestigt war und sich nicht im
Handstreich nehmen ließ. Bernhard ließ seine Artillerie
auffahren und Breschen in das Mauerwerk der Stadt
schießen; doch bevor er den Sturmangriff befehlen konnte,
näherte sich ein kaiserlicher Truppenverband unter Savelli.
Der hatte bei Villingen alle verfügbaren Regimenter
zusammengezogen und war durch den Schwarzwald
marschiert. Bernhard zog Savelli mit sechs Kavallerie- und
zwei Infanterieregimentern entgegen. Als man in der Nähe
des Dorfes Kaschau aufeinandertraf, zeigte sich, dass die
Weimaraner dem Gegner zahlenmäßig unterlegen waren.
Das hinderte Bernhard indes nicht daran, sich zur Schlacht
zu stellen, die als «erste Schlacht bei Rheinfelden»
bezeichnet wird. [56]
Bernhards rechter Flügel war erfolgreich und warf den
linken Flügel Savellis weit zurück, während der linke Flügel
der Weimaraner beim gegnerischen Angriff in Unordnung
geriet und seinerseits weit zurückwich. Bernhards aus zwei
Infanterieregimentern sowie den mitgeführten Kanonen
bestehendes Zentrum war damit ohne Flankenschutz, was
die kaiserlichen Kürassiere zu einer erfolgreichen Attacke
nutzten. Bernhard gelang es, seine beiden Kavallerieflügel
wieder an sich heranzuziehen, bei einem Gegenangriff eine
größere Zahl von Gefangenen zu befreien und einige dem
Feind in die Hand gefallene Kanonen zurückzuerobern. Da
seine Verluste jedoch bedenklich waren, entschloss er sich,
die Schlacht abzubrechen und sich zurückzuziehen.
Savelli konnte den 28. Februar als Sieg verbuchen,
überschätzte jedoch dessen Bedeutung und Tragweite.
Anstatt den abziehenden Feind zu verfolgen oder zumindest
weiter zu beobachten, ließ er seine Truppe bei Rheinfelden
den Sieg feiern. Bernhard hingegen sammelte seine Truppen
und rückte, von der Gegenseite unbemerkt, erneut auf
Rheinfelden vor. Was ihn bei Lützen ausgezeichnet hatte,
bewährte sich auch bei Rheinfelden: seine Weigerung, einen
Rückschlag als Niederlage hinzunehmen, und seine
Entschlossenheit, die Scharte umgehend auszuwetzen. Als
Savelli gemeldet wurde, dass sich das Weimaraner Heer
näherte, ließ er seine Truppen in aller Eile
Schlachtaufstellung nehmen: [57] als erstes Treffen eine
dünne Linie von Musketieren, die einen zum Rhein
verlaufenden Graben als Deckung nutzten, dahinter als
zweites Treffen das Gros von Infanterie und Kavallerie sowie
im dritten Treffen die Reserven. Savellis Schwäche war die
fehlende Artillerie; [58] er hatte am 28. Februar zwar einige
Kanonen erbeutet, aber da er niemanden besaß, der sie
bedienen konnte, hatte er sie vor Rheinfelden auf offenem
Feld stehen lassen. Das sollte sich als verhängnisvoller
Fehler erweisen, denn nun fielen die Kanonen den
vorrückenden Truppen Bernhards in die Hände, die sie
umgehend wieder gegen Savellis Aufstellung einsetzten.
Bernhards Sieg in der zweiten Schlacht von Rheinfelden
ist zum einen auf den entschlossenen Angriff seiner Soldaten
zurückzuführen, bei dem er dieses Mal dafür sorgte, dass
Flügel und Zentrum auf gleicher Höhe blieben, und zum
anderen auf den taktisch geschickten Einsatz der Artillerie,
die mit der vorrückenden Infanterie vorgezogen wurde, so
dass sie ihre Salven in Pistolenschussweite in die
gegnerischen Formationen feuerte, wo sie verheerende
Wirkung hatten. Aus der Schlappe vom 28. Februar hatte
Bernhard also in zweifacher Hinsicht gelernt. Savellis
Kavallerieflügel flohen vom Schlachtfeld oder wurden
umfasst. Der 3. März wurde so zu einem glänzenden
Triumph Bernhards: Die kaiserliche Armee wurde völlig
vernichtet, 500 Mann wurden getötet, 3000 gefangen
genommen, unter ihnen sämtliche Generäle; Savelli, Werth,
Sperreuth und Enckevort, dazu zehn Oberste. [59]
Nachdem Rheinfelden am 13. März kapituliert hatte,
konnte sich Bernhard auf die Belagerung Breisachs
konzentrieren. Diese hatte zwei Voraussetzungen: die
Kontrolle des umgebenden Raumes, um zu verhindern, dass
Entsatzversuche der Kaiserlichen bis in die Nähe der
Festung kamen, und eine deutliche Verstärkung der eigenen
Armee, weil diese Entsatzvorstöße sowohl aus dem
Württembergischen als auch über das Elsass zu erwarten
waren und Bernhard deswegen Kräfte auf dem rechten wie
auf dem linken Rheinufer bereithalten musste. Der Herzog
hatte zwar die bei Rheinfelden gefangen genommenen
Soldaten umgehend in seinen Dienst übernommen, dennoch
war er auf den Zuzug französischer Truppen angewiesen.
Diese trafen Ende April unter dem Kommando Marschall
Guébriants ein, freilich nur in einer Stärke von 3000 anstatt
der angekündigten 4500 Mann. [60]
Von seinen Fernaufklärern, der durch den Schwarzwald
streifenden Kavallerie, hatte Bernhard erfahren, dass der
kaiserliche Feldmarschall Götz inzwischen 6000 Mann
gesammelt hatte, um auf Breisach vorzurücken und die
Festung zu entsetzen. Herzog Bernhard raffte seinerseits
einen Teil der Truppen zusammen, um die Kaiserlichen
möglichst weit vom Rhein zur Schlacht zu stellen. Dazu kam
es nicht; es gelang Bernhard aber, Götz den direkten Weg
von Villingen nach Waldkirch zu verstellen, so dass der einen
Umweg über das Kinzigtal nehmen musste. Dennoch
schaffte es Götz, 500 Säcke Mehl in die Festung Breisach
hineinzubringen, weil die dünnen Postenketten der bei der
Festung belassenen Weimaraner nicht in der Lage waren,
den Durchbruch der kroatischen Transporteskorte zu
verhindern. Erneut ersuchte Bernhard in Paris um
Verstärkungen, da er nicht über genügend Soldaten
verfügte, um die Festung einzuschließen. Jederzeit konnte
Götz einen weiteren Versorgungstrupp in Marsch setzen,
und es war zweifelhaft, ob es Bernhard auch bei größter
Aufmerksamkeit gelingen würde, diesen abzufangen. Am
8. Juni hob Bernhard die Belagerung auf; er wollte nicht
riskieren, mit seinem kleinen Armeekorps unter den
Festungswällen von Breisach vom Feind angegriffen zu
werden. Ein weiteres Mal versuchte er, Götz zur Schlacht zu
stellen. Das war ein schwieriges Unterfangen, denn Götz
wich einer Schlacht geschickt aus und war darauf bedacht,
Positionen zu beziehen, von denen aus er Breisach immer
wieder mit dem Nötigsten versorgen konnte. [61]
Derweil kam man in Wien zu dem Ergebnis, dass man mit
stärkeren Kräften gegen den Herzog vorgehen musste, wenn
man die Kontrolle über den Oberrhein behalten wollte. Es
sollten drei Korps aufgeboten werden: die Reichsarmada
unter dem Kommando des in bayerischen Diensten
stehenden Götz, ein Armeekorps des kaiserlichen Herzogs
von Savelli, das aus den Resten der bei Rheinfelden
Geschlagenen sowie zwischenzeitlich herangeführten
Verstärkungen bestand, und schließlich das lothringische
Heer Herzog Karls, der, von dem burgundischen
Kriegsschauplatz kommend, auf der linken Rheinseite bis auf
die Höhe der Festung Breisach ziehen und von dort aus für
ihren Entsatz sorgen sollte. [62] Dass der Feind so vorgehen
würde, hatte Bernhard seit längerem befürchtet. Doch diese
kombinierte Operation, die, wenn sie einigermaßen
kompetent durchgeführt worden wäre, nicht nur zum
Entsatz Breisachs, sondern auch zur Vertreibung der
Truppen Bernhards von der rechten Rheinseite geführt
hätte, stand von Anbeginn an unter keinem guten Stern:
Herzog Karl fügte sich nur zögernd und widerwillig den ihm
gegebenen Anweisungen, und zwischen Götz und Savelli
kam es immer wieder zu Streitigkeiten um die Frage, wer
wem übergeordnet sei.
Ende Mai unternahmen die Kaiserlichen einen neuen
Versuch, Breisach zu entsetzen, und diesmal erfuhr
Bernhard rechtzeitig genug davon, um die Korps von Savelli
und Götz in einer Gegend zu stellen, wo sie einer Schlacht
nicht ausweichen konnten. Nahe dem Dörfchen Wittenweier
stießen beide Heere aufeinander – Bernhard bestens
unterrichtet, wo sich der Feind befand, Savelli dagegen, der
an diesem Tag die Avantgarde befehligte, wie bereits bei
Rheinfelden, unachtsam und sorglos. [63] Zwar gelang es
Savelli noch, als die Weimaraner überraschend an seiner
Flanke auftauchten, einen Teil seiner Truppen in
Schlachtordnung aufzustellen; bald jedoch ritten seine
kroatischen Einheiten, die von Bernhards Kavallerie in die
Flucht geschlagen wurden, das eigene Fußvolk nieder. Als
Götz mit der Arrièregard heraneilte, war es bereits zu spät.
Savellis Truppen hielten den andrängenden Weimaranern
immerhin so lange stand, bis sich der Rest des Heeres bei
Einbruch der Dunkelheit in aufgelöster Ordnung vom
Schlachtfeld zurückziehen konnte. Dennoch waren die
kaiserlichen Streitkräfte auf der rechten Rheinseite damit
zerschlagen. Allenfalls 2000 bis 3000 Mann entkamen dem
Desaster, der Rest war tot, verwundet oder gefangen. Die
gesamte für Breisach bestimmte Proviantkolonne fiel in die
Hände der Weimaraner, dazu die gesamte Artillerie und die
Bagage, die Kriegskasse und die Kanzlei beider Generäle
sowie acht Fahnen und Standarten, die Bernhard als
Siegestrophäen nach Paris bringen ließ.
Unverzüglich nahm Herzog Bernhard die Belagerung
Breisachs wieder auf. Im September und im Oktober
erfolgten noch einmal von elsässischer Seite
Entsatzversuche, um Lebensmittel in die Festung zu
bringen, doch es gelang Bernhard, beide Korps, darunter
auch das Herzog Karls von Lothringen, zu zerschlagen,
bevor sie in die Nähe des Rheins kamen. «Drei
Feldschlachten in einem Jahr zu gewinnen», soll der bei der
Niederlage Karls in Gefangenschaft geratene François de
Bassompierre damals ausgerufen haben, «sei für einen
Fürsten zu viel. Er wünsche dem Herzoge das Königreich
Schweden und von da aus alle Jahre neue Victorien gegen
Moskau von Herzen; aber hier zu Land plage derselbe, was
dem Haus Oesterreich anhänge, viel zu sehr.» [64] Herzog
Bernhard stand auf dem Höhepunkt seines Ruhms, und er
setzte den Erfolgen des Jahres 1638 die Krone auf, als er am
17. Dezember die Kapitulation Breisachs entgegennahm.
Gegen eine Übermacht von Gegnern hatte er die Kontrolle
über den Oberrhein gewonnen, und es war bei
Jahreswechsel niemand in Sicht, der ihm diese
Machtposition streitig machen konnte – außer dem Tod. Am
18. Juli 1639 ereilte ihn dieser in Neuenburg, vermutlich in
Gestalt der schwarzen Blattern. Herzog Bernhard von
Sachsen-Weimar war gerade fünfunddreißig Jahre alt. «Ein
unzeitiger, verfrühter Tod gebot nach Gottes Ratschluß dem
eilenden Fuß inmitten des Siegeszuges halt und setzte
seinem weiteren Ehrgeiz eine Schranke», heißt es dazu in
einer zeitgenössischen Quelle. [65]
Der Niedergang der spanischen Macht:
finanziell und militärisch, zu Wasser und
zu Lande
Nachdem das Verhältnis zwischen Wien und Madrid am
Ende des Mantuanischen Erbfolgekriegs mit dem
Friedensschluss von Regensburg im Jahr 1630 einen
Tiefpunkt erreicht hatte, erfuhr es auf dem Schlachtfeld bei
Nördlingen eine Neubelebung, die den Kriegsverlauf in der
zweiten Hälfte der 1630er Jahre prägen sollte. Da waren
zunächst spanische Truppen, die in der Pfalz standen und
dort eine Reihe von Festungen hielten, was sowohl im
spanischen Interesse war, weil so die «spanische Gasse», der
camino real, gesichert wurde, als auch in dem des Kaisers,
weil die Spanier damit ein Einfallstor nach Oberdeutschland
verschlossen, wofür sonst kaiserliche Truppen hätten
aufgeboten werden müssen. Weiterhin banden die
spanischen Armeen in der Lombardei und den südlichen
Niederlanden das Gros der französischen Streitkräfte.
Frankreich konnte daher am Oberrhein nur sehr begrenzt
aktiv werden, weswegen viele Bitten Herzog Bernhards nicht
oder erst mit großer Verzögerung erfüllt wurden. Zudem
war da die gewaltige Summe von 500000 Talern, die seit der
Schlacht bei Nördlingen Jahr für Jahr von Spanien an den
Kaiser überwiesen wurde und wesentlich dazu beitrug, dass
dieser den Krieg weiterführen konnte. [1] Und schließlich war
Ferdinand III., der am 15. Februar 1637 die
Regierungsgeschäfte übernommen hatte, mit Maria Anna
von Spanien, einer Schwester König Philipps IV., verheiratet,
so dass man in Madrid nicht länger den antispanischen
Einfluss der Kaisergattin fürchten musste, wie das in der
Zeit Ferdinands II. und dessen zweiter Ehefrau Eleonora
Gonzaga der Fall gewesen war. [2]
Die spanischen Subsidien für den Kaiser beliefen sich auf
dieselbe Summe wie die französischen für Schweden. Sie
dienten in beiden Fällen dazu, die militärische
Handlungsfähigkeit des Empfängers sicherzustellen, aber
während sie im Fall Schwedens von elementarer Bedeutung
waren, konnte das kaiserliche Heer nach dem Beitritt vieler
Reichsstände zum Prager Frieden auch ohne sie unterhalten
werden. Wollte man neue Heere aufstellen, war jedoch auch
die kaiserliche Seite auf Subsidien angewiesen. Sofern man
keine schweren Niederlagen einstecken musste, kam man
mit den eigenen Mitteln aus; Niederlagen wie die von 1638
wurden mit den spanischen Geldern aufgefangen. Das heißt:
Solange man über die Gelder aus Madrid verfügte, besaßen
Niederlagen nur begrenzte politische Wirkung, und
deswegen hatten die großen Siege Herzog Bernhards auch
nur begrenzte politische Effekte. Das sollte sich von dem
Augenblick an ändern, als die spanischen Gelder nicht mehr
flossen. Von 1639/40 an hatten militärische Niederlagen für
Wien ein ganz anderes Gewicht als zuvor. [3]
Als Gegenleistung für die Subsidien hatte Olivares, der
leitende Minister Philipps IV., erwartet, dass der Kaiser
durch militärisches Eingreifen die Generalstaaten dazu
zwingen werde, in einen für Spanien vorteilhaften Frieden
einzuwilligen. Trotz wiederholter Anläufe hatte sich
Ferdinand II. jedoch nie nachhaltig gegen die nördlichen
Niederlande engagiert – auch nicht nach seiner Erklärung
auf dem Kurfürstentag von 1636/37 in Regensburg. Also
begnügte man sich in Madrid damit, dass das kaiserliche
Militär seinen Beitrag zur Sicherung der «spanischen Gasse»
leistete. Dabei kam dem Oberrhein und vor allem der
Festung Breisach eine herausgehobene Bedeutung zu, und
so war es ein schwerer Schlag für Madrid, dass die Festung
1636 verlorenging und de facto in französische Hände
geriet. Die gesamte spanische Militärstrategie sah die
südlichen Niederlande als Aufmarschbasis für den Krieg
gegen die Generalstaaten und gegen Frankreich vor. Da ein
Krieg in den Pyrenäen mit unlösbaren logistischen
Problemen verbunden war, konzentrierten Franzosen und
Spanier ihre Kräfte im Nordwesten. Die Pyrenäen schützten
Spanien zwar gegenüber den Franzosen, aber sobald man
eine Offensivkriegführung betreiben wollte, war man auf
Flandern und Brabant angewiesen.
Um die Probleme auf dem camino real zu umgehen,
entschloss man sich im Sommer 1639, frische Truppen auf
dem Seeweg in die südlichen Niederlande zu bringen: In La
Coruña wurde ein Geschwader von 70 Schiffen unter
Admiral Antonio de Oquendo zusammengestellt, das
13000 Soldaten in den Hafen von Dünkirchen bringen sollte.
[4] Ende September wurde der spanische Flottenverband von
einem holländischen Geschwader unter Admiral Maarten
Tromp gesichtet und angegriffen. Tromp ließ seine Schiffe in
Kiellinie auf die Spanier zulaufen, um die volle Feuerkraft
seiner Bordkanonen einsetzen zu können. [5] Für Oquendo
war eine Seeschlacht mit den für die Niederlande
bestimmten Soldaten an Bord zu riskant, deswegen drehte
er in die Downs ab, ein flaches Seegebiet vor Kent, wo man
davon ausgehen konnte, dass die Soldaten beim Untergang
eines Schiffes mit Booten an Land gebracht werden konnten.
Die Holländer verstärkten unterdessen ihre Flotte, und am
31. Oktober griff Tromp mit drei Geschwadern an. Die
Spanier verloren 40 Schiffe, darunter auch das Flaggschiff
Santa Teresa und mehrere tausend Mann Besatzung und
Landsoldaten. [6]
Tatsächlich traf die Niederlage in der Seeschlacht bei den
Downs oder bei Dover, wie sie wechselweise genannt wird,
die spanische Machtstellung stärker als der Untergang der
Armada ein halbes Jahrhundert zuvor, da es nun keine
sichere Verbindung in die Niederlande mehr gab und die
erlittenen Verluste nur noch sehr schwer ausgeglichen
werden konnten. Die Katastrophe bei Dover war der Auftakt
zu einer ganzen Abfolge von Rückschlägen und Niederlagen,
die den spanischen Niedergang besiegelten. Die Folgen
blieben nicht auf das spanische Imperium beschränkt,
sondern betrafen auch den Kaiser, insofern die
Subsidienzahlungen von nun an geringer ausfielen und
schließlich ganz ausblieben. In Wien, so lässt sich festhalten,
hatte man aufs falsche Pferd gesetzt.
Wie so oft führte der Versuch, dem Niedergang
entgegenzuwirken, zur Verschärfung der Krise. Zuvor hatten
die rückläufigen Silberimporte aus der Neuen Welt bereits
dazu geführt, dass in Spanien die Steuerbelastungen
angehoben wurden, um einen Zusammenbruch der
Staatsfinanzen zu vermeiden. Dabei nahm man keine
Rücksicht mehr auf die Steuerprivilegien, die Katalonien und
dem seit 1580 vom spanischen König in Personalunion
mitregierten Portugal zugesichert worden waren. Schließlich
erhöhte der auf eine Verwaltungszentralisierung der
spanischen «Kompositmonarchie» hinarbeitende Olivares die
Steuerlast und die Verpflichtungen für das Projekt einer
union de armas noch einmal. Daraufhin brachen in
Katalonien und Portugal Aufstände aus, die dafür sorgten,
dass Spanien in den folgenden Jahren mit sich selbst
beschäftigt war. Nach mehr als einem Jahrzehnt zähen
Ringens, in das auch die französische Krone verwickelt war,
gelang es, Katalonien bei Spanien zu halten, während
Portugal von 1640 an politisch wieder eigene Wege ging. [7]
In den späten 1630er und frühen 1640er Jahren wurde der
Niedergang Spaniens für die europäischen Konkurrenten
unübersehbar. [8] Hinzu kam ein Vorverweis auf das Ende
des Madrider Zweigs der Casa d’Austria: Am 9. November
1641 verstarb der Kardinalinfant Don Fernando in Brüssel,
körperlich gezeichnet von den ständigen Feldzügen und
erschöpft von den vergeblichen Bitten an den Madrider Hof,
ihn stärker mit Geld und Soldaten zu unterstützen. Seine
ohnehin schwache Konstitution, der die Tätigkeit eines
Erzbischofs von Toledo, für die er zuerst ausersehen war,
sehr viel zuträglicher gewesen wäre als die eines Feldherrn
und Brüsseler Statthalters, war den Belastungen nicht
gewachsen.

Zunächst ging der Krieg in den Niederlanden aber weiter,


und es gab auf spanischer Seite die erkennbare Neigung,
durch militärische Aktivität wettzumachen, was dem Land an
wirtschaftlicher und demographischer Potenz – die
kastilischen Kernlande litten seit einiger Zeit unter einem
kontinuierlichen Bevölkerungsrückgang – zunehmend
abging. Da gegen die Generalstaaten aufgrund des starken
Festungsgürtels an ihrer Südgrenze keine großen
Fortschritte zu erzielen waren, konzentrierte der neue
spanische Militärkommandant Generalkapitän Francisco
Manuel de Melo, ein gebürtiger Portugiese, der 1640 der
spanischen Krone gegenüber loyal geblieben war, seine
Truppen gegen Frankreich und belagerte die kleine Festung
Rocroi gleich hinter der spanisch-französischen Grenze. Der
Angriff hatte mehr eine symbolische Bedeutung, als dass er
von strategischer Relevanz war. Für einen Vorstoß tief nach
Frankreich hinein, wie ihn Werths Kavallerie bis in die Nähe
von Paris geführt hatte, fehlten Melo die Kräfte, und an eine
Zangenoperation war nicht zu denken. Eine solche war im
Sommer 1636 missglückt, [9] aber der Schrecken, den sie
verbreitet hatte, war der französischen Politik noch gut im
Gedächtnis. Deswegen wurde ein Heer unter dem Herzog
von Enghien in Marsch gesetzt, um einen Vorstoß der
Spanier nach Frankreich zu blockieren.
Der Herzog von Enghien, der später den Beinamen «der
Große Condé» erhielt, war zweiundzwanzig Jahre alt und
zeichnete sich kaum durch militärische Erfahrung, dafür
aber durch große Risikobereitschaft und ungestümes
Draufgängertum aus, besaß also alle Voraussetzungen für
ein verheerendes Desaster oder einen großen Sieg. [10]
Während des Anmarschs auf Rocroi erreichte den Herzog
die Nachricht, dass Ludwig XIII. gestorben sei. Da wenige
Monate zuvor auch Richelieu verstorben war, dessen
Nachfolger, der Kardinal Mazarin, von seiner Herkunft her
ein Italiener, der Thronfolger ein fünfjähriges Kind und die
Königinwitwe eine Spanierin war, gab es große
Unsicherheit, welche Richtung die französische Politik in
Zukunft nehmen würde. Es hätte also gute Gründe für
Enghien gegeben, in einiger Entfernung von Rocroi eine
Warteposition zu beziehen, um zunächst einmal
herauszufinden, ob es mit dem neuen politischen Personal in
Paris zu einem Kurswechsel kommen sollte. Ein weiterer
Grund, das Risiko einer Schlacht nicht einzugehen, war der
Umstand, dass in einer solchen Lage der Ungewissheit eine
Niederlage sehr viel größere politische Folgen hatte als
unter politisch gefestigten Konstellationen. Aber auch das
hinderte Enghien nicht daran, die Schlacht gegen das
spanische Heer zu wagen.
Melo wiederum war sich seiner Sache sehr sicher und
vertraute seiner in vielen Kämpfen erprobten Infanterie. Er
verfügte über 18000 Fußsoldaten und 5000 Kavalleristen,
dazu 18 Kanonen, also etwa 23000 Mann. Da die
französische Armee aus 14500 Infanteristen,
6500 Kavalleristen und zwölf Kanonen, also 21000 Mann
bestand (was Melo freilich nur schätzen konnte), sah er
keinen Anlass, die Konfrontation hinauszuzögern und die
Ankunft weiterer 5000 Mann unter General Beck
abzuwarten, die er ursprünglich zur Eroberung des
Schlosses von Château-Regnault an der Maas entsandt, bei
der Nachricht vom Anmarsch der Franzosen aber zur
Hauptarmee zurückbeordert hatte. Einen Sieg hielt Melo mit
Blick auf die nach den Rückschlägen der letzten Jahre
angefochtene Stellung Spaniens in den Niederlanden für
wichtig, daher ging auch er das Risiko einer Schlacht ein.

Am Abend des 18. Mai standen sich beide Seiten in


spiegelbildlicher Schlachtordnung gegenüber: beide Flügel
jeweils von Kavallerieschwadronen gebildet, in zwei Treffen
geordnet, im Zentrum die in drei Treffen aufgestellte
Infanterie, davor auf beiden Seiten die Kanonen. Rocroi war
von der Grundaufstellung her eine Schlacht ohne taktische
Finessen und Überraschungen, und das änderte sich auch
nicht in ihrem Verlauf. Es wurde ein furchtbares Gemetzel
mit für damalige Verhältnisse sehr hohen Verlusten. Das war
nicht zuletzt eine Folge des mit allenfalls zwei Kilometern
nicht gerade breiten Schlachtfelds, das auf der einen Seite
durch Sumpfgelände und auf der anderen durch ein
vorspringendes Waldstück begrenzt war. Melo hatte im Wald
Musketiere postiert, die den Angriff des rechten
französischen Kavallerieflügels unter Flankenfeuer nehmen
sollten, aber Enghien hatte durch Überläufer davon erfahren
und seinerseits Truppen ausschwärmen lassen, um die
Spanier aus dem Wald zu vertreiben.
Als am 19. Mai beide Heere aufeinandertrafen, nahm die
Schlacht zunächst einen ähnlichen Verlauf wie bei
Rheinfelden in der ersten Konfrontation zwischen Bernhard
und Savelli: [11] Der französische rechte Flügel warf den
linken der Spanier zurück, während der rechte spanische
Flügel dem linken französischen hart zusetzte und ihn
zurückdrängte. Entscheidend für den weiteren
Schlachtverlauf war, dass die Franzosen ihren Erfolg
energischer ausnutzten als die Spanier: Enghien brach mit
seiner Kavallerie in die Zwischenräume des zweiten und
dritten gegnerischen Infanterietreffens ein, und da diese –
im Unterschied zu den Pelotons des ersten Treffens – nicht
nach Art der spanischen Tercios, sondern nach den
Vorgaben der Oranier aufgestellt waren (es handelte sich um
deutsche und wallonische Regimenter) und offenbar über zu
wenig Pikeniere verfügten, um die Kavallerieattacke
abwehren zu können, wurden sie zersprengt und
niedergeritten. [12] Melos Kavallerie, die den Infanteristen in
dieser Situation hätte zu Hilfe kommen müssen, war
entweder zu weit zurückgeworfen worden oder zu weit
vorgerückt. Im Prinzip war von diesem Augenblick an die
Schlacht für die Spanier verloren. Dass sie für sie zur
Katastrophe wurde, lag daran, dass Melo die Niederlage
nicht akzeptierte und mit den Tercios des ersten Treffens
das Feld behaupten wollte.
Es war die Standhaftigkeit der spanischen Infanterie, die
ihr bei Rocroi zum Verhängnis wurde. Dreimal griffen die
Franzosen die Tercios an, und dreimal wurden sie
zurückgeschlagen. Ein Zufall entschied die Schlacht: Als die
Spanier versuchten, ihre rückwärtig stehende Bagage und
die der Belagerung Rocrois dienenden schweren Kanonen
aus dem Kampfgeschehen zu bringen, wurden diese
Verbände von französischer Kavallerie auseinandergejagt.
Auf dem Schlachtfeld hatte man jedoch den Eindruck, es
seien die zur Unterstützung anrückenden Einheiten Becks,
die hier angegriffen und zerschlagen wurden, und daraufhin
sanken der Mut und Kampfeswille der bisher
unerschütterlichen Infanteristen. Spanische Offiziere
signalisierten, sie seien bereit zu kapitulieren, doch als
Enghien heranritt, um sich dessen zu vergewissern, wurde
auf ihn geschossen. Danach gab es kein Halten mehr:
Französische Infanterie und Kavallerie sprengten die Tercios
auf und töteten, was ihnen vor die Waffe kam. Vergeblich
versuchte Enghien, seine Soldaten dazu zu bringen,
«Quartier zu geben» und die gegnerischen Soldaten
gefangen zu nehmen. Am Abend waren 5000 Spanier tot und
mehr als ebenso viele gefangen. Die legendäre spanische
Infanterie, der Kern des Heeres in den südlichen
Niederlanden, war vernichtet. Dieser Verlust war nicht zu
ersetzen.
Nach der Schlacht von Rocroi spielte Spanien für den
weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges keine Rolle
mehr. Die Subsidienzahlungen an Wien waren 1641 de facto
eingestellt worden, und die Fähigkeit, unmittelbar
militärischen Beistand zu leisten, war nach Rocroi dahin.
Zwar hielten sich die Spanier weiterhin in den südlichen
Niederlanden, zu Offensivoperationen waren sie aber nicht
mehr in der Lage. Infolgedessen hatte die französische
Politik, die unter Mazarin tendenziell dieselben Ziele
verfolgte wie zuvor unter Richelieu, die freie Wahl, wo und
wie sie das Gros ihres Heeres einsetzte. Sie entschied sich
für den deutschen Kriegsschauplatz. Dem doppelten Druck
der Schweden und Franzosen waren Kaiser Ferdinand III.
und Kurfürst Maximilian auf Dauer nicht gewachsen, zumal
mit der Zeit immer mehr Reichsstände, die sich dem Prager
Frieden angeschlossen hatten, wieder von ihm abfielen, sich
für neutral erklärten oder Separatfriedensverträge mit
Frankreich oder Schweden abschlossen. Nach Rocroi
standen in Deutschland die Zeichen endgültig auf Frieden.
Jetzt kam es nur noch darauf an, den Weg dorthin zu finden,
und das sollte sich als ausgesprochen schwierig
herausstellen.
7. Kapitel
Zwischen Krieg und Frieden: Der lange
Weg nach Münster und Osnabrück

Die Präliminarfriedensvereinbarung
Von den 1630er Jahren an nahmen die Bemühungen um
eine Beendigung des Krieges zu, bei den einen, weil sie dem
Sterben und der Verheerung des Landes ein Ende machen
wollten, bei den anderen, weil sie die militärisch günstigen
Konstellationen des Augenblicks in eine politisch dauerhafte
Form überführen wollten. Es gab viele Gründe, den Krieg zu
beenden, aber es war gerade die Vielfalt an Motiven und
Gründen, die den Weg zum Frieden immer wieder
versperrte. Das ist eine weitere Paradoxie des Krieges: Das
Vielerlei der Motivationen führte zu einem ausgeprägten
Misstrauen gegenüber dem Friedenswunsch der anderen.
War dieser nur ein weiteres Element in einem Machtkampf,
der bislang mit Waffen ausgetragen wurde? Würde der
Friede, um eine bekannte Umkehrung der Clausewitz’schen
Formel zu gebrauchen, womöglich nichts anderes sein als
eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln? Dieses
Misstrauen sorgte dafür, dass der Krieg weiterging, obwohl
sich bei den meisten Beteiligten längst die Einsicht
durchgesetzt hatte, dass er militärisch nicht zu gewinnen
war. Aber gerade deswegen wollten die einen am
Verhandlungstisch nicht verlieren, was sie im Kriegsverlauf
an Erfolgen erzielt hatten, und den anderen war daran
gelegen, dass die materiellen Verluste und Zerstörungen, die
das Land erfahren hatte, nicht gänzlich vergebens gewesen
sein sollten. Bevor man beginnen konnte, über die
Friedensbedingungen zu beraten, musste man also zunächst
einmal ein Minimum gegenseitigen Vertrauens schaffen. [1]
Herkömmlicherweise kommt Vermittlern, die in das
Kriegsgeschehen nicht involviert sind, die Aufgabe zu, das
Vertrauensdefizit zu überbrücken und als Garant von
Vertrauensvorschüssen zu dienen. Beim Dreißigjährigen
Krieg war es jedoch so, dass es eine solche dritte Partei
aufgrund der vielfältigen Kriegsgründe und der langen
Dauer des Krieges nicht gab: Alle europäischen Großmächte
hatten entweder selbst in den Krieg eingegriffen oder waren
doch interessierte Partei, und die Mächte, die tatsächlich
abseits gestanden und sich weder mit eigenen Truppen noch
mit Hilfszahlungen in das Geschehen eingemischt hatten,
das Reich des russischen Zaren und das Reich des
osmanischen Sultans, kamen als Friedensvermittler nicht in
Frage; der eine gehörte nicht der lateinischen Christenheit
an, der andere war kein christlicher Herrscher. Die religiös-
kulturelle Zugehörigkeit war eine zwingende Voraussetzung
dafür, das Misstrauen der Beteiligten überbrücken zu
können. [2] Das ist die zweite Paradoxie auf dem Weg zum
Frieden: dass man zwar nicht zuletzt wegen Glaubensfragen
gegeneinander Krieg führte, aber auf die Gemeinsamkeit
dieses Glaubens angewiesen war, um Frieden schließen zu
können.
Zwei Akteure unternahmen von der Mitte der 1630er Jahre
an unabhängig voneinander den Versuch, die
Friedensgespräche in Gang zu bringen: Dänemark und der
Papst. [3] Das protestantische Dänemark, das im Lübecker
Frieden aus dem Krieg ausgeschieden war, stand aber vor
allem bei den Schweden im Verdacht, es wolle nunmehr auf
diplomatischem Wege erreichen, was ihm im Krieg mit
militärischen Mitteln nicht gelungen war. Es habe lediglich
das Schwert mit der Feder vertauscht, doch die leitende
Absicht, die Sicherung der dänischen Vormachtrolle in der
Ostsee, sei die gleiche geblieben. Habe sich das dänische
Schwert vor allem gegen den Kaiser und die katholische
Liga gerichtet, so ziele die dänische Feder nun gegen
Schweden, dem man die starke Position, die es durch seine
militärischen Erfolge erlangt hatte, am Verhandlungstisch
wieder streitig machen wolle – so jedenfalls sah man es in
Stockholm. Es kann daher nicht überraschen, dass die
Schweden alles taten, um Dänemark aus den
Friedensverhandlungen hinauszudrängen, da sie ihm die
Rolle eines Vermittlers nicht zugestehen wollten – bis dahin,
dass Schweden einen Krieg gegen Dänemark begann, in
dessen Folge die dänische Gesandtschaft den
Verhandlungsort Osnabrück verließ und nicht mehr dorthin
zurückkehrte. [4]
Waren es im Falle Dänemarks machtpolitische Aspekte,
die seiner Akzeptanz als Vermittler entgegenstanden, so war
es beim Papst dessen zwangsläufige Parteilichkeit in der
konfessionellen Frage. Dass die Kurie in der Anfangsphase
des Krieges Kaiser und Liga mit Subsidien unterstützt hatte,
spielte dabei eine geringere Rolle. Aber den Papst als
Gastgeber eines Friedenskongresses zu akzeptieren hätte
für die Protestantischen bedeutet, ihm in der europäischen
Politik eine Rolle zuzugestehen, die zu bestreiten eines der
Grundanliegen der Reformation gewesen war. Man hatte
nichts gegen die Vermittlungen einzuwenden, die der
päpstliche Nuntius Fabio Chigi bei den Verhandlungen in
Münster dann tatsächlich leistete, aber Chigi war umso
effektiver, je weniger er dabei sichtbar in Erscheinung trat.
Als Patron eines Friedenskongresses kam der Papst
jedenfalls nicht in Frage, und daran scheiterte auch das von
Urban VIII. betriebene Projekt, im Anschluss an den Prager
Frieden und auf diesem aufbauend eine Lösung für die
«internationale» Komponente des Krieges zu finden. Dass
der Papst bei den protestantischen Mächten, den
Generalstaaten und Schweden, kein Gehör finden würde,
war klar. Doch hatten auch er selbst und sein Legat Marzio
Ginetti ein Problem damit, mit häretischen Mächten
Gespräche zu führen. Dass Ginetti selbst die katholischen
Mächte, also Frankreich, Spanien und den Kaiser, nicht an
einen Tisch bringen konnte, zeigt, wie schwierig die Lage
war. [5] So wurde der Kölner Kongress, der durch eine
päpstliche Friedensinitiative zustande kommen sollte, zu
einem weiteren Fehlschlag auf dem Weg zum Frieden.
Gänzlich nutzlos waren Ginettis Bemühungen indes nicht,
denn sie klärten die Probleme, die vor dem Beginn von
Friedensverhandlungen zu bearbeiten waren. [6] Da war
zunächst die Frage des Vorrangs: Üblicherweise stand die
erste Position dem Kaiser zu, doch er war in diesem Fall ja
Kriegspartei. Die kaiserliche Präzedenz widersprach
überdies dem zentralen Kriegsziel Frankreichs, das die
traditionelle Pyramide der politischen Ordnung Europas
durch ein Gleichgewicht der Kräfte ablösen wollte, in dem
Frankreich nach Richelieus Plan die Rolle eines Stabilisators
und Schiedsrichters zufallen sollte. [7] Richelieus geschickte
Reaktion auf den kaiserlichen Präzedenzanspruch bestand
darin, dass er diesen nicht grundsätzlich in Frage stellte,
sondern bestritt, dass Ferdinand III. rechtmäßiger Kaiser
sei. An seiner Wahl habe weder die Kurpfalz noch Kurtrier
teilgenommen; der Trierer Erzbischof und Kurfürst Philipp
Christoph von Sötern sei durch seine Wiener Gefangenschaft
sogar mit Gewalt von der Wahl ferngehalten worden. Das
war ein starkes Argument, das es der französischen Politik
während der gesamten Verhandlungen ermöglichte, um die
Anerkennung des Kaisers als Oberhaupt der westlichen
Christenheit herumzukommen, ohne die Frage nach
Hierarchie oder Gleichgewicht wirklich zur Debatte stellen
zu müssen. Die einschneidende Veränderung in der
politischen Ordnung Europas, die im Verlauf der
Friedensverhandlungen Platz griff, die Umstellung von
Hierarchie auf Gleichgewicht, vollzog sich, ohne dass
darüber verhandelt wurde. [8] Das war bei den
Vorgesprächen zum Kölner Kongress noch nicht absehbar,
doch wurden hier die Voraussetzungen für diesen Wechsel
geschaffen.
Das zweite große Problem war, dass Richelieu und der
Kaiser gänzlich andere Vorstellungen von dem Weg zum
Frieden beziehungsweise der Art des Friedens hatten:
Während Richelieu einen Universalfriedensvertrag
anstrebte, der von allen kriegsbeteiligten europäischen
Mächten multilateral ausgehandelt werden sollte, setzte der
Kaiser auf Separatfriedensverträge mit Schweden und
Frankreich, die bilateral verhandelt und als Ergänzung des
Prager Friedens von 1635 gelten sollten. Daran konnte
Richelieu kein Interesse haben, da die Anerkennung des
Prager Friedens als Grundlage des europäischen Friedens
die kaiserliche Präzedenz bestärkt hätte. Faktisch wäre der
Kaiser damit zum Herr des Friedens geworden, und
obendrein wäre es Richelieu dann nicht möglich gewesen,
das enge Band zwischen Madrid und Wien aufzulösen und
die Machtballung der Casa d’Austria zu beenden. Die
Auflösung der politisch wie militärisch engen Bindungen
beider Stränge des Hauses Habsburg war aber die
Voraussetzung dafür, dass ein Gleichgewicht der Mächte in
Europa entstehen konnte.
Letzteres zu verhindern war die Leitlinie der Wiener wie
der Madrider Politik. Die Wiederannäherung beider Mächte
nach den wechselseitigen Enttäuschungen des
Mantuanischen Erbfolgekrieges seit 1633 war auch eine
Reaktion darauf, dass die Zielrichtung der französischen
Politik zunehmend erkennbar wurde. Bei den von Kardinal
Ginetti geführten Sondierungsgesprächen zur Vorbereitung
des Kölner Kongresses trat die Absicht der französischen
Diplomaten dann in aller Deutlichkeit hervor. Daraufhin
rückten die Habsburger noch enger zusammen: Im
September 1639 schlossen sie im Ebsdorfer Vertrag ein
Militärbündnis, das sich die Rückeroberung
Vorderösterreichs zur Aufgabe machte, worunter man den
südwestdeutschen Streubesitz der Habsburger sowie das
Elsass verstand. Unmittelbar motiviert war das Bündnis
durch die Niederlagen der kaiserlichen Armeen gegen
Bernhard von Weimar und den Verlust eines wichtigen Teils
der «spanischen Gasse»; [9] politikstrategisch lief der Vertrag
von Ebsdorf auf eine scharfe Frontstellung gegen Frankreich
hinaus. Die Herrschaft über das Elsass auf der
linksrheinischen und große Teile Südwestdeutschlands auf
der rechtsrheinischen Seite bekam so eine Bedeutung, die
weit über die physische Kontrolle des Raumes hinausging:
An ihr entschied sich das Grundmuster der politischen
Ordnung Europas. Es kam somit nicht von ungefähr, dass
dieser Raum mit dem Fortgang der Friedensbemühungen zu
den am heftigsten umkämpften Gebieten der 1640er Jahre
wurde.
Nicht immer traten Meinungsverschiedenheiten dort
zutage, wo sie tatsächlich virulent waren; häufig drehte sich
der Streit um Fragen, die nur deshalb umstritten waren, weil
sie auf ein ganz anderes Problem verwiesen. Die Frage nach
dem Umgang mit den nondum reconciliati, den dem Prager
Frieden noch nicht Beigetretenen beziehungsweise vom
Kaiser explizit davon Ausgeschlossenen, war ein solcher Fall.
Nach Wiener Auffassung war das Reich seit dem Prager
Frieden in seinem Innern befriedet; bei den anstehenden
Friedensverhandlungen konnte es also nur darum gehen, die
im Prager Frieden ungelöst gebliebenen Probleme zu
bearbeiten. Ausdrücklich hatte man nicht vor, die Prager
Lösungen noch einmal aufzuschnüren und neu zu
verhandeln. Die nondum reconciliati sollten dem Prager
Frieden beitreten beziehungsweise den Kaiser um Gnade
bitten, aber kein Thema bei den noch zu führenden
Friedensgesprächen mit den äußeren Interventen sein. Das
sahen Frankreich und Schweden als Verbündete dieser
nondum reconciliati gänzlich anders, schließlich waren sie
offiziell in den Krieg eingetreten, um deren Anliegen zu
verteidigen, auch wenn im Hintergrund noch ganz andere
Motive eine Rolle gespielt haben mochten. Für Schweden
wäre ein Einschwenken auf die kaiserliche Sicht
gleichbedeutend damit gewesen, dass es seine
protestantischen Verbündeten, ähnlich wie Dänemark das
1629 getan hatte, im Stich ließ, um aus dem Krieg
herauszukommen; für Frankreich hätte es bedeutet, dass es
seinen wichtigsten Hebel zur Durchsetzung von
Universalfriedensverhandlungen aus der Hand gab. Es
waren also recht unterschiedliche Motive, aus denen heraus
beide Mächte die nondum reconciliati in den Mittelpunkt
ihrer Verhandlungsstrategie stellten; für das
Zustandekommen der Friedensgespräche – oder deren
Scheitern – spielten sie eine zentrale Rolle. Eine
Schlüsselposition kam dabei Hessen-Kassel zu, das zu
Schweden und Frankreich seit langem eine enge Verbindung
unterhielt. Die kleine Landgrafschaft in einer eher armen
Gegend Deutschlands bekam so ein außergewöhnlich großes
politisches Gewicht.

Der päpstliche Legat musste also die Erfahrung machen,


dass die Vorstellungen der kriegführenden Parteien zu weit
auseinanderlagen, um eine gemeinsame Minimalposition
entwickeln zu können, und das galt nicht nur für die
konfessionellen Gegner, sondern auch für die katholischen
Mächte. So ging der Krieg weiter, wenngleich er seinen
Charakter veränderte: Krieg und Frieden traten in eine noch
engere Beziehung. Ging es, sofern man den Gegner nicht
niederwerfen konnte, sonst darum, Territorien zu besetzen,
um bei den Friedensgesprächen ein Faustpfand zu haben,
mit dem man die Gegenseite zu Konzessionen zwingen
konnte, so hatten militärische Erfolge von den späten 1630er
Jahren an die Aufgabe, der eigenen Vorstellung vom Frieden
beziehungsweise von dem Weg dorthin ein so großes
Gewicht zu verschaffen, dass sie sich durchsetzen konnte.
Das hatte zur Folge, dass man noch weniger als bisher
darum bemüht war, die besetzten Territorien schonend zu
behandeln. Der Krieg wurde dadurch in seiner Schlussphase
noch grausamer.
Dabei sah es für die kaiserliche Seite zunächst recht gut
aus. Die Schwäche Spaniens kam anfänglich noch nicht voll
zum Tragen, weil auch Schweden eine längere
Schwächeperiode erlebte. In Wien hatte man durchaus
registriert, dass die französischen Subsidien die
schwedischen Streitkräfte stabilisiert hatten, [10] aber man
wusste auch, dass das 1638 in Hamburg geschlossene
Militärbündnis der beiden Mächte auf drei Jahre befristet
war, und hoffte, dass es nicht verlängert würde, weil es für
Frankreich nicht die erwarteten Effekte hatte und für
Schweden eine beständig wachsende Last war. Wenn die
französischen Hilfsgelder ausliefen, so die Erwartung, würde
Schweden gezwungen sein, in einen Separatfrieden mit dem
Kaiser einzuwilligen. Man glaubte, dass großzügige
Angebote in der Pommern-Frage die schwedische
Friedensbereitschaft deutlich befördern würden. Gespräche
zwischen dem kaiserlichen Gesandten Carl von Lützow und
dem schwedischen Feldmarschall Banér gaben allen Anlass
zur Zuversicht. [11] Als Banér Anfang Mai 1641 in
Halberstadt verstarb und es danach zu
Auflösungserscheinungen im schwedischen Heer kam,
verstärkte dies noch die Hoffnung. [12] Das erklärt, warum
der Wiener Hof trotz des bedrohlichen Zerfalls der
spanischen Macht weiterhin auf Zeit spielte. Im Rückblick ist
klar, dass man eine Phase relativer Stärke politisch
ungenutzt verstreichen ließ. Zunächst hatte es aber den
Anschein, als müsse man nur abwarten, denn das
schwedische Heer war nach Dienstverweigerungen und
Meuterei nicht einsatzfähig, und auch die französischen
Truppen sowie die Weimaraner Söldner, die nun unter dem
Kommando des Schweizers Hans Ludwig von Erlach
standen, waren vorerst nicht zu größeren
Offensivoperationen in der Lage. Das sollte sich jedoch
ändern.
Das von Banér geführte schwedische Heer war im
Wesentlichen eine Söldnertruppe, die durch das Vertrauen
in ihren Befehlshaber zusammengehalten wurde: das
Vertrauen in seine Fähigkeit, die Truppen zum Sieg zu
führen, sie Beute machen zu lassen sowie für gute
Winterquartiere zu sorgen. War dieses Vertrauen vorhanden,
so ließen sich auch längere Phasen stockender
Soldzahlungen überbrücken, ohne dass das Heer sogleich
zerfiel. Starb der Kommandeur einer solchen Truppe,
verhielt es sich freilich anders, denn nun war offen, ob der
Nachfolger die ausstehenden Zahlungen übernehmen würde.
So war es auch nach dem Tod Banérs im Jahr 1641. [13] Die
Lage stabilisierte sich, als Lennart Torstensson, Gustav
Adolfs einstiger Artilleriekommandeur, das Kommando des
schwedischen Heeres in Deutschland übernahm. [14] Nach
seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber ließ er sich jedoch
erst einmal Zeit, bis er bei den Soldaten erschien, und so
war das schwedische Heer von Mai bis November ohne
Führung. Torstensson trug in Stockholm dafür Sorge, dass
die finanziellen Mittel für die Auszahlung des Solds
bereitgestellt wurden, außerdem brachte er etwa 7000
nationalschwedische Soldaten mit, die als «Loyalitätskern»
in die Söldnerregimenter eingezogen wurden. Damit war das
schwedische Heer binnen kürzester Zeit wieder einsatzfähig,
und es entfaltete unter Torstensson eine Kampfkraft, die an
jene unter Gustav Adolf heranreichte. Dadurch veränderte
sich die militärische Gesamtlage in Deutschland.

Lennart Torstensson war der fähigste General der Schweden. Sein Aufstieg
begann als Artilleriekommandeur Gustav Adolfs, und in dieser Position entwickelte
er neue Formen des taktischen Gebrauchs von Artillerie in der Schlacht. Von 1641
bis 1646 war er Oberbefehlshaber des schwedischen Heeres in Deutschland und
legte durch mehrere große Siege die Grundlage für die starke
Verhandlungsposition Schwedens in Münster und Osnabrück. Das Bild zeigt
Torstensson zu Pferde; da er an der Gicht litt, musste er sich als
Oberkommandierender jedoch zumeist in einer Sänfte aufs Schlachtfeld bringen
lassen.

Zuvor hatte Kaiser Ferdinand III. für seine Politik Rückhalt


bei den Reichsständen gesucht, indem er 1639 einen
Kurfürstentag nach Nürnberg und 1640 einen Reichstag –
den ersten seit 1613 – nach Regensburg einberief. Die
Reichsstände waren stark daran interessiert, dass die
Friedensgespräche zügig aufgenommen wurden. In den
Regensburger Verhandlungen wurde aber deutlich, dass die
Positionen des Kaisers dem entgegenstanden. Das betraf vor
allem die engen Bindungen Wiens an Spanien. Insbesondere
Kurfürst Maximilian, früher eher ein Kriegstreiber, drängte
in Nürnberg und Regensburg auf baldigen Frieden. [15] Er
drohte damit, die französische Karte ins Spiel zu bringen,
also Verhandlungen über einen bayerisch-französischen
Separatfrieden zu beginnen. Diese Drohung wurde in Wien
ernst genommen, denn damit wäre der auf dem Verbot von
Separatfriedensverträgen beruhende Prager Frieden
aufgekündigt worden, und zwar durch den für den Kaiser
wichtigsten Reichsstand. Das hätte eine Kettenreaktion nach
sich gezogen, da dann auch andere Reichsstände sich nicht
mehr an den Prager Frieden gebunden gesehen hätten.
Obendrein hätte die mit einem Separatfrieden verbundene
Neutralisierung Bayerns die kaiserlichen Erblande
französischen Angriffen aus dem Westen schutzlos
ausgeliefert. Durch die Gegendrohung, man werde im Fall
eines bayerischen Separatfriedens die Übertragung der Kur
von Heidelberg nach München zur Disposition stellen,
konnte man Maximilian noch einmal auf der Seite des
Kaisers halten. Das bis dahin vertrauensvolle Verhältnis
zwischen Wien und München wurde dadurch aber massiv
beschädigt. [16]
Ein weiteres Problem stand in Nürnberg und Regensburg
zur Debatte: die Frage des weiteren Umgangs mit den
nondum reconciliati. Um den auf Frieden drängenden
Reichsständen entgegenzukommen, erklärte der Kaiser, er
wolle Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel in die
Amnestie des Prager Friedens einschließen, «wenn sie ihre
Verbindung mit dem Feinde aufgeben würden». [17] Aber
warum sollten diese sich auf ein solches Angebot einlassen,
das sie dem kaiserlichen Wohlwollen auf Gedeih und
Verderb ausgeliefert hätte? Vor allem für die Landgräfin
Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel hätte der Beitritt zum
Prager Frieden nur Nachteile gebracht, da damit alle
Ansprüche, die sie gegen die hessen-darmstädtische Linie
des Landgrafenhauses geltend machte, [18] und zwei
Jahrzehnte Kriegsanstrengungen hinfällig gewesen wären.
Im Bündnis mit Schweden und Frankreich ließen sich die
Ansprüche hingegen aufrechterhalten, und angesichts der
Kriegslage war es nicht unwahrscheinlich, dass sich ein Teil
von ihnen auch durchsetzen ließ. [19] Indem der Kaiser die
Trennung von Frankreich und Schweden zur Voraussetzung
einer Aussöhnung erklärte, machte er diese eigentlich
unmöglich.
Die Einberufung eines Reichstags nach Regensburg im Jahr 1640 zeigt, dass man
nach mehr als zwei Jahrzehnten Krieg wieder verstärkt auf die Institutionen des
Reiches setzte – ebenjene Institutionen, die sich vor Kriegsbeginn selbst
lahmgelegt hatten. Auch wenn der Reichstag von 1640/41 keine greifbaren
Fortschritte zur Beendigung des Krieges brachte, so kam dort doch der
Friedenswille der Reichsstände sehr deutlich zum Ausdruck. In der Mitte des Bildes
oben der Kaiser auf dem Thron, rechts und links von ihm die Vertreter der
Kurfürsten; an den Längsseiten die Gesandten der Bistümer und Fürstentümer;
außerhalb des Karrees Prälaten, Offiziere und Vertreter der Reichsstädte.

Gleichzeitig versuchte der Kaiser selbst, mit Schweden einen


Separatfrieden zu schließen. Um die schwedische
Bereitschaft zu fördern, gab er zu erkennen, dass man keine
Einwände habe, wenn Schweden das Erbe des kinderlos
verstorbenen Herzogs Bogislaw in Pommern antrete. Das
war jedoch ein verhängnisvoller Schachzug, der zum Anfang
vom Ende des Prager Friedens werden sollte. Herzog
Bogislaw hatte in seinem Testament den Kurfürsten von
Brandenburg als Erben eingesetzt, und Kurfürst Friedrich
Wilhelm (der «Große Kurfürst»), der zwischenzeitlich die
Nachfolge seines eher konzilianten Vaters angetreten hatte,
[20] verstand das Angebot Ferdinands an Schweden
dahingehend, dass der Kaiser die brandenburgischen
Interessen dranzugeben bereit war, wenn es zu seinem
eigenen Vorteil war. Im Oktober 1641, kurz nach dem
Abschluss des Regensburger Reichstags, ließ Friedrich
Wilhelm offiziell mitteilen, er werde fortan eine neutrale
Position einnehmen, und dazu gehöre auch, dass er alle
Zahlungen für die Reichsarmee einstelle. Der
Zahlungsausfall war zu verschmerzen, denn die Beiträge des
ohnehin armen und durch den Krieg noch weiter verarmten
Brandenburgs waren nicht hoch; im Hinblick auf den Prager
Frieden jedoch war der Kurswechsel Brandenburgs überaus
folgenreich, denn damit verließ ein Kurfürst die Prager
Friedensordnung. Schon bald war absehbar, dass Friedrich
Wilhelm nicht der Einzige bleiben würde, der zur
kaiserlichen Friedensordnung auf Distanz ging. Die
Annahme Brandenburgs nämlich, es könne in der Pommern-
Frage seine Interessen unabhängig vom Kaiser und in
direkten Verhandlungen mit Schweden besser vertreten, galt
mutatis mutandis auch für andere Reichsstände.
Ein grundlegender Konstruktionsfehler der Prager
Friedensordnung wurde damit sichtbar: Bei dem Versuch,
den Frieden auf die Mächte außerhalb des Reichs
auszudehnen, mussten einige Mächte innerhalb des Reichs
Nachteile hinnehmen, und das führte zwangsläufig dazu,
dass sie sich vom Friedensvertrag distanzierten. Gleichzeitig
waren weder Schweden noch Frankreich auf diese Weise in
substanzielle Friedensverhandlungen einzubinden; der
Prager Frieden hätte sich nur durchsetzen lassen, wenn man
in der Lage gewesen wäre, Schweden und Frankreich mit
kriegerischen Mitteln aus dem Reich hinauszudrängen, und
als klar war, dass die Kräfte dazu nicht ausreichten, war der
Prager Frieden gescheitert.

Friedrich Wilhelms Kurswechsel setzte den Kaiser unter


Zeitdruck und zwang ihn zu größerer Beweglichkeit, und so
war bald der Weg zu einem Universalfriedenskongress frei.
Am 25. Dezember wurde der Hamburger Präliminarfrieden
unterzeichnet. [21] Ausgehandelt hatten ihn für Schweden
Johan Adler Salvius, der kaiserliche Gesandte Carl von
Lützow, der für Spanien mitverhandelte, und der
französische Gesandte Claude de Mesmes Graf d’Avaux. Die
Dänen hatten erfolgreich die zeitweilige Krise des
schwedischen Heeres ausgenutzt, um sich als vermittelnde
Macht ins Spiel zu bringen. Es handelte sich bei dem
Hamburger Vertrag indes weniger um einen wirklichen
Präliminarfrieden als vielmehr um einen Formelkompromiss,
[22] der eine Reihe von Absichtsbekundungen umfasste: Man
wollte miteinander verhandeln, die Verhandlungen sollten
am 25. März 1642 beginnen und an zwei Orten gleichzeitig
stattfinden. Der Kaiser musste dabei den größeren Schritt
machen, da von seiner Vorstellung, die Gespräche mit
Frankreich und Schweden getrennt voneinander zu führen,
nur die zwei Städte blieben, während die Verhandlungen als
ein Kongress anzusehen waren. Zuerst sah man Lübeck und
Köln als Verhandlungsorte vor, eine protestantische und eine
katholische Stadt, aber dann erschien die Entfernung
zwischen beiden Städten zu groß. So wurden das katholische
Münster und das überwiegend protestantische Osnabrück
ausgewählt. Beide Städte, so eine weitere Festlegung des
Hamburger Präliminarfriedens, sollten mitsamt der
Verbindungsstraße dazwischen neutral sein, was darauf
hinauslief, dass bis zum Verhandlungsbeginn das
schwedische Militär aus Osnabrück und die kaiserlichen
Truppen aus Münster abgezogen werden mussten. Für
Münster und Osnabrück sprach, dass sie an der Schnittstelle
zwischen den Kriegsparteien lagen und dass aufgrund ihrer
räumlichen Nähe die Kommunikation zwischen beiden
Verhandlungsorten nicht allzu schwierig war. [23] Auf einen
Waffenstillstand, der mit Beginn der Friedensverhandlungen
in Kraft treten würde, konnte man sich indes nicht
verständigen.
Ein weiterer Kompromiss, den der Kaiser angesichts der
auf Frieden drängenden Reichsstände einging, bestand
darin, dass er eine Reihe von Verbündeten Frankreichs und
Schwedens zum Kongress zuließ. Zum Zeitpunkt der
Unterzeichnung des Hamburger Präliminarfriedens waren
nur Hessen-Kassel und Braunschweig-Lüneburg offizielle
Verbündete der zwei Kronen, wie Schweden und Frankreich
häufig bezeichnet wurden; die beiden Großmächte hatten
indes darauf bestanden, dass die zum Kongress
Zugelassenen nicht namentlich festgelegt wurden, womit je
nach Lageentwicklung weitere Verbündete hinzukommen
konnten. Das war eine weitreichende Konzession der
kaiserlichen Seite, die eigentlich ein Interesse haben musste,
die Anzahl der Reichsstände auf dem Kongress möglichst
gering zu halten, damit der Prager Kompromiss nicht wieder
aufgeschnürt wurde und Fragen der Reichsverfassung außen
vor blieben. Dass die Verbündeten nicht benannt wurden,
schuf einen Anreiz für die Reichsstände, den Prager Frieden
zu kündigen und in ein Bündnis mit Schweden oder
Frankreich einzutreten; auf diese Weise konnten sie Zugang
zum Friedenskongress bekommen und die eigenen Belange
dort selbst vertreten.
Bei Unterzeichnung des Hamburger Präliminarfriedens
gab es keinerlei Zweifel, dass sich die Verhandlungen über
lange Zeit hinziehen würden. Dass es jedoch fast sieben
Jahre dauern sollte, bis die Verträge in Münster und
Osnabrück unterzeichnet wurden, und man sich darüber
hinaus erst nach dem Nürnberger
«Friedensexekutionshauptschluss» vom 26. Juni 1650 sicher
sein konnte, dass der geschlossene Frieden auch halten
würde, hat wohl keiner der in Hamburg Beteiligten
vorausgeahnt. Am ehesten dürfte jedoch stutzig gemacht
haben, dass es nicht zu Vereinbarungen über einen
Waffenstillstand kam. Tatsächlich setzten beide Seiten nach
wie vor auf einen Umschwung der militärischen Lage, und
Gründe dafür gab es auf beiden Seiten: Die kaiserliche Seite
hoffte weiterhin darauf, dass Schweden angesichts des
desolaten Zustands seiner Armee zum Separatfrieden bereit
sein werde, und die beiden Kronen waren überzeugt, dass
die spanischen Ressourcen durch die Aufstände in Portugal
und Katalonien aufgebraucht würden, [24] was schon bald die
militärische Handlungsfähigkeit der Gegenseite
einschränken werde. So schloss man einen Präliminarfrieden
in der festen Absicht, den Krieg vorerst weiterzuführen.
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und
der schwedisch-dänische Krieg
Im Sommer und Frühherbst 1641 sah es zeitweilig so aus,
als würde sich eine Reihe deutscher Offiziere in
schwedischen Diensten mitsamt ihren Einheiten auf die
Seite des Kaisers ziehen lassen. Es ist nicht zu entscheiden,
ob die Offiziere in der ernstlichen Absicht verhandelten, die
Seite zu wechseln, oder ob es ihnen lediglich darum ging,
Druck auf die Schweden auszuüben, damit diese den
rückständigen Sold endlich auszahlten. [1] Am Ende bot
offenbar auch Wien zu wenig Geld an, und schließlich gelang
es Torstensson, aus dem zerfallenen Haufen der
schwedischen Truppen in Deutschland wieder ein
schlagkräftiges Heer zu machen.
Im März 1642 brach die Armee auf und marschierte durch
das neutrale Brandenburg nach Schlesien; am 4. Mai wurde
die Festung Glogau eingenommen, am 3. Juni Schweidnitz.
Danach stießen die Schweden nach Mähren vor und
eroberten Anfang Juli Olmütz. [2] Vor der Eroberung von
Schweidnitz hatte Torstensson eine kaiserliche Armee unter
Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg zum Kampf gestellt
und vernichtend geschlagen: Bei vernachlässigbaren
schwedischen Verlusten verloren die Kaiserlichen
4000 Mann an Toten und Verwundeten, 1200 wurden
gefangen genommen. Das kaiserliche Hauptheer unter
Piccolomini, das zum Entsatz von Schweidnitz herangezogen
war, hatte sich daraufhin wieder zurückgezogen. Es schien,
als seien jene Zeiten zurückgekehrt, in denen die Schweden
ihre Gegner vor sich hertrieben und sie schlugen, wann und
wo immer sie sich zur Schlacht stellten.
Der Sommer und Herbst 1642 war von Märschen in
Böhmen und Mähren, Schlesien und Sachsen geprägt, wo
Schweden und Kaiserliche am 2. November
aufeinandertrafen und eine Schlacht in der Nähe des Dorfes
Breitenfeld schlugen. Elf Jahre zuvor hatte dort Gustav Adolf
seinem Gegner Tilly jene schwere Niederlage beigebracht,
die zum Zusammenbruch der kaiserlich-ligistischen Macht in
Norddeutschland führte; [3] die Schlacht von 1642 wird
daher in der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges als
«Breitenfeld II» geführt. Die zwei Schlachten haben freilich
nicht auf genau demselben Gelände stattgefunden:
Breitenfeld II schließt in südwestlicher Richtung an
Breitenfeld I an. Die Zahl der beteiligten Soldaten war bei
Breitenfeld II deutlich geringer als bei Breitenfeld I: Die von
Erzherzog Leopold Wilhelm, dem jüngeren Bruder Kaiser
Ferdinands III., geführte kaiserliche Armee umfasste
ungefähr 26000 Soldaten, die schwedische Armee unter
Torstensson etwa 20000 Mann. [4]
Im späten Oktober hatte Torstensson damit begonnen, das
in kaiserlicher beziehungsweise sächsischer Hand
befindliche Leipzig zu belagern, um die Stadt als Zentrum
für seine Winterquartiere in die Hand zu bekommen. Gelang
ihm das, so würde die Armee das erste Mal seit langem
wieder in Feindesland überwintern, und den Großteil der
Unterhaltskosten würde der sächsische Kurfürst tragen
müssen. Das Bündnis mit dem Kaiser, so Torstenssons
Kalkül, sollte Johann Georg möglichst teuer zu stehen
kommen. Wiederum marschierte Ottavio Piccolomini mit
dem kaiserlichen Hauptheer zum Entsatz der Stadt heran.
Da Torstensson nicht zwischen Stadtbefestigung und
Entsatzarmee eingeklemmt werden wollte, hob er die
Belagerung auf und wich in nördlicher Richtung zurück.
Erzherzog Leopold Wilhelm deutete das als einen Rückzug
und plädierte dafür, den Schweden in Eilmärschen zu folgen
und sie zur Schlacht zu stellen. Der vorsichtigere
Piccolomini war mit dem Entsatz Leipzigs zufrieden, hätte
sich lieber weiterhin auf den Manöverkrieg verlegt und eine
Entscheidungsschlacht vermieden. Doch der Erzherzog
setzte sich im Kriegsrat durch.
Torstensson wollte die Schlacht keineswegs vermeiden,
wie Leopold Wilhelm annahm, und hatte das Heer am
1. November in der Nähe des Schlachtfelds von 1631
haltmachen und Gefechtsaufstellung einnehmen lassen. Bei
der Ortswahl mag die Erinnerung an den großen Sieg des
Königs eine Rolle gespielt haben, die Erwartung, dass er die
Soldaten zu Standhaftigkeit und Tapferkeit anspornen
würde, ebenso aber die weite Ebene nördlich von Leipzig,
die einer geschickten Operationsführung viele Möglichkeiten
eröffnete. Torstensson hatte die Positionen bezogen, die ihm
am geeignetsten erschienen; aufgrund der
Anmarschrichtung der Kaiserlichen musste er nur seinen
rechten Flügel leicht verschieben, um nicht in der Flanke
angegriffen zu werden. Der größte Vorteil der Stellung
bestand darin, dass die Kaiserlichen beim Angriff durch ein
Waldstück in der Mitte ihres Aufmarschgebiets, den
Linkelwald, getrennt wurden, das ihr Infanteriezentrum
beim Rückzug in zwei Teile aufspalten würde. Womöglich
hat Piccolomini, der mit vielen Schlachtfeldern und den
Tücken des Terrains vertraut war, diesen Nachteil erkannt,
aber da die Vorgabe des Erzherzogs lautete, Torstensson zur
Schlacht zu stellen, blieb ihm nichts anderes übrig, als den
Nachteil in Kauf zu nehmen.
Breitenfeld II wurde eine klassische Linearschlacht, wie
sie später für die Kriege des 18. Jahrhunderts typisch sein
sollte. [5] Auch auf kaiserlicher Seite hatte man die am
spanischen Vorbild orientierte Tercio-Aufstellung
aufgegeben und die Truppen nach dem oranischen Modell in
flacheren Körpern formiert. Die Folge war, dass beide Seiten
über dieselben Offensiv- wie Defensivoptionen verfügten, im
Unterschied zu den meisten früheren Schlachten, in denen
die eine Seite eine offensive und die andere eine defensive
Grundaufstellung eingenommen hatte. Für den
Militärhistoriker William Guthrie ist Breitenfeld II darum die
Schlacht, mit der eine taktische Ära zu Ende ging und eine
neue begann. [6] Die Aufstellung dürfte auch der Grund dafür
sein, dass Breitenfeld II eine der blutigsten Schlachten des
ganzen Krieges wurde: Die taktische Flexibilität, die den
Wechsel zwischen Defensive und Offensive erlaubte, führte
dazu, dass die Kräfte beider Seiten sehr viel länger und
gründlicher «ausgewrungen» wurden, als das zuvor der Fall
war. [7]
Zunächst begann alles wie in früheren Schlachten: Der
Kampf wurde mit einem Artillerieduell der im Zentrum
aufgestellten Kanonen eröffnet, wobei die Kaiserlichen
diesmal im Vorteil waren; dem folgten die
Kavallerieattacken, bei denen der jeweils rechte Flügel
beider Seiten erfolgreich war. Das war beim kaiserlichen
rechten Flügel nicht überraschend, denn Piccolomini hatte
auf ihm das Gros seiner Kavallerie konzentriert und hielt
sich auch selbst zusammen mit dem Erzherzog dort auf. Auf
schwedischer Seite fand Generalmajor Erich Schlang, der
das erste Treffen kommandierte, früh den Tod; es war der
erfahrene Stålhandske, der die Ordnung wiederherstellte
und dafür sorgte, dass der schwedische linke Flügel nicht
vom Schlachtfeld vertrieben wurde und so die bedrohte
Flanke des Infanteriezentrums weiterhin decken konnte. Das
war auf dem schwedischen rechten beziehungsweise
kaiserlichen linken Flügel ganz anders, wo die kaiserliche
Infanterie nicht standhielt. Hier flohen ganze Regimenter,
bevor sie überhaupt ins Gefecht gekommen waren.
Besonders unrühmlich tat sich dabei das Regiment
Madlung hervor, in Schlesien geworbene berittene
Arkebusiere, über die einen Monat später bei Rookzahn ein
furchtbares Strafgericht gehalten wurde: Jeder zehnte Reiter
wurde an Straßenbäumen gehenkt, und die Regimentsspitze
wurde in Prag hingerichtet. [8] Die Praxis demonstrativen
Dezimierens sollte verhindern, dass sich Vergleichbares
noch einmal wiederholte. Es war das einzige Mal, dass im
Verlauf des Dreißigjährigen Krieges in dieser Form gegen
«Feigheit vor dem Feind» vorgegangen wurde. Selbst
Wallenstein hatte sich bei seinem Strafgericht nach der
Schlacht von Lützen auf die Offiziere beschränkt, denen
vorgeworfen wurde, ihre Truppen nicht ausreichend zum
Kampf angespornt zu haben. [9] Die Gehenkten von Rookzahn
zeigen, wie dramatisch auf kaiserlicher Seite die Niederlage
von Breitenfeld II wahrgenommen wurde.
Durch den Zusammenbruch des kaiserlichen linken
Flügels war das Infanteriezentrum von der Flanke her
bedroht, und jetzt wirkte sich die Aufspaltung des Zentrums
durch den Linkelwald voll aus: Die Truppen links des
Waldstücks konnten von denen auf der anderen Seite nicht
unterstützt werden und zogen sich, was naheliegend, aber
verhängnisvoll war, in den Linkelwald zurück. Der
kaiserliche rechte Flügel wollte mit einer energischen
Kavallerieattacke die schwedische Infanterie daran hindern,
auch die andere Hälfte des eigenen Zentrums zu
zertrümmern, doch als diese Attacke fehlschlug, war die
zweite Schlacht bei Breitenfeld für die Kaiserlichen verloren:
Auch die rechte Seite des aufgespaltenen Zentrums flüchtete
jetzt in den Linkelwald, den Torstensson umstellen und mit
seinen Kanonen zusammenschießen ließ. Am Ende standen
den schwedischen Verlusten von etwa 2000 Toten
kaiserliche Verluste von 5000 Toten und 5000 Gefangenen
gegenüber. 46 Kanonen, 50 Munitionswagen,
116 Infanteriefahnen und 69 Kavalleriewimpel waren
verloren, dazu der erzherzogliche Silber- und Kanzleiwagen.
Breitenfeld war ein großer Sieg für die Schweden: Hatte
Breitenfeld I ihre militärische Dominanz begründet, so
wurde diese mit Breitenfeld II nach dem Rückschlag bei
Nördlingen in jeder Hinsicht wiederhergestellt. [10]
In der zweiten Schlacht von Breitenfeld am 2. November 1642 war das
Kavallerieregiment Madlung als eines der ersten vom Schlachtfeld geflohen. In
Prag wurde über die Offiziere des Regiments Gericht gehalten. Wie die Radierung
von Caspar Luyken vom Ende des 17. Jahrhunderts zeigt, begann ihre Exekution
damit, dass ihre Schwerter zerbrochen wurden.

Breitenfeld II war mehr als nur ein militärisches Ereignis; es


veränderte grundlegend die politischen Konstellationen und
damit auch die Ausgangslage der anstehenden
Friedensverhandlungen. Der Kaiser hatte sich mit seinem
Spiel auf Zeit vertan: Nach Breitenfeld II war seine Position
gegenüber den Kronen, aber auch gegenüber den
Reichsständen deutlich geschwächt. Wer ihn in Nürnberg
und Regensburg gedrängt hatte, schnell Friedensgespräche
aufzunehmen, bekam nun noch mehr Oberwasser, und die
treuen Anhänger des Kaisers standen düpiert da. Ihre
Vorstellungen und Interessen würden bei den
bevorstehenden Verhandlungen eine geringere Rolle spielen,
und umso stärker würden diejenigen auftrumpfen, die dem
Prager Frieden nicht beigetreten waren. Die
Schlachtentscheidung zwischen Torstensson und Piccolomini
führte zu den mithin größten politischen Effekten des
Krieges. Das muss auch deshalb so deutlich herausgestellt
werden, weil Breitenfeld II in den meisten Darstellungen des
Dreißigjährigen Krieges nur am Rande erwähnt wird oder
gar nicht vorkommt. [11]
Erzherzog Leopold Wilhelm legte nach der Niederlage das
Oberkommando über das kaiserliche Heer nieder und
konzentrierte sich, von einem kurzen Intermezzo im Jahr
1645 abgesehen, auf seine Neigung als Kunstsammler und
Mäzen, mit der ihm größerer Erfolg beschieden war denn als
Heerführer; auf seine Sammlungen geht das
Kunsthistorische Museum in Wien zurück. [12] Auch
Piccolomini gab nach einiger Zeit seinen Posten auf und
wechselte in spanische Dienste, um von Brüssel aus den
weiteren Niedergang der kaiserlichen Macht zu beobachten.
Erst im Mai 1648 kehrte er in die Dienste des Kaisers
zurück, weniger jedoch, um noch Feldzüge zu führen, als um
die Abdankung der Streitkräfte zu organisieren und zu
überwachen. [13] Das Unglück des Hauses Habsburg wollte
es, dass an die Stelle von Leopold Wilhelm und Piccolomini
erneut Matthias Gallas trat, der seinem Ruf als
«Heerverderber» auch in den Jahren 1644 und 1645 in jeder
Hinsicht gerecht wurde. [14]

Der große Erfolg von Breitenfeld II ließ in Stockholm einen


Entschluss reifen, der im Zusammenhang mit den
anstehenden Friedensgesprächen zu sehen ist: Man wollte
die Ausschaltung des kaiserlichen Heeres nutzen, um mit
einem schnellen und entschlossenen Militärschlag Dänemark
als lästigen Konkurrenten um das dominium maris Baltici
und als rückwärtige Bedrohung der eigenen, nunmehr
wieder gefestigten Stellung in Deutschland auszuschalten.
Christian IV. von Dänemark hatte sich bei den Schweden
zuletzt nicht nur durch seine politischen Aktivitäten, etwa
die Anbahnung von Friedensgesprächen, unbeliebt gemacht,
sondern auch mit regelmäßigen Erhöhungen der auf die
Schiffspassage durch den Öresund erhobenen Zölle, was
einerseits die schwedische Wirtschaft belastete und
andererseits zusätzliche Geldmittel in die Kasse des
Konkurrenten schwemmte. Man befürchtete in Stockholm,
dass diese Einnahmen, über die der König nach eigenem
Gutdünken und ohne Zustimmung des außenpolitischen
Abenteuern abholden Landadels verfügte, Christian stärker
noch als bisher veranlassen könnten, bei der Aushandlung
der europäischen Nachkriegsordnung eine entscheidende
Rolle spielen zu wollen, und man war sich darüber im
Klaren, dass dies vor allem zulasten Schwedens gehen
würde. [15] Aber Dänemark ließ sich nicht so leicht
bezwingen: Zwar verfügte es über keine leistungsfähige
Armee, dafür aber über eine hervorragende Flotte, mit der
es die westliche Ostsee beherrschte. Mit dem Heer konnte
man zwar Holstein, Schleswig und Jütland besetzen, doch
um Dänemark niederzuzwingen, musste man auf die Inseln
Fünen und Seeland übersetzen, und dazu waren der Kleine
und der Große Belt zu überqueren. Das war, wie Wallenstein
1627/28 hatte erfahren müssen, [16] nicht ohne die
Seeherrschaft in diesem Raum möglich.
In Stockholm plante man eine kombinierte Operation, bei
der die in Böhmen stehende Armee Torstenssons nach
Norden marschieren und Holstein, Schleswig und Jütland
besetzen sollte. Ein zweiter Angriffskeil unter Clas Fleming
sollte von Pommern aus, über See kommend, an der
Südspitze Seelands landen, und eine dritte Armee unter
Gustav Horn, der nach acht Jahren in bayerischer
Gefangenschaft gegen Jan von Werth ausgetauscht worden
war, sollte in das zu Dänemark gehörige Schonen
einmarschieren und es besetzen. Das alles würde aber nur
gelingen, wenn der Angriff so schnell und überraschend
erfolgte, dass die dänische Flotte das amphibische
Unternehmen gegen Seeland nicht verhindern konnte. Das
war ein überaus riskanter Plan mit einer eher geringen
Chance auf Erfolg. Das Hauptproblem war die Koordination
der drei Angriffsoperationen, die ohne zuverlässige
Kommunikation über große Entfernungen kaum möglich
war. Das war die Schwachstelle des schwedischen
Kriegsplans. Dass man sich trotzdem für ihn entschied,
zeigt, wie wichtig es Oxenstierna und anderen war,
Dänemark als politischen Störfaktor vor dem
Verhandlungsbeginn in Münster und Osnabrück
auszuschalten.
Kommunikations- und Koordinationsprobleme prägten den
Feldzug von Anfang an: So erreichte etwa der am 25. Mai
1643 ausgefertigte Angriffsbefehl Torstensson erst am
23. September. Die Wege, die der Kurier hatte zurücklegen
müssen, waren unsicher, und einmal hatte er sogar in
Oppeln festgesessen, weil Kroaten die Stadt umschwärmten.
Die Schweden pflegten solche Befehle zu kodieren, und die
Kuriere mussten die kodierte Information auswendig lernen,
so dass sie doppelt gesichert war, wenn der Kurier in
feindliche Hände fiel, aber an der Langsamkeit der
Informationsübermittlung änderte das nichts. [17] Trotz der
Gicht, die Torstensson seit der Zeit seiner Gefangenschaft
plagte, in die er bei der Hohen Veste im Sommer 1632
geraten war [18] und die ihn oft daran hinderte, ein Pferd zu
besteigen und von dort aus das Kommando zu führen, war er
ein Mann der schnellen Entschlüsse und zügigen
Bewegungen: Umgehend löste er sich von den kaiserlichen
Truppen unter Gallas, der zunächst gar nicht bemerkte, was
auf der Gegenseite vor sich ging, und marschierte mit
16000 Mann in nordwestliche Richtung.
Am 6. Dezember erreichte die Armee Havelberg, wo
Torstensson seinen Offizieren das Ziel des Marsches
mitteilte und den Soldaten gute Quartiere und Versorgung in
Dänemark in Aussicht stellte. Immerhin war dort seit mehr
als 15 Jahren nicht mehr gekämpft worden. Sechs Tage
später überschritt das Heer die holsteinische Grenze und
drang damit in das Gebiet Christians IV. ein. Am
17. Dezember kontrollierte es das Gebiet bis zur Linie
Itzehoe–Kiel. Nicht vor diesem Tag erfuhr der dänische
König vom Einmarsch der Schweden, die inzwischen bis
nach Jütland vorgestoßen waren. Christian ließ durch einen
Gesandten bei Torstensson anfragen, was das zu bedeuten
habe; eine Kriegserklärung aus Stockholm lag ihm nicht vor.
Torstensson antwortete, er sei auf der Suche nach
geeigneten Winterquartieren. Erst am 18. Januar 1644 traf
in Kopenhagen ein Gesandter aus Stockholm ein, der die
Kriegserklärung überbrachte. Zu dieser Zeit waren
Torstenssons Kavallerieverbände bereits bis nach Skagen an
der Nordspitze Jütlands vorgedrungen. Auf einen ernst zu
nehmenden Widerstand waren sie bis dahin nicht gestoßen,
allenfalls auf Bauernhaufen, die sich ihnen hier und da
widersetzten.
Jetzt aber begannen die Probleme. Der Feldzugsplan sah
vor, dass Torstensson bei Middelfart in der Nähe von
Kolding den Kleinen Belt überquerte; da die Entfernung
zwischen Jütland und Fünen an dieser Stelle nicht groß ist,
ging man davon aus, dass dies bei geeignetem Wetter mit
Booten möglich sein sollte. Inzwischen hatten die Dänen
aber ihre Verteidigung organisiert, Truppen an der Küste
Fünens positioniert und Kriegsschiffe in den Kleinen Belt
und den Middelfartsund geschickt. Alle Versuche
Torstenssons, nach Fünen überzusetzen, scheiterten. Ohne
Unterstützung durch die schwedische Flotte war nicht nach
Fünen zu kommen. [19] Unterdessen hatte die von Gustav
Horn geführte Armee die dänische Grenze in Richtung
Schonen überschritten und war bis nach Malmö und Ystad
vorgedrungen. Das half Torstensson zwar nicht weiter,
erhöhte aber den Druck auf Christian. Zu diesem Zeitpunkt
stand Dänemark militärisch am Rande des Abgrunds, und es
blieb allein die Flotte, um es zu retten.
Die in Pommern zusammengezogene schwedische Flotte
unter Clas Fleming hatte inzwischen nicht, wie zunächst
vorgesehen, Truppen auf Seeland angelandet, damit diese
auf Kopenhagen marschierten, sondern war an der
deutschen Küste verblieben. Ende Juni hatte sie von der
Kieler Förde aus Einheiten Torstenssons auf die Insel
Fehmarn gebracht, die erobert und besetzt wurde. Am 1. Juli
erschien die dänische Flotte und beschoss die schwedischen
Schiffe auf der Kolberger Heide am östlichen Ausgang der
Kieler Förde. Die Dänen waren an Feuerkraft überlegen, die
Schweden zeigten die größere Entschlossenheit und griffen
immer wieder an, konnten aber keines der großen dänischen
Schiffe versenken oder entern. Dann brach die Nacht herein,
und Fleming gab seinen Kapitänen den Befehl, sich in die
Kieler Förde zurückzuziehen, während sich die dänische
Flotte an deren Ausgang positionierte, um die Schweden am
Auslaufen zu hindern. Mochten diese während der
Seeschlacht noch so kühn und tapfer gewesen sein:
Strategisch war das ein Sieg der Dänen, denn solange die
schwedische Flotte in der Kieler Förde festlag, war sie
faktisch ausgeschaltet. Christian, der seine Flotte persönlich
geführt hatte, hatte sich Luft verschafft. [20]
Fleming und Torstensson beschlossen, dass die Flotte
vorerst nicht das Risiko einer erneuten Seeschlacht
eingehen, sondern in der Förde bleiben sollte. Man wartete
darauf, dass ein in den Niederlanden von Louis De Geer,
einem aus Holland stammenden schwedischen
Waffenfabrikanten, angeheuerter Flottenverband die Dänen
in die Zange nehmen und zugrunde richten würde. Was man
nicht wusste, war, dass die Dänen bereits im Lister Tief bei
Sylt auf diese Hilfsflotte gestoßen waren und sie übel
zugerichtet hatten. Die Schweden warteten also vergeblich.
Völlig überraschend tauchten stattdessen am 24. Juni in der
Nähe von Kiel deutsche Soldaten auf, die einige zur Pflege
an Land gebrachte schwedische Seeleute überfielen und
erschlugen: Gallas’ Armee war auf der Verfolgung der
Schweden im Norden eingetroffen. Obendrein wurde die
schwedische Flotte von einer Verschanzung an Land aus, die
dänische Soldaten aufgeworfen und mit Kanonen bestückt
hatten, unter Feuer genommen. Bei diesem Feuerüberfall
fand der Flottenkommandant Fleming den Tod; an seine
Stelle trat Carl Gustav Wrangel, ein aus dem Baltikum
stammender Offizier, der seine Meriten bislang nur zu Lande
erworben hatte. [21] Wrangel gelang es, seine Schiffe nachts
an den Dänen vorbeizumanövrieren und mit ihnen nach
Osten zu segeln; Torstensson sammelte seine Truppen, um
gegen Gallas notfalls eine Schlacht schlagen zu können.
Doch die schwedische Flotte blieb nicht, wie man in
Kopenhagen offenbar erwartet hatte, im baltischen Meer.
Die leistungsfähigsten Schiffe segelten nach Reparaturen
und mit aufgefrischtem Mannschaftsbestand nach Westen
zurück, wo sie sich mit einem neuen von De Geer
zusammengestellten Verband vereinigten. Dieser
Flottenverband hatte im August den Öresund passiert, ohne
von den Dänen bemerkt zu werden. Christian hatte
unterdessen die meisten seiner Schiffe abrüsten lassen.
Ganz ähnlich wie bei den Landtruppen vor Beginn des
Dreißigjährigen Krieges hielt man die Flotte nicht
permanent im Einsatz, sondern rüstete sie je nach
Erfordernis auf und ab. Das sparte Kosten und vermied
Verluste an Seeleuten durch Krankheiten und Seuchen, die
sich unter den beengten und unhygienischen Bedingungen
auf den Schiffen schnell ausbreiteten. Man kann dem
dänischen König auch nicht vorwerfen, er sei zu sorglos
gewesen, denn er hielt einen Verband mit 17 großen
Schiffen an der Nordwestspitze Fehmarns unter Segeln, der
dem Rest der schwedischen Flotte nach ihrer Vertreibung
aus der westlichen Ostsee durchaus gewachsen sein sollte.
Was Christian nicht vorausgesehen hatte, war die
Vereinigung dieser Flotte mit dem in Holland neu
zusammengestellten Verband.
Am Morgen des 23. Oktober 1644 griffen die Schweden
mit 41 Schiffen und 914 Kanonen die 17 dänischen Schiffe
an, die immerhin über 415 Kanonen verfügten. [22] Die
dänischen Schiffe waren also etwas größer und besaßen
jeweils mehr Kanonen. Es war für die Schweden somit nicht
ratsam, sich auf Artillerieduelle einzulassen. Das tat Wrangel
auch nicht, stattdessen befahl er seinen Kapitänen,
bedingungslos anzugreifen und den Gegner zu entern. So
sollte die schwedische Überlegenheit zur Geltung gebracht
werden. Schnell war das dänische Flaggschiff genommen,
der Flottenkommandant Pros Mund im Kampf getötet,
danach mussten die dänischen Schiffe eines nach dem
andern die Flagge streichen. Von der gesamten Flotte,
17 Schiffen, konnten nur zwei nach Kopenhagen
entkommen, wo sie die Nachricht von der Katastrophe
überbrachten. Dänemark stand damit dem Zugriff der
schwedischen Landungstruppen offen, und bevor Fünen und
Seeland zum Kriegsgebiet wurden, willigte Christian IV. in
Friedensgespräche ein, die in Brömsebro an der dänisch-
schwedischen Grenze stattfanden.

Die Seeschlacht bei Fehmarn am 23. Oktober 1644. Zwar führen die Schiffe (vor
allem die der rechten Bildhälfte) auch Feuergefechte gegeneinander, aber die
Entscheidung fällt, indem die feindlichen Schiffe geentert werden.
Dementsprechend nahe beieinander sind die an der Mastbeflaggung zu
erkennenden schwedischen und dänischen Schiffe in den Gefechten, die auf der
linken Bildhälfte ausgetragen werden. In der Bildmitte ein großes dänisches
Kriegsschiff, das in Brand geraten ist und für die sich abzeichnende Niederlage der
dänischen Flotte steht.

Neben den beiden Kriegsparteien nahmen auch Frankreich


und die Niederlande an den Friedensgesprächen teil. Das
war für Christian ein Glück, denn die Niederländer, in deren
Händen nach wie vor der Hauptanteil des Ostseehandels lag,
hatten lieber ein schwaches Dänemark als Türwächter am
Öresund als ein starkes Schweden, das auf dem Sprung war,
die lange angestrebte Ostseehegemonie zu erringen. [23] Die
Niederländer ließen sich darum nicht auf den schwedischen
Vorschlag ein, Dänemark zwischen den Niederlanden und
Schweden aufzuteilen. Und die Schweden wollten ihren
Erfolg nicht bis zum Letzten ausreizen, denn Frankreich, das
schließlich das schwedische Heer im Wesentlichen
finanzierte, drängte darauf, dass Schweden seine ganze
Aufmerksamkeit wieder dem Krieg gegen den Kaiser
zuwandte. Dennoch waren die Friedensbedingungen für
Dänemark hart: Schwedische Schiffe sollten künftig zollfrei
den Öresund passieren dürfen, und als Sicherheit musste
Dänemark die Provinz Halland für dreißig Jahre an
Schweden abtreten; außerdem wurden die zuvor dänischen
Inseln Gotland und Ösel schwedisch, sichtbare Zeichen
dafür, dass von nun an Schweden die dominierende Macht
im östlichen Teil der Ostsee war. Am 23. August 1645 wurde
der Friedensvertrag von Brömsebro unterschrieben.
Die Lage an Nieder- und Oberrhein und
der Untergang des kaiserlichen Heeres
bei Jankau
Unterdessen hatte Gallas seinem Ruf erneut alle Ehre
gemacht. Bis Kiel war er dem Heer Torstenssons
hinterhermarschiert, hatte sich dann aber damit begnügt,
den Kontakt wiederhergestellt zu haben; offenbar glaubte er,
durch einen Sperrgürtel von Schanzen und Garnisonen, den
er quer durch Holstein legte, Torstensson im Norden
festhalten zu können. [1] Dazu wäre vielleicht ein Heer von
der Größe der Wallenstein’schen Armeen in der Lage
gewesen, nicht aber die allenfalls noch ein Drittel so großen
Heere der 1640er Jahre. Vor allem aber vergrößerte Gallas
durch die Immobilisierung seiner Truppen das Problem ihrer
Versorgung, denn eine Sperrlinie, wie die von ihm gezogene,
ließ sich über längere Zeit nur aufrechterhalten, wenn sich
in deren Rückraum Magazine befanden, aus denen die
Soldaten verpflegt werden konnten. Das war jedoch nicht
der Fall. Torstensson manövrierte Gallas ohne große Mühe
aus und marschierte auf den deutschen Kriegsschauplatz
zurück; Gallas folgte ihm ein weiteres Mal, freilich mit einer
ausgezehrten Truppe, die kaum noch zu einer Schlacht in
der Lage war. Obwohl beide Armeen parallel marschierten,
kam es nur zu kleineren Scharmützeln.
Gallas war nichts anderes übrig geblieben, als Torstensson
zu folgen, denn nachdem dieser den Sperrgürtel
durchstoßen hatte, lagen die kaiserlichen Erblande
ungeschützt vor ihm. Der Kaiser verfügte über keine zweite
Armee, die er gegen die heranmarschierenden Schweden
hätte einsetzen können. Von Siebenbürgen aus hatte György
Rákóczi, der Nachfolger Bethlen Gábors, die Politik der
Streifzüge und Überfälle nach Ungarn und Mähren
wiederaufgenommen und war dabei auf erhebliche
Sympathien bei ungarischen Protestanten gestoßen, die mit
der Rekatholisierungspolitik des Kaisers unzufrieden waren.
Noch vor seinem Abmarsch nach Dänemark hatte
Torstensson mit Rákóczi Kontakt aufgenommen und ihm
erhebliche Subsidien zugesagt, wenn er gegen den Kaiser
Krieg führe und ihn in Bedrängnis bringe. [2] Dieses
Anerbieten diente dazu, die kaiserlichen Truppen in den
habsburgischen Erblanden zu binden und sie vom
süddeutschen Kriegsschauplatz fernzuhalten. Torstensson
hatte damit Erfolg: Es waren an die 20000 Mann, die unter
den Generälen Götz und Puchheim gegen die Truppen
Rákóczis ins Feld geschickt wurden, und ihnen schlossen
sich 8000 Ungarn unter dem Palatin Esterházy an.
Das zeigt zum einen, dass die kaiserlichen Reserven durch
die zuletzt erlittenen Niederlagen noch nicht erschöpft
waren, zum andern wird darin ein immer wieder zum
Vorschein kommendes Strukturmuster des Dreißigjährigen
Krieges sichtbar: Konfliktfelder am Rande des Reiches ließen
sich aktivieren, um den Kaiser an einer Konzentration seiner
Kräfte zu hindern. Andererseits hatte der Kaiser den Vorteil,
auf der inneren Linie operieren und seine Truppen schnell
von einem Kriegsschauplatz zum anderen dirigieren zu
können, um die Angreifer zu stellen und zum Rückzug zu
zwingen. Zogen diese sich dann wieder zurück, konnten
ihnen die kaiserlichen Truppen bis zu einem bestimmten
Radius folgen und dabei dem Gegner größeren Schaden
zufügen, als sie selbst erlitten. Dieses Verhältnis kehrte sich
jedoch um, sobald sie diesen Radius überschritten, weil sich
dann aufgrund der Weite des Raumes die
Bewegungsoptionen des Gegners so vervielfachten, dass er
nicht mehr auszumanövrieren war und man ihn auch nicht
mehr zu einer Entscheidungsschlacht stellen konnte.
Zugleich wuchsen die Versorgungsprobleme der eigenen
Seite, so dass das Heer, wenn es diese imaginäre Linie
überschritt, in einem ruinösen Zustand zurückkehrte. Diese
Erfahrung hatte Wallenstein bei seinem Ungarnfeldzug
gegen Mansfeld gemacht, [3] danach Gallas bei seinen
Vorstößen nach Frankreich, [4] und es war abzusehen, dass
sie sich auch 1644 wiederholen würde, wenn man Rákóczi
zurückdrängen und verfolgen würde. Nach den ersten
Erfolgen der siebenbürgischen Scharen war der Kaiser
darum zu Friedensgesprächen bereit und machte Rákóczi
ein großzügiges Angebot, das dieser auch annahm.
Darin wiederum zeigten sich die Probleme, die das
Operieren auf der äußeren Linie mit sich brachte. Auch sie
bildeten ein durchgängiges Strukturmuster dieses Krieges.
Angriffe auf der äußeren Linie ließen sich in der Regel nicht
gut koordinieren, so dass sie einen erheblichen Teil ihrer
Wirkung einbüßten, sie führten daher nicht zu einer starken
Zersplitterung der kaiserlichen Kräfte. Aber darum ging es
1644 nicht (was sich 1645 und 1646 wieder ändern sollte);
es kam vielmehr darauf an, den Kaiser daran zu hindern, den
bayerischen Truppen in Württemberg und am Rhein zu Hilfe
zu kommen und die dort operierenden Franzosen und das
mit diesem verbündete Hessen in Bedrängnis zu bringen.
Diese Aufgabe war mit Rákóczis Einfall nach Ungarn
jedenfalls erreicht worden, und wenn Rákóczi mit dem
Kaiser Frieden schloss, so hatte das nicht viel zu bedeuten,
denn wie für Bethlen Gabór waren auch für ihn solche
Friedensschlüsse nicht mehr als zeitlich befristete
Waffenstillstände.

Währenddessen ging der Krieg im Westen weiter: am


Oberrhein, wo seit dem Tod Herzog Bernhards zunehmend
französische Generäle das Sagen hatten, aber auch am
Niederrhein, wo sich die Truppen der Landgräfin von
Hessen-Kassel festgesetzt hatten und im Wettstreit mit den
dort stehenden Kaiserlichen dem Land Kontributionen
auferlegten. Ganz ähnlich wie im Fall der Schweden wurden
diese Truppen – es handelte sich um 10000 Mann – von
Frankreich finanziert: Gegen eine jährliche Zahlung von
100000 Reichstalern hatte sich Landgraf Wilhelm V. von
Hessen-Kassel verpflichtet, 7000 Fußsoldaten und
3000 Berittene zu unterhalten, ihren Einsatz mit den
Schweden und den Franzosen zu koordinieren und ohne die
Zustimmung Frankreichs keinen Frieden zu schließen.
Frankreich hatte sich damit eine weitreichende Stellung auf
dem deutschen Kriegsschauplatz erkauft. [5] Gleichzeitig
hatte das französische Bündnis, wie oben gezeigt, ganz im
Interesse des Kasseler Landgrafen gelegen, und so setzte
Amalie Elisabeth, die nach dem frühen Tod Wilhelms im
Jahre 1637 anstelle ihres noch unmündigen Sohnes die
Regentschaft übernahm, im Vertrag von Dorsten (1639) die
Politik ihres Mannes fort.
Herzog Wolfgang Wilhelm von Jülich-Berg hatte, nachdem
er noch vor Kriegsausbruch den Erbfolgestreit am
Niederrhein im Zusammenspiel mit dem Brandenburger
Kurfürsten für sich hatte entscheiden können, [6] alles
darangesetzt, sein Land aus dem Krieg herauszuhalten. Das
war ihm auch gelungen, und zwar trotz der spanischen und
niederländischen Truppen, die einige Festungen am Rhein
besetzt hielten. Schließlich hatte er es 1630 sogar geschafft,
vom Kaiser die Einwilligung zu erhalten, dass sein Land
neutral bleiben sollte; dieser Status wurde 1635 bestätigt. In
Wien hatte man keinerlei Interesse daran, am Niederrhein
einen weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen, weswegen es
aus der Sicht des Hofrats das Beste war, dem Herzogtum
eine Neutralität zuzubilligen, die man andernorts strikt
ablehnte und als Bruch des Prager Friedens behandelte. Die
Verhältnisse im Reich waren von Raum zu Raum so sehr
verschieden, dass man nicht mit einer Politik nach
einheitlichen Prinzipien rechnen konnte. Jeder Landesherr
musste zusehen, für sich und sein Land das Beste
herauszuholen, und das war Wolfgang Wilhelm durch seine
Neutralitätspolitik gelungen. So blieb sein Land über lange
Zeit von den Durchzügen großer Truppenmassen und
größeren Kämpfen verschont.
Das hatte aber eine paradoxe Konsequenz: Weil die Region
am Niederrhein eine wirtschaftliche Prosperität entfaltete,
die sich deutlich vom Leid und Elend ihrer Umgebung
abhob, wurde sie zunehmend für die Einquartierung von
Truppen der kriegführenden Parteien attraktiv, und da
Wolfgang Wilhelm über kein größeres Heer verfügte, war er
deren Druckmitteln weitgehend hilflos ausgeliefert. Im
Prinzip wäre er zur Aufstellung eines solchen Heeres in der
Lage gewesen, nur hätte er dann nicht vermeiden können,
sich gegenüber den Kriegsparteien als Freund oder Feind zu
erklären und damit die Politik der Neutralität zu beenden.
Also musste er sich auf Protestnoten beschränken, die
keinen Erfolg hatten.
Wolfgang Wilhelm nahm also notgedrungen hin, dass im
nördlichen Teil seines Landes hessische Truppen standen
und Kontributionen erhoben, während im südlichen Teil
kaiserliche Truppen unter General Wilhelm Graf von Lamboy
dasselbe taten. Er hoffte, so der Historiker Günther
Engelbert, «durch eine finanzielle Leistung an beide
Kriegsparteien für sein geplagtes Land die Neutralität zu
‹erkaufen›». [7] Das erwies sich jedoch als Fehlkalkulation:
Weil beide Seiten meinten, die jeweils andere Seite werde
bevorzugt, schraubten sie ihre Forderungen immer höher,
und dabei gerieten sie aus dem Zustand einer bewaffneten
Beobachtung zunehmend in einen der diffusen Konfrontation
hinein, bei dem zur Eintreibung von Nahrungsmitteln
ausgesandte Streifscharen immer häufiger
aneinandergerieten. Wäre es dabei geblieben, wäre das
Herzogtum Jülich-Berg einigermaßen glimpflich
davongekommen.
Der in Bonn residierende Kurfürst Ferdinand, der
Erzbischof von Köln, befürchtete jedoch, dass die hessischen
Truppen am Niederrhein als Sprungbrett für das Eintreffen
französischer Einheiten dienen könnten. Er sorgte sich um
die Sicherheit seines mit dem Kaiser verbündeten Landes
und drängte auf die Unterstützung einer kaiserlichen Armee.
Als diese dann tatsächlich unter Feldmarschall Melchior
Graf Hatzfeld anrückte, hatte das den Effekt einer
Selffulfilling Prophecy, denn nun rückten auch französische
und weimaranische Regimenter unter General Jean Baptiste
de Guébriant heran: Die Länder am Niederrhein wurden
damit zum Kriegsschauplatz und sollten es für einige Jahre
bleiben. Höhepunkt des «Hessenkriegs am Niederrhein» war
die Schlacht bei Kempen, als es Mitte Januar 1642 den
vereinten hessischen und französischen Truppen gelang, das
allzu sorglos agierende kaiserliche Armeekorps des Generals
Lamboy vernichtend zu schlagen. [8] Mit den
4000 Gefangenen, die sie in die eigene Armee eingliederten,
konnten die Hessen ihre Truppen deutlich verstärken und
wurden so zur dominierenden Macht am Niederrhein. Die
starke Position, die Hessen-Kassel in der Schlussphase des
Krieges einnahm, war nicht zuletzt ein Ergebnis der Erfolge
in dieser Region.
Für die Landgräfin Amalie Elisabeth bot sich damit die
Gelegenheit, den Streit, den ihr Schwiegervater Landgraf
Moritz mit seinem Darmstädter Vetter Ludwig um das
Marburger Erbe ausgetragen hatte, wiederaufzunehmen.
Der Kaiser hatte auf dem Regensburger Deputationstag von
1623 eine Entscheidung zugunsten des Darmstädter
Landgrafen getroffen, [9] und diese wie auch die im Verlauf
des Krieges entstandenen Konstellationen wollte Amalie
Elisabeth nun revidieren. Politisch klug und vorausschauend,
wie sie war, hatte sie sich der schwedischen Rückendeckung
versichert. 1645 ließ sie ihre Truppen zur Belagerung
Marburgs aufmarschieren, aber das sollte nur der Auftakt
für eine großangelegte Auseinandersetzung sein, in der sie
sich des gesamten hessen-darmstädtischen Gebiets
bemächtigen wollte. [10]

Seit Anfang 1645 war Schweden wieder die beherrschende


Macht auf dem deutschen Kriegsschauplatz, was vor allem
daran lag, dass der Kaiser binnen kürzester Zeit zwei
Armeen verloren hatte. Die erste war die von Gallas auf dem
Rückzug von Holstein nach Böhmen geführte, die zweite die
von Hatzfeld in der Schlacht von Jankau am 6. März 1645
kommandierte Armee. Gallas hatte, wie bereits erwähnt,
seine Truppen im Sommer 1644 in eine Position gebracht, in
der sie nur schlecht ernährt werden konnten. Als er
aufbrach, um Torstensson nachzueilen, der ohne große
Anstrengungen seinen Sperrgürtel durchstoßen hatte, war
die Armee bereits in einem ausgesprochen schlechten
Zustand. [11] Sie war auf 13000 Mann
zusammengeschmolzen, obwohl sie nicht gekämpft hatte.
Allerdings ging es Torstenssons Armee nicht besser. Da sie
noch in diverse Kämpfe verwickelt war, von dem
gescheiterten Versuch, die Ostsee bei Middelfart zu
überqueren, bis zu dem ständigen Kleinkrieg gegen dänische
Bauern, war sie sogar noch stärker mitgenommen als die
Truppen von Gallas. [12] Dieser konnte mit Grund davon
ausgehen, die verbliebenen schwedischen Truppen auf dem
Marsch nach Deutschland zu stellen und aufzureiben.
Statt den Schweden wie ein Schatten zu folgen, wollte
Gallas sie an der Elbe aufhalten. Torstensson umging jedoch
ein weiteres Mal Gallas’ Stellung. Daraufhin tauschten beide
die Rollen, so dass Gallas der Gejagte und Torstensson der
Jäger war. Zunächst bezog Gallas in Bernburg, später dann
in Magdeburg eine feste Position, wo er von Torstensson
eingeschlossen wurde. [13] Gallas’ Rückzug war zur Flucht
mit Unterbrechungen geworden. Seine Kavallerieeinheiten
unternahmen bei Magdeburg einen Ausbruchsversuch,
wurden aber gestellt und gefangen genommen. Ein Rest von
2000 bis 3000 Mann schaffte es schließlich im Februar 1645
nach Böhmen. Der Erfolg, den Torstensson im Spätsommer
und Herbst beim Wettlauf entlang der Elbe erzielte, war
größer als jener, der in den meisten Schlachten des Krieges
erzielt werden konnte: Das kaiserliche Heer war völlig
vernichtet, und die wenigen Überlebenden des Feldzugs
waren gesundheitlich ruiniert und demoralisiert. Gallas
erhielt seinen Abschied und wurde durch Melchior Hatzfeld
als Oberbefehlshaber des Heeres ersetzt.
Torstensson war klug genug, nicht zu versuchen, diese
Situation zu einem Vorstoß durch Böhmen und Mähren bis
nach Wien auszunutzen, was ihm in der Forschungsliteratur
verschiedentlich als Fehler vorgehalten worden ist. [14] Auch
die schwedischen Truppen waren von den Gewaltmärschen
der letzten Monate erschöpft, und so verschaffte ihnen
Torstensson bei Leipzig eine längere Ruhepause. Er nutzte
diese Zeit, um den sächsischen Kurfürsten Johann Georg,
der nach wie vor in einem Bündnis mit dem Kaiser stand,
unter Druck zu setzen. Um seine Aufforderung zu bestärken,
dem Beispiel des Brandenburgers zu folgen, aus dem System
des Prager Friedens auszuscheren und sich für neutral zu
erklären, ließ er sächsische Dörfer und Städte plündern und
niederbrennen. Daraufhin erklärte sich Johann Georg zu
Verhandlungen bereit. Offenbar war er zu dem Ergebnis
gekommen, dass vom Kaiser keine substanzielle Hilfe mehr
zu erwarten war. Die militärischen Ereignisse der nächsten
Monate bestätigten diese Einschätzung, und so schloss
Johann Georg im Sommer 1645 mit den Schweden einen
Separatfrieden, in dem er sich verpflichtete, «sein Land für
alle Truppendurchzüge der Schweden offenzuhalten, ihnen
Getreide zu liefern und außerdem monatlich 11000 Thaler zu
zahlen». [15] Die Position des Kaisers in Nordostdeutschland
verschlechterte sich im Verlauf der 1640er Jahre nicht nur
durch Niederlagen, sondern auch durch den Abfall von
Verbündeten immer weiter. Es wurde einsam um
Ferdinand III. Doch es sollte noch schlimmer kommen.
Hatzfeld hatte die gegen Rákóczi entsandten Truppen
unter Götz und Puchheim inzwischen nach Böhmen
zurückbeordert und versucht, die Reste von Gallas’ Armee
wiederaufzurichten. Zusätzlich trafen Verstärkungen der
Bayern ein, die eigentlich damit beschäftigt waren, die
immer wieder bis weit nach Süddeutschland vorstoßenden
französischen Heere unter dem Marschall Turenne
abzuwehren. Die Bayern hatten bei Tuttlingen im November
1643 und Freiburg im August 1644 die Franzosen besiegt,
wobei sich der aus lothringischen in bayerische Dienste
übergewechselte Franz von Mercy als überaus tüchtiger
Feldherr erwiesen hatte; [16] darum konnten sie einen Teil
ihrer Kavallerie unter Jan von Werth nach Böhmen schicken,
um den kaiserlichen Truppen zu Hilfe zu kommen. Damit
stand dem Kaiser in Böhmen wieder eine schlagkräftige
Armee zur Verfügung, mit der sich, so hoffte man, ein
Angriff Torstenssons auf die habsburgischen Erblande
abwehren ließ. Beide Seiten waren etwa gleich stark:
Hatzfeld verfügte über 10000 Kavalleristen, 5000 Mann
Infanterie und 26 Kanonen; Torstensson über 9000 Mann
Kavallerie, 6000 Mann Infanterie und 60 Geschütze. [17]
Ende Januar 1645 brach Torstensson in Sachsen auf. Er
wollte entsprechend den unter Gustav Adolf entwickelten
Grundsätzen der schwedischen Operationsführung die
festgefrorenen Winterwege für den Vorstoß seiner Armee
nutzen. Der Februar verging mit Manövern, bei denen sich
beide Seiten Vorteile zu verschaffen und gleichzeitig den
Gegner aus starken Positionen herauszulocken versuchten.
Torstensson war dabei im Vorteil, denn er gab die Richtung
des Angriffs vor, Hatzfeld dagegen musste darauf reagieren,
um einen Durchbruch der Schweden nach Ober- oder
Niederösterreich zu verhindern. Am 6. März 1645 trafen
beide Armeen bei Jankau etwa 50 Kilometer südöstlich von
Prag aufeinander.

Im Unterschied zu den meisten Schlachten des


Dreißigjährigen Krieges fand die Schlacht bei Jankau nicht
auf einer breiten Ebene und auch nicht in der Nähe eines
größeren Flusses statt, sondern in hügeligem, von Tälern mit
Bächen und Flüssen durchzogenem und mit Wäldern
bedecktem Gelände. [18] Auf der Straße von Prag kommend,
stießen die Schweden am Abend des 5. März auf das
kaiserliche Heer, das auf einer langgestreckten bewaldeten
Hügelkette Stellung bezogen hatte und die von Torstensson
gewählte Vormarschstraße blockierte. Vor den kaiserlichen
Stellungen zog sich das Flüsschen Jankova hin, das immer
wieder Teiche und Moraste bildete, so dass ein
Frontalangriff auf die kaiserlichen Positionen unmöglich
war. Torstensson entschloss sich darum, die feindlichen
Stellungen in einer Talsenke auf deren linker Flanke zu
umgehen, um sie dann von der Seite her anzugreifen. Ein
derartiger Flankenmarsch in Schlagweite eines
gefechtsbereit aufgestellten Gegners war ein überaus
riskantes Manöver, denn wenn dieser zum Angriff überging,
konnte er die Marschkolonnen leicht durchtrennen, die
Einheiten voneinander separieren und das Heer zerschlagen.
Torstensson setzte darauf, dass die Dunkelheit und das stark
durchschnittene Gelände seinem Manöver zugutekommen
würde.
Als Hatzfeld erkannte, was Torstensson unternahm, hatten
schwedische Truppen bereits die beherrschende Höhe des
Kapellenhügels eingenommen und die dort postierten
kaiserlichen Dragoner vertrieben. Umgehend ließ Hatzfeld
seine Kavallerie den Hügel angreifen, um dem Feind diese
Position wieder zu entreißen, doch der erfahrene Artillerist
Torstensson hatte schon seine Feldstücke auffahren lassen,
die aus erhöhter Position das Feuer eröffneten, den Angriff
zum Stocken brachten und danach die sich im besten
Schussfeld drängelnde Reiterei zusammenschossen. Hatzfeld
ließ Infanterie und Artillerie heranführen, aber noch bevor
die ihre Angriffsstellung erreicht hatten, wurden sie von
schwedischem Fußvolk attackiert, das sie zurücktrieb. Die
kaiserliche Schlachtordnung wurde nun von ihrer linken
Seite her aufgerollt, und immer wenn die Infanterie
Hatzfelds einschwenkte und eine Frontalstellung gegen die
schwedischen Angreifer bezog, wurde sie von den
mitgeführten Kanonen heftig unter Feuer genommen. Den
ersten Teil der Schlacht von Jankau gewann Torstensson mit
Hilfe seiner Kanonen beziehungsweise durch das
erfolgreiche Zusammenspiel von Artillerie und Infanterie.
Ein derart perfektes Zusammenwirken beider
Waffengattungen in der Vorwärtsbewegung wäre nicht an
jedem Tag möglich gewesen, aber an diesem 6. März war
der Boden noch hart gefroren, und so konnte man die
Kanonen immer wieder vorziehen, um sie mit der Infanterie
auf einer Linie einzusetzen.

Der Stich stellt die zweite und letzte Phase der Schlacht von Jankau dar, als sich
die kaiserlich-bayerische Armee nach schweren Verlusten aufzulösen beginnt –
erkennbar an den auf beiden Flanken flüchtenden Reitern, die in zwei
ameisenähnlichen Bewegungsbahnen in das Hügelland des Bildhintergrunds
streben. Auch das Waldstück, in das sich die Überreste des Fußvolks zurückziehen
werden, ist in der oberen Bildmitte zu sehen. Davor, ziemlich genau im
geometrischen Mittelpunkt, die Szene, in welcher der in Gefangenschaft geratene
Graf Hatzfeld dem schwedischen Sieger Torstensson vorgeführt wird, beide vom
Kupferstecher namentlich bezeichnet.

Am frühen Nachmittag verschwanden die zurückweichenden


Kaiserlichen hinter einem Hügel, und Torstensson war
gewillt, sie ziehen zu lassen. Seine Soldaten waren nach dem
nächtlichen Flankenmarsch erschöpft und brauchten Ruhe.
Doch als ein schwedischer Musketierverband oberhalb der
Senke auftauchte, in der sich die angeschlagene kaiserliche
Armee zum Rückzug sammelte, gab Hatzfeld einem seiner
Kavallerieobristen den Befehl, die Schweden von dort zu
vertreiben. Das sollte nur ein begrenzter Gegenangriff
werden, mit dem sich der kaiserliche Oberbefehlshaber Luft
verschaffen wollte, um den Abmarsch seiner Truppen auf der
Straße nach Prag ordnen zu können. Dann aber schlossen
sich mit einem Mal immer mehr Einheiten diesem
Gegenangriff an, der zunächst auch gut vorankam, so dass
nach einiger Zeit die gesamte kaiserliche Armee den Kampf
wiederaufgenommen hatte. Damit begann die zweite Etappe
der Schlacht von Jankau, und sie erst wurde zur Katastrophe
für das kaiserliche Heer. Die zunächst erfolgreich
vordringende kaiserliche Kavallerie stieß auf mit
Feldstücken verstärkte Musketierpelotons, wurde gestoppt
und dann in einem wuchtigen Gegenangriff von der
schwedischen Kavallerie vom Schlachtfeld getrieben, und
das auf beiden Flügeln. [19] Danach befand sich auf
kaiserlicher Seite nur noch das Fußvolk auf dem
Schlachtfeld; die Artillerie der Kaiserlichen war verloren und
die Kavallerie geflohen. Die Infanterie wurde von den
Schweden halbkreisförmig umfasst und
zusammengeschossen; die Reste wandten sich zur Flucht,
verfolgt von Torstenssons Kavallerie, die nun den Sieg
vollenden wollte. Und das gelang ihr.
Hatzfeld wurde ebenso wie viele Generäle und Obersten
gefangen genommen, Götz war bereits früh in der Schlacht
gefallen. Die Kaiserlichen hatten 5000 Reiter verloren, dazu
das gesamte Fußvolk, sämtliche Kanonen, 4500 Mann waren
von den Schweden gefangen genommen worden. Die selbst
hatten etwa 2000 Tote zu beklagen. Die Gefangenen, so
Torstensson in seinem Bericht nach Stockholm, würden
seine eigenen Verluste mehr als ausgleichen, womit er
meinte, dass sie in den eigenen Regimentern
«untergesteckt» wurden. Nach Breitenfeld II und dem Ruin
des Gallas’schen Heeres war dies nun die dritte Armee, die
der Kaiser innerhalb kürzester Zeit verlor, und diesmal
ließen sich die Verluste nicht mehr durch Einheiten
wettmachen, die auf anderen Kriegsschauplätzen eingesetzt
waren. Nunmehr stand Österreich offen.

Torstensson unternahm im Verbund mit dem aus


Siebenbürgen heraneilenden Rákóczi einen großen
Plünderungsfeldzug. [20] Dabei musste er die Erfahrung
machen, dass er zwar das Land nach Belieben verheeren
konnte, zu langwierigen Belagerungen der gut befestigten
Städte aufgrund von Versorgungsproblemen aber nicht in
der Lage war. An eine Belagerung und Eroberung Wiens war
schon gar nicht zu denken. Die Phase des militärischen
Gleichgewichts zwischen dem Kaiser und seinen wichtigsten
Verbündeten Bayern und Sachsen auf der einen sowie
Schweden und Frankreich mitsamt der Landgrafschaft
Hessen-Kassel auf der anderen Seite war nach der Schlacht
von Jankau ein für alle Mal zu Ende, und der Kaiser ging
deutlich geschwächt in die Friedensverhandlungen. Aber es
wurde in den verbleibenden drei Kriegsjahren auch deutlich,
dass die kaiserliche Macht nur zu erschöpfen und nicht
niederzuwerfen war. Dennoch war nach Jankau selbst den
bis dahin zuversichtlichsten Wiener Räten klar, dass sich
dieser Krieg nicht mehr gewinnen ließ und dass man auch
die Regelungen, zu denen man den Prager Frieden
geschlossen hatte, in Münster und Osnabrück nicht würde
aufrechterhalten können.
Dabei war das annus horribilis 1645 der katholischen Seite
noch nicht vorüber; eigentlich hatte es am 6. März bei
Jankau erst begonnen. In diesem Jahr geriet schließlich auch
das bislang unerschütterliche Bollwerk des bayerischen
Heeres im Südwesten ins Wanken. Durch die Verbindung
des umsichtigen Mercy mit dem draufgängerischen Werth
hatten die Bayern die Franzosen trotz deren wachsender
zahlenmäßiger Überlegenheit in Schach halten können. In
der Nähe von Mergentheim, bei Herbsthausen, [21] gelang
ihnen am 5. Mai 1645 noch einmal ein größerer Sieg über
Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne, dessen
große militärische Karriere damals noch am Anfang stand.
[22] Turenne hatte sich von Mercy überraschen lassen und
verlor in dieser Schlacht mehr als die Hälfte seiner
Soldaten. [23] Das verschaffte den Bayern, die nach ihrem
Sieg bis zum Main vorrückten, jedoch nur eine kurze
Atempause, denn es befand sich schon eine weitere
französische Armee unter Condé im Anmarsch; ein
schwedisches und ein hessisches Armeekorps kamen hinzu,
so dass sich Mercy, der zwischenzeitlich sogar den Main
überschritten und vergeblich versucht hatte, die Festung
Kirchhain zu erobern, durch die Wetterau wieder auf den
Main und von dort in Richtung Donau zurückziehen musste.
Bei dem Dorf Alerheim, nahe dem Schlachtfeld von
Nördlingen aus dem Jahr 1634 (daher die Bezeichnung
«Nördlingen II»), kam es zu einer großen Schlacht.

Die Schlacht von Alerheim bestand aus drei Elementen, die


wenig miteinander zu tun hatten und sich erst bei Einbruch
der Dunkelheit zu einem Gesamtergebnis summierten. Es
wurde als ein französischer Sieg gewertet, weil die Bayern
abzogen und das Schlachtfeld den Franzosen überließen. [24]
Urteilt man jedoch auf Grundlage der Verluste, so war die
Schlacht von Alerheim eher ein Patt zwischen beiden Seiten.
Dass sie zu einer Wende des Krieges in Süddeutschland
wurde, lag am Tod eines einzigen Mannes, des bayerischen
Feldmarschalls Franz von Mercy.
Die Kräfteverhältnisse waren am 3. August nahezu
ausgeglichen, nachdem sich der schwedische General
Königsmarck mit seinem «fliegenden Korps» [25] wieder von
den Franzosen getrennt hatte. Mercy verfügte über 16000,
Condé und Turenne über 17000 Soldaten. Die Bayern hatten
eine feste Stellung mit dem Dorf Alerheim als Zentrum
bezogen, die hier stehenden Infanterieregimenter wurden
von Mercy selbst geführt. Er hatte zusätzlich
Feldbefestigungen errichten lassen, hinter denen seine
Kanonen aufgestellt waren. Den rechten Flügel, der an den
Wenneberg angelehnt war, führte Feldmarschall Gottfried
von Geleen, den linken Flügel kommandierte Jan von Werth;
dieser Flügel wurde durch Schloss Alerheim als Eckposition
gesichert. Das war eine starke Stellung, und die meisten
Heerführer hätten sie nicht angegriffen, sondern Mercy
auszumanövrieren versucht. Aber Condé war ein
Draufgänger und brannte auf die Schlacht, nachdem sich
Mercy zwischen Main und Donau durch geschickte
Bewegungen immer wieder einer unmittelbaren
Konfrontation entzogen hatte.
Die Franzosen entwickelten ihre Schlachtordnung erst
gegen Mittag. Das Zentrum mit den Infanterieverbänden
kommandierte Graf Marsin; sein Auftrag lautete, gegen das
Dorf Alerheim vorzurücken und die bayerischen Verteidiger
daraus zu vertreiben. Den rechten Flügel bildete der
Marschall de Gramont mit der französischen Reiterei des
Condé’schen Heeres. Er stand dem gefürchteten Werth
gegenüber, doch da das Gelände von Gräben und Abhängen
durchzogen war, rechnete man hier nicht mit einer größeren
Attacke und hatte die besseren Einheiten der Kavallerie auf
den von Turenne befehligten linken Flügel gestellt: die
weimaranischen Reiterregimenter und das Armeekorps der
hessischen Landgräfin unter Generalmajor Johann von
Geyso.
Die Schlacht begann am späten Nachmittag mit dem
Angriff des französischen Infanteriezentrums auf Alerheim;
es kam zu einem blutigen Häuserkampf, bei dem die
Franzosen keine größeren Fortschritte machten; am frühen
Abend wurden sie durch einen entschlossenen Gegenstoß
der Bayern aus dem Dorf herausgetrieben und fluteten in
völliger Auflösung zurück. Etwa zu dieser Zeit hatte sich
Mercy, der die Schlacht von einer erhöhten Position hinter
dem Dorf leitete, weiter nach vorn begeben, um den Angriff
seiner Infanterie zu lenken; durch die Aufspaltung der
französischen Ordnung in deren Zentrum wollte er die
Schlacht zu seinen Gunsten entscheiden. Da traf ihn eine
Musketenkugel in den Kopf. Mit Mercys Tod verlor das
bayerische Heer die einheitliche Führung, da es niemand
gab, der an Mercys Stelle trat, und das war für den Ausgang
der Schlacht entscheidend.
Nach einer Niederlage der Bayern sah es zunächst jedoch
noch nicht aus, denn parallel zum Gegenangriff der
bayerischen Infanterie gab auch Werth auf dem rechten
Flügel den Angriffsbefehl, und trotz des schwierigen
Geländes schlug seine Kavallerie den französischen Flügel in
die Flucht. Marschall Gramont wurde gefangen, 60 Fahnen
und Standarten sowie mehrere Kanonen erbeutet und die
französischen Gepäckwagen geplündert. In diesem
Augenblick schien die Schlacht für die Franzosen verloren,
und das wäre sie auch tatsächlich gewesen, wenn das
Gefecht nicht auf dem anderen Flügel den genau
entgegengesetzten Verlauf genommen hätte. Turennes
Kavallerie, allesamt kampferprobte Regimenter aus dem
Heer Herzog Bernhards, griff den Wenneberg an, warf die
hier postierte kaiserliche Kavallerie zurück, und als dann
noch das zweite Treffen, die zuvor in Reserve gehaltenen
Hessen, in den Kampf eingriff, brach der rechte Flügel des
bayerischen Heeres zusammen. Feldmarschall Geleen wurde
gefangen genommen, dazu die meisten seiner höheren
Offiziere, auch ein Großteil der Geschütze ging verloren.
Jetzt machte sich der Ausfall der einheitlichen Führung
bemerkbar, denn Werth erfuhr nicht, was auf dem anderen
Flügel passiert war, und kehrte in seine Ausgangsstellung
zurück, statt dem anderen Flügel zu Hilfe zu kommen. Wäre
er quer über das Schlachtfeld geritten, so hätte er die
Schlacht von Alerheim wahrscheinlich noch in einen
bayerischen Sieg verwandeln können. Napoleon, der sich auf
St. Helena eingehend mit den Feldzügen Turennes
beschäftigte, hat Werth vorgehalten, nicht die Kühnheit
aufgebracht zu haben, um in einer Diagonalattacke der
Kavallerie Turennes in den Rücken zu fallen: «Der Haken,
den er schlug, verzögerte seine Bewegung zwar nur um eine
halbe Stunde; aber es ist das Schicksal der Schlachten, daß
sie oft vom kleinsten Ereignis abhängen.» [26]
Mit den meisten Kanonen, unter ihnen drei von den
Franzosen eroberte, den erbeuteten Feldzeichen, den
Gefangenen und dem Leichnam Mercys zogen die Bayern «in
guter Ordnung» vom Schlachtfeld ab. Die Franzosen waren
nicht in der Lage, sie zu verfolgen, denn ihre Verluste waren
mindestens ebenso hoch wie die der Bayern. Außerdem war
Condé verwundet worden, und der vorsichtigere Turenne
war darauf bedacht, die Truppen zu sammeln und neu zu
organisieren. Strategisch veränderte Alerheim die
militärische Lage in Süddeutschland zunächst nicht, und
Turenne sah sich im Herbst sogar zum Rückzug auf den
Rhein gezwungen. Aber der Verlust Mercys erwies sich als
unersetzbar, und so wurde Bayern ab 1646 zunehmend zu
einem Kriegsgebiet, in das französische und zuletzt auch
schwedische Heere eindrangen, um es zu verwüsten. Von
diesem Jahr an nehmen die von Maurus Friesenegger in
seinem Tagebuch verzeichneten Klagen über das Unglück
des Krieges wieder zu, und sie enden nicht mehr, bis der
Krieg zu Ende ist. [27] Kurfürst Maximilian dachte inzwischen
darüber nach, ob er sich an Sachsen orientieren und vom
Kaiser trennen sollte.
Der Beginn der Friedensverhandlungen in
Münster und Osnabrück
Derweil waren die Verhandlungen in Münster und
Osnabrück allmählich in Gang gekommen. Der im
Hamburger Präliminarfrieden festgelegte
Verhandlungsbeginn am 25. März 1642 hatte sich nicht
halten lassen; zunächst, weil beide Seiten auf günstigere
Verhandlungsbedingungen durch eine Veränderung der
Kriegslage setzten und deswegen die Ratifikation des
Hamburger Vertrags hinauszögerten, dann aber auch, weil
immer noch unklar war, wer eigentlich an den
Friedensgesprächen teilnehmen sollte und wer nicht.
Anfangs war dem Wiener Hof daran gelegen, möglichst
wenig Reichsstände zum Friedenskongress zuzulassen. [1]
Aber die Verschlechterung der Kriegssituation nach der
Niederlage von Jankau und die Abkehr von immer mehr
Reichsständen vom Prager Frieden, darunter die Kurfürsten
von Brandenburg und Sachsen, brachten den Kaiser dazu
einzulenken. [2] Im August 1645 lud er offiziell alle
Reichsstände ein und gab damit in einer weiteren zentralen
Frage nach.
Schon davor waren eine Reihe von Reichsständen nach
Westfalen gekommen, vor allem nach Osnabrück, wo die
Schweden residierten und wo sie sich als deren Verbündete
auch ohne vom Kaiser ausgestellte Pässe sicher fühlen
konnten. Nach der kaiserlichen Einladung trafen auch in
Münster die Gesandten der Reichsstände ein. Bei den
Verhandlungen spielten sie freilich keine bestimmende
Rolle; eine solche fiel nur den fünf Großmächten zu, dem
Kaiser, den Franzosen, den Schweden, den Spaniern und
den Generalstaaten. Das änderte sich erst 1647, als sich
einige Reichsstände zur «Dritten Partei»
zusammenschlossen und im Verbund Druck auf die
Großmächte ausübten, um die ins Stocken geratenen
Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Es waren 109
diplomatische Gesandtschaften, die sich in Münster und
Osnabrück an den Verhandlungen beteiligten; sie vertraten
16 europäische Staaten, 140 Reichsstände und 38 weitere
Herrschaftsträger, die am Ausgang der Verhandlungen
interessiert waren oder darauf Einfluss nehmen wollten. [3]
Es fällt auf, dass England und Schottland fehlten, obwohl
beide, wenn auch in unterschiedlicher Weise, an dem Krieg
beteiligt gewesen waren. Aber England versank seit 1640 in
einem Bürgerkrieg und war mit sich selbst beschäftigt. [4]
Dass sie an den westfälischen Verhandlungen nicht
teilnahmen, spielte für die Briten indes keine große Rolle,
denn die ausgehandelte neue Ordnung betraf das Verhältnis
der Landmächte zueinander und ließ die Ordnung der
Seemächte unberührt. Diese wurde nach 1648 zwischen
Engländern und Niederländern in mehreren Kriegen
ausgefochten.

Gerard ter Borchs Bild «Einzug des Gesandten Adriaan Pauw» (um 1646)ist
zunächst ein Familienporträt, denn es zeigt den Diplomaten mit seiner Frau Anna
van Ruytenburgh und der sechsjährigen Enkeltochter; alle drei wenden sich in
«Fotografierpose» dem Betrachter zu. Zugleich zeugt das Bild vom
Selbstbewusstsein der niederländischen Republik, die ihren Gesandten
sechsspännig und in bewaffneter Begleitung zum Friedenskongress entsandt hat.
Im Hintergrund ist Münster zu sehen.
Ein klares Datum für den Verhandlungsbeginn gibt es nicht.
Ab 1644 wurde jedoch ernstlich verhandelt, da nun auch die
Gesandtschaften der Großmächte eingetroffen waren.
Zunächst ging es um Fragen des Protokolls, denn es war
umstritten, wer den Vorrang vor wem hatte, wem der
Botschafterstatus zugestanden wurde und wem nur der
Status eines Deputierten. [5] Dass der Kaiser den ersten Rang
einnahm, war inzwischen kein großes Problem mehr, da
hinter der protokollarischen Präzedenz keine große
militärische Macht mehr stand – aber wem stand der zweite
Rang zu, Frankreich oder Spanien? Solche Rangfragen
spielten beim Einzug der Delegationen eine wichtige Rolle.
[6] Zu klären war etwa auch, ob man Republiken, wie die
Niederlande und Venedig, den Monarchien gleichstellen
durfte. Als den Niederlanden als einem der großen und
wichtigen Akteure der Botschafterrang zugestanden wurde,
gab es keinen Grund mehr, diesen Venedig zu verweigern,
woraufhin die Kurfürsten des Reichs denselben Anspruch
erhoben, der ihnen schließlich ebenfalls zugestanden wurde.
Die Rangerhöhung Venedigs war für den Verlauf der
Verhandlungen im Übrigen von einiger Bedeutung, denn
Alvise Contarini, der Botschafter der Seerepublik, wurde
durch seine Vermittlungstätigkeit zu einer der prägenden
Gestalten des Kongresses. [7]
Die Größe der Delegationen scheint ein Instrument im
Rangordnungsstreit gewesen zu sein. Die französische
Gesandtschaft war mit bald 600 Personen die bei weitem
größte: Wenn man den Kaiserlichen in der offiziellen
Rangfolge schon den Vortritt lassen musste und auch die
Präzedenz gegenüber Spanien nicht wirklich geklärt war, so
trumpfte man wenigstens mit der eigenen Gesandtschaft auf.
Auch in den Gesellschaftskreisen Münsters wurde um die
Rangfolge gekämpft, und als 1646 Anne Geneviève de
Bourbon-Condé, die Frau des französischen
Hauptbevollmächtigten, in Münster eintraf, hatten die
Franzosen deutlich die Nase vorn. Die schwedische
Gesandtschaft umfasste 165, die spanische 112 Personen.
Die Generalstaaten, eine vom Geist des Calvinismus
geprägte Republik, die pompösem Prunk eher distanziert
gegenüberstand, hatten acht Gesandte nach Münster
geschickt. [8]
Die Größe einer Gesandtschaft markierte jedoch nur den
Anspruch auf einen vorderen Platz in der Rangfolge der
europäischen Mächte; für die Verhandlungen selbst war sie
eher bedeutungslos. Hier war ausschlaggebend, wer die
Delegation leitete, die Linie der Verhandlungsführung
vorgab, der heimischen Regierung Kompromisse
schmackhaft machte und abweichende Auffassungen im
eigenen Lager ausgleichen konnte. Gerade in der
französischen Delegation herrschten erhebliche
Meinungsverschiedenheiten, die auf die unterschiedlichen
Strömungen in Paris beziehungsweise deren Wahrnehmung
in Münster zurückzuführen waren. Die Grafen d’Avaux und
Abel Servien, von denen die Gesandtschaft anfangs geleitet
wurde, repräsentierten die Gegensätze, die in der
französischen Politik seit Beginn des Jahrhunderts im
Verhältnis zu Spanien, dem Kaiser sowie den Kurfürsten
immer wieder sichtbar geworden waren. Erst als Henri
d’Orléans, Herzog von Longueville, als
Hauptbevollmächtigter Frankreichs im Jahr 1645 die Leitung
der Gesandtschaft übernahm, konnte deren Selbstblockade
überwunden werden. [9]
Die schwedische Gesandtschaft wurde von Johan
Oxenstierna geführt, dem Sohn des Reichskanzlers, der sich
vor allem um die Berichte nach Stockholm kümmerte und
darum bemüht war, die Vorgaben aus Schweden in
Osnabrück zur Geltung zu bringen. Die Verhandlungen
leitete im Wesentlichen der Sekundargesandte Johan Adler
Salvius. Auch zwischen Oxenstierna und Salvius kam es
wiederholt zu Konflikten, die zum Teil lange zurückreichten
und mit den schwedischen Kriegszielen zu tun hatten,
teilweise aber auch in unterschiedlichen Vorstellungen von
professioneller Verhandlungsführung begründet waren.
Salvius jedenfalls wurde zu einem der Architekten der
Westfälischen Ordnung. [10] Der eigentliche Standort der
schwedischen Verhandlungsdelegation war Osnabrück, aber
man kam nicht umhin, auch in Münster eine kleine
Delegation zu unterhalten, die den Kontakt zu den
Franzosen pflegte und dafür sorgte, dass sich die beiden
miteinander verbündeten Mächte nicht gegeneinander
ausspielen ließen.
Im Vergleich zu Frankreich und Schweden spielte die von
Graf Peñaranda geführte spanische Delegation eine sehr viel
geringere Rolle. Sie war nur an den Verhandlungen mit den
Niederländern und denen mit Frankreich über die
Beendigung der jeweils gegeneinander geführten Kriege
beteiligt, nicht aber an denen mit dem Kaiser. Auch in die
Fragen des Religionsfriedens im Reich waren die Spanier
nicht involviert. Das zeigt die schwierige Lage, in der sich
das Weltreich inzwischen befand: Es hatte sich von Anfang
an mit Geld und Truppen am Krieg in Deutschland beteiligt
und war bis zum Eingreifen Schwedens unter den
auswärtigen Mächten der Hauptfinanzier gewesen; jetzt
aber, da es um die Aushandlung des Friedens ging, war
Spanien darauf beschränkt, über den Ausgang der eigenen
Kriege, dem gegen die Niederlande und dem gegen
Frankreich, zu verhandeln. Mit den Niederlanden wurde
man sich bereits am 30. Januar 1648 in Münster einig. Der
Friedensvertrag, der vor allen anderen und unabhängig von
ihnen unterzeichnet wurde, beendete den Achtzigjährigen
Krieg zwischen dem Weltreich und seinen abtrünnigen
Provinzen. [11] Die Verhandlungen mit Frankreich dagegen
führten zu keinem Ergebnis, und so wurde der Krieg beider
Länder bis 1659 weitergeführt. [12] Die Kriege, die Spanien
auf der Iberischen Halbinsel in der Zeit der Verhandlungen
auszutragen hatte, hinderten es daran, in Münster eine
größere Rolle zu spielen. [13] Alles in allem war Spanien der
große Verlierer der in Münster und Osnabrück
geschlossenen Verträge, und das auch deshalb, weil sich der
Kaiser im Münsterischen Frieden verpflichtete, weder als
Reichsoberhaupt noch als österreichischer Erzherzog den
Madrider Habsburgern künftig militärische Hilfe zu leisten.
Nimmt man die militärischen Konstellationen Mitte der
1640er Jahre zum Maßstab, so befand sich die kaiserliche
Delegation in einer überaus schwierigen Lage. Man hatte,
wie beschrieben, lange Zeit darauf gesetzt, dass die
Verhältnisse innerhalb des Reichs im Prager Frieden geklärt
waren und es nur noch darauf ankam, mit den zwei
auswärtigen Interventionsmächten, Schweden und
Frankreich, Frieden zu schließen. Dabei hatte man über
längere Zeit an den Lübecker Frieden von 1629 als Vorbild
gedacht. Im Hamburger Präliminarfrieden hatte der Kaiser
jedoch bereits das weitreichende Zugeständnis machen
müssen, dass mit Schweden und Frankreich nicht separate
Verhandlungen geführt wurden, sondern an zwei getrennten
Orten ein einziger großer gesamteuropäischer
Friedenskongress stattfand. Dieser Kompromiss war die
Grundlage dafür, dass die Schweden in Osnabrück und die
Franzosen in Münster verhandelten, wobei es die Schweden
verstanden, mit einigen nach Münster entsandten Vertretern
auch dort Präsenz zu demonstrieren. [14] Und schließlich
hatte der Kaiser noch hinnehmen müssen, dass sich auch die
Reichsstände – vor allem in Osnabrück – versammelten und
damit seinen Anspruch konterkarierten, für das Reich in
seiner Gesamtheit zu sprechen. Die Ziele, mit denen die
kaiserliche Gesandtschaft nach Münster reiste, [15] standen
somit von Anfang an unter einem großen Vorbehalt. Es war
der kaiserliche Hauptgesandte Maximilian Graf von
Trauttmansdorff, der zwischen 1645 und 1647 entscheidend
zur Verständigung zwischen den Kriegsparteien trug und
deshalb als der eigentliche «Schöpfer des Friedens» gelten
darf. So hat ihn Fritz Dickmann in seiner nach wie vor
maßgeblichen Studie zum Westfälischen Frieden bezeichnet.
[16]
Der Westfälische Frieden
Mindestens vier Jahre lang ist in Münster und Osnabrück
verhandelt worden, wobei sich das «mindestens» darauf
bezieht, dass es keine offizielle Eröffnung des
Friedenskongresses gab. Irgendwann und irgendwie begann
der Kongress dann doch, nachdem sich bereits erste Zweifel
breitgemacht hatten, ob er je eröffnet werde. Die
Friedensverhandlungen nahmen also ganz ähnlich ihren
Anfang wie zuvor die Kriegführung, die ebenfalls nicht mit
einer offiziellen Erklärung und den sie begleitenden Ritualen
begonnen wurde. So, wie «irgendwann» zwischen 1618 und
1619 plötzlich Krieg war, kam auch in Münster und
Osnabrück «irgendwann» ein Verhandlungsprozess in Gang,
der dann seine eigene Dynamik entfaltete. «Der ‹Kongreß›»,
so Konrad Repgen, «begann via facti, durch die sukzessive
Anreise der Gesandten in den Jahren 1643 bis 1646, und auf
eine ähnlich unspektakuläre Weise endete er durch die
Abreise der Unterhändler zwischen 1647 und 1649.» [1]
Es waren die beschriebenen Rangordnungsfragen, die es
erschwerten, den Kongress förmlich und mit einer
Zusammenkunft aller Gesandtschaften zu eröffnen. Indem
man einfach anfing, vermied man die Eskalation der mit der
Präzedenzfrage verbundenen Streitigkeiten, die leicht dazu
hätten führen können, dass der Kongress zu Ende gewesen
wäre, bevor er überhaupt begann. Außerdem gab es das
Problem der zwei Verhandlungsorte: Die Frage, an welchem
von ihnen die offizielle Eröffnung des Kongresses stattfinden
sollte, hätte sich ebenso wenig einvernehmlich klären lassen.
Man schlich sich also gewissermaßen in die Verhandlungen
ein. Wie es üblich geworden ist, den Prager Fenstersturz als
Kriegsbeginn anzusehen, so ist es üblich geworden, die
Vorlage der ersten Friedenspropositionen durch Frankreich
und Schweden am 4. Dezember 1644 als Beginn der
Friedensverhandlungen anzusehen. Man kann in beiden
Fällen darüber streiten, denn weder begannen die
Kampfhandlungen mit dem Prager Fenstersturz noch waren
mit der Vorlage der schwedischen und französischen
Bedingungen für den Friedensschluss bereits alle
Delegationen in Westfalen eingetroffen. Die offizielle
Einladung des Kaisers zum Westfälischen Friedenskongress
erging erst am 29. August 1645 an alle Reichsstände.
Geht man von diesem Datum als offiziellem
Verhandlungsbeginn aus, so muss man die bis dahin
geführten, teilweise recht erfolgreichen Gespräche, zu
«Vorverhandlungen» erklären, wie Fritz Dickmann das getan
hat. [2] Die eigentlichen Verhandlungen begannen demnach
erst mit der Ankunft des kaiserlichen Hauptbevollmächtigten
Maximilian Graf von Trauttmansdorff am 29. November
1645. Wählt man Trauttmansdorffs Eintreffen in Münster als
offiziellen Verhandlungsbeginn, so hat man freilich den
Kaiser zum Herrn des Friedenskongresses gemacht und die
Präzedenzfrage «durch die Hintertür» beantwortet. Die
Debatte der Wissenschaftler über den offiziellen Beginn des
Friedenskongresses und die Aporien, in die sie dabei
geraten, zeigen rückblickend die politische Klugheit der in
Westfalen versammelten Diplomaten, die «irgendwann»
einfach angefangen haben zu verhandeln.

Der «freudensreiche Postillion», der einen Tag nach der Vertragsunterzeichnung in


Münster die Nachricht vom Kriegsende in alle Welt (am Kirchturm «Wien», am
Meeresrand «Stockholm», im Hintergrund «Paris») hinausposaunt, reitet über
einen Grabstein und weggeworfenes Kriegsgerät hinweg. Er wird begleitet von
Fama, der Göttin des Ruhmes, die in eine Posaune stößt, und dem geflügelten
Merkur, der auch ein Gott der Kaufleute und Händler ist. Die zerbrochene Säule
und der trostlose Baumstumpf am rechten Bildrand stehen für zerstörte
Existenzen und gescheiterte Erwartungen, während hinter dem Reiter, dort also,
wo man seine Botschaft bereits vernommen hat, das Leben neu zu prosperieren
beginnt.

Nicht ganz so schwierig ist die Bestimmung eines offiziellen


Kongressendes. Es wird im Allgemeinen auf den 24. Oktober
1648 datiert, weil an diesem Tag zwei Verträge
unterzeichnet wurden: der Vertrag von Kaiser und Reich mit
Schweden in Osnabrück, das Instrumentum Pacis
Osnabrugensis (IPO), wie die offizielle Bezeichnung lautete,
und der Vertrag von Kaiser und Reich mit Frankreich in
Münster, entsprechend als Instrumentum Pacis
Monastericusis (IPM) bezeichnet. Doch auch hier zeigt sich
wieder die Crux der zwei Verhandlungsorte, denn auf die
Unterzeichnung beider Verträge in Münster folgte erst am
nächsten Tag die offizielle Verkündung des Friedens in
Osnabrück. Bereits am 15. Mai war in Münster zudem ein
anderer Frieden beschworen worden, der offiziell als der
Frieden von Münster bezeichnet wird, nämlich der oben
schon erwähnte zwischen Spanien und den nördlichen
Niederlanden. Dieses Ereignis ist von Gerard ter Borch in
einem berühmten Gemälde festgehalten worden, [3] das in
manchen Büchern das Ende des Dreißigjährigen Krieg
markieren soll, obwohl es im strengen Sinn eigentlich nichts
mit ihm zu tun hat. Der am 15. Mai in der Münster’schen
Ratskammer beschworene Frieden ist im Übrigen bereits am
30. Januar 1648 unterzeichnet worden, auf diesen Tag ist die
Friedensurkunde datiert. Auch hier ist es deshalb nicht
einfach, ein präzises Datum für den Beginn des Friedens
anzugeben, zumal zwischen Vertragsunterzeichnung und
Friedensschwur noch die Vertragsratifikation durch den
spanischen König Philipp IV. am 1. März 1648 lag. Nimmt
man diese Abfolge zum Maßstab, so hätte der Dreißigjährige
Krieg erst mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden am
18. Februar 1649 in Münster geendet oder gar erst mit dem
Nürnberger Reichsfriedensrezess vom 2. Juli 1650, der die
Abdankung der schwedischen Truppen sicherstellte. Alles in
allem hat es sich darum als sinnvoll erwiesen, nicht ein
einzelnes Datum, sondern das ganze Jahr 1648 als Ende des
Krieges anzusetzen, auch weil es einige Zeit dauerte, bis der
«freudensreiche Postillion», der die Nachricht überbrachte,
überall im Reich vorbeigekommen war und die teilweise
noch in vollem Gang befindlichen Kampfhandlungen, wie
etwa die Belagerung Prags durch die Schweden, beendet
hatte. [4]
Offiziell wurde der Friedensvertrag von Osnabrück zwischen dem Kaiser und der
Königin von Schweden geschlossen. Für Schweden haben auf der rechten Seite
die Gesandten Johan Oxenstierna und Johan Adler Salvius unterschrieben, als
Bevollmächtigte des Kaisers Johann Maximilian Graf von Lamberg und Johannes
Crane, darunter die Vertreter der Kurfürsten. Kurköln und Kurtrier fehlen, was
rechtlich jedoch ohne Bedeutung blieb.

Der Dreißigjährige Krieg war nicht nur ein Amalgam


verschiedener Kriegstypen, vom Bürgerkrieg bis zum
Staatenkrieg, vom Religionskrieg bis zum Hegemonialkrieg,
sondern auch ein Sammel- und Anlagerungskrieg für viele
andere Kriege in Europa, die sich auf je unterschiedliche
Weise mit dem Krieg in Deutschland verbunden hatten. Die
erste Herausforderung für die in Münster und Osnabrück
versammelten Gesandtschaften bestand also darin, diese
unterschiedlichen Kriegstypen und diversen Kriegsebenen
voneinander zu trennen und so zu ordnen, dass sie
verhandelbar wurden. Hier zeigte sich die Ambivalenz des
Universalfriedenskongresses, wie er von Frankreich und
Schweden durchgesetzt worden war, im Vergleich zu den
Separatfriedensverträgen, die der Kaiser lange Zeit
bevorzugt hatte: Der Kongress sorgte dafür, dass der Kaiser
nicht durch die Vorauswahl der zu behandelnden Fragen
zum faktischen Herrn des Geschehens wurde und sämtliche
Streitpunkte und Forderungen der Kriegsparteien auf den
Verhandlungstisch kommen konnten. Es gab jedoch eine
solche Fülle von Problemen unterschiedlichster Art, dass
diese weder gleichzeitig noch gleichgewichtig verhandelt
werden konnten, weswegen auch in Münster und Osnabrück
eine Vorsortierung stattfinden musste, die vor allem von der
kaiserlichen, der französischen und der schwedischen
Delegation vorgenommen wurde.
Die beherrschende Figur dabei wie auch bei der
Bearbeitung der einzelnen Komplexe war der kaiserliche
Hauptbeauftragte Trauttmansdorff. Der Verlauf des
Kongresses wird deshalb in vielen Darstellungen in drei
Phasen untergliedert: die Phase vor dem Eintreffen
Trauttmansdorffs, die Phase seiner Verhandlungsführung
vom November 1645 bis zum Juli 1647 und die Phase nach
Trauttmansdorffs Abreise am 16. Juli 1647, durch die der
Kongress zunächst in eine tiefe Krise geriet und zeitweilig
am Rande des Scheiterns stand. [5] Trauttmansdorffs Abreise
belegt indes nicht nur das hohe Risiko des Scheiterns, das
den Kongress von Anfang bis Ende begleitete, sondern auch
den klugen Blick des kaiserlichen Delegationsleiters, der
offenbar begriffen hatte, dass das, was er selbst zum Erfolg
der Verhandlungen hatte beitragen können, geleistet war
und seine weitere Anwesenheit in Münster mehr eine
Belastung als eine Hilfe darstellen würde. Wenn er
gleichwohl enttäuscht abreiste, dann vor allem deswegen,
weil es ihm nicht vergönnt war, den Verhandlungsmarathon
zum erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Als Maximilian Graf von Trauttmansdorff-Weinsberg am 25. November 1645 in
Münster eintraf, war er 61 Jahre alt; seit Kriegsbeginn hatte er in diplomatischen
Missionen und im unmittelbaren Umfeld zweier Kaiser politische Erfahrungen
sammeln können. Er war ein Spezialist der Kompromissfindung und wurde zum
eigentlichen Konstrukteur des Westfälischen Friedens.

Es bedurfte dazu der Bildung einer aus den Reichsständen


bestehenden «Friedenspartei» beziehungsweise «Dritten
Partei», [6] und letztlich konnten erst erneute
Kriegshandlungen den Frieden herbeiführen. [7] Der
Durchbruch zum Frieden wäre allein mit den Mitteln der
Kongressdiplomatie nicht möglich gewesen; den Ausschlag
gaben zuletzt unter anderem die Niederlage bayerisch-
kaiserlicher Verbände in der Schlacht von Zusmarshausen
am 17. Mai 1648, [8] der schwedische Vorstoß auf Prag [9]
und schließlich die Erkenntnis, dass selbst für die auf den
Kriegsschauplätzen erfolgreichen Mächte Frankreich und
Schweden die Weiterführung des Krieges so hohe
Belastungen bedeutete, dass es auch für sie angezeigt war,
in die auf dem Tisch liegenden Kompromisse einzuwilligen.
Der doppelte Anstoß eines forcierten Friedenswillens und
einer erneuten Verschärfung des Kriegsleidens musste die
letzten Hindernisse auf dem Weg zum Frieden beseitigen.
Dazu war selbst ein Verhandlungsgenie wie Graf
Trauttmansdorff nicht in der Lage.
Auf den unterschiedlichen Ebenen der Parteien und ihrer
Verwicklung in den Krieg wurden die Verhandlungen auch in
unterschiedlicher Form geführt. [10] Frankreich etwa
bediente sich bei den Verhandlungen mit dem Kaiser und
mit Spanien zweier Mediatoren: des päpstlichen Nuntius
Chigi und des venezianischen Botschafters Contarini. Die
beiden übermittelten, wie das im Hamburger
Präliminarfrieden vorgesehen war, zwischen den Parteien
Vorschläge und Stellungnahmen, beschränkten sich aber
nicht auf bloße Botentätigkeit, sondern kommentierten die
überbrachten Vorschläge auch und gaben Hinweise, wo sich
Kompromisse finden ließen und wo nicht. Es handelte sich
also um Dreiecksverhandlungen, die überwiegend schriftlich
geführt wurden. Der mündliche Austausch blieb, wenn es ihn
denn überhaupt gab, auf die Mediatoren beschränkt.
Dagegen verhandelten die Schweden unmittelbar mit der
kaiserlichen Seite und den Reichsständen. Das hatte seinen
Grund zum einen darin, dass der dafür vorgesehene
dänische Vermittler nach dem Krieg von 1644/45 nicht mehr
zur Verfügung stand; zum anderen war man auf
schwedischer Seite offenbar nicht an einem Vermittler
interessiert. Auch die spanisch-niederländischen
Verhandlungen wurden ohne Vermittler geführt. Mitunter
trafen sich die Verhandlungsleiter persönlich, doch im
Unterschied zur heutigen Zeit war das eher selten der Fall.
Man arbeitete in Münster und Osnabrück also flexibel und
zwang die Delegationen nicht in ein festes Korsett, sondern
ließ ihnen alle Freiheit, eine Art der Verhandlungsführung
zu wählen. Das war schon darum sinnvoll, weil ja keineswegs
jeder mit jedem verhandelte, sondern jeweils nur diejenigen,
die gegeneinander Krieg geführt hatten. Schweden und
Spanien etwa verhandelten nicht miteinander, ebenso wenig
die Generalstaaten mit dem Kaiser, wohingegen Frankreich
und Schweden, die Verbündeten, die ihre Verhandlungen an
unterschiedlichen Orten führten, sich immer wieder
abstimmten, um zu verhindern, dass sie von der kaiserlichen
Delegation gegeneinander ausgespielt wurden.
Die beschriebene Verhandlungsstruktur betraf indes nur
die Gespräche der Großmächte untereinander, also, um es
etwas schematisch auszudrücken, die Beendigung des
Hegemonial- und des Staatenkrieges. Die Gespräche zur
Beilegung des Religionskonfliktes im Reich und zur Klärung
der mit ihm verbundenen Verfassungsfragen wurden auf
eine ganz andere Weise verhandelt. Da die protestantischen
Reichsstände sich aus naheliegenden Gründen Schweden als
ihren Patron und Fürsprecher ausgesucht hatten, wurde
dieser Teil der Gespräche von Osnabrück aus geführt. Im
Prinzip wurden alle das Reich betreffenden Fragen nach
Vorgabe der Reichstagsverhandlungen in drei Kurien
geführt: An der Spitze stand das Kollegium der sieben
Kurfürsten, dann folgte die Kurie der etwa 70 geistlichen
und weltlichen Fürsten und sodann die Kurie der über
60 Freien Reichsstädte. Der Kurfürstenrat verhandelte
zumeist in Münster, der Städterat dagegen in Osnabrück,
und aus praktischen Gründen richtete sich der Fürstenrat an
beiden Orten ein. In diesen Kurien zu verhandeln, was in
reichsrechtlichen Fragen durchaus sinnvoll war, führte bei
religionsrechtlichen Problemen jedoch nicht weiter, und so
konferierten die konfessionellen Gruppierungen, wie sie sich
vor der Selbstparalyse des Reichstags herausgebildet hatten,
über die Kurien hinweg: das Corpus Evangelicorum mit dem
Standort Osnabrück und das Corpus Catholicorum mit dem
Haupttagungsort Münster. Beide waren zwar in der
Reichsverfassung nicht als Körperschaften vorgesehen, aber
ihre formelle Festigung im Verlauf der Verhandlungen
wurde zur Lösung einer zentralen Herausforderung des
Friedens: der itio in partes, die vorgab, dass keines der
beiden konfessionellen Corpora überstimmt werden konnte.
Faktisch lief das auf ein Vetorecht der Minderheit hinaus. [11]
Aus der Verhandlungsführung heraus entstanden
institutionelle Strukturen, die als Querverstrebung zwischen
den bestehenden Reichstagsinstitutionen dienten und diesen
die politische Stabilität verliehen, die ihnen vor
Kriegsbeginn gefehlt hatte.

Im Herbst 1648 suchte der schwedische Feldmarschallleutnant Hans Christian von


Königsmarck, ein gebürtiger Brandenburger, dem Fortgang der Ereignisse durch
die Eroberung Prags neuen Schwung zu geben. Es gelang indes nur die Eroberung
der Prager Kleinseite, da die Stadt von ihren Bürgern entschlossen verteidigt
wurde. Die am 5. Oktober begonnene Belagerung endete erst am 2. November –
so lange hatte der am 25. Oktober in Münster abgefertigte Bote mit der Nachricht
vom Friedensschluss für den Weg nach Prag gebraucht.
Fasst man den Westfälischen Frieden im Hinblick auf seine
Struktur ins Auge, so lassen sich vor allem zwei
Dimensionen voneinander unterscheiden, die im
Verhandlungsverlauf zwar immer wieder zusammenspielten,
aber getrennten Lösungen zugeführt wurden: der deutsche
Verfassungs- und der europäische Friedenskongress. Als
dritte Dimension lässt sich dem der
Religionsparteienkongress hinzufügen [12] oder aber die
Novellierung der Reichsverfassung einschließlich
religionsrechtlicher Fragen und die territorialen
Veränderungen des Reichs. [13] Was die Reichsverfassung
anging, war das zentrale Problem, wie man mit der
Herausforderung des Reichs durch den seit dem
16. Jahrhundert in Frankreich aufgekommenen
Souveränitätsbegriff umgehen sollte. Dabei ging es nicht nur
um die Frage, bei wem die Souveränität liegen sollte, beim
Kaiser oder bei den Kurfürsten, die nicht zu beantworten
war, ohne den Charakter des Reichs und seine politische
Verfasstheit in Frage zu stellen, sondern vor allem auch um
das Bündnisrecht (ius foederis) der Reichsstände: [14]
Durften diese sich aus eigener Befugnis mit Mächten
verbünden, die nicht dem Reich zugehörten, um damit
womöglich die eigene Durchsetzungskraft bei der Klärung
reichsinterner Angelegenheiten zu erhöhen? Oder durfte nur
der Kaiser solche Bündnisse eingehen? Diese Frage hatte in
den Anfängen des Krieges, etwa in den weitausgreifenden
Bündnisprojekten, wie sie von den Heidelberger
Reformierten entworfen wurden, [15] aber auch im
Kriegsverlauf, etwa in den Bündnissen Hessen-Kassels und
Kurbrandenburgs mit Schweden und Frankreich, eine
entscheidende Rolle gespielt. Zudem ging es um das ius
armorum, das Recht einzelner Territorialfürsten, Truppen
aufzustellen, die unter dem eigenen Kommando standen und
kein Teil der Reichsarmee waren.
Wie man die Bündnisrechtsfrage beantwortete, hatte
unmittelbar machtpolitische Konsequenzen, da man
entweder den Kaiser stärkte oder aber den Reichsständen
politischen Spielraum verschaffte. Sie hatte aber auch eine
staatsrechtliche Dimension, und diese betraf den Charakter
des Reichs: Handelte es sich um einen von außen her
undurchdringlichen Verband oder um einen politischen
Körper, der für die angrenzenden Mächte durchlässig war?
Damit kam eine dritte Dimension der Bündnisrechtsfrage ins
Spiel, wobei es um die Verfasstheit des europäischen
Staatensystems ging, das, zunächst von Italien ausgehend
und dann von Frankreich forciert, einen wachsenden
Anpassungsdruck auf die noch vorstaatlich verfassten
Gebiete Europas ausübte. Zugespitzt hieß das: Würde sich in
der geopolitischen Mitte der lateinischen Christenheit ein
starker und durchsetzungsfähiger Staat befinden, oder hätte
man es mit einem eher offenen Raum zu tun, auf den man
einwirken konnte, ohne mit einer gleichgelagerten
Gegenreaktion rechnen zu müssen? Das europäische
Staatensystem nach 1648 erhielt letztlich eine weiche Mitte,
und das lag nicht zuletzt daran, dass den Reichsständen in
Münster und Osnabrück das Bündnisrecht zugestanden
wurde.
In der jüngeren Literatur ist verstärkt darauf hingewiesen
worden, dass das im Westfälischen Frieden festgeschriebene
Bündnisrecht keine grundlegende Veränderung gegenüber
der Tradition darstellt, da dieses Recht den Fürsten des
Reichs seit jeher zugestanden worden sei. Nicht einmal im
Prager Frieden von 1635, so Konrad Repgen, sei es
grundsätzlich aufgehoben worden. [16] Dabei wird jedoch
übersehen, dass der ausschlaggebende Bezugspunkt hier
nicht die historische Tradition, sondern die Entstehung der
Staatenkonkurrenz seit dem 15./16. Jahrhundert ist. Vor
allem in Frankreich war unter dem Eindruck des
Hundertjährigen Krieges und danach des konfessionellen
Bürgerkriegs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als
die mächtigen Familien des Landes mit auswärtigen
Interventen paktierten, die Monopolisierung des
Bündnisrechts beim König durchgesetzt worden. Diese
Entwicklung erlangte Vorbildcharakter für viele andere
Monarchien in Europa, und so veränderten sich die
Rahmenbedingungen für die Beibehaltung der Tradition im
Reich. Zwar blieben die Verhältnisse gleich, doch die
Situation war nunmehr eine andere: Nach den Erfahrungen
des Krieges hatten die protestantischen Reichsstände allein
aus konfessionspolitischen Gründen ein starkes Interesse an
der Garantie ihres Bündnisrechts, und auch die katholischen
Reichsstände waren nach dem Druck, unter den sie in der
Zeit Wallensteins geraten waren, an der Bewahrung der
«teutschen libertet» interessiert, wie die
Sammelbezeichnung für die Selbständigkeit der
Reichsstände lautete. Dass sie dabei von Schweden und
Frankreich unterstützt wurden, lag aus deren
machtpolitischem Kalkül nahe. Vermutlich konnte es bei der
inneren Befriedung des Reichs nach einem um religions- wie
verfassungspolitische Fragen geführten Krieg gar keine
andere Entscheidung geben, als den Reichsständen das
Bündnisrecht zuzugestehen. Aber das ändert nichts daran,
dass die Folgen dieser Entscheidung nicht nur das Innere
des Reichs, sondern auch die Machtverhältnisse in Europa
betrafen. Durch das Bündnisrecht der Reichsstände wurde
im Westfälischen Frieden festgeschrieben, dass der Kaiser
eher der Verlierer als der Gewinner des Krieges war.
Am schwierigsten hatten sich in Münster und Osnabrück
die Verhandlungen über das Religionsrecht gestaltet,
wenngleich es den Augsburger Religionsfrieden von 1555
gab, an den man nur – um einige Bestimmungen erweitert –
anknüpfen musste. Aber diese Erweiterungen waren
umstritten, und in mancher Hinsicht hatte man den Krieg
auch um die verbindliche Interpretation des Augsburger
Religionsfriedens geführt. In den Artikeln V und VII des
Osnabrücker Friedens sind die Ergänzungen festgehalten.
Die wichtigste davon bestand darin, dass es in
religionspolitischen Fragen keine Mehrheitsentscheidung
gab (itio in partes), so dass keine Konfession befürchten
musste, überstimmt und in die Position des Unterlegenen
gedrängt zu werden. Das war, was typisch ist für ein so
komplexes Vertragswerk wie den Westfälischen Frieden,
eine Festlegung, die im Grunde das Bündnisrecht
relativierte. Dass die itio in partes tatsächlich zur
konfessionspolitischen Befriedung des Reichs führen würde,
war am 24. Oktober 1648 noch nicht abzusehen. Eher
handelte es sich um ein Versprechen auf die Zukunft. Im
Übrigen gehört in diesen Zusammenhang die süffisante
Bemerkung Konrad Repgens, die Suspendierung der
Mehrheitsentscheidung in religionsrechtlichen Fragen sei
ihrerseits mit einer reichsständischen
Mehrheitsentscheidung durchgesetzt worden. [17] Diese
Mehrheitsentscheidung stand unter Vorbehalt, weil der
päpstliche Nuntius Fabio Chigi insbesondere wegen der
religionsrechtlichen Regelungen das gesamte Friedenswerk
abgelehnt hatte. Diese Ablehnung wurde 1650 noch einmal
durch ein päpstliches Breve bekräftigt. [18] Das war ein
hinreichender Grund für die evangelischen Reichsstände, auf
einem uneingeschränkten Bündnisrecht zu bestehen: Sie
fürchteten einen Einfluss des Papstes auf den Kaiser und
wollten dazu ein Gegengewicht schaffen.
Die zweite religionsrechtliche Neuerung des Westfälischen
Friedens gegenüber dem Religionsfrieden von Augsburg war
die völlige Gleichstellung der drei Konfessionen, nämlich der
Katholiken, der Lutheraner und der Reformierten. Letztere
waren durch die Augsburger Bestimmungen nicht geschützt
worden, und das war einer der Gründe für die aggressive
Politik, die sie in den beiden Jahrzehnten vor dem Krieg
betrieben hatten. Durch ihre religionsrechtliche
Anerkennung sollten die Reformierten politisch befriedet
werden – und das gelang. Verfassungspolitisch wurden die
drei Konfessionen indes als zwei Blöcke in die Ordnung des
Reichs integriert, nämlich als Corpus Catholicorum und als
Corpus Evangelicorum, womit Lutheraner und Reformierte
gezwungen waren, sich miteinander zu verständigen. [19]
Hinzu kam die dritte große Neuerung durch die
Stichtagsregelung des Normaljahres (1. Januar 1624), das
für die Besitzverhältnisse des Kirchenguts eingeführt wurde.
[20] Die Regelung wäre nicht Bestandteil des Westfälischen
Friedens gewesen, wenn es nicht auch Ausnahmen gegeben
hätte: Die kaiserlichen Erblande waren davon
ausgenommen.
Die Wiederherstellung der Bikonfessionalität fiel nach dem Friedensschluss nicht
immer leicht. Die freie Religionsausübung war durch die Bestimmungen des
Osnabrücker Vertrags garantiert, doch die Rückübertragung der enteigneten
Kirchen ließ auf sich warten. Also wurde in Augsburg im Innenhof des ehemaligen
Kollegiums von St. Anna unter freiem Himmel ein Gottesdienst gefeiert.

Ein großer Fortschritt gegenüber dem Augsburger


Religionsfrieden bestand darin, dass die Regel des cuius
regio, eius religio dadurch relativiert wurde, dass ein
Konfessionswechsel des Landesherrn nicht mehr die
Zwangsbekehrung der Landeskinder nach sich zog. [21] Das
ius reformandi, das landesherrliche Recht, nach seinen
Vorstellungen die Konfession des Landes festzulegen, wurde
auf die Zulassung und Privilegierung anderer Bekenntnisse
neben der Landeskonfession begrenzt, und aus dem ius
emigrandi, dem Recht, bei einem Konfessionswechsel des
Landesherrn der Zwangskonvertierung durch Auswanderung
zu entgehen, wurde das Recht, zu bleiben und zumindest im
eigenen Haus sein Bekenntnis zu praktizieren. Diese neue
Freiheit, von der wiederum die habsburgischen Erblande
ausgenommen blieben, war dreistufig organisiert und
erreichte nicht die völlige Gleichstellung. Es handelte sich
um ein von der Toleranz des Landesherrn abhängiges
Freiheitsrecht: An erster Stelle stand das exercitium
publicum religionis, die öffentliche Ausübung des
Bekenntnisses, «das heißt mit Kirchen, Türmen, Glocken,
Prozessionen, staatlich autorisierte[n] Pfarrherrn», somit in
Form des offiziellen Staatsbekenntnisses; dann folgte, eine
Stufe darunter, das exercitium privatum religionis, also «nur
mit Bethaus, Dachreiter, privaten Predigern (mit und ohne
Habit)», das heißt «ohne öffentliche Staatsrangposition»;
schließlich die devotio domestica, die Hausandacht, zu der
sich die Anhänger einer Konfession in der Wohnstube
versammelten. Die Gewissensfreiheit, libertas conscientiae,
war auf diese Weise gesichert, und das machte Deutschland
zum Vorreiter einer – freilich auf die christlichen
Bekenntnisse beschränkten – Religionsfreiheit in Europa.
Die religionsrechtlichen Regelungen waren im Übrigen ein
Sieg der Staatsräson über jene Unnachgiebigen innerhalb
des Corpus Catholicorum, die mit Wertbindungen und
Wahrheitsansprüchen argumentierten. Gegen deren
Einspruch hatte Trauttmansdorff diese Fragen seit Februar
1647 mit den Schweden verhandelt, die sich ihrerseits mit
dem Corpus Evangelicorum abstimmten. [22] Durch die am
13. Juni 1647 erfolgte Veröffentlichung der Regelungen, des
sogenannten Trauttmansdorffianums, entstand eine
Situation, in der dieser Kompromiss nicht mehr so leicht
anfechtbar war. Überhaupt diente das Wechselspiel von
Geheimhaltung und Veröffentlichung bei den Verhandlungen
in Münster und Osnabrück als ein wichtiges Instrument, um
Kompromisslinien auszuloten und Übereinkünfte, zu denen
man gelangt war, noch vor Vertragsunterzeichnung und -
ratifizierung so festzuzurren, dass man kaum noch dahinter
zurückkonnte, wenn man nicht als Friedensverhinderer und
Kriegstreiber dastehen wollte. Genauso erging es den
kompromissunwilligen Katholiken, die gegenüber den
kompromissbereiten Katholiken in der Mehrheit waren,
nunmehr jedoch in der undankbaren Rolle der Protestierer
feststeckten. Sie setzten am 7. Oktober zwar einen
Beschluss des Corpus Catholicorum durch, in dem alle seit
dem Sommer gemachten Konzessionen an die evangelische
Seite widerrufen und als einseitige Zugeständnisse der
Kaiserlichen dargestellt wurden, aber sie liefen damit nur
einer Entwicklung hinterher, die sie nicht mehr rückgängig
machen konnten. Im Zusammenwirken mit den katholischen
Reichsständen von Kurmainz und Kurköln, Kurbayern sowie
Bamberg und Würzburg ging der Kaiser im November 1647
über den Einspruch hinweg und ließ die letzte
Verhandlungsrunde mit den Schweden auf der Grundlage
des Trauttmansdorffianums führen.
In religionsrechtlicher Hinsicht war der Westfälische
Frieden somit eher ein Erfolg der Evangelischen und eine
Niederlage der Katholischen. Dass Ferdinand III. in diese
Regelungen einwilligte, zeigt einen Unterschied zu seinem
Vater und Vorgänger im Amt des Kaisers, der dazu
schwerlich bereit gewesen wäre. Neben der ungünstigen
Kriegslage – inzwischen hatte sich sogar Kurfürst Maximilian
zeitweilig vom Kaiser losgesagt – [23] war es die Aussicht auf
Vorteile bei anderen Kompromissen, die Ferdinand III. dazu
veranlassten. [24] Der Westfälische Frieden kam auch
deswegen zustande, weil in Wien die politischen Präferenzen
neu geordnet wurden, wobei die Grundsätze der
Gegenreformation ins zweite und dritte Glied rückten. Das
nimmt sich im Rückblick glatter und unproblematischer aus,
als es tatsächlich war. Tatsächlich standen die westfälischen
Friedensverhandlungen mehrfach am Rande des Scheiterns;
verhindert hat dieses Scheitern, dass sich im Lauf der Zeit
eine Gruppe von Kompromisswilligen herausbildete, die sich
in harten Auseinandersetzungen gegen die Unnachgiebigen
durchsetzte.
Die religionsrechtlichen Fragen waren zusammen mit den
Rechten und Befugnissen der Reichsstände jedoch nur die
eine Klippe der Verhandlungen. Die Kompromisse, die man
hier fand, beendeten den Dreißigjährigen Krieg als
Religions- und Verfassungskrieg. Die andere große Klippe
war die Neuverteilung von Besitz und Macht, von den
territorialen Ansprüchen Schwedens und Frankreichs bis zur
Regelung der pfälzischen Frage, die bislang allen
Übereinkünften im Weg gestanden hatte. Es ging darum,
den Krieg auch als Staaten- und Hegemonialkrieg zu
beenden, was auf die Umverteilung von Einflussgebieten und
Grenzverschiebungen hinauslief. Letzteres darf man sich
nicht als eine Neuordnung nationaler Grenzen vorstellen,
wie sie bei den Pariser Friedensverhandlungen von 1919
vorgenommen wurde; eher verteilte man Steuereinnahmen,
Loyalitätserwartungen und die Unterhaltung von Garnisonen
in einem bestimmten Gebiet um. Alle diese Fragen wurden
unter den Rechtstiteln «Restitution» und «Satisfaktion»
behandelt. [25]
Die Restitution, also die Wiedereinsetzung der
Entmachteten und Vertriebenen in ihren früheren Besitz und
die mit ihm verbundenen Rechte, hing an der
vorangegangenen Amnestie. Die Straffreiheit war ein
zentraler Bestandteil des vormodernen Friedensschlusses:
Was geschehen war, sollte vergeben und vergessen sein. Der
Frieden durfte nicht mit der Hypothek des Erinnerns
belastet werden. War die Amnestie in einem kaiserlichen Akt
gewährt, so stand der Restitution im Sinne einer
Wiederherstellung der Vorkriegsverhältnisse nichts mehr im
Wege. Im Verlauf der Friedensverhandlungen traten jedoch
zwei Probleme auf: zum einen Ansprüche, die auf dem Weg
der Restitution nicht rückgängig gemacht werden konnten,
ohne dass eine Folge neuer Ansprüche entstand, für die es
keinen «Recompens», keine Entschädigung mehr gab, weil
nichts mehr da war, was sich umverteilen ließ; zum anderen
der Umstand, dass der Krieg viel zu lange gedauert hatte,
als dass sich das Geschehene mit einer Unterschrift
vergessen machen ließ. Man konnte zwar Territorien und
Rechte restituieren, aber das Land, das zurückgegeben
wurde, war nicht mehr dasselbe wie vor dem Krieg: Es war
zerstört und entvölkert. Insofern lag Amnestie und
Restitution als Elementen der Friedensstiftung die Einsicht
aller Beteiligten zugrunde, dass es sich dabei um rechtliche
Fiktionen handelte, die mit den realen Verhältnissen wenig
zu tun hatten. Der Weg zum Frieden wurde beschritten,
indem man die Fiktion für die Wirklichkeit nahm
beziehungsweise die Realität in einer Rechtsfiktion aufgehen
ließ. Möglich war das 1648 beziehungsweise in der Zeit
danach, weil in den Bestimmungen des Friedensschlusses
die Bevölkerung, die das Elend und die Not des Krieges
hatte ertragen müssen, keine politisch relevante Größe
darstellte. Sie kam als Anwalt der «wirklichen Wirklichkeit»
gegen die «fiktive Wirklichkeit» der Rechtsfiktionen nicht an
oder war von dem langen Krieg so sehr erschöpft, dass sie
alles hinnahm, wenn er nur bald endete. Das sollte sich im
Zeitalter des Nationalismus nach der Französischen
Revolution ändern, als die Bevölkerung an politischem
Gewicht gewann.
Komplementär zur Frage der Restitution war die der
Satisfaktion, der «Genugtuung», zu klären. Hier ging es um
das, was in späteren Zeiten «Kriegsentschädigung» genannt
worden ist. In den westfälischen Friedensverhandlungen
erhoben vor allem Schweden und Frankreich
Satisfaktionsansprüche: Sie hätten, so das Argument, um
den ursprünglichen Rechtszustand aufrechtzuerhalten –
Schweden bezog sich vorwiegend auf die konfessionellen
Konstellationen, Frankreich stärker auf die Verfassung des
Reichs –, Kosten und Lasten auf sich genommen, für die sie
nunmehr entschädigt werden müssten. Dabei dachten sie
nicht an Geldzahlungen, sondern an Territorien, die an sie
abgetreten werden sollten. Man kann Konrad Repgen darum
schwerlich widersprechen, wenn er schreibt: «Daß die
Sieger sich im Jahre 1648 dafür [für ihre
Annexionsforderungen] einer Vokabel bedienten, die
eigentlich etwas rechtlich geschuldetes bezeichnete, war
politische Semantik. Sie verschleierte, daß es sich um nur
politisch legitimierbare Forderungen handelte, um
Annexionen. Die Satisfaktionsverhandlungen waren kaum
verschleierte Machtpolitik.» [26]
Hinzuzufügen ist freilich, dass die Semantik des Rechts
einen Effekt hatte, der wesentlich zum Erfolg des
Westfälischen Friedens beitrug, da damit jener Begriff
vermieden wurde, der gleich am Anfang des Repgen-Zitats
auftaucht: der des Siegers, dem dann der des Verlierers
korrespondiert. Selbstverständlich war den in Westfalen
Verhandelnden klar, dass es Sieger und Verlierer gab und
dass man bei der Wiederherstellung des Friedens nicht an
den Ergebnissen des Krieges vorbeikam. Indem man jedoch
darauf verzichtete, das explizit zum Ausdruck zu bringen,
erleichterte man gerade jenen, die am stärksten auf die
Einlösung ihrer ursprünglichen Kriegsziele verzichten
mussten, den Vertrag zu akzeptieren. Das gilt nicht nur für
den Akt der Unterzeichnung und die anschließende
Ratifikation, sondern auch für die Jahre und Jahrzehnte
danach, als sich die Betreffenden wieder so weit erholt
hatten, dass sie an eine Revision des Ausgehandelten hätten
denken können. Die große Leistung der Friedensverträge
von Münster und Osnabrück war, dass keiner von denen, die
dort in weitreichende Kompromisse eingewilligt hatten, die
Westfälische Ordnung grundsätzlich in Frage stellte. Bis zu
den Kriegen der Französischen Revolution und Napoleons
fanden alle Kriege, die in Europa geführt wurden, innerhalb
der in Westfalen geschaffenen Ordnung statt, und die
napoleonischen Kriege wiederum wurden damit beendet,
dass auf dem Wiener Kongress die Westfälische Ordnung
wiederhergestellt wurde. [27]
Wie sahen nun die konkreten Bestimmungen zu Restitution
und Satisfaktion aus, die in Münster und Osnabrück
festgelegt wurden? Der Amnestie und Restitution
betreffende Artikel IV des Osnabrücker Vertrags umfasst
fünfundvierzig Paragraphen mit Sonderregelungen, in denen
die Prinzipien des Vertrags mit den im Kriegsverlauf
entstandenen konkreten Verhältnissen in Übereinstimmung
gebracht wurden. Diese Paragraphen betrafen vor allem die
Fürstenhäuser der Pfalz, Badens und Württembergs und
müssen hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden. Wichtig
ist allein die Regelung der pfälzischen Frage, denn die war
in den von Frankreich und Schweden vorgelegten
Propositionen zu einer Bedingung für den Abschluss des
Friedens gemacht worden – von Schweden sehr deutlich, von
Frankreich mit Rücksicht auf Bayern zurückhaltender. Der
Kompromiss, der schließlich ausgehandelt wurde – im
August 1647 wurde ein Vorvertrag zwischen dem Kaiser,
Schweden und Frankreich unterzeichnet, dessen
Bestimmungen dann in die Friedensverträge Eingang
fanden –, lief auf einen Erfolg der bayerischen
Verhandlungsstrategie hinaus, die auf eine gewisse
Rückendeckung durch Frankreich setzen konnte. [28] Bayern
blieb im erblichen Besitz der pfälzischen Kurwürde; für Karl
Ludwig, den Sohn des «Winterkönigs», wurde eine neue,
achte Kur geschaffen, mit der er belehnt werden sollte,
sobald er den Friedensvertrag angenommen und dem Kaiser
in einem Eid seinen Gehorsam versichert hatte. Weiterhin
verblieb Bayern im erblichen Besitz der Oberpfalz, womit
das religionsrechtliche Normaljahr 1624 missachtet wurde.
Karl Ludwig wiederum erhielt mit Heidelberg als Zentrum
die rechts wie links des Rheins etwas verkleinerte
Unterpfalz, wobei er einige religionsrechtliche Auflagen zu
beachten hatte. [29] Die immer wieder mit Frankreich
geführten Verhandlungen hatten sich für Bayern also
gelohnt.
Die Satisfaktion Schwedens bestand in der Übertragung
Vorpommerns mit Stettin und der Insel Rügen an die
schwedische Krone, dazu kamen der Hafen von Wismar als
Flottenstation und schließlich die Bistümer Bremen und
Verden, die vom Kaiser zuvor zu weltlichen Herzogtümern
erklärt worden waren. Damit kontrollierten die Schweden
die Flussmündungen von Oder, Elbe und Weser, und folglich
flossen die dort erhobenen Zölle in ihre Kasse. [30] Schweden,
das auf diesem Weg Reichsstand wurde, kann also als einer
der großen Sieger des Krieges angesehen werden; es hatte
seine Kriegsziele weitgehend erreicht. Dass es seine Position
nicht auf Dauer halten konnte und noch im 17. Jahrhundert
wieder zurückgedrängt wurde, steht auf einem anderen
Blatt. Die schwedische Macht war bei Kriegsende überdehnt,
da der Militärapparat, mit dem die Erfolge im Reich
errungen worden waren, zu einem erheblichen Teil mit
französischen Subsidien finanziert worden war und zu mehr
als zwei Dritteln aus in Deutschland geworbenen Söldnern
bestanden hatte. Mit dem Wegfall der Subsidien schrumpfte
der Militärapparat und damit auch die auf ihm beruhende
Machtstellung Schwedens. Ende der 1640er Jahre aber
gelang es der schwedischen Delegation in Münster, die
starke Position auf den Kriegsschauplätzen unmittelbar in
politische Macht umzuformen. Dabei vergaß man nicht, dass
politische Macht auch auf wirtschaftlicher Potenz beruht,
und sicherte sich Zolleinnahmen.
Da Kurbrandenburg der Leidtragende der Satisfaktion
Schwedens mit Vorpommern war, musste für das Gebiet, das
ihm sonst gemäß Erbschaftsvertrag zugefallen wäre, ein
angemessener «Recompens» gefunden werden. Immerhin
hielten sich die Ansprüche in Grenzen, da Hinterpommern,
also das Land rechts der Odermündung, an Brandenburg
fiel, nachdem die Schweden kein größeres Interesse daran
gezeigt hatten. Ursprünglich hatte auch Schlesien zu den
schwedischen Satisfaktionsforderungen gehört, doch wurde
bei den Verhandlungen schnell klar, dass es eine
Maximalforderung war, die als Verhandlungsmasse
eingesetzt wurde. [31] So erhielt Brandenburg als Recompens
die Hochstifte Halberstadt und Minden, dazu die
Anwartschaft auf das Erzstift Magdeburg, die nach dem Tod
des bisherigen Administrators einzulösen war.
Die schwedisch-brandenburgische Regelung war nur
durch umfassende Säkularisationen beziehungsweise die
verfassungsrechtliche Anerkennung von De-facto-
Säkularisationen in Norddeutschland möglich, was das
Gegenteil der gegenreformatorischen Zielsetzungen aus der
Entstehungsphase des Krieges war. Misst man die Schweden
und Brandenburg betreffenden Regelungen am kaiserlichen
Restitutionsedikt von 1627, so gehörte die katholische Seite
zu den Verlierern des Krieges, und das macht
nachvollziehbar, warum die Unnachgiebigen unter den
Katholiken den Westfälischen Frieden mehr oder weniger
deutlich ablehnten. Das wiederum hatte zur Folge, dass eine
Reihe von evangelischen Reichsständen bei der
Vertragsunterzeichnung dem Frieden misstrauten und
vorerst an den im Krieg entstandenen Bündnissen
festhielten. Als sich der Frieden dann jedoch als stabil
erwies, lösten sich diese Kriegsbündnisse schnell auf, und es
entwickelten sich gänzlich andere Konstellationen.
Auch Frankreich machte in seiner Proposition vom 11. Juni
1645 Satisfaktionsforderungen geltend und verlangte für
seine «Mühen, Verluste und Ausgaben» den habsburgischen
Besitz im Ober- und Unterelsass sowie im Sunt- und
Breisgau, dazu die Kontrolle über die Festungen Breisach
und Philippsburg. Zunächst wollte man daraus ein
Reichslehen bilden, mit dem Frankreich wie Schweden
Reichsstand geworden wäre. Als im Verlauf der
Verhandlungen jedoch klar wurde, wie gering die
habsburgischen Besitzungen im Elsass letzten Endes waren,
änderten die Franzosen ihre Verhandlungsstrategie und
verlangten das gesamte Elsass für sich, also nicht nur
habsburgische Erblande, sondern Reichsgebiet. Sie gaben
das Ziel auf, in reichsständische Rechte und Pflichten
einzutreten, und bestanden auf der territorialen Abtretung
des Elsass und seiner Einverleibung in französisches
Staatsgebiet. [32] Die das Elsass betreffenden Regelungen,
die bis zuletzt bei einer Reihe von Reichsständen auf großen
Widerstand stießen, wurden auf die seit 1552 unter
französischem Protektorat stehenden Städte und Bistümer
Metz, Tirol und Verdun ausgeweitet. Auch Breisach und
Philippsburg gelangten unter französische Kontrolle und
dienten fortan als Brückenköpfe in Deutschland. Mit diesem
Ergebnis kann die französische Krone als ein weiterer Sieger
der westfälischen Verhandlungen angesehen werden.
Der Kaiser und mit ihm die Casa d’Austria waren dagegen
Verlierer – gemessen jedenfalls an den Zielen, die sie
verfolgt hatten, und an dem, was im Verlauf des Krieges für
sie immer wieder erreichbar erschien. Am Ende hatte dem
Kaiser und seinen Verbündeten der lange Atem gefehlt,
beziehungsweise es waren ihm die Ressourcen und die
Verbündeten ausgegangen, die vonnöten waren, um den
Krieg weiterzuführen. Man war, zumal nach dem
zeitweiligen Abfall so wichtiger Verbündeter wie Bayern und
der beiden rheinischen Kurfürsten, zu weitreichenden
Konzessionen bereit, um den Krieg zu beenden, da man
befürchten musste, dass sich die eigene
Verhandlungsposition bei einem Fortgang der
Kampfhandlungen noch weiter verschlechtern würde. In der
Umgebung Ferdinands III. kam man letztlich zu dem
Ergebnis, man sei alles in allem glimpflich davongekommen,
und so gab man nach einigem Sträuben dem Drängen der
zur «Friedenspartei» verbundenen Reichsstände nach und
unterschrieb die Verträge von Münster und Osnabrück. [33]
Damit endeten die Kampfhandlungen – jedenfalls sobald die
Nachricht vom Friedensschluss in Münster und Osnabrück
auf den Kriegsschauplätzen eingetroffen war.
Die Gesandten des Kaisers, der Kurfürsten und der schwedischen Krone haben
sich 1650 in Nürnberg versammelt, um letzte strittige Punkte zu klären und zu
überprüfen, ob die in Münster und Osnabrück eingegangenen Verpflichtungen
eingehalten wurden: Truppenabdankung, Zahlung von Kriegsentschädigung,
Amnestie. Auf dem Tisch liegen die noch einmal miteinander abgeglichenen
Vertragsexemplare. Sie sind gerade unterschrieben worden. Der Krieg war damit
definitiv beendet.

Es gab aber ein weiteres Problem, das gelöst werden


musste: die Abdankung der Truppen, die noch überall in
Deutschland standen. Abdankung bedeutete, dass der
ausstehende Sold auszubezahlen war, und dabei stellte sich
die Frage, wer das Geld dafür aufbringen sollte. Im
französischen Fall war die Antwort einfach, da Frankreich,
nachdem es sich mit Spanien in Münster nicht hatte einigen
können, weiterhin Krieg führte und die Armeen an den
nördlichen und südlichen Landesgrenzen brauchte. In
gewisser Hinsicht war es ein Glücksfall für den Frieden im
Reich, dass der Krieg zwischen Frankreich und Spanien
andauerte und gerade nicht der angestrebte europäische
Universalfrieden erreicht wurde, denn so sparte man sich
die Demobilisierungskosten der französischen Armeen, die
angesichts der Probleme mit Schweden vermutlich nicht
aufzubringen gewesen wären. Zudem saugten der
französisch-spanische Krieg wie auch die wiederauflebenden
Kriege im Mittelmeer gegen die Osmanen sowie der Krieg
zwischen Russland und Polen die beschäftigungslos
gewordenen Söldner an und ersparten Deutschland eine
jahrelange Auseinandersetzung mit marodierenden
Söldnerhaufen auf der Suche nach Unterhalt und
Beschäftigung. Die Eindämmung des Marodeurswesens war
auch der Grund, warum man die Söldner nicht einfach
entließ, sondern ein Interesse daran hatte, sie formgerecht
abzudanken und den noch ausstehenden Sold zu zahlen.
Dabei erwies sich vor allem das schwedische Heer in
Deutschland als ein Problem, da für Schweden nicht in
Frage kam, was für einige Reichsstände die Lösung war:
Teile der Truppen zu behalten, um aus ihnen ein stehendes
Heer aufzubauen. Künftig sollten die Heere dauerhaft
unterhalten werden, um bei Bedarf schnell vom Friedens-
auf den Kriegsfuß versetzt werden zu können. Der Historiker
Johannes Burkhardt hat die neuen stehenden Heere darum
als die «stehengebliebenen Heere» des Dreißigjährigen
Krieges bezeichnet. [34] Auch das war eine Möglichkeit,
einem sprunghaften Anstieg der Gewalttaten und
Verbrechen nach der Entlassung von etwa
200000 Gewaltspezialisten entgegenzuwirken. Mit den
Truppen Hessen-Kassels, [35] Bayerns und des Kaisers konnte
man so verfahren, aber nicht mit den schwedischen, da diese
wesentlich durch Subsidien und die Ausplünderung des
besetzten Landes finanziert wurden. Die von Schweden für
die Abdankung ursprünglich geforderte Summe von
20 Millionen Reichstalern wurde in Osnabrück auf fünf
Millionen heruntergehandelt, bevor es zur
Vertragsunterzeichnung kam. Aber wer sollte diese Summe
aufbringen? Sie wurde auf sieben Reichskreise verteilt, die
sie in drei Raten zu zahlen hatten. Sie brachten das Geld
tatsächlich auf, und die Summe reichte dann auch aus, um
die 60000 schwedischen Soldaten in Deutschland
abzudanken, die auf 80 feste Plätze verteilt waren. [36]
Auf dem Nürnberger Exekutionstag, der vom Mai 1649 bis
zum Juli 1650 dauerte, [37] sollte die Umsetzung des in
Münster und Osnabrück Beschlossenen überwacht werden.
Entgegen vielerlei Befürchtungen stellte man fest, dass die
Abdankung der Truppen erfolgt und ein Großteil der
Soldaten aus Deutschland verschwunden war. In der
Wahrnehmung der Menschen war der Krieg damit
tatsächlich zu Ende. Paul Gerhardt brachte das neue Gefühl
des Friedens in die Verse:

Wohlauf und nimm nun wieder


Dein Saitenspiel hervor,
O Deutschland, singe Lieder
In hohem vollen Chor,
Erhebe dein Gemüte
Zu deinem Gott und sprich:
Herr, Deine Gnad und Güte,
Bleibt dennoch sicherlich. [38]
Schluss
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie
gegenwärtiger und zukünftiger Kriege

Was heißt «Ende der Westfälischen


Ordnung»?
Die Westfälische Ordnung hat Europa keinen dauerhaften
Frieden beschert. Aber sie hat religiöse Kriegsgründe
zumindest innerhalb des Reichs weitgehend beseitigt und
langfristig Kriege als Staatenkriege etabliert. Mit der
nachfolgenden Ablösung von Söldnerheeren durch
steuerfinanzierte reguläre Armeen hat sie zudem verhindert,
dass die kriegführenden Parteien das von ihnen besetzte
Land ausplünderten, verheerten und ihre Gewalt in erster
Linie gegen die Zivilbevölkerung richteten. Vieles davon ist
1899 in die Haager Landkriegsordnung aufgenommen
worden. Doch schon für die Kolonialkriegführung galt das
Erreichte nur sehr begrenzt, wenn überhaupt. Im Gefolge
des Ersten und im Zweiten Weltkrieg sowie den
anschließenden antikolonialen Befreiungskriegen ist die
Westfälische Ordnung von ihren Grundsätzen her in Frage
gestellt worden. Daran haben auch die Genfer Konventionen
von 1864, 1929, 1949 und 1977, deren letzte erstmals
Regelungen zum Umgang mit Nonkombattanten
aufgenommen hat, nichts zu ändern vermocht.
Es scheint also, als könne man aus der Westfälischen
Ordnung nichts mehr lernen. Dafür aber lässt sich umso
mehr aus dem Dreißigjährigen Krieg lernen, dessen Formen
der Kriegführung im großen Stil in die Praxis der Kriege
zurückgekehrt sind. Wie im Dreißigjährigen Krieg ist mit der
Wiederkehr des «kleinen Kriegs» die Gewalt gegen die
Bevölkerung beziehungsweise die Auflösung des
Unterschieds zwischen regulären Truppen, Söldnerheeren
und Marodeuren zurückgekommen. Der «kleine Krieg»
kennt eine strikte Unterscheidung zwischen Kombattanten
und Nonkombattanten nicht. So kann es kaum überraschen,
dass in den Neuen Kriegen sehr viel mehr am Kampf
Unbeteiligte der Gewalt zum Opfer fallen als solche, die sich
bewaffnet und einer gewaltsam agierenden Gruppierung
angeschlossen haben. [1]
Diese Beobachtung ist zeitlich eng mit dem Übergang vom
20. zum 21. Jahrhundert verbunden. Inzwischen stellt sich
die bereits vor Jahren aufgeworfene Frage [2] neu und sehr
viel dringlicher: Haben wir es über das Ende der
Westfälischen Ordnung hinaus mit einer Wiederkehr des
Dreißigjährigen Krieges zu tun? Kann die modelltheoretische
Betrachtung des Dreißigjährigen Krieges so etwas wie den
Analyserahmen für gegenwärtige und zukünftige Kriege
bieten? Damit verliert der Blick auf den Dreißigjährigen
Krieg das «Antiquarische», genauso aber das
«Monumentalische», um zwei Begriffe Nietzsches
aufzugreifen. Er erhält dafür eine selbstreflexiv-kritische
Dimension, mit der man die ausschließlich selbstbezogene
Beschäftigung mit der eigenen Geschichte hinter sich lässt
und wie in einem «fernen Spiegel» [3] die Vergangenheit
betrachtet, um die Gegenwart zu begreifen und womöglich
sogar in die Zukunft zu sehen. Die folgenden Überlegungen
gehen von der These aus, dass mit dem Ende der
Westfälischen Ordnung im Verlauf des 20. Jahrhunderts
keineswegs, wie erhofft, der Krieg als Geißel der Menschheit
verschwunden ist, sondern dass wir erneut mit einer
Verschränkung der Kriegstypen konfrontiert sind, wie sie
schon im Dreißigjährigen Krieg zu beobachten war.

Man brauche für den Nahen Osten einen neuen


Westfälischen Frieden, hat Frank-Walter Steinmeier, damals
noch deutscher Außenminister, im Herbst 2016 bei der
Verleihung des Westfälischen Friedenspreises erklärt. Es
kann dahingestellt bleiben, ob er sich darüber im Klaren
war, dass der Friedensschluss von Münster und Osnabrück
nicht zu einer dauerhaften Friedensordnung geführt hat,
sondern dass seine wesentliche Leistung in einer Trennung
der Kriegstypen und einer Rationalisierung der
Kriegsgründe durch deren Ausrichtung auf die
Staateninteressen bestand. Das neue Regime von Krieg und
Frieden, das in Münster und Osnabrück entwickelt wurde
und sich danach in Europa durchgesetzt hat, machte die
unbedingten Wertbindungen und Wahrheitsansprüche des
Religiösen zu etwas Nebensächlichem – lange vor Beginn
der Aufklärung. Wenn Steinmeier den Westfälischen Frieden
als politische Orientierung hervorgehoben hat, dann ist das
wohl so zu verstehen, dass der Weg zum Westfälischen
Frieden in anderen Teilen der Welt nachgeholt werden
müsse, insbesondere eben im Nahen und Mittleren Osten.
Mit dieser Ansicht stand und steht Steinmeier nicht allein.
Auch im Nahen Osten selbst scheint die Analogie zum
Dreißigjährigen Krieg präsent zu sein, etwa wenn der
jordanische Politikwissenschaftler Hassan Abu Hanieh im
Interview mit einer deutschen Tageszeitung erklärt: «Nach
dem Ende der kolonialen Nationalstaaten stehen wir am
Anfang einer neuen Ära. Sie wird beherrscht vom Kampf um
die Identität des Staats und der Gesellschaft, vom Fehlen
einer Dynamik, die zu einer Einheit führt, und von Gewalt.
Viele Menschen glauben, dafür sei der Westen
verantwortlich. Es ist nicht der Westen, es ist die innere
Dynamik, die stärker ist, und ich sehe nichts am Horizont,
wie wir den Radikalismus und die Gewalt loswerden können.
[…] Gewalt wird diese Region beherrschen. In Europa hat es
nach dem Dreißigjährigen Krieg Versöhnung gegeben. Wir
haben diese Phase noch nicht erreicht. Wir befinden uns erst
in der ersten Stufe dieser Spirale der Gewalt.» [4]
Diese Beschreibung der Lage ist noch harmlos, wenn denn
die These zutreffen sollte, dass die Kriege der Gegenwart
und Zukunft, zu einem Teil jedenfalls, dem Dreißigjährigen
Krieg strukturell ähnlicher sind beziehungsweise sein
werden als den Staatenkriegen des 18. und
19. Jahrhunderts. Neben der Kriegführung durch
nichtstaatliche Akteure, die nicht an ein bestimmtes
Territorium oder eine bestimmte Bevölkerung gebunden
sind, und dem Auftreten von Kriegsunternehmern, den
Warlords, für die der Krieg eher ein Geschäftsmodell als ein
politisches Vorhaben mit Ziel und Zweck ist, sind als weitere
Strukturähnlichkeiten die Verflechtung der Kriegstypen und
die Überlagerung von Kriegsformen zu nennen, wie sie sich
vor allem im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Afrika
beobachten lassen. Die Beschäftigung mit dem
Dreißigjährigen Krieg eröffnet die Möglichkeit, ein
Analysemodell zu entwickeln, das auf einen großen Teil der
gegenwärtigen Kriege angewandt werden kann und aus dem
ersichtlich wird, mit welchen Eskalationsdynamiken man in
diesen Kriegen rechnen muss und auf welche
Stoppmechanismen man setzen kann.
Eine analytische Beschreibung des Dreißigjährigen
Krieges, die zeigt, wann und wo welche Entscheidung oder
Nichtentscheidung welche Folgen hatte, kann wesentliche
Anhaltspunkte zur Orientierung im Labyrinth der
gegenwärtigen Kriege liefern. Das gilt etwa für die Frage, ob
von außen kommende Politikakteure Möglichkeiten haben,
einen Krieg zu beenden oder doch zumindest sein Ende
wahrscheinlicher zu machen, und welche Formen der
Intervention oder Nichtintervention voraussichtlich die
entgegengesetzten Effekte haben. Nicht zuletzt in dieser
Absicht ist die vorliegende Darstellung des Dreißigjährigen
Krieges verfasst worden, und aus ihr speist sich auch der
Blick auf alternative Geschichtsverläufe, also die Frage, was
passiert wäre, wenn die wichtigen Akteure dieses Krieges in
bestimmten Situationen andere Entscheidungen getroffen
hätten. Die Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg ist
also nicht einem «interesselosen Wohlgefallen» geschuldet
und auch nicht bloß dem Interesse daran, «wie es denn
wirklich gewesen» (Ranke), sondern folgt – auch – einer aus
den politischen Herausforderungen der Gegenwart
erwachsenen Suchbewegung. Im Unterschied zum
deutschen Trauma vom Dreißigjährigen Krieg und dessen
Bekräftigung durch entsprechende Erzählungen ist diese
Suchbewegung offen und kritisch. Sie wird nur von der
begründeten Vermutung angeleitet, dass es eine Reihe von
Analogien zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und einigen
Entwicklungen der Gegenwart geben könnte, und geht
dieser Vermutung nach. Ziel ist es, die analytische
Beschreibung des Krieges als «fernen Spiegel» für die
Klärung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen
nutzen zu können, wenn sich diese Analogien bestätigen
sollten.
Historische Analogien als methodische
Herausforderung
Nun sind methodenbewusste Wissenschaftsdisziplinen
solchen Analogien stets mit großem Misstrauen begegnet.
Nicht zu Unrecht wurde eingewandt, wer historische
Analogien herstelle, blende die Fragen der Gegenwart bloß
in eine beliebige Vergangenheit zurück, wo man dann auf
genau die Antworten stoße, die durch die Art der Frage
zuvor in die Geschichte hineinprojiziert worden seien. Von
einer an soziologischen Methoden ausgerichteten
Politikwissenschaft wird dagegen das statistische Verfahren
der großen Zahlen ins Spiel gebracht, bei dem Daten nach
bestimmten Kriterien klassifiziert werden, um die daraus
entstandenen Linien und Kurven in die Zukunft zu
verlängern. [1] Ein solches Verfahren ist auch in der jüngeren
Kriegsursachenforschung zur Anwendung gekommen. Diese
Methodik hat jedoch zur Folge, dass man – erstens – nur
sehr kurze Zeitspannen beobachten kann und sich damit auf
einen bestimmten Typ von Krieg beschränkt. Solange nur
eine etwas weiter gefasste Gegenwart in den Blick
genommen wird, sind Annahmen über zukünftige
Entwicklungen nichts anderes als Projektionen
gegenwärtiger Konstellationen. Brüche und tiefgreifende
Veränderungen können so nicht vorhergesehen werden. Man
schaut notorisch durch ein Mikroskop, wo doch ein Periskop
vonnöten wäre. Da man bei dieser Herangehensweise –
zweitens – auf die Zusammenstellung großer Datenmengen
angewiesen ist, werden alle Kriege gleich gewichtet, und
man kommt nicht dazu, Kriege, in denen sich neue
Entwicklungen abzeichnen, von solchen zu unterscheiden,
die noch ganz herkömmlich geführt werden: Qualitative
Differenzen werden durch die Methodik des Quantitativen
aufgezehrt. Es wird keine Urteilskraft ausgebildet, um zu
erkennen, was sich verändert hat und welche
Veränderungen Schule machen könnten. Statistische
Extrapolationen, so nützlich sie in mancher Hinsicht sind,
übersehen obendrein die reflexive Dimension, die der Krieg
für diejenigen hat, die ihn führen – das heißt: Sie sind
unsensibel gegenüber den Lernprozessen der
Kriegsparteien. Wer sich an diese Herangehensweise hält,
bleibt «blind» für das sich abzeichnende Neue oder
bestreitet gewohnheitsmäßig, dass es etwas Neues im
Kriegsgeschehen gebe. [2] Das ist die paradoxe Folge der
methodischen Immunisierung gegenüber einem sorgfältigen
Blick in die Geschichte: Man kann das Neue und die großen
Veränderungen nicht erkennen, weil man sich mit dem Alten
nicht beschäftigt hat. Wer sich auf die Vergangenheit nicht
einlässt, bleibt an die Gegenwart gekettet, und die Zukunft
ist dann nichts anderes als eine verlängerte Gegenwart.
Zur Immunisierung gegen die Beobachtung von Neuem
trägt bei, dass die Fähigkeit zur Analyse politisch-
historischer Zäsuren durch bestimmte Methoden
eingeschränkt wird. Die sozialwissenschaftlich angeleitete
Kriegsbeobachtung neigt dazu, Kontinuitäten zu
konstatieren, und insofern ist es ratsam, sie durch eine
historisch-vergleichende Kriegsanalyse zu ergänzen.
Durchaus im Wissen, dass diese eine geringere methodische
Schärfe aufweist, können damit sozialwissenschaftlich-
quantitative Beobachtungen ergänzt und korrigiert werden.
[3] Die These, dass der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie
gegenwärtiger und zukünftiger Kriege dienen kann –
wohlgemerkt keineswegs aller Kriege, aber doch einiger
von ihnen –, soll hier in diesem Sinne vertreten werden. Dem
liegt die Annahme zugrunde, dass die dem Dreißigjährigen
Krieg ähnlichen Kriege unserer Gegenwart auch jene sind,
die eine grundlegende Herausforderung der bestehenden
Weltordnung darstellen. Sie haben infolgedessen politisch
besondere Relevanz.
Analogien zwischen gegenwärtigen Entwicklungen und
vergangenen Epochen können auf recht unterschiedliche
Weise hergestellt werden. So kann man die Rolle der
Visualisierung von Gewalt in Langzeitkonflikten
untersuchen, wie es Till Ansgar Baumhauer in einem
Vergleich der Bilder des Afghanistankrieges mit denen des
Dreißigjährigen Krieges getan hat. [4] Dabei zeigt sich, dass
die Darstellung des Schreckens, der Gewalt und des Elends
im Dreißigjährigen Krieg durch Hans Ulrich Franck und
Jacques Callot [5] eine Fülle von Pendants bei afghanischen
Künstlern gefunden hat. Was beides verbindet, ist die lange
Dauer des Krieges, bei der Einzelereignisse als mögliche
End- oder Wendepunkte des Geschehens ihre Bedeutung
verlieren und die Bilder das Eindringen der Gewalt in alle
gesellschaftlichen Beziehungen zeigen. In solchen
Vergleichen kommt ein Gespür für die untergründige
Präsenz der Gewalt in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
und der heutigen Kriege zum Vorschein, das einen Blick auf
das Geschehen jenseits der Statistik ermöglicht.
Eine politikwissenschaftliche Analogiebildung muss indes
Parallelen finden, die über die Visualisierung von Gewalt,
Schmerz und Leid hinausgehen. Dazu gehört, dass man auf
jene Faktoren achtet, durch die sich die erste Hälfte des
17. Jahrhunderts von unserer Gegenwart unterscheidet. Als
Erstes gilt das für die Rolle der Religion in gesellschaftlichen
und politischen Konflikten. Der Dreißigjährige Krieg war
durch den konfessionellen Gegensatz seit der Reformation
geprägt. Die religiös-konfessionelle Frage verschärfte die
bestehenden politischen Konflikte, und die politischen
Konflikte zogen ihrerseits konfessionelle
Auseinandersetzungen an. [6] Die Westfälische Ordnung
beruhte deshalb auf dem Imperativ, die religiös-
konfessionelle Überformung von Konflikten zu neutralisieren
und die vorhandenen Konflikte strikt von religiösen Fragen
zu trennen. Das ist, wie oben angedeutet, weitgehend
gelungen, bis im Gefolge der Französischen Revolution mit
dem Nationalismus als neuer «politischer Religion» [7]
abermals Unbedingtheitsvorstellungen ins Spiel kamen, die
einer kalkülrationalen Interessenabwägung
entgegenstanden. Grundsätzlich aber kann die Entwicklung
der europäischen Gesellschaften seit Mitte des
17. Jahrhunderts – jedenfalls in politischer Hinsicht – auf der
Grundlage des Säkularisationstheorems beschrieben
werden: Religiöse Bindungen spielten für die öffentliche
Positionierung der Menschen eine immer geringere Rolle,
und der religiöse Glaube wurde schrittweise zu einer
privaten und persönlichen Angelegenheit. [8] Religionskriege
wurden bald als überwunden angesehen, und als
maßgebliche Zäsur galt dabei neben der Aufklärung vor
allem der Westfälische Frieden. Die Aufklärung wurde aus
kulturwissenschaftlicher Perspektive als Zäsur
angenommen, die politische Historiographie stellte dafür
den Westfälischen Frieden ins Zentrum.
Bis vor kurzem ist, jedenfalls in der westlichen Welt, der
Prozess der Säkularisierung als eine Entwicklung betrachtet
worden, hinter die es kein Zurück mehr gebe. Das hat lange
den Blick darauf verstellt, dass Religion und Politik abermals
Verbindungen eingegangen sind, die Gewalt befördern.
Dieser Vorgang ist nicht auf die arabisch-muslimische Welt
beschränkt geblieben, sondern lässt sich durchaus auch in
christlichem oder jüdischem Zusammenhang beobachten; als
Treiber politischer Konflikte wirkt die Religion jedoch am
stärksten im Islam, wobei der arabische Raum derzeit im
Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. [9]
Die definitive Zäsur, die der Dreißigjährige Krieg im west-
und mitteleuropäischen Selbstverständnis bildet, ist also
nicht zu einer globalen Zäsur geworden. Der ungeordnete
Krieg, bei dem Religions- und Bürgerkrieg, Staaten- und
Hegemonialkrieg, «kleiner Krieg» und «großer Krieg»
ineinander verwoben sind, gehört nicht ein für alle Mal der
Vergangenheit an, sondern ist zum Begleiter unserer
Gegenwart geworden. Das ist die eine Perspektive, aus der
heraus die Aktualität des Kriegstypus von 1618 bis 1648
betrachtet werden kann. Sie beruht auf einer strikt
eurozentrischen Sicht, die den Verlauf der west- und
mitteleuropäischen Geschichte zum verbindlichen Maßstab
der Weltgeschichte macht. Eine alternative Perspektive, die
eine solche Eurozentrik vermeidet, kann auf die von Ernst
Bloch geprägte Formel von der «Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen» zurückgreifen, mit der die Vorstellung
eines einsinnigen geschichtlichen Fortschritts relativiert und
die Idee der Irreversibilität des einmal Erreichten gestrichen
wird. [10]
Denjenigen, der die politische Welt gemäß Blochs Formel
betrachtet, kann die Ausbreitung von Kriegen nach dem
Strukturmodell des Dreißigjährigen Krieges eigentlich nicht
überraschen. Die Vorstellung von der Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen lässt sich nutzen, um das, was der
Vergangenheit angehört, also gut erforscht und vielfältig
beschrieben worden ist, zum Verständnis der Gegenwart und
der Zukunft einzusetzen. Prognosen, die auf einer historisch-
vergleichenden Herangehensweise beruhen, sind nicht
durch große Zahlenmengen und deren Extrapolation in die
Zukunft gedeckt, sondern versuchen, zukünftige
Entwicklungen durch Analogien zu Ereignissen der
Vergangenheit zu plausibilisieren. Das setzt voraus, dass die
Zusammenhänge der vergangenen Ereignisse nicht völlig
kontingent waren, sondern Strukturmustern folgten, die mit
gewissen Variationen in der je zur Debatte stehenden
Gegenwart wiederkehren.
In einer berühmten Passage aus der Vorrede seiner
Rechtsphilosophie hat Hegel sich skeptisch über die
Möglichkeit geäußert, das Zukünftige gedanklich
vorwegzunehmen. Zugleich sprach er über eine Anleitung
politischen Handelns und Gestaltens durch Philosophie und
Wissenschaft: «Um noch über das Belehren, wie die Welt
sein soll, ein Wort zu sagen, so kommt dazu ohnehin die
Philosophie immer zu spät. Als der Gedanke der Welt
erscheint sie erst in der Zeit, nachdem die Wirklichkeit ihren
Bildungsprozess vollendet und sich fertig gemacht hat. […]
Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine
Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau lässt
sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der
Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung
ihren Flug.» [11] Wenn nun aber tatsächlich die alt
gewordene, infolge ihres Alters indes gut zu erkennende
Gestalt des Lebens in junger Gestalt wiederkehrt, dann hat
vielleicht nicht «die Philosophie», wohl aber die politische
Geschichte eine Chance, zum Belehren nicht grundsätzlich
zu spät zu kommen.
Schließlich sollte die Funktion des kollektiven
Gedächtnisses nicht unterschätzt werden. So viel von den
Ursachen und Gründen des Dreißigjährigen Krieges auch in
Vergessenheit geraten ist, darf man doch nicht übersehen,
dass historische Analogien und Parallelen, wenn man sie
nicht explizit macht, immer wieder uneingestanden und
unbemerkt ins Spiel kommen. So wirken sie unreflektiert auf
die Wahrnehmung und Beurteilung von Herausforderungen
ein, die sich der üblichen sozialwissenschaftlichen
Prognostik entziehen. Auch deshalb soll der Dreißigjährige
Krieg hier offen als Analysefolie für die gegenwärtigen
Kriege genutzt werden.
Die Kriege im Vorderen Orient und in
Nordafrika als neuer Dreißigjähriger Krieg
Die Frage, ob sich die auf den ersten Blick voneinander
unabhängigen Kriege im Vorderen Orient (die Bürgerkriege
in Syrien und im Jemen, der Krieg gegen den sich selbst so
bezeichnenden «Islamischen Staat» in Syrien und im
Nordirak, schließlich der Bürgerkrieg in Libyen) sowie die
Kriege auf dem afrikanischen Kontinent (von Somalia und
dem Sudan über Nigeria bis nach Mali) und der
Dreißigjährige Krieg in eine Analogie bringen lassen, führt
zunächst zu einer zentralen Frage der historischen
Forschung über den Krieg der Jahre 1618 bis 1648: der
nämlich, ob es sich dabei überhaupt um einen
zusammenhängenden und einheitlichen Krieg gehandelt
habe oder ob er erst von den Geschichtsschreibern des
19. Jahrhunderts dazu gemacht worden sei. So lautet einer
der Einwände der revisionistischen Historiographie gegen
das angeblich überkommene Bild des Dreißigjährigen
Krieges: «Alle größeren und kleineren Kriege», so etwa
Sigfried H. Steinberg, «die seit 1609 in dem einen oder
anderen Teil Mittel- und Osteuropas aufgeflammt waren,
wurden durch Waffenstillstands- oder Friedensverträge
beendet. Die Vergegenwärtigung dieser Reihe, vom
spanisch-holländischen Waffenstillstand des Jahres 1609 bis
zum Frieden zwischen Schweden und Dänemark im Jahre
1645, reicht an sich aus, um den Begriff eines einzigen
‹Dreißigjährigen Krieges› in Mißkredit zu bringen.» [1]
Tatsächlich beschreibt die jüngere Forschung den Krieg von
1618 bis 1648 zumeist als eine Abfolge von (mindestens) vier
Kriegen: dem böhmisch-pfälzischen Krieg von 1618 bis 1623,
dem niedersächsisch-dänischen Krieg von 1624 bis 1629,
dem schwedischen Krieg von 1630 bis 1634 und schließlich
dem schwedisch-französischen Krieg von 1634 bis 1648. [2]
Mit jeder dieser Etappen war eine räumliche Verlagerung
des Kriegsgeschehens verbunden. Dennoch hat sich die
Vorstellung durchgesetzt – und diese Sicht konnte auch von
der revisionistischen Geschichtsschreibung nicht abgelöst
werden –, dass dieser Krieg ein einziger
zusammenhängender Konflikt war, der bereits von den
Zeitgenossen als solcher wahrgenommen wurde. [3]
Bei der Beschäftigung mit der Frage, ob einzelne Kriege in
einem so ausgeprägten Zusammenhang miteinander stehen,
dass sie als ein einziger Krieg betrachtet werden können,
auch wenn dieser Krieg in unterschiedlichen Räumen
ausgetragen wird und unterschiedliche
Entwicklungsetappen aufweist, zeigt sich, dass nicht nur
frühere Kriege und deren historiographische Darstellung ein
«ferner Spiegel» gegenwärtiger Kriege sein können, sondern
dass dies auch umgekehrt gilt: Wir können durch die
Beobachtung der Kriege unserer Zeit etwas über die Kriege
der Vergangenheit lernen, das wir in dieser Weise sonst
vermutlich nicht sehen würden. Noch werden die Kriege in
Syrien und im Nordirak, im Jemen und in Libyen weitgehend
voneinander unabhängig betrachtet, wenngleich in ihnen
(vom sogenannten Islamischen Staat bis zu den
Interventionsmächten) dieselben Akteure eine Rolle spielen.
Wenn es gelingt, sie bald zu beenden und für jeden Konflikt
eine geeignete Friedensformel zu finden, wird man im
Rückblick späterer Zeiten wahrscheinlich von einzelnen
Kriegen sprechen, die zwar untergründige Verbindungen
hatten, aber doch eigenständig waren. Wenn es hingegen
nicht gelingt, die Kriege bald zu beenden, was im Fall des
Vorderen Orients und der Sahelzone wahrscheinlich ist, wird
eine spätere Historiographie voraussichtlich von einem
einzigen zusammenhängenden Krieg sprechen, der zwar an
verschiedenen Orten begonnen habe, dann aber durch seine
innere Dynamik und das Eingreifen weiterer Mächte immer
mehr zu einem einzigen Krieg zusammengewachsen sei.
Rückblickend dürfte das auch für den Dreißigjährigen Krieg
gelten: Wäre er 1620/21 mit der Niederschlagung des
böhmischen Aufstands beendet worden, so hätte er keine
dreißig Jahre gedauert und sich auch nicht mit den
europäischen Hegemonialkonflikten verbunden. Da der
Krieg jedoch immer weiterging, hat er wie ein großer
Magnet das gesamte Kriegsgeschehen in Europa auf sich
ausgerichtet. [4] Etwas Vergleichbares dürfte im Vorderen
Orient geschehen, wenn die Kriege in Syrien und im Jemen
nicht so schnell wie möglich beendet werden. Es sind nicht
zuletzt die Länder in den Randzonen eines politisch-kulturell
zusammenhängenden Raumes, die das Feuer am Lodern
halten. Insofern könnte Libyen, das eigentlich gar nicht zum
Nahen Osten gehört, eine «böhmische Rolle» zufallen.
Das «Zusammenerzählen» von Kriegen, die durch
Waffenstillstände oder Friedensschlüsse voneinander
getrennt und mitunter auch räumlich voneinander entfernt
sind, ist ein Integrationsakt der politischen Historiographie,
die für sich in Anspruch nimmt, damit eine tiefere Schicht
des Kriegsgeschehens herauszuarbeiten. Begründet hat
diese Art der Geschichtsschreibung der attische Historiker
Thukydides, der einzelne Kriegshandlungen zwischen Athen
und Sparta mit dem athenischen Ausgreifen ins westliche
Mittelmeer, der «sizilianischen Expedition»,
zusammengebracht und beides als einen einzigen, nahezu
dreißig Jahre währenden Krieg, den Peloponnesischen Krieg,
beschrieben hat. Sein Werk ist deswegen zunächst unter
dem Titel Xyngraphie, «Zusammenschreibung», überliefert
worden. [5] In Anlehnung an diesen Begriff haben dann auch
revisionistische Historiker gegen Friedrich Schiller
eingewandt, dieser habe, orientiert am Vorbild des
Thukydides, ein diffuses Kriegsgeschehen zwischen 1618
und 1648 unter der Überschrift Geschichte des
Dreißigjährigen Krieges «zusammengeschrieben». [6]
Tatsächlich hat Schiller aber, wie Konrad Repgen detailliert
gezeigt hat, [7] einen für den Krieg längst gebräuchlichen
Begriff aufgenommen, um ihn zu popularisieren und in der
historischen Vorstellungswelt des deutschen Bürgertums
fest zu verankern. Damit sich eine solche Deutung
durchsetzen kann, muss sie auf eine Öffentlichkeit treffen,
die sie als sinnfällig und plausibel empfindet. Das war hier
der Fall, nicht aber, um ein Gegenbeispiel zu nennen, bei
dem Versuch, die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts zu
einem weiteren «Dreißigjährigen Krieg»
zusammenzuerzählen. Wir sprechen nach wie vor vom
Ersten und vom Zweiten Weltkrieg sowie von einer
zwanzigjährigen Zwischenkriegszeit.

Was ist für den Vorderen Orient zu erwarten? Welche


Strukturanalogien lassen sich zwischen dem Dreißigjährigen
Krieg und den Kriegen im Nahen Osten beziehungsweise in
der Sahelzone beobachten? Und was bedeutet das für die
Chancen, in diesen Räumen Frieden zu erreichen?
Zu den Strukturanalogien zählt zunächst die
Unübersichtlichkeit der wechselnden
Bündniskonstellationen und Feindschaften, die typisch für
den Dreißigjährigen Krieg war. Wer eben noch Verbündeter
war, konnte morgen schon Gegner sein. Ähnlich verhält es
sich in den jüngsten Kriegen im Vorderen Orient. In beiden
Fällen agierten beziehungsweise agieren regionale
Großmächte aus dem Hintergrund heraus – im
17. Jahrhundert sind vor allem Spanien und Frankreich zu
nennen, heute die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran. Das
reicht von Legitimitätserklärungen und der finanziellen
Unterstützung einer der Kriegsparteien bis zur Entsendung
von Freiwilligenverbänden und schließlich dem offenen
militärischen Eingreifen auf einem Kriegsschauplatz,
durchgängig ohne Kriegserklärung oder eine der
Formalitäten, die in der Westfälischen Ordnung dafür
vorgesehen waren. Die in das Geschehen involvierten
Mächte verhindern auf diese Weise, dass der Krieg
«ausbrennt», weil Kämpfer, Waffen und Munition ausgehen.
Das gilt seit Jahren für die Kriege im Vorderen Orient und
zunehmend auch für die der Sahelzone. In diesen Konflikten
wechseln die kämpfenden Gruppierungen immer wieder die
Fronten, und für Außenstehende ist kaum auszumachen, wer
gerade auf welcher Seite steht. Dasselbe haben bereits
zeitgenössische Beobachter in einigen Phasen des
Dreißigjährigen Krieges festgestellt, dessen Geschichte
unter anderem in einer nicht abreißenden Folge von
Bündniswechseln, Neutralitätserklärungen und
Wiedereintritten in den Krieg besteht. Unter diesen
Umständen halten sich auch heutige Betrachter und
Kommentatoren oft an das, was gleich bleibt: die
konfessionellen Frontlinien, die in ihrer tatsächlichen
Relevanz für den Krieg jedoch häufig überzeichnet werden.
Sie werden zu Orientierungszeichen, auch wenn die
politischen Akteure wechseln, die hinter diesen
Konfliktlinien stehen. Das war im Dreißigjährigen Krieg so,
und es ist nicht anders bei den Kriegen im Vorderen Orient,
wo der konfessionelle Gegensatz zwischen Sunniten und
Schiiten zur Orientierungslinie geworden ist. Der Blick auf
den Dreißigjährigen Krieg lehrt uns jedoch, dass diese
religiösen Gegensätze keineswegs die einzigen Konfliktlinien
sind, die eine Rolle spielen.
In den gegenwärtigen Kriegen des Vorderen Orients und
der Sahelzone verbinden sich religiöse beziehungsweise
konfessionelle Konflikte mit solchen, die sich um die
Machtverteilung im Innern eines Staates drehen, und dabei
ist nur schwer zu erkennen, welche Konfliktebene der
kriegsauslösende Faktor war und welche anschließend die
Situation verschärft hat. Auch in den Auseinandersetzungen
um die Hegemonie des Raumes spielen die
Religionskonflikte eine Rolle. Bei den innerstaatlichen
Konflikten haben wir es indes mit Konstellationen zu tun, in
denen die institutionellen Strukturen einer Machtbalance
fehlen, es keine verlässlichen Prozeduren des
Machtwechsels gibt und Einzelpersonen mit Hilfe ihrer
Familien und Clans eine schamlose Form von Bereicherung
praktizieren. Akteure wie Ernst von Mansfeld und Albrecht
von Wallenstein können in der Verbindung von Warlord und
Kleptokrat als Prototypen dieser modernen Akteure
angesehen werden. Der Widerstand gegen solche
Verhältnisse hat im Vorderen Orient und im Maghreb in
bewaffneten Aufständen, Sezessionsregimen sowie
politischen Massenbewegungen seinen Niederschlag
gefunden. In der Regel sind diese oppositionellen
Bewegungen aber in sich derart zerstritten, dass sie, wenn
sie erfolgreich sind, keine stabile Ordnung hervorzubringen
vermögen, sondern den nächsten (Bürger-)Krieg
gegeneinander beginnen. Das zeigt sich in Syrien und
Libyen, im Südsudan und in Somalia.
Der Aufstand der Niederlande und die Rebellion der
Böhmen, beide gegen die Herrschaft des Hauses Habsburg
gerichtet, waren im Vorfeld und zu Beginn des
Dreißigjährigen Krieges strukturanalog zu dem, was
inzwischen als «Arabischer Frühling» bezeichnet wird. Im
Fall des niederländischen Aufstandes führten politische und
geographische Faktoren dazu, dass der sich über achtzig
Jahre hinziehende Krieg weitgehend auf das Gebiet des
heutigen Belgiens und der Niederlande beschränkt blieb.
Freilich wurde er – unbeschadet der für den
nordwesteuropäischen Kriegsschauplatz ausgehandelten
Waffenstillstände – während der gesamten Zeit als
Kaperkrieg zur See ausgetragen, in dem um Handelswege
und Kolonialbesitz in Amerika und Südostasien gekämpft
wurde. Im Fall des böhmischen Aufstandes ließen sich die
beteiligten Mächte auf eine Ausweitung beziehungsweise
Verlagerung des Kriegsschauplatzes ein, und so verband
sich der böhmische Krieg mit vielen anderen Kriegen in
Europa, die schließlich zu einem einzigen Krieg
verschmolzen. Diese alternativen Verlaufsmodelle eines
Aufstandes gegen die bestehende Ordnung lassen sich auch
im Nahen Osten und in der Sahelzone beobachten: Während
der nun bald vier Jahrzehnte andauernde Krieg in Somalia
im Wesentlichen auf das Gebiet dieses Landes beschränkt
geblieben ist und nur in Form von Piraterie auf den
Indischen Ozean ausgegriffen hat, ist der Aufstand gegen
den Assad-Clan und dessen Anhänger in Syrien zum
Brennpunkt eines Krieges geworden, der die gesamte
arabische Welt erfasst hat.
Alle Kriege in der Sahelzone und im Vorderen Orient sind
entweder mit Auseinandersetzungen zwischen christlichen
und muslimischen Bevölkerungsgruppen verbunden, wie im
Sudan oder in Nigeria, oder werden durch das islamische
Schisma zwischen Sunniten und Schiiten angeheizt. Diese
religiös-konfessionelle Überformung der seit langem
bestehenden Konflikte zwischen unterschiedlichen
Produktionsweisen (Hirten gegen Bauern) oder der
Auseinandersetzungen um Macht und Teilhabe hat zu einer
folgenreichen Verfestigung von Feindschaften geführt.
Sobald eine Kriegspartei den Anspruch erhebt, im Besitz der
wahren Religion zu sein, wird nicht nur einer der üblichen
Konfliktverschärfer wirksam, sondern es werden auch alle
auf materieller Interessenabwägung beruhenden
Kompromisse als Voraussetzung der Kriegsbeendigung
blockiert. Der religiös-konfessionelle Gegensatz ist, wie
gezeigt, weder im Dreißigjährigen Krieg die alleinige
Konfliktursache gewesen, noch ist er das in den
strukturanalogen Kriegen der Gegenwart. Aber er sorgt
dafür, dass politisch lösbare Konflikte von einem Geist der
Unversöhnlichkeit erfasst werden, der keinerlei
Vermittlungs- und Ausgleichsebenen mehr kennt. Religiös-
konfessionelle Frontbildungen führen dazu, dass sich eine
durch völkerrechtliche Regelungen eingeschränkte
Gegnerschaft in bedingungslose Feindschaft verwandelt, bei
der jede Form von Grausamkeit und Gewalt zulässig ist. [8]
Kriegen vom Typus «Dreißigjähriger Krieg» ist eigen, dass
darin unterschiedliche Formen oder Intensitäten von
Feindschaft anzutreffen sind. So lassen sich zwischen 1618
und 1648 durchaus Formen konventioneller Feindschaft
beobachten, etwa wenn belagerte Städte kapitulierten und
die Verteidiger daraufhin mit Waffen und «in allen Ehren»
abzogen [9] oder wenn die in einer Feldschlacht gefangen
genommenen Soldaten umstandslos in die Regimenter des
Siegers eingegliedert wurden. Ebenso aber gab es Formen
absoluter Feindschaft, etwa bei der Eroberung der
Marienfestung oberhalb Würzburgs, als die Verteidiger von
den schwedischen Eroberern mit dem Zuruf getötet wurden,
man nehme Rache für das von kaiserlich-ligistischen
Truppen verübte Massaker bei der Eroberung Magdeburgs.
[10] Vor allem bei der Erstürmung von Städten kam es immer
wieder zu Massakern an deren Einwohnern – auch dann,
wenn diese sich nicht an den Kämpfen beteiligt hatten. Es
kommen jene Grausamkeiten hinzu, die nur durch Habgier
und Mordlust veranlasst waren und unabhängig vom
jeweiligen Glaubensbekenntnis alle betrafen, die einer
marodierenden Soldateska in die Hände fielen. Daneben gab
es aber immer wieder auch Gewaltakte, die sich speziell
gegen Repräsentanten der je anderen Konfession richteten:
gegen Mönche und Nonnen im einen und gegen
protestantische Pfarrer im anderen Fall. Jenseits der
Unterscheidung zwischen Kombattanten und
Nonkombattanten waren die Konfessionsvertreter Objekte
gesteigerter Feindschaft, und dies genügte als Lizenz zu
gesteigerter Grausamkeit. Letzteres ist auch in den Kriegen
des Nahen Ostens und der Sahelzone zu beobachten, wo die
Trennung von Kombattanten und Nonkombattanten etwa bei
der Belagerung und Eroberung von Städten gleichermaßen
aufgehoben wird und die Repräsentanten der anderen
Religion oder Konfession für etwas stehen, was im Namen
der Religion bekämpft wird.
Die Zuspitzung religiös-konfessioneller Unterschiede zu
Gegensätzen und deren Politisierung zu Feindschaften wird,
wie auch im Dreißigjährigen Krieg der Fall, in den Kriegen
des Vorderen Orients und der Sahelzone von
Hegemonialkonflikten überlagert, die infolge des
Niedergangs der herkömmlichen Vor- und Ordnungsmächte
an Schärfe gewonnen haben. Vor Beginn des Dreißigjährigen
Krieges war es die Schwäche der Habsburger durch den
«Bruderkrieg im Hause Habsburg», [11] die beim böhmischen
Adel die Vorstellung aufkommen ließ, sich der
habsburgischen Herrschaft entledigen zu können. Und
ebendiese Schwäche der Habsburger als Kaiser des Reichs
war es, die bei den pfälzischen Politikern die Vorstellung
nährte, man könne, wenn man nur entschlossen genug
vorgehe, die Machtverhältnisse im Reich umkehren und
einen Protestanten zum deutschen Kaiser wählen. Beide,
böhmische Adlige wie pfälzische Politiker, täuschten sich,
weil sie auf einen wiedererstarkten Selbstbehauptungswillen
des Hauses Habsburg stießen. Dabei spielten indes auch
kontingente Faktoren eine Rolle, etwa der Umstand, dass
Ferdinand II., der neue böhmische König und deutsche
Kaiser, tief vom Geist der Gegenreformation durchdrungen
war und eine Entschlossenheit und Handlungsbereitschaft
zeigte, die seinen Vorgängern Rudolf II. und Matthias
abgegangen war.
Die Strukturanalogie im Vorderen Orient liegt im
Niedergang Ägyptens, das die traditionelle
Hegemonialmacht des Raumes war, und im Scheitern des
Irak bei dem Versuch, diese Position zu übernehmen. Die
Instabilität des Nahen Ostens beginnt nicht erst mit dem
militärischen Eingreifen der USA gegen Saddam Hussein,
sondern bereits mit dem Reputationsverlust Ägyptens bei
den arabischen Staaten infolge des Friedensschlusses mit
Israel im Jahr 1978. Nach dem Camp-David-Abkommen war
die bisherige Hegemonialmacht desavouiert, und ihr Platz
war neu zu besetzen. Der Iraker Saddam Hussein machte
seinen Anspruch darauf geltend, indem er von 1980 bis 1988
gegen den Iran, eine nichtarabische Macht, einen
verlustreichen Krieg führte und danach die daraus
resultierenden Schulden durch die Besetzung und Annexion
Kuwaits zu kompensieren suchte. [12] Die
Weltordnungsmacht USA schritt ein, und nach der zweiten
amerikanisch geführten Intervention wurde der Irak als
geschlossener Staat und relevanter Politikakteur des
Raumes faktisch aufgelöst. Das Land wurde zum
Sammelraum für dschihadistische Gruppierungen, und das
so entstandene machtpolitische Vakuum führte dazu, dass
Saudi-Arabien begann, eine auf den Vorderen Orient
bezogene Hegemonialpolitik zu betreiben. Auch die Türkei
und der Iran, nahegelegene, aber der arabischen Welt selbst
nicht zugehörige Akteure, suchten zunehmend Einfluss auf
die politischen Konstellationen des arabischen Raumes zu
nehmen: der Iran als Schutzmacht der Schiiten und die
Türkei, als sie in neo-osmanischer Attitüde an ihre alte Rolle
einer Ordnungsmacht im Vorderen Orient anknüpfen wollte.
Diese machtpolitischen Umbrüche haben im Nahen Osten
den Boden für einen Krieg des Typs «Dreißigjähriger Krieg»
bereitet. Es war eine Kombination innerer Entwicklungen
mit Interventionen auswärtiger, aber raumnaher Mächte, die
das Entstehen eines solchen Krieges möglich gemacht
haben.
Mit den Bündniswechseln, die diese Veränderungen nach
sich zogen, veränderte sich auch die Position der
Weltmächte im Machtgefüge des Nahen Ostens. Zunächst
intervenierten die USA, in einigen Fällen eher verdeckt, in
anderen offen, wobei der Krieg von 2003, der mit dem Sturz
des Saddam-Regimes endete, das folgenreichste Eingreifen
war; dann suchten die Russen als Nachfolger der
untergegangenen Sowjetunion ihre verlorene geopolitische
Stellung zurückzugewinnen und stellten sich auf die Seite
des Assad-Regimes. Schließlich sahen sich auch die
Europäer, nicht zuletzt auf der Grundlage
menschenrechtlicher Erwägungen und in Reaktion auf
demonstrative Grausamkeiten und Massaker, dazu genötigt
einzugreifen. Wenngleich es ihnen darum ging, den Krieg
möglichst schnell zu beenden und dem Leiden der
Bevölkerung ein Ende zu bereiten, so haben sie doch, unter
anderem vermutlich aufgrund ihres unentschlossenen und
halbherzigen Auftretens, zur Verlängerung des Krieges
beigetragen. Der Typus «Dreißigjähriger Krieg» ist dadurch
gekennzeichnet, dass er von außen nur schwer zu beenden
ist und ein militärisches Eingreifen zumeist das Gegenteil
dessen bewirkt, was offiziell beabsichtigt ist.
Strukturanalogien
Betrachtet man die Interventionen auswärtiger Mächte und
deren Legitimation, so befindet sich der Westen im Vorderen
Orient in der Rolle Richelieus im Dreißigjährigen Krieg. Der
Kardinalpremier setzte lange auf indirekte Interventionen in
Form von Diplomatie und Subsidienzahlungen, weil er mit
eigenen Truppen in Deutschland nicht eingreifen wollte und
zunächst auch nicht konnte. [1] Sein Problem war, dass die
französische Gesellschaft gerade einen langen
konfessionellen Bürgerkrieg hinter sich hatte und die
Frontlinien in Deutschland genau umgekehrt zu denen im
eigenen Land verlaufen wären. Außerdem hätte ein direktes
militärisches Engagement genau den kriegsbefürwortenden
Teil der Hocharistokratie gestärkt, der Richelieu bei seiner
Politik einer Zentralisierung der französischen
Administration fortgesetzt Schwierigkeiten bereitete.
Schließlich kam hinzu, dass Frankreich zu dieser Zeit über
keine Armee verfügte, die den Truppen auf dem deutschen
Kriegsschauplatz gewachsen gewesen wäre. Indirekte
Interventionen hatten indes ihren Preis, und der bestand
darin, dass die französische Politik auf ihre Verbündeten nur
begrenzten Einfluss hatte und oft hinnehmen musste, dass
diese mit Hilfe französischen Geldes ihre eigenen Ziele
verfolgten. Das war so bei Gustav Adolf, als dieser sich auf
dem Höhepunkt seiner Macht befand, und es war abermals
so bei Bernhard von Weimar, der sich notorisch weigerte,
von seinem Heer gehaltene strategische Schlüsselpositionen
französischer Kontrolle zu unterstellen. [2] Indirekt in einen
Konflikt einzugreifen, birgt immer das Risiko, dass sich die
Unterstützten keineswegs als die getreuen
Erfüllungsgehilfen ihres Geldgebers herausstellen.
Diese Politikregel ist auch im Verhältnis «des Westens» zu
den Kriegen im Nahen Osten und in der Sahelzone zu
beobachten. So haben einige europäische Staaten, darunter
auch die Bundesrepublik Deutschland, Kurden für den
Kampf gegen den IS aufgerüstet und an den entsprechenden
Waffensystemen ausgebildet. Die kurdischen Einheiten aber
bekämpfen nicht nur den IS, sondern verfolgen auch das Ziel
eines eigenen Kurdenstaates, was wiederum keinesfalls im
Interesse des Westens liegt, weil das zu massiven türkischen
Reaktionen führen und eine weitere Konfliktlinie in den
ohnehin nur schwer überschaubaren Fronten des Krieges in
Syrien und im Nordirak schaffen könnte. Der Einsatz
europäischer Bodentruppen, bei dem es das Problem der
Verselbständigung nicht gäbe, kommt aber schon deswegen
nicht in Frage, weil die europäischen Gesellschaften
«postheroische» Gesellschaften sind, in denen eine
prinzipielle Aversion gegen militärische Interventionen
vorherrscht. Auch sind diese Gesellschaften nicht bereit, die
damit verbundenen Verluste eigener Soldaten zu tragen. [3]
Die halbherzige, auf Luftangriffe beschränkte Intervention in
Libyen, die zum Sturz Gaddafis, aber nicht zum Aufbau einer
neuen politischen und gesellschaftlichen Ordnung führte,
war die eine Folge dessen; die andere war der Verzicht auf
eine Intervention gegen das Assad-Regime in Syrien, als es
den Aufstand der Bevölkerung mit brutalsten Mitteln
niederschlug und sich daraus ein Bürgerkrieg entwickelte.
In den griff «der Westen» dann mit Luftangriffen gegen den
IS ein, entwickelte aber keine Vorstellung davon, wie das
Land wieder befriedet werden konnte. Die Bilanz der
westlichen Interventionen in beiden Kriegsregionen ist
insgesamt desaströs: Wo die Interventionen Wirkung gezeigt
haben, lief das eher auf die Verlängerung der Kriege als auf
deren Beendigung hinaus. Allein von ihren Ergebnissen her
betrachtet, war die russische Art des Eingreifens deutlich
effektiver als die des Westens.
Die vergleichende Betrachtung fördert insofern nicht nur
Strukturanalogien in den inneren Dynamiken zutage,
sondern zeigt auch Gemeinsamkeiten in den
Handlungsmustern externer Akteure. Da die Grenzen
zwischen internen und externen Akteuren oft fließend sind,
sollen hier als extern nur diejenigen bezeichnet werden,
deren Staatsgebiet oder Handlungszentrum eindeutig
außerhalb des Kriegsgebiets liegt. Für sie stellen
Intervention und Nichtintervention tatsächliche alternative
Optionen der Politik dar, was heißt, dass sie selbst und ohne
strukturelle Zwänge entscheiden, ob sie in die Konflikte
eingreifen oder sich heraushalten. Der englische Historiker
Geoffrey Parker hat mit Blick auf die Interventionsmächte
des Dreißigjährigen Krieges davon gesprochen, bei ihnen
hätten «Interventionisten gegen Isolationisten» gekämpft. [4]
In diesem Sinne waren Schweden, England, Frankreich und
in gewisser Hinsicht auch Spanien externe Akteure.
Die englischen Könige haben dabei trotz ihrer engen
verwandtschaftlichen Bindungen mit dem pfälzischen
Kurfürsten die größte Distanz gewahrt und sich, von der
Entsendung eines kleinen Truppenverbandes in der
Anfangsphase des Krieges und einigen Subsidienzahlungen
abgesehen, weitgehend aus dem Krieg herausgehalten. In
der zweiten Hälfte des Krieges hat König Karl I. sich vor
allem auf diplomatische Interventionen beschränkt, und
auch die gingen mit dem Beginn der Revolution Ende der
1630er Jahre zu Ende. Diese Politik der Nichtintervention ist
in Teilen der englischen Öffentlichkeit auf erhebliche Kritik
gestoßen: Die Puritaner etwa wünschten sich eine
nachdrücklichere Unterstützung der protestantischen Sache
auf dem Kontinent. Es handelte sich um jene Teile der
englischen Gesellschaft, die von den Stuart-Königen Abstand
nahmen und zum Träger des Widerstands gegen deren
Herrschaftsverständnis wurden. [5] Neben den
konfessionellen Sympathien dürfte bei der Präferenz für ein
Eingreifen zugunsten des pfälzischen Kurfürsten eine Rolle
gespielt haben, dass dieser als Verteidiger reichsständischer
Libertät auftrat, während die Habsburger als Vertreter einer
absolutistischen Politik galten, wie sie auch von den Stuart-
Königen betrieben wurde. Ob die Stuart-Könige durch eine
Militärintervention auf dem europäischen Kontinent die
revolutionäre Entwicklung im eigenen Land hätten
verhindern können, muss offen bleiben. Immerhin wurden
England, vor allem aber Schottland und Irland, zum
Rekrutierungsgebiet für Söldner, die auf dem deutschen
Kriegsschauplatz kämpften. [6] Die Söldner von den Inseln
spielten im Dreißigjährigen Krieg eine wichtigere Rolle als
die englische Politik. [7]
Den stärksten Gegensatz zu England bildet Spanien, das
sich schon vor dem Krieg im Oñate-Vertrag [8] eng an
Österreich gebunden hatte und auf die politische Einheit des
Hauses Habsburg, der Casa d’Austria, setzte. Ohne die
spanische Unterstützung hätte das Wiener Kaiserhaus in
entscheidenden Phasen des Krieges schlecht dagestanden.
Das beginnt mit der Entsendung wallonischer Söldner unter
dem General Bucquoy, die wesentlich an der Niederwerfung
des böhmischen Aufstands mitwirkten, und reicht bis zur
Schlacht von Nördlingen, die ohne den Zuzug der
spanischen Armee unter dem Kardinalinfanten Ferdinand
von den Kaiserlichen nicht gewonnen worden wäre. [9] Von
allen vier Großmächten hat sich Spanien am längsten in
diesen Krieg verstrickt. Dabei hat nicht nur die katholische
Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl des
Hauses Habsburg eine Rolle gespielt, sondern mehr noch
das Interesse, die spanische Hegemonie in Europa
aufrechtzuerhalten. Spanien ist unter den externen
Interventen der große Verlierer: Es konnte keines seiner
Kriegsziele erreichen, stattdessen hat es seine Ressourcen
erschöpft und wurde zuletzt von inneren Aufständen und
Sezessionsbewegungen in Portugal und Katalonien
geschwächt, die seine europäische Stellung endgültig
untergruben. [10]
Wenn England und Spanien das Paar der großen
Gegensätze bilden, so sind Frankreich und Schweden das
Paar der kleinen Gegensätze: Beide griffen in den Krieg ein,
und beide gehörten zu denen, die danach als Siegermächte
dastanden. Sie hatten ihre Ziele erreicht: Schweden die
Hegemonie über die Ostsee und die Kontrolle der östlichen
und südlichen Küstenregionen sowie, wenn man die
religionspolitischen Ziele einbezieht, die Rettung des
Protestantismus in Deutschland; [11] Frankreich die
politische Trennung der Wiener und der Madrider Linie des
Hauses Habsburg, die das definitive Ende des imperialen
Anspruchs der Habsburger bedeutete, dazu die
Eingliederung des Elsass in den französischen Staat, das
zum Sprungbrett für militärische Interventionen in den
süddeutschen Raum wurde. [12] Schweden und Frankreich
sind freilich auf recht unterschiedlichen Wegen zum Ziel
gekommen: Schweden, indem es alles auf die militärische
Karte setzte, weil es über keine anderen relevanten
Möglichkeiten verfügte; Frankreich durch den sukzessiven
und kombinierten Einsatz von diplomatischem Raffinement,
finanziellen Mitteln und schließlich eigenem Militär.
Schwedens Erfolg hing daran, dass seine Armeen erfolgreich
waren. Dagegen waren die eigenen Armeen, die Frankreich
in der Schlussphase des Krieges auf dem deutschen
Kriegsschauplatz einsetzte, nie so erfolgreich wie die der
Schweden. Den wenigen Erfolgen der französischen
Streitkräfte stehen mindestens ebenso viele Niederlagen
gegenüber, aber Frankreich konnte Niederlagen und
Rückschläge wegstecken, weil das Portfolio seiner
Machtsorten sehr viel gleichmäßiger bestückt war als das
der Schweden. Das Land im Norden spielte bei jeder
Schlacht Vabanque; Frankreich hingegen hatte stets so viel
in der Hinterhand, dass es eine Schlappe verschmerzen
konnte.
Schweden war sehr viel stärker als Frankreich darauf
angewiesen, dass ihm das Glück hold war, und wenn das
nicht der Fall war, wie beim Tod Gustav Adolfs auf dem
Schlachtfeld von Lützen, stand es sofort am politischen
Abgrund. Richelieu dagegen konnte sich darauf verlassen,
dass ihm das Glück schon irgendwann hold sein würde,
wenn er es mit diplomatischen Mitteln und finanziellen
Verlockungen umgarnte – und dafür hatte der
Kardinalpremier sehr viel Garn zur Verfügung. Richelieu war
kein strahlender Held wie Gustav Adolf, aber er musste es
auch nicht sein; Gustav Adolf wiederum musste glänzende
Erfolge auf dem Schlachtfeld erringen, und nur weil ihm das
gelang und die Generäle, die nach dem Tod des Königs an
seine Stelle traten, überwiegend fähige Strategen und
Truppenführer waren, erging es Schweden in diesem Krieg
nicht wie dem Dänenkönig Christian IV., der große
politische Ambitionen hatte und nach mehreren
militärischen Niederlagen froh sein konnte, ohne größere
Gebietsverluste aus dem Krieg herausgekommen zu sein. Die
französische Politik war weniger auf Risiko angelegt, und sie
konnte sich das leisten, weil sie nie wie die schwedische
darauf angewiesen war, Gelegenheiten und Chancen zu
erzwingen. Frankreich hat unter Richelieu den Platz
zurückgewonnen, den es zu Beginn des 16. Jahrhunderts
bereits innegehabt, aber infolge des konfessionellen
Bürgerkriegs eingebüßt hatte. Schweden dagegen tauchte
aufgrund seiner militärischen Erfolge wie ein Stern aus dem
Nichts auf und wurde dabei zum politischen Vorbild für
Preußen, das unter Friedrich II. einen ähnlichen Weg
gegangen ist. [13]
Der hier angestellte Vergleich zwischen den äußeren
Mächten mit Interventionsoption lässt sich auf die heutigen
Konflikte im Nahen Osten und in der Sahelzone nur bedingt
übertragen. Die politischen Konstellationen und die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind doch zu
verschieden. Die USA, die EU und Russland haben
allerdings ähnliche Möglichkeiten wie die beschriebenen
Akteure, und diese reichen von einer klugen oder auch nur
unentschlossenen Politik des Heraushaltens bis zum
entschiedenen Ausspielen der militärischen Karte, vom
geschickten Dosieren des Einsatzes der eigenen Macht, das
sich immer Rückzugspositionen offenhält, keine Risiken
eingeht, die man nicht verschmerzen könnte, und die
politischen Ziele über lange Zeitstrecken hin verfolgt, bis hin
zu einem Sich-verstricken-Lassen in ein Konfliktfeld, in dem
man über Jahre und Jahrzehnte hinweg seine Kräfte
verzehrt. Von England über Schweden und Spanien bis zu
Frankreich lassen sich diese Optionen am Dreißigjährigen
Krieg studieren. Die Analyse der Interventionen äußerer
Mächte zeigt eine einzige Abfolge von Warnschildern: Sie
mahnen gegenüber machtpolitischen Zielsetzungen, aber
auch gegenüber humanitären Absichten, so schwer das
manchmal zu ertragen ist, zu Vorsicht und Zurückhaltung;
sie weisen aber ebenso darauf hin, dass bloßes Heraushalten
und Nichthandeln mitunter ebenso riskant sein kann wie ein
Eingreifen in den Krieg.
Dabei ist ein wichtiger Unterschied zwischen dem 17. und
dem 21. Jahrhundert zu beachten: Aufgrund der veränderten
Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten ist die Welt
heute kleiner geworden, und Kriege, die räumlich weiter
voneinander entfernt sind als die in der Anfangsphase des
Dreißigjährigen Krieges, liegen heute sehr viel dichter
beieinander. Die viel zitierte Vorstellung, die der Bürger im
Osterspaziergang aus Goethes Faust formuliert, gilt heute
nicht mehr: «Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und
Feiertagen, / Als ein Gespräch von Krieg und
Kriegsgeschrei, / Wenn hinten, weit, in der Türkei, / Die
Völker aufeinanderschlagen. / Man steht am Fenster, trinkt
sein Gläschen aus / Und sieht den Fluß hinab die bunten
Schiffe gleiten; / Dann kehrt man abends froh nach Haus, /
Und segnet Fried und Friedenszeiten.» [14] Diese Sicht eines
nur auf seine eigene Behaglichkeit achtenden Bürgers war
bereits am Ende des 18. Jahrhunderts überholt. Schon im
Dreißigjährigen Krieg spielten die Kriege der Türken gegen
die Perser für die militärische Handlungsfähigkeit des
Kaisers eine entscheidende Rolle, denn wenn der Sultan,
weil im Südosten seines Reiches Friede herrschte, seine
Aufmerksamkeit dem Balkan zuwandte, konnte der Kaiser
auf den Kriegsschauplätzen in Mittel- und Westeuropa nicht
so agieren, wie er das sonst hätte tun können. Aber das
waren geostrategische Fragen, mit denen sich damals allein
die politisch-militärische Elite beschäftigte. Das ist heute
anders.

Neben den vier äußeren Interventen und Nichtinterventen


zeigt die geopolitische Analyse des Dreißigjährigen Krieges
eine weitere Gruppe von Akteuren, die in den Krieg sehr viel
stärker involviert waren, weil sein Ausgang für sie
unmittelbare politische Folgen hatte. Zu nennen sind die
Niederlande und Dänemark sowie Polen und Siebenbürgen.
Das eine Gegensatzpaar bilden Polen und Siebenbürgen:
Polen hat sich aus dem Krieg weitgehend herausgehalten,
[15] und die in Polen regierende ältere Linie des Hauses
Wasa verzichtete auch darauf, den vorherigen Krieg gegen
die jüngeren Wasa in Schweden wiederaufzunehmen, um die
Bindung der schwedischen Militärmacht an den deutschen
Kriegsschauplatz auszunutzen. [16] Einige Male hatte es den
Anschein, als wolle Polen einen Krieg gegen Schweden
beginnen, aber dann sorgten Richelieus Diplomaten dafür,
dass der schwedisch-polnische Waffenstillstand verlängert
wurde und die schwedischen Kräfte uneingeschränkt gegen
den Kaiser eingesetzt werden konnten. Dagegen führte
Bethlen Gábor, der calvinistische Fürst von Siebenbürgen,
dessen Herrschaftsgebiet unter der Oberhoheit des
Osmanischen Reichs stand, auf eigene Faust Krieg und fiel
immer wieder in Ungarn ein. Mehrere Male stießen seine
Truppen bis nach Wien vor und versetzten die Stadt in Angst
und Schrecken. Aber Bethlens leichte Reiter waren
strategisch nur im Verbund mit anderen Waffengattungen zu
gebrauchen, und über die verfügte der Woiwode von
Siebenbürgen nicht. Die regelmäßigen Vorstöße Bethlens
sorgten zwar für große Aufregung, blieben für den
Kriegsverlauf aber folgenlos. Obwohl Polen und
Siebenbürgen eine geradezu entgegengesetzte Politik
verfolgten, hatten beide tendenziell den gleichen Einfluss
auf den Krieg in Deutschland – keinen.
Das war anders im Fall der Niederlande und Dänemarks.
Für die nördlichen Niederlande, die sich im Verlauf des
antispanischen Aufstands zu einem eigenständigen
Staatswesen entwickelt hatten, war die politische und
militärische Entwicklung in Deutschland von existenzieller
Bedeutung. Schon vor dem Krieg standen die Niederländer
in einem engen Verhältnis zu den pfälzischen Kurfürsten,
und nach dem Scheitern Friedrichs V. in Böhmen waren sie
sein letzter zuverlässiger Bündnispartner, von der
Finanzierung der Söldnerheere Friedrichs bis zur
Einrichtung eines Exilhofs für ihn im Haag. [17] Die
Niederländer waren einer der wichtigen Finanziers des
Krieges; gleichzeitig achteten sie aber sehr genau darauf,
dass sie nicht militärisch in ihn verwickelt wurden, und
stellten ihren Verbündeten keine eigenen Truppen zur
Verfügung. Deswegen widerstanden Kaiser und Liga den
Spaniern, als diese darauf drängten, den Krieg in
Deutschland auf die Niederlande auszuweiten. Tilly forderte
eine militärische Intervention in den Niederlanden, doch
Kurfürst Maximilian untersagte seinem General ausdrücklich
den Vorstoß über den Rhein in niederländisches Gebiet. [18]
Die Folge war, dass beide Kriege weitgehend voneinander
getrennt blieben. Maximilian und Ferdinand dürften mit
ihrer Zurückhaltung richtig gelegen haben: Sie wollten eine
Ausweitung des Krieges vermeiden, weil sie fürchteten, dass
sie gerade dadurch die Formierung einer «protestantischen
Internationale» zum Schutz der Niederlande bewirken
würden.
Im Unterschied zu den Niederlanden hat sich Christian IV.
von Dänemark offen in den Krieg in Deutschland
eingemischt und ist für zwei Jahre zur Kriegspartei
geworden. Er hat also eine ganz andere Politik betrieben als
die Niederländer. Dafür gibt es mehrere Erklärungen. [19] Als
Herzog von Holstein war Christian Reichsstand und insofern
von den Entwicklungen in Deutschland unmittelbar
betroffen. Während in den Niederlanden die Stände die
Politik bestimmten und dabei Vorsicht und Umsicht walten
ließen, konnte sich Christian infolge seiner Einnahmen aus
den Öresund-Zöllen gegen die ablehnende Haltung der
Stände durchsetzen. Ausschlaggebend für seinen Entschluss
dürfte indes gewesen sein, dass die Politik im Haag und in
London ein protestantisches Bündnis schaffen wollte, in dem
der Schwede Gustav Adolf die militärische Führungsaufgabe
übernehmen sollte. Um das zu verhindern, stellte sich
Christian an die Spitze der neuen Kriegskoalition gegen den
Kaiser und zog in den Krieg. Dabei musste er dann eine
Reihe bitterer Niederlagen einstecken.
Die aus Polen und Siebenbürgen, den Niederlanden und
Dänemark bestehende Vierergruppe potenzieller Interventen
unterschied sich von der erstgenannten Gruppe dadurch,
dass es für sie schwerer war, sich aus dem Krieg
herauszuhalten, ohne Nachteile hinnehmen zu müssen.
Vollständig blieb nur Polen dem Krieg fern, aber auch dazu
musste es immer wieder durch die französische Diplomatie
sowie französisches Geld motiviert werden. Siebenbürgen
und Dänemark griffen militärisch offen in den Krieg ein,
wovon Bethlen Vorteile hatte, während Christian IV. dadurch
die dänische Position im Ostseeraum schwächte. Auf den
Kriegsverlauf haben beide nur geringen Einfluss gehabt.
Entscheidenden Einfluss genommen haben dagegen die
Niederlande, die bis zur Intervention Schwedens das
Zentrum des antikatholischen und antihabsburgischen
Widerstands waren und ihre reich sprudelnden
Finanzquellen dazu nutzten, den Krieg in Deutschland am
Laufen zu halten. Auch für die Analysen der gegenwärtigen
Kriege im Nahen Osten und in der Sahelzone muss dieser
Aspekt berücksichtigt werden: Die offen militärischen
Unternehmungen sind das eine, die verdeckten
Finanzströme, die den Krieg nähren, das andere. Die
Beschäftigung mit den Niederlanden als einem Spiritus
Rector des Krieges in seinem ersten Jahrzehnt zeigt, dass die
Analyse von Ursachen und Faktoren auf mehreren Ebenen
erfolgen muss und auch verborgene Einflussnahmen nicht
übersehen werden dürfen.
Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und den
gegenwärtigen Kriegen im genannten Raum lassen sich zwei
weitere Ähnlichkeiten ausmachen: das vermehrte Auftreten
von Gewaltakteuren, die nicht unter der Direktionsgewalt
eines Territorialstaats stehen, sowie die Entstehung großer
Flüchtlingsbewegungen, die teilweise auf systematische
Vertreibungen zurückgehen, mit denen bestimmte Gebiete
religiös vereinheitlicht werden sollen. Einige der Exilanten
nehmen das Schicksal der Vertreibung nicht hin, sondern
versuchen sich an deren Revision – entweder dadurch, dass
sie andere zur militärischen Intervention drängen, oder
indem sie in das Militär eines kriegsbeteiligten Staates
eintreten und dem Kriegsgeschehen eine besondere
Kompromisslosigkeit verleihen. Die Zunahme an
nichtterritorialen Kämpfergruppen und
Flüchtlingsbewegungen steht dafür, dass auch in dieser
Hinsicht die Ära der Westfälischen Ordnung zu Ende
gegangen ist und mit einer Rückkehr zu «vorwestfälischen»
Verhältnissen zu rechnen ist. Die Wiederkehr der
Condottieri in Gestalt von Warlords [20] ist ein untrüglicher
Indikator dafür.
Nach dem Grundsatz einer «Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen» könnte man schlussfolgern, die Kriege im
Vorderen Orient und in der Sahelzone seien Ereignisse, in
denen nachgeholt werde, was in Europa vor vier
Jahrhunderten stattgefunden habe. Dass dies so ist, lässt
sich nicht prinzipiell ausschließen. Auf den ersten Blick
könnte man den «Islamischen Staat» als ein Beispiel für die
Territorialisierung vagabundierender Kämpfer ansehen, die
aus dem arabischen Raum und aus Europa nach Syrien und
in den Nordirak gekommen sind, um dort den Kalifatsstaat
wiederzuerrichten. Es wäre möglich gewesen, politisch
darauf zu reagieren, indem man ihnen den Raum für dieses
Projekt überlassen, sie in die Probleme und Mühen eines
Staatsaufbaus involviert und so domestiziert hätte. Das hat
«der Westen» nicht getan, sondern sich für die Zerschlagung
des IS entschieden. War das womöglich ein Fehler?
Ein Vergleich zwischen den Söldnern des Dreißigjährigen
Krieges und den Kämpfern des IS kann zwei Argumente
dafür beisteuern, warum ein derartiges
Domestikationsprojekt im Fall des IS wohl nicht erfolgreich
gewesen wäre. Die Söldner des Dreißigjährigen Krieges
wollten ein Territorium erobern, durch das sie sich in die
soziopolitische Welt der damaligen Zeit eingliedern konnten:
der Anführer als Herzog, die Offiziere als landbesitzende
Edelleute und der Rest als Besitzer eines kleinen
Bauernhofs. Es handelte sich um eine Truppe auf der Suche
nach einem Gebiet, das die Chance zu sozialem Aufstieg bot.
Dieses Territorium war begrenzt, und man hatte nicht vor,
von dort aus die soziopolitischen Verhältnisse umzustürzen.
Im Gegenteil: Man praktizierte Umsturz in Form von
Eroberungen und Beutezügen, um einer zu werden, der so
war wie die andern.
Diese konservative Grunddisposition und die Begrenzung
des Raumes sind im Fall des islamischen Dschihadismus
jedoch nicht gegeben. [21] Territorialisierung läuft hier nicht
auf die Domestikation sozioökonomischer Vagabundage
hinaus, sondern wird zum Ausgangspunkt weiterer
Eroberungen, die bis weit nach Europa hinein ausgreifen
sollen. Außerdem haben, so das zweite Argument, die
dschihadistischen Kämpfer nicht zu den Waffen gegriffen,
weil sie darin eine probate Form des Gelderwerbs sehen wie
die Söldner des Dreißigjährigen Krieges, sondern sie folgen
damit einem ideellen Projekt, das sich nicht mit kleiner
Münze erledigen lässt. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil
der historisch-vergleichenden Methode: Sie fördert nicht nur
Ähnlichkeiten, sondern ebenso Unterschiede zutage und
zeigt, dass es im 17. Jahrhundert Wege zu einem Frieden
gegeben hat, die heute nicht mehr zu beschreiten sind. Auch
aus solchen Unterschieden – und nicht nur aus
Ähnlichkeiten – lässt sich für den Umgang mit den
Herausforderungen der Gegenwart lernen.
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Namenregister

Aa, Pieter van der (Verleger) 677


Abele, Johann Philipp (auch Abelin, Chronist) 378
Abu Hanieh, Hassan (Politikwissenschaftler) 819
Ackermann, Georg (kaiserlicher Obrist) 475, 478, 480f.
Adolf II. von Holstein 307f.
Adolf Friedrich I., Herzog von Mecklenburg-Schwerin 339,
428f., 521
Albert von Toerring-Stein (Bischof von Regensburg) 51
Albrecht VII., Erzherzog von Österreich (Sohn Kaiser
Maximilians II., Regent der spanischen Niederlande) 105f.,
112, 118, 128, 133f., 139, 163f.
Aldringen, Johann von (kaiserlicher General) 233, 298–300,
366, 388, 400, 404f., 515, 524, 530f., 545, 564, 581, 609f.,
614f., 621, 647f., 650
Amalie Elisabeth von Hanau-Münzenberg, Landgräfin von
Hessen-Kassel (Frau Wilhelms V. von Hessen-Kassel) 726,
753, 771f., 774, 781
Anholt, Johann Jakob, Graf von Bronckhorst-Batenburg
(kaiserlicher Feldherr) 213, 249, 327
Anna, Prinzessin von Preußen (Frau Kurfürst Johann
Sigismunds von Brandenburg) 117
Anna Maria Mauricia von Spanien (genannt Anna von
Österreich, Regentin von Frankreich) 741
Anne Geneviève de Bourbon-Condé
786
Antonie von Lothringen (Frau Johann Wilhelms von Jülich-
Kleve-Berg 104
Arnim-Boitzenburg, Hans Georg von (kaiserlicher und
später sächsischer General, Berater Johann Georgs I. von
Sachsen) 135, 339f., 348, 358–361, 390, 407–409, 411,
489, 498, 501, 507, 511, 524f., 549, 559, 561–563, 570,
582, 595, 609–614, 623f., 626, 648
Arundel, Thomas Howard Earl of (englischer Diplomat) 640,
665f.
Assad, Baschar Hafiz al- 830, 833, 835
August von Sachsen-Weißenfels (Sohn Johann Georgs I. von
Sachsen) 464f.
Augustinus, Aurelius (Theologe, Bischof von Hippo) 288
Avaux, Claude de Mesmes Graf d’ (französischer Diplomat)
756, 786
Aytona, Francisco de Moncada, Markgraf von (spanischer
Botschafter in Wien) 284, 395
Bandhauer, Zacharias (Probst) 475, 478, 480–485
Banér, Johan (schwedischer General) 498, 514, 566, 571,
582, 597, 604, 648, 669–676, 719, 727f., 751
Barudio, Günter (Historiker) 426f.
Bassompierre, François de (französischer Diplomat und
Marschall) 736
Baudissin, Georg von (schwedischer Obrist) 570f.
Baumhauer, Till Ansgar (bildender Künstler) 822
Bauschke, Bernd (Maler) 281
Bautru, Guillaume de, Graf von Serrant (französischer
Gesandter) 383f.
Beck (General in spanischen Diensten) 741–743
Bellin, Christian von (brandenburgischer Diplomat) 268
Bernardino da Siena (Franziskanermönch und Prediger) 230
Bernhard, Herzog von Sachsen-Weimar (General und
Heerführer) 489, 566, 571, 582f., 587f., 593–597, 599,
604f., 609, 615f., 631f., 645–656, 658f., 669f., 673, 675,
719, 721f., 725f., 728–738, 742, 749, 771, 834
Bethlen Gábor (Gabriel Bethlen von Iktar, Fürst von
Siebenbürgen, König von Ungarn) 126f., 130f., 153, 155–
157, 162f., 183, 243, 250, 255–257, 260, 264, 274, 291,
303f., 316–323, 376f., 770f., 840f.
Bireley, Robert (Historiker) 375
Bloch, Ernst (Philosoph) 824
Bocskay, Stefan (Fürst von Siebenbürgen) 89
Bogislaw XIV., Herzog von Pommern 362f., 428, 432–434,
601, 754f.
Bogislaw Philipp von Chemnitz (Schriftsteller, schwedischer
Diplomat) 598
Borch, Gerard ter (Maler) 785, 790
Braun, Georg (Theologe) 341
Braun, Louis (Maler) 583
Brecht, Bertolt (Schriftsteller) 546f., 671
Breuner, Hans Philipp (kaiserlicher Obrist) 179, 182, 307
Brézé, Marquis de (französischer Diplomat) 531–533
Bucquoy, Charles Bonaventure de Longueval, Graf von
(spanischer und kaiserlicher Feldherr) 146, 153, 155–157,
164, 166, 170–173, 178f., 236, 271, 836
Budowecz, Wenzel (böhmischer Adliger) 191
Burckhardt, Johannes (Historiker) 814
Burkhardt, Jacob (Kunsthistoriker) 642
Bürster, Sebastian (Zisterziensermönch) 555f.
Butler, Walter (kaiserlicher Obrist) 628f.
Caesar, Gaius Iulius 75, 285
Callot, Jacques (Graphiker) 223, 305, 641, 697–701, 703–
710, 822
Calvin, Johannes (Jean) (protestantischer Theologe) 65, 87
Camerarius, Ludwig (pfälzischer und schwedischer
Diplomat und Politiker, Berater Friedrichs I.) 84, 158–161,
236f., 577
Cappleri de Sulewicz, Kaspar (böhmischer Adliger) 191
Carafa, Carlo (päpstlicher Nuntius) 374
Caraffa di Montenegro, Girolamo (auch Negromonte,
kaiserlicher Feldherr) 255, 257
Carducci, Vincenzo (Maler) 228
Carretto di Grana, Francesco (kaiserlicher Obrist) 622
Cernin, Dionys (Hauptmann der Prager Burg) 191
Cesare II., Herzog von Guastalla 528
Cesare Borgia, Herzog von Valentinois (Sohn Papst
Alexanders VI.) 282
Charles de Valois, Herzog von Angoulême 383
Charnacé, Hercule-Girard de (französischer Diplomat) 390,
409f., 450, 530–533
Chigi, Fabio (päpstlicher Nuntius, später Papst
Alexander VII.) 747, 795, 800
Christian I. von Anhalt-Bernburg (Statthalter der Oberpfalz)
83f., 93–98, 100f., 105f., 112f., 137, 160, 163, 166, 171–
176, 178f., 182, 236
Christian I. von Pfalz-Birkenfeld-Bischweiler (General) 604
Christian II., Kurfürst von Sachsen 116
Christian II. von Anhalt-Bernburg 179
Christian IV., König von Dänemark und Norwegen, Herzog
von Holstein 133, 205, 241, 243, 248, 264–269, 275, 291–
299, 302–304, 307, 314, 316, 322, 324, 326–335, 337–342,
344, 346f., 359, 361, 363–372, 379, 381, 387, 390f., 418,
420, 423, 429, 441, 450, 466, 469, 527, 553, 601, 667,
763–769, 838, 841
Christian von Brandenburg-Bayreuth, Markgraf von
Kulmbach 93, 337
Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel (der «tolle
Halberstädter», Administrator von Halberstadt,
protestantischer Heerführer) 206–208, 210, 213–218, 220–
224, 226–231, 242–250, 255, 274, 280, 290f., 293–295,
324, 326, 328, 423, 458, 553, 730
Christian Wilhelm, Markgraf von Brandenburg
(Administrator von Magdeburg) 466, 472, 807
Christina, Königin von Schweden (Tochter Gustavs II. Adolf)
597
Clausewitz, Carl von (Kriegstheoretiker) 32, 35f., 426, 443,
511, 518f., 636, 676, 745
Collalto, Ramboldo Graf von (kaiserlicher General) 244,
250, 298, 362, 400–402, 404f., 419
Colli, Hippolyt von (pfälzischer Kanzler) 84
Colloredo-Waldsee, Rudolf Graf von (kaiserlicher General)
583f., 622, 648, 723
Coloma, Don Carlos (spanischer Feldherr) 108
Contarini, Alvise (venezianischer Diplomat) 350, 389, 786,
795
Conti, Torquato (kaiserlicher General) 418f., 431f., 452
Contzen, Adam (Beichtvater Maximilians I. von Bayern)
374f.
Córdoba, Gonzalo Fernández de (spanischer General,
Statthalter in Mailand) 199, 201f., 205, 208f., 212, 214,
217, 226–229, 231, 233, 397, 400
Crane, Johannes (kaiserlicher Diplomat) 792
Cratz von Scharffenstein, Johann Philipp (kaiserlicher Obrist,
später schwedischer General) 182, 650, 656
Crowne, William (Sekretär des Earl of Arundel, Chronist)
640
Damitz, Siegfried von (pommerscher Obrist) 432
Dampierre, Heinrich Duval Graf von (kaiserlicher General)
123, 156, 271
De Geer, Louis (Waffenfabrikant) 766f.
Desfours, Nikolaus (Nikolaus des Fours du Mont et
Athienville, kaiserlicher Obrist und General) 328
Deveroux, Walter (kaiserlicher Offizier) 629f.
Dicastus, Georg (utraquistischer Administrator) 159
Dickmann, Fritz (Historiker) 788, 790
Dietrichstein, Johann Balthasar von (kaiserlicher Politiker)
366
Digby, John (englischer Diplomat) 225
Diwald, Hellmut (Historiker) 278, 289f., 376, 619–621
Döblin, Alfred (Schriftsteller) 278, 286
Dodo zu Imhausen und Knyphausen (Obrist und
schwedischer General) 222, 249, 458f., 582f., 593, 610
Dohna, Achatius von (pfälzischer Rat und Amtshauptmann)
83f., 137
Dohna, Christoph von (Berater Christians I.) 83f.
Domenicus a Jesu Maria (Karmelitermönch) 178, 184
Droysen, Gustav (Historiker) 423, 432, 452, 463f., 471, 473,
521
Duch, Arno (Historiker) 648
Dyck, Anton van (Maler und Graphiker) 207, 310
Eberhard III., Herzog von Württemberg 667
Eggenberg, Hans Ulrich Fürst von (Präsident des Geheimen
Rates, Vertrauter Ferdinands II.) 72f., 270f., 539f., 617
Eleonora Gonzaga (zweite Frau Ferdinands II.) 394, 737
Elias (alttestamentarischer Prophet) 417
Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Kurfürstin von
Brandenburg (Schwester Friedrichs V.) 268
Elizabeth I., Königin von England 255
Enckevort, Adrian Graf von (kaiserlicher General) 733f.
Engelbert, Günther (Historiker) 773
Enghien, Heinrich II. von Bourbon, Prinz von Condé, Herzog
von (französischer Feldherr) 726, 740–743, 780f., 783
Ergang, Robert (Historiker) 16f., 31,
35
Erlach, Hans Ludwig von (Obrist und General) 731, 751
Esterházy, Nikolaus (Palatin von Ungarn) 319, 770
Eugen Franz von Savoyen (genannt Prinz Eugen) 348
Eynatten, Winand (Winnard) von (kurkölnischer Obrist)
222f.
Fabricius, Jacob (schwedischer Feldprediger) 592f.
Fabricius, Philipp (böhmischer Kanzleisekretär) 45–50
Fadinger, Stefan (Anführer des oberösterreichischen
Bauernaufstands) 306f.
Falkenberg, Dietrich von (schwedischer Obrist) 467, 470–
474
Federico II. Gonzaga, Herzog von Mantua und Montferrat
398
Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 72
Ferdinand II., Erzherzog von Österreich 103
Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
(vormals Ferdinand von Steiermark) 18, 25f., 34, 42–44, 53,
71–74, 90f., 97–101, 120, 122, 126–134, 136, 139–145,
155–157, 163f., 166, 168, 185–191, 193f., 196f., 203f., 214,
216, 224f., 232–240, 242–247, 250, 256, 260f., 263–265,
269–275, 277–287, 290, 292, 296, 298, 303, 306f., 309,
320–322, 327, 333, 340–346, 348f., 352–354, 361–379,
381–387, 389f., 393–401, 404–410, 413, 421, 423f., 427–
429, 431–433, 435–400, 444–450, 453, 459–464, 467, 473,
484–490, 497, 507, 510, 512–514, 517f., 521, 527–532,
536–541, 550f., 559–564, 576f., 580, 593–595, 603, 609–
611, 613, 615–617, 619–626, 629, 631–633, 635f., 645f.,
657f., 661–669, 678f., 697, 712, 715–720, 723f., 729, 737f.,
746f., 772, 774, 794, 803, 832, 839–841
Ferdinand III., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches,
König von Ungarn und Böhmen 376, 436–440, 635, 645–
647, 650, 661, 665, 667f., 675, 678f., 717–720, 724, 729,
737–739, 743, 747–756, 759, 762f., 769–771, 774–776,
779f., 783–790, 792–795, 797–800, 803, 806, 812–814
Ferdinand von Bayern, Kurfürst und Erzbischof von Köln
133f., 239, 263, 327, 530f., 678, 773
Ferdinand von Spanien und Portugal (auch Fernando,
«Kardinalinfant», Statthalter der spanischen Niederlande)
646–650, 665f., 675, 724–727, 740, 836
Fería, Don Gómez Suárez de Figueroa, Herzog von 614f.,
621, 645
Ferrante II. Gonzaga, Herzog von Guastalla 393f.
Feuquières, Manassès de Pas, Marquis de (französischer
Diplomat) 613f.
Findeisen, Jörg-Peter (Historiker) 579, 599
Fleming, Clas Larsson (schwedischer Admiral) 764, 766f.
Franck, Hans Ulrich (Maler und Graphiker) 30, 517, 709–
711, 822
Franz Albrecht, Herzog von Sachsen-Lauenburg 506, 758
Franz Karl, Herzog von Sachsen-Lauenburg 441–444, 466
Freytag, Gustav (Schriftsteller) 13–15
Friedrich I., Herzog von Württemberg 78
Friedrich II., König von Preußen 425, 838
Friedrich III., Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf 364
Friedrich III., Prinz von Dänemark und Norwegen 294, 366
Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz 94
Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz (als Friedrich I. König
von Böhmen, «Winterkönig») 85, 95f., 97f., 133f., 136–139,
141, 143–145, 158–164, 178, 182–186, 188f., 194, 196–
199, 202f., 205f., 208f., 213f., 217, 223–226, 230–234, 236,
238f., 250, 261f., 264, 267–270, 294, 303, 339, 382, 389,
423, 429, 436, 464, 524, 536, 552, 577, 603, 665, 806, 836,
840
Friedrich V., Markgraf von Baden-Durlach 206, 333
Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 63
Friedrich Heinrich (Sohn Friedrichs V.) 161, 262, 345
Friedrich Heinrich, Prinz von Nassau-Oranien (Statthalter
der Vereinigten Niederlande, kaiserlicher General) 411f.
Friedrich Ulrich, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel
206, 243, 245, 469
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 755f., 784
Friesenegger, Maurus (Pfarrvikar und Pfarrer im Kloster
Andechs) 533f., 553–557, 606, 783
Friis, Christian (dänischer Kanzler) 367
Fruewein, Martin (Teilnehmer des böhmischen
Ständeaufstands) 191
Fuchs von Bimbach, Hans Philipp (dänischer General) 296,
298–300, 328, 330–332
Fugger, Otto Heinrich Graf von (kaiserlicher Obrist und
General) 490f., 515, 524, 650
Fürstenberg, Dietrich von, Fürstbischof von Paderborn 216
Fürstenberg, Egon Graf von (kaiserlicher Obrist und
General) 158, 325, 335, 490, 498–501, 524
Furttenbach, Joseph (Chronist) 659
Gaddafi, Muammar al- 835
Gallas, Matthias (kaiserlicher General) 233, 388, 400, 404f.,
524, 564f., 580f., 610, 614, 616f., 623, 625–627, 631, 645–
649, 651, 654, 659f., 672, 720–728, 763, 765–767, 769–
771, 774–776, 779
Geleen, Gottfried von (kaiserlicher Feldmarschall) 781f.
Georg, Herzog von Braunschweig und Lüneburg 244f., 339,
570f., 582, 595, 604, 610
Georg II., Landgraf von Hessen-Darmstadt 63, 65f., 327,
444, 522–524, 560f.
Georg Friedrich, Markgraf von Baden-Durlach 93, 138,
205f., 208–212, 215, 223f., 333, 338f., 553, 667
Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 122, 186, 238,
268f., 298, 303, 366, 374, 410, 428, 433–436, 444, 454,
471f., 486–489, 511, 559f., 601, 626, 755, 772
Gerhardt, Paul (evangelischer Pfarrer und
Kirchenlieddichter) 686–689, 815
Gericke, Otto (später Otto von Guericke, Ratskämmerer von
Magdeburg) 481f.
Geyso, Johann von (hessischer Generalmajor) 781
Gideon (alttestamentarischer Richter) 417
Gindely, Anton (Historiker) 166, 238, 269, 313, 679
Ginetti, Marzio (päpstlicher Legat, Kardinal) 747, 749f.
Goethe, Johann Wolfgang von (Schriftsteller) 839
Gordon, John (Stadtkommandant von Eger) 628f.
Gottfried Graf von Oettingen 93
Gotthard, Axel (Historiker) 168, 286f., 666
Götz, Johann von (kaiserlicher Obrist und General) 589,
673, 723–725, 734f., 770, 776
Goya, Francisco de (Maler und Graphiker) 30
Gramont, Antoine III. de (französischer Marschall) 781f.
Gregor XIII. (Papst) 75f.
Gregor XV. (Papst) 233, 235
Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von (Schriftsteller)
29, 34f., 517, 557f., 607f., 690–697, 702f.
Gronsfeld, Jost (Jobst) Maximilian Graf von (kurbayerischer
General) 366f., 610, 725
Grotius, Hugo (Völkerrechtsautor, schwedischer Diplomat)
697
Grubbe, Lars (Sekretär Gustavs II. Adolf) 419f., 441f., 457,
466, 566, 601
Grün, Johann Christoph von der (kurpfälzischer Kanzler) 158
Grünbacher (Verwalter von Zwiespalten) 304f.
Gryphius, Andreas (Dichter) 682–686, 688
Guébriant, Jean Baptiste Budes de (französischer Marschall)
734, 773
Guthrie, William (Kriegshistoriker) 328, 330, 504, 581, 650,
670, 760
Gustav II. Adolf, König von Schweden 18, 27, 34, 36, 39, 59,
136, 205, 220, 253f., 264f., 268f., 285, 292, 314, 316, 337,
346,
357, 363, 369, 375, 379, 381f., 385, 389–392, 396, 405,
407–411, 413, 415–435, 439–445, 447–464, 466–469, 471f.,
483, 485–491, 493f., 496–501, 504–515, 517–527, 529–545,
547–556, 558–562, 565–567, 570–584, 586–589, 592–601,
603f., 607, 631, 633, 635, 638, 640, 646, 656, 660, 669–
674, 676, 682, 685, 709, 711–713, 716, 728, 731, 751f.,
758f., 776, 834, 838, 841
Häberlin, Carl (Maler) 416
Hagendorf, Anna Maria (Tochter Peter Hagendorfs) 689
Hagendorf, Melchert Christoff (Sohn Peter Hagendorfs) 689
Hagendorf, Peter (Söldner, zumeist in kaiserlichen
Diensten) 473f., 492–494, 546, 618, 689f.
Harrach, Karl von (Berater Ferdinands II., Schwiegervater
Wallensteins) 256f., 272f., 277, 299, 319
Harsdörffer, Georg Philipp (Dichter) 684f.
Hatzfeld, Franz von, Fürstbischof von Würzburg 515
Hatzfeld, Melchior von (Feldmarschall) 674–678, 724, 773–
779
Heberle, Hans (Chronist) 659
Hebron, Daniel (kaiserlicher Obrist) 289, 315, 453
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Philosoph) 824f.
Hein, Piet (auch Heyn, niederländischer Admiral) 345
Heinrich IV. (Heinrich von Navarra), König von Frankreich
26f., 84f., 95f., 105–107, 109f., 112, 120, 262, 382, 409
Heinrich V. von Knöringen (Bischof von Augsburg) 77f., 712
Heinrich Julius, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 205
Helmstatt, Pleickhard von (Obrist) 224
Henri d’Orléans, Herzog von Longueville (französischer
Diplomat) 787
Hepburn, John (schwedischer General) 497f.
Herberstorff, Adam Graf von (bayerischer Statthalter in
Oberösterreich) 168, 305–307, 312
Herodes 294f.
Herodot (Historiker) 54
Hitler, Adolf 18f.
Hobbes, Thomas (Politiktheoretiker) 520
Hoë von Hoënegg, Matthias (Theologe, sächsischer
Hofprediger, Berater Johann Georgs I.) 88, 135, 427, 462
Hogenberg, Franz (Kupferstecher) 341
Hohenlohe, Georg Friedrich Graf von (böhmischer General)
155, 160, 182
Holk, Heinrich (Henrik) Graf von (dänischer Obrist, später
kaiserlicher General) 564f., 570, 579–581, 584, 586, 595,
609f.
Hollar, Wenzel (Kupferstecher) 607
Homer (griechischer Epiker) 54
Horn, Gustav, Graf zu Björneborg (schwedischer General)
453f., 456, 488, 498, 500f., 534f., 550, 552, 566, 571, 582,
597, 604, 609, 615, 645–656, 675, 764, 766
Hubald, Christoph (schwedischer Obrist) 522
Huch, Ricarda (Schriftstellerin und Historikerin) 51, 53–55
Hulle, Anselm van (Maler) 447
Hus, Jan (Theologe) 47
Hussein, Saddam 832f.
Hyazinth von Casale (Federico Natta, Graf von Alfiano,
Kapuzinerpater, Gesandter Papst Gregors XV.) 235f., 240
Ilow, Christian von (kaiserlicher Feldmarschall) 564, 625,
627f.
Ingen, Ferdinand van (Literaturwissenschaftler) 683f.
Isabella Clara Eugenia von Spanien (Tochter Philipps II.,
Frau Erzherzog Albrechts VII., Regentin der spanischen
Niederlande) 240, 531, 641
Jakob I., König von England 84f., 94, 97, 112f., 136–138,
163, 199, 224–226, 237, 248, 261f., 264f., 267f., 836
Jakobe, Herzogin von Jülich-Kleve-Berg 103f.
Jessenius, Jan (Rektor der Prager Universität, Teilnehmer
des böhmischen Ständeaufstands) 191–193
Jesus Christus 50, 178, 216, 230, 401, 415, 417, 429, 447,
449, 497
Joachim Ernst, Markgraf von Brandenburg-Ansbach 93, 204
Johann II., Herzog von Pfalz-Zweibrücken (Vormund
Friedrichs V.) 94, 103–105
Johann VII., Graf von Nassau-Siegen 169
Johann VIII., Graf von Nassau-Siegen 397, 412
Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg-Güstrow 339,
428f., 521
Johann Casimir, Graf von Pfalz-Zweibrücken-Kleeberg 524
Johann Ernst I., Herzog von Sachsen-Weimar 293, 302, 304,
314–318, 323, 327, 443f.
Johann Friedrich, Herzog von Württemberg 93, 204
Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen (genannt Johann
Friedrich der Großmütige) 141
Johann Georg, Herzog von Jägerndorf 185–187, 315
Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen 72, 88, 132–136,
143–145, 185f., 188, 190, 194f., 214, 237f., 298, 366, 374,
389, 398, 428, 434, 436, 444–449, 454, 462–464, 471f.,
485–491, 496, 498, 500f., 506, 510–512, 523–525, 528,
540, 549, 559–561, 570, 579f., 600–602, 608f., 611f., 626,
635f., 660f., 663–665, 667, 674, 678, 724, 759, 775, 785
Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg 93, 110–113,
115–118
Johann Wilhelm IV., Herzog von Jülich-Kleve-Berg 100,
103f., 110, 117
Johannes (Verfasser der Offenbarung) 230f., 684, 714
Josua (alttestamentarischer Anführer) 417
Judas Makkabäus (alttestamentarischer Anführer) 417f.
Junkelmann, Marcus (Historiker) 519, 552, 565, 579
Justin von Nassau (niederländischer Admiral, Gouverneur
von Breda) 639–641
Kagge, Lars (schwedischer General) 648
Kampmann, Christoph (Historiker) 717f.
Karl I., König von England 138, 261f., 267, 291, 404, 664–
666, 836
Karl I. Ludwig, Kurfürst von der Pfalz (Sohn Friedrichs V.)
665, 806
Karl I. von Gonzaga-Nevers, Herzog von Nevers (Prätendent
im mantuanischen Erbfolgestreit) 393–398, 402, 406, 412
Karl IV., Herzog von Lothringen 515, 518, 524, 650, 697f.,
721–723, 726, 735f.
Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (als Carlos I.
König von Spanien) 29, 141, 392f., 465, 484
Karl Emanuel I., Herzog von Savoyen 127, 133–136, 148,
236, 396f., 400, 697f.
Karl von Burgau 103–105
Kepler, Johannes (Astronom und Mathematiker) 254f., 261,
350
Khevenhüller, Franz Christoph (kaiserlicher Diplomat und
Historiograph) 373
Kinský von Wchinitz und Tettau, Wilhelm Graf (böhmischer
Adliger) 613, 627–629
Klaj, Johann (Dichter) 684f.
Klein, Emil (Maler) 479
Klesl, Melchior (Kardinal, Bischof von Wien) 44, 51, 53, 67–
71, 86, 122–125, 308
Klitzing, Johann Kaspar von (sächsischer Obrist) 675
Klopp, Onno (Historiker) 384, 423f.
Kochler (Obrist im Dienst Christians von Braunschweig) 222
Kollmann, Josef (Historiker) 619f.
Koniecpolski, Alexander (polnischer Feldherr) 408
Königsmarck, Hans Christoph von (schwedischer General)
781, 797
Kraus, Andreas (Historiker) 141
L’Allemand, Friedrich (Fritz) Wilhelm (Maler) 123
L’Isle, Melchior Baron de (französischer Diplomat, Herr von
Hunnewald, St.
Hippolyte und Dangolsheim) 531–533
La Force, Jacques Nompar de Caumont, Herzog von
(französischer Marschall) 533, 725
La Valette, Jean Louis de Nogaret de (Kardinal,
französischer General) 725f.
Lamberg, Johann Maximilian Graf von (kaiserlicher
Diplomat) 792
Lamboy, Wilhelm Graf von (kaiserlicher General) 725, 773
Lamormaini, Wilhelm (Beichtvater Ferdinands II.) 142, 188,
374f., 377f., 384–387, 621
Lasne, Michel (Graphiker) 351
Lawis, Sewis von (kaiserlicher, später dänischer Obrist) 324
Lebzelter, Friedrich (sächsischer Rat und Gesandter) 240
Leopold V., Erzherzog von Österreich-Tirol, Fürstbischof von
Passau und Straßburg 115–120, 202, 206, 213f., 224, 231,
400f.
Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich, Fürstbischof
von Passau, Straßburg, Breslau und Olmütz (Sohn Kaiser
Ferdinands II.) 464–466, 759f., 763
Lerma, Francisco Gómez de Sandoral y Rojas, Herzog von
(Ratgeber Philipps III.) 110f., 127–129, 235
Leslie, Alexander (schottischer Feldmarschall) 674–677
Leslie, George (schwedischer General) 454
Leslie, Walter (kaiserlicher Offizier, stellvertretender
Stadtkommandant von Eger) 628f.
Leubelfing, August von (Page Gustavs II. Adolf) 589
Liechtenstein, Karl Fürst von (kaiserlicher Statthalter in
Böhmen) 187–190, 192
Lindlo, Thimar von (kurbayerischer General) 307f.
Lobkowitz, Diepold von (Grandprior des Malteserordens,
kaiserlicher Statthalter in Böhmen) 45f.
Lobkowitz, Polyxena von (Frau von Zdenko von Lobkowitz)
49
Lobkowitz, Zdenko von (Großkanzler des Königreichs
Böhmen) 45, 49
Logau, Friedrich von (Dichter) 448, 679–682
Lohelius, Johann (Erzbischof von Prag) 43
Lorentzen, Theodor (Historiker) 431
Lorenz, Angelika (Historikerin) 697
Ludendorff, Erich (deutscher General und Politiker) 286
Ludwig I., Graf von Erbach 521
Ludwig IV., Landgraf von Hessen-Marburg 63
Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darmstadt 63–67, 203f.,
214, 238, 241f., 327, 768
Ludwig XIII., König von Frankreich 27, 61–63, 67, 106, 351,
384–386, 389, 450, 531, 533, 697, 718f., 740f.
Ludwig XIV., König von Frankreich 27, 284, 741
Luise Juliana von Oranien-Nassau, Kürfürstin von der Pfalz
(Mutter Friedrichs V.) 137
Luther, Martin (Theologe und Reformator) 63–65, 87f., 195,
429f., 462
Lützow, Carl von (kaiserlicher Gesandter) 751, 756
Luyken, Caspar (Kupferstecher) 677, 762
Macdaniel, Dionysios (irischer Hauptmann) 629
Machiavelli, Niccolò (Politiktheoretiker) 142, 282, 375
Magni, Valeriano (Kapuzinerfrater) 278, 287
Mann, Golo (Historiker) 341, 545, 564, 579, 619f., 627
Mann, Thomas (Schriftsteller) 681
Mansfeld, Peter Ernst (II.) Graf von (General und
Kriegsunternehmer) 33f., 126, 136, 146–153, 157, 165,
167f., 171–173, 190, 194, 196, 198, 201f., 205, 208–210,
212–217, 222–224, 226–229, 231f., 236, 239, 242f., 245–
247, 250, 262f., 267, 269, 274, 280, 291, 293, 295–304,
313–323, 333, 423, 441f., 470, 537, 553, 730, 771, 829
Mansfeld, Wolf von (kaiserlicher General) 469
Mao Tse-tung (chinesischer Politiker und
Partisanenkriegstheoretiker) 167
Maria (Mutter Jesu) 50–52, 169f., 178, 184, 213, 230f., 256,
401, 417, 460f., 484f., 497, 546, 555
Maria Anna von Spanien (Frau Kaiser Ferdinands II.,
Schwester Philipps IV.) 261f., 737
Maria de’Medici, Königin von Frankreich (Frau Heinrichs IV.)
110, 113f., 120, 262, 384f., 409f., 657
Maria Eleonora von Brandenburg, Königin von Schweden
(Frau Gustavs II. Adolf) 268, 599f.
Marolles, Abbé Michel de (Kunstsammler, Übersetzer und
Essayist) 697–699, 702, 704f., 708
Marradas, Don Balthasar Graf (spanisch-kaiserlicher
General) 167, 257, 622
Marrazino, Rodolfo Giovanni (auch Graf Rudolf Morzin,
kaiserlicher Feldmarschall) 674f.
Marschalck, Levin von (deutscher Kanzler Christians IV.)
367
Marsin, Jean Gaspard Ferdinand Graf von (französischer
Feldmarschall) 781
Martines, Lauro (Historiker) 402f.
Martinitz, Jaroslaw von (böhmischer Statthalter) 41–43, 45–
51
Matthias, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 41–44, 46,
49, 52, 60f., 68–72, 100, 120–122, 124, 126–128, 130, 185,
216, 832
Maximilian I., Herzog, später Kurfürst von Bayern 34, 74,
78f., 82, 90, 97–101, 114, 116f., 122, 127–130, 132–134,
139–145, 164–166, 168, 170–173, 178f., 187f., 190, 193f.,
196–198, 219, 225, 233–240, 244, 247f., 260f., 263, 272,
274–276, 278, 280, 307–309, 311, 349, 364–366, 370, 374,
379, 389, 398, 440, 448f., 468, 485, 510, 513f., 518, 521,
528–534, 536–538, 540f., 545, 549–553, 556, 567, 581,
609, 616, 632, 635, 663f., 667, 678, 712, 715, 720–723,
743, 753, 783, 803, 841
Maximilian I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 392
Maximilian II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 60,
72
Maximilian III., Erzherzog von Inner- und Oberösterreich 72,
97f., 100f.
Mazarin, Jules (Kardinal, französischer Premierminister)
741, 743
Meggau, Leonhard Helfried von (kaiserlicher General) 179
Mehring, Franz (Historiker) 425
Meier, Christian (Historiker) 285
Melanchton, Philipp (protestantischer Theologe) 95
Melander, Peter, Graf zu Holzappel (hessischer, später
kaiserlicher General) 610
Melo, Francisco Manuel de (spanischer Generalkapitän)
740–742
Mercy, Franz von (bayerischer General) 672, 776, 780–783
Merian der Ältere, Matthäus (Kupferstecher und Verleger)
48, 54f., 175, 211, 221, 378, 476f., 501, 558, 652, 655, 677
Merode, Johann von (kaiserlicher Obrist und General) 401,
499f., 611
Merven, Hendrik van der (niederländischer Obrist) 231f.
Meulener, Pieter (Maler) 655
Mitzlaff, Joachim von (dänischer Rat und General) 304, 322,
333
Moltke, Helmuth von (preußischer Generalfeldmarschall) 13
Monro, Robert (schottischer Obrist in dänischen und
schwedischen Diensten) 329, 359–362, 450, 457–459,
491f., 495f., 500f., 516, 519, 575f., 578f.
Montecuccoli, Raimondo Graf (kaiserlicher General) 672,
678
Morelles, Cosmas (katholischer Theologe) 376
Moritz, Kurfürst von Sachsen 141
Moritz, Landgraf von Hessen-Kassel (genannt Moritz der
Gelehrte) 61–67, 93, 111f., 203f., 241f., 244, 269, 294,
326f., 774
Moritz von Nassau-Oranien (niederländischer Staatsmann
und General) 122, 139, 207, 226
Moses (alttestamentarischer Anführer) 430
Mund, Pros (dänischer Admiral) 768
Murad IV., Sultan des Osmanischen Reiches 348, 839
Mydlář, Jan (Prager Scharfrichter) 192f.
Napoleon I., Kaiser von Frankreich 286, 782f., 805
Niemann, Heinrich (Rittmeister Wallensteins) 628f., 631
Nietzsche, Friedrich (Philosoph) 20–22, 818
Öhman, Jenny (Historikerin) 718
Oldenbarnevelt, Johan van (niederländischer Staatsmann)
139
Olivares, Gaspar de Guzmán, Herzog von San Lucar de
Barrameda, Graf von (leitender Minister unter Philipp IV.)
25f., 106, 262, 349–351, 382–384, 388, 395, 528, 738f.
Oñate, Don Iñigo Veléz de Guevara, Graf von (spanischer
Diplomat) 71f., 122, 128f., 139f., 163f., 197, 238–240, 621f.
Oquendo, Antonio de (spanischer Admiral) 738f.
Orco, Ramiro d’ (Statthalter Cesare Borgias) 282
Ossa, Wolf Rudolf von (kaiserlicher Obrist und General) 524
Oxenstierna, Axel (schwedischer Reichskanzler) 381, 422f.,
441, 453–456, 460, 507, 548, 566, 571, 574, 579, 597–604,
611, 635, 646f., 656, 660, 667–670, 715–719, 727, 764
Oxenstierna, Johan Axelsson (schwedischer Diplomat) 787,
792
Paleologos, Margherita (Frau Federicos II. Gonzaga) 396
Pappenheim, Gottfried Heinrich zu (ligistischer und
kaiserlicher General) 308–313, 335–337, 364, 442f., 452f.,
467–470, 474f., 481f., 484, 493, 496–500, 504, 514, 524,
534, 564f., 570f., 581, 584–588, 593–595, 597, 600, 606f.,
610, 622
Parker, Geoffrey (Historiker) 74, 835
Paul V. (Papst) 84, 127, 271
Pauw, Adriaan (niederländischer Gesandter) 785
Pázmány, Péter (Primas der katholischen Kirche in Ungarn)
376
Pechmann von der Schönau, Gabriel (kaiserlicher Obrist)
314–316, 318, 337f.
Pekař, Josef (Historiker) 619
Peñaranda, Gaspar de Bracamonte y
Guzmán, Graf von (spanischer Diplomat) 787
Père Joseph (François-Joseph Le Clerc du Tremblay de
Maffliers, Kapuzinermönch, Vertrauter von Kardinal
Richelieu) 263, 351, 439, 513, 636
Peters, Jan (Historiker) 492
Philipp I., Landgraf von Hessen (genannt Philipp der
Großmütige) 63–66
Philipp II., Landgraf von Hessen-Rheinfels 63
Philipp II., König von Spanien 25
Philipp III., König von Spanien 25f., 72–74, 105, 127, 138,
163f., 166f., 193,
195f., 234
Philipp IV., König von Spanien 25f., 196, 234, 240, 261f.,
383–386, 395f., 400, 528, 646, 665f., 717, 737–739, 791
Philipp Christoph von Sötern, Kurfürst und Erzbischof von
Trier und Speyer 263, 531, 658, 678, 748
Philipp Ludwig, Herzog von Pfalz-Neuburg 82, 93, 103–105,
115
Philipp Moritz, Graf von Hanau-Münzenberg 521
Philipp von Hessen-Kassel (Sohn von Moritz von Hessen-
Kassel) 331f.,
337
Piccolomini, Ottavio (kaiserlicher General) 252, 400, 404f.,
499f., 564f., 586, 594, 620–622, 625–628, 630f., 672, 722–
724, 758–760, 762f.
Pieroni, Giovanni (Architekt Wallensteins) 251f.
Piper von Minden, Heinrich (Obrist) 221
Plessen, Vollrad von (pfälzischer Geheimrat) 84
Plessner, Helmuth (Philosoph und Soziologe) 11
Polišenský, Josef (Historiker) 619f.
Press, Volker (Historiker) 60, 102
Puchheim, Adolf Graf von (kaiserlicher General) 770, 776
Pufendorf, Samuel (Rechtsphilosoph und Historiker) 279
Quadt von Wickrath, Matthias (Gesandter Bethlen Gábors)
304
Questenberg, Gerhard von (kaiserlicher Rat) 316, 345
Rákóczi, György (Fürst von Siebenbürgen) 770f., 776, 779
Ramsay, Jakob von (englischer, später schwedischer Obrist)
693
Ranke, Leopold von (Historiker) 316, 820
Rantzau, Detlev (dänischer Diplomat) 367
Rantzau, Heinrich (dänischer Diplomat) 367
Rantzau, Josias (General in französischen Diensten) 726
Rašín, Jaroslaw Sezyma (böhmischer Exilant) 561
Rasso (Frankenkönig) 554
Rauschenberg, Johann von (Amtmann von Jülich) 111–113
Ravaillac, François (Mörder Heinrichs IV.) 106, 110, 120
Rehlinger, Max Conrad von (Vertrauter Bernhards von
Sachsen-Weimar) 730
Reinicke, René (Maler) 594
Repgen, Konrad (Historiker) 789, 798, 800, 805, 828
Richel, Bartholomäus (bayerischer Gesandter) 621
Richelieu, Armand Jean du Plessis, Herzog von (Kardinal,
Premierminister Ludwigs XIII.) 26, 106, 262–264, 291, 349–
351, 379, 382–385, 388–390, 399f., 409f., 440, 449, 467,
512f., 530, 613f., 631, 636 656–658, 668, 716, 722f., 741,
743, 748, 834, 838, 840
Ritter, Moriz (Historiker) 57, 79, 82, 90, 116f., 142, 157,
161, 165, 170, 295, 313, 440, 446, 614
Rosacius, Johannes (Pfarrer) 191
Rosladin, Fritz Petrowitz (schwedischer General) 362
Roy, Gabriel de (spanischer Gesandter) 355f., 362
Rubens, Peter Paul (Maler) 638, 641–644, 647
Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 38, 52,
60–64, 66f., 75, 78f., 82, 89f., 100, 103–105, 110–112, 114–
117, 120, 185, 187, 832
Rudolf Maximilian von Sachsen-Lauenburg (kaiserlicher
General) 541f.
Ruepp, Hans Christoph von (bayerischer Rat) 366f.
Ruppa, Wilhelm von (Vilém von Roupov, Präsident des
Prager Direktoriums) 251
Ruthwen (Obrist, schwedischer Statthalter in Ulm) 550,
555f.
Ruytenburgh, Anna van (Frau Adriaan Pauws) 785
Rziczan, Paul von (böhmischer Adliger) 46
Saint-Étienne, Baron von (französischer Gesandter) 551
Salm-Kyrburg, Otto Ludwig von (dänischer General) 330
Salvius, Johan Adler (schwedischer Diplomat) 431, 512,
577, 719, 756, 787, 792
Savelli, Federigo (kaiserlicher General) 431f., 442, 452,
457, 729, 732–736, 742
Schauenburg, Hannibal von (kaiserlicher General) 366, 452
Schellard, Adam Wilhelm von (kaiserlicher General) 289
Schiller, Friedrich (von) 56–58, 286, 416, 618, 626f., 671,
827f.
Schilling, Michael (Germanist) 483
Schlang, Erich (schwedischer General) 760
Schlick, Heinrich Graf von (Präsident des kaiserlichen
Hofkriegsrats) 621
Schlick, Joachim Andreas Graf von (Anführer des
böhmischen Ständeaufstands) 41f., 135, 175, 182, 191,
339f.
Schmalhertz, Valentin (Drucker) 371
Schmidt, Georg (Historiker) 672
Schmitt, Carl (Staatsrechtler) 279f., 282f., 374
Schuch, Werner (Maler) 151
Schuchter, Bernd (Schriftsteller) 708
Schwarzenberg, Georg Ludwig Graf von (kaiserlicher
Gesandter) 353, 356
Schweikhard von Kronberg, Johann, Kurfürst und Erzbischof
von Mainz 90, 130, 133f., 204, 239f., 263
Scultetus, Abraham (reformierter Hofprediger) 162, 307
Senno, Giovanni Battista (auch Seni, Astrologe und
Vertrauter Wallensteins) 252, 627
Servien, Abel (französischer Diplomat) 786
Sibylla von Jülich-Kleve-Berg, Markgräfin von Burgau 108
Sigismund III. Wasa, König von Polen, Großfürst von Litauen
314, 346, 369, 390, 407f.
Sigismund von Luxemburg, Kaiser des Heiligen Römischen
Reiches 47
Sinclair, John (Obrist in dänischen und schwedischen
Diensten) 576
Skeel, Albert (dänischer Reichsrat) 367
Slawata, Wilhelm (böhmischer Oberstlandrichter,
kaiserlicher Statthalter) 41, 45–51, 189, 561, 621
Solms-Braunfels, Johann Albrecht von (Berater
Friedrichs V.) 133f.
Solms-Hohensolms, Hermann Wilhelm Graf von 331f.
Solms-Hohensolms, Philipp Reinhard Graf von 335f., 521
Solms-Laubach, Heinrich Wilhelm Graf zu 182
Sparr, Ernst Georg (kaiserlicher Obrist und General) 358
Sperreuth, Claus Dietrich von (kaiserlicher Obrist und
General) 733f.
Spinelli, Carlo (kaiserlicher General) 182
Spínola, Ambrosio (spanischer General) 122, 165f., 196,
199, 203f., 226, 229, 291, 411, 467, 639–641
Srbik, Heinrich Ritter von (Historiker) 619
Stålhandske, Torsten (schwedischer Obrist und General)
588, 675–677, 760
Stalmann, Johann (schwedischer Kriegsrat) 466
Steinberg, Jakob (Berater Gustavs II. Adolf) 487
Steinberg, Sigfried H. (Historiker) 16f., 31, 35, 826
Steinmeier, Frank-Walter (deutscher Politiker) 818f.
Sternberg, Adam von (böhmischer Oberstburggraf,
kaiserlicher Statthalter) 45f.
Stralendorff, Peter Heinrich von (Reichsvizekanzler unter
Ferdinand II.) 191
Straub, Eberhard (Historiker) 382f.
Stuart, Elisabeth, Prinzessin von England (Frau
Friedrichs V.) 94f., 97, 137, 160f., 185, 207, 217, 226,
230f., 243, 261
Suffren, Jean (Beichtvater von Maria de’Medici) 385
Sully, Maximilien de Béthune, Marquis de Rosny, Herzog
von (Berater Heinrichs IV.) 26f., 106
Taaffe, Patrick (Feldkaplan) 628
Teuffel, Maximilian (schwedischer General) 453f.
Teuffel, Wolf Matthias von (kaiserlicher General) 498
Thomas von Aquin (Theologe und Philosoph) 376
Thukydides (Historiograph) 53–56, 433, 827f.
Thurn, Heinrich Matthias Graf von (böhmischer Adliger,
General) 42, 46f., 49, 125, 155–157, 160, 168, 179, 182,
247, 614f., 694
Thurzo, Stanislaus (Palatin von Ungarn) 260
Tiefenbach, Rudolf von (kaiserlicher General) 179, 300, 524
Tilly, Johann Tserclaes Graf von (bayerischer
Generalleutnant) 39, 50, 98, 168–173, 176–179, 182, 190,
198, 202, 205, 208–215, 217–223, 230–233, 241–250, 254,
261, 267, 269, 274f., 280, 289–298, 302–304, 311, 314,
316, 322, 324–328, 330–335, 337–341, 349, 353f., 365–
367, 370f., 377, 397, 408, 441, 452f., 457–461, 467–470,
472–480, 483–491, 493–501, 504–506, 508f., 512–515,
518f., 522, 524, 530f., 534–550, 562, 566, 572, 587, 597,
607, 632, 638, 660, 709, 715, 728, 758,
841
Tilly, Werner Wenzel Graf von (Neffe von Johann Tserclaes
von Tilly) 249, 493
Torstensson, Lennart (schwedischer General) 457, 541,
543, 575, 582, 598, 670, 672, 676, 751f., 759–767, 769f.,
774–779
Tott, Åke (schwedischer General) 514
Trauttmansdorff-Weinsberg, Maximilian Graf von
(kaiserlicher Rat) 345, 452, 621, 623, 788, 790, 793–795,
802
Trčka, Adam Erdmann (kaiserlicher Feldmarschall) 564,
625–629
Treberes, de (kaiserlicher General) 548
Treitschke, Heinrich von (Historiker) 423
Tromp, Maarten (holländischer Admiral) 738f.
Tschernembl, Georg Erasmus von (Wortführer der Stände in
Oberösterreich) 251
Turenne, Vicomte de, Henri de La Tour d’Auvergne
(französischer Feldmarschall) 672, 776, 780–783
Ulfeldt, Jakob (dänischer Reichskanzler) 367
Urban VIII. (Maffeo Barberini, Papst) 26, 334, 398f., 406,
409, 422, 462, 475, 740f.
Velázquez, Diego (Maler) 291, 638–641, 644
Vere, Horace (englischer Obrist und General) 199, 201f.,
225, 232
Vincenzo II. Gonzaga, Herzog von Mantua und Montferrat
365, 387f., 393,
404
Vitzthum, Hans (Obrist) 532, 621, 675f.
Wahlbom, Carl (Maler) 592
Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius, Herzog von
Friedland, Mecklenburg und Sagan (Generalissimus der
kaiserlichen Armee) 25, 32f.,36, 39, 59, 98, 190f., 251–257,
260f., 270–293, 295–304, 313f., 316–322, 327f., 334f., 337–
372, 376f., 382, 384f., 389f., 394–396, 400, 402, 405–409,
411f., 418f., 421, 432, 435, 437–439, 441–443, 445, 449,
451f., 455, 460f., 465–468, 470, 484, 508f., 512–515, 519–
521, 526, 536–542, 547, 549–551, 556, 559, 561–567, 570–
578, 580–588, 590f., 593–596, 598–600, 603, 607–633,
638, 645f., 658–660, 665, 667, 669, 671–673, 676, 681f.,
685, 720, 723, 728, 761, 764, 769, 771, 799, 829
Wallies, Joachim von (auch von Wahl, kaiserlicher Feldherr)
493
Walmerode, Reinhard von (Hofkammerrat) 366f.
Waltz, Kenneth (Politikwissenschaftler) 24
Wambolt von Umstadt, Anselm Casimir, Kurfürst und
Erzbischof von Mainz 435, 444, 518, 531, 560f., 678
Wangler, Johann (kaiserlicher General) 493
Wartenberg, Franz Wilhelm Graf von, Fürstbischof von
Osnabrück und Regensburg 294, 297
Wedgwood, Cicely Veronica (Historikerin) 36, 166, 190,
193f., 295, 343, 449, 661f.
Wehler, Hans-Ulrich (Historiker) 17, 31, 35
Weingartner, Johannes (kaiserlicher Hofprediger) 621f.
Welser, Philippine (Frau Ferdinands II., Erzherzog von
Österreich) 103
Werth, Jan von (bayerischer General) 606f., 631f., 659,
720–722, 725, 728, 733f., 764, 776, 780–783
Wiederhold, Conrad (Obrist, Kommandant von Hohentwiel)
731
Wilhelm II., Kaiser des Deutschen Reiches 286, 425
Wilhelm IV., Herzog von Sachsen-Weimar 244, 443f., 488f.,
514, 566, 574
Wilhelm IV., Landgraf von Hessen-Kassel 62f.
Wilhelm V., Herzog von Bayern 98f.
Wilhelm V., Herzog von Jülich-Kleve-Berg 103, 117
Wilhelm V., Landgraf von Hessen-Kassel 327, 441, 443,
446, 467, 490, 514, 559, 561, 570f., 574, 610, 669, 673,
724–726, 772
Wilhelm VI., Landgraf von Hessen-Kassel 772
Wilhelm von Waldburg (Marschall und Reichsgraf) 104
Wilmersdorf, Cuno von (brandenburgischer Gesandter)
433–435, 448
Wiltheim, Gaspard (Jesuitenpater) 483
Winckel, Johann Georg aus dem (schwedischer Obrist) 711
Witte, Hans de (Bankier Wallensteins) 290, 452, 539
Wolf, Anton (hessisch-darmstädtischer Kanzler) 444
Wolff, Leonhard (kaiserlicher Soldat) 474f., 478
Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Herzog von Jülich-
Berg 105, 110–113, 115–118, 772f.
Wrangel, Carl Gustav (schwedischer Feldmarschall, später
Admiral) 674, 767
Zamoyski, Jan (polnischer Großkanzler) 255
Zeller, Christoph (Anführer des oberösterreichischen
Bauernaufstands) 306f.
Zúñiga, Don Balthasar de (spanischer Diplomat) 72f., 106,
127–129, 235
Zwingli, Huldrych (protestantischer Theologe) 66
Dank

Beim Schreiben dieses Buches stellte ich fest, dass ich mir –
und damit auch den Lesern – sehr viel mehr erklären
musste, als ich anfangs dachte. Dabei verdanke ich mancher
im späten 19. Jahrhundert verfassten Publikation mindestens
ebenso viel wie den jüngeren Forschungen. Das hat nicht
zuletzt damit zu tun, dass die älteren historiographischen
Arbeiten sich für Aspekte des Geschehens interessiert
haben, die in der neueren Forschung keine Rolle mehr
spielen. Letztere interessiert sich stärker für Strukturen als
für Abläufe und gibt deswegen dem Analytischen gegenüber
dem Narrativen den Vorzug. Da ich eine Verbindung von
beidem, der erzählenden Darstellung des Geschehens und
dessen analytischer Durchdringung, im Sinn hatte, war es
unerlässlich, nicht nur die jüngere Forschungsliteratur,
sondern auch die ausführlichen Darstellungen der älteren
Historiographie einzubeziehen. Bei der Beschaffung dieses
mehrere Bücherregale füllenden Materials war mir Hana
Rydza eine unentbehrliche Hilfe. Ohne ihr Engagement und
ihre Zuverlässigkeit wäre manches nicht möglich gewesen.
Ihr gilt mein herzlicher Dank.
Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die großzügige
Förderung durch die Carl Friedrich von Siemens Stiftung,
deren Geschäftsführer Prof. Dr. Heinrich Meier mir ein
einjähriges Siemens-Fellowship in München angeboten hat.
In der wunderbaren Umgebung der Schellingstraße hatte ich
die Chance, mich ganz auf die Niederschrift zu
konzentrieren. München, eines der politischen
Steuerungszentren des Dreißigjährigen Krieges, war der
richtige Ort, ein Buch über diesen Krieg zu schreiben. Wenn
es mir an Motivation fehlte, bin ich ein paar hundert Meter
zur Feldherrnhalle gegangen und habe mir den dort als
Statue postierten Tilly angesehen oder die daneben
befindliche maximilianische Residenz, deren Bau mit
Kriegsbeginn abgeschlossen worden war und die Gustav
Adolf, als er München besetzt hatte, so gut gefiel, dass er sie
am liebsten auf Räder gestellt hätte, um sie nach Schweden
zu schaffen. Manches aus München würde ich – bei
bescheideneren Wünschen – auch gerne mitnehmen, nicht
zuletzt die vorzüglichen Mittagessen in Jürgen Wolfsgrubers
«Sparkling Bistro» in den Amalienhöfen – um auch Brechts
«Fragen eines lesenden Arbeiters» zu beantworten. Vor
allem aber trage ich die Dankbarkeit für eine Situation
ungestörten Nachdenkens und Schreibens mit nach Hause.
Ich danke Heinrich Meier ganz herzlich dafür, dass er mich
als Fellow der Carl Friedrich von Siemens Stiftung
vorgeschlagen hat, und dem Stiftungsrat danke ich, dass er
diesem Vorschlag gefolgt ist. Mein Dank gilt auch Frau
Carola Schütt von der Siemens Stiftung für die aufmerksame
Sorge, mit der sie das Jahr in München begleitet hat.
Danken möchte ich zudem der Humboldt-Universität in
Berlin, seit einem Vierteljahrhundert der Ort meiner
akademischen Existenz, die mich für ein Jahr von meinen
akademischen Verpflichtungen entbunden hat. Dr. Felix
Wassermann hat mich in dieser Zeit vertreten; er hat das so
achtsam getan, dass mich die Berliner Fragen und
Angelegenheiten während der Arbeit am Buch kaum
erreichten. Dass in diesem Jahr die Dinge am Lehrstuhl
ihren geordneten Gang nahmen, verdanke ich in erster Linie
aber Karina Hoffmann, die in bewährter Umsicht dafür
gesorgt hat, dass ich mich in München nur um einen
Bruchteil der eingehenden Mails und Anrufe kümmern
musste. Die Aufgaben von Organisation und Kommunikation,
die inzwischen wohl die Hälfte der Arbeitszeit eines
deutschen Hochschullehrers einnehmen, wurden so von mir
ferngehalten. Ohne Karina Hoffmann als Hüterin meiner
Konzentration wäre das Buch nicht entstanden. Ihr gilt mein
herzlicher Dank, auch deshalb, weil sie meine Manuskripte,
die jeden Morgen in ihrem Faxgerät lagen, abgeschrieben
und die anschließenden Korrekturen eingearbeitet hat.
«Manuskript» ist in meinem Fall wörtlich zu nehmen: Ich
habe den gesamten Text mit dem Füllfederhalter
geschrieben. Ohne Karina Hoffmann wäre dieser Luxus des
Schreibens nicht möglich gewesen.
Weiterhin möchte ich dem Rowohlt . Berlin Verlag danken:
Einmal mehr hat Gunnar Schmidt die Entstehung dieses
Buches mit stets wachem Interesse begleitet, mich immer
wieder ermutigt und ermuntert. Das ist alles andere als
selbstverständlich. Für all das mein herzlicher Dank.
Vor allem aber gilt mein Dank meiner Frau
Prof. Dr. Marina Münkler, die mir im Werden des Buches,
und zwar in allen seinen Phasen, eine aufmerksame
Gesprächspartnerin war, die den Text gelesen, kritisiert und
verbessert hat, und sich davon auch nicht durch ihre
eigenen Verpflichtungen und Belastungen hat abhalten
lassen. Durch ihre sorgfältige Lektüre, den kritischen Blick
für Unschärfen wie unnötige Überspitzungen und nicht
zuletzt durch aufmunternden Zuspruch hat sie mir mehr
geholfen, als ich im Text durch Hinweise hätte kenntlich
machen können. Ihr ist das Buch gewidmet.
Bildnachweis

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Walford), 492 (Staatsbibliothek zu Berlin), 523
(Kunstbibliothek, SMB/Dietmar Katz), 568/569
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Collection), 752, 792, 813
Anmerkungen
1
Die Erinnerung an dieses inzwischen verblasste Trauma
findet sich noch in den Titeln populärer Kriegsdarstellungen,
etwa Milner, Gegen Land und Leute, oder Huf, Mit Gottes
Segen in die Hölle.
2
Plessner hat in seinem gleichnamigen Buch den Bezug zum
Dreißigjährigen Krieg selbst hergestellt, als er schrieb: «In
Europa gibt es drei große Völker, welche an der Entwicklung
des modernen Staatsbewußtseins seit dem 17. Jahrhundert
nicht teilgenommen haben: Spanien, Italien und
Deutschland. Denn in dem entscheidenden Zeitraum war das
Schicksal gegen sie.» Und als Begründung im deutschen Fall
hielt er fest: «Deutschland zerfiel in den Glaubenskämpfen,
in dem Gegeneinander der Fürsten und der Kaisermacht.» In
der Folge sei der Volksbegriff für das nationale
Selbstbewusstsein sehr viel wichtiger geworden als der
Staatsbegriff. (Die verspätete Nation, S. 58).
3
Zur dieser Bezeichnung vgl. Traverso, Im Bann der Gewalt,
S. 40ff.; kritisch dazu Münkler, Der Große Krieg, S. 10f.
4
Moltke, «Rede im Reichstag am 14. Mai 1890»; in: Stumpf
(Hg.), Kriegstheorie und Kriegsgeschichte, S. 505.
5
Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Bd. 3,
S. 227.
6
Ebd., S. 227f.
7
Zu Gustav Freytag vgl. Hahn/Oschmann (Hgg.), Gustav
Freytag (1816–1895), passim.
8
Dazu Hahn, «Gustav Freytag und die bürgerliche Lebenswelt
des 19. Jahrhunderts»; in: Hahn/Oschmann (Hgg.), Gustav
Freytag, S. 13–29.
1
Ergang, The Myth of the All-Destructive Fury, passim.
2
Zur gängigen Berechnung von Kriegstoten vgl. Kolko, Das
Jahrhundert der Kriege, S. 95–110, insbes. S. 107ff.
3
Steinberg, The Thirty Years War; dt. Ausgabe Der
Dreißigjährige Krieg, S. 126–143.
4
Ebd., S. 7.
5
Ebd., S. 140f.
6
Vgl. das zusammenfassende Kapitel «Der Krieg und die
deutsche Gesellschaft» in: Parker, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 300–308.
7
Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 53f.
8
Ebd., S. 54. Die Fixierung auf den Dreißigjährigen Krieg, so
auch Manfred Jakubowski-Tiessen in dem Diskussionsband
Krisen des 17. Jahrhunderts, habe «lange Zeit den Blick
dafür verstellt, daß die Zeit von 1580 bis 1720 insgesamt
eine Zeit voller Spannungen und Erschütterungen gewesen
ist» (S. 7).
9
Wehler folgt den Zahlen Steinbergs, wenn er schreibt:
«Keineswegs sank die Einwohnerzahl des Reiches von ca.
16 Mill. im Jahre 1620 auf ca. 10 Mill. im Jahre 1650, wie
man es in der Literatur manchmal liest. Vielmehr schwankte
sie vermutlich um 15 Mill., zwischen 15 und 16 Mill. im
Jahre 1650.» (Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1,
S. 54) Dagegen resümiert Geoffrey Parker durchaus in
kritischer Absetzung gegen ältere Schätzungen: «Nach
neueren, weit vorsichtigeren Schätzungen lebten vor dem
Krieg im Heiligen Römischen Reich rund 20 Millionen
Einwohner, 16 bis 17 Millionen waren es bei dessen Ende,
das entspricht einer Einbuße von etwa 15 bis 20 Prozent.»
(Der Dreißigjährige Krieg, S. 303) Ganz ähnlich auch
Gerhard Schormann («Der Dreißigjährige Krieg 1618–1648»,
S. 269): «Die jüngste Schätzung für die Gesamtbevölkerung
geht von etwa 20 Millionen aus und von 16 bis 17 Millionen
bei Kriegsende, was einem Verlust von 15 bis 20 %
entspricht. Die verschiedenen, zumeist als ‹Pest›
bezeichneten Seuchen haben die mit Abstand größte Zahl an
Todesopfern gefordert. Dieser Tatbestand ist aber eine
Auswirkung des Krieges.» Dass der Krieg nach wie vor eine
geschichtspolitische Dimension hat, zeigt die heftige und
angesichts des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen in
Europa zweifellos überzogene Reaktion des Erlanger
Historikers Axel Gotthard auf die Thesen Steinbergs und
Wehlers: «Nein, Steinberg und Wehler haben nicht recht.
Der Dreißigjährige Krieg war der schlimmste Krieg der
Weltgeschichte.» (Der Dreißigjährige Krieg, S. 213) Für
jüngere Arbeiten zu den wirtschaftlichen, sozialen und
demographischen Folgen des Krieges vgl. u.a. Press,
«Soziale Folgen des Dreißigjährigen Krieges», S. 239–268;
Haan, «Prosperität und Dreißigjähriger Krieg», S. 91–118;
von Hippel, «Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitalter des
Dreißigjährigen Krieges», S. 413–448, sowie Theibault, «The
Demography of the Thirty Years War Re-revisited: Günther
Franz and his Critics», S. 1–21.
10
Stellvertretend für viele einschlägige Arbeiten sei hier
verwiesen auf Heer/Naumann (Hgg.), Vernichtungskrieg,
den wissenschaftlichen Begleitband zu der vom Hamburger
Institut für Sozialforschung veranstalteten Ausstellung über
die Verbrechen der Wehrmacht.
11
Paradigmatisch hierfür ist das Buch Der Brand von Jörg
Friedrich.
12
Zur Eigen-Fremd-Unterscheidung und deren Bedeutung für
das Selbstverständnis von Gesellschaften vgl. die Beiträge in
Münkler (Hg.), Furcht und Faszination.
13
Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen, S. 122f.
14
Eickhoff/Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht, S. 12–
21 sowie 153–180.
15
Vgl. Münkler, «Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie für
heutige Kriege», S. 47–51.
1
Als Vordenker dieser Bezeichnung im Sinne eines
Ordnungsmodells der internationalen Beziehungen sind
Waltz (Theory of International Politics) und Gilpin (War and
Change in World Politics) zu nennen.
2
Für eine prinzipielle Kritik an der verbreiteten Vorstellung
vom Westfälischen System vgl. Teschke, The Myth of 1648,
S. 13–45.
3
Dazu Barudio, «Der ewige Frieden von 1648», S. 57ff.
4
Mit dem Westfälischen Frieden ging zugleich die von der
spanischen Neuscholastik geprägte Epoche des Völkerrechts
zu Ende. Diese Epoche war stark durch naturrechtliche
Vorstellungen geprägt und wurde durch die
Herausforderung der «Neuen Welt» bestimmt. Mit dem
Westfälischen Frieden trat wieder die Regelung der
europäischen Probleme in den Mittelpunkt der
Völkerrechtsordnung. Das Jahr 1648 ist dabei freilich nur
eine gesetzte Zäsur, und so, wie sich das Staatensystem
schon in der Zeit davor entwickelt hat, ist auch der neuen
Völkerrechtsordnung ideenpolitisch vorgearbeitet worden,
insbesondere durch Hugo Grotius’ Schrift Vom Recht des
Krieges und des Friedens aus dem Jahre 1625; dazu Grewe,
Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 163ff. und 323ff.,
sowie Kimminich, «Die Entstehung des neuzeitlichen
Völkerrechts», S. 91ff.
5
Dazu ausführlich Kunisch, Staatsverfassung und
Machtpolitik, passim.
1
Waltz, Theory of International Politics, S. 114–116;
theoretisch weniger ambitioniert, dafür stärker an den
Wendungen und Konflikten der europäischen Geschichte
orientiert ist Dehio, Gleichgewicht oder Hegemonie.
2
Vgl. hierzu nach wie vor den brillanten Aufsatz von Alfred
Vagts «Die Chimäre des europäischen Gleichgewichts» aus
dem Jahr 1942.
3
Die heuristische Begrifflichkeit führt zu einer bestimmten
Fokussierung des Blicks, etwa wenn das, was Eduard Fueter
(Geschichte des europäischen Staatensystems) als
dynamische Veränderung eines in sich stabilen Systems
beschrieben hat, von Brendan Simms (Kampf um
Vorherrschaft, S. 37–80) als Ringen um Hegemonie
dargestellt wird.
4
Wie offen hierbei die Terminologie von Imperium und
Hegemonie ist, zeigt ein Vergleich zwischen meinem Buch
Imperien und Ulrich Menzels Die Ordnung der Welt:
Während für Menzel Imperialität gegenüber Hegemonie die
weichere Herrschaftsform ist, verhält es sich in meiner
Studie genau umgekehrt. Beide Arbeiten kommen oft zu
denselben Ergebnissen – freilich unter entgegengesetzter
Begrifflichkeit.
5
Zu Entstehung und Kampfweise der spanischen Tercios vgl.
Schwarz, Gefechtsformen der Infanterie, S. 100f., 120f. und
210ff., sowie White, «The Experience of Spain’s Early
Modern Soldiers», S. 1–38.
6
Dazu ausführlich Straub, Pax et Imperium, S. 44ff. und
109ff., sowie Elliott, «Foreign Policy and Domestic Crisis»,
S. 185ff.
7
Vgl. Parker, Der Aufstand der Niederlande, S. 184ff. und
248ff., sowie van der Lem, Die Entstehung der Niederlande
aus der Revolte, S. 95ff. und 139ff.
8
Dazu Hahlweg, Die Heeresreform der Oranier, sowie
Oestreich, «Der römische Stoizismus und die oranische
Heeresreform», S. 11ff.; weiterhin Schulze, «Die
Heeresreform der Oranier», S. 233–239.
9
Inzwischen hat sich für das Zeitalter der Glaubenskämpfe
der Begriff der Konfessionalisierung durchgesetzt, der den
Vorzug hat, gegenüber den kämpferischen
Begriffsprägungen beider Seiten Distanz zu ermöglichen;
vgl. Zeeden, Die Entstehung der Konfessionen; ders.,
Konfessionsbildung; Schmidt, Konfessionalisierung, sowie
Schilling, «Die Konfessionalisierung im Reich».
10
Zur antihabsburgischen Politik Urbans vgl. Wedgwood, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 168f., 214f. und öfter. Es fällt auf,
dass in der katholisch geprägten
Kirchengeschichtsschreibung das Problem zumeist
übergangen oder kleingeredet wird; vgl. etwa Schuchert,
Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 742f., sowie Tüchle,
Reformation und Gegenreformation, S. 192.
11
Zum Begriff des Religionskriegs vgl. Repgen, «Was ist ein
Religionskrieg?», S. 84–97, sowie Burkhardt,
«Religionskrieg», S. 681–687; vor allem Bireley, «The Thirty
Years War as Germany’s Religious War», S. 85–104.
12
Zu Idee und Begriff der Universalmonarchie allgemein
Bosbach, Monarchia Universalis, S. 35–63; zum
habsburgischen Projekt einer Universalherrschaft und der
dadurch provozierten Gegnerschaft vieler europäischer
Mächte ebd., S. 87–106.
13
Auch in Frankreich waren die konfessionellen Konflikte in
«feudale Konflikte», wie Mieck (Die Entstehung des
modernen Frankreich, S. 244ff.) sie nennt, verwoben, so
dass es auch in diesem Fall allzu einfach ist, die
Hugenottenkriege umstandslos als Konfessionskriege zu
bezeichnen. Zu den Folgen dieser Kriege für die politische
Handlungsfähigkeit Frankreichs vgl. ebd., S. 261–270.
14
Dazu Findeisen, Gustav II. Adolf von Schweden, S. 153ff.;
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 393–404; dagegen spielt
Barudio (Gustav Adolf, S. 560f.) diesbezügliche Äußerungen
des Königs herunter und meint, ein libertäres Kaisertum sei
für den König «politisch kaum erstrebenswert gewesen».
15
So auch Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 51ff.
16
Zur Bedeutung der Mitte in den geopolitischen Strukturen
Europas vgl. Simms, Kampf um Vorherrschaft, passim.
1
Vgl. dazu die ausführliche Schilderung des zweimaligen
Bauernaufstands in Oberösterreich bei Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 93–99 und 266–273.
2
Diese Dimension des Krieges ist vor allem von Herbert
Langer in seiner Kulturgeschichte des Dreißigjährigen
Krieges herausgestellt worden; Langer, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 103ff.
3
Zur Biographie Grimmelshausens und deren Spiegelungen in
der Gestalt des Simplicius vgl. Boehncke/Sarkowicz,
Grimmelshausen, insbes. S. 18ff. und 196ff.
4
Zu Theorie und Praxis des «kleinen Krieges» im
Westfälischen System vgl. Kunisch, Der Kleine Krieg,
passim.
5
Dazu Schulz (Hg.), Partisanen und Volkskrieg, sowie
Münkler (Hg.), Der Partisan.
6
Dazu Burschel, «Krieg, Staat, Disziplin», S. 640ff.
7
Vgl. hierzu Hans Schmidt, «Staat und Armee im Zeitalter des
‹miles perpetuus›», S. 213ff.
1
«Die Verwerfung des herkömmlichen Bildes des
Dreißigjährigen Krieges als einer fürchterlichen Katastrophe
gründet sich nicht auf die Entdeckung neuer Quellen,
sondern zur Hauptsache auf die Erfahrungen zweier
Weltkriege.» Steinberg, Der Dreißigjährige Krieg, S. 111.
2
Clausewitz, Vom Kriege, S. 210.
3
Dazu Mann, Wallenstein, S. 375ff.
4
Zum Zusammenhang von Militärwesen und Steuersystem
vgl. Stolleis, Pecunia nervus rerum, S. 68ff.
5
So Martines, Blutiges Zeitalter, S. 154f.
6
In der grundlegenden Arbeit von Walter Krüssmann (Ernst
von Mansfeld) wird die spezifische Verknüpfung von
Strategie und Logistik nur beiläufig thematisiert (etwa
S. 322ff. oder S. 345ff.); einem ähnlichen System wie
Mansfeld folgte auch Christian von Braunschweig, für den
typisch war, dass er die Beute aus den geplünderten
Gebieten mit sich führte, um damit seine Söldner zu
bezahlen; dazu Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 18f. und
24f. sowie 32 und 50. Die durch seine Söldner angerichteten
Verheerungen hielten sich zunächst dennoch in Grenzen,
weil die Soldaten zumeist so schnell wieder verschwanden,
wie sie gekommen waren.
7
Vgl. Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 172f.
8
Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus, Bd. 1,
S. 382.
9
Ebd.
10
Clausewitz, Vom Kriege, S. 211.
11
Der Begriff der Ermattungsstrategie findet sich bei
Clausewitz in dieser Form nicht, sondern geht auf den
Kriegshistoriker Hans Delbrück zurück, der ihn in der
Debatte über die Strategie Friedrichs des Großen eingeführt
hat; vgl. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4,
S. 497ff.
1
In den neueren Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges
wird der Prager Fenstersturz zumeist nur kurz erwähnt und
sein Ablauf nicht weiter erzählt; eine Ausnahme ist Gotthard,
Der Dreißigjährige Krieg, S. 59–78. Für eine ausführliche
Darstellung vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen
Krieges, Bd. 1, S. 34–43; auch Moriz Ritter hat in seinem
Werk Deutsche Geschichte im Zeitalter der
Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 453–458, die Prager Ereignisse gewürdigt. Die wichtigste
Quelle beider ist der Bericht des Statthalters Martinitz,
eines der Hauptbetroffenen, über den Tumult in der Burg
und den Fenstersturz. Dieser ist auszugsweise abgedruckt in
Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg,
S. 191–198; vollständig in Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte und zu den Anfängen des Dreißigjährigen
Krieges, S. 221–232.
2
Jörg-Peter Findeisen bezeichnet Thurn in seiner
Kurzbiographie als den «Kopf jener Verschwörung, die
Böhmen veränderte», weist aber «den zweifelhaften Ruhm»
zurück, wonach Thurn «der ‹Urheber› des Dreißigjährigen
Krieges» gewesen sei; Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 140 und 141.
3
Der Majestätsbrief findet sich in deutscher Übersetzung bei
Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg,
S. 146–152; ebenso Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte,
S. 92–100. Utraquisten ist die Bezeichnung für diejenigen,
die seit dem 16. Jahrhundert in Böhmen das Abendmahl «in
beiderlei Gestalt», also in der Form von Brot und Wein,
feierten, dogmatisch aber dem Katholizismus verbunden
blieben. Ihnen wurden im Majestätsbrief Lutheraner und
Calvinisten subsumiert.
4
Press, Kriege und Krisen, S. 173; vgl. auch Rill, Kaiser
Matthias, S. 145ff.
5
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. 2, S. 454.
6
Ebd.
7
Ebd., S. 456; ausführlich Müller, «Der Fall Klostergrab»,
S. 59ff.
8
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 31; die Metaphorik von Fuchs und Löwe geht auf
Machiavellis Principe (Kapitel XVIII) zurück.
9
Zur Biographie Klesls vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 124–130; Press, «Melchior Khlesl, Kardinal»,
S. 265–267, Krones, «Kardinal Melchior Klesl», S. 143–184,
sowie Hermann, «Klesl», S. 1486. Die Schreibweise des
Namens differiert und wurde hier wie an weiteren Stellen zu
Klesl vereinheitlicht.
10
Press, Kriege und Krisen, S. 170.
11
«Bericht des Statthalters Martinitz», zit. nach Roeck (Hg.),
Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 192.
12
Ebd., S. 193.
13
Die Hussitenkriege werden gelegentlich den Kreuzzügen
zugerechnet, weil der Papst dazu aufgerufen hatte und sich
ihnen Ritter aus ganz Europa anschlossen. Insgesamt kam es
zu fünf Hussitenkreuzzügen, von denen jedoch keiner das
angestrebte Ziel erreichte; vgl. Riley-Smith, Die Kreuzzüge,
S. 384f.
14
Press, Kriege und Krisen, S. 192.
15
Zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und
Dreißigjähriger Krieg, S. 196.
16
Ebd., S. 197.
17
Huch, Der Dreißigjährige Krieg, Bd. 1, S. 198.
18
Ebd., S. 199.
1
Der Abfall der Niederlande von Spanien hatte im Jahr 1565
begonnen; die Aufständischen hatten sich in drei Wellen
gegen die Weltmacht behauptet. Der 1609 für zwölf Jahre
geschlossene Waffenstillstand lief de facto auf die
staatsrechtliche Anerkennung der niederländischen Republik
hinaus; vgl. Parker, Der Aufstand der Niederlande, passim.
Aus dem Blickwinkel von 1618 dürfte das niederländische
Beispiel eine ermutigende Wirkung auf die Böhmen gehabt
haben.
2
Das im Jahr 1526 an die Habsburger gefallene Königreich
Böhmen war ein politisch komplexes Gebilde; neben dem
eigentlichen Königreich gehörten zu ihm auch noch die
«Länder der Wenzelskrone»: Mähren, Schlesien und die
beiden Lausitzen. Die Zugehörigkeit Böhmens zum Heiligen
Römischen Reich war unklar; einerseits war mit der
böhmischen Krone die vierte weltliche Kurstimme verbunden
(neben der Kurpfalz, Kursachsen und Brandenburg), so dass
Böhmen an der Kaiserwahl teilnahm; andererseits war es
aber nicht im Kurverein vertreten, beteiligte sich nicht
weiter an den Reichstagen und Kurfürstentagen und hatte
auch sonst keinen Vertreter in den Reichsinstitutionen.
3
Zu den Problemen der Unterscheidung von Anlass und
Ursache vgl. Burkhardt, «Worum ging es im Dreißigjährigen
Krieg?», S. 67–87.
4
Thukydides selbst spricht vom «Krieg zwischen den
Peloponnesiern und den Athenern»; die Bezeichnung
«Peloponnesischer Krieg» findet sich erstmals bei Diodor im
ersten vorchristlichen Jahrhundert.
5
Zum Auftauchen der Bezeichnung «Dreißigjähriger Krieg» in
der Schlussphase des Krieges und zu ihrer Fortdauer vgl.
ausführlich Repgen, «Seit wann gibt es den Begriff
‹Dreißigjähriger Krieg›?», S. 59–70, ders., «Die Entstehung
und Verwendung des Terminus Dreißigjähriger Krieg von
1620 bis 1695», S. 3–79, sowie ders., «Der Dreißigjährige
Krieg im deutschen Geschichtsbild von Schiller», S. 112–
134. Repgen («Über die Geschichtsschreibung des
Dreißigjährigen Krieges», S. 23, Fn. 111) hat auch auf den
Vorbildcharakter des thukydideischen Werks für die
zeitgenössische Wahrnehmung des großen Krieges in
Mitteleuropa hingewiesen.
6
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges I, 9–
24, S. 27–36.
7
Ebd., I, 23, S. 36.
8
Dedicatio zu Theatri Europaei, sechster und letzter Teil,
Frankfurt 1652, unpaginiert.
9
So Merzhäuser, «Über die Schwelle geführt», S. 74.
10
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, I, 24,
S. 37.
11
So bemerkt Thukydides über die spartanische Entscheidung,
den Vertrag über einen Dreißigjährigen Frieden nach nur
vierzehnjähriger Laufzeit für beendet zu erklären: «Zu
diesem Beschluß der Spartaner, daß der Vertrag gebrochen
und der Krieg nötig sei, hatten freilich die Verbündeten mit
ihren Reden weniger beigetragen als die Furcht vor Athen,
daß es immer mächtiger werden könne, da sie ihm doch den
größten Teil von Hellas bereits untertan sahen.» (I, 88,
S. 76) Und noch einmal, die spartanische Politik
resümierend: «Nun aber, da die Macht Athens so
augenscheinlich stieg und ihren Bund [das Bündnissystem
Spartas] antastete, da riß ihre Geduld, und sie entschlossen
sich, anzugreifen und alles einzusetzen, um seine Größe zu
stürzen, wenn sie könnten, und eben den Krieg zu erklären.»
(I, 118, S. 93).
12
Ebd., I, 44, S. 50.
13
Zu den spezifischen Tücken einer Kriegsursachenanalyse
wie der des Thukydides vgl. Münkler, «Die Weisheit der
Regierenden», S. 80ff.
14
So etwa der einschlägige Band 10 von Gebhardts Handbuch
der deutschen Geschichte, in dem Maximilian Lanzinner das
konfessionelle Zeitalter und Gerhard Schormann den
Dreißigjährigen Krieg behandeln; weiterhin Schilling,
Aufbruch und Krise, sowie Heckel, Deutschland im
konfessionellen Zeitalter; Zeeden, Hegemonialkriege und
Glaubenskämpfe, sowie Lutz, Das Ringen um deutsche
Einheit und kirchliche Erneuerung; ebenso Klueting, Das
konfessionelle Zeitalter.
15
Press, Kriege und Krisen, S. 163.
16
Dazu Rill, Kaiser Matthias, S. 121–144.
17
In der zeitgenössischen Begrifflichkeit war von der
melancholia des Kaisers die Rede. Wahrscheinlich litt der
Kaiser aber weniger unter melancholischer Apathie als unter
einer agitiert-depressiven Erkrankung; womöglich hatte er
auch Schübe von Schizophrenie; vgl. Gotthard, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 16; zur Biographie Rudolfs vgl.
Press, «Rudolf II. (1576–1612)», S. 99–111, sowie
ausführlich Evans, Rudolf II. Ohnmacht und Einsamkeit.
18
Für eine Vita des Kaisers vgl. Rill, Kaiser Matthias; für eine
Kurzbiographie Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 42–
49, sowie Press, «Matthias (1612–1619)», S. 112–123; zur
Vermittlungspolitik des Kaisers ausführlich Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. II, S. 359–417.
1
Zit. nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 72. Parker gibt
eine russische Quelle für das Zitat an und weist darauf hin,
dass es sonst nicht auftaucht. Er benutzt es als eine der
Antizipationen der kommenden Ereignisse.
2
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. I, S. 412; ausführlich
Gräf, Konfession und internationales System, S. 201–327.
3
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 239f.
4
Zum wechselvollen Schicksal der früheren Landgrafschaft
Hessen-Marburg während des Dreißigjährigen Krieges vgl.
Albrecht, «Die Kriegs- und Friedensziele der deutschen
Reichsstände», S. 241ff.; zum «Kasseler Einigungsvertrag»,
durch den das marburgische Oberhessen, Katzenelnbogen
und Schmalkalden zu Hessen-Kassel kamen, vgl. ebd.,
S. 253. Ausführlich dazu Press, «Hessen im Zeitalter der
Landesteilung», S. 267–331.
5
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 238.
6
Ebd.
7
Ebd., S. 239.
8
Vgl. Albrecht, «Die Kriegs- und Friedensziele», S. 242.
9
Zum Begriff der Konfessionalisierung und der so
bezeichneten Praxis der konfessionellen Vereinheitlichung
landesherrschaftlicher Territorien vgl. Zeeden, Die
Entstehung der Konfessionen, sowie ders.,
Konfessionsbildung; weiterhin Schmidt,
Konfessionalisierung, sowie Schilling, «Die
Konfessionalisierung im Reich».
1
Vgl. oben, S. 44.
2
Im Prinzip sah der geistliche Vorbehalt (reservatum
ecclesiasticum), festgehalten in § 18 des Augsburger
Religionsfriedens, vor, dass geistliche Territorien, die nach
dem Stichjahr 1552 noch im Besitz der katholischen Kirche
waren, nicht säkularisiert werden durften. Solche
Säkularisierungen fanden aber in Norddeutschland
weiterhin statt, und der Kaiser legitimierte das in Form
eines Lehensindults. Im Prinzip hätte diese vorläufige
Belehnung vom Papst bestätigt werden müssen, aber eine
Bestätigung wurde nie eingeholt. Das entsprach einer Politik
des Kompromisses, da die protestantische Seite bei den
Verhandlungen in Augsburg den geistlichen Vorbehalt als
diskriminierend abgelehnt hatte (vgl. Heckel, Deutschland
im konfessionellen Zeitalter, S. 47). Die Erzstifte Bremen
und Magdeburg waren auf diese Weise in protestantische
Hände gelangt (vgl. Press, Kriege und Krisen, S. 161f. und
186f.). Dann aber begann Kaiser Rudolf damit, die Indulte zu
verweigern, womit er nicht nur Sitz und Stimme der
evangelischen Administratoren auf den Reichstagen in Frage
stellte, sondern auch die Praxis der Inbesitznahme seit 1552
delegitimierte. Die Einsetzung von Administratoren
ehemaligen Kirchenbesitzes war eine beliebte Praxis
evangelischer Fürstenfamilien, die ihre zweiten und dritten
Söhne dadurch angemessen ausstatteten, ohne dafür eine
weitere Teilung ihres Herrschaftsgebiets vornehmen zu
müssen. Seit den späten 1580er Jahren machte die
selbstbewusster gewordene katholische Seite jedoch
Rückgabeforderungen auf säkularisierte Kirchengüter
geltend, was die Polarisierung zwischen Protestanten und
Katholiken deutlich verschärfte.
3
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 433ff., sowie Press,
Kriege und Krisen, S. 189f.
4
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 377f.
5
Vgl. Stolleis (Hg.), Staatsdenker, S. 13f.
6
Zur Rolle des hostis externus als zum «Burgfrieden»
nötigendes Element vgl. Walter, Nützliche Feindschaft?,
passim. Selbst Luther, der eine Bekämpfung «des Türken»
als apokalyptischem Feind der Christen ablehnte, hat sich in
dieser Frage immer wieder zu Kompromissen genötigt
gesehen, vgl. Roper, Der Mensch Luther, S. 492f.
7
Dazu ausführlich, wenn auch mit einer ausgesprochen
spanienfreundlichen Grundeinstellung: Straub, Pax et
Imperium, S. 109–129.
8
Zur Frage der Erbansprüche und der Optionen Ferdinands
vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 4f.
9
Zur Rolle Erzherzog Maximilians vgl. Press, Kriege und
Krisen, S. 189.
10
Vgl. Straub, Pax et imperium, S. 121.
11
Vgl. die Kurzbiographie Eggenbergs bei Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 245–253.
12
Zum Oñate-Vertrag vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II,
S. 432, sowie Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 106f.; zur
«spanischen Gasse» und ihrer strategischen Bedeutung
insgesamt Parker, The Army of Flanders and the Spanish
Road, S. 80–105; skeptisch gegenüber der Relevanz der
«spanischen Gasse», des Camino real, wie man in Spanien
sagte, für die Madrider Verhandlungsstrategie Straub, Pax
et imperium, S. 122f.
13
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 106.
14
Vgl. unten, S. 139ff.
15
Vgl. Egler, Die Spanier in der linksrheinischen Pfalz, S. 25ff.
1
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 9; allgemein dazu
Zemanek, Kalender und Chronologie, sowie Landwehr,
Geburt der Gegenwart, S. 263–270.
2
Am Beispiel Augsburgs wird das exemplarisch dargestellt bei
Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden.
3
Vgl. Friedrichs, «German town revolts and the 17th century
crisis», S. 27ff.
4
Für eine ausführliche und detaillierte Darstellung der
Vorgänge in Donauwörth vgl. Stieve, Der Ursprung des
Dreißigjährigen Krieges, sowie Breitling, «Der Streit um
Donauwörth», S. 278ff.; eine gute zusammenfassende
Darstellung bei Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 213–
215 und 220–223.
5
Die Umzüge des protestantischen Oranierordens in
Nordirland, die während der letzten Jahrzehnte in Belfast
immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
geführt haben, folgen demselben Muster einer symbolischen
Markierung von Räumen als «Eigenräume».
6
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 215. Neben den
Klagen des Augsburger Bischofs scheint auch der Kapuziner
Laurentius von Brindisi bei der Erwirkung des kaiserlichen
Mandats eine gewisse Rolle gespielt zu haben. Laurentius
weilte zwei Monate nach den Vorkommnissen in Donauwörth
und wurde im Benediktinerkloster davon unterrichtet. In
einer in Prag gehaltenen Predigt machte er für die dort
ausgebrochene Pest die Zugeständnisse an die
Donauwörther Protestanten verantwortlich. Im
Zusammenhang mit einem Exorzismus an der angeblich
geistesgestörten Ehefrau Herzog Maximilians von Bayern
soll er auf diesen eingewirkt haben, in Donauwörth
einzugreifen und die dortigen Katholiken zu schützen. Als er
anschließend nach Prag zurückkehrte, versicherte er dem
Kaiser die Bereitschaft des Bayernherzogs, in Donauwörth
für die Geltung des Augsburger Religionsfriedens zu sorgen;
so die Darstellung von Carmignano, «La part de S. Laurent
de Brindes dans le ban de Donauwörth», S. 460ff.
Vermutlich war der Kapuzinermönch aber bloß der
Beschleuniger einer Entwicklung, die auch ohne ihn ihren
Gang genommen hätte.
7
Der Text der über Donauwörth verhängten Reichsacht findet
sich bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger
Krieg, S. 133–134; zu den juristischen Kontroversen über die
Donauwörther Angelegenheit vgl. Stolleis, Geschichte des
öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 148–150, der zeigt, dass hier
Reichsverfassungsrecht und Römisches Recht
gegeneinander standen.
8
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 222.
9
Zit. nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 85.
1
Dazu ebd., S. 87, sowie Press, Kriege und Krisen, S. 164;
ausführlich van Schelven, «Der Generalstab des politischen
Calvinismus», S. 117–141.
2
Vgl. Press, Kriege und Krisen, S. 163f.; zur Entwicklung der
Kurpfalz in dieser Zeit auch ders., Calvinismus und
Territorialstaat, passim.
3
Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 89.
4
Zusammenfassend Zernack, «Das Zeitalter der nordischen
Kriege», S. 55–79.
5
Dazu Gotthard, «Politice seint wir Bäpstisch», S. 275ff.,
sowie Müller, «Der Absturz vom Grat», S. 52ff.
6
Dazu Wandruska, «Vom Begriff des ‹Vaterlands› in der
Politik des Dreißigjährigen Krieges», S. 175ff.
7
Dazu eingehend Münkler/Grünberger/Meyer,
Nationenbildung, S. 290ff.
8
Zu Luthers Lehre von der weltlichen Obrigkeit vgl. Münkler,
«Politisches Denken in der Zeit der Reformation», S. 635–
648; zur Konzeption des Widerstandsrechts im Calvinismus
vgl. Bermbach, «Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und
Staat», S. 107–124.
9
Die folgende Darstellung des Regensburger Reichstags folgt
im Wesentlichen Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 223–
229; vgl. auch Heckel, Deutschland im konfessionellen
Zeitalter, S. 96–98.
10
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 227.
11
Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 98
12
Bei den Verhandlungen, die unter der Leitung Christians von
Anhalt in Vertretung des pfälzischen Kurfürsten stattfanden,
überbot der Herzog von Pfalz-Neuburg die Kurpfälzer
Vorschläge, als er einen an der Torgauer Bundesakte von
1591 orientierten Vertragsentwurf vorlegte, der einen
gemeinsamen Bundesschatz und ein einheitliches
Bundesheer mit einer Normalstärke von 20000 Mann ins
Gespräch brachte. Das wurde dann so auch in die
Bundesverfassung aufgenommen; vgl. Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. II, S. 247; weiterhin Horstkemper, «Die
protestantische Union und der Ausbruch des Dreißigjährigen
Krieges», S. 21–51.
13
«Der Vertrag von Auhausen» (im Dokument selbst Ahausen);
in: Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger
Krieg, S. 138–144, hier S. 140; vollständig abgedruckt bei
Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 66–77.
14
Zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und
Dreißigjähriger Krieg, S. 141.
15
So Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 80; zur
Biographie Friedrichs V. vgl. Joestel, «Kurfürst Friedrich V.
von der Pfalz», S. 152–158.
16
Zu Leben und Person Christians vgl. die Kurzvita bei
Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 131–137, sowie
Schubert «Christian I.», S. 221ff.; zur Widersprüchlichkeit in
Christians Leben gehört auch, dass er sich, nachdem er zu
Beginn der 1620er Jahre in Stockholm und Kopenhagen
vergeblich neue Verbündete zum Kampf gegen Kaiser und
Liga gesucht hatte, 1624 in Wien Kaiser Ferdinand
unterwarf und von ihm Gnade erlangte. Auf Vermittlung
Wallensteins, mit dem er sich offenbar gut verstand, erhielt
er «eine großzügig dotierte Kammerherrenstelle beim
Kaiser […], nicht eben ein sonderliches Zeugnis eines
ungebrochenen konfessionellen Kämpfers» (Findeisen,
S. 137). In sein Kleinfürstentum Bernburg zurückgekehrt,
starb er am 17. April 1630, zu einem Zeitpunkt des Krieges
somit, als es für die protestantische Sache überaus schlecht
stand.
17
Bei der Pfalz lag die erste Stimme der weltlichen Kurfürsten;
das verlieh ihr politisches Gewicht. Geographisch war das
pfälzische Territorium zweipolig: einerseits die Oberpfalz,
die an Böhmen grenzte und enge Verbindungen mit den
Markgrafschaften Kulmbach und Ansbach hatte,
andererseits die Unterpfalz mit den Gebieten um
Heidelberg, Neustadt und Alzey. Die Pfalz hatte dadurch
Einfluss nach vielen Seiten hin, war im Kriegsfall dafür aber
hochgradig verwundbar. Die geopolitische Lage mag für eine
aktive Bündnispolitik gesprochen haben, legte aber
gleichzeitig nahe, keine größeren politischen Risiken
einzugehen.
18
Dazu Weiss, Die Unterstützung Friedrichs V. von der Pfalz
durch Jakob I. und Karl I. von England.
19
Dazu Kraus, Maximilian I., S. 324f.; Albrecht, «Maximilian I.
von Bayern», S. 477ff.; Langer, «Kurfürst Maximilian I. von
Bayern», S. 142ff.; Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 63–68, sowie Bireley, Maximilian von Bayern, Adam
Contzen und die Gegenreformation, passim; zur bayerischen
Politik vor Kriegsausbruch vgl. Edel, «Politik und Macht bei
Herzog Maximilian von Bayern», S. 107–139.
20
So Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger
Krieg, S. 152.
21
Dazu Neuer-Landfried, Die katholische Liga, passim.
1
Press, Kriege und Krisen, S. 175.
2
Für eine detaillierte Darstellung der unterschiedlichen
Erbansprüche vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II,
S. 126–128, 199f. sowie 277–283; für eine knappe
Zusammenfassung vgl. Press, Kriege und Krisen, S. 174–177.
3
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 126.
4
Ebd., S. 128f.
5
Ebd., S. 280f.
6
Heinrich hat sich über seine Pläne nicht eindeutig geäußert,
weshalb sie in Form eines «Indizienverfahrens» aus
einzelnen Aktionen und Äußerungen rekonstruiert werden
müssen. In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass
es ihm um mehr als nur die Festung Jülich ging, denn dafür
hätten auch geringere Streitkräfte als die ins Feld geführten
ausgereicht. Umstritten ist indes die Frage, ob der König
lediglich mit einem großen Krieg («rupture générale»)
rechnete oder ob er ihn gezielt herbeiführen wollte. Moriz
Ritter ist von Letzterem ausgegangen, und dabei haben für
ihn der Umstand, dass Heinrich die Armee gegen Jülich in
eigener Person anführen wollte, und die Pläne für einen
zeitgleichen Angriff auf das Herzogtum Mailand, den
Schlüssel zur Herrschaft über Italien, eine zentrale Rolle
gespielt (Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 316ff.). Dagegen
spricht Geoffrey Parker (beziehungsweise sein Mitarbeiter
Simon Adams) nur davon, dass die Einmischung des
französischen Königs den Erbfolgestreit von Jülich-Kleve-
Berg zu einer «internationalen Krise» ausgeweitet hätte. Da
Heinrich diese Ausweitung aber gefürchtet habe, so
schlussfolgert er, sei es dem König darum gegangen, die
protestantische Union unter seine Kontrolle zu bringen (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 93). Das sind die beiden
«Außenpositionen» bei der Erklärung des französischen
Agierens. In jüngeren Darstellungen wird dem Jülicher
Erbfolgestreit unterschiedliche Bedeutung auf dem Weg in
den Krieg beigemessen: sehr knapp bei Kampman, Europa
und das Reich, S. 26f., eingehend bei Gotthard, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 46–53.
7
Eberhard Straub, der diese Periode aus spanischer Sicht
dargestellt hat, kommt zu dem Ergebnis, dass die
Entwicklungen im Osten des Reichs, also in Böhmen und
Ungarn, die spanische Politik sehr viel stärker beunruhigt
hätten als alles, was sich im Westen ereignete: Im Westen
war Spanien mit eigenen Kräften handlungsfähig, während
es im Osten darauf angewiesen war, dass die österreichische
Linie der Casa d’Austria Herr des Geschehens blieb; Straub,
Pax et Imperium, S. 109–129. In der neueren Forschung
wird herausgestellt, dass der Herzog von Lerma, der
maßgebliche Akteur der spanischen Politik zu dieser Zeit,
dem Mittelmeer als Eckpfeiler der spanischen Macht eine
größere Bedeutung beimaß als der Nordsee, vgl. Schmidt,
«Philipp III.», S. 91f.
8
Diese Dimension des Konflikts ist von Burkhardt (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 30–63) herausgearbeitet worden –
nur dass bei ihm Spanien keine große Rolle spielt.
9
Zur Vita des Königs vgl. Hinrichs, «Heinrich IV.», S. 143ff.,
zur Außenpolitik S. 167ff.; allgemein Greengrass, France in
the Age of Henry IV, sowie Beiderbeck, Zwischen
Religionskrieg, Reichskrise und europäischem
Hegemoniekampf, S. 412–458.
10
Vgl. Schmidt, «Philipp III.», S. 90ff.
11
Ebd., S. 90.
12
Zit. nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 108.
13
Vgl. Dickermann, «Henry IV and the Juliers Cléves crisis»,
S. 626ff.
14
Zum Problem der Analyse von Entwicklungen durch
kontrafaktische Konstruktionen vgl. Evans, Veränderte
Vergangenheiten, S. 59–105.
15
Zum Verlauf des Erbfolgekriegs bis zur Eroberung der
Festung Jülich vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II,
S. 283–327, sowie Press, Kriege und Krisen, S. 174–182.
16
Der Dortmunder Rezess ist auszugsweise abgedruckt in
Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg,
S. 144–146, Zitat S. 145. Für die vollständige Fassung samt
Ausführungsbestimmungen vgl. Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte, S. 81–87. Die Datierung auf den 10. Juni folgt
dem gregorianischen Kalender; da beide
vertragschließenden Parteien protestantisch waren,
datierten sie die Vertragsunterzeichnung gemäß dem
julianischen Kalender auf den 31. Mai.
17
Zu den Auseinandersetzungen um den Reichshofrat vgl.
Ehrenpreis, «Die Tätigkeit des Reichshofrats», S. 27ff.
18
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 295.
19
Ritter (ebd., S. 339) schätzt die Kräfteverhältnisse auf
30000 Belagerer gegenüber 2000 Verteidigern.
20
Ebd., S. 342ff.
21
Ebd., S. 346ff.
22
Ebd., S. 348.
23
Vgl. oben, S. 102f.
24
Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 363–366.
25
Ebd., S. 371.
26
Als die Eheschließung zwischen Wolfgang Wilhelm und
Prinzessin Magdalena am 11. November 1613 in München
stattfand, gingen sowohl der Vater Wolfgang Wilhelms als
auch Herzog Maximilians Freunde davon aus, dass es sich
um eine gemischt konfessionelle Ehe handele; zur
Pendelbrautschau des Neuburgers vgl. Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. II, S. 371f. und 398.
27
Ebd., S. 407–410, sowie Press, Kriege und Krisen, S. 183f.
1
Dazu die rechtsgeschichtlichen Ausführungen bei Heckel,
Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 122f., ebenso
Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 126–
141.
2
Dazu Brightwell, «Spain and Bohemia», S. 117ff.
1
Die wahren Absichten und Ziele der Politik Klesls sind ob
seiner zahlreichen Wendungen und Winkelzüge schwer
auszumachen. Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg, S. 78)
spricht davon, Klesl habe tatsächlich auf Verhandlungen
gesetzt, Kampmann (Europa und das Reich, S. 38) geht eher
von einer «Orientierungslosigkeit der kaiserlichen Politik»
aus; bei Parker (Der Dreißigjährige Krieg, S. 159) ist sogar
davon die Rede, Klesl habe «hinter den Kulissen einen
Einigungsversuch mit den Aufständischen aushandeln»
wollen. Zu Klesl allgemein: Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 124–130, sowie Press, «Melchior Khlesl, Kardinal»,
S. 265ff.
2
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 8; für eine
ausführliche Schilderung der Verhaftung und Deportation
Klesls sowie des Eindringens von Ferdinand und Maximilian
bei Kaiser Matthias, der sie zunächst nicht hatte vorlassen
wollen, vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Bd. 1, S. 55–57.
3
So etwa Kampmann, Europa und das Reich, S. 38, und
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 78.
4
Das Referat der Denkschrift folgt Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 5f.
5
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 126f.
6
In marxistischer Terminologie heißt das, dass es sich um
eine Adelsrevolte und nicht um eine «frühbürgerliche
Revolution» gehandelt hat.
7
Vgl. Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 81f.; Kampmann,
Europa und das Reich, S. 36f.
8
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 126.
9
So etwa Press, Kriege und Krisen, S. 195ff. («der deutsche
Krieg») und 218ff. («der europäische Krieg»); eine dezidierte
Gegenposition vertritt Kampmann, Europa und das Reich,
S. 1: «Der Dreißigjährige Krieg war ein europäischer
Konflikt. Zwar war vornehmlich das römisch-deutsche Reich
der Schauplatz dieses Krieges, ein ‹deutscher Krieg› ist er
jedoch von Anfang an nicht gewesen.» Letzteres ist gegen
Günter Barudio gerichtet, der seine Darstellung des
Dreißigjährigen Krieges Der Teutsche Krieg betitelt hat.
10
Vgl. oben, S. 107f.
11
Vgl. Straub, Pax et Imperium, S. 132–136, sowie Guarino,
«The Spanish Monarchy and the Challenges of the Thirty
Years War», S. 55ff.
12
Zu den in der legenda negra enthaltenen antispanischen
Ressentiments vgl. Pollmann, «Eine natürliche Feindschaft»,
S. 73–93, sowie Schmidt, Spanische Universalmonarchie
oder «teutsche Libertet», S. 273–294; zur Entstehung der
antispanischen Propaganda im Unabhängigkeitskrieg der
Niederlande vgl. Arndt, «Die Kriegspropaganda in den
Niederlanden», S. 239ff.
13
Dazu Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 117.
14
Vgl. Straub, Pax et Imperium, S. 146f.
15
Zum Theorem des Portfolios von Machtsorten vgl. Mann,
Geschichte der Macht, Bd. 1, S. 46–56.
16
Vgl. Depner, Das Fürstentum Siebenbürgen im Kampf gegen
Habsburg, S. 36–92.
17
Zu Bethlen Gábor vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 101–104.
18
Die Probleme der pfälzischen Politik im Vorfeld der
Kaiserwahl sind ausführlich dargestellt bei Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 106–114;
relativ knapp Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 41f.,
sowie Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 86f.
19
Die nachfolgende Darstellung folgt Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 113f.
20
Es fällt auf, dass mit Ausnahme von Gindely die Frankfurter
Wahl in den meisten Darstellungen des Dreißigjährigen
Krieges nur kurz abgehandelt wird, obwohl sie von den
Verfassern derselben Darstellungen als der entscheidende
Vorgang für den Ausgang des böhmisch-pfälzischen Krieges
und damit für die erste Phase des Dreißigjährigen Krieges
erklärt wird; so etwa bei Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 81 und 83, und bei Kampmann, Europa und das Reich,
S. 40.
21
Die Union setzte diese Truppen auch ein, als sie eine für
Ferdinand geworbene Einheit von 500 Reitern zersprengte;
vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 42f.
22
Ebd., S. 43.
23
Zur Vita Johann Georgs vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 69–78, sowie Blaschke, «Johann Georg I. Kurfürst
von Sachsen», S. 525f. Der sächsische Kurfürst gehört zu
den in Hinblick auf den Verlauf des Krieges zumeist
unterschätzten Akteuren; eine Ausnahme bildet Wedgwood,
die in ihrer Darstellung des Dreißigjährigen Krieges immer
wieder auf Johann Georg zu sprechen kommt, was ihr von
Seiten Steinbergs (Der Dreißigjährige Krieg, S. 152) den
Vorwurf eingetragen hat, ihr Buch werde «durch die
sentimentale, sachsenfreundliche Einstellung der
Verfasserin beeinträchtigt».
24
Vgl. Beyreuther, «Matthias Hoë von Hoënegg», S. 300–301.
25
Vgl. Gollwitzer, «Arnim von Boitzenburg», S. 372–373, sowie
Helbig, «Arnim-Boitzenburg».
26
Dazu oben, S. 90ff.
27
Zu dieser Phase des Mansfeld’schen Söldnerverbands vgl.
Krüssmann, Ernst von Mansfeld, S. 125–176.
28
Gindely (Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 128) schreibt über Elisabeth, sie habe zu keiner Zeit die
ehrgeizigen Pläne ihres Gemahls missbilligt. Gotthard (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 88) nennt Elisabeth eine «ehrgeizige
Frau».
29
Zit. nach Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 90.
1
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 51.
2
So Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 127.
3
Ebd., S. 128–130; Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 89f.
4
Dazu ausführlich Goldie, «Absolutismus, Parlamentarismus
und Revolution in England», S. 288f.
5
In dem Konflikt um Oldenbarnevelt ging es sowohl um
konfessionelle als auch politische Fragen: die Auslegung der
Prädestinationslehre (Arminianer versus Gomaristen), die
Möglichkeit einer Politik des friedlichen Ausgleichs mit dem
Süden oder einer Politik der Rückeroberung und schließlich
auch Fragen der Aufstellung von Stadtmilizen; vgl. Parker,
Der Aufstand der Niederlande, S. 301–303, sowie von der
Lem, Die Entstehung der Niederlande, S. 181–184.
6
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 127.
7
Vgl. oben, S. 127ff.
8
Die überlegene Position Maximilians bei diesen
Verhandlungen stellt Gotthard heraus (Der Dreißigjährige
Krieg, S. 84–87).
9
Zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und
Dreißigjähriger Krieg, S. 210; der vollständige Text des
Münchner Vertrags unter Einschluss seiner lateinischen
Fassung bei Lorenz, Ausgewählte Quellen, S. 398–407.
10
Ebd., S. 211.
11
Ebd., S. 212.
12
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 85.
13
Kraus, Maximilian I., S. 324 und 326.
14
Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 68; zur
Bündnispolitik Maximilians und seinem «außenpolitischen»
Agieren vgl. Albrecht, Die auswärtige Politik Maximilians
von Bayern, passim, sowie Altmann, Die Reichspolitik
Maximilians I., passim; zur Kriegspolitik des Bayernherzogs
allgemein Lanzinner, «Maximilian I. von Bayern», S. 85ff.
15
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 25; zur Vita
Ferdinands II. vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 50–61; Hantsch, Kaiser Ferdinand II.; Franzl,
Ferdinand II., sowie Albrecht, «Ferdinand II. (1619–1637)»,
S. 125–141.
16
Albrecht, «Ferdinand II.», S. 126; zur frühabsolutistischen
Herrschaftsvorstellung Ferdinands vgl. Sturmberger, Kaiser
Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus; zu
Ferdinands Vorstellung von der Gegenreformation als seiner
Aufgabe vgl. Bireley, Religion and Politics in the Age of
Counterreformation, sowie ders., The Jesuits and the Thirty
Years War, S. 33–62.
17
Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 54.
18
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 25.
19
Ebd.
20
Zur komplexen Motivlage des Kurfürsten Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 171f.
21
Vgl. ebd., S. 173. Johann Georg handelte dabei in
Abstimmung mit Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt,
der dem Kaiser eng verbunden war.
22
Ebd., S. 173.
23
Ebd., S. 174; ausführlich zu den Verhandlungen in
Mühlhausen Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 82–89.
1
Zur Zusammenstellung von Mansfelds Söldnerverband vgl.
Krüssmann, Ernst von Mansfeld, S. 118–124; zur Einnahme
Pilsens ebd., S. 139–146; zu den Truppen Bucquoys vgl.
Parker, The Army of Flanders, S. 271ff.; zur
Rekrutierungspraxis von Söldnerverbänden vgl. Kröner,
«‹Kriegsgurgeln, Freireuter und Marodebrüder›», S. 53ff.,
sowie Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16.
und 17. Jahrhunderts, S. 54–96.
2
Zu den taktischen Formationen im späten 16. und frühen
17. Jahrhundert und deren Bedeutung für die
Gefechtsführung vgl. Fiedler, Taktik und Strategie der
Landsknechte, S. 89 sowie 145ff., und insbesondere
Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 106–138, weiterhin
Rogers, «Tactics and the face of battle», S. 203–235. Lauro
Martines (Blutiges Zeitalter) beschäftigt sich eher mit dem
Durchzug von Heeren, deren Logistik sowie der Belagerung
von befestigten Städten als mit der offenen Feldschlacht; für
eine knappe Zusammenfassung der zeitgenössischen
Gefechtsformationen vgl. Junkelmann, Tilly, S. 23–29.
3
Vgl. Krüssman, Ernst von Mansfeld, S. 25–139.
4
Vgl. oben, S. 139ff.
5
Dazu Krüssmann, Ernst von Mansfeld, S. 142–154; zum
Typus des Militär- beziehungsweise Kriegsunternehmers vgl.
vor allem Redlich, The German Military Enterpriser and his
Work Force, sowie Glete, «Warfare, entrepreneurship and
the fiscal-military state», S. 300–321.
6
Dazu grundsätzlich Burschel, Söldner, S. 165–206, sowie
Redlich, «Der Marketender», S. 227–252.
7
Dazu Redlich, De Praeda Militari, sowie Burschel, Söldner,
S. 206–217, und Martines, Blutiges Zeitalter, S. 187–204.
8
Vgl. Krüssmann, Ernst von Mansfeld, S. 143ff. Infolge der
Belagerung war das wirtschaftliche Leben Pilsens
weitgehend zum Erliegen gekommen; im Frühjahr 1619
waren von den 1500 bis 1800 Einwohnern nur noch 150
übrig; ebd., S. 145.
9
Vgl. Kröner, «Soldat oder Soldateska?», S. 118.
10
Zu Bürgerwehren, Bauernaufgeboten und spätem Rittertum
vgl. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 3, S. 489–
543, sowie Dorfer, «Vom Niedergang der feudalen
Heeresverfassung zum Militärwesen der frühen Neuzeit»,
S. 13–35, und Wohlfeil, «Das Heerwesen im Übergang vom
Ritter- zum Söldnerheer», S. 107–127; zur Modernisierung
der Bauernaufgebote in Form des Defensionswesens vgl.
Schulze, «Die deutschen Landesdefensionen im 16. und
17. Jahrhundert», S. 129–149; zu den Condottieri und den
Ordonnanz-Kompanien Delbück, Geschichte der Kriegskunst,
Bd. 3, S. 581–626; weiterhin Trease, Die Condottieri, sowie
Mallett, Mercenaries and their Masters; zu dieser
Zwischenzeit oder Übergangsphase insgesamt Hale, War
and Society in Renaissance Europe, Parker, Die militärische
Revolution, S. 25–67, Parrott, «From military enterprise to
standing armies», S. 74ff., sowie van Nimwegen, «The
transformation of army organization», S. 159ff.; für den
Abschluss dieser Transformation vgl. Schmidt, «Staat und
Armee im Zeitalter des ‹miles perpetuus›», S. 213–248.
11
Der Begriff der «militärischen Revolution» im
frühneuzeitlichen Europa geht auf Michael Roberts (The
Military Revolution) zurück, der ihn Mitte der 1950er Jahre
in die wissenschaftliche Debatte eingeführt hat; Roberts’
Überlegungen werden weitergeführt bei Parker, The Military
Revolution; zur Debatte über diesen Begriff und seine
Bedeutung für die Wissenschaft vgl. Rogers (Hg.), The
Military Revolution Debate. Das Konzept der militärischen
Revolution ist eine der Erklärungen für die Überlegenheit
der Europäer gegenüber dem «Rest der Welt» seit der
Frühen Neuzeit. Zur Diskussion dieser Fragen vgl. auch
Croxton, «A Territorial Imperative?», S. 253–279.
12
Das hatte sich in der Schlacht von Liegnitz (1241) noch ganz
anders dargestellt, als ein mongolisches Reiterheer ein
schwer gepanzertes Ritteraufgebot vernichtend schlug; vgl.
Schmielewski, «Liegnitz/Wahlstatt», S. 207–231. Zur
strategisch-taktischen Überlegenheit der Reiterschwärme
vgl. Hofer, «Das Ende des langen Rittes», S. 156–176; zur
europäischen Rezeption des Gebrauchs leichter Reiterei vgl.
Ágoston, «Empires and warfare in east-central Europe,
1550–1750», S. 110ff.
13
Krüssmann, Ernst von Mansfeld, S. 192ff. und 237ff.
14
Vgl. oben, S. 152.
15
Vgl. oben, S. 151f.
16
Zu Karl Bonaventura von Bucquoy und dessen Agieren auf
dem böhmischen Kriegsschauplatz vgl. Broucek,
«Feldmarschall Bucquoy als Armeekommandeur», S. 25–57;
allgemein Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 168–172.
17
Zur Meuterei, um ausstehende Soldzahlungen zu erzwingen,
vgl. Burschel, Söldner, S. 195ff., sowie ders., «Krieg, Staat,
Disziplin», S. 648ff.
18
Ebd., S. 217ff.
19
Burschel (Söldner, S. 220) schätzt das Problem der
Desertion während des Dreißigjährigen Krieges als eher
gering ein und vertritt die These, Desertion sei erst nach
dem Krieg «zu dem innermilitärischen Problem schlechthin»
geworden. Zu diesem Ergebnis kommt er auf der Grundlage
gründlichen Aktenstudiums. In den Akten findet sich indes
nur, was als Problem wahrgenommen und wogegen
angegangen wurde. Wo das nicht der Fall war, entstanden
auch keine Akten. Der notorische Schwund der
Mannschaftsstärke von Einheiten war sicherlich auch eine
Folge von Seuchen und Krankheiten, aber in ihm fand auch
eine kontinuierliche Desertionsrate ihren Niederschlag; vgl.
Kaiser, «‹würdt allso die Armee gewaltig ruiniret …›»,
S. 103ff., sowie ders., «Ausreißer und Meuterer im
Dreißigjährigen Krieg», S. 49ff.; weiterhin Burschel, «Die
Erfindung der Desertion», S. 72–85. Profiteure der Desertion
waren nicht zuletzt die Obristen und Hauptleute, weil sie
den so eingesparten Sold, den sie gegenüber dem
Kriegsherrn weiterhin geltend machten, in die eigene Tasche
steckten. Zum Problem der notorischen Differenz zwischen
Nominal- und Realstärke der Truppen vgl. Burschel, Söldner,
S. 120f.
20
Dazu Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 145f.
21
Zur Unterscheidung zwischen Zweck und Ziel in der
Kriegführung vgl. Clausewitz, Vom Kriege, S. 960ff.
22
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 147.
23
Ebd., S. 97ff.; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 29f.
24
Parker (Der Dreißigjährige Krieg, S. 118) stellt einen
unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Gefecht von
Sablat und dem Rückzug Thurns her; ebenso Gotthard, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 81; zu dem Gefecht selbst
Krüssman, Ernst von Mansfeld, S. 162–167, der im Übrigen
davon spricht, Thurn habe die Niederlage des Mansfelders
als «willkommenen Vorwand [genutzt], das eigene Versagen
zu verhüllen» (S. 164).
25
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 30.
26
Dazu Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 148–153.
1
Ebd., S. 131–136.
2
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 421.
Krüssmann (Ernst von Mansfeld, S. 258) bemerkt zu
Camerarius, er sei «immer nörgelnd» gewesen. Zu
Camerarius’ Leben und Wirken, zunächst in pfälzischem,
später in schwedischem Dienst, vgl. Schubert, Ludwig
Camerarius, sowie die Besprechung der Neuauflage dieser
Biographie bei Wolgast, «Ludwig Camerarius und die Politik
der Kurpfalz», S. 334ff.
3
Zit. nach Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 65.
4
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 423.
5
Ebd., S. 422.
6
Dazu Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 135.
7
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 422.
8
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 65.
9
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Vorgeschichte, S. 426.
10
Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 65ff.
11
Vgl. ebd., S. 80f.
12
Dazu ausführlich Gotthard, «Benjamin Bouwinghausen»,
S. 69–103; knapp ders., Der Dreißigjährige Krieg, S. 94–96.
13
Vgl. oben, S. 139; zum Verhältnis zwischen Spanien und den
Niederlanden in dieser Zeit vgl. Israel, «A Conflict of
Empires, S. 35ff., sowie Straub, Pax et Imperium, S. 131ff.
14
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 79f.
15
«König Philipp III. von Spanien an Erzherzog Albrecht in
Brüssel», 5. November 1619; zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen
zur Vorgeschichte, S. 426.
16
Zit. nach ebd., S. 431f.; zu den Beratungen im spanischen
Staatsrat, die dieser Entscheidung vorangingen, vgl. Straub,
Pax et Imperium, S. 151–159.
17
Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 90 und S. 92)
schreibt diese Idee dem Markgrafen Joachim Ernst von
Ansbach zu, dem Generalleutnant der Unionstruppen.
18
Ebd., S. 92.
19
Der Vertragstext ist abgedruckt bei Lorenz, Quellen zur
Vorgeschichte, S. 473–475.
20
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 93.
21
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 197.
22
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 99f.
1
Krüssmann, Ernst von Mansfeld, S. 183.
2
Ebd., S. 184–187 sowie 192f.
3
Vgl. ebd., S. 197f.
4
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 97–99.
5
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 97; zu Herberstorffs
Leben und seiner Rolle im Krieg vgl. Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 176–177; dessen Resümee:
Herberstorff sei «als Landeigentümer wie auch als
Statthalter [ein] wenig befähigter Landwirt und Beamter
gewesen» (S. 177); allgemein Sturmberger, Adam Graf
Herberstorff.
6
Zu Tilly vgl. Rill, Tilly, und Junkelmann, Tilly, sowie ders.,
«Tilly», S. 58–79.
7
Zu einer eigenständigen Militärkultur in Nordwesteuropa
und ihren intellektuellen Voraussetzungen vgl. Schwager,
Militärtheorie im Späthumanismus, S. 91–289.
8
«Man muss nicht leichtlich ohne grossen vortheil mit dem
feinde schlagen, ob er sich schon praesentiret, es were denn,
dass mangelt proviant und gelt auszuharren, darzu zwingen
thete, denn nicht geschlagen zu werden ist auch eine grosse
victoria, welche sonsten sehr ungewiss, wan man es allein
darauf waget […].» Zit. nach Frauenholz, Söldnertum, S. 49f.
9
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 97.
10
Hierzu und zum Folgenden Krüssmann, Ernst von Mansfeld,
S. 201ff.
11
Die Verluste des ligistischen Heeres resultierten aus Hunger
und Krankheiten, schlechtem Wasser und der nächtlichen
Herbstkälte seit Oktober; vgl. Riezler, «Kriegstagebücher»,
S. 83ff. und 87ff.; zur Rolle von Krankheiten in der
Kriegführung der Frühen Neuzeit allgemein Burschel,
Söldner, S. 258–272.
12
Vgl. Krüssman, Ernst von Mansfeld, S. 205–210; Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 102f. Das Problem
Mansfelds bei diesen Verhandlungen war, dass er wegen
eines früheren (verräterischen) Frontwechsels im Jahre 1610
von Kaiser Matthias geächtet worden war.
Selbstverständlich verlangte er bei diesen Verhandlungen
die Aufhebung der kaiserlichen Acht, aber solange er ein
Geächteter war, konnte er sich nicht sicher sein, ob sich die
Gegenseite an ihr Wort gebunden fühlen würde.
13
Bucquoy war seit 1606 Ritter des Ordens vom Goldenen
Vließ und kaiserlicher Feldmarschall; er war damals
49 Jahre alt und hatte den böhmischen Krieg bereits zwei
Jahre lang für den Kaiser geführt.
14
Die Zahlen nach Guthrie, Battles of the Thirty Years War,
S. 61f.; zum Schlachtverlauf selbst ebd., S. 64–67; Chaline,
La bataille de la montagne blanche, S. 33–213; Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 105–109; Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 115–228;
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 110–112. In jüngeren
deutschsprachigen Arbeiten zum Dreißigjährigen Krieg wird
häufig auf eine ausführliche Darstellung der Schlacht
verzichtet und nur deren Ergebnis mitgeteilt.
15
Die nachfolgende Darstellung der Schlacht am Weißen Berg
gründet sich auf Guthrie, Battles, S. 63–66; Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 215–219;
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 105–108, sowie Rill,
Tilly, S. 92–95.
16
Die Arkebuse war leichter als die Muskete, die am Beginn
des Dreißigjährigen Krieges zum Schuss auf eine Gabel
gelegt wurde, um sicherer zielen zu können; vgl. Ortenburg,
Waffen der Landsknechte, S. 52–57.
17
Polišenský und Kollmann (Wallenstein, S. 63) gehen dagegen
davon aus, dass das Heer wenige Tage vor der Schlacht Sold
erhalten habe und gerade deswegen nicht besonders
kampfmotiviert gewesen sei.
18
Die Episode findet sich in allen größeren Darstellungen der
Schlacht am Weißen Berg; am ausführlichsten ist sie bei
Chaline ausgearbeitet: La bataille, S. 137–140; siehe auch
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 100f.
19
Der Titel eines Generalwachtmeisters entspricht nach
heutigen Vorstellungen dem eines Generalmajors; zu der
Vita und den militärischen Verwendungen Tiefenbachs vgl.
Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 174f. Trotz des
Erfolgs am Weißen Berg und der ausdrücklichen Belobigung
Tiefenbachs durch Maximilian blieb dieser stets ein «Mann
der zweiten Reihe» – vielleicht auch deswegen, weil
Wallenstein seine Heerführerqualität als eher gering
einschätzte.
20
Heinrich Wilhelm Graf Solms-Laubach, der die böhmische
Kavallerie am Weißen Berg führte.
21
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 108; zu den Toten auf
dem Schlachtfeld müssen noch die etwa 1000 in der Moldau
ertrunkenen Husaren sowie die vor der eigentlichen
Schlacht Getöteten hinzugerechnet werden; Guthrie
(Battles, S. 66) spricht von 4000 Gefallenen oder
Gefangenen bei den Böhmen und 800 Gefallenen auf Seiten
der kaiserlich-ligistischen Truppen, die meisten davon aus
dem Regiment Tiefenbach-Breuner.
22
Vgl. Chaline, La bataille, S. 456–460; Gotthard, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 101f.
1
In dem Bericht Christians von Anhalt über die Schlacht am
Weißen Berg (abgedruckt in Lorenz [Hg.], Quellen zur
Vorgeschichte, S. 501–511) wird die Flucht des Königs
nachträglich gerechtfertigt: «Vornehmblich so seind Ihre
Majestät je mehr und mehr innen worden des großen
Falschs, Untreue und Verrätherei, so bei Großen und
Kleinen daselbst unterbawet und vorgeloffen, daß es auch
auf dem und die Königliche Majestät in Gefahr gestanden, es
möchten dieselben arrestirt und dem Feinde verrathen und
übergeben werden. Inmaßen dann es bei den Thoren ohne
das sehr schwer zugegangen und von männiglichen davor
gehalten und judicirt worden, hätten sich Ihre Majestät noch
eine Stunde länger aufgehalten, daß sie von der
Bürgerschaft nicht hinaus gelaßen worden wären.» (S. 511)
2
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 223.
3
Vgl. dazu die auf den 17. April 1621 datierte Erklärung
Kaiser Ferdinands, in der die zwischen Kursachsen und den
schlesischen Ständen getroffene Vereinbarung ratifiziert
wird; abgedruckt bei Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte, S. 539–542.
4
Zur Vita Liechtensteins, der in Böhmen zu einem der
reichsten Männer aufstieg, vgl. Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 144f.
5
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 104.
6
Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 105f.
7
Zur Vita Lamormainis Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 145f.; ausführlich zu seiner Rolle Bireley, Religion and
Politics in the Age of Counterreformation, passim;
zurückhaltender, was die Rekatholisierung anbetrifft,
Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession, passim.
8
Vgl. hierzu Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 104f.;
weiterhin Bergerhausen, «Die ‹Verneuerte Landesordnung›
in Böhmen 1627», S. 327–351.
9
Hierzu und zum Folgenden Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 237–241.
10
Ebd., S. 237.
11
Vgl. Mann, Wallenstein, S. 189–215; Diwald, Wallenstein,
S. 169–194, sowie Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 69–
93.
12
Insofern gilt die auf den älteren Cato (Livius, Röm.
Geschichte, XXXIV, 9, 12) zurückgehende Formel, wonach
der Krieg den Krieg ernähre – bellum se ipse alet –, nicht nur
für Geld und materielle Ressourcen, sondern auch für die
Personen, die durch den Krieg hervorgebracht und vom
Krieg auch wieder verzehrt werden.
13
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 123.
14
Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 233–237; letzte Reste des
Widerstands hielten sich bis November 1621 in Tabor und
bis Anfang März 1622 in Wittingau (Třeboň).
15
Hierzu und zum Folgenden Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 240–244, sowie
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 124f.
16
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 241f.
17
Ebd., S. 242.
18
Diwald, Wallenstein, S. 146.
1
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 115.
2
Vgl. oben, S. 108.
3
Vgl. oben, S. 139f.
4
Vgl. Mout, «Der Winterkönig im Exil», S. 257ff.
5
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 116.
6
In einigen Darstellungen ist davon die Rede, die
Kriegsschauplätze seien infolge der Eroberung Böhmens
durch den Kaiser und die Liga voneinander getrennt worden:
Der Krieg im Südosten, der von Bethlen Gábor und dem
Herzog von Jägerndorf geführt wurde, sei nun räumlich von
den Kriegshandlungen im Westen getrennt gewesen. Diese
Beschreibung des Geschehens folgt freilich zu sehr der Sicht
Friedrichs; außerdem wird zwischen dem
Hauptkriegsschauplatz und den Nebenkriegsschauplätzen
nicht unterschieden: Die Kriege Bethlen Gábors wurden nun
zum Nebenkriegsschauplatz, während der
Hauptkriegsschauplatz von Böhmen in die Pfalz und
angrenzende Gebiete verlagert wurde. Zum Begriff des
«Kriegsschauplatzes» und dem des «Kriegstheaters», die im
Folgenden verwendet werden, vgl. Uhle-Wettler, «Theatre of
War», S. 1064ff., sowie allgemein Füssel, «Theatrum Belli»,
S. 205ff.
7
Vgl. oben, S. 140.
8
Vgl. oben, S. 101ff.
9
Krüssmann, Mansfeld, S. 237–277.
10
Bucquoy war im Frühjahr 1621 mit dem Gros der
kaiserlichen Truppen nach Mähren marschiert, wo er die
erneut eingefallenen Streifscharen Bethlen Gábors
bekämpfte. Bethlens leichte Reiter konnten gegen die
Infanterie Bucquoys keine Schlacht schlagen, und Bethlen
neigte ohnehin nicht dazu, alles auf eine Karte zu setzen und
sich auf eine Schlacht einzulassen. Bucquoys Streitmacht
wiederum war nicht in der Lage, die siebenbürgisch-
ungarischen Reiter zur Schlacht zu stellen. Das änderte sich
im Herbst 1621, als der Herzog von Jägerndorf, der bis
dahin im schlesisch-böhmisch-sächsischen Grenzgebiet
operiert und dort den sächsischen wie den kaiserlichen
Truppen zu schaffen gemacht hatte, zu Bethlen stieß, so
dass dieser zahlenmäßig überlegen war. Zu diesem
Zeitpunkt war Bucquoy bereits tot: Am 10. Juli 1621 war er
in dem Gefecht bei Neuhäusel tödlich verwundet worden.
Gegen Mansfeld stand Tilly nicht die gesamte Streitmacht
der Liga zur Verfügung, da Maximilian bei seiner Rückkehr
aus Böhmen von mehreren Regimentern begleitet worden
war.
11
Zu dieser Phase des stillstehenden Krieges vgl. Krüssmann,
Mansfeld, S. 295–304, sowie Rill, Tilly, S. 107–110.
12
Dazu Krüssmann, Mansfeld, S. 304–315, sowie Rill, Tilly,
S. 110f.
13
Krüssmann, Mansfeld, S. 317.
14
Vgl. Reitzenstein, Der Feldzug des Jahres 1621, passim,
sowie Weiß, Die Unterstützung Friedrichs V. von der Pfalz,
S. 24–27.
15
Zum Festungs- und Belagerungskrieg vgl. Duffy, Siege
Warfare, weiterhin Haas, «Belagerungskrieg», S. 289ff.;
Eichberg, «Geometrischer Krieg», S. 131ff., sowie Heinisch,
«Die Stadt als Festung», S. 283ff.
16
Dazu Parker, Die militärische Revolution, S. 26–36.
17
Eine vorzügliche Darstellung der zeitgenössischen Schriften
über das Festungswesen findet sich bei Büchi,
Fortifikationsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts; vgl.
auch die Beiträge in Marten u.a. (Hgg.), Festungsbau.
18
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 72f.
19
Zit. nach Rill, Tilly, S. 113; auch die pfälzischen Truppen
scheinen sich nicht viel besser in «ihrem» Land verhalten zu
haben: Die Soldaten des pfälzischen Heeres, heißt es, hätten
«ärger als die Feinde gehaust, Kisten und Kasten eröffnet
und alles preis gemacht, die Früchte aus den Scheuern und
die Pfähle aus den Weingärten weggeführet, die Türen
ausgehoben und die Hütten daraus gemacht, Kühe und
Schweine niedergeschossen und alles verwüstet, daher der
Pfalz Defensores [Verteidiger] ihre Devoratores [Verwüster]
genennt worden. Sonst haben die Spanischen auch große
Furcht und Flennen von einem Ort zum andern ins Land
verursacht …» Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige
Krieg in Augenzeugenberichten, S. 131.
20
Dazu ausführlich Krüssmann, Mansfeld, S. 322.
21
Ebd., S. 326, sowie Rill, Tilly, S. 111f.
22
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 133ff.
23
Diese Entscheidung des Landgrafen Moritz wird in der
einschlägigen Literatur (Malettke, «Der Dreißigjährige Krieg
in Hessen», S. 61ff.; Weiand, Hessen-Kassel und die
Reichsverfassung, S. 24ff.) zumeist in ihrer politischen
Tragweite unterschätzt, weil Hessen-Kassel im Jahr darauf –
nach dem Auftauchen Christian von Braunschweigs auf dem
Kriegsschauplatz – wieder eine aktive Kriegspolitik betrieb,
freilich eine, die wesentlich an seinen oberhessischen
Gebietsansprüchen orientiert war.
1
Diese Zahlen nach Gindely, Geschichte des dreißigjährigen
Krieges, Bd. 2, S. 32f. Sie mögen etwas zu hoch gegriffen
sein; vermutlich handelte es sich dabei nicht nur um die
Kampftruppen, sondern auch um die Trossknechte und den
sonstigen Anhang der Söldner.
2
Vgl. die Kurzbiographie Georg Friedrichs bei Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 118f.; zur Charakteristik des
Markgrafen vgl. auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 153.
3
Dazu Guthrie, Battles, S. 87.
4
Zur Vita Christians vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 105–111; ausführlich Wertheim, Der Tolle Halberstädter,
sowie Smid, Der Tolle Halberstädter.
5
Im Spätherbst 1621 stieß Christian mit einigen tausend
Mann, die er auf eigene Kosten geworben hatte, nach Süden
vor, wurde aber von dem Grafen Anholt, einem Unterführer
Tillys, bei Kirtorf gestoppt und musste sich nach
Niedersachsen zurückziehen.
6
Zum Gefecht bei Mingolsheim vgl. Guthrie, Battles, S. 87f.;
Krüssmann, Mansfeld, S. 399–401, sowie Rill, Tilly, S. 118f.
7
Zit. nach Rill, Tilly, S. 120.
8
Vgl. oben, S. 178.
9
Zu den möglichen Gründen der Trennung vgl. Krüssmann,
Mansfeld, S. 403f., sowie Rill, Tilly, S. 120.
10
So auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 158.
11
Zum Schlachtverlauf vgl. Guthrie, Battles, S. 89f., sowie Rill,
Tilly, S. 120–123; in der älteren Literatur Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 35f., sowie
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 158f.; für eine
kritische Studie der Quellen zur Schlacht vgl. Gmelin,
«Beiträge zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen»,
S. 332ff.
12
Diese Angaben nach Guthrie, Battles, S. 90; in der älteren
Literatur werden die Verluste Tillys in der Schlacht von
Wimpfen niedriger angegeben.
13
Vgl. oben, S. 184.
14
Vgl. Gmelin, «Beiträge zur Geschichte der Schlacht bei
Wimpfen», S. 340.
15
Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 405–407, sowie Rill, Tilly,
S. 123f.
16
Krüssmann, Mansfeld, S. 407–414.
17
Welche Rolle Mansfeld bei diesen Entscheidungen spielte,
ist unklar, denn er scheint zu dieser Zeit schwer krank
gewesen zu sein und konnte das Heer nicht begleiten; ebd.,
S. 411f.
18
Vgl. Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 23–27.
19
Zur Schatzbildung Christians vgl. ebd., S. 24; dass Christian
sich und seine Offiziere in einem eroberten Kloster von
nackten Nonnen habe bewirten lassen, ist wohl eine
Erfindung, die ihn als Wüstling charakterisieren sollte. Sie
wird in der Literatur aber weiterhin kolportiert, etwa bei
Franzl, Ferdinand II., S. 197.
20
Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 23.
21
Zur Schlacht von Höchst vgl. Guthrie, Battles, S. 98f.; Rill,
Tilly, S. 126–129, und Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 28–
32.
22
Dazu ausführlich Ortenburg, Waffen der Landsknechte,
S. 104ff. sowie 126f.
23
Das Falkonett war ein leichtes Geschütz, das Kugeln von
drei Pfund verschoss; es gab auch halbe Falkonetts, die
Kugeln von eineinhalb Pfund abfeuerten. Als Feldstücke
bezeichnete man nicht weiter normierte Kanonen geringeren
Kalibers, die der leichten Artillerie zuzurechnen waren.
Karthaunen waren schwere Geschütze, die Kugeln mit einem
Gewicht von etwa fünf Pfund verschossen. Das Falkonett
hatte ein deutlich längeres, in der Regel doppelt so langes
Kanonenrohr wie die Karthaune, und seine optimale
Schussentfernung war mit etwa 750 Metern größer als die
der Karthaune, die bei etwa 500 Metern lag. Das Falkonett
war für das Distanzgefecht somit besser geeignet, während
die Karthaune eine Waffe des Nahgefechts war. Der Einsatz
beider Geschütztypen war auch darum so kompliziert, weil
es gerade die Waffe fürs Nahgefecht war, die nach Beginn
der Schlacht so gut wie unbeweglich war. Wollte man sie
nicht an einen schnell attackierenden Feind verlieren, so
waren die Schwerpunkte der eigenen Gefechtsführung durch
die Aufstellung der Karthaunen vorgegeben.
24
Tilly verfügte außerdem über sieben leichte Kanonen, die
aber nicht eingesetzt, sondern offenbar in Reserve gehalten
wurden.
25
Diese Zahlenangaben folgen Guthrie, Battles, S. 99, nicht
Rill, Tilly, S. 128, der davon ausgeht, dass Christian nur ein
Drittel seiner Armee habe retten können.
26
So etwa Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Bd. 2, S. 37; ähnlich auch Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 161, der von einer «entblößten und
demoralisierten Truppe» spricht, die Christian dem
Pfalzgrafen zugeführt habe; Rill, Tilly, S. 128f., folgt diesem
Urteil.
27
Am Anfang dieser Sicht steht Wedgwood (Der 30jährige
Krieg, S. 135); sie findet sich weiterhin (zurückhaltend) bei
Guthrie, Battles, S. 99; Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 32,
sowie Flieger, Die Schlacht bei Stadtlohn, S. 59–90, insbes.
S. 86–89; außerdem Krüssmann, Mansfeld, S. 416f.
28
Zur Praxis des «Untersteckens» oder «Unterstellens» von
Gefangenen in den eigenen Truppen vgl. Burschel, Söldner,
S. 158f.
29
Zu dieser «Moral» von Callots Radierungen vgl. Schuchter,
Jacques Callot, S. 125ff., sowie Choné, «Die
Kriegsdarstellungen Jacques Callots», S. 409–426.
30
Dazu Rill, Tilly, S. 128f.
1
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 161.
2
Dazu Krüssmann, Mansfeld, S. 417f., sowie Smid, Der Tolle
Halberstädter, S. 32.
3
Vgl. oben, S. 139f.
4
Ausführlich Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 161–163;
es fällt auf, dass die Brüsseler Verhandlungen in jüngeren
Darstellungen des Krieges, wie denen von Press, Kampmann
und Gotthard, keinerlei Rolle spielen, ja nicht einmal
erwähnt werden.
5
Für Mansfeld war das ein Geschäftsmodell, für Christian von
Halberstadt ein politisches Projekt; zu dieser
«Zwischenphase» für die beiden Kriegsunternehmer vgl.
Krüssmann, Mansfeld, S. 418–436, sowie Smid, Der Tolle
Halberstädter, S. 34.
6
Vgl. oben, S. 118.
7
Die langwierigen Verhandlungen, die immer wieder durch
Finten gegenüber Frankreich und Spanien abgesichert
werden mussten, sind ausführlich dargestellt bei Krüssmann,
Mansfeld, S. 436–444.
8
Vgl. hierzu und zum Folgenden Krüssmann, Mansfeld,
S. 444–454, und Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 34–36;
einige knappe Bemerkungen, die sich auf die Angaben zu
den in der Schlacht bei Fleurus eingesetzten Regimentern
beschränken, finden sich bei Guthrie, Battles, S. 100f.
9
Vgl. etwa Krüssmann, Mansfeld, S. 452 (linke Hand); Smid,
Der Tolle Halberstädter, S. 36 (oberhalb des Ellbogens).
10
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 148.
11
Zit. nach Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 37.
1
Vgl. ebd., S. 45f.
2
Hierzu und zum Folgenden Flieger, Die Schlacht bei
Stadtlohn, S. 129.
3
Eine Abbildung des zeitgenössischen Stichs von
Bartholomäus Kilian findet sich bei Lahrkamp,
Dreißigjähriger Krieg, Westfälischer Frieden, S. 127.
4
Dazu Rill, Tilly, S. 131–133.
5
Ebd., S. 132.
6
Zit. nach Jessen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 144.
7
Das gilt für Rill, Tilly, S. 132f., aber auch für Junkelmann,
Tilly, der dem Bild des Feldherrn in der kollektiven
Erinnerung der Deutschen einen eigenen Abschnitt
gewidmet hat («Apokalyptisches Ungeheuer und verhöhnter
Verlierer», S. 75–82).
8
Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 167.
9
Die Bestände der Bibliotheca Palatina sind inzwischen
digitalisiert und in dieser Form in Heidelberg verfügbar.
10
So Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 114. Zu dieser
Streitfrage vgl. Keunecke, «Die Vorbereitung der
Heidelberger Bücherentführung», S. 408–415.
11
Zur Plünderung Mantuas durch Gallas und Aldringen vgl.
Martines, Blutiges Zeitalter, S. 200–204, sowie unten,
S. 403f.
12
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 172f.
13
Vgl. oben, S. 107f.; ausführlich Straub, Pax et Imperium,
S. 163–204; insbes. S. 173ff.
14
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 176.
15
Dazu allgemein Schmidt, Spanische Universalmonarchie,
S. 95ff.
16
Vgl. oben, S. 130ff.
17
Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 324f.
18
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 177.
19
Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg, S. 112f.) spricht davon,
die kaiserlich-katholische Seite habe «ihren Triumph so
maßlos aus[genutzt], dass das den Fortgang von
Kampfhandlungen geradezu provozieren musste».
Kampmann (Europa und das Reich, S. 48) schreibt, die
Belehnung Maximilians mit der pfälzischen Kur habe «ein
kaum überwindbares Hindernis für eine Rückkehr zum
Frieden im Reich aufgerichtet».
20
Zum politiktheoretischen Hintergrund dieser
Auseinandersetzung vgl. Dreitzel, «Ständestaat und absolute
Monarchie», S. 19–50, insbes. S. 34f.; zur Bedeutung des
Kaisers als Akteur, Nutznießer und schließlich Verlierer des
Krieges vgl. Kampmann, «The Emperor», S. 39ff.
21
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 47; Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg, S. 114) spricht
gar von einer «irregulären Versammlung».
22
Für eine ausführliche Darstellung dieser Beratungen vgl.
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 185–187.
23
Zit. nach ebd., S. 187, Fn. 3 und 4.
24
Zit. nach ebd., S. 188.
25
Zit. nach Jessen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 153; in der
Analyse Bireleys war das der Auftakt zu dem, was er als
«triumph of militance» bezeichnet und auf die Zeit zwischen
1624 und 1629 datiert (Bireley, The Jesuits, S. 63ff.).
26
Zit. nach Jessen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 153.
1
Schormann, «Dreißigjähriger Krieg 1618–1648», S. 226ff.;
ders., Der Dreißigjährige Krieg, S. 34ff.; Arndt, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 84ff.; diese Zurechnung geht auf
ältere Darstellungen zurück, etwa Klopp, Der dreißigjährige
Krieg, der den «dänischen Krieg» 1625 beginnen lässt.
Dagegen werden bei Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 225ff.) und Gindely (Geschichte des dreißigjährigen
Krieges, Bd. 2, S. 56ff.) die Ereignisse der «Zwischenphase»
dem niedersächsisch-dänischen Krieg als dessen Auftakt
zugerechnet; dieser Sicht folgen unter den jüngeren
Historikern explizit Kampmann (Europa und das Reich,
S. 50ff.) und implizit Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg,
S. 117f.).
2
Vgl. oben, S. 61ff.
3
Rill, Tilly, S. 138f., sowie Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 246f.; speziell für den Raum Friedberg vgl. Rock,
«Die Reichsstadt Friedberg zur Zeit des 30jährigen
Krieges», S. 3–74.
4
Dazu ausführlich Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg,
Bd. 1, S. 387ff.
5
So Stadler, Pappenheim und die Zeit des Dreißigjährigen
Krieges, S. 131.
6
Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 50f.; zur
Bedeutung der Reichskreise für die Organisation des
Militärwesens vgl. Magen, «Die Reichskreise in der Epoche
des Dreißigjährigen Krieges», S. 409–460, insbes. S. 429ff.
7
Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 1, S. 412ff.
8
Vgl. Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 44.
9
Rill, Tilly, S. 138f.
10
Zur Lebensform und den Existenzproblemen «gartender»
Landsknechte, das heißt abgedankter Soldaten, die keinen
neuen Soldherrn haben, vgl. Burschel, Söldner, S. 277ff.
11
Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 45; Opel, Der
niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 1, S. 437ff.
12
Es ist unklar, unter welchem äußeren Druck Christian bei
dieser Entscheidung stand; es gibt Berichte, dass seine
Offiziere Widerstand gegen eine Abdankung angemeldet
hätten (Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 46). Christians
Abdankung als Administrator des Stifts Halberstadt war
daran gebunden, dass das Domkapitel den Sohn des
dänischen Königs Christian IV., der bereits das Bistum
Verden innehatte und Anwärter auf Bremen war, zu seinem
Nachfolger wählte. Das war mehr als eine Geste der
Dankbarkeit gegenüber dem Dänenkönig, dem Patenonkel
Christians; es ging Christian darum, Dänemark in den Krieg
hineinzuziehen, und je stärkere Interessen die in Dänemark
regierende Dynastie der Oldenburger im Reich und an der
protestantischen Sache hatte, desto wahrscheinlicher war
ihr Eingreifen in den Krieg; vgl. Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. 3, S. 251.
13
Hierzu und zum Folgenden Krüssmann, Mansfeld, S. 460–
475.
14
Vgl. ebd., S. 489–498.
15
Ebd., S. 500–503.
16
Vgl. Kaiser, Politik und Kriegführung, S. 205–207.
17
Vgl. oben, S. 208.
18
Dazu Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 50; Flieger,
Stadtlohn, S. 163; Rill, Tilly, S. 142, sowie Guthrie, Battles,
S. 106.
19
In der Literatur ist häufig von einem Entschluss zur Flucht
die Rede. Es ging aber nicht um Flucht, sondern um
geordneten Rückzug.
20
Dabei dürfte die Übermüdung der Soldaten infolge des
hohen Marschtempos bei großer Hitze, aber auch der starke
Zuspruch zu alkoholischen Getränken am Vorabend eine
Rolle gespielt haben; vgl. Flieger, Stadtlohn, S. 164.
21
Zur Schlachtbeschreibung vgl. Flieger, Stadtlohn, S. 165–
187; Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 50–52, sowie Guthrie,
Battles, S. 109–116.
22
So Junkelmann, Tilly, S. 37.
23
Zit. nach Rill, Tilly, S. 145.
24
Zu Johann Jakob Freiherr von Bronkhorst, Graf von Anholt
vgl. Flieger, Stadtlohn, S. 93–102. Anholt hatte hier die
Truppen Mansfelds beobachtet; er war darum mit den
räumlichen Gegebenheiten bei Stadtlohn vertraut.
25
Vgl. Rill, Tilly, S. 146f.
26
Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 514–517.
27
Der «Immisionsrezeß», mit dem die Verpfändung öffentlich
angezeigt wurde, ist bei Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte, S. 572–575, abgedruckt.
1
Dazu Rebitsch, Wallenstein, S. 20ff.
2
Ausführlich Bermbach, «Widerstandsrecht, Souveränität,
Kirche und Staat», S. 101–162.
3
Zu Tschernembl vgl. Sturmberger, Georg Erasmus von
Tschernembl.
4
Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 19.
5
Die Vorgänge in Altdorf sind ausführlich geschildert bei
Diwald, Wallenstein, S. 29–32, sowie Mann, Wallenstein,
S. 24–31.
6
Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 19.
7
Vgl. das Stichwort «Hofmann» in Münkler/Münkler, Lexikon
der Renaissance, S. 147–151; zu Wallensteins
Italienpräferenz vgl. Rebitsch, Wallenstein, S. 24f.
8
«Wallenstein entledigte sich der Pflichten gegen die Kirche,
zu der er übergetreten war, indem er in der Osterzeit zu den
Sakramenten ging und in seinen Herrschaften den Jesuiten
eine Stätte ihrer Wirksamkeit bereitete, im Übrigen hatten
die Gedanken von Religion und Kirche über seine öffentliche
Wirksamkeit keine Macht.» Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 305.
9
Mit den 92 Untertanenfamilien, die zu Gut
Hermanitz/Heřmanice, Wallensteins Erbe, gehörten, stand
er «weit unten auf der Stufenleiter der feudalen
Grundherrn»; Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 17.
10
Zur Beurteilung der militärischen Leistungen Wallensteins
vgl. Schmidt, «Wallenstein als Feldherr», S. 241–260, sowie
Rebitsch, Wallenstein, S. 51–95; vgl. auch die
Charakterisierung Wallensteins bei Wedgwood, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 150ff.; zu den organisatorischen
Fähigkeiten Wallensteins vgl. Kunisch, «Wallenstein als
Kriegsunternehmer», S. 153–161.
11
Vgl. das Kapitel «Die rätselhaften Krankheiten Wallensteins»
in Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 23–27; zu
Wallensteins Krankheiten auch Rebitsch, Wallenstein, S. 48–
50.
12
Zu Kepler und seinem Horoskop für Wallenstein vgl. Posch,
Johannes Kepler, S. 192–195, sowie Rebitsch, Wallenstein,
S. 45–48; ausführlich Geiger, Wallensteins Astrologie.
13
Zu den Umständen des Horoskops und dessen Wortlaut auch
Mann, Wallenstein, S. 86–95, sowie Diwald, Wallenstein,
S. 48–54.
14
Vgl. oben, S. 243.
15
Dazu Diwald, Wallenstein, S. 212–221, und Mann,
Wallenstein, S. 230–235; in manchen Darstellungen ist die
zahlenmäßige Überlegenheit Bethlens noch größer.
16
Wallenstein an Harrach am 10. November 1623; zit. nach
Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 161; ebenso Lorenz (Hg.), Quellen
zur Geschichte Wallensteins, S. 66f.
17
Diwald, Wallenstein, S. 223–246; Mann, Wallenstein, S. 254–
285; Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 85–93; speziell
Ernstberger, Wallenstein als Volkswirt.
18
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 68.
19
Diwald, Wallenstein, S. 258.
20
Das ist das vor allem von Hellmut Diwald gezeichnete
Wallensteinbild; zum Wechsel des Wallenstein-Bildes in der
Geschichte vgl. Kampmann, «Albrecht von Wallenstein»,
S. 109–127.
21
Im Sommer 1625, also schon kurz nach der Übertragung des
Oberkommandos über die kaiserlichen Streitkräfte, schrieb
Wallenstein an Collalto: «Dieser Tag hat mir der Coloredo
[Rudolf Graf von Colloredo-Waldsee, zu diesem Zeitpunkt
mit einem Werbepatent für die Aufstellung eines Regiments
Fußsoldaten ausgestattet] gesagt, daß der Don Balthasar
[Marradas] ihm gesagt hätte, es nehme ihn groß Wunder,
daß ich ohne einiger hohen Offiziers Anziehung vermeine,
die Armada zu führen»; zit. nach Jessen (Hg.), Der
Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 170f.
1
Zu den Madrider Gesprächen aus spanischer Sicht Straub,
Pax et Imperium, S. 190ff.
2
Vgl. Asch, Jakob I., S. 195f., sowie Weiß, Die Unterstützung
Friedrichs V. von der Pfalz, S. 58f.
3
Dazu Krüssmann, Mansfeld, S. 528–534.
4
Dazu Externbrink, Le cœur du monde, S. 59ff.; speziell zu
den Pässen des Veltlins und Graubündens vgl. Wendland,
Der Nutzen der Pässe und die Gefährdung der Seelen,
S. 133f.; allgemein Bély, «France and the Thirty Years War»,
S. 87–99.
5
Zu dieser Position und dem Ringen darum in der Zeit
Richelieus vgl. Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung,
S. 140–169.
6
Zu Richelieu vgl. Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 45ff.; zu den Leitlinien der Politik Richelieus Dickmann,
«Rechtsgedanke und Machtpolitik bei Richelieu», S. 36ff.;
Weber, «Une Paix sûre et prompte», S. 111ff., sowie
Wollenberg, Richelieu, S. 39–114; allgemein Babel,
Deutschland und Frankreich im Zeichen der habsburgischen
Universalmonarchie.
7
Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 534–539.
8
Dazu ausführlich Weber, Frankreich, Kurtrier, der Rhein und
das Reich, passim, sowie ders., «Vom verdeckten zum
offenen Krieg», S. 203ff.; zur Politik des Trierer Erzbischofs
und Kurfürsten von Sötern vgl. ausführlich Baur, Philipp von
Sötern, 2 Bde.; zur Deutschlandpolitik Richelieus
Burckhardt, Richelieu, Bd. 2, S. 239–425.
9
Für einen Überblick zu zweieinhalb Jahrhunderten Rivalität
in Skandinavien und im Baltikum vgl. Zernack, «Das
Zeitalter der Nordischen Kriege», S. 55–79.
10
Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 250–284.
11
Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 66. Gustav Adolf bot an, «12 Regimenter Fußvolk und
2000 Reiter auszurüsten, wenn England, die Generalstaaten
und einige deutsche Fürsten sich an dem Bündnisse
beteiligen und 21 Regimenter Fußvolk und 6000 Reiter
aufstellen und zwei Drittel der Kriegskosten tragen würden»
(ebd.). Den Oberbefehl über dieses Heer beanspruchte
Gustav Adolf für sich selbst; ausführlich Barudio, Gustaf
Adolf, S. 315ff.; zur imperialen Politik Schwedens vgl.
Lundkvist, «The Experience of Empire», S. 20–57; zum
Problem der Legitimation des Kriegseintritts vgl. Piirimäe,
«Just War in theory and practice: the legitimation of Swedish
intervention», S. 499–523, sowie Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 285–288.
12
Zu Dänemark und Christian IV. vgl. Lockhart, Denmark in
the Thirty Years’ War, sowie in Kurzfassung ders.,
«Denmark», S. 65–76.
13
Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg, S. 125) nennt als
weiteren Grund für den Kriegseintritt Christians
persönlichen Ehrgeiz: Er war 48 Jahre alt und hatte noch
keinen strahlenden Sieg errungen.
14
Vgl. Krüger, «Dänische und schwedische
Kriegsfinanzierung», S. 277ff.
15
Barudio, Der Teutsche Krieg, S. 267ff., sowie zum
Erfordernis, die Stände in die Außenpolitik einzubinden,
Goetze, Die Politik des schwedischen Reichskanzlers
Oxenstierna, passim.
16
Der Allianzvertrag ist auszugsweise abgedruckt bei Roeck
(Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 250–
255; für die vollständige Fassung des Allianzvertrags vgl.
Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 99–
104.
17
Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg,
S. 251.
18
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 309ff.
19
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 101.
20
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 122; Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 310.
21
Dazu Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 65ff.
22
Ebd., S. 69.
23
Dazu Gotthard, «‹Politice seint wir Bäpstisch›. Kursachsen
und der deutsche Protestantismus», S. 275–319.
24
Gindely, Geschichte, Bd. 2, S. 84f.; Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 316f.
1
Es gibt für die früheren Angebote Wallensteins keine Belege,
aber in den 1625 geführten Verhandlungen wurde darauf
zurückverwiesen.
2
Zu den Beratungen des Eggenberg’schen Gutachtens im
engsten Kreis der kaiserlichen Berater vgl. Diwald,
Wallenstein, S. 253f.
3
Vgl. oben, S. 79f. und S. 66f.
4
Vgl. dazu Whaley, Das Heilige Römische Reich, S. 603ff.
5
Zit. nach Gindely, Wallenstein während seines ersten
Generalats, S. 50.
6
Ebd.
7
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 87f.
8
Zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und
Dreißigjähriger Krieg, S. 209f.
9
Dazu ausführlich Diwald, Wallenstein, S. 258f., ebenso
Rebitsch, Wallenstein, S. 55ff.
10
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 97f.
11
Ebd., S. 93.
12
Die fundamentale Machtverschiebung durch die Ernennung
Wallensteins zum General und die Aufstellung einer
kaiserlichen Armada ist in den wenigsten Darstellungen zum
Dreißigjährigen Krieg zutreffend erkannt beziehungsweise
gezeigt worden; vgl. etwa die Ausführungen zum ersten
Generalat Wallensteins bei Kampmann, Europa und das
Reich, S. 56–59, oder bei Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 187–191.
13
Kampmann, Europa und das Reich, S. 51.
14
Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 90.
15
Franz Christoph Graf Khevenhüller war von 1616 bis 1631
kaiserlicher Gesandter in Madrid; er verfasste anschließend
die Annales Ferdinandi, in denen diese Äußerung überliefert
ist. Sie ist in dem Zusammenhang, in den sie von
Khevenhüller gestellt wurde, zweifellos falsch, trifft der
Sache nach aber den Kern von Wallensteins Vorgehen.
16
Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 277.
17
In der Forschung wird die Entstehung des
Kontributionssystems verschiedentlich so dargestellt, als
habe Wallenstein nach einiger Zeit gemerkt, dass er die
Armee nicht aus eigenen Mitteln unterhalten könne, und erst
dann zum Instrument der Kontributionen gegriffen.
Infolgedessen habe er sich doppelt entschädigen lassen:
durch die Praxis der Kontributionen und die Aufrechnung
der Armeekosten gegenüber dem Hof (so Gotthard, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 187–197). Das ist unzutreffend:
Wallenstein hat, wie die erwähnten Einlassungen seines
Schwiegervaters Karl von Harrach gegenüber dem Kaiser
zeigen, von Anfang an mit offenen Karten gespielt, und was
er vom Hof erstattet haben wollte, waren seine Ausgaben für
die Vorfinanzierung der Armee. Er drängte auf Rückzahlung
des Kredits, den er dem Kaiser gewährt hatte, und als der
Kaiser dem nicht nachkommen konnte, wurde Wallenstein
mit dem Herzogtum Mecklenburg «entschädigt». Die Armee
hingegen finanzierte sich durch das Kontributionssystem.
18
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 22.
19
Ebd., S. 20.
20
Döblin, Wallenstein, S. 469; verschiedentlich ist bei Döblin
auch von Tyrannei die Rede.
21
Schmitt, «Exkurs über Wallenstein als Diktator», S. 79–96,
hier S. 80.
22
Ebd., S. 82ff.
23
Die Kontributionen sind freilich in der Instruktion nur sehr
vage umrissen; sie werden zentral in den Verabredungen
von Bruck an der Leitha aus dem Jahre 1626, durch die
Wallenstein von seiner angedrohten Demissionierung
abgehalten wurde. In Bruck wurden Wallensteins Befugnisse
noch einmal deutlich erweitert; vgl. Diwald, Wallenstein,
S. 367ff.
24
Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 58.
25
Ebd., S. 59.
26
Machiavelli, Der Fürst, S. 29.
27
Schmitt, «Exkurs über Wallenstein als Diktator», S. 86.
28
Vgl. dazu am Beispiel der englischen Revolutionen Schröder,
Die englischen Revolutionen, S. 167f. und 207–217.
29
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 8f.
30
Vgl. Simms, Kampf um Vorherrschaft, S. 43–62.
31
Carl Schmitts Urteil über Wallensteins zweites Generalat
unterscheidet sich nicht wesentlich von seiner Beurteilung
des ersten Generalats, wobei er sich freilich auf die formalen
Festlegungen konzentrierte und die tatsächliche Macht
weitgehend außer Acht ließ; vgl. Schmitt, «Exkurs über
Wallenstein als Diktator», S. 87ff.
32
Meier, Die Ohnmacht des allmächtigen Dictators Caesar,
S. 17–100.
33
Diese Debatte ist mit den in ihren Wertungen
gegensätzlichen Wallenstein-Biographien Hellmut Diwalds
und Golo Manns zu einem vorläufigen Abschluss gekommen:
Die Quellen sind erschlossen, mit einer Klärung der noch
offenen Fragen durch den Fund neuer Quellen ist nicht mehr
zu rechnen, aber die Urteile über Wallenstein bleiben
konträr. Sie sind von dem Urteil über die Verfassung des
Reichs seit dem Westfälischen Frieden bis zu seinem Ende
zu Beginn des 19. Jahrhunderts abhängig. Während die
«borussische» Historiographie die Schwäche des Reichs
beklagt und in ihr den Grund dafür sah, dass äußere Mächte
Reichsgebiete entfremdet und Deutschland zum
Kriegsschauplatz Europas gemacht haben, ist in der
Historiographie der Bundesrepublik parallel zum Fortschritt
des europäischen Einigungsprozesses die Reichsverfassung
zum Paradigma eines friedlichen Europa geworden: eine
föderative Struktur, Austragung von Konflikten und
Dissensen in Form von Rechtsauseinandersetzungen, keine
militärische Expansionsfähigkeit nach außen; vgl. Aretin,
Das Alte Reich, Bde. 1 und 2, sowie Whaley, Das Heilige
Römische Reich, Bd. 1, S. 461–500. Damit war auch das
Wallenstein-Problem stillgestellt, beziehungsweise
Wallensteins Scheitern war bei einer insgesamt positiven
Bewertung der Reichsverfassung geschichtspolitisch keine
Katastrophe mehr, über deren Revision nachzudenken war.
34
Vgl. Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 4–8.
35
Ein zentrales Spiegelelement Wallensteins in Schillers
Trilogie ist der Bezug auf Machiavelli und dessen Ratschläge
zum politischen Erfolg. Der Machiavelli-Bezug enthistorisiert
jedoch Wallenstein und macht ihn zum zeitlosen Paradigma
politischen Handelns und Scheiterns; vgl. Alt, Schiller, Bd. 2,
S. 441.
36
Im Zentrum von Döblins Wallenstein-Roman steht entgegen
den durch den Titel geweckten Erwartungen Kaiser
Ferdinand II., der als Spiegelbild von Wilhelm II. gelesen
werden kann. Ferdinand ist bei Döblin ein schwacher Mann,
in seinen Entscheidungen hin- und herschwankend, ständig
um Rat nachsuchend und mit einer starken Neigung, den
Zumutungen des politischen Betriebs zu entfliehen: in
politische Traumwelten, in denen er sich als allmächtige
kaiserliche Majestät und souveräner Herrscher im Zentrum
Europas imaginiert, in rührselige Frömmelei, die zur Folge
hat, dass die diesseitige Welt im Vergleich mit dem Jenseits
eine unbedeutende Rolle spielt, oder in herrscherliche
Beschäftigungen, wie ausgedehnte Jagdaufenthalte. All das
ist bei Kaiser Wilhelm vor und vor allem während des Ersten
Weltkriegs ebenfalls zu finden. Es handelt sich um Fluchten
aus der Politik und dem Erfordernis, sich im Machtkampf
behaupten zu müssen.
Eine Folge dieser Überforderung ist bei Döblin, dass die den
Kaiser Beratenden und Beeinflussenden zunehmend das
Steuer der Politik übernehmen: Sie führen an Stelle von
Ferdinand dessen Kriege, und je länger sie das tun, desto
stärker treten ihre eigenen Interessen in den Vordergrund.
Bei Döblin sind es vor allem drei Mächte, die Ferdinand
bedrängen: Herzog Maximilian von Bayern, der die Pfälzer
Kurwürde haben will, die ihm Ferdinand in einem
Augenblick der politischen Leichtfertigkeit als Motivation für
seine Hilfe im Böhmenkrieg zugesagt hat; sodann Papst
Urban VIII., der auf die Restitution der einstmals
katholischen Kirchengüter drängt und damit den Kampf um
die Macht im Reich in einen Glaubenskrieg verwandelt;
schließlich Wallenstein, der den Religionskrieg gerade nicht
will und darauf aus ist, den Krieg als Kampf gegen
Aufständische und Rebellen zu führen und die Fragen der
Konfession so weit wie möglich herauszuhalten. Dieser
Wallenstein ist ein Mann des Krieges, weil er nur in einer
Konstellation des gewaltsamen Umsturzes sein eigentliches
Ziel, die Errichtung eines Herzogtums entlang der Elbe von
Böhmen bis nach Mecklenburg, erreichen kann. Damit ist
das Wallenstein-Bild Döblins dem Schillers entgegengesetzt:
Zeichnet Schiller einen Wallenstein, der zwischen Kriegsherr
und Friedensstifter hin- und herschwankt (vgl. Müller-Seidel,
Friedrich Schiller und die Politik, S. 136f.), so begegnen wir
bei Döblin einem Wallenstein, der als der eigentliche
Antipode der «Verfassungspartei» im Reich dargestellt wird.
Diese Partei will den status quo ante wiederherstellen, und
sie besteht aus den ligistischen Mächten unter Führung des
Bayernherzogs Maximilian sowie den lutherischen
Herrschern unter Führung des sächsischen Kurfürsten
Johann Georg. Wallenstein dagegen präferiert den Krieg als
großen Umsturz, um seine Ziele erreichen zu können.
37
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 194.
38
Ebd., S. 195 und 197.
39
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 23.
40
Rebitsch, Wallenstein, S. 149.
41
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 89.
42
Ebd., S. 89. In Augustinus’ De civitate Dei heißt es: «Quod
sunt regna remota iustitia nisi magna latrocinia» – was sind
Königreiche, wenn die Gerechtigkeit aus ihnen
verschwunden ist, anderes als große Räuberbanden.
43
Ebd.
44
Diwald, Wallenstein, S. 405.
45
Vgl. ebd., S. 281ff.
46
Ebd., S. 280.
47
Zu Hans de Witte, dem reformierten Holländer, der mit dem
katholischen Sieg über die protestantischen Aufständischen
in Böhmen und seiner Beteiligung am Prager
Münzkonsortium reich geworden war und als Bankier
Wallensteins die Finanzierung des Heeres sicherte, vgl.
Ernstberger, Hans de Witte.
1
Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 568–573.
2
Rill, Tilly, S. 161–167.
3
Diwald, Wallenstein, S. 325–331.
4
So Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 180; bei Parker (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 146) findet sich die erstaunliche
Behauptung, der Däne Christian und sein Heer seien 1625
nur darum «der totalen Vernichtung» entgangen, weil Tilly
und Wallenstein sich nicht «über ihre Zuständigkeiten
einigen konnten». Davon kann keine Rede sein.
5
Diwald, Wallenstein, S. 398.
6
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 172.
7
Zum Treffen von Hemmersdorf vgl. die Biographien von
Diwald, Wallenstein, S. 333f., und Rill, Tilly, S. 166ff., die
das Treffen je aus der Sicht ihrer Protagonisten darstellen;
zum Verhältnis Wallenstein-Tilly auch Mann, Wallenstein,
S. 362f. und 381ff.
8
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 24.
9
Vor allem im Hinblick auf die Größe und den Zustand von
Wallensteins Heer schwanken die Angaben; während Diwald
(Wallenstein, S. 339) davon ausgeht, dass Wallensteins Heer
inzwischen eine Stärke von 30000 Mann erreicht hatte,
verweist Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 318) auf
einen Brief Wallensteins an Collalto, in dem Wallenstein
schreibt, er verfüge über 18000 Mann, von denen zwei
Drittel vollverwendungsfähig seien; vgl. auch Krüssmann,
Mansfeld, S. 583.
10
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 319ff.
11
Dazu Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 59ff.
12
Vgl. Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 182; im Theatrum
Europaeum wird eine andere Erklärung für Christians Tod
genannt: «Als die Doctores den Körper eröffnet und
besichtigt, haben sie das Ingeweid und sonderlich die partes
um das Herz schwarz, und gleichsam schwarze Blattern
daran gefunden, daraus man auf alt Gift schließen wollen,
das langsam Effekt erreicht habe.» Zit. nach Jessen (Hg.),
Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 182.
13
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 324.
14
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 131.
15
Zu Fuchs von Bimbach vgl. Guthrie, Battles, S. 125.
16
Ich folge hier den Überlegungen von Krüssmann, Mansfeld,
S. 584f.
17
Vgl. oben, S. 198.
18
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 172.
19
Vgl. Guthrie, Battles, S. 120.
20
Krüssmann, Mansfeld, S. 587.
21
Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 342.
22
Hierzu und zum Folgenden Guthrie, Battles, S. 120ff.;
Krüssmann, Mansfeld, S. 590–595; Diwald, Wallenstein,
S. 342–347; sowie Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 322f.
23
Zu Aldringen vgl. Duch, «Aldringen», sowie Rebitsch,
Wallenstein, S. 165–168.
24
Krüssmann, Mansfeld, S. 590.
25
So argumentiert Krüssmann, Mansfeld, S. 593.
26
Guthrie, Battles, S. 121.
27
Ebd., S. 122, und Krüssmann, Mansfeld, S. 595.
28
Vgl. Mann, Wallenstein, S. 363ff.
1
Hierzu und zum Folgenden vgl. Krüssmann, Mansfeld,
S. 597f.
2
Ebd., S. 596 und 598.
3
Hierzu und zum Folgenden erneut Krüssmann, Mansfeld,
S. 599–602.
4
Dazu ausführlich Sturmberger, «Der oberösterreichische
Bauernkrieg», sowie Winkelbauer, Ständefreiheit und
Fürstenmacht, Bd. 1, S. 69f.; knapp Gindely, Der
dreißigjährige Krieg, Bd. 2, S. 95–98, sowie Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 344f.
5
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 175.
6
Ebd., S. 175f.
7
Vgl. Chauné, «Die Kriegsdarstellungen Callots», S. 409ff.,
sowie Schuchter, Callot, S. 128, den das Würfelspiel an das
Würfeln der Soldaten um die Kleider Christi unter dessen
Kreuz erinnert.
8
Scultetus hatte bei der «Säuberung» der Prager Kirchen
durch Friedrich V. eine unglückliche Rolle gespielt und
erheblich zur Abneigung der Bevölkerung gegen den
reformierten Pfälzer beigetragen; vgl. oben, S. 162f.
9
Gindely, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 2, S. 97.
10
Zur Biographie Pappenheims gibt es erstaunlich wenig
Literatur; neben der älteren Arbeit von Heß, Graf zu
Pappenheim, sind hier nur Stadler, Pappenheim und die Zeit
des Dreißigjährigen Krieges, sowie Querengässer,
Feldmarschall Pappenheim, zu nennen; weiterhin zu Familie
und Herkunft Schwackenhofer, Die Reichserbmarschälle,
Grafen und Herren von und zu Pappenheim; vgl. auch das
Kurzporträt Pappenheims bei Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 275–284.
11
Dazu oben, S. 174ff., sowie Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 210ff.
12
Der Plattenharnisch eines Kürassiers wog etwa
25 Kilogramm. Im Unterschied zu den Ritterrüstungen des
Spätmittelalters, die für eine bestimmte Person angefertigt
wurden und von großer technischer wie ästhetischer
Kunstfertigkeit waren, handelte es sich hierbei um
Massenware, die sehr viel kostengünstiger war als die
früheren Ritterrüstungen. Dennoch war die Aufstellung
eines Kürassierregiments relativ teuer: Ein Kürass kostete in
den 1620er Jahren neun Reichstaler, während man für eine
Muskete nur zwei bis drei Reichstaler zahlen musste (vgl.
Ortenburg, Waffen, S. 32–35, sowie Brnardic, Imperial
Armies, Bd. 2, S. 3f.). Um zu verhindern, dass diese immer
häufiger aus Blechen anstatt gehärtetem Stahl gefertigten
Harnische rosteten, wurden sie mit Leinöl geschwärzt.
Pappenheims Kürassiere trugen solche schwarzen
Harnische, die ihr Erkennungszeichen waren (vgl. Stadler,
Pappenheim, S. 158f.). Die hohen Ausrüstungskosten führten
mit der Zeit dazu, dass immer weniger Kürassierregimenter
aufgestellt wurden; die «Pappenheimer» gehörten zu den
letzten derartigen Einheiten des Dreißigjährigen Krieges, in
dessen Schlussphase vorwiegend berittene Arkebussiere und
Dragoner eingesetzt wurden. Zur Gefechtsführung der
Kavallerie vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 216ff.
13
Zur Analyse von Paniken im Gefecht vgl. Collins,
«Vorwärtspaniken und die Dynamik der Massengewalt»,
S. 206–211 und 218–222, sowie ders., Dynamik der Gewalt,
insbes. S. 139–172.
14
Vgl. hierzu und zum Folgenden Stadler, Pappenheim, S. 193–
215, sowie Querengässer, Feldmarschall Pappenheim, S. 23–
26.
15
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 344.
16
Vgl. etwa Wallensteins Brief an den Schlosshauptmann
David Hain zu Löwenthal, in dem er diesen davon in
Kenntnis setzt, «daß der leichtfertige Schelm Kristof von
Redern um Friedland soll reiten und das Landvolk zu
rebellieren persuadieren». Hain solle bekannt machen:
Jeder, der «mit ihm die wenigste Gemeinschaft wird haben,
soll Leib, Gut und Ehre verfallen sein, der mir ihn aber
lebendig oder tot zu Händen wird bringen, soll 5000 Taler in
continenti zu Recompens [dauerhaft als Ersatz/Belohnung]
bekommen». Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg
in Augenzeugenberichten, S. 172.
17
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 98.
18
Die Zahlen differieren: Während Diwald (Wallenstein,
S. 348) von 14000 Soldaten spricht, die Wallenstein
mitgeführt habe, schreibt Mann (Wallenstein, S. 328),
Wallenstein habe mit 20000 Infanteristen, Kavalleristen und
Artilleristen die Elbe überquert. Rechnet man indes zu den
14000 Soldaten bei Diwald die schon früher losgeschickten
5000 Kavalleristen unter Oberst Gabriel Pechmann von der
Schönau hinzu, stimmen die Zahlen tendenziell überein.
19
Vgl. oben, S. 263f.
20
Dazu Junkelmann, Gustav Adolf, S. 253ff., sowie Findeisen,
Gustav II. Adolf, S. 85ff.
21
Vgl. Flieger, Stadtlohn, S. 133f.
22
Vgl. Lammert, Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth, S. 72f.
und 87–91.
23
Zu den Operationen Mansfelds und Johann Ernsts
ausführlich Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 2,
S. 582ff., sowie Krüssmann, Mansfeld, S. 603–623;
außerdem Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 344–348.
24
Zit. nach Krüssmann, Mansfeld, S. 607.
25
Vgl. hierzu die Darstellungen des Feldzugs aus der
Perspektive Wallensteins und seines Heeres bei Diwald,
Wallenstein, S. 348–362, Mann, Wallenstein, S. 327–333,
sowie Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 120–126.
26
Vgl. oben, S. 255ff.
27
Dazu Krüssmann, Mansfeld, S. 610, sowie
Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 121; als eingehende
Untersuchung der nur indirekt bekannt gewordenen Pläne
Mansfelds vgl. Grossmann, Mansfelds letzte Pläne.
28
So mit starker Betonung der Rolle Wallensteins Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 345.
29
Zu der «ausgefallenen» Schlacht von Drégelypalánk mit
unterschiedlicher Akzentsetzung Diwald, Wallenstein,
S. 360, Mann, Wallenstein, S. 331, sowie
Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 123.
30
Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 331.
31
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 20.
32
Dazu Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 128f., sowie
Krüssmann, Mansfeld, S. 619f.
33
Dazu Köhbach, «Warum beteiligte sich das Osmanische
Reich nicht am Dreißigjährigen Krieg?», S. 277–294.
34
Auf die «Waffenhilfe» aus Isfahan für Wien hat mich Bernd
Roeck nachdrücklich aufmerksam gemacht.
35
Hierzu und zum Folgenden vgl. Krüssmann, Mansfeld,
S. 624ff.
36
Aus dem Umstand, dass es sich bei dieser Inszenierung um
einen Topos der römisch-antiken Literatur handelte – Sueton
berichtet solches in den Kaiserviten von Vespasian, «decet
imperatorem stantem mori», dem Kaiser gebühre es, im
Stehen zu sterben –, schlussfolgert Krüssmann (Mansfeld,
S. 625f.), es habe sich bloß um nachträgliche Propaganda
gehandelt. Aber die Propaganda schließt eine
Reinszenierung des Topos keineswegs aus.
37
Zu denken ist an die Tuberkulose, der wenige Monate zuvor
Christian von Braunschweig erlegen war.
1
Vgl. oben, S. 294f.
2
Rill (Tilly, S. 176f.) führt die Weigerung zu kapitulieren
darauf zurück, dass Lawis ein Deserteur des ligistischen
Heeres gewesen sei, dem der Strang drohte, wenn er Tilly in
die Hände fiel. Als Beleg dafür macht er geltend, dass sich
Lawis bei der Erstürmung der Stadt von seinem Diener
erstechen ließ. Es könnte für Lawis freilich auch eine Frage
der Ehre gewesen sein, sich denen nicht ergeben zu wollen,
in deren Dienst er zuvor gestanden hatte. Hätte Lawis bei
der ersten Aufforderung kapituliert, so wäre ihm wohl ein
ehrenhafter Abzug gewährt worden, und er hätte Münden an
der Spitze seiner Truppen verlassen.
3
Vgl. Lotze, Geschichte der Stadt Münden, S. 68ff.
4
Vgl. dazu den Bericht Robert Monros über die Verteidigung
und Eroberung von Schloss Breitenburg im Sommer 1627;
Monro, Kriegserlebnisse, S. 55.
5
Vgl. oben, S. 231f.
6
Rill, Tilly, S. 177.
7
Dazu ausführlich Sofsky, Traktat über die Gewalt.
8
Hierzu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 325.
9
Diese Vorhaltung des Landgrafen ist von Rill (Tilly, S. 177)
missverstanden worden, der aus dem Vorwurf einer
Begünstigung des Luthertums, das von Moritz mit dem
«Papismus» auf eine Stufe gestellt wurde, schlussfolgert,
Tilly habe bei seinem Siegeszug nirgendwo die
nichtkatholischen Bekenntnisse reprimiert oder drangsaliert.
Tatsächlich hat Moritz die Stärkung der Ritterschaft und der
Landstände insgesamt durchaus richtig verstanden: Sie
würde über kurz oder lang auf die Rückkehr der
Landgrafschaft zum lutherischen Bekenntnis hinauslaufen.
Darin zeigt sich einmal mehr die Verquickung von
verfassungs- und konfessionspolitischen Fragen im
Dreißigjährigen Krieg. Tillys eigener Einfluss auf die an den
Landgrafen gerichteten Forderungen dürfte sich im Übrigen
auf die Frage der Festungen beschränkt haben; alles andere
wurde von der Politik aus München oder Wien vorgegeben.
10
Vgl. oben, S. 293.
11
Guthrie, Battles, S. 123; Guthrie berechnet die Stärke des
kaiserlich-ligistischen Heeres auf 17000 Infanteristen,
7500 Kavalleristen und 16 Kanonen, alles in allem 25000
Mann (S. 126), während das dänisch-niedersächsische Heer
über 16000 Infanteristen, 5000 Kavalleristen und
20 Kanonen, zusammen also über 21000 Mann verfügte
(S. 128). Das war keine große Überlegenheit; zu den bloßen
Zahlen kam aber hinzu, dass es sich bei Tillys Truppen um
kampferprobte Regimenter handelte, während die meisten
dänisch-niedersächsischen Einheiten noch nie im Gefecht
gestanden hatten. Christian hätte über eine deutliche
Überzahl verfügen müssen, um diesen Nachteil
auszugleichen. So war Tilly in doppelter Hinsicht im Vorteil.
12
Zur Schlacht von Lutter am Barenberg ausführlich Guthrie,
Battles, S. 123–134, Rill, Tilly, S. 181–185, sowie knapp
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 337f., und Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 92f.;
Parker (Der Dreißigjährige Krieg, S. 149) verweist darauf,
dass der Blick auf die Schlacht von Lutter durch die
Flugblattpropaganda beider Seiten verstellt worden sei,
resümiert aber: «Soweit sich sehen läßt, verdankte sich der
Sieg Tillys weniger der Überlegenheit seiner Truppen als
groben taktischen Fehlern auf der Seite des Königs.»
13
In dem Bericht des Obersten Monro spielt sicherlich auch
nationaler Stolz eine Rolle, der seinerseits als verstärkender
Faktor für den sozialen Zusammenhalt und die militärische
Leistungsfähigkeit des Regiments bedeutsam gewesen sein
dürfte; zur sozialen Kohäsion als Faktor militärischer
Leistungsfähigkeit vgl. Bröckling, «Schlachtfeldforschung»,
S. 196ff.; die landsmannschaftliche Geschlossenheit in den
nationalschwedischen Einheiten spielte bei den Siegen
Gustav Adolfs ebenfalls eine große Rolle; dazu Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 231.
14
Vgl. oben, S. 173.
15
Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 339ff., sowie
Guthrie, Battles, S. 134f.
1
Vgl. oben, S. 206.
2
Vgl. Rill, Tilly, S. 185.
3
Dazu ausführlich Mann, Wallenstein, S. 375–380; bei der
Wallenstein-Kritik spielte Maximilian von Bayern aus dem
Hintergrund eine bestimmende Rolle.
4
Die über weite Strecken apologetische Darstellung des
Krieges von Onno Klopp (Der dreißigjährige Krieg) sucht
einen prinzipiellen Gegensatz zwischen Tilly und Wallenstein
zu konstruieren, den es so nicht gegeben hat. Für Klopp war
Tilly ein treuer Diener der Liga und des Kaisers, während er
Wallenstein als einen habgierigen Verräter angesehen hat.
5
Vgl. Rill, Tilly, S. 189.
6
Ebd., S. 189f.
7
Vgl. oben, S. 324f.
8
Exemplarisch dafür ist das bereits erwähnte schottische
Regiment Monros; es ist schwer zu entscheiden, ob die in
Monros Bericht zum Ausdruck kommende Kampfeslust nur
für die Offiziere galt, die «Kavaliere», wie Monro sie
gelegentlich nennt, oder ob sie auch die einfachen Soldaten
erfasst hatte. Folgt man Monro, so war Letzteres der Fall;
Monro, Kriegserlebnisse, S. 34ff.; zur Rolle der Schotten im
Krieg allgemein Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty
Years’ War; speziell zu Monro vgl. Brockington, «Robert
Monro», S. 215–239.
9
Querengässer, Pappenheim, S. 28.
10
Dazu Stadler, Pappenheim, S. 255–257.
11
Zit. nach Rill, Tilly, S. 165; zum Hass der Soldaten auf
Bauern vgl. auch die entsprechenden Passagen bei Monro,
Kriegserlebnisse, S. 30f., 59, 70 und öfter.
12
Die «Pappenheimer» scheinen an dieser Art von
Kriegführung Gefallen gefunden zu haben, denn in den
ersten Wochen des folgenden Jahres machten sie auf
ähnliche Weise die Gegend zwischen Gardelegen und
Stendal unsicher; vgl. Querengässer, Pappenheim, S. 28.
13
Tilly fügte dem Leichnam Philipps einen Brief an den Vater
bei, in dem er ihm sein Beileid für das Unglück ausdrückte;
vgl. Rill, Tilly, S. 184.
14
Vgl. Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 13–22.
15
Vgl. Diwald, Wallenstein, S. 382.
16
Vgl. Stadler, Pappenheim, S. 258–264.
17
Zit. nach Heß, Pappenheim, S. 62.
18
So Guthrie, Battles, S. 134.
19
Hierzu und zum Folgenden Diwald, Wallenstein, S. 381f.,
Mann, Wallenstein, S. 396f.
20
Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 383.
21
Vgl. dazu die bei Jessen (Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 190f.) wiedergegebenen
Zeugnisse.
22
Zum Verlauf der Schlacht bei Wolgast, die in den meisten
Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges allenfalls am
Rande erwähnt wird, vgl. den ausführlichen Bericht Monros,
dessen schottisches Regiment ebenfalls an der
pommerschen Küste angelandet worden war: «Der Feind
griff S.M. [Seine Majestät, also die Truppen des dänischen
Königs] heftig an und hatte 14 Ordonnanzstücke
aufgefahren. Er feuerte damit auf die Schlachtaufstellung
des Königs, bis dieser die Gefahr erkannte, aber da er nicht
in der Lage war, dem Feind Widerstand zu leisten, zog er
sich, völlig aus der Fassung gebracht, in großer Eile nach
Wolgast zurück. Der König hatte, ohne gekämpft zu haben,
den größten Teil seiner Armee verloren […].» Monro,
Kriegserlebnisse, S. 83f.
23
Diese Art der Kriegführung ist aus Sicht des auf dänischer
Seite daran beteiligten Robert Monro eingehend
beschrieben worden; ebd., S. 58–68.
24
Mann, Wallenstein, S. 399f.
25
«Der König», so schrieb Wallenstein damals über
Christian IV., «hält sich noch ganz in den Inseln, daher ich
ihm denn noch nicht kann zu kommen; er sauft sich alle
Tage voll, verhoffe zu Gott, daß er einmal im Rausch etwas
wagen wird. Kriecht er heraus aus den wasserigen Örtern,
so ist er gewiss unser.» Zit. nach Jessen (Hg.), Der
Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 192. Das
war bei Wolgast der Fall, wo Christian in die ihm von
Wallenstein gestellte Falle ging und einen Großteil seines
Landheeres verlor. Dennoch war Dänemark damit
keineswegs, wie Guthrie (Battles, S. 136) meint, definitiv
besiegt, denn Christian verfügte nach wie vor über seine
Flotte, die stärkste im Ostseeraum, und gegen die besaß
Wallenstein keine Gegenmittel.
1
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 157f., Fn 1.
2
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 211.
3
Dazu Schubert, «Wallenstein und der Staat», der auf die
italienischen Condottieri als Vorbild Wallensteins verweist,
aber zugleich die These vertritt, dass die Zeit der
Condottieri damals bereits vorbei gewesen sei und
Wallenstein scheitern musste (S. 195ff.).
4
Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 390.
5
Zum Begriff der Überdehnung Kennedy, Aufstieg und Fall
der großen Mächte, S. 12 und 759f., sowie Münkler,
Imperien, S. 172ff.
6
Zum Mantuanischen Krieg ausführlich unten, S. 392ff.; zu
den spanischen Forderungen nach kaiserlicher Hilfe vgl.
Straub, Pax et imperium, S. 327ff.
7
Zur Rolle des spanischen Silbers bei der Entstehung der
Weltwirtschaft und als Motor der ökonomischen
Mobilisierung Europas vgl. Cipolla, Die Odyssee des
spanischen Silbers; Pomeranz, The Great Divergence, sowie
Findley/O’Rourke, Power and Plenty, S. 212–226.
8
Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 390.
9
Zit. nach ebd., S. 391.
10
Dazu Straub, Pax et Imperium, S. 288ff.
11
Für eine ausführliche Referierung dieser Klagen vgl. Klopp,
Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 142–155.
12
Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 127.
13
Ausführlich Diwald, Wallenstein, S. 390ff.
14
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 172.
15
Zum Verlauf der osmanischen Perserkriege und zur inneren
Schwäche des Osmanischen Reichs vgl. Jorga, Geschichte
des Osmanischen Reichs, Bd. 3, S. 405–479; zur Geschichte
des Safawidenreichs Newman, Safavid Iran, sowie Mazzaoui,
Safavid Iran; zur politischen Geschichte als Ereignisabfolge
vgl. Roemer, Persien auf dem Weg in die Neuzeit, S. 309ff.
Wie Köhbach («Warum beteiligte sich das Osmanische Reich
nicht am Dreißigjährigen Krieg?», S. 277–294) gezeigt hat,
spielten dabei neben den Kriegen gegen das Safawidenreich
die strukturelle Veraltung des osmanischen Heeres sowie
fortgesetzte innere Machtkämpfe eine Rolle.
16
Dazu Rebitsch, Wallenstein, S. 128–136 und 151–155.
17
Dazu Posch, Johannes Kepler, S. 192ff.
18
Zur «Kunst der Verstellung» vgl. Münkler, Im Namen des
Staates, S. 306–313.
19
Zu Richelieu vgl. Burckhardt, Richelieu, insbes. Bd. 2,
S. 316ff.; Erlanger, Richelieu, S. 263ff.; zu Olivares vgl.
Marañon, Olivares, S. 299–319.
20
Dazu ausführlich Straub, Pax et Imperium, S. 253–325, der
freilich aufgrund seiner apologetischen Grundtendenz
gegenüber der spanischen Politik den Aspekt der
Optionsmehrung nicht erkannt hat und den Frieden als
Olivares’ Leitvorstellung herausstellt.
21
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 397.
22
Zit. nach Roeck, Gegenreformation und Dreißigjähriger
Krieg, S. 262.
23
Zit. nach ebd., S. 266.
24
Dazu Dollinger, Die Hanse, passim, sowie Graichen/Hammel-
Kiesow, Die Deutsche Hanse, insbes. S. 67–105.
25
Vgl. Dollinger, Die Hanse, S. 364ff.
26
Zit. nach Opel, Der dänisch-niedersächsische Krieg, Bd. 3,
S. 485.
27
Diese Maßnahmen und Verhandlungen sind ausführlich
dargestellt bei Opel, Der dänisch-niedersächsische Krieg,
Bd. 3, S. 483–511, ebenso bei Klopp, Der dreißigjährige
Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 51–62. In den meisten jüngeren
Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges wird dem
Ostseeprojekt keine größere Aufmerksamkeit geschenkt; so
wird von Arndt (Der Dreißigjährige Krieg, S. 92) nur
Wallensteins Ernennung zum Admiral erwähnt; Schmidt (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 40) lässt das Projekt an Wallensteins
Desinteresse bzw. seiner Präferenz für die Pazifizierung der
Ostsee scheitern, und Schormann (Der Dreißigjährige Krieg,
S. 39) meint, ähnlich wie Schmidt, Wallensteins Titel habe
die Seemächte auf die Machtansprüche des Kaisers
überhaupt erst aufmerksam gemacht und die Lage für den
Kaiser nur verschlechtert.
28
Vgl. Rebitsch, Wallenstein, S. 139.
1
Stralsund als Episode bei Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 129f.; dagegen als
zentrales Kriegsgeschehen bei Klopp, Der dreißigjährige
Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 73–130, sowie Opel, Der
niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 544–620, dort
unter der Kapitelüberschrift «Höhepunkt der Kaisergewalt in
der Belagerung Stralsunds». Auch für Leopold von Ranke
war die fehlgeschlagene Besetzung Stralsunds der
Wendepunkt des Krieges.
2
Die Verbindung des Katholischen mit dem Land, dem
Tellurischen, und des Protestantischen mit dem offenen
Meer, mehr noch dem Ozeanischen als dem Thalassischen,
findet sich vor allem bei Carl Schmitt, Land und Meer,
S. 52f. und 78–85; ebenso ders., Römischer Katholizismus
und politische Form, S. 14f.
3
So etwa am 2. Juli 1628 an Arnim; zit. nach Klopp, Der
dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 94.
4
Ebd. Es gibt freilich keinen Beleg dafür, dass Wallenstein
diesen Satz wirklich gesagt hat. Es könnte sich auch um ein
von protestantischer Seite lanciertes Zitat handeln, durch
das dem Ende der Belagerung eine zentrale Bedeutung
zugeschrieben werden sollte. Die Ketten am Himmel, von
denen die Rede ist, sprechen jedenfalls dafür. Andererseits
war die Äußerung Wallensteins schon bald geläufig, wie ein
Kommentar von Robert Monro zeigt: «Er [Wallenstein]
schwor in seinem Zorn, er werde die Stadt in drei Nächten
einnehmen, selbst wenn sie mit eisernen Ketten zwischen
Himmel und Erde hinge. Aber da er vergessen hatte, Gott
auf seine Seite zu ziehen, wurde er von ihm enttäuscht, der
über alle Dinge nach seinem Gutdünken entscheidet, der der
höchste Wächter selber ist und weder schlummert noch
schläft.» Monroe, Kriegserlebnisse, S. 74.
5
Vgl. Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 548.
6
Ebd., S. 546.
7
Das von Matthäus Merian eigentlich erst 1633 in Nachfolge
der Gottfried’schen Weltchronik begonnene Theatrum
Europaeum wurde nachträglich um einen Band von 1618 bis
1629 ergänzt, der von Johann Philipp Abele (oder Abelin),
einem Elsässer mit stark proschwedischen Präferenzen,
verfasst worden ist.
8
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 193f.
9
Monro, Kriegserlebnisse, S. 70; was den Zeitpunkt des
Eintreffens der Schotten anbetrifft, folge ich Opel, Der
niedersächsisch-dänische Krieg, S. 563.
10
Monro, Kriegserlebnisse, S. 69.
11
Ebd., S. 81.
12
Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, S. 564.
13
Ebd., S. 598.
14
Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 605ff.
15
Monro, Kriegserlebnisse, S. 74f.
16
Ebd., S. 77.
17
Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 606.
18
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 169.
19
Vgl. oben, S. 342ff.
1
Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 683.
2
Dazu unten, S. 393f.
3
Zit. nach Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3,
S. 694.
4
Ebd., S. 718f.
5
Ebd., S. 695–698.
6
Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 698f.
7
Zit. nach ebd., S. 719f.; zur Rolle Wallensteins bei den
Lübecker Verhandlungen zusammenfassend Rebitsch,
Wallenstein, S. 185–190.
8
Zit. nach Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3,
S. 721.
9
Ebd.
10
Dazu ausführlich Diwald, Wallenstein, S. 393 und öfter.
11
Vgl. Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, S. 702–710.
12
So Wallenstein in seiner Denkschrift an den Kaiser; zit. nach
ebd., S. 720.
13
Vgl. Diwald, Wallenstein, S. 439ff.
14
Hierzu und zum Folgenden Opel, Der niedersächsisch-
dänische Krieg, S. 725ff.
15
Zur Vorgeschichte des Restitutionsedikts und den
juristischen Manövern beider Seiten auf den Reichstagen vor
Ausbruch des Krieges vgl. Ritter, «Der Ursprung des
Restitutionsedikts», insbes. S. 138–168.
16
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 133.
17
Khevenhüller, Annales Ferdinandei; zit. nach Jessen (Hg.),
Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 203.
18
Zur Initiative des Kaisers bei der Vorbereitung des
Restitutionsedikts ausführlich Brockmann, Dynastie,
Kaiseramt und Konfession, Kap. V, 6. Der Text des
Restitutionsedikts ist auszugsweise abgedruckt bei Roeck
(Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 267–
276; zum Verständnis des Edikts vgl. Frisch, Das
Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II., sowie Urban, Das
Restitutionsedikt.
19
Schmitt, Zugang zum Machthaber, S. 20–27.
20
Vgl. Ritter, «Der Ursprung des Restitutionsedikts», S. 161f.
21
Robert Bireley hat sich mit der Vorstellungswelt der beiden
in jeweils einer eigenen Monographie beschäftigt; zu
Contzen vgl. Bireley, Maximilian von Bayern, Adam Contzen
S.J. und die Gegenreformation in Deutschland, zu
Lamormaini ders., Religion and Politics in the Age of
Counterreformation; für eine pointierte Zusammenfassung
ders., «The Thirty Years War as Germany’s Religious War»,
S. 85–106.
22
Ders., «The Thirty Years War», S. 97f.; zur Vorstellung vom
«Heiligen Krieg» vgl. Colpe, Der «Heilige Krieg», passim.
23
Zu Morelles und Pázmány vgl. Bireley, «The Thirty Years
War», S. 97 und 100.
24
Dazu Höbelt, Ferdinand III., passim.
25
Eine den französischen Politiques nahe Einstellung wird
Wallenstein auch von Schubert attestiert, wenn er schreibt,
«daß der Reichsfriede für Wallenstein ein ernstes und hohes
Ziel dargestellt hat» («Wallenstein und der Staat», S. 190).
26
Diwald, Wallenstein, S. 425; zur Religionspolitik
Wallensteins in seinen eigenen Territorien vgl. Rebitsch,
Wallenstein, S. 117–121.
27
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 205.
28
Diwald, Wallenstein, S. 425. Mit Arnim demissionierte einer
der fähigsten Generäle Wallensteins nach Erlass des
Restitutionsedikts. Heinrich Holk, ein weiterer Lutheraner,
blieb in Wallensteins Diensten; für eine Kurzvita Holks vgl.
Rebitsch, Wallenstein, S. 158–161.
29
Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 210.
30
Nach Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. 3, S. 424.
31
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 205.
1
Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 419.
2
Vgl. oben, S. 369f.
3
Straub, Pax et Imperium, passim; zu den Beratungen, in
denen es um die großen Entscheidungen am Ende der
1620er Jahre ging, ebd., S. 327–431.
4
Zit. nach Erlanger, Richelieu, S. 140.
5
Entsprechende Äußerung aus Madrider wie Wiener Sicht
finden sich bei Straub, Pax et Imperium, S. 354f. und 377.
6
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 290f.
7
Ebd., S. 298.
8
Der Briefwechsel zwischen Suffren und Lamormaini ist auch
deswegen interessant, weil sich hier zwei Angehörige
desselben Ordens, der Jesuiten, über die politischen Fronten
hinweg miteinander verständigten und als potestates
indirectae (Carl Schmitt) Neben-Außenpolitik betrieben.
9
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 294f.; als Quelle gibt Klopp «ein römisches Privatarchiv»
an. Der Brief ist auf Latein verfasst, die Übersetzung stammt
von Klopp.
10
Zit. ebd., S. 295.
11
Dazu unten, S. 392ff.
12
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 297.
13
Ebd., S. 297f.
14
Dazu oben, S. 261ff.
15
Vgl. dazu die Nachzeichnung der in Madrid diesbezüglich
geführten Debatten bei Straub, Pax et Imperium, S. 327–
369.
16
Dazu Burckhardt, Richelieu, Bd. 2, S. 300–311.
17
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 396f.
18
Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 398.
19
Dazu Burckhardt, Richelieu, Bd. 2, S. 316–319 und 323.
20
Zur Rolle Sigismunds in Schweden und Polen vgl. Findeisen,
Gustav II. Adolf, S. 72ff.
21
In der einschlägigen Forschung besteht weitgehend
Konsens, dass die Interventionsentscheidung Gustav Adolfs
nicht erfolgte, um den Protestantismus in Deutschland zu
verteidigen oder zu retten, auch wenn dieses Motiv dabei
eine gewisse Rolle spielte, sondern dass es primär um
machtpolitische Motive ging; für eine zusammenfassende
Darstellung der Forschung vgl. Buchholz, «Der Eintritt
Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg», S. 291–314.
Während die jüngere schwedische Forschung mit dem
Zentrum Lund sich vor allem mit der Ressourcenfrage und
den verfassungspolitischen Voraussetzungen der
Großmachtzeit beschäftigt hat (vgl. Lundkvist, «The
Experience of Empire»), hat Klaus Zernack («Schweden als
europäische Großmacht») die Gewährleistung von Sicherheit
für den östlichen Reichsteil, die Entwicklung einer
Alternative zur dänischen Ostseeherrschaft und ökonomisch-
handelspolitische Zugewinne als die tragenden Motive der
schwedischen Großmachtbildung herausgestellt (S. 338).
Zernack betont dabei, dass diese Motive aus einer
strukturell defensiven Position Mitte des 16. Jahrhunderts
hervorgingen, als Schweden gleichzeitig von Russland und
Dänemark her unter Druck geriet (S. 334ff.).
1
Dazu oben, S. 199.
2
Zu den Verzweigungen der Gonzaga-Familie und den
Ansprüchen der beiden Prätendenten auf das mantuanische
Erbe vgl. die ausführlichen Darlegungen bei Parrott, «The
Mantuan Succession», S. 25–33.
3
Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 541 und 542.
4
Zit. ebd., S. 542 und 544.
5
In den großen Olivares-Biographien wird der Niedergang
Spaniens im Untertitel des Werks annonciert, etwa bei
Marañon (Der Niedergang Spaniens als Weltmacht) oder bei
Elliott (The Statesman in an Age of Decline); zur Bedeutung
des mantuanischen Erbfolgestreits für den spanisch-
französischen Krieg, der über den Friedensschluss von
Münster und Osnabrück hinaus fortdauerte, vgl. Stradling,
Spains Struggle for Empire, darin insbesondere der Beitrag
«Olivares and the Origins of Franco-Spanish War»; weiterhin
Elliott, Richelieu and Olivares, S. 110–112, sowie Parrott,
«The Causes of the Franco-Spanish War of 1635–59»,
allgemein Koenigsberger, The Habsburgs and Europe.
6
Straub, Pax et Imperium, S. 354f. und 377.
7
Zit. nach ebd., S. 353f.
8
Parrott, «The Mantuan Succession», S. 30.
9
Vgl. oben, S. 210f.
10
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 399ff., sowie Klopp, Der dreißigjährige Krieg,
Bd. 3, Teil 1, S. 163–169.
11
Anfang November 1628 wandten sich die Kurfürsten vom
Mainz, Köln, Trier, Bayern und Sachsen an Ferdinand und
nahmen für Karl von Nevers Partei. Nur der Brandenburger
hielt sich aus der Angelegenheit heraus.
12
Die britische Historikerin Wedgwood hat in ihrer Darstellung
des Dreißigjährigen Krieges die Rolle der Mittelpartei
wesentlich für den sächsischen Kurfürsten reserviert und an
seinem Beispiel das politische Drama der Mitte geschildert.
13
Für eine Kurzvita Urbans VIII. vgl. Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 215. Die sich verändernde Haltung
der Kurie zum Krieg in Deutschland schlug sich auch in der
Subsidienfrage nieder. Während Paul V. und Gregor XV. in
der Anfangsphase des Krieges zu einer nennenswerten
Unterstützung der «katholischen Sache» bereit waren,
änderte sich das unter Urban VIII. Erst im Dezember 1631,
nach dem Zusammenbruch der katholischen Macht in der
Schlacht von Breitenfeld und dem Beginn des schwedischen
Siegeszugs in Deutschland erfolgten wieder Zahlungen:
Urban gestand monatliche Subsidien von 6000 Talern zu;
vgl. Albrecht, «Zur Finanzierung des Dreißigjährigen
Krieges», S. 368–412, insbes. S. 396f.
14
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 167.
15
So Rebitsch, Matthias Gallas, S. 53.
16
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 394.
17
Ebd., S. 286.
18
Zu Collalto vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 173,
sowie Duch, «Collalto», S. 320–322. Wallenstein schätzte
Collaltos militärische Fähigkeiten nicht sonderlich. «Ein
politischer General ohne echtes Format», lautete eines
seiner Urteile; seine Fähigkeiten blieben «hinter seiner
Geltungssucht und Ruhmbegier» zurück (zit. Findeisen,
S. 173).
19
Vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 50.
20
Vgl. oben, S. 107ff.
21
Zit nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 288ff.
22
Dazu unten, Kap. 5, Anm. 408; im Schreiben Leopolds:
«Merode hat meine Unterthanen so mitgenommen, daß in
einigen Jahren nichts von ihnen zu hoffen» sei. Zit. ebd.,
S. 289.
23
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 292f.
24
Martines (Blutiges Zeitalter, S. 200) spricht von 30000
Infanteristen und 6000 Kavalleristen; Parker (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 185) von 50000 kaiserlichen
Soldaten; Rebitsch (Matthias Gallas, S. 50) stützt sich auf
Schätzungen des kaiserlichen Nuntius Pallotto, der von
20000 Fußsoldaten und 2000 Reitern spricht.
25
Dazu Ritter, «Wallensteins Eroberungspläne gegen
Venedig», S. 47–58.
26
Martines, Blutiges Zeitalter, S. 201.
27
Ebd., S. 202.
28
Zur Familie Gonzaga vgl. Simons, Die Gonzaga, passim.
29
Martines, Blutiges Zeitalter, S. 203f.
30
Zwischen Gallas und den Erben Aldringens kam es zu einem
Rechtsstreit um die Beute von Mantua; dazu Rebitsch,
Matthias Gallas, S. 399ff.
31
Zu Ottavio Piccolomini mit eher negativem Grundtenor
Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 317–323;
ausgewogen Bierther, «Piccolomini», S. 408–410, und
Hallwich, «Piccolomini»; affirmativ und rechtfertigend
dagegen Barker, «Generalleutnant Ottavio Fürst
Piccolomini», S. 322–369.
32
Hierzu und zum Folgenden Martines, Blutiges Zeitalter,
S. 202.
33
Zit. nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 182.
1
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 282.
2
Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 282f., außerdem
Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 92f., sowie ders., Der
Dreißigjährige Krieg, S. 298.
3
Dazu knapp Burckhardt, Richelieu, S. 323f., ausführlich
Erlanger, Richelieu, S. 384ff., sowie grundsätzlich Bély,
«France and the Thirty Years War», S. 88f.
4
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 325f.; zu den schwedischen
Problemen mit den französischen Bedingungen ausführlich
Barudio, Gustav Adolf, S. 469–481.
5
Zit. nach Findeisen, Gustav Adolf, S. 93.
6
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 283.
7
Vgl. Findeisen, Gustav Adolf, S. 93.
8
Dazu Krüger, «Dänische und schwedische
Kriegsfinanzierung», S. 285f.
9
Hierzu und zum Folgenden Straub, Pax et Imperium,
S. 383ff., sowie Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 438ff.
10
Vgl. oben, S. 345.
11
Johann VIII., Graf von Nassau-Siegen, trat 1612 in Rom zum
Katholizismus über und diente unter Spínola im spanischen
Militär, bevor er 1623 in kaiserliche Dienste überwechselte.
Im Unterschied zu seinem Vater Johann VII. war er weder in
theoretischer noch in praktischer Hinsicht ein bedeutender
Militär. Die Ehe mit Ernestine Yolande de Ligue ermöglichte
ihm ein luxuriöses Leben in Brüssel; vgl. Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 328f.
1
Vgl. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 161, sowie Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 309; im Unterschied zu Junkelmann
beschreibt Findeisen (Gustav Adolf, S. 131f.) die Szene am
Strand von Usedom als eine bewusste Selbstinszenierung.
Das Gebet des Königs, das in zeitgenössischen Schriften und
Flugblättern verbreitet wurde, findet sich bei Tschopp,
Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 116f.
2
Zum Gustav-Adolf-Bild im Wandel der Geschichte und zu den
Perspektiven seiner «Dekonstruktion» vgl. Paul, «Gustav
Adolf in der deutschen Geschichtsschreibung», insbes.
S. 22–30; weiterhin Buchholz, «Der Eintritt Schwedens in
den Dreißigjährigen Krieg», insbes. S. 293–305, sowie
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 13–29; zuletzt Oredsson,
Geschichtsschreibung und Kult, passim.
3
Zu den biblischen Helden, die mit Gustav Adolf in
Verbindung gebracht wurden, und zur Vorstellung vom
«Löwen aus Mitternacht» vgl. Tschopp, Heilsgeschichtliche
Deutungsmuster, S. 93–141 und 229–247.
4
Vgl. Roeck, Als wollt die Welt schier brechen, S. 42ff.
5
Zit. nach Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster,
S. 121.
6
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 309; der Umstand, dass es sich
um eine kleine Streitmacht handelte, konnte unter Verweis
auf biblische Vorbilder ebenfalls heilsgeschichtlich
interpretiert werden; für eine kurze Darstellung des
schwedischen Kriegs in Deutschland vgl. Langer, «Der
‹Königlich Schwedische in Deutschland geführte Krieg›»,
S. 187–196, sowie Piirimäe, «Sweden», S. 77–85.
7
Vgl. oben, S. 363.
8
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 309.
9
Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 580f.
10
Zit. nach ebd.
11
Zit. nach Barudio, Gustav Adolf, S. 441f.
12
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 409. Klopp weist darauf hin, dass diese Passage nur bei
einem schwedischen Historiker, nicht aber bei Philipp von
Chemnitz zu finden ist.
13
Zur Theorie des «gerechten Krieges» in der Frühen Neuzeit
vgl. Kimminich, «Die Entstehung des neuzeitlichen
Völkerrechts», S. 84ff., sowie Janssen, «Bellum iustum und
Völkerrecht im Werk des Hugo Grotius», S. 129–154.
1
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 1–88.
2
Werner Buchholz hat auf die geschichtspolitische Einbettung
des jeweiligen Gustav-Adolf-Bildes hingewiesen und gegen
die durch Treitschke (Gustav Adolf und Deutschlands
Freiheit) repräsentierte nationalkonservative Sicht, die den
Schwedenkönig in affirmativer Absicht als Vorläufer der
Hohenzollern gezeichnet hat, den Liberalen Droysen
gestellt, dem es um einen mitunter kritischen,
verschiedentlich aber auch affirmativen Blick auf die
schwedische Machtpolitik gegangen sei (Buchholz, «Der
Eintritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg», S. 294ff.).
Dass mit Gustav Adolf Geschichtspolitik gemacht worden ist,
steht außer Frage, wobei unter Geschichtspolitik die
Konstruktion historischer Erzählungen nach Maßgabe
politischer Zwecke verstanden wird; zum Konzept von
Geschichtspolitik vgl. Wolfrum, Geschichtspolitik in der
Bundesrepublik Deutschland, sowie Assmann, Der lange
Schatten der Vergangenheit.
3
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 409.
4
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 3.
5
Klopp verweist hier darauf, dass diese Beobachtung von
einem katholischen Augenzeugen stamme und also
zuverlässig sei.
6
Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 482.
7
Vgl. Buchholz, «Der Eintritt Schwedens», S. 304ff.
8
Mehring, Gustav Adolf, passim.
9
Zum Portfolio der Machtsorten vgl. Mann, Geschichte der
Macht, Bd. 1, S. 46ff.; für eine historisch tragfähige
Definition von Militarismus vgl. Vagts, A History of
Militarism, S. 13–37.
10
Clausewitz, «Strategische Beleuchtung mehrerer Feldzüge
von Gustav Adolph, Turenne, Luxemburg und andere
historische Materialien zur Strategie»; in: ders.,
Hinterlassene Werke, Bd. 9, S. 102.
11
Barudio, Gustav Adolf – der Große, insbes. S. 64–81.
12
Ebd., S. 618f.
13
Ebd., S. 450ff.
14
Vgl. Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 113.
15
Dazu Schindling, «Das Strafgericht Gottes», S. 11–51, sowie
Krusenstjern, «Seliges Sterben und böser Tod», S. 469–496,
und Schmidt-Biggemann, «Apokalypse und Millenarismus im
Dreißigjährigen Krieg», S. 269–263.
16
Dazu mit entsprechenden Predigtbelegen auf evangelischer
Seite Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 154f.
und 186f.
17
Ebd., S. 213; zur Thematisierung von Krieg und Frieden in
den Predigten der Zeit vgl. Kaufmann, «Lutherische
Predigt», S. 245–250.
1
Zur Politik Johann Georgs während des Dreißigjährigen
Kriegs vgl. Gotthard, «Johann Georg I., 1611–1656», S. 137–
147, sowie ders., «‹Politice seint wir Bäpstisch›», S. 275–
319.
2
Das Zuwarten der deutschen Fürsten und das Drängen
Gustav Adolfs ist eingehend dargestellt bei Droysen, Gustav
Adolf, Bd. 2, S. 147–166.
3
Beispiele dafür bei Tschopp, Heilsgeschichtliche
Deutungsmuster, S. 175f.
4
Für eine ausführliche Darstellung dieser Sichtweise vgl.
ebd., S. 217ff.
5
Ebd., S. 112ff., 132f., 143f. und 214.
6
Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 2.
7
Zit. nach ebd., S. 3; zur Struktur und Zusammensetzung der
schwedischen Armee vgl. auch Brzezinski/Hook, Die Armee
Gustav Adolfs, S. 8–19, sowie Ericson, «Die schwedische
Armee und Marine während des Dreißigjährigen Krieges»,
S. 301–307.
8
Dazu eingehend Droysen, Gustav Adolf, Bd. 2, S. 156 und
161.
9
Ebd., S. 149.
10
Ebd.
11
Ebd., S. 159f.
12
Der Wortlaut des Schreibens auszugsweise bei Klopp, Der
dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 476.
13
Zit. nach ebd., S. 477; diese Passage mit kleinen
Textvarianten auch bei Junkelmann, Gustav Adolf, S. 312.
14
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 478; Parallelzitation bei Junkelmann, Gustav Adolf, S. 313.
15
Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 477.
16
Ebd.
1
Hierzu und zum Folgenden vgl. Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 449–452, sowie Höbelt, Ferdinand III., S. 56–62.
2
Golo Mann (Wallenstein, S. 567–572) hat darauf aufmerksam
gemacht, dass Wallenstein zeit seines Lebens keinem der
Kurfürsten (mit Ausnahme des Kaisers als dem Siebten im
Kurfürstenkollegium) persönlich begegnet ist. Er weist
darauf hin, dass die Stellung des Generalissimus am Wiener
Hof bereits seit 1627 schwächer geworden sei, da sich die
Zahl seiner Gegner erhöht habe. Zu ihnen gehörten Wilhelm
Slawata, Max von Trauttmansdorff, Peter von Stralendorf
und der Fürst von Meggau.
3
So etwa Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 189; dagegen
geht Diwald (Wallenstein, S. 427) von einem entschlossenen
Wallenstein aus, der das Heft des Handelns wieder in die
Hand bekommen wollte.
4
Zu Wallensteins Memminger Aufenthalt vgl. Mann,
Wallenstein, S. 577–584, sowie Diwald, Wallenstein, S. 429–
434.
5
Vgl. Höbelt, Ferdinand III., S. 58f.
6
Das ist das zentrale Problem der gegenüber der Politik des
Kaisers und der katholischen Kurfürsten apologetischen
Darstellung Onno Klopps, der Wallenstein für die
Schwächung der kaiserlichen Macht und den desolaten
Widerstand gegen Gustav Adolf verantwortlich gemacht hat
(Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 485–492).
Dazu muss Klopp jedoch dem Herzog von Friedland eine
Macht zusprechen, die er zu diesem Zeitpunkt schon gar
nicht mehr hatte. Klopps Wallenstein-Bild ist durch die
Annahme des späteren Verrats bestimmt, so dass
Wallensteins Agieren im Jahre 1630 als Vorwegnahme des
vorgeblichen Verrats von 1633/34 beschrieben werden kann.
Das ist umso bemerkenswerter, als die widerstandslose
Hinnahme seiner Absetzung durch Wallenstein dieser Sicht
deutlich entgegensteht.
7
Dazu ausführlich, Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 451f.
8
Dazu oben, S. 405f.
9
Zit. nach Höbelt, Ferdinand III., S. 56.
1
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 464.
2
Dazu Junkelmann, Gustav Adolf, S. 322.
3
Dazu ebd., S. 322–324, sowie ausführlich Droysen, Gustaf
Adolf, S. 166–175.
4
Clausewitz, Vom Kriege, S. 877.
5
Vgl. Stadler, Pappenheim, S. 444–447.
6
Dazu Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 26–35.
7
Dazu unten, S. 464–486.
8
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 461f.
9
Dazu zusammenfassend Gotthard, «‹Politice seint wir
Bäpstisch›», S. 310–319. Dort als Resümee: «Die Dresdner
Regenten betrieben auch in den Jahren und Jahrzehnten
immer weiter anwachsender konfessioneller Polarität ihre
Reichspolitik nicht als Protestanten, sondern zuallererst als
Kurfürsten, und als jene waren sie, so die sächsische
Interpretation, die ‹innersten›, ‹geheimsten› Räte des
Kaisers, nicht etwa Repräsentanten des Reiches» (S. 315).
Mit der Ausschreibung des Leipziger Konvents verließ
Sachsen diese Linie; dazu auch Burkhardt, «Der
Dreißigjährige Krieg – Einfluß der sächsischen Politik auf die
deutsche Geschichte», S. 3–12.
10
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 462.
11
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 317.
12
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 463.
13
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 327.
14
Logau, Sinngedichte.
15
Speziell zu Leipzig vgl. Schenkrich «‹Tränen des
Vaterlandes›», S. 37–44; für Bayern Friesenegger, Tagebuch
aus dem Dreißigjährigen Krieg, S. 23ff.
16
Vgl. oben, S. 433ff.
17
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 202.
18
Ebd., S. 225.
19
Ebd., S. 247.
20
Vgl. ausführlich Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 175–185.
21
Zum Vertrag von Bärwalde ebd., S. 254–256, sowie
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 325f.
22
Zu den Zahlen beim Aufbau der schwedischen Heeresmacht
vgl. Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 9ff.
23
Monro, Kriegserlebnisse, S. 789–799.
24
Diese Gepflogenheit ist in dem jedes weitere Kriegsjahr
eröffnenden Song in Brechts Mutter Courage gespiegelt:
«Das Frühjahr kommt. Wach auf Du Christ! / Der Schnee
schmilzt weg. Die Toten ruh’n. / Und was noch nicht
gestorben ist / Das macht sich auf die Socken nun.» (S. 1351
und öfter).
25
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 259.
26
Vgl. Mann, Wallenstein, S. 577–584, sowie Diwald,
Wallenstein, S. 432f.
27
Der Vorwurf der Heeressabotage wird breit ausgeführt bei
Ernstberger, «Wallensteins Heeressabotage», S. 42–72; der
Sabotagethese folgt auch Rill, Tilly, S. 233.
28
Zu Tillys neuer Position und seinen Versuchen, die
kaiserliche Armee wiederaufzurichten, vgl. Rill, Tilly,
S. 228ff.
29
Zit. nach Junkelmann, Gustav Adolf, S. 328f.
30
«Es war ein unverzeihlicher Fehler Tilly’s, daß er die
Fortschritte Gustaf Adolfs ruhig mit ansah, ohne
herbeizueilen und ihnen zu steuern; doppelt unverzeihlich,
seit er auch den Oberbefehl über das kaiserliche Heer
hatte.» (Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 260). «Tilly hatte bis
in den Februar hinein zu Frankfurt still gelegen, statt kühn
und rasch zu handeln, endlos zaudernd.» (S. 271).
31
Rill, Tilly, S. 223.
32
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 262.
1
Zu Gustav Adolfs Kriegsplänen für den Feldzug von 1631
vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 323, sowie ausführlich
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 262–265; dort auch der
Gegenentwurf Oxenstiernas, dem Gustav Adolf dann folgte.
2
Dieses Vorhaben scheiterte daran, dass Oberst Farensbach,
der an den Werbungen beteiligt war, zu den Kaiserlichen
überlief und ihnen den Plan verriet. Grund dafür war
offenbar, dass nicht er, sondern Hamilton mit dem
Kommando über diese Armee betraut werden sollte; vgl.
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 263, Fn. 1.
3
Vgl. ebd., S. 260.
4
Zit. nach Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 22.
5
Zit. nach ebd., S. 23.
6
Vgl. ebd., S. 10f.
7
Lorentzen vertritt die Auffassung, Gustav Adolf habe
nationalschwedische Einheiten vorzugsweise für den
Festungs- und Garnisonsdienst eingesetzt, weil sie im
Unterschied zu den deutschen Söldnern nicht dazu neigten,
nach einem eher symbolischen Widerstand den Ort zu
übergeben, sondern ihn entschlossen verteidigten. Dafür
habe er in der offenen Feldschlacht deutsche Söldner
bevorzugt, die kampferfahren waren und wussten, dass
Zurückweichen und Flucht ein höheres Todesrisiko zur Folge
hatten als Standhalten; vgl. ebd., S. 11. Das heißt jedoch
nicht, dass die nationalschwedischen Verluste auf den
Feldzügen Gustav Adolfs niedriger gewesen wären als die
bei Soldaten aus anderen Nationen: Von den 230 jungen
Männern, die zwischen 1621 und 1639 in Bygdeå in
Nordschweden rekrutiert wurden, sind 215 gefallen und fünf
kehrten als Krüppel heim. Die Folge war, dass die Zahl der
männlichen Erwachsenen in Bygdeå von 468 im Jahre 1621
auf 288 im Jahre 1639 zurückging (Parker, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 283; Parker stützt sich hier auf die
paradigmatische Untersuchung von J. Lindegren,
Utskrivning och utsugning). Es ist also keineswegs so, dass
der Bevölkerungsrückgang infolge des Krieges ein auf
Deutschland begrenztes Problem gewesen wäre. Für die
nationalschwedische Prägung des Heeres, die auch über
Gustav Adolfs Tod hinaus fortbestand, sorgte das höhere
Offizierskorps, das, von wenigen Ausnahmen wie Bernhard
von Weimar abgesehen, aus Schweden bestand. Von Banér
bis Torstensson und Wrangel stand eine Reihe überaus
befähigter Offiziere zur Verfügung, denen neben und nach
Gustav Adolf die Erfolge der schwedischen Truppen
wesentlich zu verdanken sind.
8
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 264.
9
Dazu Findeisen, Axel Oxenstierna, passim.
10
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 264f.
11
Zu Gustav Horn, Graf zu Björneborg, der einer eher
defensiven Strategieschule anhing, vgl. Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 324f.
12
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 266.
13
Ebd., S. 267f.
14
Monro, Kriegserlebnisse, S. 103. Monro hat eine starke
Neigung, eigene wie gegnerische Verbände nach ihrer
Tapferkeit zu beurteilen. So berichtet er, wie seine Einheit
auf dem Marsch von Neubrandenburg nach Demmin bei dem
Städtchen Letzin eine Truppe von 600 kaiserlichen Soldaten
überraschte, so dass die Musketiere nach Letzin eindringen
konnten, bevor die Besatzung zu den Waffen griff. «Es waren
dumme, unbedarfte Italiener, die armseligsten Offiziere, die
ich je gesehen habe, die es nicht wert waren, daß man sie
als Soldaten bezeichnet, denn obwohl sie von unserem
Marsch wußten, ließen sie sich auf so jämmerliche Weise
überraschen» (S. 101).
15
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 329, spricht von 12000,
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 371, von 16000 Mann.
Droysen erwähnt aber auch Berichte, in denen von 20000
Mann die Rede ist.
16
Dazu ausführlich Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 271–273
und 276–278.
17
Zu Dodo Freiherr zu Imhausen und Knyphausen (auch
Kniphausen) vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 327f. Er brachte es immerhin bis zum schwedischen
Feldmarschall und wurde in Anerkennung des bei Hessisch-
Oldendorf errungenen Sieges von Oxenstierna mit dem
Emsland belehnt. Dort hat er im Sommer 1636 bei
Haselünne in einem Gefecht den Tod gefunden.
18
So Tilly in einem Brief an Maximilian vom 22. März; zit. nach
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 277.
19
Monro, Kriegserlebnisse, S. 105.
20
Vgl. oben, S. 324ff. «Die Sieger», so das Resümee Droysens
(S. 278), «ergossen sich über die Straßen, drangen in die
Häuser, in die Kirchen ein und bereiteten den Bürgern
dasselbe Schicksal wie dem Feinde. Die Männer wurden
gemordet, die Frauen und Jungfrauen geschändet, die ganze
Stadt wurde ausgeplündert.» Junkelmann (S. 329) stellt
hingegen fest: «250 der Verteidiger wurden niedergemacht,
die übrigen 500 gefangen genommen. In der schwedischen
Armee fand die falsche Nachricht Verbreitung, die ganze
Garnison sei massakriert worden, was für große Erbitterung
sorgte.»
21
Bei Petarden handelt es sich um eine Art Mörser mit sehr
kurzem Lauf, der, mit schnell abbrennendem Pulver gefüllt,
am Stadttor befestigt wurde, bevor man das Pulver zündete.
22
Ausführlich zur Eroberung Frankfurts an der Oder Droysen,
Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 284f.
23
Zit. nach ebd., S. 286.
1
Hierzu und zum Folgenden Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2,
S. 290–296, sowie Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 480–485.
2
Ritter (ebd., S. 480f.) weist darauf hin, dass der Leipziger
Konvent von Seiten der protestantischen Fürsten und Stände
sowie der Reichsstädte so gut beschickt wurde wie keine
Versammlung in der Vergangenheit.
3
Luther: Bibel 1545, 83. Psalm, 1–4.
4
Zit. nach Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster,
S. 113f. Hoë von Hoëneggs Predigt wurde umgehend bei
Gregorio Ritzschen in Leipzig gedruckt: Der drey vnd
achtzigste Psalm; vgl. ebd., S. 325.
5
Droysen, Gustav Adolf, Bd. 2, S. 296. Droysens 1870
veröffentlichtes Urteil ist unübersehbar durch das Leiden
eines Liberalen an dem politischen Stillstand in der Zeit vor
der Bismarck’schen Reichseinigung geprägt. Es ist ein
weiterer Beleg dafür, dass Gustav Adolf selbst da, wo er
nicht im geschichtspolitischen Sinn modelliert worden ist,
ein Sammelpunkt für Urteile über die eigene Gegenwart
war.
6
Zit. nach ebd., S. 294.
1
Leopold Wilhelm war bereits Bischof von Straßburg und
Passau sowie Abt von Murbach.
2
Für eine ausführliche Darstellung der Magdeburger
Ereignisse im Sommer 1630 aus einer proprotestantischen
Sicht Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 103–125; aus
katholischer Sicht vgl. Klopp, Der dreißigjährige Krieg,
Bd. 3, Teil 1, S. 492–520; jetzt vor allem Medick,
«Historisches Ereignis und zeitgenössische Erfahrung»,
S. 377–407, sowie Ballerstedt, «Belagerung und Zerstörung
Magdeburgs», S. 11–24.
3
Zu Christian Wilhelm und seinen Verbindungen nach
Schweden sowie den Zusagen, die ihm Gustav Adolf gemacht
hatte, ausführlich Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 113–125.
4
Vgl. oben, S. 442.
5
Zur Vita Falkenbergs vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 333. Findeisen bezeichnet Falkenberg als einen
«fanatischen Vorkämpfer des militanten Protestantismus».
Man kann in ihm auch einen uneingeschränkt loyalen
Offizier Gustav Adolfs sehen.
6
Nach Rill, Tilly, S. 225.
7
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 280.
8
Rill, Tilly, S. 224.
9
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 280; dazu auch
Querengässer, Feldmarschall Pappenheim, S. 36f.
10
Dazu Querengässer, Feldmarschall Pappenheim, S. 28–30,
sowie Stadler, Pappenheim, S. 331–345.
11
Stadler, Pappenheim, S. 490f.
12
Rill, Tilly, S. 225.
13
Vgl. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 314.
14
Zit. nach ebd., S. 317.
15
Ebd., S. 319.
16
Vgl. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 325.
17
Deswegen war es eine verbreitete Praxis, alle nutzlosen oder
überflüssigen Esser aus belagerten Städten zu vertreiben;
vgl. Martines, Blutiges Zeitalter, S. 118. Martines bezieht
sich dabei auf den Militärtheoretiker Bernardino Rocca, der
den Belagerern als Reaktion empfiehlt, die aus der Stadt
Vertriebenen in die Stadt zurückzutreiben oder sie zu töten.
18
Zu den Verhandlungen mit Brandenburg und Sachsen und
den operativen Möglichkeiten Gustav Adolfs vgl.
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 331ff., sowie Findeisen,
Gustav II. Adolf, S. 143f., der zugunsten des Königs
feststellt, «die Unentschlossenheit der Kurfürsten von
Sachsen und Brandenburg [sei die] Hauptursache zum
zögerlichen Vormarsch zur Entlastung Magdeburgs»
gewesen. Findeisen merkt aber auch an, «Gustav Adolf
versprach den protestantischen Gruppierungen der Stadt
mehr, als er erfüllen konnte».
19
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 325.
20
Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 327–332.
21
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 104.
22
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 330.
23
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 204.
24
Zeitgenössische Berichte über die Eroberung und den Brand
Magdeburgs, sowohl aus Sicht überlebender Einwohner als
auch der Eroberer finden sich in dem von Ernst Neubauer
herausgegebenen Bändchen Magdeburgs Zerstörung 1631.
25
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 340.
26
Neubauer (Hg.), Magdeburgs Zerstörung, S. 66. Zu den
Ereignissen in Magdeburg weiterhin Puhle (Hg.), «… gantz
verheeret!» Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg, sowie
Medick, «Historisches Ereignis und zeitgenössische
Erfahrung», S. 283ff.
27
Neubauer (Hg.), Magdeburgs Zerstörung, S. 66.
28
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 333, geht von
15000 Einwohnern und 4000 Verteidigern aus; an anderer
Stelle (Tilly, S. 42) spricht er von «wenigstens 20000 […],
von denen die meisten in ihren Kellerverstecken am Rauch
erstickt waren». Rill, Tilly, S. 252, geht sogar von 25000
Toten aus. Guthrie, Battles, S. 157, wiederum spricht von
mehr als 20000 Toten in Magdeburg; auf kaiserlich-
ligistischer Seite seien 300 Mann getötet und 1600
verwundet worden. Zacharias Bandhauer, ein Augenzeuge
der Eroberung und des Untergangs von Magdeburg, spricht
von 26000 Menschen, die umgekommen seien; Neubauer
(Hg.), Magdeburgs Zerstörung, S. 23.
29
Zahlen nach Guthrie, Battles, S. 33.
30
Neubauer (Hg.), Magdeburgs Zerstörung, S. 66.
31
Ebd.
32
Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 44.
33
Zit. nach ebd.
34
Neubauer (Hg.), Magdeburgs Zerstörung, S. 17 und 65.
35
Ebd., S. 22.
36
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 264.
37
Neubauer (Hg.), Magdeburgs Zerstörung, S. 22.
38
Ebd., S. 16; im Magdeburger Dom, den Tilly verschonte,
haben nach dem Bericht Gerickes 4000 Menschen den Brand
der Stadt überlebt; vgl. ebd., S. 44.
39
Ebd., S. 45.
40
Ebd., S. 21.
41
Ebd., S. 16.
42
Ebd., S. 43.
43
Für die Mikrostruktur der Plünderungen sind die Berichte
von Daniel Friese («Vom magdeburgischen Unglück»),
Simon Printz («Erzählung des Konstablers») und Christoph
Thodänus («Beschreibung seiner Erlebnisse bei der
Zerstörung Magdeburgs») aufschlussreich, alle in Neubauer
(Hg.), Magdeburgs Zerstörung.
44
Ebd., S. 22f.
45
Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 46; in den Sätzen Wiltheims
wird die Dynamik des Massakers erkennbar. Elias Canetti
hat die These vertreten, dass im Massaker die Agierenden
ihre eigene Todesangst überwinden; hier dürfte es sich um
die nachträgliche Bewältigung der während des
Sturmangriffs ausgestandenen Todesangst gehandelt haben;
dazu Paul/Schwalb (Hgg.), Gewaltmassen, S. 39ff. und
insbes. S. 51f.
46
Schilling, «Die Zerstörung Magdeburgs in der
zeitgenössischen Literatur und Publizistik», S. 110.
47
Ebd., S. 100f.
48
Als eine von wenigen hat Wedgwood (Der 30jährige Krieg,
S. 253f.) diesen Aspekt in einer Gesamtdarstellung des
Krieges etwas ausführlicher behandelt.
49
Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 44f.
50
Zit. nach ebd., S. 44.
51
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 339; weitere
Beispiele bei Schilling, «Die Zerstörung Magdeburgs»,
S. 93–95, sowie Lahne, Magdeburgs Zerstörung in der
zeitgenössischen Publizistik.
52
Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 45.
53
Dazu ausführlich Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 364–373,
sowie Querengässer, Feldmarschall Pappenheim, S. 41.
54
20 Zeitungen, 205 Flugschriften und 42 illustrierte
Flugblätter schilderten das Schicksal Magdeburgs und
sorgten für eine stark antihabsburgische Grundstimmung in
Europa; vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 204f.
55
Vgl. oben, S. 324ff.
1
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, S. 340.
2
Zur Politik des sächsischen Kurfürsten vgl. Gotthard, «‹Wer
sich salviren könd, solts thun›», S. 64ff.; zur Person Johann
Georgs vor allem Blaschke, Der Fürstenzug zu Dresden,
S. 160–165.
3
Dazu Junkelmann, Gustav Adolf, S. 33, sowie ausführlich
Barudio, Gustav Adolf, S. 492–503, der sich freilich mehr mit
normativen als strategischen Fragen beschäftigt.
4
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 336.
5
Vgl. hierzu Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 341–354.
6
Zit. ebd., S. 346.
7
Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 337; weiterhin Droysen,
Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 49ff.
8
Zu Tillys Erklärung vom 20./30. Juni 1631 vgl. Droysen,
Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 377f.
9
Zit. nach ebd., Bd. 2, S. 378.
10
Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 339, sowie Droysen,
Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 379f.
1
Ich folge hier den Berechnungen von Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 343f.; davon weichen die sehr detaillierten Angaben
Guthries (Battles, S. 20–23) leicht ab: Guthrie geht davon
aus, dass 14742 schwedische Infanteristen und 8064
Kavalleristen in Breitenfeld kämpften, dazu 12100
sächsische Infanteristen und 5225 Kavalleristen, zusammen
also 26842 Mann Infanterie und 13289 Mann Kavallerie und
insgesamt 40131 Soldaten, zu denen noch die
Bedienungsmannschaften der 66 Kanonen, 54 schwedische
und 12 sächsische, hinzuzurechnen sind. Tilly standen nach
Guthrie 21400 Infanteristen und 9900 Kavalleristen,
zusammen 31300 Mann, zur Verfügung. Auch bei ihm kamen
noch einige hundert Mann für die 26 mitgeführten Kanonen
dazu. Guthries sehr präzise Zahlenangaben, die auf den
Bestandslisten der Regimenter beruhen, sind freilich zu
relativieren, denn sie geben nicht das wieder, was am Tag
der Schlacht dem schwedischen König tatsächlich zur
Verfügung stand. Guthrie selbst hält fest (S. 23), dass
zwischen der Musterung der Heere bei Düben und dem Tag
von Breitenfeld um die 10 Prozent der Infanteristen
«verschwunden» seien: die einen meldeten sich krank, die
anderen desertierten. Die niedrigste Ausfallrate hatten die
Schotten mit 5 Prozent, die höchste die schwedischen
Konskribierten mit 15 Prozent. Guthrie stützt seine
Berechnungen auf das schwedische Generalstabswerk und
merkt an, dass es keine Zahlen zu ähnlichen Entwicklungen
bei den sächsischen, ligistischen und kaiserlichen Truppen
gebe (S. 45, Fn. 40). Bemerkenswert ist auch eine
Berechnung Junkelmanns (Gustav Adolf, S. 343f.), in der er
die auf dem Schlachtfeld aufmarschierten Truppen zu den
insgesamt vorhandenen Kräften in Beziehung gesetzt hat:
Demnach hatte Gustav Adolf von den ihm unter Einbezug
der Verbündeten zur Verfügung stehenden 82700 Mann
etwa 50 Prozent auf dem Schlachtfeld von Breitenfeld
konzentriert; bei den 99000 Mann, die Tilly im Prinzip
befehligte, waren es dagegen nur 33 Prozent, die er bei
Breitenfeld zusammengezogen hatte. Hätte Tilly noch ein
paar Tage gewartet, und die aus Italien zurückkehrenden
Regimenter wären dazugestoßen, hätte auch er eine Rate
nahe von 50 Prozent erreicht. Junkelmann hält fest, dass die
Truppenkonzentration im Fall der Schweden
außergewöhnlich hoch und bei den Truppen der Liga und
des Kaisers eine «bemerkenswerte Leistung» gewesen sei
(S. 344). Man kann die Relation von 50 zu 33 Prozent aber
nicht nur im Hinblick auf die Organisations- und
Koordinationsfähigkeit beider Seiten lesen, sondern auch im
Hinblick auf das dabei jeweils eingegangene Risiko. Das war
im Fall Gustav Adolfs erheblich höher: Er setzte deutlich
mehr aufs Spiel, so dass die Folgen einer Niederlage größer
gewesen wären als bei Tilly.
2
Guthrie, Battles, S. 45, Fn. 43.
3
Monro, Kriegserlebnisse, S. 134f.
4
Ebd., S. 136.
5
Gemeint sind mit den «vier Regimentern» die des
Feldmarschalls Gottfried Heinrich von Pappenheim, des
Generalwachtmeisters Joachim von Wahl sowie der Obersten
Johann Wangler und Werner von Tilly, einem Neffen des
Oberkommandierenden. Das «Regiment Pappenheim»
kämpfte an diesem Tag nicht unter dem Kommando seines
Namensgebers, der auf dem anderen Flügel kommandierte.
Vgl. Peters (Hg.), Peter Hagendorf – Tagebuch eines
Söldners, S. 105f.; zu Hagendorfs Tagebuch vgl. auch
Burschel, «Himmelreich und Hölle», passim.
6
Dazu grundsätzlich Münkler, «Schlachtbeschreibung».
7
Monro, Kriegserlebnisse, S. 136.
8
Die nachfolgende Darstellung der Schlacht stützt sich auf
Marcus Junkelmann (Gustav Adolf, S. 344–352), einen
versierten Militär- und Kriegshistoriker, weiterhin William
P. Guthrie (Battles, S. 27–37), der alle größeren Schlachten
des Dreißigjährigen Krieges akribisch rekonstruiert hat,
sowie Walter Opitz (Die Schlacht bei Breitenfeld), der die
nach wie vor detaillierteste Studie zu den Quellen über den
Schlachtverlauf vorgelegt hat; zum eigentlichen
Schlachtverlauf S. 87–112. Weiterhin wurden herangezogen
Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4, S. 260–269,
Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 13–38, Parker, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 205f., sowie Droysen, Gustaf Adolf,
S. 395–411; weiterhin Querengässer, Pappenheim, S. 42–45,
und Rill, Tilly, S. 265–271.
9
Vgl. Querengässer, Pappenheim, S. 42.
10
So Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 259. Rill (Tilly,
S. 266) gibt den Satz etwas anders wieder: «Dieser
Unglückliche wird mich um meine Ehre und meine
Reputation bringen, und den Zusammenbruch des Kaisers
auf sein Gewissen laden.» Vermutlich hat Tilly, der nur sehr
schlecht Deutsch sprach, den Satz auf Französisch gesagt.
11
Guthrie, Battles, S. 27.
12
Ebd.
13
Vgl. oben, S. 309f.
14
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 406, Fn. 1.
15
Monro, Kriegserlebnisse, S. 139. Es waren freilich nicht die
flüchtenden Sachsen, die über die Bagagewagen herfielen;
sondern Kroaten in kaiserlichen Diensten.
16
Vgl. Guthrie, Battles, S. 29.
17
Guthrie, Battles, S. 33. 7600 Mann von Tillys Armee waren
tot, 6000 wurden auf dem Schlachtfeld gefangen genommen,
3000 weitere am Tag danach. Einige Tausend weitere
starben an ihren Verwundungen oder wurden von
sächsischen Bauern erschlagen. Unter den Toten waren
auch viele Offiziere des Heeres, das infolgedessen so schnell
nicht wieder neu aufgestellt werden konnte.
18
Monro, Kriegserlebnisse, S. 139.
1
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 408.
2
Zit. nach Junkelmann, Gustav Adolf, S. 305f.
3
So auch das Urteil von Guthrie, Battles, S. 33; Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 352, schreibt, Schweden sei in der Schlacht
von Breitenfeld «zur führenden Militärmacht in Europa»
aufgestiegen.
4
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 407f.
5
Zu dieser Episode der Schlacht vgl. Rill, Tilly, S. 270, sowie
Guthrie, Battles, S. 32.
6
Über die militär- und strategiegeschichtliche Bedeutung der
Schlacht von Breitenfeld herrscht in der einschlägigen
Kriegsgeschichtsschreibung bis heute Dissens: Während
Guthrie (Battles, S. 33) davon spricht, bei Breitenfeld sei die
spanische Art der Gefechtsführung gescheitert und von nun
an seien alle Schlachten des Dreißigjährigen Krieges nach
«schwedischem Stil», also mit flacher statt tiefer
Aufstellung, hoher Beweglichkeit anstelle kompakter Wucht,
geschlagen worden, meint Junkelmann (Gustav Adolf,
S. 351f.), Breitenfeld sei keineswegs das Aufeinandertreffen
von zwei entgegengesetzten Strategien gewesen, sondern
das Ergebnis einer elementartaktischen Überlegenheit der
Schweden: In den entscheidenden Augenblicken hätten sie
schneller und geschickter agiert.
7
Zu den Beratungen und den Optionen vgl. Findeisen,
Gustav II. Adolf, S. 156–161, sowie Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 363–366; eine etwas andere Optionsanalyse bei
Guthrie, Battles, S. 161.
8
Zum Agieren Oxenstiernas in dieser Phase des Krieges vgl.
Findeisen, Axel Oxenstierna, S. 175–183.
9
Vgl. oben, S. 175f.
10
Clausewitz, Vom Kriege, S. 960ff.
11
Zit. nach Findeisen, Axel Oxenstierna, S. 179.
12
Dazu Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 162.
13
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 412.
14
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 274.
15
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 414.
16
Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 366.
17
Ebd., S. 368, sowie Rill, Tilly, S. 280f.
18
Monro, Kriegserlebnisse, S. 148.
19
Ebd., S. 149.
20
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 437.
21
Vgl. unten, S. 693ff.
22
Vgl. oben, S. 466f.
23
Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 367f.
24
Junkelmann geht davon aus, dass Gustav Adolf eben das
nicht tat; ebd., S. 368.
25
Clausewitz, Vom Kriege, S. 879f.
26
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 368f.; Bernd Rill, Tilly, S. 281f.,
stellt die Situation aus der Perspektive Tillys etwas anders
dar: Aldringen und Fugger hätten zu einem Angriff auf
Würzburg gedrängt, Pappenheim und Fürstenberg hingegen
abgeraten. Immerhin, Aldringen und Fugger waren bei
Breitenfeld nicht dabei gewesen, Pappenheim und
Fürstenberg sehr wohl. Entscheidend war wohl die
Forderung von Kurfürst Maximilian, die letzten verfügbaren
Truppen der Liga und des Kaisers nicht bei einem Vabanque-
Angriff aufs Spiel zu setzen. Es sei ihm nur um den Schutz
Bayerns gegangen, wurde Maximilian später von den
rheinischen Kurfürsten vorgeworfen, und dafür habe er sie
den Schweden ausgeliefert. Guthrie, Battles, S. 162, der
Tillys Zögern einer Niederlage gleichstellt, weist darauf hin,
dass die Überlegenheit des Liga-Heeres nur quantitativer,
nicht unbedingt qualitativer Art gewesen sei: Tillys Truppen
hätten aus Überlebenden von Breitenfeld und unerfahrenen
Lothringer Rekruten bestanden.
27
Monro, Kriegserlebnisse, S. 154.
28
Clausewitz, Vom Kriege, S. 877f.
29
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 445.
30
Zit. nach ebd., S. 445f.; Auslassungen im Text bei Droysen.
31
Diesen Gedanken hat Hobbes im 30. Kapitel seines
Leviathan entwickelt: «Die Aufgabe des Souveräns […]
ergibt sich aus dem Zweck, zu dem er mit der souveränen
Gewalt betraut wurde, nämlich der Sorge für die Sicherheit
des Volkes.» (S. 315)
32
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 448f.
33
Brzezinski/Hook, Die Armee Gustav Adolfs, S. 46.
34
Dazu Wille, Hanau im dreißigjährigen Krieg, S. 61ff.
35
Vgl. Müller, «Bau und Bedeutung der Festung Hanau»,
S. 99–107; dazu auch Bus, «Gute Ernten und zentrale Lage
als Fluch», S. 79–91.
36
Dazu Junkelmann, Gustav Adolf, S. 369.
37
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 453.
38
Ebd.; Gindely schreibt, Gustav Adolf habe sich damit
begnügt, ihm «die kostbarste Feder aus seinem Gefieder
herauszurupfen» (Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Bd. 2, S. 224).
39
Pappenheim hingegen erklärte, wenn man ihm den
Oberbefehl über das Heer gebe, werde er «die Stadt
innerhalb von fünf Tagen ärger zurichten als Magdeburg»;
zit. nach Rill, Tilly, S. 289. Diese Aussicht könnte für Tilly ein
weiterer Grund gewesen sein, es nicht auf eine Erstürmung
Nürnbergs ankommen zu lassen, denn er wusste, was die
Vernichtung Magdeburgs ihn gekostet hatte: «Der
vermeintliche Triumph» hatte sich «als eine katastrophale
moralische Niederlage» erwiesen, so Marcus Junkelmann,
Tilly, S. 75.
40
Zit. nach Junkelmann, Gustav Adolf, S. 370.
41
Die Zahlenangabe nach Junkelmann, Gustav Adolf, S. 370.
Rill, Tilly, S. 269, spricht von 17000 Mann, die unter dem
Kommando von Gallas und Colloredo nach Böhmen
abgezogen seien. Diese Truppen kamen unter das
Kommando Wallensteins, der am 15. Dezember erneut den
Oberbefehl über das kaiserliche Heer übernahm.
42
Offenbar haben auch die Witterungsverhältnisse bei Tillys
Entscheidung, seine Truppen in die Winterquartiere zu
verlegen, eine gewisse Rolle gespielt. «Dieses mal ist es eine
sehr große Kälte gewesen», schreibt Peter Hagendorf
(Tagebuch eines Söldners, S. 106) über den Spätherbst
1631. Man sei darum «nach dem Bayernland zu in die
Winterquartiere» gegangen. «Mitte Dezember», so auch
Monro (Kriegserlebnisse, S. 158), sei man «bei sehr
stürmischem Wetter unter Frost und Schnee» vor Mainz
angekommen.
43
Dazu ausführlicher Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 504.
44
Hierzu und zum folgenden Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 370–374, sowie Guthrie, Battles, S. 162f.
1
Dazu Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road,
S. 73.
2
Zu den während der Jahre 1631 und 1632 in Madrid
geführten politisch strategischen Debatten vgl. Straub, Pax
et Imperium, S. 445ff.
3
Eine Armee unter Horn mit 29000 Soldaten sollte in Franken
operieren; eine unter Banér mit 39000 Mann im Raum
Magdeburg stehen und von dort aus nach Niedersachsen
vordringen; Tott in Mecklenburg sollte 29000 und
Wilhelm V. von Hessen-Kassel 18000 Mann haben; Georg
von Braunschweig-Lüneburg 6500 Mann und Wilhelm von
Sachsen-Weimar 8500 Mann; Arnims sächsische Armee
sollte 24000 Mann umfassen; in Schlesien und Brandenburg
sollten weitere Kräfte in einer Stärke von 30000 Mann
hinzukommen; die im Rhein-Main-Raum stehende Armee des
Königs selbst sollte 44000 Mann haben; diese Angaben nach
Guthrie, Battles, S. 163.
4
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 374.
5
Zum publizistischen Ringen um die vorherrschende Deutung
des Kriegs in den Niederlanden vgl. Arndt, «Der spanisch-
niederländische Krieg in der deutschsprachigen Publizistik»,
S. 401.
6
Das ist die Sichtweise, die Günter Barudio in seinem Buch
Der Teutsche Krieg herausgestellt hat. Er hat freilich
übersehen, dass diese Rechtsauffassung für Schweden selbst
ein machtpolitisches Strategem war, ebenso wie dies bei den
Spaniern der Fall war.
7
Was man in Madrid übersah, war das Drängen Kaiser
Ferdinands auf eine Politik der Restitution und die
Rückendeckung, die er dabei von Madrid erhielt.
8
Zit. nach Straub, Pax et Imperium, S. 444.
9
Vgl. Israel, «Der niederländisch-spanische Krieg und das
Reich», S. 121.
10
Dazu im Überblick Malettke, «Frankreichs Reichspolitik in
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges», S. 177–186.
11
Hierzu und zum Folgenden Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2,
S. 474–479; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 516–522;
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 228–243.
12
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 476f.
13
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 228.
14
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 520f.
15
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 480.
16
Wenn Gustav Droysen (ebd., S. 496) resümiert: «Der Bund
der Liga war factisch zerrissen; die Waffen hatten das
Zerstörungswerk begonnen, die Diplomatie hatte es
vollendet. Das Vertrauen des katholischen Deutschland auf
Frankreich aber hatte sich in furchtbarster Weise gerächt»,
so ist darin der geschichtspolitische Tonfall der
Reichseinigungskriege (das Buch erschien 1870!)
unüberhörbar.
17
Zit. nach ebd., S. 483.
18
Zit. nach Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Bd. 2, S. 230 (Hervorhebung bei Gindely).
19
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 487.
20
Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 519.
21
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 487.
1
Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg, S. 21.
2
Ebd.
3
Ebd., S. 22.
4
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 522.
5
Hierzu und zum Folgenden vgl. Guthrie, Battles, S. 164,
sowie Rill, Tilly, S. 298ff.
6
Die Zahlenangaben nach Guthrie, Battles, S. 165; Rill, Tilly,
S. 300, geht von erheblich höheren schwedischen Verlusten
aus.
7
Vgl. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 527.
8
Ebd., S. 528.
9
Ebd., S. 529.
10
Dazu Rill, Tilly, S. 302; eine andere Bewertung der Zusagen
Wallensteins bei Mann, Wallenstein, S. 689–691.
11
Schwere Vorwürfe gegen Wallenstein, der seinen alten
Kriegsgefährten Tilly schmählich im Stich gelassen habe,
finden sich etwa bei Rill, Tilly, S. 306–313; Wallenstein habe
Tilly seinem Hass auf Maximilian geopfert (S. 307). Andere
weisen auf die Verhandlungen hin, die Wallenstein im Jahr
1631 mit Schweden und Sachsen geführt hat, und vermuten
den Grund für Wallensteins Untätigkeit. Damit wurde ein
weiterer Mosaikstein dem Bild von Wallenstein als Verräter
hinzugefügt.
12
Polišenský und Kollmann (Wallenstein, S. 240ff.) stellen
heraus, der Herzog von Friedland sei überwiegend mit den
böhmischen Problemen beschäftigt gewesen, da hier auch
seine eigenen Besitzungen bedroht waren. Diwald
(Wallenstein, S. 471–481), der auch vom «grellen Hochmut»
Wallensteins spricht (S. 480), hebt vor allem auf Maximilians
Unzuverlässigkeit ab und das gut begründete Misstrauen
des Friedländers gegenüber dem Bayern, für den er ein
weiteres Mal die Rolle des «Mohren» spielen sollte (S. 473);
Mann (Wallenstein, S. 689–692) hebt dagegen vor allem
darauf ab, dass Wallenstein mit Eggenberg noch die
Bedingungen seines zweiten Generalats aushandeln musste
und es für ihn deswegen nicht angezeigt war, zuvor schon
die Entscheidung gegen Gustav Adolf zu suchen.
13
Vgl. oben, S. 317ff.
14
Die Göllersdorfer Vereinbarung, die Wallenstein als
«General-Capo» einsetzte, wurde erst zwei Tage vor der
Schlacht von Rain getroffen – da aber wäre es zu spät
gewesen, Tilly zu Hilfe zu kommen; vgl.
Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 236–239.
15
Da es keine schriftlichen Dokumente über die
Vereinbarungen von Znaim gibt, bietet sich ein Blick auf die
Instruktionen des Kaisers für Eggenberg und deren
Vergleich mit der anschließenden Praxis an (vgl. Lorenz
[Hg.], Quellen der Geschichte Wallenstein, S. 222–223).
Ferdinand bot an, dass sein Beichtvater Lamormaini, ein
erklärter Feind Wallensteins, aus allen die Kriegführung
betreffenden Fragen herausgehalten werde. Lamormaini
schrieb zusätzlich einen Brief an Wallenstein, in dem er alle
angeblichen Äußerungen, die er gegen den Herzog von
Friedland gemacht haben sollte, als verleumderisches
Gerede bezeichnete und Wallenstein seiner vollen Loyalität
versicherte (vgl. Mann, Wallenstein, S. 659). Außerdem
brachte Ferdinand in den Instruktionen seinen Sohn, den
König von Ungarn und Böhmen (der in Regensburg zum
römischen König hatte gewählt werden sollen, wofür der
Kaiser Wallenstein geopfert hatte), als Assistenten und
Stellvertreter Wallensteins ins Spiel (vgl. Höbelt,
Ferdinand III., S. 63ff.). Das hat Wallenstein offenbar
kategorisch abgelehnt. Danach war von einer Assistenz des
Königs von Ungarn und Böhmen nie mehr die Rede.
16
Eine kurze Zusammenfassung der diesbezüglich recht
unterschiedlichen Positionen findet sich bei Lorenz (Hg.),
Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 228–239, unter dem
vorsichtigen Rubrum «Göllersdorfer Absprache»; Golo Mann
(Wallenstein, S. 692–698) geht von einer mündlichen
Verabredung aus.
17
So Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 238, und Diwald,
Wallenstein, S. 479.
18
Zit. nach Rill, Tilly, S. 306.
19
Dazu Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 34, Guthrie, Battles,
S. 165f., sowie vor allem Rill, Tilly, S. 303f.
20
«Kraut» steht für die Lunte der Musketiere, «Kot» für die
Abwässer der Stadt und der Degen für die Ehre der
Offiziere. Bei Rill ist statt von «Kot» von «Lot» die Rede
(S. 304), und «Kraut und Lot» steht für «Pulver und Blei».
21
Die Angaben nach Guthrie, Battles, S. 165f.; Rill, Tilly,
S. 305, spricht von 27000 Soldaten Tillys bei Rain; die
Differenz liegt womöglich in Milizangehörigen des
bayerischen Landesdefensionswesen, die im einen Fall
mitgezählt werden, im anderen nicht.
22
Zum Verlauf der Schlacht bei Rain vgl. Guthrie, Battles,
S. 167–169, sowie Rill, Tilly, S. 308–310.
23
Mann, Wallenstein, S. 703.
24
Als weitere Sperrposition an der Donau kam noch das von
kaiserlichen Truppen besetzte Passau hinzu.
25
Dazu Junkelmann, Tilly, S. 75–82.
26
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 106.
27
Brecht, «Mutter Courage und ihre Kinder»; Gesammelte
Werke, Bd. 4, S. 1400f.; Grimmelshausens «Erzbetrügerin
und Landstörzerin Courage» ist bei der Beerdigung Tillys
nicht dabei.
1
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 548.
2
Zit. ebd., S. 542.
3
Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 542–548.
4
Zit. ebd., S. 544f., Fn. 2.
5
Vgl. oben, S. 534f.
6
Vgl. für den süddeutschen Raum auch die auf die
entgegengesetzten Perspektiven rekurrierenden Studien von
Kleinehagenbrock, «‹Nun müsst ihr doch alle wieder
katholisch werden›», S. 59–122, Kohlmann, «‹Von unsern
widersachern den bapisten vil erlitten und ussgestanden›»,
S. 123–211, Schulz, «Strafgericht Gottes oder menschliches
Versagen», S. 219–290, sowie Ilg, «Der Kult des
Kapuzinermärtyrers Fidelis», S. 291–439.
7
Zit. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 550.
8
Ebd., S. 552.
9
Ebd., S. 553.
10
Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 554–559, sowie
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 422–426.
11
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 425.
12
Vgl. Monro, Kriegserlebnisse, S. 211, Anm. 196.
13
Friesenegger, Tagebuch, S. 23; zum Quellenwert solcher
Tagebücher vgl. die Einleitung in Krusenstjern,
Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, S. 9–
26.
14
Friesenegger, Tagebuch, S. 24.
15
Ebd., S. 26.
16
Ebd., S. 27.
17
Ebd., S. 29.
18
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 290.
19
Ebd.
20
So Schindling, «Das Strafgericht Gottes», S. 25.
21
Friesenegger, Tagebuch, S. 27.
22
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 290.
23
Friesenegger, Tagebuch, S. 34.
24
Paradigmatisch dafür Langer, Der Dreißigjährige Krieg,
insbes. S. 103ff.; dazu auch Kaiser, «Die Söldner und die
Bevölkerung», sowie Rink, «Die noch ungezähmte Bellona».
25
Friesenegger, Tagebuch, S. 28.
26
Ebd., S. 33.
27
Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 149.
28
«Also müßte ich […] innenwerden, daß einem ein einziges
unglückliches Stündlein aller Wohlfahrt entsetzen und von
allem Glück und Heil dermaßen entfernen kann, daß es
einen sein Lebtag nachgehet.» Ebd.
29
Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 400.
30
Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 528ff., sowie
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 560ff.
31
Roberts, Gustavus Adolphus, Bd. 2, S. 660, Anm. 5.
32
Vgl. oben, S. 327.
33
Hierzu und zum Folgenden insbes. Diwald, Wallenstein,
S. 457–465; Mann, Wallenstein, S. 646–656;
Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 233–239.
34
In diesem Sinne Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 561–563,
der von einer «verräterischen Haltung der kursächsischen
Politik» spricht und Arnim als den «eigentlichen Mittelpunkt
der Friedenspartei, d.h. der österreichischen Partei in
Sachsen» bezeichnet.
35
Im Kern war es Arnims Vorstoß nach Böhmen, der
Wallenstein gar keine andere Wahl ließ, als wieder in
kaiserliche Dienste zurückzukehren. Wäre Arnim gemäß den
Vorgaben des in Halle verabredeten Kriegsplans nach
Schlesien marschiert, so hätte es diesen Zwang nicht
gegeben. Wallenstein war von den Einkünften seines
Herzogtums Friedland abhängig, nachdem das Herzogtum
Mecklenburg für ihn verloren war, und bei einem
protestantischen Siegeszug in Böhmen wäre er seiner von
«Rebellen» konfiszierten Besitzungen verlustig gegangen.
Im Gefolge der sächsischen Armee kamen nämlich auch die
böhmischen Exilanten zurück, die auf eine grundlegende
Revision der Besitzumwälzungen nach der Niederschlagung
des Aufstands aus waren. Arnim selbst konnte gegenüber
Wallenstein so freundlich und zurückhaltend auftreten, wie
er wollte; Wallensteins Problem waren Graf Thurn und
dessen Begleiter.
1
Mann, Wallenstein, S. 672; vgl. zu diesem Problem auch
Kampmann, «Zweiter Mann im Staat oder Staat im Staat?»,
S. 295–316.
2
Mann, Wallenstein, S. 670–673.
3
Vgl. dazu das Porträt Holks (oder Holcks) in Rebitsch,
Wallenstein, S. 158–161.
4
Rebitsch, Matthias Gallas, S. 60–69; Hallwich, «Gallas»,
sowie Duch, «Aldringen», S. 189.
5
Vgl. Mann, Wallenstein, S. 665–668.
6
Querengässer, Pappenheim, S. 48–56; Stadler, Pappenheim,
S. 595–689.
7
Mann, Wallenstein, S. 886–910.
8
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 427.
9
Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 686.
10
Ebd.
11
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 428.
12
Vgl. hierzu Kraus, Maximilian I., S. 203–209.
13
Zum Stellungskrieg bei Nürnberg bis zum Beginn des
schwedischen Angriffs auf die Alte Veste vgl. Guthrie,
Battles, S. 187–189, Junkelmann, Gustav Adolf, S. 430–434,
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 597–612, sowie Mann,
Wallenstein, S. 706–715. Eine ausführliche Darstellung der
Kämpfe im fränkischen Raum während des Sommers 1632
bietet Mahr, Wallenstein vor Nürnberg 1632, passim.
14
Zum Kampf um die Alte Veste vgl. Guthrie, Battles, S. 190–
193; Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 613–628; Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 434–437; Findeisen, Gustav II. Adolf,
S. 191–199; weiterhin Mann, Wallenstein, S. 715–719, und
Diwald, Wallenstein, S. 487–489.
15
Vgl. oben, S. 319ff.
16
Zu den Zahlenangaben vgl. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2,
S. 619; davon leicht abweichend, in der Gesamtsumme aber
identisch Guthrie, Battles, S. 189. Von der Riesenaufgabe
der Versorgung dieser Truppen bekommt man eine
Vorstellung, wenn man bedenkt, dass Oxenstiernas
Ersatzarmee 3000 Proviantwagen mit sich führte, deren
Ladung indes schnell verzehrt war; vgl. Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 435.
17
Monro, Kriegserlebnisse, S. 186.
18
Ebd., S. 187.
19
Die Zahlenangaben nach Junkelmann, Gustav Adolf, S. 437;
Guthrie, Battles, S. 193, setzt die schwedischen Verluste
etwas niedriger und die Wallensteins etwas höher an.
20
Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 313; Jessen zitiert «invictissimi»;
ich folge hier der Zitation bei Droysen, S. 662, der
«invictissime» angibt.
21
Zu denen, die im Lager darauf drängten, den abziehenden
Schweden nachzusetzen und sie zur Schlacht zu stellen,
gehörte natürlich Wallensteins alter Widersacher Kurfürst
Maximilian; zum Für und Wider dieser Debatte vgl.
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 439f.; sowie Albrecht,
Maximilian I. von Bayern, S. 836–838.
22
Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 627.
23
Zit. nach ebd., S. 622.
24
Zit. nach Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 194f.
25
Findeisen (ebd., S. 195ff.) merkt gegen die Rede des Königs
an, Gustav Adolf sei selbst ein Stratege des Plünderns
gewesen und deswegen seien seine «hehren Worte» bloße
«Lügen».
26
Monro, Kriegserlebnisse, S. 190.
27
Mann, Wallenstein, S. 719; Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 440; Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 204.
28
Für eine sorgfältige Diskussion dieser Optionen und eine
Auseinandersetzung mit der Kritik an Gustav Adolfs
Entscheidung vgl. Deuticke, Die Schlacht bei Lützen, S. 34–
39.
29
Zit. ebd., S. 40; vgl. auch Rebitsch, Matthias Gallas, S. 63.
30
Vgl. Albrecht, Maximilian I., S. 836–838.
31
Guthrie, Battles, S. 196.
32
Ebd.
33
Zum Verlauf der Schlacht bei Lützen vgl. ebd., S. 202–219;
Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4, S. 269–273;
Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 39–69; Wolke, «Die
Schlacht bei Lützen», S. 61–70, sowie Weigeley, «Auf der
Suche nach der Entscheidungsschlacht», S. 138–153; aus
der älteren Literatur ist unverzichtbar: Deuticke, Die
Schlacht bei Lützen, passim; Seidler, Untersuchungen über
die Schlacht bei Lützen (die nach wie vor gründlichste und
detaillierteste Arbeit, auf der die meisten Darstellungen
beruhen – neben dem sechsten Band des vom schwedischen
Generalstab herausgegebenen Sammelwerks Sveriges Krig
1611–1632, Stockholm 1939). Weiterhin wurden die das
Geschehen bei Lützen betreffenden Passagen in den
biographischen Einzelstudien herangezogen: Droysen,
Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 658–666; Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 451–463; Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 211–223; Barudio,
Gustav Adolf, S. 602–617; Diwald, Wallenstein, S. 491–496;
Mann, Wallenstein, S. 720–748; Stadler, Pappenheim,
S. 728–732.
34
Zit. nach Junkelmann, Gustav Adolf, S. 451.
35
Zit. nach Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 39. Das infolge
Pappenheims tödlicher Verwundung auf dem Schlachtfeld
von Lützen blutbefleckte Schriftstück befindet sich im
Wiener Heeresgeschichtlichen Museum.
36
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 453.
37
Seidler, Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen, S. 44.
38
Ebd., S. 47.
39
In Conrad Ferdinand Meyers Novelle Gustav Adolfs Page
handelt es sich um eine junge Frau, die sich als Mann
ausgibt, um ständig in der Nähe des bewunderten Königs
sein zu können.
40
So Junkelmann, Gustav Adolf, S. 457; für eine ausführliche
Diskussion der unterschiedlichen Berichte vgl. Seidler,
Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen, S. 58–77, der
auf eine eigene Version verzichtet; Findeisen (Gustav II.
Adolf, S. 13–22) berichtet über die Ergebnisse einer
kriminaltechnischen Untersuchung der Hinterlassenschaften
Gustav Adolfs aus dem Jahre 1991, die jedoch für die hier in
Frage stehenden Abläufe keine Klarheit bringt.
41
Ich folge hier der Darstellung bei Preil, Österreichs
Schlachtfelder, S. 51f.
42
Vgl. Roberts, Gustavus Adolphus, Bd. 2, S. 770.
43
Zur Vita des Weimaraners vgl. Droysen, Bernhard von
Weimar, 2 Bde.; zum Begriff der Vorwärtspanik vgl. Collins,
«Vorwärtspaniken», S. 204ff.
44
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 456; Querengässer,
Pappenheim, S. 60.
45
Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 740.
46
Stadler, Pappenheim, S. 732.
47
Zu den Zahlen Junkelmann, Gustav Adolf, S. 461, ebenso
Wolke, «Die Schlacht bei Lützen», S. 68; Guthrie, Battles,
S. 218, geht von etwa gleich hohen Verlusten beider Seiten
aus.
48
Holk, «Relation von dem Treffen»; zit. nach Roeck (Hg.),
Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 319.
1
Der einzige denkbare Konkurrent um diese Position, der
neunundzwanzigjährige Nils Brahe, der bei Lützen das erste
Treffen des Zentrums führte und den Gustav Adolf für einen
seiner fähigsten Offiziere gehalten hatte, erlitt bei Lützen
eine so schwere Verwundung, dass er zwei Wochen später
verstarb; vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 459. Die
bewährten schwedischen Heerführer, von Horn über Banér
bis Torstensson, waren in Lützen nicht dabei und standen
demgemäß nicht zur Verfügung.
2
Dazu ausführlich Findeisen, Axel Oxenstierna, S. 284–342
sowie 367–401.
3
Chemnitz, Königlich Schwedischer in Teutschland geführter
Krieg [1653], zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg
in Augenzeugenberichten, S. 326.
4
Ebd., S. 327.
5
Theatrum Europaeum, Teil II, S. 749; zit. nach ebd., S. 329.
6
Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 226.
7
Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 462f.
8
Dazu ausführlich Seidler, Das Prager Blutgericht 1633,
insbes. S. 15–18, zum Urteil selbst; weiterhin Mann,
Wallenstein, S. 755–758, der herausstellt, Wallenstein habe
unerbittlich auch auf der Hinrichtung eines
Achtzehnjährigen, immerhin im Rang eines Rittmeisters,
bestanden.
9
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. 3, S. 550f.
10
Zit. nach Findeisen, Oxenstierna, S. 278.
11
Eine gekürzte Fassung des Bundesvertrags ist abgedruckt
bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger
Krieg, S. 322–327; ausführlich dazu Kretzschmar, Der
Heilbronner Bund, 3 Bde.
12
Barudio (Der Teutsche Krieg, S. 424–429) misst diesen
Legitimationsformeln zentrale Relevanz bei und lässt dafür
die Regelungen des Bundes außer Betracht.
13
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 552.
14
Rebitsch, Axel Oxenstierna, S. 279; sowie Lorentzen, Die
schwedische Armee, S. 32ff.
15
Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 554–558.
16
Dazu Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 174–190.
17
Zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und
Dreißigjähriger Krieg, S. 325.
18
Zu den Dragonern vgl. Brzezinski/Hook, Die Armee Gustav
Adolfs, S. 66f.
19
Vgl. auch Grimmelshausen (Werke, Bd. 1, S. 250), der seinen
Simplicius berichten lässt, er sei in seiner Zeit als Dragoner
mit der Bemerkung aufgezogen worden, «wenn ein Dragoner
vom Pferd fällt, so stehet ein Musketier wieder auf».
20
Vgl. Weber, Gliederung und Einsatz des bayerischen Heeres
im Dreißigjährigen Krieg, S. 400f., ebenso Damboer, Die
Krise der Söldner, S. 15f. und 212f.
21
Friesenegger, Tagebuch, S. 37–59.
22
Ebd., S. 52.
23
Ebd., S. 47.
24
Zu Werths Kriegführung im Jahre 1633 vgl. Lahrkamp, Jan
von Werth, S. 19–28.
25
Grimmelshausen, Werke, Bd. 2, S. 55f.
26
Ebd., S. 55.
27
Bei Wallensteins Feldzug von 1627 hatte das Meer, Ost- wie
Nordsee, diese «Wand» gebildet.
28
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 560.
29
Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 9–11.
30
Dazu Rebitsch, Matthias Gallas, S. 68, sowie Höbelt,
Ferdinand III., S. 67.
31
Zur Vita vgl. Lahrkamp, «Gronsfeld», S. 128f., sowie von
Landmann, «Gronsfeld», S. 726–728; zur Schlacht selbst vgl.
Schmidt, Die Belagerung von Hameln und die Schlacht bei
Hessisch Oldendorf.
32
Zu Peter Graf zu Holzappel, genannt Melander, vgl. den
biographischen Eintrag bei Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 458f. Melander «zählte zweifellos zu den
bedeutenden Heerführern der zweiten Kriegshälfte»
(S. 459); weiterhin Höfer, Das Ende des Dreißigjährigen
Krieges, S. 44–51.
33
Vgl. dazu den Auszug aus dem Theatrum Europaeum bei
Milger, Gegen Land und Leute, S. 267f.
34
Ebd., S. 268. Der bei Hessisch Oldendorf in schwedische
Gefangenschaft geratene kaiserliche General Johann von
Merode ist auf verschlungenen Pfaden in die
Begriffsbedeutung von Marodierern hineingeraten.
Tatsächlich stammt der Begriff vom französischen maraude,
Mundraub, ab, ist aber auch mit dem in schwedischen
Diensten stehenden Obersten Werner von Merode
verbunden worden, dessen Regiment 1635 meuterte. Von
Grimmelshausen wird in dem Roman Der abenteuerliche
Simplicissimus jedoch Johann von Merode als Stammvater
der Freibeuter genannt, die im Dreißigjährigen Krieg den
«Orden der Merodebrüder» bilden: Frage man Nachzügler
und Plünderer, welchem Regiment sie angehörten, «so war
gemeiniglich die Antwort: ‹Von Merode!›» (Werke, Bd. 2,
S. 54).
35
Zum Verlauf dieser Verhandlungen vgl. Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 561–563, sowie Mann, Wallenstein,
S. 773–789, der die Gespräche jedoch mit denen verbindet,
die Wallenstein mit den böhmischen Exilanten in Sachsen
führte.
36
Vgl. Mann, Wallenstein, S. 789–791, sowie Burckhardt,
Richelieu, Bd. 2, S. 384–393.
37
So erklärt Höbelt (Ferdinand III., S. 66) den
Stimmungsumschwung gegen Wallenstein, der sich im
Herbst 1633 in Wien vollzog.
38
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 561.
39
Dazu oben, Kap. 1, Anm. 2.
40
Diwald, Wallenstein, S. 513f.; Mann, Wallenstein, S. 818f.
41
Das zeigt sich bis hinein in die Darstellung des
Herbstfeldzugs bei Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 567f.), der Wallensteins Agieren gemäß der These von der
Verschwörung gegen den Kaiser deutet. So schreibt er,
Wallenstein habe «sich mit dem Gedanken vertraut gemacht,
von der halben zur ganzen Auflehnung fortzuschreiten»
(S. 561).
42
Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 826.
43
Ebd., S. 831–834; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 570.
44
Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 833.
1
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 108.
2
Pekař, Wallenstein 1630–1634. Tragödie einer
Verschwörung. Das Buch erschien erstmals 1895 auf
Tschechisch, also noch zur Zeit der Donaumonarchie. Die
1937 erschienene deutsche Übersetzung beruht auf der
umgearbeiteten zweiten Auflage. Pekařs Arbeit behielt bis in
die 1960er Jahre hinein in der Forschung Geltung. So ging
etwa Helmut Lahrkamp in seiner 1962 erschienenen
Biographie des Reitergenerals Jan von Werth ganz
selbstverständlich davon aus, dass Wallenstein sich gegen
den Kaiser verschworen und dessen Sturz betrieben habe;
Lahrkamp, Jan von Werth, S. 27; ebenso im Jahr 1965 noch
Schubert, «Wallenstein und der Staat», S. 187: «Auch dann,
wenn man die in dieser Hinsicht weiteren Auffassungen des
17. Jahrhunderts berücksichtigt, lautet die Antwort heute
eindeutig, daß Wallenstein den Kaiser verraten und das
habsburgische Staatswesen aufs schwerste gefährdet hat.»
Zum Stand der Forschung vgl. den Abschnitt «die
Wallensteinfrage» bei Rebitsch, Matthias Gallas, S. 70–81,
sowie ders., Wallenstein, S. 201–225.
3
Srbik, Wallensteins Ende, S. 194–196; dieser Auffassung
folgt auch Savanto, Wallenstein und seine Anhänger, S. 272–
358.
4
Polišenský/Kollmann, Wallenstein, S. 4–8.
5
Diwald, Wallenstein, S. 519–531, und Mann, Wallenstein,
S. 884–943. Polišenský und Kollmann (Wallenstein, S. 240–
257) überschreiben das Schlusskapitel ihres Buches mit
«Wallensteins Verschwörung – oder Verschwörung gegen
Wallenstein?». Die «Wallenstein-Frage» wurde zuletzt noch
einmal durch Christoph Kampmanns Untersuchung
Reichsrebellion und kaiserliche Acht neu aufgeworfen, die
von einer Verurteilung Wallensteins unter Rückgriff auf die
herkömmliche Rechtsfigur des Aufruhrs und der offenen
Unruhestiftung ausgeht und Wallenstein mitsamt seinen
Anhängern als «notorische Reichsrebellen» einstuft (S. 137–
172). Kampmann widerspricht damit der These, die Aktion
gegen Wallenstein sei kein Rechtsverfahren gewesen,
sondern ein Akt der Staatsräson gemäß dem Grundsatz
«necessitas non habet legem», Not kennt kein Gebot. Ilja
Mieck, «Wallenstein», S. 163–186, hat dem formaljuristisch
zugestimmt, aber darauf hingewiesen, dass die Anklage auf
Verdächtigungen ohne Beweise und Behauptungen ohne
Belege beruhte.
6
Vgl. dazu das Piccolomini gewidmete Kapitel bei Mann,
Wallenstein, S. 886–910 – eine Spur, die bereits der
Dramatiker Schiller gelegt hat; ebenfalls zu Piccolomini
Diwald, Wallenstein, S. 519f.
7
Diwald, Wallenstein, S. 520.
8
Zit. nach ebd., S. 522.
9
Vgl. Straub, Pax et Imperium, S. 458ff.
10
Diwald, Wallenstein, S. 520f.
11
Dazu Rebitsch, Matthias Gallas, S. 84ff.
12
Vgl. Mann, Wallenstein, S. 698–973; man hat den
Wallenstein’schen Besitz, der weitgehend aufgeteilt wurde,
auf acht Millionen Gulden geschätzt (S. 969).
13
Vgl. oben, S. 608f.
14
Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 373.
15
Die Unterzeichner sind aufgeführt ebd., S. 373f. Piccolomini
habe sich in der «hohen Kunst des ‹Dissimulierens›»
bewährt, schreibt sein Verteidiger Barker («Generalleutnant
Piccolomini», S. 341).
16
Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 380.
17
Für diese Schlussphase im Leben Wallensteins vgl. Mann,
Wallenstein, S. 915–943.
18
Das gilt mehr für Hellmut Diwald als für Golo Mann.
19
Mann, Wallenstein, S. 915.
20
Ebd., S. 942.
21
Polišenský und Kollmann (Wallenstein, S. 253–255) vertreten
die Auffassung, es seien eher psychische als physische
Leiden gewesen, die Wallenstein am Ende seines Lebens
geplagt und zur Apathie verdammt hätten.
22
So auch Barker, «Generalleutnant Piccolomini», S. 345.
23
Zu den folgenden Vorgängen Diwald, Wallenstein, S. 529–
531, sowie Mann, Wallenstein, S. 935–943; vgl. ausführlich
Srbik, Wallensteins Ende, S. 497–504. Vgl. auch den von
Gordon stammenden Bericht über Wallensteins Tod;
abgedruckt in Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte
Wallensteins, S. 404–415.
24
Wallenstein wurde zwei Jahre später mit kaiserlicher
Erlaubnis in die Kartause Walditz überführt, wo er an der
Seite seiner ersten Frau Lukrezia bestattet wurde.
25
Dazu Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, passim.
26
Zit. nach Lahrkamp, Jan van Werth, S. 67f. und 100.
27
Zu diesem Übergang grundsätzlich Papke, Von der Miliz zum
Stehenden Heer, S. 139 und 148f.; weiterhin Sicken, «Die
Schlacht bei Nördlingen», S. 181ff.
1
Wie beschränkt die kaiserliche Handlungsfähigkeit war,
kommt im Untertitel einer Biographie zum Ausdruck: Lothar
Höbelt, Ferdinand III. Friedenskaiser wider Willen.
2
Clausewitz, Vom Kriege, S. 303.
3
Zum Wandel des Wallenstein-Bildes bei Protestanten wie
Katholiken nach der Ermordung in Eger und der
anschließenden Debatte über Verrat und Friedensprojekt
anhand überwiegend Nürnberger Zeugnisse vgl.
Ernstberger, «Für und wider Wallenstein», S. 78–88.
4
Velázquez’ «La Lanzas» befindet sich im Prado in Madrid,
Rubens’ «Die Folgen [oder Gräuel] des Krieges» im Palazzo
Pitti in Florenz.
5
Vgl. Lindemann, «Demut und Rechtfertigung», S. 114ff.
6
Crowne, Blutiger Sommer, S. 32.
7
Ebd., S. 31.
8
Ebd., S. 39; die Herausgeber Ritter und Keil merken hier an,
in Hemau sei 1634 fast die Hälfte der Bevölkerung an der
Pest gestorben; ebd., S. 101, Anm. 77.
9
Vgl. Schuchter, Jacques Callot, S. 78ff.
10
Burckhardt, Erinnerungen an Rubens, S. 207; vgl. dazu die
Kritik von Heinen («Rubens Bilddiplomatie im Krieg»,
S. 171), demzufolge Burckhardt Rubens’ Gemälde zum
«protestantisch-deutschen Propagandawerk» umgedeutet
und übersehen habe, dass Rubens den Krieg als
Vorbereitung des Friedens betrachtete. Heinens
Interpretation stützt sich wesentlich auf einen Brief von
Rubens an Justus Sustermans, den Hofmaler des
toskanischen Großherzogs, und versteht die Bildaussage von
einem starken Bezug auf Vergils Aeneis her.
11
Vgl. hierzu Baumstark, «Ikonographische Studien zu
Rubens’ Kriegs- und Friedensallegorien», sowie Wohlfeil,
«Kriegs- und Friedensallegorien».
1
Die Truppen des Herzogs von Fería waren, als sie in Bayern
eintrafen, schlecht ernährt, so dass man sie allgemein als
«Hungerleider» bezeichnete. Sie wurden zu einer weiteren
Belastung für das seit dem Einfall Gustav Adolfs
ausgeplünderte Land und seine Menschen. Frieseneggers
Kriegstagebuch ist für das Jahr 1633 voll mit Klagen über
Plünderungen und Übergriffe der Spanier, die von
Friesenegger häufig auch als Burgunder bezeichnet werden.
Der Herzog von Fería, Don Diego de Saavedra y Fajardo,
starb am 11. Januar 1634 in München.
2
Nach dem desaströsen Feldzug von 1636 entging Gallas nur
durch eine persönliche Intervention König Ferdinands dem
entehrenden Verdikt eines Kriegsgerichts. Hermann
Hallwich («Gallas», S. 92) schreibt über ihn, er habe «ohne
Zechgelage, Spielleute und Weibervolk nicht leben» können
und sei «besonders in seinen letzten Lebensjahren dem
Trunke vollständig ergeben» gewesen. Hellmuth Rößler
(«Gallas», S. 47) bemerkt, «zum großen General» hätten ihm
ebenso Bildung wie Charakter gefehlt, «so daß seine Erfolge
ephemer bleiben mußten und er alle kaiserlichen Erfolge
zunichte machte». Zur Vorbereitung des Vorstoßes zur
Donau im Jahre 1634 vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 104–
109.
3
Dazu Höbelt, Ferdinand III., S. 69ff.; zu Ferdinand III.
weiterhin Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 374–383.
4
Ferdinand/Fernando wurde im Alter von elf Jahren zum
Kardinal-Erzbischof von Toledo ernannt, fand an den
klerikalen Aufgaben aber keinen Gefallen; es drängte ihn
zum Militär. Als Nachfolger seiner Großtante Isabella wurde
er Statthalter der südlichen Niederlande, wo er nach einer
Phase militärischer Erfolge Ende 1641 am Fieber verstarb.
5
Ein Gemälde von Cornelius Schut aus dem Jahre 1635 zeigt
beide auf ihren über getötete Gegner hinweggaloppierenden
Pferden als die gemeinsamen Sieger der Schlacht von
Nördlingen – ikonographisch eine Demonstration der Einheit
des Hauses Habsburg. Das Gemälde befindet sich heute im
Oudheidkunig-Museum von Gent.
6
Hierzu und zum Folgenden Guthrie, Battles, Bd. 1, S. 262f.;
mit abweichenden Zahlen zur Heeresstärke Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 41f., sowie
Struck, Die Schlacht bei Nördlingen, S. 41–46.
7
Duch, «Aldringen», S. 190.
8
Im Prinzip handelte es sich weiterhin um ligistische
Einheiten, doch bestand die Liga inzwischen nur noch aus
den beiden Wittelsbachern, dem bayerischen Kurfürsten
Maximilian und seinem Bruder Ferdinand, dem Erzbischof
von Köln. Deswegen werden ab dieser Zeit die vormals
ligistischen Verbände als bayerische Truppen bezeichnet.
9
Dazu Schreiner, «Die Katastrophe von Nördlingen», S. 44ff.,
sowie Mann, Der Dreißigjährige Krieg und die Schlacht bei
Nördlingen.
10
Guthrie, Battles, Bd. 1, S. 264f.
11
Ebd., S. 265.
12
Zum Verlauf der Schlacht bei Nördlingen ebd., S. 269–277;
weiterhin Struck, Die Schlacht bei Nördlingen, S. 61–91,
sowie Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen», S. 205–211.
13
Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen», S. 209.
14
Die Zahlen nach Guthrie, Battles, Bd. 1, S. 275.
15
Richelieu, Politisches Testament und kleinere Schriften,
S. 228.
16
Vgl. oben, S. 384.
17
Richelieu, Politisches Testament und kleinere Schriften,
S. 229.
18
Dazu Burckhardt, Richelieu, Bd. 3, S. 61–86; dagegen
Erlanger, Richelieu, S. 428–433, der Bernhard von Weimar
so gut wie keiner Aufmerksamkeit würdigt. Für eine knappe,
aber überaus luzide Analyse der Politik Richelieus nach dem
Zusammenbruch der schwedischen Machtstellung in
Oberdeutschland vgl. Kampmann, Europa und das Reich,
S. 103–109.
19
Für eine allgemeine Charakterisierung Bernhards und das
Streben des Herzogs nach einer eigenen Herrschaft vgl.
Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 100–110.
20
Zu Gallas’ wenig erfolgreichen Feldzügen in Lothringen und
Burgund vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 124–166; zu
Werths französischer Gefangenschaft nach der
Gefangennahme bei Rheinfelden vgl. Lahrkamp, Jan von
Werth, S. 105–118, sowie die romaneske Darstellung bei
Wefers, Jan van Werth und seine Zeit, S. 456–458.
21
Dazu Schreiner, «Die Katastrophe von Nördlingen», S. 51ff.,
sowie Kleinhagenbrock, «‹Nun müßt ihr doch wieder alle
katholisch werden›», S. 59ff., Kohlmann‚ «‹Von unsern
widersachern den bapisten vil erlitten und ussgestanden›»,
S. 123ff., und Schulz, «Strafgericht Gottes oder
menschliches Versagen?», S. 219ff.
22
Zillhardt, Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischer
Darstellung, S. 151.
23
Zit. nach ebd., S. 29.
24
Zit. nach Schreiner, «Die Katastrophe von Nördlingen»,
S. 67.
1
Vgl. oben, S. 660.
2
Vgl. dazu die Darstellung der Gespräche zwischen
Oxenstierna und Johann Georg im Dezember 1633 bei
Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 80ff.
3
Vgl. Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 339f.
4
In der älteren protestantismusaffinen Historiographie des
Krieges ist der aus den kursächsischen Verhandlungen
hervorgegangene Prager Frieden darum auch als ein Kotau
des kursächsischen Luthertums vor dem Kaiser dargestellt
worden. In der jüngeren Historiographie hat der Prager
Frieden eine insgesamt positivere Würdigung gefunden; vgl.
Kampmann, Europa und das Reich, S. 109–121; sehr viel
zurückhaltender hingegen Gotthard, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 248–257.
5
Vgl. Höbelt, Ferdinand III., S. 76–71; für die darauffolgenden
Jahre S. 129–141.
6
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 340.
7
Ebd., S. 344.
8
Dazu Kampmann, Europa und das Reich, S. 113; ausführlich
zum Entzug des ius armorum der Fürsten und dessen
Monopolisierung beim Kaiser Haan, «Kaiser Ferdinand II.
und das Problem des Reichsabsolutismus», S. 297–345.
9
Dazu Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 251f.
10
Ebd., S. 255.
11
Diese Dimension des Krieges hat Günter Barudio in seinem
Buch Der Teutsche Krieg stark in den Vordergrund gestellt.
Das Problem seiner Darstellung ist jedoch, dass er die
Fragen der «teutschen Libertät» dabei übergewichtet und
das Handeln verschiedener Akteure (insbesondere
Schwedens) ausschließlich aus dieser Perspektive
geschildert hat.
12
Der Text des Vertrags ist auszugsweise abgedruckt bei
Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg,
S. 341–359.
13
Vgl. oben, S. 436.
14
Vgl. dazu den Bericht, den William Crowne, ein Begleiter des
Earl of Arundel, über dessen Behandlung in Regensburg
gegeben hat; Crowne, Blutiger Sommer, S. 63–69.
15
«Anweisungen des Königs von England an den Earl of
Arundel», zit. nach ebd., S. 87.
16
Ebd.
17
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 257.
18
Vgl. oben, S. 363ff.
19
Zur französischen Hilfe für das Heer Herzog Bernhards vgl.
Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 88–100; zu den
Feldzügen Bernhards im Jahre 1635, als der Prager Vertrag
seine politische Wirkung entfaltete, ebd., S. 101–172.
20
Vgl. Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 255f.
21
Dazu Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 341.
22
Kampmann, Europa und das Reich, S. 117; ausführlich
Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 66ff.
23
Lundkvist, «Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele»,
S. 222; in den einschlägigen Texten ist zusätzlich von einer
satisfactio coronae die Rede, doch wird nicht genauer
spezifiziert, worin diese bestehen soll.
24
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 274ff.; ebenso
Schormann, Der Dreißigjährige Krieg, S. 51ff. Johannes
Arndt (Der Dreißigjährige Krieg 1618–1648, S. 124ff.) hat
diesen Abschnitt des Krieges unter die Überschrift
«Frankreich, Schweden und die Niederlande gegen die
Habsburger» gestellt.
25
Zit. nach Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 68.
26
Zit. nach ebd.
27
Die Charakterisierung Banérs folgt weitgehend Guthrie, The
Later Thirty Years War, S. 45f.; für einen kurzen Abriss der
Vita Banérs vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 431–
433.
28
Vgl. Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 12.
29
Ebd., S. 55–70.
30
Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 40f., sowie
Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 81ff.
31
Auch unter den 2007 im Massengrab bei Wittstock
gefundenen 125 Skeletten, die einer pathologisch-
traumatologischen Analyse unterzogen wurden, ist der
Anteil der Schweden und Finnen auffällig hoch, ebenso der
von Schotten. Das kann natürlich auf Zufälle oder eine
Auswahl bei der Aufschichtung dieses Massengrabs
zurückzuführen sein, stellt aber zumindest ein Indiz für die
veränderte nationale Zusammensetzung des in
Nordostdeutschland operierenden Heeres dar; vgl.
Eickhoff/Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht,
S. 153ff.
32
Vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 136–166, S. 185–203 sowie
S. 277–298.
33
Dazu Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 40f.
34
Schmidt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 64.
35
Der zunehmend nationalschwedischen und schottischen
Prägung des Banér’schen Heeres entspricht eine
«Italianisierung» des kaiserlichen Heeres, für die der
Trientiner Gallas (Gallasono), der Toskaner Piccolomini,
dazu Montecuccoli und Colloredo sowie viele andere stehen.
Man kann auch von einer durchgängigen «Rekatholisierung»
des kaiserlichen Heeres nach der Ära Wallenstein sprechen.
36
Zu den Truppenbewegungen im Vorfeld der Schlacht bei
Wittstock vgl. die ausführliche Darstellung bei Schmidt, Die
Schlacht bei Wittstock, S. 40–59; knapp Guthrie, The Later
Thirty Years War, S. 51–53.
37
Melchior von Hatzfeld entstammte einer hessischen
Adelsfamilie, die stets enge Verbindungen zum
habsburgischen Kaiserhaus unterhalten hatte; dazu
Landmann, «Melchor Graf von Gleichen und Hatzfeld»,
S. 35f.; sowie Engelbert, «Hatzfeld», S. 64f. Die Behauptung
Guthries (The Later Thirty Years War, S. 47), Hatzfeld
entstamme einer calvinistischen Familie, ist nicht zutreffend.
Melchior von Hatzfeld hatte das Jesuitenkolleg in Fulda
besucht, und seine Familie sah für ihn zunächst den
geistlichen Stand vor.
38
Vgl. oben, S. 500.
39
Durch die Trennung der Kriegsschauplätze spielten solche
Schwierigkeiten auf schwedisch-französischer Seite keine so
große Rolle. Ganz anders bei den Kaiserlichen: Selbst was
die Kooperation mit den Bayern im Südwesten betrifft, stößt
man auf die ständige Klage, von der je anderen Seite nicht
genügend unterstützt oder sogar im Stich gelassen worden
zu sein.
40
Zur Schlacht bei Wittstock vgl. Schmidt, Die Schlacht bei
Wittstock, S. 59–85; Delbrück, Geschichte der Kriegskunst,
Bd. 4, S. 278–282; Guthrie, The Later Thirty Years War,
S. 54–57; Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 95–98,
sowie Eickhoff/Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht,
S. 136–141.
41
Vgl. Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 40; bis in die
jüngere Forschung hinein hängen die Angaben über die
Truppenstärke davon ab, ob der Betreffende eher mit dem
Stockholmer oder dem Dresdner bzw. Wiener Archiv
gearbeitet hat.
42
Die Schanzen scheinen nicht besonders fest und hoch
gewesen zu sein, wie archäologische Untersuchungen des
Wittstocker Schlachtfelds in jüngerer Zeit gezeigt haben;
vgl. Eickhoff/Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht,
S. 142–145.
43
Banér war an der Alten Veste schwer verwundet worden,
Torstensson in Gefangenschaft geraten, von deren
gesundheitlichen Folgen er sich nie mehr gänzlich erholt
hat.
44
Clausewitz, Vom Kriege, S. 399.
45
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 601; Höbelt,
Ferdinand III., S. 90–94.
46
Gindeley, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 90.
1
Zit. nach Szyrocki, Die deutsche Literatur des Barock,
S. 283; zu Logau vgl. Malapert, Friedrich von Logau.
2
Krusenstjern, Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges.
3
Vgl. oben, S. 578.
4
Zit. nach Szyrocki, Deutsche Literatur des Barock, S. 286.
5
Zit. nach ebd., S. 283f.
6
Gryphius, Das große Lesebuch, S. 36f.; bei den «Threnen des
Vaterlandes» handelt es sich um die überarbeitete Fassung
des Gedichts «Trawrklage des verwüsteten Deutschlandes»,
das zuvor erschienen ist; ebd., S. 26f.
7
Zu den Kriegserfahrungen des aus Glogau stammenden
Gryphius vgl. Szyrocki, Der junge Gryphius, S. 25–42, sowie
Kaminski, Andreas Gryphius, S. 15–25.
8
Vgl. Szyrocki, Der junge Gryphius, S. 103; zu den Bezügen
auf die Johannes-Offenbarung bei Gryphius vgl. van Ingen,
«Poesie der Trauer», S. 348.
9
Zit. nach Szyrocki, Deutsche Literatur, S. 164.
10
Vgl. oben, S. 596ff.
11
Der bekannteste von ihnen ist der Nürnberger Patriziersohn
August von Leubelfing, der als Page Gustav Adolfs in der
Schlacht bei Lützen den Tod fand. Es war die Abenteuerlust,
die Nürnberger Bürgersöhne dazu veranlasste, ihr relativ
sicheres Leben aufzugeben und in den Krieg zu ziehen.
Zweien von ihnen, Stephan Karl Behaim und Hans Jakob
Behaim, hat Anton Ernstberger eine ausführliche Studie
gewidmet: Ernstberger, Abenteurer des Dreißigjährigen
Krieges. Das von diesen Männern gesuchte Abenteuer war
das Gegenteil dessen, was in der Pastoraldichtung als Trost
und Besänftigung angeboten wurde.
12
Gryphius, Das große Lesebuch, S. 300.
13
Ebd., S. 300f.
14
Ebd., S. 301.
15
Ebd.
16
Es wurde 1653 erstmals veröffentlicht, also fünf Jahre nach
dem Friedensschluss von Münster und Osnabrück, dürfte
aber ein bis zwei Jahre vor der Veröffentlichung entstanden
sein. Stellt man in Rechnung, dass bis 1650 Zweifel
bestanden, ob der Westfälische Friede Bestand haben oder
nur eine Zwischenetappe des Krieges sein würde, wie der
Lübecker und der Prager Friede zuvor, so tritt auch zeitlich
der unmittelbare Zusammenhang zwischen der
Kriegserfahrung und dem in die Natur gespiegelten
Gottvertrauen hervor; zu Gerhardts Lied vgl. Steiger, «Geh
aus, mein Herz, und suche Freud», passim.
17
Zit. nach Szyrocki, Deutsche Literatur, S. 277f.
18
Zit. ebd., S. 279.
19
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 107.
20
Ebd., S. 113.
21
Ebd., S. 120.
22
Ebd., S. 125.
23
Ebd., S. 133f.
24
Die drei genannten Werke Grimmelshausens sind in der
originalsprachlichen Fassung verfügbar in Grimmelshausen,
Werke in vier Bänden, sowie in einer von Reinhard Kaiser
vorgenommenen Übersetzung aus dem
Frühneuhochdeutschen des 17. Jahrhunderts:
Grimmelshausen, Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin
und Landstörzerin Courage/Der seltsame Springinsfeld,
sowie ders., Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch,
2 Bde.; zur Vita Grimmelhausens vgl. Boehncke/Sarkowicz,
Grimmelshausen, sowie Heßelmann, «Grimmelshausen –
Leben und Werk», S. 7–21. Speziell zum Simplicissimus vgl.
Arnold, «Grimmelshausen in seinem ‹Simplicissimus›»,
S. 116–127; zur Courage Lemke, «Grimmelshausens
‹Erzbetrügerin und Landstörzerin Courasche›», S. 161–172,
sowie zum Springinsfeld Kaminski «‹Jetzt höre denn deines
Schwagers Ankunft›», S. 173–201; zur Spiegelung
Grimmelshausens im Simplicissimus vgl. Haberkamm,
«Zeitgenosse – Augenzeuge – Autor», S. 365–399.
25
Grimmelshausen, Courage/Springinsfeld, S. 156.
26
Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 291.
27
Ebd., S. 250.
28
Ebd., Bd. 2, S. 32f.
29
Ebd., S. 33.
30
Grimmelshausen, Courage, S. 9.
31
Grimmelshausen, Springinsfeld, S. 162ff.
32
Grimmelshausen, Courage, S. 54.
33
Ebd., S. 49.
34
Die zentrale Differenz zwischen Grimmelshausens und
Brechts Courage liegt darin, dass Grimmelshausen das
Schicksal seiner Hauptfigur aus ihren charakterlichen
Dispositionen heraus entwickelt und dem Leser dabei
nahelegt, dass man über die Kontrolle des eigenen
Verhaltens die Kontrolle über sein Schicksal erlangen könne.
Brecht hingegen zeigt die Courage als eine durch die
äußeren Umstände gelenkte Frau, die gezwungen ist, ihre
geschäftlichen Fähigkeiten und Findigkeiten auch im Krieg
einzusetzen. Man muss, so Brechts Botschaft, die
Verhältnisse ändern, wenn sich das Leben der Menschen
ändern soll.
35
Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 224ff.
36
Grimmelshausen, Springinsfeld, S. 144.
37
Ebd., S. 224.
38
Ebd., S. 226.
39
Vgl. ebd., S. 197f.
40
Ebd., S. 207.
41
Ebd., S. 214.
42
Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 16.
43
Eine solche Deutung des Zyklus findet sich etwa bei
Schuchter, Callot, S. 120ff.; sie zeigt sich unter anderem
darin, dass Schuchter für die von ihm herausgegebene
Ausgabe der Radierungen Callots als Übersetzung von Les
Misères et les Malheurs de la Guerre den Titel Die
Schrecken des Krieges gewählt hat.
44
Lorenz, «Mahnung – Dekorum – Ereignis», S. 216.
45
Dazu Schuchter, Callot, S. 85–89.
46
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 227f.
47
Callot, Die großen Schrecken des Krieges, S. 58.
48
Ebd., S. 58.
49
Vgl. Callot, Die großen Schrecken des Krieges, Bild 5.
50
Callot, Die großen Schrecken des Krieges, S. 59.
51
Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 17–99.
52
Ebd., S. 60.
53
Ebd.
54
Ebd., S. 61.
55
Schuchter, Callot, S. 136. Schuchter spricht von «einem fast
gestelzt wirkenden Genrebild». «Still und luftleer wirkt der
Raum, auch die sich drängenden Personen an den Rändern
sind nichts mehr als Staffage für die Willkür der Macht,
welcher der König vorsitzt» (S. 137).
56
Vgl. Lorenz, «Mahnung – Dekorum – Ereignis», S. 217f.
1
Zur Geschichte Augsburgs im Dreißigjährigen Krieg vgl.
Roeck, Als wollt die Welt schier brechen, passim, insbes.
S. 239ff. Es handelt sich um eine aus der Augsburger
Perspektive verfasste Geschichte der Stadt, die als
paradigmatisch für die Darstellung städtischen Lebens in
den Wirren des Dreißigjährigen Krieges gelten darf. Sie
stützt sich auf das materialmäßig sehr viel umfänglichere
und detailliertere zweibändige Werk desselben Verfassers:
Eine Stadt in Krieg und Frieden. Die nachfolgenden
Ausführungen folgen im Wesentlichen den Arbeiten Bernd
Roecks.
2
Vgl. oben, S. 82ff.
3
Vgl. Roeck, Als wollt die Welt schier brechen, S. 230–247.
4
Dazu Roeck, Als wollt die Welt schier brechen, S. 205ff.
5
Ebd., S. 181ff.
6
Zu den demographischen Folgen der Pestepidemien in ihren
regionalen Differenzierungen vgl. Vasold, «Die deutschen
Bevölkerungsverluste während des Dreißigjährigen
Krieges», S. 147–160.
7
Vgl. oben, S. 392ff.
8
Dazu auch Englund, Die Verwüstung Deutschlands, S. 44ff.
9
Roeck, Als wollt die Welt schier brechen, S. 205.
10
Dafür sind die entsprechenden Einträge im Tagebuch
Maurus Frieseneggers aufschlussreich.
11
Vgl. Roeck, Als wollt die Welt schier brechen, S. 271ff.
12
Ebd., S. 279.
13
Vgl. hierzu und zum Folgenden Öhman, Der Kampf um den
Frieden, S. 70–119; Kampmann, Europa und das Reich,
S. 123–127, sowie Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 226–
236.
14
Dazu Findeisen, Axel Oxenstierna, S. 323–342.
15
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 232f.
16
Vgl. Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 70.
17
Kampmann, Europa und das Reich, S. 122.
18
Ebd., S. 123.
19
Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 80.
20
Ebd., S. 92.
21
Vgl. oben, S. 679ff.
22
Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 108.
23
Ebd., S. 123.
24
Dazu Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 244f.
25
Vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 175–200.
26
Die in der einschlägigen Literatur lange vorherrschende
Charakterisierung, Gallas sei zwar ein durchaus fähiger
Unterführer, aber zu selbständigen Operationen nicht in der
Lage und mit strategischen Herausforderungen überfordert
gewesen, ist in einer neueren Monographie von Robert
Rebitsch in Frage gestellt worden. Vor allem an den beiden
Feldzügen von 1635 und 1636 hat Rebitsch zu zeigen
versucht, dass die meisten der Negativurteile über Gallas
auf Vorwürfe in bayerischen Berichten zurückgehen und
Bestandteil der bei Koalitionskriegen üblichen Reibereien
und Konflikte sind. Vor allem geht Rebitsch aber davon aus,
dass die Erwartung einer groß angelegten Offensive, die
Richelieu zum politischen Einlenken und zum Rückzug aus
dem Krieg im Reich hätte zwingen können, auf
unrealistischen Voraussetzungen beruhte und kaum zu
verwirklichen war (Rebitsch, Matthias Gallas, S. 124–166).
27
Die nachfolgende Darstellung des Krieges am Oberrhein, im
Elsass und in Lothringen sowie in der Picardie stützt sich im
Wesentlichen auf Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 101–250, Lahrkamp, Jan von Werth, S. 33–65, sowie
Rebitsch, Matthias Gallas, S. 124–166.
28
Dazu Lahrkamp, Jan van Werth, S. 43.
29
Ebd., S. 44ff.
30
Rebitsch, Matthias Gallas, S. 140ff.
31
Ebd., S. 138.
32
Vgl. Allmayer-Beck, «Rudolf Graf von Colloredo-Waldsee»,
S. 328f.
33
Vgl. Barker, «Generalleutnant Piccolomini», S. 350ff.
34
So auch Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 235.
35
Vor allem in der französischen Literatur zum Dreißigjährigen
Krieg sind Analogien zwischen dem Zangenangriff von 1636
und dem deutschen Angriff im Sommer 1914 hergestellt
worden; vgl. Pagès, La Guerre de Trente Ans, S. 204f.
36
Es gibt in der einschlägigen Literatur eine Kontroverse
darüber, ob das Koordinationsdefizit auf Gallas’ notorische
Schwerfälligkeit und seine Abneigung gegenüber
Offensivoperationen zurückzuführen ist oder ob die Mängel
im Zusammenwirken beider Armeen daraus resultierten,
dass ein Zangenangriff auf Frankreich zunächst gar nicht
vorgesehen war und sich etwas, das sich so ausnahm wie ein
Zangenangriff, erst aus einer überraschenden Umdisposition
des Kardinalinfanten ergeben hat. Letztere Auffassung wird
von Jonathan Israel («Olivares, the Cardinal-Infante and
Spain’s Strategy», S. 273–276) und Robert Rebitsch
(Matthias Gallas, S. 146–148) vertreten. Von der Planung
eines Zangenangriffs gehen dagegen Eberhard Straub (Pax
et Imperium, S. 451f.) und Robert Stradling («Olivares and
the Origins of the Franco-Spanish War», S. 69–94) aus.
37
Rebitsch, Matthias Gallas, S. 144 und 149.
38
Ebd., S. 151.
39
Ebd., S. 154; die Franche Comté, die Freigrafschaft
Burgund, hatte 1611 eine von den Schweizer Eidgenossen
garantierte Neutralität erlangt, die jedoch von den beiden
Kriegsparteien nicht mehr anerkannt wurde.
40
Dazu Schulze, «Der Sommerfeldzug Johann von Werths»,
insbes. S. 57ff.
41
Zu den Entsatzplänen für Hanau vgl. Droysen, Bernhard von
Weimar, Bd. 2, S. 218–230; zur strategischen Bedeutung
Hanaus vgl. Müller, «Bau und Bedeutung der Festung Hanau
im Dreißigjährigen Krieg», S. 93–122; zur Belagerung selbst
vgl. Kurz, «Das Leben in der blockierten Festung Hanau»,
S. 123–134, sowie Bus, «Die Zeit der Verheerung», S. 208–
214.
42
Zu Wilhelm Graf von Lamboy, einem der wichtigsten
Heerführer des Kaisers im letzten Jahrzehnt des Krieges,
vgl. Neuhaus, «Lamboy», S. 440f.
43
Dazu Puppel, «Amalie Elisabeth», S. 188–194.
44
Hierzu und zum Folgenden ausführlich Droysen, Bernhard
von Weimar, Bd. 2, S. 239–246.
45
Zit. nach ebd., S. 245.
46
Zit. nach ebd., S. 246; Gallas selbst gab seine Verluste mit
nur 1000 Mann an; Rebitsch, Matthias Gallas, S. 165.
47
Vgl. oben, S. 674ff.
48
Dazu Rebitsch, Matthias Gallas, S. 170–183.
49
Zit. nach ebd., S. 183.
50
Vgl. oben, S. 457. Savelli hatte in Wien mächtige
Fürsprecher und galt als ein Günstling der Kaiserinwitwe
Eleonora Gonzaga. Für eine knappe Charakterisierung
seiner militärischen Fähigkeiten Guthrie, The Later Thirty
Years War, S. 82; für einige Invektiven Werths gegen Savelli
vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 424.
51
Dazu Lahrkamp, Jan van Werth, S. 79–91; Droysen, Bernhard
von Weimar, Bd. 2, S. 251–325.
52
Dazu Greyerz, «Die Schweiz während des Dreißigjährigen
Krieges», S. 133–140, sowie Egger, «Johann Rudolf
Wettstein und die internationale Anerkennung der Schweiz»,
S. 423–432.
53
Zit. nach Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 333.
54
Vgl. Maurer, «Die württembergischen Höhenfestungen»,
S. 264–315.
55
Zit. nach Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 337.
56
Guthrie (The Later Thirty Years War, S. 82f.) beziffert die
Kräfteverhältnisse auf 7500 Mann Savellis und 6000 Mann
Bernhards, auf beiden Seiten doppelt so viel Kavallerie wie
Infanterie. An den Maßstäben der ersten Kriegshälfte
gemessen, handelte es sich also um eine kleine Schlacht, wie
sie zuvor für Nebenkriegsschauplätze typisch war. Zum
Schlachtverlauf vgl. ebd., S. 83f., sowie Droysen, Bernhard
von Weimar, Bd. 2, S. 340–342, und Lahrkamp, Jan van
Werth, S. 95f.
57
Zur «zweiten Schlacht von Rheinfelden» vgl. Guthrie, The
Later Thirty Years War, S. 84–86, Droysen, Bernhard von
Weimar, Bd. 2, S. 343–346, und Lahrkamp, Jan von Werth,
S. 96–97.
58
Da die Truppen auf dem Marsch von Villingen nach
Rheinfelden die Täler und Pässe des Schwarzwalds
durchschreiten mussten, hatte Savelli die schwerfällige
Artillerie zurückgelassen. Es ist ebenso nachvollziehbar wie
unverständlich, dass er keinerlei Anstrengungen unternahm,
dieses Manko nach seinem Erfolg vom 28. Februar durch die
in Rheinfelden stehenden Kanonen auszugleichen.
59
Während Savelli schon bald ausgetauscht wurde, überstellte
Bernhard Werth und Enckevort an die Franzosen, die ein
großes Interesse daran hatten, den gefürchteten
Reitergeneral Jan von Werth für längere Zeit aus dem Krieg
herauszuziehen. Erst im März 1642, also nach vierjähriger
Gefangenschaft, wurde er gegen den schwedischen
Feldmarschall Gustav Horn ausgetauscht, der bei
Nördlingen in kaiserliche Gefangenschaft geraten war; dazu
Lahrkamp, Jan von Werth, S. 105–118.
60
Vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 368f.
61
Ebd., S. 377ff.
62
Ebd., S. 470f.
63
Zur Schlacht von Wittenweier vgl. ebd., S. 433–437, sowie
Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 88–90, der darauf
hinweist, dass mit den 16000 Mann auf kaiserlicher Seite
und den 18800 Mann des Herzogs Bernhard es sich um eine
deutlich größere Schlacht als die bei Rheinfelden gehandelt
habe.
64
Zit. nach Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 459f.
65
Zit. nach Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 370.
1
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 256, und Guarino,
«The Spanish Monarchy», S. 58f.
2
Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 1856; Maria Anna hatte
sich mit dem Abschied von Spanien schwergetan, jedenfalls
hatte sie sich mehr als ein Jahr Zeit gelassen, bis sie in Wien
eingetroffen war; dazu Höbelt, Ferdinand III., S. 54ff.
3
Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 142; zum Fluss
der spanischen Hilfsgelder vgl. Ernst, «Spanische Subsidien
für den Kaiser», S. 301ff.
4
In einigen Quellen ist sogar von 24000 Soldaten die Rede,
doch dürfte diese Zahl deutlich zu hoch liegen. 13000 ist
dagegen plausibel: Von der durchschnittlichen
Ladekapazität der Schiffe her kann man von etwa
200 Soldaten zusätzlich zur Besatzung an Bord ausgehen.
5
Das war das erste Mal, dass die später so bezeichnete
«Linienschifftaktik» angewandt wurde.
6
Vgl. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World,
S. 268–271.
7
Vgl. Thompson, «The Impact of War and Peace on
Government and Society in Seventeenth Century Spain»,
S. 161f.
8
Die Niedergangsthese ist in den Arbeiten John H. Elliots
(Richelieu and Olivares; The Count-Duke of Olivares;
«Foreign Policy and Domestic Crisis», S. 185ff.) breit
ausgearbeitet; vgl. dazu auch Pietschmann, «Spanien im
Dreißigjährigen Krieg», S. 167–188, sowie Brinkmann,
Aufstieg und Niedergang Spaniens; die Auffassung eines
durchgängigen Niedergangs bezweifelt hingegen Stradling,
«Seventeenth Century Spain. Decline or Survival», S. 156–
194, sowie ders., «Catastrophe and Recovery: the defeat of
Spain 1639–1643», S. 205–219; zusammenfassend
Kampmann, Europa und das Reich, S. 140–142.
9
Vgl. oben, S. 720ff.
10
Zur Schlacht von Rocroi, die, wie Gotthard (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 280f.) zu Recht moniert, in vielen
Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges nicht vorkommt,
obwohl sie auf die Schlussphase des Krieges großen Einfluss
hatte, vgl. Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 397–401,
sowie Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 171–180.
11
Vgl. oben, S. 732f.
12
Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 177.
1
Aus der inzwischen kaum noch zu überschauenden Fülle der
Literatur zum Westfälischen Frieden stütze ich mich, was
den Weg nach Münster und Osnabrück anbetrifft, auf
Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 59–124, Öhman, Der
Kampf um den Frieden, S. 154–199, Duchhardt (Hg.), Der
Westfälische Friede, Moormann van Kappen/Wyduckel
(Hgg.), Der Westfälische Frieden in rechts- und
staatstheoretischer Perspektive, sowie Westphal, Der
Westfälische Frieden, S. 24–40.
2
Diese Dimension des Westfälischen Friedens hat jüngst
Derek Croxton im Untertitel The Last Christian Peace seines
Buchs Westphalia noch einmal sehr deutlich herausgestellt.
3
Bregnsbo, «Denmark and the Westphalian Peace», S. 361–
368, sowie Jaitner, «Die Päpste im Mächteringen des 16. und
17. Jahrhunderts», S. 61–67; zum Problem der Vermittlung
insgesamt Repgen, «Friedensvermittlung als Element
europäischer Politik», S. 799–816.
4
Vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 120–124.
5
Vor allem Konrad Repgen hat sich mit der Rolle der Kurie
bei der Vorbereitung der Friedensgespräche und während
der Verhandlungen in Münster und Osnabrück eingehend
befasst; vgl. hierzu insbesondere «Die Hauptinstruktion
Ginettis», S. 425ff., und «Fabrio Chigis Instruktion für den
Westfälischen Friedenskongreß», S. 458ff.
6
Hierzu und zum Folgenden vgl. Kampmann, Europa und das
Reich, S. 132–138, sowie Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 310–320.
7
Dazu insbes. Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 30–63,
sowie ders., «Die entgipfelte Pyramide», S. 51–60.
8
Dazu Repgen, «Der Westfälische Friede und die Ursprünge
des europäischen Gleichgewichts», S. 53–66, sowie
Duchhardt, «Westfälischer Friede und internationales
System», S. 529–543.
9
Vgl. oben, S. 735f.
10
Vgl. oben, S. 669f.
11
Vgl. Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 139–148.
12
Ebd., S. 154–161.
13
Dazu Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 101ff.;
Lorentzen erörtert auch die Frage, ob es eine Reihe von
Offizieren gegeben habe, die gegen eine Fortsetzung des
Krieges gewesen seien und sich als bewaffneter Kern einer
«dritten Partei» verstanden hätten (ebd., S. 97ff.).
14
Für eine Kurzvita Torstenssons vgl. Findeisen, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 437–442; er bezeichnet Torstensson
als «Schwedens bedeutendsten Heerführer nach Gustav
Adolfs Tod» (S. 440). Guthrie (The Later Thirty Years War,
S. 110) schreibt über Torstensson, er sei ein exzellenter
Taktiker, ein weit überdurchschnittlicher Stratege und der
operativ beste Kopf des Krieges gewesen.
15
Kampmann, Europa und das Reich, S. 135.
16
Insofern ist Gindelys zusammenfassende Beurteilung des
Regensburger Reichstags viel zu optimistisch: «Es läßt sich
nicht verkennen, daß die Friedenssehnsucht diesmal fast das
ganze Deutschland um den Kaiser scharte und daß sich bei
einem großen Teil der Reichsstände eine Ergebenheit für ihn
zeigte, die man längst verschwunden wähnte.» (Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 126).
Dagegen die Spannungen auf dem Reichstag betonend
Kampmann, Europa und das Reich, S. 135; zum Reichstag
insgesamt Bierther, Der Regensburger Reichstag von
1640/41.
17
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 122.
18
Vgl. unten, S. 780.
19
Dazu Weiland, Hessen-Kassel und die Reichsverfassung,
S. 80ff., sowie Puppel, Die Regentin, passim.
20
Zur Vita Friedrich Wilhelms, einem späten Akteur des
Krieges, vgl. Kiehm, «Friedrich Wilhelm von Brandenburg»,
S. 170–179, sowie Oestreich, Friedrich Wilhelm. Der Große
Kurfürst.
21
Dazu Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 33ff.,
Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 103–113; der
Vertragstext des Hamburger Präliminarfriedens in Auszügen
bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger
Krieg, S. 365–368.
22
So Kampmann, Europa und das Reich, S. 136.
23
Zu den Kommunikationsverhältnissen der Zeit vgl.
Behringer, Im Zeichen des Merkur, insbes. S. 51–126.
24
Vgl. oben, S. 739f.
1
Für eine ausführlichere Darstellung dieser Verhandlungen
vgl. Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 162ff.
2
Zu den schwedischen Operationen im Frühjahr und Sommer
1642 vgl. ebd., S. 165f., sowie Guthrie, The Later Thirty
Years War, S. 107.
3
Vgl. oben, S. 491ff.
4
Zum Verlauf der zweiten Schlacht bei Breitenfeld vgl. Preil,
Österreichs Schlachtfelder, S. 71–84, Guthrie, The Later
Thirty Years War, S. 110–122, und Öhman, Der Kampf um
den Frieden, S. 166–178. Die Angaben zur Truppenstärke
folgen Guthrie, S. 115f.; Preil geht von auf beiden Seiten
geringeren Truppenstärken aus; eine Schlachtbeschreibung
aus der Perspektive eines schwedischen Soldaten findet sich
bei Englund, Die Verwüstung Deutschlands, S. 284–289.
5
Hierzu und zum Folgenden Guthrie, The Later Thirty Years
War, S. 117f.
6
Ebd., S. 121.
7
Zur Schlacht als «Auswringen der Kräfte» vgl. Clausewitz,
Vom Kriege, S. 420f.
8
Vgl. Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 81.
9
Vgl. oben, S. 600.
10
Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 121.
11
Das gilt auch für die sonst sehr aufmerksame Darstellung
von Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 392f.
12
Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 389f.
13
Vgl. Barker, «Generalleutnant Piccolomini», S. 355 und 358f.
14
Dazu ausführlich, wenn auch nicht ohne apologetische
Tendenz Rebitsch, Matthias Gallas, S. 230–318.
15
Zu diesem in den meisten Darstellungen des Krieges nur am
Rande erwähnten «Filiationskonflikt» des Dreißigjährigen
Krieges vgl. die aus schwedischer Sicht verfasste
Kriegsdarstellung von Peter Englund, Die Verwüstung
Deutschlands, S. 327ff.; weiterhin Böhme, «Lennart
Torstensson und Helmut Wrangel in Schleswig-Holsein und
Jütland 1643–1645», S. 46ff.
16
Vgl. oben, S. 363ff.
17
Dazu Englund, Die Zerstörung Deutschlands, S. 330f.
18
Vgl. oben, S. 574f.
19
Vgl. Englund, Die Zerstörung Deutschlands, S. 353ff.
20
Zur Seeschlacht an der Kolberger Heide ebd., S. 376ff.
21
Zur Vita Wrangels, entfernt verwandt mit dem im Heere
Torstensson verbliebenen Reiterobristen Helmut Wrangel,
vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 459–462.
22
Zur Seeschlacht bei der Insel Fehmarn vgl. Englund, Die
Zerstörung Deutschlands, S. 399–402.
23
Zum Frieden von Brömsebro ebd., S. 431–436.
1
Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 411–413, sowie Rebitsch,
Matthias Gallas, S. 268–277.
2
Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 148ff.
3
Vgl. oben, S. 314ff.
4
Vgl. oben, S. 720ff.
5
Dazu Engelbert, «Der Hessenkrieg am Niederrhein», Teil 1,
S. 66f.
6
Dazu oben, S. 111ff.
7
Engelbert, «Hessenkrieg am Niederrhein», Teil 1, S. 72.
8
Ebd., S. 90–94.
9
Vgl. oben, S. 241.
10
Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 158.
11
Zu Gallas’ Marsch nach Böhmen und zur Auflösung der
Armee vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 277–298, Englund,
Die Verwüstung Deutschlands, S. 411–413, und Guthrie, The
Later Thirty Years War, S. 126–128.
12
Nach Guthrie (S. 126) waren es nur noch 6000 Mann, mit
denen Torstensson loszog, während Gallas über 13000 Mann
verfügt haben soll; dabei muss freilich hinzugefügt werden,
dass Torstensson ein sieben Kavallerieregimenter
umfassendes Armeekorps unter General Hans Christoph von
Königsmarck nach Westfalen zur Unterstützung des
hessischen Verbündeten entsandt hatte.
13
Zur Lage in Bernburg vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 281–
287; zu Magdeburg ebd., S. 288–294.
14
Unter anderem auch von Rebitsch, ebd., S. 297f.
15
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 154.
16
Helmut Neuhaus schreibt über Mercy, er habe «durch seine
weitblickende und bewegliche, die Artillerie einbeziehende
Gefechtsführung Respekt und Anerkennung (auch seiner
Gegner) erworben». Als «Meister der Defensive» habe er in
hohem Maße über die Fähigkeit verfügt, «die Absichten des
Gegners früh zu erkennen» («Mercy», S. 126). Zu Tuttlingen
und Freiburg vgl. auch Reusch, «Mercy, Franz Freiherr
von».
17
Die Zahlenangaben folgen Broucek, Der Schwedenfeldzug
nach Niederösterreich 1645/46, S. 7; Guthrie, The Later
Thirty Years War, S. 133f., geht von etwas höheren
Truppenstärken aus, nimmt aber ebenfalls an, dass beide
Seiten gleich stark waren.
18
Zur Schlacht von Jankau vgl. Englund, Die Verwüstung
Deutschlands, S. 420–429, sowie Guthrie, The Later Thirty
Years War, S. 131–141.
19
Unter den Geschlagenen befand sich auch die bayerische
Kavallerie Jan von Werths, die bei dem Angriff bis zum
schwedischen Tross vorgedrungen war, dann aber, statt der
schwedischen Infanterie in den Rücken zu fallen, den Tross
zu plündern begonnen und auch schwedische Offiziersfrauen
gefangen genommen hatte. Als sie der Gegenangriff traf,
flohen sie vom Schlachtfeld, und Werth entkam nur knapp
einer Gefangennahme. Vgl. Lahrkamp, Jan von Werth,
S. 151f. Franz von Mercy war im Übrigen nicht nach
Böhmen gekommen und befand sich deswegen auch nicht
unter den Gefangenen, wie Guthrie (S. 141) irrtümlich
angibt.
20
Dazu ausführlich Broucek, Der Schwedenfeldzug nach
Niederösterreich 1645/46, S. 8ff.
21
Im Allgemeinen wird die Schlacht nach dem in der Nähe
liegenden Mergentheim benannt; in Grimmelshausens
Courage wie im Springinsfeld wird sie mehrfach als die
Schlacht von Herbsthausen bezeichnet: «Die ist dem Mercy
auch gelungen, indem er unversehens über die Franzosen
herfiel und sie bei Herbsthausen so kräftig verprügelte, dass
Turenne ihm nicht nur das Feld, sondern auch viele
hochrangige Offiziere und Generäle überlassen musste.»
(Grimmelshausen, Der seltsame Springinsfeld, S. 237)
22
Zu Turenne vgl. Guthrie, The Later Thirty Years War,
S. 200f., sowie Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 463.
23
Zum Verlauf der Schlacht von Mergentheim/Herbsthausen,
die in den meisten deutschsprachigen Darstellungen des
Krieges keine Erwähnung findet, vgl. Guthrie, The Later
Thirty Years War, S. 214–221, und Lahrkamp, Jan von Werth,
S. 153–155.
24
Zum Verlauf der Schlacht von Alerheim vgl. Guthrie, The
Later Thirty Years War, S. 221–224, und Lahrkamp, Jan von
Werth, S. 156–158.
25
Unter einem «fliegenden Korps» (corps volante) werden
berittene Einheiten verstanden, die nicht an einen
bestimmten Kriegsschauplatz gebunden sind. Ihr
Kommandant entscheidet nach Gelegenheit und eigenem
Ermessen über die Truppenbewegung. Eine solche Truppe
ist eher ein Bestandteil des «kleinen» als des «großen
Krieges».
26
Zit. nach Lahrkamp, Jan von Werth, S. 159.
27
Friesenegger, Tagebuch, S. 136–169.
1
Vgl. oben, S. 748ff.
2
Dazu Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 315–320.
3
Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 162f., sowie
Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 44ff.; zu den
Delegationszahlen vgl. Repgen, «Die Hauptprobleme der
Westfälischen Friedensverhandlungen», S. 404.
4
Dazu Asch, «Die englische Republik und die
Friedensordnung von Münster und Osnabrück», S. 421–444.
5
Hierzu Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 49ff.
6
Dazu Stiglic, «Zeremoniell und Rangordnung», S. 391–396,
sowie Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 206ff.
7
Dazu Roeck, «Venedigs Rolle im Krieg und bei den
Friedensverhandlungen», S. 163ff.
8
Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 45.
9
Vgl. Sonnino, «Prelude to the Fronde», S. 217ff., und Bély,
«The Peace Treaties of Westphalia and the French Domestic
Crisis», S. 235.
10
Zu den Differenzen zwischen Oxenstierna und Salvius vgl.
Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 168–174, sowie
Lundkvist, «Die schwedischen Friedenskonzeptionen»,
S. 349–368.
11
Dazu Lademacher, «‹Ein letzter Schritt zur
Unabhängigkeit›», S. 335–348. Die Frage, ob die
Niederlande in Münster die Unabhängigkeit vom Reich
erlangt haben, ist umstritten. Konrad Repgen hat wiederholt
darauf hingewiesen, dass über die staatsrechtliche Stellung
der Niederlande zum Reich im Westfälischen Frieden kein
Wort zu finden ist («Die Hauptprobleme der westfälischen
Friedensverhandlungen», S. 407). De facto liefen die
Verhältnisse aber darauf hinaus.
12
Dazu Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster,
passim.
13
Vgl. Sánchez-Marcos, «The Future of Catalonia», S. 273ff.,
und Cardim, «‹Portuguese Rebels› at Münster», S. 293ff.
14
Schering Rosenhane und Matthias Biörenklou waren die
schwedischen Residenten in Münster; dazu Ellenius,
«Emblematisches Denken. Die Bildsprache von Schering
Rosenhane in Münster», S. 397–402.
15
Auer, «Die Ziele der kaiserlichen Politik bei den
westfälischen Friedensverhandlungen», S. 143ff.
16
Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 243f.
1
Repgen, «Die Hauptprobleme der Westfälischen
Friedensverhandlungen», S. 403.
2
Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 216–243.
3
Ter Borchs Bild befindet sich seit 1871 in der National
Gallery in London. Es gibt ein ähnliches Bild aus dem
Umkreis ter Borchs, das als Allegorie auf Hugo Grotius und
den Westfälischen Frieden bezeichnet wird. Es zeigt
ebenfalls die Münster’sche Ratskammer und eine im
Zentrum fast identische Szene wie die auf dem
Friedensschwur, in die jedoch ein Sarkophag mit Grabfigur
hineingestellt ist – eine Reverenz an den 1645 verstorbenen
Hugo Grotius als Verfasser der Drei Bücher über Krieg und
Frieden (De iure belli ac pacis libri tres), der hier als der
intellektuelle Wegbereiter des Westfälischen Friedens
dargestellt wird. Für eine Abbildung vgl. Lahrkamp,
Dreißigjähriger Krieg. Westfälischer Frieden, S. 306.
4
Heinz Duchhardt hat deswegen dem Jahr 1648 eine
Monographie gewidmet, in der er in einer Art
panoramischem Rundblick durch Europa die Lage in den
einzelnen Ländern Revue passieren lässt; vgl. Duchhardt,
1648. Das Jahr der Schlagzeilen, passim.
5
So etwa bei Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 63–91;
weniger ausgeprägt bei Dickmann, Der Westfälische
Frieden, S. 243ff. und S. 406ff.; im Unterschied dazu hat
Croxton (Westphalia) eine zeitliche Strukturierung seiner
Darstellung der Friedensverhandlungen nur als Hintergrund
gewählt (Background, Negotiations, Conclusion) und die
Friedensverhandlung stattdessen problemorientiert
dargestellt. Ähnlich Repgen («Die Hauptprobleme der
Westfälischen Friedensverhandlungen»), an dem sich die
nachfolgende Darstellung orientiert. Zum Forschungsstand
und zur jüngeren Sicht des Friedenskongresses und seiner
Ergebnisse vgl. Lanzinner, «Neuere Forschungen zum
Westfälischen Friedenskongress», S. 426–462, sowie
Burkhardt, «Das größte Friedenswerk der Neuzeit», S. 592–
612; in beiden Aufsätzen findet sich auch ein zuverlässiger
Überblick zur neueren Literatur.
6
Dazu Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 424ff.
7
Vgl. ausführlich Höfer, Das Ende des Dreißigjährigen
Krieges, S. 142–227.
8
Vgl. ebd., S. 175–195, sowie Guthrie, The Later Thirty Years
War, S. 243–245.
9
Vgl. Hojda, «Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des
Dreißigjährigen Krieges», S. 403–412.
10
Hierzu und zum Folgenden vgl. Repgen, «Die
Hauptprobleme der Westfälischen Friedensverhandlungen»,
S. 405ff.
11
Vgl. Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter,
S. 205.
12
So Martin Heckel, ebd., S. 189–207.
13
So Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 409–434.
14
Dazu Böckenförde, «Der Westfälische Frieden und das
Bündnisrecht der Reichsstände», S. 448–478; zur Bedeutung
des Bodin’schen Souveränitätsbegriffs für die
Verhandlungen in Westfalen vgl. Wyduckel, «Rechts- und
staatstheoretische Voraussetzungen und Folgen des
Westfälischen Friedens», S. 212ff.
15
Vgl. oben, S. 121ff.
16
Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 411.
17
Ebd., S. 412.
18
Dazu Repgen, «Die Proteste Chigis und der päpstliche
Protest gegen den Westfälischen Frieden», S. 539–561.
19
Zur damit erfolgten Suspension der religiösen
Wahrheitsfrage und deren Folgen vgl. Heckel, Deutschland
im konfessionellen Zeitalter, S. 199f.
20
Für eine ausführliche Darstellung der Normaljahresregelung
in den Bestimmungen des Westfälischen Friedens vgl. Fuchs,
Ein ‹Medium zum Frieden›, S. 159ff.
21
Dazu Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter,
S. 202f.
22
Hierzu und zum Folgenden Repgen, «Die Hauptprobleme»,
S. 414f.
23
Seit November 1646 verhandelte Maximilian mit Schweden
und Frankreich, was im März 1647 dann in den
Waffenstillstand von Ulm mündete. Die Kurfürsten von Köln
und Mainz schlossen sich daraufhin den Bayern an;
Kampmann, Europa und das Reich, S. 153f.
24
Dazu Höbelt, Ferdinand III., S. 265–291.
25
Hierzu und zum Folgenden Repgen, «Die Hauptprobleme»,
S. 419ff.
26
Ebd., S. 423.
27
Das wird regelmäßig von denen übersehen, die wie Axel
Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg, S. 332f.) meinen, weil
sich der Begriff der Westfälischen Ordnung in den Verträgen
von Münster und Osnabrück nicht finden lasse, habe es
diese auch nicht gegeben.
28
Dazu Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 1025–1030,
sowie Tischer, Französische Diplomatie und Diplomaten auf
dem Westfälischen Friedenskongress, S. 240ff.
29
Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 195f.
Hessen-Kassel erhielt beträchtliche Gebiete im Bereich
Hersfeld und Marburg; es gehörte damit auf die
«Siegerseite», während die Markgrafschaft Baden-Durlach
eher auf der «Verliererseite» landete.
30
Ebd., S. 191.
31
Repgen, «Hauptprobleme», S. 424, Fn. 65.
32
So Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 190;
in der Darstellung Repgens geht die Veränderung eher auf
ein Angebot der kaiserlichen Seite als auf eine veränderte
Haltung Frankreichs zurück, vgl. Repgen, «Hauptprobleme»,
S. 430f. Einmal mehr spielten dabei die konkurrierenden
Begriffe «Landeshoheit» und «Souveränität» eine wichtige
Rolle. Vgl. dazu auch Kampmann, Europa und das Reich,
S. 159f. und 170.
33
Zur Rolle der «Friedenspartei», einer
«konfessionsübergreifenden Ständegruppierung», vgl.
Kampmann, Europa und das Reich, S. 168f.
34
Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 213ff.
35
Im späten 17. und im 18. Jahrhundert war Hessen-Kassel
(und nicht Brandenburg-Preußen) der am höchsten
militarisierte Staat in Deutschland. Der Militarisierungsgrad
eines Landes ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen
Einwohnerzahl und Angehörigen des stehenden Heeres. Es
waren auch die Nordhessen, die einen Teil ihrer Regimenter
an die Briten vermieteten, die sie dann in Amerika
einsetzten.
36
Repgen, «Hauptprobleme», S. 437.
37
Ausführlich dazu Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag.
38
Gerhardt, Dichtungen und Schriften, S. 785.
1
Der Begriff der Neuen Kriege geht zurück auf Mary Kaldor,
Neue und alte Kriege, und wurde vom Verfasser dieses
Textes stärker im Hinblick auf die ökonomische Dimension
dieser Kriege hin konturiert; vgl. Münkler, Die neuen Kriege,
S. 131ff.; zur Diskussion von Begriff und Konzept der Neuen
Kriege vgl. ders., Kriegssplitter, S. 208ff.
2
Münkler, Die neuen Kriege, S. 75ff.
3
Die US-amerikanische Historikerin Barbara Tuchman hat in
ihrem Meisterwerk über das 14. Jahrhundert den Begriff des
«fernen Spiegels» eingeführt, um damit die
Selbstbeobachtung durch den Blick in die Vergangenheit zu
bezeichnen (Tuchman, Der ferne Spiegel, S. 9–16).
4
«‹Der IS wird in neuer Form zurückkommen›. Die
jordanischen Islamismus-Fachleute Mohammed Abu
Rumman und Hassan Abu Hanieh im Gespräch»; in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 260, 7.11.2016, S. 7.
1
Exemplarisch dafür sind die von der Hamburger
Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) in
regelmäßiger Abfolge herausgegebenen Jahresberichte zum
weltweiten Kriegsgeschehen. Im Untertitel dieser Berichte –
«Daten und Tendenzen der Kriege und bewaffneten
Konflikte» – kommt die methodische Grundlage der
Kombination von Analytik und Prognostik zum Ausdruck.
2
Vgl. dazu die kontrovers geführte Debatte in Anna Geis
(Hg.), Den Krieg überdenken.
3
Zur komparativen Herangehensweise und den ihr
zugrundeliegenden Methoden vgl. Kaelble/Schriewer (Hgg.),
Gesellschaften im Vergleich, sowie Epple/Erhart (Hgg.), Die
Welt beobachten.
4
Baumhauer, Kunst und Krieg in Langzeitkonflikten, S. 61ff.
und 123ff. Steht bei Baumhauer Hans Ulrich Frank im
Zentrum der Aufmerksamkeit, so geht es Bernd Schuchter
(Jacques Callot, S. 174) um die Aktualität Jacques Callots:
«Dieser große Krieg [der Dreißigjährige Krieg] hatte gezeigt,
wie dünn diese Schicht der Zivilisation ist, die den Menschen
im Alltag daran hindert, ein Tier zu werden, nach eigenem
Gutdünken zu morden und zu stehlen. Der lange andauernde
Krieg hatte diese Schicht rasch abgelöst und es folgten viele
Jahre von solch grausamer Barbarei und Unmenschlichkeit,
die man sich heute – da in Mitteleuropa seit 70 Jahren
Frieden herrscht – nicht vorzustellen vermag.»
5
Vgl. oben, S. 697ff.
6
Dieser Aspekt ist in der jüngeren Forschung besonders
deutlich herausgearbeitet bei Kampmann, Europa und das
Reich, S. 17–34.
7
Zum Begriff der politischen Religion und deren Rolle in der
Politik seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges vgl.
Voegelin, Die politischen Religionen, S. 49ff., sowie Maier,
Politische Religionen, S. 107ff.
8
Eine ideengeschichtliche Darstellung der von den Aufklärern
gegebenen Begründungen für eine Zurückdrängung der
Religion ins Private findet sich bei Cavuldak, Gemeinwohl
und Seelenheil, passim.
9
Als einer der wichtigsten Sozialwissenschaftler, die die
Validität der Säkularisierungsthese angezweifelt haben, ist
der Soziologe José Casanova (Public Religions in the Modern
World) zu nennen, der die jüngste Verunsicherung der
Europäer angesichts der neuerlichen Herausforderung
durch politisierte Religionen als Folge ihres naiven
Vertrauens auf den fortschreitenden Prozess der
Säkularisierung erklärt hat; vgl. Casanova, Europas Angst
vor der Religion; die Thesen Casanovas sind von dem
Politikwissenschaftler Wilfried Röhrich (Die Macht der
Religionen) in einer vergleichenden Überblicksdarstellung
bestätigt worden: «Die Weltreligionen haben eine politische
Macht erlangt, die in ihrer Tragweite der der christlichen
Kreuzzüge vom 11. bis 13. Jahrhundert und der der
islamischen Djihad-Kriege vom 7. bis zum 17. Jahrhundert
nahekommt – zumal wenn man die Politisierung der
jeweiligen Religion mit dem Resultat eines religiösen
Fundamentalismus in die Betrachtung einbezieht» (S. 11).
Zum Thema des politisch-religiösen Fundamentalismus vgl.
die komparativ angelegten Studien von Marty/Appleby,
Herausforderung Fundamentalismus, Juergensmeyer, Die
Globalisierung religiöser Gewalt, Armstrong, Im Kampf um
Gott, sowie Victor und Victoria Trimondi, Krieg der
Religionen. Es fällt auf, dass in den historischen Rückblicken
dieser Arbeiten der Dreißigjährige Krieg keine Rolle spielt,
wenngleich bei calvinistischen Autoren wie jesuitischen
Beichtvätern zahllose Beispiele für fundamentalistisches
Denken zu finden sind.
10
Bloch, «Ungleichzeitigkeit und Pflicht zu ihrer Dialektik»
[1932]; in: ders., Erbschaft dieser Zeit, Bd. 4 der
Gesamtausgabe, Frankfurt am Main 1962, S. 116ff.
11
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 17.
1
Steinberg, Der Dreißigjährige Krieg in Europa, S. 92.
2
So etwa Schormann, Der Dreißigjährige Krieg, S. 25–59,
ebenso Kampmann, Europa und das Reich, der außerdem
den böhmischen und den pfälzischen Krieg gegeneinander
abgrenzt und zusätzlich von einem spanisch-französischen
Krieg spricht (S. 41ff. und 103ff.), sowie Gotthard, Der
Dreißigjährige Krieg, passim. Georg Schmidt (Der
Dreißigjährige Krieg) weicht davon ab, indem er die Jahre
von 1618 bis 1629 als Zeit «vom böhmischen Ständekonflikt
zur gesamtdeutschen Betroffenheit» überschreibt (S. 27f.),
die Jahre von 1630 bis 1643 unter die Überschrift
«Habsburg, Schweden und Frankreich» stellt (S. 48ff.) und
die Schlussphase des Krieges als Ringen «um ‹deutsche
Libertät› und Entschädigungen» zusammenfasst (S. 68ff.),
also stärker den Zusammenhang des Krieges herausstellt.
Die Trennung eines böhmisch-pfälzischen und eines
niedersächsisch-dänischen Krieges findet sich bereits bei
Moriz Ritter, dem Doyen der deutschen
Geschichtsschreibung zum Dreißigjährigen Krieg (Deutsche
Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des
Dreißigjährigen Krieges, Bd. III, S. 3–222 und 225–414),
während er den Fortgang des Krieges nicht mehr weiter
untergliedert hat; ähnlich Anton Gindely, der die
1. Abteilung seiner Geschichte des dreißigjährigen Krieges
dem «böhmischen Aufstand und seiner Bestrafung» widmet,
im zweiten Kapitel der 2. Abteilung den «niedersächsischen,
dänischen und ungarischen Krieg» behandelt (Bd. 2, S. 56–
103) und danach den Krieg als zusammenhängendes Ganzes
darstellt, das durch den Auftritt von Personen (Gustav Adolf
und Albrecht von Waldstein [sic!]) gegliedert wird. In der
älteren Sicht wurden also nur der böhmisch-pfälzische und
der niedersächsisch-dänische Krieg als getrennte Abschnitte
behandelt, und danach floss das Kriegsgeschehen zu einem
einzigen Gewaltkontinuum zusammen, während in vielen
jüngeren Darstellungen die nach Protagonisten benannte
Gliederung in Etappen bis zum Kriegsende durchgehalten
wird.
3
Genau dieses zeitgenössische Bewusstsein eines
zusammenhängenden Krieges hat Steinberg (Der
Dreißigjährige Krieg, S. 112ff.) bestritten. Dagegen hat
Konrad Repgen («Die Entstehung und Verwendung des
Terminus ‹Dreißigjähriger Krieg› von 1650 bis 1695»)
detailliert nachgewiesen, dass der Begriff des
Dreißigjährigen Krieges bereits bei den Zeitgenossen
verbreitet war und sich schon bald nach Ende des Krieges
die Vorstellung von einem zusammenhängenden
Kriegsgeschehen allgemein durchgesetzt hat.
4
Diese Sicht wird am nachdrücklichsten bei Kampmann,
Europa und das Reich, ausgearbeitet. Ihr zufolge war der
Dreißigjährige Krieg von Anfang an potenziell ein
europäischer Krieg, aber er wurde dies tatsächlich erst
durch seine Dauer.
5
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges; zum
Fortwirken des Thukydides und dem Einfluss seines Werks
auf spätere Historiker vgl. Meister, Thukydides als Vorbild
der Historiker.
6
Schiller, Geschichte des Dreißigjährigen Krieges; zu Schiller
als Historiker dieses Krieges vgl. Alt, Schiller, Bd. 1, S. 587–
675, speziell zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
S. 663ff., weiterhin Safrankski, Schiller, S. 338ff.
7
Vgl. oben, Schluss, Anm. 18.
8
Carl Schmitt hat in einer korrigierenden Erweiterung seiner
Freund-Feind-Unterscheidung später zwischen dem
«wirklichen» und dem «absoluten Feind» unterschieden
(Schmitt, Theorie des Partisanen, S. 87ff.). Er hätte, was bei
einer Studie über den Typ des Partisanen indes nicht
nahelag, die Figur des «konventionellen Feindes»
danebenstellen können, der als eine Form der Einhegung
von Feindschaft nach der Ära der religiös-konfessionellen
Kriege, also der Westfälischen Ordnung, zu fassen ist. Dazu
vertiefend Geulen/von der Heiden/Liebsch (Hgg.), Vom Sinn
der Feindschaft, sowie Brehl/Platt (Hgg.), Feindschaft.
9
Das ist auf dem berühmten Bild «Die Übergabe von Breda»
von Velázquez zu sehen; dazu oben, S. 637.
10
Vgl. oben, S. 474ff.
11
Dazu Rill, Kaiser Matthias, S. 121–173.
12
Dazu Münkler, Der neue Golfkrieg, insbes. S. 29ff.
1
Richelieus strategisches Dilemma tritt in den Darstellungen
des Dreißigjährigen Krieges in der Regel stärker hervor als
in den Biographen des Politikers, die zumeist auf seine
Umsicht und sein Raffinement abheben; vgl. etwa
Burckhardt, Richelieu, Bd. 2: Behauptung der Macht und
kalter Krieg, S. 239–425.
2
Die Probleme der Franzosen mit dem selbstbewussten
Bernhard von Weimar werden detailliert geschildert von
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 74ff. und 103ff.
3
Zu Begriff und Erscheinungsform des Postheroischen in den
modernen Gesellschaften «des Westens» vgl. Münkler,
Kriegssplitter, S. 169ff.
4
Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 114.
5
Dazu Schröder, Die Revolutionen Englands im
17. Jahrhundert, S. 21–48, der sich freilich vor allem auf die
inneren Konflikte konzentriert und die Frage der englischen
Außenpolitik weitgehend beiseitelässt; zur schwankenden
Politik Jakobs gegenüber einem internationalen
protestantischen Bündnis vgl. Parker, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 95, 99 und öfter; zu den Puritanern, die den König
zur Unterstützung der protestantischen Sache drängten, vgl.
ebd., S. 114 und 132.
6
Dazu in knapper Zusammenfassung Parker, «The Soldiers of
the Thirty Years War», S. 305ff.
7
In diesem Zusammenhang ist an die Rolle der Obristen
Gordon und Butler bei der Ermordung Wallensteins zu
erinnern; vgl. oben, S. 628ff.
8
Im Oñate-Vertrag verzichtete Philipp III. auf den Anspruch,
als einziger männlicher Enkel Kaiser Maximilians II. die
größten Rechte auf die Nachfolge als Kaiser des Reichs zu
haben; für dieses Entgegenkommen ließ er sich das Elsass
und zwei Reichsenklaven in Italien abtreten. Gleichzeitig
stellte Spanien dem Erzherzog Ferdinand, mit dem dieser
Vertrag ausgehandelt wurde, Barmittel in Höhe von einer
Million Taler zur Verfügung, damit er Söldner für die
Verteidigung der Stadt Gradiška anwerben konnte; vgl.
Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 103–106.
9
Vgl. oben, S. 646ff.
10
Zum «Ende des spanischen Zeitalters» infolge seiner
Verwicklung in den Dreißigjährigen Krieg vgl. oben, S. 737ff.
11
Dazu Lundkvist, «Die schwedischen Kriegs- und
Friedensziele», S. 219ff.
12
Zu den Leitlinien der französischen Politik in der Ära
Richelieus vgl. Wollenberg, Richelieu, S. 55ff. und 83ff.,
sowie Weber, «Vom verdeckten zum offenen Krieg»,
S. 203ff.
13
Diese Parallele ist in der deutschen Historiographie nach
1871 des Öfteren gezogen worden; vgl. Findeisen, Gustav II.
Adolf, S. 231.
14
Goethe, Faust, Erster Teil, Zeilen 860–867.
15
Eine Ausnahme bildet der Zuzug von 8000 polnischen
Kosaken, die 1636 das am Rhein operierende kaiserliche
Heer unter General Gallas verstärken sollten. Ihre
spezifischen militärischen Fähigkeiten waren jedoch in
Süddeutschland und im Elsass nur von geringer Relevanz.
Sie hätten «unter furchtbaren Verwüstungen ganz
Deutschland durchzogen», bemerkt Gindely (Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 87). «Der Kaiser hatte von
diesen Hilfstruppen nicht nur keinen Gewinn, sondern nur
Schaden, da er wegen dieser seiner Bundesgenossen
tausendfach verwünscht wurde.» (Ebd.)
16
Für eine ausführliche Darstellung des Hauses Wasa und
seiner Spaltung in eine polnische und eine schwedische
Linie vgl. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 1, S. 1–49; zur Politik
des Schwedenkönigs gegenüber Polen vgl. ebd., S. 91ff.,
sowie Bd. 2, S. 3–26.
17
Vgl. Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 88 und 131.
18
Dazu Rill, Tilly, S. 142ff.
19
Für eine detaillierte Erörterung vgl. Parker, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 142ff.
20
Dazu Mallett, Mercenaries and their Masters, sowie Trease,
Die Condottieri.
21
Vgl. Huhnholz, Dschihadistische Raumpraxis, S. 33ff.
Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg,


November 2017
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