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Ill. Wissenschaft und Pseudowissenschaft:~ 1.KatlR, Popper, Wissenschaft: Vermutungen und Widerlepungen (a963). Sir Kal Reimund Popper egoa-agg4) war ein Gsterechischer Philosoph. Nach der Emigration zuerst nach Neuseéland und dann nach Bagland wurde er Professor ander London School, ‘of Economics: Die britische ‘Kénigin’schlug thn spiter-zum Ritter, Er gilt als einer der wichtigéten Wissenichaftsphiloso- phen des:20: Jahrhunderts. Entscheidenden Einfluss-auf Pop- pets philosophisches Denken hatte-der Wiener Kreis: Da Pop- per-dem:von: Moritz Schlick-vereetenen Positivisms gegen- ‘aber ablehnend eingestélle war, wurde er von Schlickjedoch nie eingeladen, Mitglied des Kreises awerden: lInvseinem Hatiptwerk:Logik-der Forschung (1934); das als nes der kassischent Werke der Wissenschaftstheorie gilt kriti+ siert-er die Grundthesen des logischen Positivismus, unter anderem die Auffassung,. dass sprachliche Bedeutung ‘nichts anderes als:empirische: Uberpriifung.sei-In einen spiceren Vortrag sWissenschiaft:. Vermutungen und: Widerlegungenc (4953) erlatwere Popper riickblickend, dass esthmum dieFrage ging, was eine Theorie zu einer wissenschaftlichen Theorie ‘macht und damit von einer Pseudowissenschaft unterscheidet. Dies bezeichnete‘er spiter‘als sAbgrenzungsprobleme. Seine ‘LOsung dieses Problems lantet, dass das Kriteriuim der Wissen- schafilichkeit die Falsifizierbarkeit ist; d.h. die Méglichkeit, durch ein Ereignis widerlegt zu werden. Kann cine Theorie durch kein denkbares Ereignis widerlegt werden, so ist die ‘Theotie nicht wissenschafilich. Popper wendet das Kriterium ‘unteranderem auf Einsteins Gravitationstheorie = diese erfil- Je das Kriterium ~ sowie auf die Astrologie, den Marxismus 1und die psychoanalytische Theorie an — die ersten beiden er- 188 Wissenschaftund Peeudowissenschafe | i fillten ‘das -Kriterium:nicht, weil sie die Falsifikation ihrer ‘Theorie damit umgingen, dass sie thre Formulierung der Pro~ fgnosen so vage machten, dass sie unwiderlegbar wurden, die letzte erflle das Kriterium nicht, weil sie von Anfang an un- ‘widerlegbar.sei, da sich kein’ menschliches Verhalten-denken lieBe,dasihnen widerspricht. 3 ‘Karl R.-Ropper: Vermutungen und Widerlegungen. Das Wachstuin der ‘wiesenschaftichen Ekenntnis, Teilbd.; Vermutunigen.2. Aufl. Tubine gon: Mohr Siebeck, 2009: 8. 48-57.~ © Mit Genehmigung von Karl- Popper-Copyright-Office, Klagenfurt 1 ‘Als ich die Liste der Tellnehmer dieses Kurses zugesandt be- kam und daraus entnahm; daf ich vor Philosophen sptechen soll; kamich nach einigem Zogern-zu demSchlu;da Sie von mir wohl am liebsten etwas dber die Probleme héren wollen, ‘die mich withrend-meines Lebens'am-meisten interessiert ha ben, und diber jene philosophischen Entwicklungen, die ich am besten kenne: Ichentschlo8 mich daher, etwas zu tun, was {ch bisher noch:nie getan hatte, nimilich: hnen einen Bericht ‘ther meine-Arbeit auf dem Gebiet der Wissenschafislehre zu ‘geben, und zwar vom: Herbst des Jahres 919.an.Das Problem, ‘mit dem. ich. mich’ damals -herumuschlagen: begantn, war: ‘Wann sollte man eine Theorie als wissenschaftlich betrachten2: Oder: Gibtes ein Kriterium, das uns erlaubt, zu entscheiden, ob einer Theorie Wissenschaftscharakter zukommt oder nicht?« Das-Problem, das mich damals. beunruhigte, war weder: :Wann ist eine Theorie wahr2« noch: Wann kénnen.wir eine ‘Theorie akzepticren?: Fir mich ging es um ein ganz, andéres Problem: Ich wollte imstande sein, zwischen Wissenschaft und Popper, Vermutungen tind Widerlogungen’ 189 ‘Scheinwissenschaft cu untericheiden. Dabet war igh mir durch- aus im Klaren‘dartiber, daf die Wissenschaft oft ir und daft cine ‘Scheinwissenschaft gelegentlch auch auf die Wahrhelt stoRen kann. -fch kannte natilich dic am weitedeen verbreitete Antwort auf meine Frage: die Ansicht, daf ‘die Wissenschaft sich von der Scheinwissenschaft — oder auch von der »Metaphysik« ~ durch die empirische Methodeuniterscheidet und diese wesent- lich induktivist, das heift; da sie von Beobachtunig und Expe- iment ausgeht: Aber diese Antwort befriedigte mich nicht. Im Gegenteil, ich formulierte mein Problem oft folgendermafen: ‘Wie kann. man eine echte empirische Methode von einer nichtempirischen oder sogar von einer scheinbar empirischen Methode unterscheiden ~ das hei, von einer Methode, die sich zwar auf Beobachtung und Experiment berufe, aber den- noch nicht den’ Anspriichen gentige,‘dié an die naturwissen schaftliche Methode Zu stellen sind? in Beispiel einer solchen. scheinbir empirischen Methode‘inden wir etwa in der Astro- Jogie mivihrer erstauilichen Anhaufung empirischen Beweis- materials, das sichauf Beobachtungen stitzt ~ auf den Ver- gleich vou'Horoskopen und Biographien. © Es war aber nicht das Beispiel der-Astrologie, das mich zu ‘einem Problem fihrte. Ich sollte Thnemhiervielleche cin we- nig iber die Atmosphiire berichten, in der mein Problem enz- stand; "und fiber die Beispiele, durch die ich angerege wurde: Nach dem Zusammenbruch ‘der ‘Ssterteichisch-ungarischen Monatchie-war‘es:in Osterreich zu eiier Revolution gekom- ‘men, und die Luft schwirre von revolutionaren Schlagwir- tern uid Ideen; von neuen und oftmals abenteterlichen Theo= tien: Unterden Theorien; die mich damals interessierten, war Binsteins:Relativititstheorie:2veifellos’die wichtigste Drei andere waren: Marx’ Geschichtsauffasstiig; Freuds Psychoana- lyse und Alfred Adlers sogenannte Individualpsychologie. 10 Wisvensthafé nd Poeudowissenéchaft NARs Sette Uber alle diese’Theorien wurde sehrviel populirer Unsinn geredet=vor-allem ber die’ Relativititstheorie (was sogar hheute-noch vorkommt). Ich hatte Glick, einen kompetenten Freund zu finden, dermich in das Studium dieser Theorie ein- free [...]. Die Mitglieder'des kleinen Kreises1von Studenten, detrvich damals angehorte, waren fesziniert vorn Resultat dér Beobachtungen: Eddingtons’anla@lich der Sonnenfinsternis vor 29..Mai 1919, die dieerste gewichtige Bewahrungder Ein- steinschen Relativitatstheorie brachten. Es war ein-groes Er- Jebnis, das aufmeine geistige Entwickiung einen enischeiden- den Einflug hatte, Die drei anderen Theorien;‘die ich erwahnt habe, wiirden damals unter Studenten ebenfalls eifrig diskutiert. Ich selbst kam zufilligin personlichen Kontakt mit Alfred Adlerund war cine Zeitlang sein Mitarbeiter in einer det Beratungsstellen fir Kinder und Jugendliche, die erin den Arbeitervierteln Wiens ceingerichtet hatte. Im Sommer 1919 war ich immer mehr unbefriedigt von die sen drei Theorien ~ der marxistischen Geschichtstheorie, der Paychoanalyse und der Individualpsychologie; und ich begann ihren Anspruch auf Wissenschafilichkeit anzuziveifeln. An- fangs stellte ich mir wobl die folgende Frage: Was istes denn, ‘was mit den drei Theorien nicht in Ordnung ist, dem Marxis- ‘mus, der Psychoanalyse-und der Individualpsychologie? Was ‘macht sie denn so verschieden von einer physikalischen Theo- ie, wie etwa der Newtonischen Theorie oder der Einstein- schen Relativitatstheorie? ‘Um diese Verschiedenbeit aru machen; sollte ich her ex wahnen, da nur wenige von uns damals gesagchaben wiir- den, sic glaubten an-die Wahrheit der Einsteinschen Gravita- tionstheorie. Was mich beunruhigte; war also offenbar nicht die Frage; ob jene drei anderen Theorien wahr selen, sondern etwas anderes. Es war aber auch nicht die Tatsache; daimir die Popper, Vermurungenund Widerlegungen 191 smathemnatische:Phyjsik so viel exakter erschien als soziologi- sche ‘und: psychologische Theorien. Was: mich -beunruhigte, ‘war also.weder das Problem der Wahrheit ~ wenigstens:nicht zu jenemeltpunkt ~ noch das-Problem der-Exaktheit-oder vielleicht der MeSbarkeit: Es warieher das Geftihl, daf. diese diejatideren Theorien, obwobl sie vorgaben, wissenschafilich ‘zusein, in Witklichkeit mehr mit primitiven Mythen gemiein= sam hatten als miter Naturwissenschaft, da sie der Astrolo- gienthérstandenals derAstronomie:'. > Ich find daft dieenigea meiner Siesade; die ewundesee von Marx, Freud oder Adler waren, von gewissen Eigensthaf- ten dieser Theorien beeindrtickt- waren, dic allen dreien:ge- smeinsam waren, Vor allem voridem, wasihnen als dre groBe Erklérungskrafterschien. Denn diese Theorien schiewien fahig zr sein, alles 2w etkliten; was in-thren Ahwendungsbereich ‘id: Thr Stadium schien einen faszitierenden Effekt7u haben, den einer inteliektuellen Bekehrung oder Offenbarung: Es gin- gen Dir einfach die: Augeriauf ir tine neue Wahrheit, dieden Uneingeweihten ‘verborgen: war: Und wenn: Dir.efrmal die ‘Augen gedffinet wareh, Garin konntest Duiauch tiberall bestiti- geride:Beispiele-finden. Die Welt war abervoll. von Verifika- tionén det Theérie: Was immer sich erejgnete, war eine Besti- tigung fiir sie: So schie‘thre Wahrheit offenbar zu'sein, und dio; die niche daran-glaubten, waten sicher nur Leute; die die offenbare Wahitheit nichpschen wolltén, sei es, weil sie gegen idur-Klasseninteresse- wan; sei'es, weilsie tunanalysiertot-Ver- dringimgen hatten, die ersteiné Behandlung brauchtem: ‘Als das’ charakteriétischste. Element in dieser Situation er- schien: mir der unaufhérliche Strom-yon Bestitigungen;:von ‘Becbachtungen; die die betreffenden Theorien.werifizierteni; ‘und das war auch der Punk, deriminierwieder-von ihren An- Jhangem betont wurde.;Bin-Marsist: war nicht imstande; eine ‘Zeitung aufzuschlagen; ohne auf jeder Seite seine Geschiches- gt Wissenichaftund Paeudowissenschaft; auffassung bestitigt zu: finden: nicht nur in den Nachrichten selbst, sondern auch in.der Form, in der sie geboten wurden — denn beide verrieten den Klassenstandpunkt desBlatres ~ und natirlich ganz besoniders in'dem, was die Zeitung nicht brach- ‘te. Psychoanalytiker. der: Schule-Fretids:betonten, da ihre ‘Theorien stindig durch ihre sklinischen Becbachtungen« veri- fiziert wurden. Und was-Adler anbelangt, s0:hatte ich-selbst cin Erlebnis, das aufmich groen Eindruck machte. Ich berich- tete thm damals; im Jahre 1919, ber einen Fall in-der Bera~ -tungsstelle, der mir nicht sehr yadlerianisch« vorkam. Br aber hhatte' nicht die-geringste Schwierigkeit, ihn im.Sinne seitier ‘Theorie-ls einen Fall;von Minderwertigkeitsgeftiblen-zu dia- sgnostizieren, obwohl.er das Kind nicht einmal gesehen hatte. Ich war-dariiber etwas schockiert‘und fragte ihn, was:ihn zt dieser Analyse berechtigte. »Meine vieltausendfiltige.Erfah- ‘ings, war seine Antwort; worauf ich mich nicht enthalten kkonnte 7u erwidern: »Und mit diesem Fall ist thre‘Exfabrung jetzteine vieltnusend-und-einfaltige!« “Was. ich meinte, war, da seine tausenden-von friiheren Beobachtungen.vielleicht:nicht besser fundiert waren als:die neve, da jede von hnen im Lichte sfrtherer Erfahrangsinter- pretiert-wurde und gleichzeitig als eine neue Bestitigung ge- able wurde, Aber was, so fragte ich mich, wurde damit be: stitigt? Nicht mehr als die Tatsache, da ein Fall im Sinne der ‘Theorie gedeutet werden konnte. Das aberbedeutet sehr wenig, ‘sodachte ich, den jeder-nurdenkbare Fall konnte ja im:Sinne von Adlers Theorie gédeutet werden; aber auch ebensogut im ‘inne von Frends Theorie: Ich méchte dies an zwei sehr unter schiedlichen Beispielen menschlichen Verhaltens illustrieren, Stellen Sie'sichi einen Mann vor, der ein Kind ins Wasser st6Rt in der Absicht, es zu ertranken, tund'einen anderen, der sein: Leben. opfert,-um das Kind 2u retten. Beide Falle kann ‘man gleich gut im Sinne der Psychoanalyse und der Individual Popper; Vermutungen und Widerlegungedt 193, ‘psychologic exilaren.. Nach der Freiidschen Lehre leider der erste Mann an einer Verdringung (etwa der einer Komponente seines Odipuskomplexes), wihrend der zweite zu einer Subli- mierung gelangtist. Nach-AGdlers Theorie leidet der erste Mann an Minderwertigheitsgefiiilen (die ihn vielleiche dazw zwin- gen, sich zu beweisen, da er es wagt, ein Verbrechen zu bege- hen), und der zweite leidet in derselben Weise (aber er mu sich beweisen, da er es wagt; das Kind zu retten); Ich konnte sir keiry menschliches:Verhalten ausdenken, das man nicht durch-beide Theorien ‘interpretieren konnte, Es war:gerade diese Tatsache = daft die Theorien immer paSten, da sie im- ‘met bestitigt wurden ~ die in den. Augen ihrer Bewunderers6 sehr fir sie sprach-und die sie fir ihre gréte'Starke hielten, Mir dammerte, dafé diese scheinbare Stirke in Wirklichkeit die Schwache dieser'Theorien war: Imm alle on Einsteins Theorie war allerganz anders, undich empfand das dls ein schlagendes Argumient..Nehmen wir etwa Einsteins Voraussage, die damals durch die Resultate von Ed- dingtons Expedition bestitige worden war, Einsteins Gravita- ‘ionstheorie ergibt, daB das Licht von schweren Kérpern (etwa so'schiwer wie die Sonne) angezogen wird, genau wie in ma- teileller Kérper. Daraus kann gefolgert werden, da ein weit entfernter Fixstern, wenn seine Position am Himmelmahe der Sonneist, etwas weiter von-der Sonne erscheinen mu, als er- wartet werden miiSte, went sein Liche nicht von der Sonne angezogen wird; mit anderen Worten: ein Stern nahe der Son ne sieht aus, als ob er sich etwas von det Sonne-entfernit hitte, ‘und melirere Sterne scheinen sichivon der Sonne ~ und daher voneinander ~ wegbewegt zu haben. Gewdhnlich kann man diesen Effekt nicht beobachten, well der alles tiberstrahlende Glanz der Sonne diese’Sterne/am Tag unsichtbar macht. Aber wwahrend einer Sonnenfinsternis kann man sie photographie- sen, und wenn man dasselbe Sternbild auch in der Nacht (sechs 194 Wissenschaft tnd Peeudowissenschaft Monate spiter oder frther) photographiert, so kann man-die Abscinde af den beiden Bilder vergleichen und so die Vor aus n. Warn neem Fil indrstvol ii Ris, das mit einer Vorhersage dieser Art verbunden ist.Denn sollte die Beobachtung zeigen, da der vorhergesagee Effele dber- hhaupt nicht vorhanden ist, dann ist die Theorie einfach wider- lege. Die Theorie ist also unvereinbar mit gewissen méglichen Beobsichtungsergebnissen — und zwar mit Ergebnissen, die vor Einstein allgemein erwartet wurden’. Eine solche Situation ist grundverschieden von der;‘die ich oben beschrieben habe fiir die drei Theorien von Marx, Freud und Adler, denn diese The- orien* waren mit allen nur méglichen Formen menschlichen ‘Verhaltens vereinbar, so daf es praktisch unméglich war, ein. menschliches Verhalten zu beschreiben; das nicht als eine Ve~ rifikation dieser Theorien in’ Anspruch genommen werden ‘konnte. Diese Uberlegungen fulhrten mich im Winter 1919/20 zu SchluGfolgerungen, die ich jetzt etwa folgendermaen formu- lieren méchte: (0) lr fast jede Theorie kann man leicht Besitigungen oder \Verifikationen finden; némlich dann, wenn man nach Bestiti- gungen'sucht. 1-Das ist enwas vereinfacht: Tetsichlich kann ungefthr die Hilfe des -Einstein-Effekes ans der Klassischen Physik abgeleiter werden, falls ‘wir eine ballistische Theorie des Lichts annehmen 2 (Zusate 1974) Der Fall des Marcismus it ewes kompliziercer. In ih zor urspringlichen Form (z.B. als Prophevie der zanehmenden Ver- deridung des Proletariats und der Proletrisierung der Bourgeois) ‘war die Theorie nichr nur filsifizierba, sondern falsifiziére. Aber dana warden Modifikationen eingeflhr, die die Theorie gegen Fal: siffkario immunisierten‘Siehe auch Pune (7 in det ier folgenden! iste... Popper, Vermurungen und Widetlegungen 195 ~(2) Deshalb sollten Bestitigungen nur dann ernst-genom- men werden, wenn sie das Resultatiskanter Vorhersagen sind, das heiGt dann, wenn wir ohne Kenntnis der.bereffenden ‘Theorie ein Freignis erwartet hitten, dae mit der Theorie un- vvereinbar ist: ein Erelgnis also, dessen Eintreffen die Theorie widerlegen wirde.. (3) Jede.rgute:-wissenschaftliche Theorie ist ein Verbot; sie -verbievetdas Eintreten gewisser Ereignisse.Je mebreine Theo- rie verbietet, destorbessercist sien: 2. (4) Eine Theorie, die durch kein denkbares Ereignis wider: legt werden kann, ist unwissenschaftlich.-Unwiderlegbarkeit istnicht, wie oftangenommen wird, eine Stirke einer Theorie, sondem eine Schwiche. ()Jede echee Uberprfiung einer Theorie ist in Versuch, se 20 -fasifizieren, zu, widerlegen. Priifbarkceit ist Falsfizierbar- eit, aberes gibt Grade der Prifbatkeit:, Manche Theorien sind prlifbarer, mehr der Widerlegung ausgesetz, als andere; sie laufen sozusagen ein héheres Risiko. " (6) Bestitigende Beobachtungen sollten:mur, dann zen; ‘wenn.sie das Resultat echter Uberpriifungen der Theorie sind; as hei, wenn man sie als ernstgemeinte, aber miGeltickte ‘Widerlegungsversuche ansehen kann. (In solchen Fallen spre che ich von.)Bewahrungy, bewahrenden Beobachtungen oder »bewahrenden Fallen.) (9) Manche-Theotien, die einer echten:Uberprifung zi ginglich sind; werden, selbstnachdena'sie widerlégt sind, von shren Anhingern weiter aufrechterhaltety-zum Beispiel durch ad hoc [ats dem Momebt} Einflhrung irgendwelcher Hilfsan- nahnien oder durch eine ad hoc unternommene Umdeutung det Theorie, die sie det Widerlegung enteieht. Ein solches Vor- gehen ist immer méglich, aber der Preis fiir die Aufrechterhal- tung der Theorie ist der Verlust oder doch wenigstens die Her- absetaung ihres Wissenschaftscharakters (ich habe eine solche 196 Wissenschaft und Pseudowissenschaft Reteurigsaktion’ spiter‘alseine konventionalistische ‘Wert dungtbezeichnet; Hans Albert nennt sie, besser, einen simmu- nisierungsversuch). ‘Man kann all das kurz dahingshend zusammenfassen, da das Kriterium der Wissenschafitichkeit einer Theorie thre Falsi- _fuzierbarkeitist,thre Widerlegbarkeit thre Uberprisfoarkeit. 0 Diese Probleme’ koniite-ich vielleicht anhand der schon er- wahnten Theorien klarmachen. Einsteins Gravitationstheorie erfalltzweifellos das Kriterium der Falsfizierbarkeit. Obwobl die damialigen Meinstrumente uns nicht gestatteten, die Er- gebnisse der Priifungen als véllig befriedigend anzusehen; be- stand jedenfalls die Moglichkeit, die Theorie zu widerlegen. Die Astrologie bestind die Probe nicht: Die Astrologen wat ren durch das, was sie fitr empirische Bestitigungen hielten, derare beeindruckt und irregefithrt, dag sie widersprechende ‘Tatsachen gar nicht zur Kenntnis nahmen. Indem sie sich in shen Interpretationen und Vorhersagen hinreichend vage aus- drtickten, konnten sie immer alles wegerklirén, was thre Theo- rie:-widerlegt bitte, wenn: Theorie und.Prophezefungen be- stimmter gewesen wiren. Um der Falsifikation zu entgehen, zetstéreen sie die Priifbarkeit thret Theorie, Es ist'ziemli typisch fir Wabrsager, die Dinge so im Vagen zu halten, da ihre Voraussagen kauum feblgehen konnien: sie werden unwi- derlegbar. ‘Was den Marxismus betrifft, so verfiel er trotz der ernsten “Bemihungen mancher seiner Begriinder. und .Verfechter schlieSlich auf solche Wahtsagermethoden. Einige seiner Vor- hersagen (zum Beispiel Marx’ Analyse des Charakers der be vorstehenden sozialen Revolution) waren in ihrer urspriingl Popyier, Vermutungen'und Widerlegungen 197 chen Formulierung tiberpriifbar und wurden auch tatsichlich falsifiziert Aber anstatt die Widerlegungen zu akzeptieren, schriteen die Anhinger von Marx zu einer Uminterpretation sowohl der Theorie als auch der Tatsachen, tim beide in Uber- cinstimmung zw bringen. Auf diese: Weise rerteten sie zwar ihre Theorie vor der Widerlegung, aber auf Kosten ihrer Wi- derlegbarkeit. Auf diese Weise gaben sie ihrer Theorie eine dkonventionalistische Wendungs; und sie vernichteten durch diesen Schachzug ihren so oft proklamierten Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Bei den beiden psychoanalytischen Theorien lag die Sache anders. Sie waren. einfach unpriifbar bzw. unwiderlegbar. Es it sich eben keisi menschliches Verhalten denken, das ihnen ‘widerspricht, Damit soll nicht gesagt sein, da Freud und Ad- ler nicht gewisse'Dinge richtig gesehen haben. Ich personlich weifle nichedaren, daG vieles von dem, wassie sagen, von be- ‘tichtlicher Bedeutung ist, und es mag durchaus eines Tages in ciner wwissenschaftlichen ~ das heiftt prifbaren ~ Psychologie seine Rolle spielen: Aber die sklinischen Beobachtungeny die, wie die Analytiker naiverweise glauben, ihre Theorien best tigen,sind dazu ebenso ungeeignet wie die bestitigenden Be- obachtungen, auf die die Astrologen in ihrer Praxis tiglich stoSen‘. Freuds Epos vor ich, Uber-Ich und Bs kann kaum 3 Siehe beispicloweise. meine Offene Geselchaft, Kapitel 15, Ab- schnie 10 [J 44 Klinische Beobachtungen sind, genau wie alle anderen Beobachin- ‘gen, Interpretationen im Lichte von Theor‘en (Schon aus dieser Grund haben se eine gewisse Tendenz, die Theorien zu stitzen, in deren Licht sie interpretiert wurden. Aber fir eine échte Seiczung ‘von Theorie brauchen wir Beobachtungen, die eigens zu threr Pr ‘un angestellewrarden (also als Widerlegungsversucie). Daf miis- sen von vormberein Kriterion der Widérleging aufgestelle werden: ‘Man muf sich dariber einigen, welche beobachtbaren Situationen, 198 Wissenschaft und Pseudowissenschaft ‘mebr Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben als Homers. Sammlung von olympischen Skandalgeschichten. Als Theo- ls Wideslegungen der Theorie ai betrachen sind, false gli, se vwitlich herbeizufuhren und zu beobachten. Aber welche Art Klin scher Realsionen wide, in einer fir Analytker therzeugenden ‘Weise, niche nur eine bestimmte psychosnalysisthe Diagnose, son- dem das ganze Lehrgebiude der Peychoanalyse widerlegen? Und swuiden solche Kriteren von Analykern je verenbart oder auch mur erwogen® ei velch sé ie ane Grappa von tischen Regrifien, wie erwa der Begriff der Ambivalenz, die Ein aang auf solche Kriterien sehr erschweren, wenn nicht Gberhaupt ‘unmbglich machen (wom ich durchaus nicht sagen wil, da’ es *Ambivalenar niche ibe)? Wie ste es berdies um die Erforschung der Frage, ob und wieweit de (bewuSten oder unbeaten) Eewar- tungen und Theorien des Analyeikers die slinischen Reaktinien des Patienten beeinflussen ~-von beabsichtigten Beeinflussungsver- suchendurch Deueangsvorschlige ec. garnichtzureden? Vor Jahren Ibeich den Ausdruck Oedipuseffeke eingefdhrt, um den Binflu seiner Theorie, rwarrung oder Vorkirsage auf das vorhergesagte oder Deschriebene Breigns 2a kennavichnen: Es ist ja bekannt, da die ‘zusalkette, die zu Oedipus’ Varermord fulhrte, von der Voreussage dieses Ereignsees durch das Orakel ihren Ausging nak, Das ist ein ‘charakteristisches und immer wiedeskehrendes Thema solcher My- ‘then, das aber, wie es scheint, bei Analytikern vielleicht niche ganz ‘gafilig- chet vermieden wird: (FREUD diskutiert das Problem von. efile des aetna den Winichen de ys ers engegenkommen, unter anderem in: Gesammelte Schriften, Bat (1925), wo es auf S.514 beiGt:sWill also jemand behaupten, daG-die meisten der in der Analyse verwertbaren Tréume Gefilig- letastume dd und dx Suge he Esthng vedic, (-h. der Suggestion von seen des Analytkers s0 ist vor Stand Fas dr stysten Ther nt dgege Cente Ich ‘bnuche dann nur noch auf meine Worlesungen zur Einfolbrangs 2a verweisent, setzt er erstaunlichérweise hinzi, vin denen dargetan, ‘wird, wie wénig die Anerkennung der Suggestionswiskung in unse- ‘rem Sinne die Zuverassigheit unserer Resultateschidigt<) Popper, Vermutungen nd Widerlegungen 199 rien erldiren sie’ einige‘ Tatsachen, aber‘nach Art und Weise Yon Mythen. Sie enthalten hochinteressante Gedankcn ter sychologische Probleme, aber leider nichtin prifbarer Form. Es war mir aber Klar, da derartige Mythen eine Entwick- Jung zur Priifbarkeit durchmachen kénnen, da&, historisch be- trachtet, alle oder:doch fast alle groen wissenschafdichen ‘Theorien aus-Mythen entstanden sind-und da Mythen Be- standteile-enthalten ‘kénnen; die wichtige 'wissenschafiiche ‘Theorien vorwegnehmen, Als Beispiél nenne ich Einpedokles" ‘Theoie der Evolution durch Versuch nd Irrtum oder den My- thos des Parmenides von einem unbeweglichen, erun- deren Weltblock, in dem sich nichts ereignet, der sich aber, ‘wenn. wir noch eine Dimension hinzufiigen, in Einsteins Block-Universum verwandelt (in-dem sich auch nie etwas er- cigner, da ja vierdimensional gesehen alles vom Urbeginn an ren:Beobachtungen in Widerspruch stehen konnen. Falls sol- che Fale dann wirklich vorkommen, werden die Theorien von fhnen falsifiziert - auf die Gezeiten abiiilehnen; und deine Vorbehalte Kepler gegentber (GnSalviatisdrtdetter Rede) sind zweifellos durch seine Ablehnung der Astrologie motiviert. Popper, Vermiutungen und Wideslegungen 201

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