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Perversionen
Fritz Lackinger
Abstract
Dieser Beitrag beginnt mit einem historischen Überblick über die Hauptlinien der psychoanalytischen
Konzeptentwicklung zum Thema Perversion. Er geht dann über in eine Darstellung der Phänomenologie
und der Verlaufsformen perverser Pathologien und vertieft sich in die verschiedenen, relevant
erscheinenden Dimensionen einer psychoanalytischen Diagnostik der Perversion. Im Zentrum steht
dabei eine Einteilung des Schweregrads der Störung im Zusammenhang mit dem Strukturniveau der
Patienten, des Ausmaßes der Triebentmischung sowie der Art ihrer narzisstischen und der Überich-
Pathologie. Die Unterscheidung zwischen benignen, transgressiven und malignen Perversionen hat auch
Relevanz für die Behandlungsindikation, die notwendigen Rahmenbedingungen und die zentralen
Strategien der Behandlung. In diesem Zusammenhang werden auch die wichtigsten Konzeptionen und
Erscheinungsformen der Dynamik von Übertragung und Perversion erläutert.
Stichworte
Perversion – sexuelle Präferenzstörung – paraphile Störung
Der Ausdruck Perversion wurde von Krafft-Ebing (1886) in die Psychiatrie eingeführt und blieb dort bis in
die 1970er Jahre der vorherrschende Begriff. Im DSM III (1980) wurde erstmals der Ausdruck Paraphilie
für sexuelle Abweichungen verwendet
Einleitung
Der Duden definiert den Ausdruck pervers folgendermaßen: (besonders in sexueller Beziehung) als
widernatürlich empfunden; (umgangssprachlich, oft emotional übertreibend) die Grenze des Erlaubten
überschreitend, unerhört, schlimm; absurd, höchst merkwürdig.
Im lateinische Altertum bedeutete pervertere more so viel wie gegen die Sitten verstoßen, Verkehrung
der Sitten. Der homo perversus galt als süchtig nach dem Negativen und Destruktiven. Luigi Castagna
(2002), ein italienischer Altertumswissenschaftler, hat v.a. die Kunst des neronischen Zeitalters unter
dem Leitmotiv der Verkehrung untersucht und dafür den Begriff pervertere verwendet. Es sei eine
Ästhetik der Verkehrung gewesen.
Krafft-Ebing (1886) lieferte in seiner Psychopathia sexualis erstmals eine umfassende deskriptive
Beschreibung von abweichendem Sexualverhalten. Von ihm stammt die Unterscheidung zwischen
Perversion und Perversität. Perversion bezeichnet bei ihm eine krankhafte Veranlagung bzw. Ausprägung
des Sexualtriebes, die zu Handlungen führt, die nicht auf Fortpflanzung gerichtet sind. Damit holt er
sexuelle Deviationen aus dem Register der Sünde in den Einflussbereich der Medizin. Als Zugeständnis an
die religiöse Weltauffassung räumte er jedoch ein, dass solche Handlungen auch ohne Krankheit, aber als
moralische Laster auftreten könnten. Er nannte sie dann Perversitäten.
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Freud (1905d) betrachtete die Perversion Erwachsener als Erster als eine Entwicklung, eine Dynamik, als
nichts einfach Feststehendes oder Angeborenes. Er folgte auch der begrifflichen Entwicklung in der
französischen Psychiatrie (u.a. bei Charcot), wo ab den 1880er Jahren der frühere Begriff der Sodomie
(für Homosexualität) durch den der Inversion ersetzt wurde.
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Abwehrorganisationen im Allgemeinen typisch, also nicht nur für sexuelle Perversionen. Dabei gehe es
nicht einfach um ein Nebeneinander von Anerkennung und Verleugnung bestimmter traumatisierender
Realitäten, sondern in den Worten Freuds um einen kniffigen Umgang damit. Es gehe um eine falsche
Versöhnung widersprüchlicher Betrachtungsweisen, um eine Missrepräsentation und Entstellung der
Wahrheit. Steiner greift auch die drei Grundtatsachen des Lebens nach Money-Kyrle (1971) auf, deren
perverse Missrepräsentation zu drei Varianten von Perversion führe:
die narzisstische Perversion verleugne die existentielle Bedeutung der Brust
die sexuellen Perversionen verleugnen die Fruchtbarkeit des elterlichen Koitus
die romantischen Perversionen verleugnen die Begrenztheit der Zeit und die Unvermeidlichkeit des
Todes.
Winnicott (1953) beschrieb Entstehung und Funktion von Übergangsobjekten, die den Säugling bei den
ersten Trennungen von der Mutter trösten und später die Ablösung erleichtern. Nur selten würden
Übergangsobjekte sexualisiert und zur Masturbation verwendet. Darauf bezugnehmend fand Bak (1974),
dass nicht alle Fetische aus Übergangsobjekten entstehen, dass aber immer eine präödipale (v.a. orale)
Störung zu finden sei. Greenacre (1971) beschrieb, dass Übergangsobjekte immer weich sind und sich
gut anfühlen, Fetische dagegen sind oft hart oder haben scharfe Kanten. Darin drückt sich ein aggressives
Moment aus, das aus der Identifizierung mit einer hart erlebten Mutter stammt, aber auch eigene Wut
über erlittene Schmerzen reflektiert.
Masud M. Khan, ein Schüler Winnicotts, der später wegen seiner Grenzverletzungen gegenüber seinen
Analysanden aus der britischen psychoanalytischen Gesellschaft ausgeschlossen wurde, hat einige
relevante Beiträge zur Perversion verfasst. Nach Khan (1979) zeigt sich in der Perversion eine spezifische
Verwendung des sogenannten Wiedergutmachungstriebes. Es handle sich um Patienten, die mit einer
intimitätssüchtigen, idolisierenden Mutter identifiziert seien. Er fand, Perverse hätten als Kinder kaum
gespielt und keine Übergangsobjekte gehabt. Sie hätten es aufgegeben, der Mutter von sich
aus Angebote zu machen, da sie von dieser nicht wahrgenommen, sondern idolisiert würden. Um mit der
Mutter in Kontakt zu bleiben, verstärkten sie deren Gesten, die sich auf das idolisierte Ding-Geschöpf
beziehen (falsches Selbst). Das Ergebnis sei das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, aber von sich aus
nichts anbieten zu können. Die Sexualität werde von Perversen verwendet, um mittels eines Als-Ob-
Übergangsobjektes chronische Angstzustände abzuwehren.
Jacob Arlow (1971) entwickelte (im Rahmen der amerikanischen Ich-Psychologie) eine Konzeption der
Charakterperversion in Analogie zum Begriff der Charakterneurose von Freud. Ebenso wie letztere sei
auch die Charakterperversion durch Ich- und Überich-Syntonizität gekennzeichnet. Solche Patienten
ignorierten Teile der Realität, oder Teile der Bedeutung derselben, indem sie von dieser ablenken. Dies
erschwere die Behandlung, weil kein kritischer Ich-Anteil vorhanden sei. Er unterschied drei
Charakterperversionen:
Der unrealistische Charakter ignoriere Deutungen und richte die Neugier auf Nebensächlichkeiten.
Der kleine Lügner rede in der Analyse herum und erzeuge einen falschen Eindruck.
Der Streichespieler versuche im Analytiker Angst oder Panik auszulösen, und empfinde Lust bei der
Aufdeckung des Schwindels.
Diese Charakterperversionen entsprechen symptomatische Perversionen (bzw. sie wehren diese ganz
oder teilweise ab), v.a. Voyeurismus, Fetischismus, Transvestitismus.
Jacques Lacan (1956-57) betrachtete Perversion v.a. als Mangel an Symbolisierung. Perversion bedeutet
für ihn die imaginäre Identifikation mit dem Phallus, also mit dem, was die Mutter begehrt. Was dem
Perversen nicht gelingt, sei die Wahrnehmung des Vaters als symbolischem Vater, der die Kastration als
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symbolische Kastration erträglich und im Unbewussten einschreibbar machen könnte. In der
Übertragung versuche sich der Perverse mit dem (imaginär) zu identifizieren, was der Analytiker begehrt.
Chasseguet-Smirgel (1984) analysiert die Verdrehung der Realität und das anale Universum der
Perversion. Die Unerträglichkeit der ödipalen Kränkung könne zu einer Regression in ein anales
Universum führen, das sekundär durch Idealisierung beschönigt wird. Anale Gleichheit werde an die
Stelle von genitaler Unterschiedlichkeit gesetzt. Analisierung bedeute ein Zu-Kot-Machen aller
Objektbeziehungen. Perversion sei ein Produkt der Verdrehung und Missrepräsentation der Realität.
Dabei gehe es zentral um die Realität der Geschlechterdifferenz und der Differenz zwischen den
Generationen. Die Untauglichkeit des kindlichen Penis solle verleugnet werden.
Robert Stoller hat die psychoanalytische Perversionstheorie mit der zeitgenössischen Sexualwissenschaft
in Verbindung gebracht. In seinem Buch Perversion - die erotische Form von Hass (1975) geht er davon
aus, dass Knaben ebenso wie Mädchen primär mit der Mutter identifiziert seien und dass beide zuerst
eine weibliche Identität hätten. Knaben müssten sich von der Mutter des-identifizieren und einen
Identitätswechsel vollziehen. Dieser Vorgang sei Teil des normalen Separations-Individuations-Prozesses,
könne aber durch autonomie-behindernde und anti-maskuline Mütter blockiert werden. Der Knabe
erlebe dies als existentielle Niederlage, die in ihm Hass und ein Rachebedürfnis erzeugten. Als
erwachsener Perverser versuche er diese Niederlage durch die Entwertung des anderen in der Sexualität
in eine triumphale Rache zu verwandeln.
Otto Kernberg (1985, 1992) untersuchte Perversionen auf unterschiedlichen Strukturniveaus und
versuchte die Ansätze der verschiedenen psychoanalytischen Schulen zu integrieren. Perversionen im
Rahmen einer neurotischen Persönlichkeitsorganisation funktionierten so wie Freud es beschrieb, als
Abwehr von ödipalen Ängsten durch Regression auf prägenitale Entwicklungsstufen. Perversionen auf
Borderline-Niveau zeigen die Strukturen, die von den britischen Autoren (Klein, Steiner, Joseph u.a.)
beschrieben worden sind. Sexualisierung prägenitaler Aggressionen führe zu sadomasochistischen
Phantasien und Objektbeziehungen. Perversionen im Rahmen einer malign-narzisstischen Persönlichkeit
zeigten die von Chasseguet-Smirgel beschriebenen Züge: analer Sadismus, paranoide Einstellung,
Zerstörung aller Differenzierungen, und Perversität in den Beziehungen.
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• Exhibitionistische Störung
• Voyeuristische Störung
• Pädophile Störung
• Sexuell-masochistische Störung
• Sexuell-sadistische Störung
• Frotteuristische Störung
• Nicht näher bezeichnete paraphile Störung
Phänomene wie obszöne Telefonanrufe, Koprophilie, Urophilie, Klismaphilie, Zoophilie, sowie die
Nutzung der Anoxie zur Steigerung der sexuellen Erregung (Asphyxiophilie) sind keine eigenen
Diagnosen, ebenso wenig wie Vorliebe für Partner mit anatomischen Abnormitäten, wie z.B.
amputierten Gliedmaßen (Amelotatismus). Sie werden als nicht näher bezeichnete paraphile Störung
kodiert. Diskutiert, aber in der Beschlussfassung über das DSM-5 abgelehnt, wurden die
Hypersexuelle Störung (oder Sexsucht bzw. Erotomanie), die in täglicher mehrstündiger Beschäftigung
mit sexuellen Phantasien besteht, mit der Folge von Einschränkungen des sozialen und beruflichen
Lebens. Im ICD 10 wird dieses Phänomen im Kapitel „Sexuelle Funktionsstörungen“: F52.7
gesteigertes sexuelles Verlangen (Nymphomanie/Satyriasis) kodiert;
Coercive Paraphilia (paraphilic rape oder Biastophilie). Es erwies sich als unmöglich, verlässlich
zwischen paraphilen und nicht-paraphilen Vergewaltigern zu unterscheiden.
In Bezug auf den Verlauf von perversen Entwicklungen und Störungen lassen sich folgende typische
Muster differenzieren:
Perversion als Plombe bedeutet eine stabile Versiegelung einer Diskrepanz: Patient leidet nicht, der
andere wird konsensuell auf Distanz gehalten, kein Behandlungsbedürfnis.
Instabile und zerfallende Plomben: Durch Alter, Krankheit oder Umgebungsveränderung destabilisiert
sich die Versiegelung: Leidensdruck erzeugt Wunsch nach Wiederherstellung.
Impulsiver Durchbruch: Abgewehrte, regressiv-prägenitale Phantasien werden mit einer spezifischen
Auslösesituation „kurzgeschlossen“. Ich-dystones Ausagieren restabilisiert kurz.
Hypersexualität und süchtige Perversion: Da das perverse Agieren die zugrundeliegenden Bedürfnisse
nicht wirklich befriedigen kann, tritt neuerlich Instabilität und Kurzschluss auf. Der Takt beschleunigt
sich, wie bei jeder Sucht, durch Gewöhnungseffekte. Häufig muss der Grad an Destruktivität in jeder
Runde steigen.
Psychodynamische Diagnostik
Bei Verdacht auf perverse Problembereiche ist im Erstinterview ein offenes Ansprechen der sexuellen
Fragen entscheidend. Jede Zurückhaltung bei Fragen zum Sexualleben kann vom Patienten als Signal für
Angst oder Ekel des Therapeuten gegenüber den sexuellen Abgründen des Patienten verstanden
werden. Dies kann zu einer langen Phase distanziert-abwehrender Übertragung führen. Umgekehrt kann
das Erfragen sexueller Details von Patienten auch als eindringend oder überwältigend erlebt werden.
Ausschlaggebend sind daher eine taktvolle Form und eine nachvollziehbare Begründung für derartige
diagnostische Untersuchungen. Es gibt meistens einen Anteil im Patienten, dem es klar zu machen ist,
dass die Behandlung sexueller Probleme nur auf Grund einer vollständigen Information über die
Sexualität des Patienten möglich sein kann.
Folgende Dimensionen in der psychoanalytischen Diagnose von Perversionen sind zu beachten:
Strukturniveau der internalisierten Objektbeziehungen (Persönlichkeitsorganisation)
Triebpsychologie: Kräfteverhältnis zwischen libidinöser und destruktiver Achse
Psychosexuelle Entwicklung: Das anale Universum – die narzisstische-antisoziale Dimension
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• Exhibitionistische Störung
• Voyeuristische Störung
• Pädophile Störung
• Sexuell-masochistische Störung
• Sexuell-sadistische Störung
• Frotteuristische Störung
• Nicht näher bezeichnete paraphile Störung
Phänomene wie obszöne Telefonanrufe, Koprophilie, Urophilie, Klismaphilie, Zoophilie, sowie die
Nutzung der Anoxie zur Steigerung der sexuellen Erregung (Asphyxiophilie) sind keine eigenen
Diagnosen, ebenso wenig wie Vorliebe für Partner mit anatomischen Abnormitäten, wie z.B.
amputierten Gliedmaßen (Amelotatismus). Sie werden als nicht näher bezeichnete paraphile Störung
kodiert. Diskutiert, aber in der Beschlussfassung über das DSM-5 abgelehnt, wurden die
Hypersexuelle Störung (oder Sexsucht bzw. Erotomanie), die in täglicher mehrstündiger Beschäftigung
mit sexuellen Phantasien besteht, mit der Folge von Einschränkungen des sozialen und beruflichen
Lebens. Im ICD 10 wird dieses Phänomen im Kapitel „Sexuelle Funktionsstörungen“: F52.7
gesteigertes sexuelles Verlangen (Nymphomanie/Satyriasis) kodiert;
Coercive Paraphilia (paraphilic rape oder Biastophilie). Es erwies sich als unmöglich, verlässlich
zwischen paraphilen und nicht-paraphilen Vergewaltigern zu unterscheiden.
In Bezug auf den Verlauf von perversen Entwicklungen und Störungen lassen sich folgende typische
Muster differenzieren:
Perversion als Plombe bedeutet eine stabile Versiegelung einer Diskrepanz: Patient leidet nicht, der
andere wird konsensuell auf Distanz gehalten, kein Behandlungsbedürfnis.
Instabile und zerfallende Plomben: Durch Alter, Krankheit oder Umgebungsveränderung destabilisiert
sich die Versiegelung: Leidensdruck erzeugt Wunsch nach Wiederherstellung.
Impulsiver Durchbruch: Abgewehrte, regressiv-prägenitale Phantasien werden mit einer spezifischen
Auslösesituation „kurzgeschlossen“. Ich-dystones Ausagieren restabilisiert kurz.
Hypersexualität und süchtige Perversion: Da das perverse Agieren die zugrundeliegenden Bedürfnisse
nicht wirklich befriedigen kann, tritt neuerlich Instabilität und Kurzschluss auf. Der Takt beschleunigt
sich, wie bei jeder Sucht, durch Gewöhnungseffekte. Häufig muss der Grad an Destruktivität in jeder
Runde steigen.
Psychodynamische Diagnostik
Bei Verdacht auf perverse Problembereiche ist im Erstinterview ein offenes Ansprechen der sexuellen
Fragen entscheidend. Jede Zurückhaltung bei Fragen zum Sexualleben kann vom Patienten als Signal für
Angst oder Ekel des Therapeuten gegenüber den sexuellen Abgründen des Patienten verstanden
werden. Dies kann zu einer langen Phase distanziert-abwehrender Übertragung führen. Umgekehrt kann
das Erfragen sexueller Details von Patienten auch als eindringend oder überwältigend erlebt werden.
Ausschlaggebend sind daher eine taktvolle Form und eine nachvollziehbare Begründung für derartige
diagnostische Untersuchungen. Es gibt meistens einen Anteil im Patienten, dem es klar zu machen ist,
dass die Behandlung sexueller Probleme nur auf Grund einer vollständigen Information über die
Sexualität des Patienten möglich sein kann.
Folgende Dimensionen in der psychoanalytischen Diagnose von Perversionen sind zu beachten:
Strukturniveau der internalisierten Objektbeziehungen (Persönlichkeitsorganisation)
Triebpsychologie: Kräfteverhältnis zwischen libidinöser und destruktiver Achse
Psychosexuelle Entwicklung: Das anale Universum – die narzisstische-antisoziale Dimension
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Benigne Perversionen treten im Rahmen einer neurotischen Persönlichkeitsstruktur auf. Sie bilden eine
perverse Substruktur in der Persönlichkeit, die dazu führt, dass perverse Bedürfnisse weder integriert
noch verdrängt, sondern in einen geheim gehaltenen, aber bewusstseinsfähigen Bereich abgespalten
werden. Aus evtl. vorhandenen intimen Beziehungen bleiben sie ausgeklammert. Die motivierende Kraft
in der Substruktur schöpft aus der Abwehr von Kastrationsangst, die sich aufgrund einer verstärkt
sadistischen Wahrnehmung der ödipalen Beziehungen besonders ausgeprägt hat. Diese Konstellation
spielt v.a. bei Fetischismus, Transvestitismus, konsensuellem Sadomasochismus und pädophilem
Phantasieren ohne Ausagieren die Hauptrolle.
Transgressive Perversionen kommen bei höher strukturierter Borderline-Persönlichkeitsorganisation
(BPO) vor. Die perverse Struktur baut auf der Borderline-Struktur auf, gibt dieser aber v.a. in den erotisch
gefärbten Beziehungen eine besondere Gestaltung, indem sie mittels der perversen Elemente in der
Sexualität emotionale Intimität weitgehend verhindert. Das Motiv dahinter ist die Abwehr von
paranoiden Ängsten, die Ausdruck einer sadomasochistisch strukturierten Innenwelt sind. Typische
Erscheinungsformen dieser Konstellation finden sich bei zwanghafter sexuelle Belästigung, chronischem
Don Juanismus, Exhibitionismus und Voyeurismus sowie bei Frotteurismus.
Maligne Perversionen beruhen immer auf einer niederen Borderline-Struktur. Die perverse Struktur
durchdringt die gesamte Persönlichkeit, verunmöglicht weitgehend emotional intime Beziehungen und
gibt der Persönlichkeitsstörung eine besonders sexualisierte Erscheinungsform. Im Untergrund wirken
archaische Vernichtungsängste, die durch die Identifizierung mit (und potentiell durch eine Idealisierung
von) Ausdrucksformen primitiver sexualisierter Destruktivität (wie Pädophilie, sadistische
Vergewaltigung, selbstdestruktiver Masochismus oder sexuelle Tötung) zu kontrollieren versucht
werden.
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können. Die sadistischen Tendenzen wechseln manchmal mit masochistischen, sodass zumindest
sadomasochistische Beziehungen möglich sind.
Psychopathische Persönlichkeitsstörungen sind durch vollkommene Loyalitäts- und
Beziehungsunfähigkeit gekennzeichnet, da hier eine ausschließliche Identifizierung mit sadistischen
und machtausübenden Rollen vollzogen wurde. Alle anderen Identifizierungsoptionen werden
konsistent projiziert.
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Massive Triebentmischung in großen Teilen der Persönlichkeit, die zu ich-syntonen und massiven
Verletzungen des sexuellen Selbstbestimmungsrechts anderer führt, aber auch masochistische
Komponenten enthält. Bei malignen Perversionen, bei denen diese Triebkonstellation vorliegt, finden
wir in der Regel auch das Syndrom des malignen Narzissmus mit ich-syntoner Gewalt und
ausgeprägter Antisozialität.
Massivste Triebentmischung in der gesamten Persönlichkeit, die zu unbegrenzter und ich-syntoner
Gewalt und sexueller Ausbeutung führt, und mit einer Verabsolutierung des eigenen
Machtanspruches verbunden ist (psychopathische Persönlichkeitsstörung mit maligner Perversion).
Diese letzte Stufe findet sich exemplifiziert in de Sade‘s Die 120 Tage von Sodom, wo in vier Kapiteln
unterschiedliche „Passionen“ dargestellt werden, die Abstufungen der Angriffe auf das Objekt darstellen.
Die höchste Stufe ist die Passion des Mordens.
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Estela Welldon (1988) hat sich aus psychoanalytischer Sicht als erste tiefergehend mit der Frage der
weiblichen Perversion beschäftigt. Weibliche Perversion sei keineswegs nur „Beziehungsperversion“,
sondern auch körperlich und sexuell. Gerade letzteres war damals nicht selbstverständlich, nachdem
Luise Kaplan (1991) alle körperlichen Symptome zur weiblichen Perversion gezählt hatte.
Welldon‘s Hauptthese ist kurzgesagt: Weibliche perverse Externalisierung und Fetischisierung beziehen
sich entweder auf den ganzen eigenen Körper, oder auf den Uterus oder auf das Kind. Es gehe um eine
Spaltung zwischen der genitalen Sexualität und etwas, das nur den Anschein von Sexualität habe, aber
prägenitalen, aggressiven Zielen diene. Sie greift auch Stollers These auf, der zufolge Perversion eine
Umkehrung eines infantilen Traumas (in Gestalt von Racheimpulsen) sei. Der Unterschied zum Mann
bestehe v.a. darin, dass Männer ihre perversen Phantasien zumeist mit äußeren Partialobjekten, die zu
anderen Personen gehörten (also interpersonell) inszenierten. Frauen verwendeten häufiger ihren
eigenen Körper als Bühne ihrer perversen Phantasien, wobei das eigene Kind mitunter wie ein eigener
Körperteil behandelt wird. Das „Kriterium des Körpers“ gelte jedenfalls für beide Geschlechter, das
„Orgasmuskriterium“ treffe hingegen v.a. bei männlichen Perversionen zu.
Es können hier nur die Themen aufgezählt werden, die – nach Welldon – bei der perversen Verwendung
des mütterlichen bzw. des kindlichen Körpers eine Rolle spielen: Pervertierung des Uterus, Prostitution
als Perversion, Anorexie & Bulimie, Selbstverstümmelung, perverse Schönheitschirurgie, perverse
Mütterlichkeit, die sich nicht zuletzt durch eine missbräuchliche „Fürsorge“ gegenüber dem Kind
realisiert.
Behandlung
Das „klassische“ Motivationsproblem
Der perverse Patient hat oft keinen Leidensdruck. Die von ihm kreierte Sexualität schützt ihn vor Ängsten
und anderen Leiden. Sie ersetzt ihm das „gute“ Objekt, das er psychisch nicht repräsentiert und vielleicht
tatsächlich nie erlebt hat.
Bei neurotischer Struktur oder benign-narzisstischer Störung kommen solche Patienten oft wegen
Depressionen oder Angstzuständen in Behandlung, wenn die Perversion zu „versagen“ beginnt. Bei
Borderline-Struktur ohne delinquente Problematik kommen die Patienten oft unter dem Druck von
Partnern, Eltern oder Institutionen. Bei Borderline-Delinquenten besteht meist keine primäre eigene
Therapiemotivation. Es kommt zu Therapien im Zwangskontext, in denen konfrontativ eine sekundäre
Motivation hergestellt werden kann. Bei psychopathischen Sexualdelinquenten kann auch keine
sekundäre Motivation hergestellt werden
11
Bei psychotischer Persönlichkeitsorganisation geht es v.a. um die Stabilisierung und Festigung der
funktionalen und parallel dazu die Aufweichung und Abschwächung der dysfunktionalen
Abwehrstrategien, die zur Aufrechterhaltung der labilen Trieb-Abwehr-Balance verwendet werden.
Für die Behandlung der Perversion ergeben sich folgende Modifikationen:
Perversionen auf neurotischem Niveau funktionieren als Abwehr von ödipalen Ängsten durch Regression
auf prägenitale Entwicklungsstufen und Fetischbildung. Hier finden sich nur sexuell-perverse Symptome,
meist keine ich-syntonen, perversen Beziehungsmuster. Neurotische Perversionen zeigen neben der
Verdrängung als Hauptmechanismus auch abgespaltene Bereiche, die mit primitiven
Abwehrmechanismen funktionieren. Sexuell-perverse Symptome benützen immer den Mechanismus der
Sexualisierung zur Angstverleugnung.
Technisch sind daher die Spaltungsübertragung und die Verleugnung aktiv anzusprechen, zu
konfrontieren und zu deuten. Des Weiteren finden sich leichte Formen von perverser Übertragung, die
durch Deutung in eine Übertragungsneurose verwandelt werden können (siehe unten).
Rahmenbedingungen
Die unterschiedlichen Schwergrade der Borderline- und der narzisstischen Störungen erfordern schon
auf der Ebene der therapeutischen Rahmenbedingungen wesentliche Differenzierungen:
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Bei neurotischen Perversen wird sich die therapeutische Vereinbarung auf das beschränken, was auch
sonst in psychoanalytischen Therapien üblich ist: Zeit, Ort, Honorar, Urlaubs- und Absageregelung
sowie die Aufgaben von Patient und Therapeut.
Bei nicht-delinquenten Borderline-Perversen braucht man eine Therapievereinbarung über die
Kontrolle der Impulsivität (z.B. betreffend hochgradig risikoreichem Sexualverhalten) und andere
Gefährdungen des therapeutischen Settings
Bei ich-dystonen Borderline-Delinquenten braucht man Vorkehrungen oder Vereinbarungen gegen
das delinquente Ausagieren und das Gefährden der Therapie (z.B. Zusammenarbeit mit einem
Bewährungshelfer, Alkoholkontrollen u.ä.).
Bei ich-syntonen Borderline-Delinquenten braucht man stationäre Therapiebedingungen und
Vereinbarungen über die Thematisierung und Problematisierung der Delikte.
Mentalisierende Basistechniken
Delinquente Borderline-Patienten weisen fast immer ein extrem niederes Mentalisierungsniveau auf. Die
rasche Aktivierung der Angst- und Wutsysteme hebeln die ohnehin verminderte
Mentalisierungskompetenz aus. Dies erfordert eine Modifikation in den Basistechniken der
psychoanalytisch orientierten Behandlung, indem speziell die Förderung der Mentalisierung versucht
wird. Mentalisierung wird (nach den Prinzipien der mentalisierungsbasierten Therapie, vgl. Bateman &
Fonagy 2006) gefördert, wenn die Aktivierung des Angstsystems auf mäßigem Niveau gehalten wird: nie
ganz auf null, aber keinesfalls zu stark.
Wegen der extremen narzisstischen Vulnerabilität dieser Patienten kommt es – infolge affektiver
Überflutung – zu unvermeidlichen Kommunikations- und Mentalisierungsbrüchen. Der therapeutische
Fokus muss dann auf deren Erforschung und Reparatur gelegt werden. Eine große Rolle spielen dabei
krisentaugliche Schlagworte wie „Stop and stand!“, „Stop – listen – look!“, „Stop – rewind – explore!“
Man geht vom Offensichtlichen aus, auch vom Mimisch-gestischen, man deutet aber nicht Unbewusstes,
weil dies als aufdrängend erlebt wird. Neugier und alltagssprachliche Fragen des Therapeuten ermuntern
zum Weiterdenken, längere Schweigephasen machen hingegen Angst. Der Therapeut kann in manchen
Situationen zur Orientierung selektiv seine Gegenübertragung mitteilen.
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Estela Welldon (1988) hat sich aus psychoanalytischer Sicht als erste tiefergehend mit der Frage der
weiblichen Perversion beschäftigt. Weibliche Perversion sei keineswegs nur „Beziehungsperversion“,
sondern auch körperlich und sexuell. Gerade letzteres war damals nicht selbstverständlich, nachdem
Luise Kaplan (1991) alle körperlichen Symptome zur weiblichen Perversion gezählt hatte.
Welldon‘s Hauptthese ist kurzgesagt: Weibliche perverse Externalisierung und Fetischisierung beziehen
sich entweder auf den ganzen eigenen Körper, oder auf den Uterus oder auf das Kind. Es gehe um eine
Spaltung zwischen der genitalen Sexualität und etwas, das nur den Anschein von Sexualität habe, aber
prägenitalen, aggressiven Zielen diene. Sie greift auch Stollers These auf, der zufolge Perversion eine
Umkehrung eines infantilen Traumas (in Gestalt von Racheimpulsen) sei. Der Unterschied zum Mann
bestehe v.a. darin, dass Männer ihre perversen Phantasien zumeist mit äußeren Partialobjekten, die zu
anderen Personen gehörten (also interpersonell) inszenierten. Frauen verwendeten häufiger ihren
eigenen Körper als Bühne ihrer perversen Phantasien, wobei das eigene Kind mitunter wie ein eigener
Körperteil behandelt wird. Das „Kriterium des Körpers“ gelte jedenfalls für beide Geschlechter, das
„Orgasmuskriterium“ treffe hingegen v.a. bei männlichen Perversionen zu.
Es können hier nur die Themen aufgezählt werden, die – nach Welldon – bei der perversen Verwendung
des mütterlichen bzw. des kindlichen Körpers eine Rolle spielen: Pervertierung des Uterus, Prostitution
als Perversion, Anorexie & Bulimie, Selbstverstümmelung, perverse Schönheitschirurgie, perverse
Mütterlichkeit, die sich nicht zuletzt durch eine missbräuchliche „Fürsorge“ gegenüber dem Kind
realisiert.
Behandlung
Das „klassische“ Motivationsproblem
Der perverse Patient hat oft keinen Leidensdruck. Die von ihm kreierte Sexualität schützt ihn vor Ängsten
und anderen Leiden. Sie ersetzt ihm das „gute“ Objekt, das er psychisch nicht repräsentiert und vielleicht
tatsächlich nie erlebt hat.
Bei neurotischer Struktur oder benign-narzisstischer Störung kommen solche Patienten oft wegen
Depressionen oder Angstzuständen in Behandlung, wenn die Perversion zu „versagen“ beginnt. Bei
Borderline-Struktur ohne delinquente Problematik kommen die Patienten oft unter dem Druck von
Partnern, Eltern oder Institutionen. Bei Borderline-Delinquenten besteht meist keine primäre eigene
Therapiemotivation. Es kommt zu Therapien im Zwangskontext, in denen konfrontativ eine sekundäre
Motivation hergestellt werden kann. Bei psychopathischen Sexualdelinquenten kann auch keine
sekundäre Motivation hergestellt werden
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perverse Übertragung und impliziere eine massive Kontrolle des anderen. „Jede Geste des Analytikers,
die seine Unabhängigkeit anzeigt, (wird) als traumatisch empfunden“ (Khan 1979, 18).
Thomas Ogden (1996) widmete seine Aufmerksamkeit der Gegenübertragungsverstrickung, die seiner
Meinung nach bei der Behandlung von Perversen unvermeidlich sei. Therapeut und Patient inszenierten
gemeinsam ein perverses Subjekt der Analyse, dessen zentrale Funktion die Verhinderung des Erkennens
der Leblosigkeit des Subjektes wie auch der Leere des analytischen Diskurses sei, den es inszeniert.
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