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Antifaschistisches / Antimilitaristisches Aktionsbündnis

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Diese Broschüre bleibt bis zur Aushändigung Eigentum des Absenders/der Absenderin, „Zur-Habe-Nahme“
ist keine Aushändigung i.S.d. Vorbehalts. Nicht ausgehändigte Exemplare sind unter Angabe der Gründe der
Nichtaushändigung an die Absender_innen zurückzusenden.

V.i.S.d.P. Ernst Henning, Budapester Straße 31, 20359 Hamburg

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Editorial

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eutschland führt seit langem wieder Krieg. Die Bundes- Termine, bei denen ein entschlossener Widerstand gegen imperi-
wehr ist aktuell mit über 6.500 Soldaten weltweit an alistische Kriege und Besatzungen auf die Straße getragen werden
Kriegseinsätzen beteiligt. In Afghanistan, im Kosovo und muss.
vor der Küste Somalias setzt sie die Interessen des deutschen Kapi- Diese Broschüre ist das Ergebnis eines gemeinsamen Diskussi-
tals durch und sichert den Zugang zu Rohstoffen, Handelswegen onsprozesses und soll anlässlich der Mobilisierung gegen die SiKo
und Absatzmärkten. Die Rüstungsindustrie boomt und die BRD und die Mandatsverlängerung unsere inhaltlichen Grundlagen dar-
nimmt momentan den dritten Platz der weltweit größten Waffenex- stellen.
porteure ein. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass der Kampf Der erste Artikel „Kapitalismus ohne Krieg und Krise gibt’s
gegen Krieg und Militarisierung von zentraler Bedeutung ist. nicht mal bei Ebay“ geht auf die aktuelle Weltwirtschaftskrise ein
Der Antimilitarismus hat in den letzten Jahren innerhalb der und soll aufzeigen, warum der Kapitalismus zu Krisen und Kriegen
radikalen Linken wieder an Bedeutung gewonnen. Die internati- führt. Der folgende Artikel „Der Kapitalismus trägt den Krieg in
onale Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg 2009 sich wie die Wolke den Regen“ geht auf die aktuellen Kriegseinsätze
und die militanten Aktionen gegen Bundeswehrfahrzeuge haben von Bundeswehr und NATO und die vorgeblichen und tatsächli-
dazu beigetragen, dass der Kampf gegen Krieg und Aufrüstung chen Gründe für diese Kriege ein. Dabei werden auch die Rolle der
mehr Aufmerksamkeit und Präsenz bekommen hat. Um inhaltlich NATO, der Europäischen Union und die innerimperialistischen
und praktisch im Bereich Antimilitarismus aktiv zu werden, haben Widersprüche behandelt. Der letzte Artikel „Innere Aufrüstung
sich Anfang 2010 verschiedene revolutionäre Organisationen in- und Repression“ beschäftigt sich mit der Entwicklung der staatli-
nerhalb der BRD zusammengefunden. chen Aufrüstung in der BRD und ihren Hintergründen, sowie den
Bereits bei den Antifa-Aktionen gegen den Naziaufmarsch zum sich daraus ergebenden Folgen und notwendigen Herangehenswei-
Antikriegstag am 4. September 2010 in Dortmund haben wir mit sen für die revolutionäre Linke. Am Schluss der Broschüre wollen
einem gemeinsamen Aufruf (www.antimildortmund.blogsport.de) wir mit einem kurzen Selbstverständnis auf die Motivationen und
antimilitaristische Positionen in die Mobilisierung hineingetragen. Grundlagen unserer Vernetzung eingehen.
Anfang 2011 gibt es mit der geplanten Mandatsverlängerung des
Bundeswehreinsatzes in Afghanistan und der NATO-Sicherheits- Antifaschistisches / Antimilitaristisches Aktionsbündnis
konferenz (SiKo), die alljährlich in München stattfindet, zwei Januar 2011

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1: Kapitalismus ohne Krieg und Krise
gibt´s nicht mal bei Ebay

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ie weltweite Krise ist aus der öffentlichen Wahrnehmung der kapitalistischen Produktionsweise selbst zu suchen. Der Klasse
weitestgehend verschwunden. Gebetsmühlenartig wird der Kapitalisten steht die Klasse der Lohnabhängigen gegenüber,
eine neue Aufschwungphase beschworen und tatsächlich die über keine Produktionsmittel verfügt und zum Verkauf ihrer
deuten erste Zahlen in diese Richtung. Zwar sind einige Banken Arbeitskraft gezwungen ist. Die Produktion ist gesellschaftlich
und Unternehmen haarscharf am Bankrott vorbeigeschrammt oder organisiert und die ArbeiterInnen produzieren gemeinsam. Der
pleite gegangen, alles in allem scheint das kapitalistische System Kapitalist eignet sich die Profite, die durch den Verkauf der Wa-
aber wieder einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu ren erzielt werden, privat an. Sinn und Zweck der kapitalistischen
sein. Festzuhalten bleibt allerdings, dass sich die Weltwirtschaft Produktionsweise ist die Verwertung von Kapital mit einem größt-
zwischen 2007 und 2010 in der schwersten Krise seit den 1930er möglichen Profit. Die Krisen machen den Widerspruch zwischen
Jahren befand. Und ob die Krise wirklich vorbei ist oder wir un-
mittelbar vor einem erneuten Einbruch stehen, daran scheiden sich
die Geister. Die sozialen Folgen der Krise sind jedenfalls noch lange Krise KOnKret
nicht ausgestanden. Viele Unternehmen reagierten mit Kurzarbeit,
drastischen Lohnsenkungen und der Flexilibisierung von Arbeits- Beispielhaft für die Auswirkungen der Krise einer Branche auf
zeiten. Den meisten Staaten stehen umfangreiche „Sparmaßnah- die Gesamtwirtschaft ist die Automobilindustrie. In Nordameri-
men“ bevor, die einen weitreichenden Sozialkahlschlag bedeuten. ka gab es 2008 bis 2009 einen Rückgang der Aufträge um 25%,
Ganze Länder melden den Staatsbankrott an. gegenüber dem Jahr 2001 verzeichnete die Automobilprodukti-
In den bürgerlichen Medien wurden verschiedene Erklärungs- on einen Einbruch um fast 50%. In Westeuropa gab es zwischen
ansätze für die Krise präsentiert: Banker und Spekulanten hätten 2008 und Ende 2009 einen Auftragsrückgang von 20%. Nur Ost-
sich ihrer Risikolust hingegeben und seien für die Krise verant- europa konnte in der letzten Zeit deutlich zulegen: Die Produkti-
wortlich zu. „Explodierte Finanzblasen“ werden als Auslöser der on von Automobilen im ehemaligen Ostblock verdoppelte sich,
Krise ausgemacht. Um den „gierigen Managern“ beizukommmen, bleibt aber im Gesamtumfang irrelevant. Auch einige asiatische
müsste man Banken und Versicherungen mit Hilfe von Gesetzen Länder, besonders China, konnten ihre Produktion ausweiten.
und Vorgaben stärker regulieren. Staatsbankrotte, beispielsweise in Die Nachfrage nach kleinen und mittleren PKW sinkt, deren Pro-
Griechenland, wurden mitunter damit begründet, dass die Grie- duktion ca. 60% des Branchenumsatzes ausmacht. Auch die
chen „über ihre Verhältnisse gelebt“ hätten und nun ihre „gerechte Nutzfahrzeugproduktion brach 2009 um 59% ein (Inland: 31% /
Strafe“ bekämen. Die europäischen Regierungen seien gnädiger- Export 81%). Allein die Herstellung von Luxus-PKW läuft ver-
weise eingesprungen und hätten „Rettungspakete“ verabschiedet. gleichsweise gut. Der Einbruch ist der größte seit der Weltwirt-
Die Verklärung der Krise wurde von einer demagogischen Stim- schaftskrise von 1929. An der Autoindustrie hängt nahezu jeder
mungsmache begleitet. Dem Diskurs über „gierige Manager“ folg- Wirtschaftszweig. Die Chemische Industrie liefert den Lack, die
te die Debatte über angebliche „Hartz-IV-Betrüger“ oder „integ- Schwerindustrie die Karosserie, die Elektroindustrie die Elektrik
rationsverweigernde Migranten“, um von der Armutsentwicklung usw. Durch einen zurückgehenden Absatz von Autos machen
und den strukturellen Problemen abzulenken. die Autohersteller Verluste. Die Produktionen werden zurückge-
Die staatlichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung kommen schraubt und der gesunkenen Nachfrage angepasst. Bestellungen
bei genauerem Hinsehen natürlich nicht der Bevölkerung der be- bei den zuliefernden Industrien werden storniert. Auf die geringe
troffenen Länder zugute, sondern retten allein die Banken und Nachfrage reagieren die Zulieferer ebenfalls mit gedrosselter Pro-
Konzerne. Die Regierung erzählt uns, dass wir alle den Gürtel en- duktion. Wenn es keine Lieferungen gibt, haben auch die Logistik-
ger schnallen müssten. Tatsächlich soll die Hauptlast der Krise auf unternehmen leere Auftragsbücher.
die Schultern der ArbeiterInnen, Erwerbslosen und MigrantInnen
abgewälzt werden: Kopfpauschale, Kürzungen bei Elterngeld und Auch an der IT-Branche, die jährlich 3,4 Billionen Dollar umsetzt
Renten von Hartz-IV-EmpfängerInnen, Sozialkahlschlag in den (2008), ging die Krise nicht spurlos vorbei. Innerhalb der Branche
Kommunen usw. sind die „Lösungen“ der herrschenden Klasse. existieren die Segmente Hardware, Speichertechnik und Software.
Die Behauptung, dass Spekulanten und „gierige Manager“ schuld Allein die Speichertechnik, die als Kernbereich gilt, erlitt 2009 ei-
an der Krise seien, wie uns bürgerliche Medien und Politiker weis- nen Umsatzeinbruch von 40%. Die Branche insgesamt erlitt einen
machen wollen, greift zu kurz. Die Ursachen liegen viel tiefer. Umsatzrückgang von 4%. 2008 erhöhte Samsung die Produktion
um 50% und überschwemmte den Markt mit preiswerten Chips.
der KaPitaLismus ist die Krise Die Folge war, dass 2009 Chips im Wert von zehn Mrd. US-Dollar
in den Lagern lagen. Alle Chiphersteller machten 2009 Verluste
Obwohl der Ausbruch der Krise zunächst in der Finanzwelt sichtbar und die ersten gingen pleite (z. B. Quimonda aus Deutschland mit
wird und viele Menschen fälschlicherweise davon ausgehen, dass weltweit 12.000 Beschäftigten). (Zahlen nach: Winfried Wolf, Sie-
die Börsencrashs die Ursachen seien, sind die Gründe der Krise in ben Krisen – ein Crash, Wien: ProMedia 2009, Kap. 3, S. 42-62)

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gesellschaftlicher Produktion, die weltweit vernetzt und arbeitstei- des Kapitalismus nimmt der Anteil an Maschinen durch die vor-
lig organisiert ist, und der kapitalistischen Aneignung deutlich. anschreitende Technologisierung der Produktion einen immer grö-
Die Produktionsmittel der Kapitalisten bestehen aus zwei Tei- ßeren Umfang an. Es werden zur Produktion von immer größeren
len: zum einen aus den Maschinen, Rohstoffen und Gebäuden und Mengen an Waren immer weniger Arbeitskräfte benötigt. Doch nur
zum anderen aus den Arbeitskräften. Innerhalb der Entwicklung die Arbeitskräfte erzeugen Mehrwert. Daraus ergibt sich im Kapi-
talismus der tendenzielle Fall der Profitrate. Damit ist aber nicht
gemeint, dass die Profitrate linear sinkt, denn es gibt verschiedene
Krisenverlauf Faktoren, die ihrem Fall entgegenwirken. So versucht das Kapital
etwa, neue Absatzmärkte zu erobern oder die ArbeiterInnen stärker
Vereinfacht stellt sich der typische Krisenverlauf folgender- auszubeuten.
maßen dar: Krisen treten im Kapitalismus ungefähr alle sieben Jeder Kapitalist will seinen Marktanteil erhöhen, um seinen
bis zehn Jahre auf. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hat es min- Profit zu steigern. Ob eine entsprechende Nachfrage nach produ-
destens 25 Krisenzyklen gegeben. In der BRD gab es seit dem zierten Waren besteht, zeigt sich trotz vielfältiger Kalkulationen im
Zweiten Weltkrieg folgende Krisen, in denen das Wirtschafts- Vorfeld aber erst auf dem Markt. Das ist Spekulation. Um Markt-
wachstum einbrach: 1967, 1975, 1982, 1993, 2003 und die tiefe anteile und größtmögliche Profite tobt ein Konkurrenzkampf unter
Krise 2009. Ein Krisenzyklus durchläuft die Phasen Belebung, den verschiedenen Kapitalisten. Durch die Einführung neuer Ma-
Aufschwung, Krise und Rezession. In Zeiten des wirtschaftlichen schinen und Technologien versuchen sie, sich gegenseitig den Rang
Aufschwungs wird viel in den Bereich der Herstellung von Produk- abzulaufen. Der Zwang, immer mehr Profite zu erwirtschaften,
tionsmitteln investiert, da die Nachfrage nach Waren hoch ist. Die verursacht immer auch Produktionsmengen über das Wachstum
Produktionskapazität steigt an und ab einem gewissen Punkt wer- der Absatzmärkte hinaus. Die Unternehmen planen unabhängig
den Überkapazitäten erzeugt. Denn die zahlungskräftige Nachfra- voneinander und investieren ihr Kapital in profitversprechende Be-
ge wächst nicht im gleichen Maße wie die Produktion. reiche, ohne zu wissen, was die Konkurrenz tut. Bei den heutigen
Krisen handelt es sich daher um Überproduktionskrisen. Zudem
Wenn die Nachfrage einbricht, wird die Produktion zurückge- hat die Produktivität durch moderne Technik, Automatisierung
fahren, Lohnabhängige werden entlassen und einige Unterneh- und Mikroelektronik eine Stufe erreicht, die es erlaubt, die Pro-
men gehen pleite. Die Preise für Rohstoffe sinken. In der Krise wird duktion innerhalb kürzester Zeit extrem auszudehnen und unge-
somit massiv Kapital entwertet. Wenn der Markt durch die Krise heure Warenmengen zu produzieren. Der Kapitalismus stößt an
bereinigt wurde, kann ein neuer Zyklus mit einem neuerlichen seine Grenzen: Immer größere Mengen Kapital treffen auf begrenz-
Aufschwung beginnen. Die Nachfrage beginnt zu steigen, Investi- te Märkte, was den Kapitalismus nicht nur in zyklische sondern in
tionen in neue Maschinen werden getätigt und eine neue Runde eine strukturelle Krise bringt.
des kapitalistischen Irrsinns nimmt ihren Lauf. Wirtschaftskrisen gab es natürlich auch vor dem Kapitalismus.
Diese Krisen waren allerdings durch Mangel gekennzeichnet und
wurden häufig durch Naturkatastrophen (bspw. Dürre oder Über-
„Krisenbewältigung“ am Beispiel Griechenland flutung) ausgelöst. Anders als in vorkapitalistischen Gesellschaften
werden heutige Krisen jedoch nicht durch Mangel sondern durch
Wie die imperialistischen Großmächte versuchen, die Krisen- Überfluss verursacht. Dieser Überfluss bedeutet jedoch nicht, dass
folgen auf andere Länder abzuwälzen, lässt sich eindrucksvoll in alle Bedürfnisse der Menschen befriedigt sind, schließlich mangelt
Griechenland beobachten. Der Internationale Währungsfonds es ganzen Weltregionen an Nahrung, Wasser, Häusern und vielem
(IWF) und die Europäische Kommission arbeiteten eine umfang- mehr. Im Jahr 2009 hat die Zahl der Hungernden weltweit erst-
reiche „Strukturanpassung“ für Griechenland als Voraussetzung mals mehr als eine Milliarde betragen (Spiegel, 14.10.2009), jeden
für Staatskredite aus. Das von der aktuellen Krise in den Ruin ge- Tag sterben mehr als 100.000 Menschen an den Folgen des Hun-
triebene Land wurde, um den Staatsbankrott abzuwenden, vom gers. Auch in Deutschland werden bei weitem nicht alle Bedürf-
IWF unter Kontrolle gestellt. Die griechische Regierung unter- nisse der Menschen gedeckt. Jedes fünfte Kind muss von Hartz IV
zeichnete einen Knebelvertrag, der weitreichende Privatisierun- leben und es gibt ein wachsendes Heer von GeringverdienerInnen.
gen, Öffnung der Märkte und zahlreiche Entlassungen und soziale Was den Menschen allerdings zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
Einschnitte bei der lohnabhängigen Bevölkerung vorsah. Dafür fehlt, ist die Kaufkraft. Zehntausende Autos bleiben ohne Abneh-
erhielt sie einen Kredit über 80 Mrd. Euro von der Europäischen mer, riesige Warenmengen werden eingelagert oder vernichtet, weil
Zentralbank (EZB) und 30 Mrd. vom IWF. Hieran zeigt sich auch sie nur begrenzt haltbar sind oder um den Marktpreis konstant
die Rolle der Europäischen Union (EU). Während der gemeinsame zu halten. Denn Zweck der kapitalistischen Produktion ist nicht,
Wirtschafts- und Währungsraum den einzelnen Nationalstaaten die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, sondern maximalen
der EU zusätzliches politisches und ökonomisches Gewicht ver- Profit zu erzielen.
leiht, werden die Zwänge der globalen Konkurrenz sowie die Kri-
senfolgen nach wie vor nationalstaatlich verhandelt. Leben auf Pump

Der Staatsbankrott Griechenlands ist keinesfalls ein Sonderfall Der Zusammenbruch des Immobiliensektors in den USA wurde in
sondern nur der Beginn einer neuen Phase der Krise. Dem griechi- den Medien oftmals als Auslöser der Krise dargestellt. Zehntausen-
schen Staatsbankrott folgte Irland. Auch in Spanien und Portugal de Haushalte hatten Kredite für ihre Häuser aufgenommen, die sie
könnte es zu einer ähnlichen Entwicklung kommen. Die europäi- in Folge erhöhter Zinssätze sowie sinkendem Einkommen und stei-
schen Staaten haben ein Eigeninteresse daran, bankrotte Staaten genden Lebenshaltungskosten nicht zurückzahlen konnten. Statt
zu „retten“. Dies ist allein schon deshalb ökonomisch notwendig, im erhofften Eigenheim fanden sich viele Menschen obdachlos in
weil der Euro sonst abstürzen könnte. Zeltstädten wieder.

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Kredite sind ein besonders wichtiger Faktor, der heutzutage Selbst von Staaten werden ständig Kredite in Anspruch ge-
den typischen Krisenverlauf verzerrt. Kredite spielen in der Kri- nommen. Griechenland, z. B., hat unter anderem von deutschen
se auf dreifache Weise eine verschärfende und verstärkende Rolle. Finanzinstituten Kredite in Milliardenhöhe bekommen. Durch
Die Bedeutung der kreditfinanzierten Nachfrage hat in allen Berei- diese Schuldenaufnahme wurde die Nachfrage erhöht und die
chen – Staat, Privathaushalten und Unternehmen – zugenommen. deutsche Exportindustrie konnte ihre Absatzmärkte sichern. Die
Unternehmen produzieren seit rund hundert Jahren nicht mehr Verschuldung von Griechenland ist im Vergleich mit den USA
nur auf Grundlage ihres eigenen Kapitals, sondern zu immer grö- jedoch unbedeutend. Die USA haben ein riesiges Handelsdefizit
ßeren Anteilen mit Krediten. Ein Unternehmen nimmt z. B. für und Staatsschulden in Höhe von 13 Billionen Dollar. Durch diese
die Produktion von Autos einen Kredit bei einer Bank auf. Wenn umfangreiche, mittels Krediten erzeugte Nachfrage hatten die USA
die hergestellten Autos dann jedoch nicht verkauft werden kön- seit Jahren die Funktion, die weltweite Wirtschaftskonjunktur an-
nen, wird natürlich auch der Kredit nicht zurückgezahlt. Banken, zukurbeln, da sie die weltweite Überschussproduktion aufnahmen.
die ihr Geld von immer mehr Kapitalisten nicht zurückbekommen Durch die Kredite konnte die Überproduktionskrise hinausgezö-
und ohne die anfallenden Zinsen keine Profite machen, steuern auf gert, aber nicht verhindert werden.
den Bankrott zu.
Auch in den privaten Haushalten werden immer mehr Waren Garant der Herrschaft: Der bürgerliche Staat
mit Hilfe von Krediten gekauft. Waren zunächst nur Hypothe-
ken für Häuser üblich, ist es mittlerweile Normalität, auch Autos, Innerhalb des kapitalistischen Konkurrenzverhältnisses rettet jedes
Kühlschränke, Fernseher, Computer, Handys, Waschmaschinen Unternehmen für sich allein die Profite, indem es versucht, die
und unzählige Dinge mehr auf Pump zu kaufen. Mehr und mehr Produktion auszuweiten, den Arbeitstag zu verlängern, Kurzarbeit
sind die Menschen gezwungen, ihre heutigen Bedürfnisse mit Wa- oder Lohnsenkungen durchsetzen. Der Krisenkreislauf wird da-
ren zu decken, die sie erst in Zukunft bezahlen können. Kredite durch weiter angetrieben. Deshalb ist im Kapitalismus eine Instanz
verzögern den Absatzeinbruch in der Krise, weil auch Menschen, nötig, die trotz innerer Widersprüche das System am laufen hält.
die eigentlich pleite sind, weiterkaufen können und zumindest zeit- Zur Rettung des globalen Finanzmarktes und um die Zah-
weise die Nachfrage aufrecht erhalten. So wird der Krisenverlauf lungsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten, steuern die Staaten
verzerrt und verzögert. der Krise mit umfangreichen Regulationsprogrammen entgegen.

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Weltweit wurden über neun Billionen Dollar aufgebracht, um Krauss Maffei Wegmann, Industriewerke Saar und Rheinmetall,
Staatsbankrotte abzuwenden und die Gesamtwirtschaft anzukur- die für die Instandhaltung von Waffensystemen verantwortlich ist.
beln. Der Erfolg der staatlichen Antikrisenprogramme lässt sich Nicht zuletzt in Anbetracht der Krise sucht das Kapital im
allerdings nicht genau absehen. Zwar kommt es auf den Aktien-, Krieg einen Ausweg. Durch die massive militärische Produktion
Rohstoff- und Kapitalmärkten zu leichten Erholungen, das Ergeb- entstehen Unmengen an Waren, die regelmäßig vernichtet und
nis bleibt aber offen. Eine neuerliche Kriseninterventionen in die- anschließend neuproduziert werden – ein gut planbares und mil-
sem Maßstab werden sich die verschuldeten Staaten jedoch kaum liardenschweres Geschäft. Auf allen Kontinenten findet eine Auf-
leisten können, von den sozialen Folgen für ArbeiterInnen und Er- rüstung insbesondere der See- und Luftstreitkräfte statt, weil die
werbslose ganz zu schweigen. Staaten besonders Rohstoffstandorte und Handelswege militärisch
An der aktuellen Krisenpolitik lässt sich die Funktion der bür- sichern wollen. Die Krise bedeutet auch eine Verschiebung im
gerlichen Staaten gut erkennen. Zur Aufrechterhaltung der herr- Kräfteverhältnis der imperialistischen Mächte, was unausweichlich
schenden Ordnung braucht es gewisse Normen und Gesetze, die eine Verschärfung des Kampfes um Märkte und geostrategische Po-
durchgesetzt werden, um den globalen Konkurrenzkampf zu re- sitionen mit sich bringt.
geln. Der Staat schützt durch sein Gewaltmonopol die Macht- und
Eigentumsverhältnisse im Kapitalismus. Er setzt die Klassengesell- Die Ordnung der globalen Konkurrenz
schaft in Recht um, sichert die Eigentumstitel, garantiert die gegen-
seitige Anerkennung der Vertragspartner und schafft den Rahmen Nach dem Ende der Sowjetunion hat sich der kapitalistische Welt-
für den kapitalistischen Warenverkehr als Ganzes. Der Staat ist ein markt ausgedehnt und verfestigt. Die heutigen Kämpfe um die
Organ der Klassenherrschaft, ein Organ zur Unterdrückung der Neuaufteilung der Welt, um Einflusszonen, Absatzmärkte und
einen Klasse durch die andere, indem er das Privateigentum schützt Rohstoffe folgen weniger den alten Mustern von Expansion und
und die Besitzlosen zum Verkauf ihrer Arbeitskraft zwingt. Mittels Eroberung. Aber noch immer drücken die mächtigsten Industrie-
Recht und Gesetz sowie Militär und Polizei kontrolliert er, dass staaten faktisch kolonialisierte Länder in eine Abhängigkeit, belie-
sich alle an seine Regeln halten. Widerstand gegen die herrschende fern die dortigen Märkte und besetzen strategisch günstige Punkte.
Ordnung wird unterdrückt, so z. B. bei Arbeitskämpfen oder De- Die imperialistische Ausbeutung funktioniert nicht nur über Krieg
monstrationen. Die staatliche Repression wird derzeit besonders und Besatzung. Im Mittelpunkt steht die Ordnung der Handels-
sichtbar im Einsatz gegen revolutionäre Kräfte in Griechenland. bedingungen, einer kalkulierbaren Geschäftswelt, um die Art der
Und auch in Deutschland geht der Staat immer rigider gegen fort- Preisbildung und eine Handelswährung durchzusetzen. Über den
schrittliche und revolutionäre Kräfte vor. Abbau staatlicher Handels- und Investitionsbarrieren werden die
Wie der Staat eingreift, wenn das kapitalistische Gesamtinteres- verschiedenen Länder in den kapitalistischen Weltmarkt „inte-
se gefährdet ist, zeigen die milliardenschweren Rettungspakete für griert“, was die Verschärfung der globalen Konkurrenz zur Folge
Banken und Konzerne. In kürzester Zeit wurden Notfallkredite be- hat, denen die wenigsten Regionen standhalten können und die sie
willigt und der bundesdeutsche Staatshaushalt mit einem 1,8 Billi- weiter in die Abhängigkeit drängt.
onen Euro Defizit belastet. Nach Beschluss des G20-Treffen Ende
Juni 2010 in Toronto wollen die Staaten ihre Schulden bis 2013 Exit!
halbieren. Dass die lohnabhängige Klasse dafür zur Kasse gebeten
wird, dürfte allgemein bekannt sein. Die Begleiterscheinungen des Kapitalismus, insbesondere in der
Krise, offenbaren seinen Charakter allzu deutlich. Krieg ist zum
Aufrüstung und Krieg Normalzustand der kapitalistisch verfassten Welt geworden. Im
Namen von „Demokratie“, „Freiheit“ und „Menschenrechten“
In der Krise wird aber nicht allein Geld in bankrotte Unterneh- wird den abhängigen Ländern der Welt Hunger und Elend be-
men, Banken und Versicherungen gepumpt, ein kontinuierlich schert. Und auch in den industriellen Zentren verschärfen sich die
wachsender Teil des Etats fließt in Rüstungsausgaben. Die Ausga- Klassengegensätze. Krieg und Krise machen die Widersprüche der
ben für das Militär machen mit 31,18 Mrd. Euro den zweitgröß- bürgerlichen Gesellschaft wahrnehmbar und verdeutlichen einmal
ten Posten im Bundeshaushalt aus. Kriegsproduktion treibt zwar mehr die destruktive Gestalt des Kapitalismus.
die Staatsschulden in die Höhe, bleibt aber ein äußerst lukrativer
Wirtschaftszweig, der gerade in Krisenzeiten gute Profitaussichten
hat. Die drastische Zunahme des internationalen Waffen- und Rüs-
tungshandels ist ein Indiz für die Zunahme militärischer Konflikte Mehrwert und Profit
in Zukunft. Auch die deutsche Rüstungsindustrie hat ihre Exporte
in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Damit konnte sich die Den Wert einer Ware bildet die zur Herrstellung notwendige
BRD als drittgrößter Waffenexporteur der Welt behaupten. Menge verausgabter menschlicher Arbeitskraft gemessen in
In vielen Konzernen, die einen militärischen und zivilen Pro- Arbeitszeit. Ein Kapitalist kauft nicht die Arbeit, sondern die Ar-
duktionszweig haben, wird vor dem Hintergrund der Krise auf beitskraft der Lohnabhängigen. Folglich bezahlt er nicht den
die Kriegsproduktion gesetzt. Das Management bei Boeing und Wert der gesamten Arbeit, die von den Arbeitskräften verrichtet
EADS/Airbus reagierte mit einer Verschiebung zu Gunsten des mi- wird, sondern den Wert der Arbeitskraft. Der bemisst sich nach
litärischen Geschäfts. ThyssenKrupp setzt verstärkt auf die Marine den Kosten zu deren Erhaltung, also nach dem, was man zum
und Rheinmetall baut das Panzer- und Munitionsgeschäft aus. In (über)leben braucht und den kleinen Extras, die erkämpft wurden.
vielen Bereichen wie Logistik, Wartung und Versorgung finden di- Die Arbeitskräfte produzieren einen Mehrwert, über den Wert der
rekte Kooperationen von Bundeswehr und Unternehmen statt. Ein Arbeitskraft hinaus, den sich die Kapitalisten unentgeldlich aneig-
Beispiel ist die Gründung einer gemeinsamen GmbH durch das nen. Der Mehrwert kommt dann beim Kapitalisten als Profit an,
Bundesministerium für Verteidigung und die Rüstungskonzerne wenn er die produzierten Waren verkauft.

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weitere Informationen zu Arbeitskämpfen und Krisenprotesten:
Labournet: www.labournet.de
Bundesweites Krisenbündnis: www.kapitalismuskrise.org

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2: Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich
wie die Wolke den Regen

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S
eit 1999 ist die Bundeswehr an zahlreichen Militäreinsätzen nes großen Außenhandelsvolumens und der damit verbundenen
weltweit beteiligt. Anhand der Analyse der Militäreinsätze hohen Abhängigkeit von sicheren Transportwegen und -mitteln
in Afghanistan und Kongo, bei denen die Bundeswehr be- in globalem Maßstab verwundbar. Als rohstoffarmes Land ist es
teiligt war und ist, soll im folgenden Artikel aufgezeigt werden, in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr abhängig.“
wie kapitalistische Profitinteressen, Krieg und Besatzung zusam- Es geht der Bundeswehr nicht um die Sicherheit der Menschen
menhängen. in Afghanistan, sondern ausschließlich um die Sicherung der In-
Seit Jahren schreitet die Militarisierung der EU rasant voran. teressen des deutschen Kapitals.
Ob in Bosnien, Kongo oder Tschad, die EU-Truppen sind immer Afghanistan ist vor allem aufgrund seiner geostrategischen
häufiger im Einsatz. Auf diese Entwicklung der EU hin zu einer Lage von Bedeutung. Entsprechend rechtfertigte Peter Struck sei-
Militärmacht wird im Artikel ebenfalls eingegangen. Am Schluss nerzeit als Verteidigungsminister die Afghanistanpolitik der Bun-
soll kurz der heutige Imperialismus umrissen werden und die desregierung: „In 25 Jahren ist das Gas in der Nordsee alle, aber
Notwendigkeit und Möglichkeit des Widerstandes gegen imperi- in der Region um Afghanistan und im Kaukasus ist alles vorhan-
alistische Kriege und Militarisierung aufgezeigt werden. den. Und ob dort regionale Sicherheit entsteht, ist im Interesse
aller, die in Zukunft aus der Region Energie beziehen wollen.“
Geostrategische Ziele in Afghanistan Afghanistan liegt in der Nähe des Kaspischen Meers, einer wich-
tigen Erdöl- und Erdgasquelle. Riesige Vorkommen gibt es in den
Berühmt geworden ist der Ausspruch des ehemaligen Verteidi- Anrainerstaaten Turkmenistan, Aserbaidschan und Kasachstan.
gungsministers Peter Struck: „Unsere Sicherheit wird nicht nur, Öl und Gas sind für die kapitalistischen Staaten immer noch von
aber auch am Hindukusch verteidigt.“ Der ISAF-Einsatz der zentraler Bedeutung, da viele Bereiche der Wirtschaft auf diese
NATO, an dem mehr als 119.000 Soldaten aus 47 Ländern be- Rohstoffe angewiesen sind. Es tobt ein globaler Kampf um die
teiligt sind, setzen den Plan der „Sicherheitsverteidigung“ um. Erschließung, Förderung und den Transport von Öl und Gas.
Aus Deutschland befinden sich nach der Truppenerweiterung im Afghanistans Nachbarland Turkmenistan gilt als das Land mit
Februar 2010 5.350 Soldaten im Einsatz. Deutsche Truppen sind den weltweit größten Erdgasreserven. Der Export des turkmeni-
im Norden Afghanistans stationiert und stellen das drittgrößte schen Gases wäre für den Westen jenseits russischer Abhängigkeit
Kontingent der NATO-Einsatzkräfte im Land. Struck benutzte über Afghanistan und Pakistan zum Arabischen Meer am kürzes-
bei seiner Rechtfertigung des Afghanistankrieges das Schlagwort ten. Aufgrund des anhaltenden Krieges sowohl in Afghanistan,
der „Sicherheit“. Was er damit meint, wird im Weißbuch der als nun auch in Teilen Pakistans, sind die Pläne zum Bau einer
Bundeswehr von 2006 dargelegt: „Deutschland [ist] aufgrund sei- solchen Pipeline in naher Zukunft wohl nicht zu realisieren. Das
Vorhaben zum Bau einer derartigen Pipeline besteht schon seit
Anfang der 1990er Jahre. Im Jahr 1995 waren damals die Ver-
Deutsche Kriege für das „nationale Interesse“ handlungen des US-amerikanischen Konzerns UNOCAL mit
den Taliban gescheitert. Im Jahr 2002 wurde ein Vertrag zwischen
Die Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) sind neben dem Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan zum Bau der besagten
Weißbuch der Bundeswehr die wichtigsten öffentlich zugängli- Pipeline unterzeichnet, der Baubeginn liegt aber auf Eis.
chen strategischen Dokumente zur verbindlichen Bestimmung Afghanistan ist aber nicht nur als Pipelinekorridor interes-
der Aufgaben der Bundeswehr, die seit 1972 in unregelmäßigen sant. Auch die geographische Lage des Landes ist von Bedeutung.
Abständen veröffentlicht werden. 1992 wurden die VPR von Ver- Afghanistan grenzt im Westen an Iran, der über rund zehn Pro-
teidigungsminister Rühe erlassen. Sie stellen das erste öffentliche zent der bekannten Ölreserven und auch über riesige Gasvorräte
Dokument dar, in dem die militärische Zurückhaltung der Bundes- verfügt. Iran kooperiert momentan sowohl mit den westlichen
wehr durch eine offensive Militärstrategie ersetzt wurde. Deutsch- Staaten als auch mit deren Konkurrenten China und Russland.
land solle mithilfe von Bündnissen zu einer „kontinentale[n] Mit- Der Iran hat mit China Verträge zur Erschließung des Erdgasfelds
telmacht mit weltweiten Interessen“ werden. Auch wirtschaftliche „South Pars“ abgeschlossen und mit Russland wurde der Bau ei-
Interessen lassen sich in dem Dokument eindeutig erkennen: So ner asiatischen Pipeline, die zur Belieferung Indiens und Chinas
wird als ein Ziel die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels vorgesehen ist, geplant. Nicht weit nördlich von Afghanistan liegt
und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in Russland, nicht weit östlich China, mit dem es im Nordosten ei-
aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“ nen kleinen gemeinsamen Grenzabschnitt gibt, und auch Indien
formuliert. Die VPR von 1992 läuteten einen Paradigmenwechsel ist nah. Afghanistan liegt somit in unmittelbarer Nähe zu den
in der deutschen Außenpolitik ein: die Durchsetzung „deutscher bevölkerungsreichsten Regionen der Welt mit nahezu der Hälfte
Interessen“ mit den Mitteln des Krieges. der Erdbevölkerung. Außerdem befinden sich in der Region zwei

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Drittel aller Öl- und Gasvorräte. Afghanistan, das sich inmit- rung deutscher Kapitalinteressen in Form von Rohstoffen, Ab-
ten dieser wichtigen Region befindet, spielt deshalb für die geo- satzmärkten und Aufträgen. Der Krieg ist auch in Deutschland
und energiepolitischen Interessen der USA, Europas, Russlands, wieder zu einem alltäglichen Mittel geworden, um die wirtschaft-
Chinas und Indiens eine zentrale Rolle. lichen Interessen des deutschen Kapitals weltweit durchzusetzen.
Neben den geostrategischen Interessen muss auch die kon- Der Schutz von Menschenrechten, die Befreiung der Frauen und
sequente markwirtschaftliche Ausrichtung des Landes, die von die Demokratie werden von den Herrschenden ins Feld geführt,
den Besatzern diktiert wird, erwähnt werden. Der Internationale um den Krieg in Afghanistan zu legitimieren. Die tatsächlichen
Währungsfond (IWF) hat Afghanistan ein Programm verordnet, Gründe sind jedoch die Sicherung von strategischen Positionen,
das die reibungslose Verwertung von Kapital garantiert. Konkret die Installierung von genehmen Regierungen und die Ausweitung
bedeutet das unter anderem die Einführung von geringen Unter- der Einflusszonen.
nehmenssteuern für alle Investoren, die Aufhebung von Handels-
beschränkungen und die Reduzierung von Zöllen. Kongo – Der Kampf um die Rohstoffe
Das Beispiel Afghanistans zeigt sehr deutlich, worum es beim in Zentralafrika
Einsatz der Bundeswehr wirklich geht. Es geht um die Siche-
Auch das Beispiel der Demokratischen Republik Kongo verdeut-
licht, wie der Zugang zu Rohstoffen und Militäreinsätze zusam-
Jugoslawien – Der Auftakt für menhängen. Die Europäische Union stellte 2003 mit der Mission
weltweite Kriege der Bundeswehr ARTEMIS dort erstmals ihre militärische Handlungsfähigkeit zur
Schau. Der offizielle Grund für den Krieg war die „Demokratisie-
Den offensichtlichen Wendepunkt in der Militarisierung der rung“ des Landes. Natürlich brachte der Einsatz keine Stabilität,
bundesdeutschen Außenpolitik stellt der NATO-Krieg gegen Ju- sondern eher das Gegenteil in den Kongo. Derzeit befinden sich
goslawien im Jahr 1999 dar. Das erste Mal seit Ende des Zweiten dort eine halbe Millionen Menschen aus Angst vor Massakern
Weltkriegs beteiligte sich Deutschland wieder aktiv an einem mi- und Vergewaltigungen durch Milizen auf der Flucht. Der Kongo
litärischen Angriffskrieg. Wie bei bisher allen Kriegsbeteiligungen gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. 80% der Bevölkerung
wurde auch dieser Krieg unter Vorwänden begonnen. Es gelte leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dol-
eine „humanitäre Katastrophe“ zu verhindern, so der damalige lar pro Tag und monatlich sterben ca. 30.000 Menschen an den
Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Systematisches Umdeu- Folgen von Armut und Krieg. Dabei ist der Kongo reich an Roh-
ten von Tatsachen war von vorneherein ein Teil der Kriegslügen. stoffen. 80% des weltweiten Coltanvorkommens befindet sich im
Die öffentliche Meinung sollte auf den Krieg gegen Jugoslawien Kongo. Coltan ist heutzutage ein sehr begehrter Rohstoff, weil
eingestimmt werden. Das Verteidigungsministerium schreckte er für Handys, Satelliten oder Flugzeugtriebwerke benötigt wird.
dabei auch nicht vor Bilderfälschungen zurück. Verteidigungsmi- Außerdem hat der Kongo das viertgrößte Diamantenvorkommen
nister Scharping manipulierte bewusst die Öffentlichkeit, indem der Welt und die Goldvorkommen haben Schätzungen zufolge
er beispielsweise Fotos von einem angeblichen Massaker an Zivi- einen Wert von 20 Mrd. Dollar. Darüberhinaus findet man im
listen in Rugovo präsentierte. Das Bild zeigte viele nebeneinander Kongo noch Germanium, Kupfer, Kobalt, Erdöl, Holz, Uran,
liegende Leichen. Tatsächlich waren es keine Zivilisten, sondern Zink, Silber und Mangan.
UÇK-Kämpfer, die bei Gefechten gestorben und erst nachträg- Im Jahr 2006 kam es dann zur zweiten Intervention der EU
lich nebeneinander hingelegt wurden. Außerdem unterstellte im vom Bürgerkrieg gebeutelten Land. Die offizielle Begründung
Scharping, auf Grundlage des sogenannten Hufeisenplans, dass für die Intervention war die Durchsetzung von Wahlen. Die
die Vertreibungen und ethnischen Säuberungen von den Serben Bundeswehr führte die Mission EUROR RD CONGO mit dem
von langer Hand geplant gewesen seien. Tatsächlich war der Huf- größten Kontingent von 780 Soldaten an und hatte die militä-
eisenplan eine Erfindung des deutschen Verteidigungsministers rische Führung inne. Die Mission wurde durch das Einsatzfüh-
und diente der Kriegspropaganda. Scharping behauptete außer- rungskomando der Bundeswehr in Potsdam geleitet. Auch bei
dem, es gebe Hinweise, dass das Fußballstadion von Pristina in ein dieser Mission wurden direkt wirtschaftliche Interessen der Bun-
serbisches Konzentrationslager für 100.000 Menschen verwandelt desrepublik durch die Erhaltung des politischen Status quo gesi-
worden sei. Aufnahmen von deutschen Aufklärungs-Drohnen wi- chert. Deutschland pflegt gute wirtschaftliche Kontakte zur am-
derlegten diese Behauptung. Ausgehendend von diesen Lügen tierenden Kabila-Regierung. Ein Machtwechsel war deshalb nicht
wurden die Serben mit Nazis verglichen, um ein militärisches Ein- erwünscht. Entsprechend viele Ungereimtheiten gab es dann bei
greifen zu legitimieren. Joschka Fischers Satz „Ich habe nicht nur der Wahl. Kabila war für eine Präsidentschaftskandidatur laut der
gelernt: Nie wieder Krieg. Sondern auch: Nie wieder Auschwitz.“ Verfassung eigentlich zu jung. Dadurch, dass sein Wahlbündnis
bildete sowohl einen der fragwürdigsten und zugleich ausschlag- AMP in allen Institutionen des Kongo die Oberhand hatte, konn-
gebenden Sätze der Rechtfertigungsstrategie des Krieges. Der ten hierfür jedoch Ausnahmeregelungen getroffen werden. Die
Vorwand, eine „humanitäre Katastrophe“ verhindern zu wollen, größte demokratische Oppositionspartei Union for Democracy
wurde genutzt, um geopolitische und wirtschaftliche Interessen and Social Progress UDSP hatte die Wahlen boykottiert, da sie
in der Region durchzusetzen. Der Angriff auf Serbien dauerte davon ausging, dass Kabila von vornherein als Sieger feststand.
78 Tage, forderte zahlreiche Todesopfer und zerstörte die Infra- Allein diese Gründe sprechen gegen die offizielle Version der
struktur des Landes. Die Folgen des Krieges sind noch heute spür- Bundesregierung, die „demokratische“ Wahl im Kongo durchset-
bar. Uranstaub und Blindgänger der NATO-Armeen gefährden zen zu wollen. Das stellte auch der ehemalige Verteidigungssekre-
weiterhin das Leben der Bevölkerung und die Umwelt. Der Über- tär Walter Stützle in einer Phönixrunde am 7. November 2006
fall war der Beginn einer Reihe weiterer imperialistischer Kriege. fest: „Im Kongo ist das Problem, dass der Öffentlichkeit von der

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Bundeskanzlerin nicht gesagt worden ist, worum es eigentlich politik (ESVP) als Komponente der Gemeinsamen Außen- und
geht. Das konnte man in Paris sehr deutlich hören. In Paris hat Sicherheitspolitik (GASP) in die Wege zu leiten. Seit ihrem Be-
man gehört, wir können Afrika nicht China und den Vereinig- stehen wurden 27 ESVP-Einsätze und -Missionen durchgeführt.
ten Staaten überlassen, Punkt! […] Da man das aber eigentlich Im Juli 2009 erschien die Aufsatzsammlung What Ambitions for
nicht sagen wollte, hat man dann die Erfindung mit der Wahl European Defence in 2020? vom European Institute for Security
gemacht.“ Studies (EUISS), einem Thinktank der EU. Darin meldeten sich
Wer an den Einsatz von 2006 zurückdenkt, hat vermutlich Politiker und Militärexperten zu Wort und entwarfen ein Profil
die Bilder der gewaltsamen Zerschlagung von oppositionellen der zukünftigen Ausrichtung der EU-Außenpolitik. Unverblümt
Protesten vor Augen. Auch diese muss man teilweise im Zusam- sprechen die Schreiberlinge der EU aus, worum es gehen wird:
menhang mit der Europäischen Union sehen. Bereits 2005, dem „,Abschottungsoperationen‘ (Barrier operations) – die globalen
Jahr der eigentlichen Wahlfestsetzung, entsandte die EU unter Reichen gegen die Spannungen und Probleme der Armen ab-
den Missionen EUPOL KINSHASA und EUSEC RD CONGO sichern. Da der Anteil der Weltbevölkerung, die in Elend und
30 Polizeiausbilder, die tausende Polizisten im Kongo ausbilde- Frustration lebt, erheblich bleiben wird, werden die Spannungen
ten. Die Polizeikräfte waren unter anderem an der blutigen Zer- und Übertragungseffekte zwischen ihrer Welt und der der Rei-
schlagung der Proteste beteiligt. Nur konsequent ist es dabei, dass chen weiter zunehmen. Weil wir wahrscheinlich dieses Problem
diese Missionen aus dem Entwicklungshilfefond der EU finan- bis 2020 nicht an seiner Wurzel gelöst haben werden, (…) müssen
ziert wurden. wir unsere Barrieren verstärken.“ Gemeint sind die menschen-
verachtenden Abschottungsoperationen im Mittelmeer, die von
Die Militärmacht EU der EU durch die Grenzschutzagentur FRONTEX durchgeführt
werden.
Diese Einsätze zeugen von den Bestrebungen der EU, sich neben Auch bezüglich militärischer Interventionen ist der Bericht
der NATO als eigenständige Militärmacht etablieren. Zwar ver- sehr direkt: „Die Möglichkeit, militärische Missionen zu starten,
fügt die EU seit 1999 über eine einheitliche Währung, jedoch nur bevor alle politischen Diskussionen dazu stattgefunden haben,
teilweise über eine gemeinsame Wirtschafts- und Außenpolitik. muss in Erwägung gezogen werden, damit es zu keinen Verzö-
Dennoch gibt es im Bereich der Außenpolitik seit längerem Ent- gerungen kommt.“ Schritt für Schritt soll die EU eigenständig
wicklungen hin zu einer EU-Militärmacht. militärisch handlungsfähig werden, womit sie in Konkurrenz zur
Dabei ist die EU nicht als ein einheitlicher imperialistischer NATO treten würde. Den EU-Staaten geht es dabei darum, bei
Block zu betrachten, sondern als ein zwischenstaatliches imperi- der Durchsetzung ihrer eigenen imperialistischen Interessen von
alistisches Zweckbündnis, das die Staaten der EU zur weltweiten den USA unabhängiger zu werden. Deshalb fehlt in den EU-Plä-
Durchsetzung ihrer Interessen eingehen. Kleinere Staaten spielen nen im Gegensatz zu den NATO-Verträgen auch eine Bezugnah-
in der Außenpolitik der EU eine untergeordnete Rolle. Die Au- me auf den UN-Sicherheitsrat als wichtigste Legitimation militä-
ßenpolitik Deutschlands dominiert die der EU und die Bedeu- rischer Interventionen.
tung der EU nimmt zu. Wenn man sich mit der Militarisierung In diesem Kontext steht auch die Einrichtung von EU-Batt-
der Außenpolitik Deutschlands befasst, ist es daher unerlässlich, legroups (EUBG). Sie sind eine jeweils für ein halbes Jahr auf-
die neueren Entwicklungen auf dem Gebiet der Europäischen gestellte militärische Formation. Unterschiedliche Länder senden
Union zu betrachten. im halbjährigen Rhythmus ihre Truppen in die Battlegroups.
Im Jahr 1999 wurde in Köln beim Ratsgipfel der EU der Innerhalb von 15 Tagen kann die EUBG ein 30tägiges Mandat
Entschluss gefasst, eine EU-Eingreiftruppe zu schaffen. Damals des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees (PSK) der
entschied man, die Europäische Sicherheits- und Verteidigungs- EU für eine eigenständige Operation erhalten, das auf 120 Tage
erweiterbar ist. In einem Radius von ca. 6.000 Kilometer um
Brüssel können die Truppen eingesetzt werden und damit einen
Daten und Fakten zu Afghanistan Großteil der afrikanischen Staaten erreichen. Gerade wenn es zu
„politischen Instabilitäten“ kommt, sollen die EUBG zum Einsatz
Die Fakten in Afghanistan sprechen eine eindeutige Sprache: kommen. Politische Unstimmigkeiten bei der Militarisierung der
Anstatt wie suggeriert die Situation der Bevölkerung merklich zu EU lassen sich aber auch hier erkennen. So wurde beispielsweise
verbessern, führte der NATO-Einsatz nur zu einer Verschlechte- der Vorschlag von Frankreich, einen einheitlichen Generalstab zu
rung. Die Drogenabhängigkeit ist in Afghanistan so hoch wie in errichten, von Großbritannien zurückgewiesen.
kaum einem anderen Land. Etwa eine Millionen der 28 Millionen Den Hauptmächten innerhalb der EU geht es bei der Mi-
in Afghanistan lebenden Menschen sind drogenabhängig. Auch litarisierung darum, Einfluss im Weltmaßstab – auch gegen die
der Anbau von Opium boomt. Ganze 90% des weltweit produzier- USA – zu erlangen, Rohstoffe und Handelswege zu kontrollieren
ten Rohopiums stammen aus dem Land, außerdem steigt die Zahl und die kapitalistische Weltwirtschaftsordnung militärisch abzu-
ziviler Opfer: Allein im ersten Halbjahr 2010 sind 1.271 AfghanIn- sichern.
nen durch kriegerische Handlungen ums Leben gekommen. Nach
Angaben von Amnesty International sind 235.000 Menschen ver- Imperialismus bekämpfen …
trieben worden bzw. befinden sich auf der Flucht. Die soziale Si-
tuation in Afghanistan hat sich in vielen Bereichen verschlechtert: Die kapitalistischen Staaten und ihre Bündnisse befinden sich
acht Millionen Menschen hungern, jeder zweite ist arm, nur 25% immer wieder in gegenseitiger Konkurrenz um Rohstoffe, Ein-
der Bevölkerung haben Zugang zu sauberem Trinkwasser und die flusszonen und geostrategische Positionen. Alle relevanten Mäch-
Arbeitslosigkeit liegt bei 40%. te (die USA, China, Russland, Japan, Brasilien, Indien, einige

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Staaten der EU etc.) verfolgen von der Stoßrichtung her die glei- Die Formen des antimilitaristischen Widerstandes sind vielfäl-
chen Ziele. Trotz der Konkurrenz bilden sich zeitweilige Bündnis- tig und reichen von Störaktionen gegen Werbung der Bundeswehr
se der imperialistischen Staaten wie die NATO, um damit ihre In- auf Messen, über Großdemonstrationen gegen die NATO bis zu
teressen gemeinsam durchsetzen zu können. Diese Kooperationen direkten Abrüstungsaktionen von Kriegsgerät, wie beispielsweise
ändern jedoch nichts an der innerimperialistischen Konkurrenz. die Zerstörung von Bundeswehrfahrzeugen in Dresden 2009. Es
Die herrschende Klasse hat zwar weltweit ein gemeinsames Inte- gibt viele Gelegenheiten, aktiv gegen den imperialistischen Krieg
resse an der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung, die zu werden. In der Schule, an der Universität, auf der Arbeit oder
einzelnen Kapitalisten sind aber gleichzeitig gegenseitige Konkur- an öffentlichen Orten – überall gibt es Möglichkeiten, sich kon-
renten in der Jagd nach den höchsten Profiten. kret und kreativ gegen die Machenschaften des deutschen Impe-
Die Konzentration des Kapitals hat zu gigantischen Konzer- rialismus zu organisieren und Widerstand zu leisten. Auch heute
nen geführt, die in der Weltökonomie die entscheidende Rolle behält Karl Liebknechts bekannter Auspruch seine Gültigkeit:
spielen. In der Krise können nicht alle Unternehmen am Markt „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“
bestehen bleiben. Auch große Konzerne wie beispielweise General
Motors, einer der größten Autohersteller der Welt, konnte nur
durch staatliche Hilfen vor der Pleite gerettet werden. Auch die NATO
Konzerne, die international agieren, sind bei der Durchsetzung
ihrer Interessen auf „ihren“ jeweiligen Nationalstaat angewiesen, Die North Atlantic Treaty Organization wurde 1949 als Militär-
sei es mit „Rettungspaketen“ oder mit Panzern in Afghanistan. bündnis der nordamerikanischen und europäischen Staaten ge-
Der Kapitalismus entwickelt sich weltweit ungleich. Die gen die Sowjetunion gegründet. In der bürgerlichen Geschichts-
Länder der kapitalistischen Metropolen vertiefen mit Hilfe von schreibung wird die Gründung der NATO als Reaktion auf das
internationalen Institutionen wie IWF und Weltbank die wirt- Erstarken der Sowjetunion dargestellt und die NATO zum „Vertei-
schaftliche Abhängigkeit der Staaten der Peripherie. Wenn diese digungsbündnis“ verklärt. Tatsächlich war die NATO von Anfang
Maßnahmen alleine nicht reichen, werden die Profitinteressen an als Bündnis zur Durchsetzung und Rückgewinnung der He-
auch mit militärischen Mitteln durchgesetzt. Der Imperialismus gemonie der kapitalistischen westlichen Staaten konzipiert. Mit
war bis nach dem Zweiten Weltkrieg durch das Expansionsstreben dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik 1955 wurde gleichzeitig
einzelner Staaten und die koloniale Unterwerfung und Ausbeutung ein weiterer Grundstein für die Remilitarisierung Deutschlands
anderer Länder geprägt. Der Imperialismus, wie er heute existiert, gelegt. Die ab 1990 einsetzende offen aggressive Kriegspolitik
zielt in der Regel nicht auf die direkte Einverleibung anderer Ter- der NATO bedeutet keinen Kurswechsel der Allianz vom „Vertei-
ritorien. Zwar geht es durchaus um die Kontrolle über Territorien, digungsbündnis“ zum „Aggressionsbündnis“. Die NATO-Staaten
aber die effizientere Methode ist die des nation-buildings und der hatten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nur noch
Einsetzung genehmer Regierungen. Wenn dieses Ziel nur mit mi- mehr Spielraum für eine Politik, die sie seit ihrer Gründung verfol-
litärischer Gewalt zu erreichen ist, werden allerdings auch heute gen. Heute ist in Kriegen die Rolle der NATO nicht wegzudenken.
Länder direkt angegriffen und besetzt, wie es in Jugoslawien, im Die ISAF-Mission in Afghanistan, die IFOR-Mission in Ex-Jugosla-
Irak und in Afghanistan geschehen ist. wien, die NATO Response Force als mobile Eingreiftruppe oder die
Gladio als Geheimorganisation der NATO1 sind nur einige Beispie-
… Widerstand organisieren hier und überall le für Missionen oder Institutionen, die den genannten Zwecken
dienen.
Dass Kriege und Militarisierung zunehmen, hängt auch mit der
krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus zusammen. Wach- 1
Die Gladio war eine paramilitärische Geheimorganisation der NATO. Sie arbeitete
sende Profite einzufahren, gestaltet sich für das Kapital ange- zwar mit dem Hauptquartier der NATO zusammen, aber ihre Operationen unterla-
sichts von chronischer Überakkumulation immer schwieriger. Die gen strengster Geheimhaltung. Im Falle eines „Umfallens“ der Einsatzländer durch
Konsequenz der kapitalistischen Profitlogik sind imperialistische sozialistische Revolutionen oder Besetzungen durch die Warschauer-Pakt-Armeen
Kriege, Verschärfung der Ausbeutung und Unterordnung aller sollte Gladio Guerillaaktionen hinter feindlichen Linien durchführen. Dafür wurden
gesellschaftlichen Bereiche unter die kapitalistische Verwertung. von 1950 bis 1990 Waffendepots angelegt und Agenten rekrutiert. Außerdem betei-
Wir kämpfen gegen diese Logik und sehen unseren Kampf gegen ligte sich Gladio an Anschlägen, mit denen z. B. die italienischen Brigate Rosse (BR)
Militarismus und Krieg eingebettet in den Kampf für den Sturz diskreditiert werden sollten, und arbeitete mit deutschen und italienischen Faschis-
der kapitalistischen Verhältnisse. ten zusammen.

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Internetseiten zu Antimilitarismus:
www.bundeswehr-wegtreten.org
Informationsstelle Militarisierung: www.imi-online.de

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3: Innere Aufrüstung und Repression

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D
ie staatliche Aufrüstung existiert nicht nur im militäri- len, zuletzt beispielsweise bei der Ermordung eines unbewaffne-
schen Bereich und beinhaltet nicht nur neue und mehr ten Mannes in Berlin, auf den die Polizei acht Schüsse abfeuerte,
Waffen für imperialistische Kriege. Sie findet auch im gibt es lediglich Bewährungsstrafen für die Täter.
Inneren statt und beinhaltet den Ausbau bürgerlicher Staatsap- Mittlerweile werden aber längst nicht mehr nur Geheim-
parate mit extrem repressiver Gesetzgebung, hochgerüsteten und dienste und Polizei gegen politische Aktivitäten, sowie im Rah-
mit weitreichenden Befugnissen versehenen Polizei- und Ge- men sozialer Konflikte eingesetzt, sondern immer öfter auch
heimdienststrukturen, Einsätzen des Militärs auch im Inland und das Militär. So kam die Bundeswehr in den letzten Jahren bei
zahlreichen weiteren Instrumenten zur Durchsetzung der politi- mehreren Ereignissen zum Einsatz: Bei Protesten gegen den G8-
schen und ökonomischen Interessen der herrschenden Klasse. Gipfel 2007 in Heiligendamm, den Mobilisierungen gegen das
NATO-Treffen 2009 in Strasbourg, im Rahmen der Sicherung der
Konkrete Entwicklungen der inneren Aufrüstung NATO-Sicherheitskonferenz in München, bei öffentlichen Bun-
deswehr-Gelöbnissen, dem Castor-Transport im Herbst 2010
Es gibt verschiedene, ineinander greifende Ebenen der inneren sowie zu anderen Anlässen übernahm sie verschiedene Aufgaben
Aufrüstung: Gesetzesverschärfungen, eine Zunahme staatlicher z. B. im Rahmen der Überwachung der Gegenmobilisierungen,
Repression, die Ausweitung der Befugnisse der Repressionsap- beim Transport und der Sicherung der Tagungsgebäude. Weitere
parate, der Ausbau ihrer Infrastruktur und eine zunehmende Ausweitungen der Militäreinsätze im Innern sind seit langem in
alltägliche Überwachung, begleitet von einer gesellschaftlichen Planung. Wie diese Aussehen können, ist etwa bei Militärübungen
Vermittlung einer angeblichen Alternativlosigkeit dieser Maß- im Übungsgelände Lehnin bei Potsdam zu beobachten, bei denen
nahmen. Die stetigen Gesetzesverschärfungen und die durch ge- Soldaten ihren Einsatz gegen Demonstrationen trainieren.
setzliche, sowie durch staatliches Vorgehen faktisch geschaffene Dazu werden seit 2007 sogenannte Verbindungskommandos
Einschränkungen von Freiheitsrechten, nehmen so rasant und der zivil-militärischen Zusammenarbeit aufgebaut: Flächende-
umfassend zu, dass es schwer fällt, einen Überblick zu bewahren. ckend werden in allen Bundesländern Kommandogliederungen
In den meisten Fällen, etwa bei der Verschärfung des Polizeigeset- als Bindeglied zwischen ziviler Verwaltung und der Bundeswehr
zes in Baden-Württemberg oder bei immer wieder stattfindenden geschaffen. Sie sollen u. a. personelle Ressourcen für Bewachung,
Einschränkungen von Demonstrationen, bleiben größere Protes- Kontrolle und Sicherung von „kritischer Infrastruktur“ bereit-
te, manchmal selbst eine öffentliche Thematisierung, aus. Nur stellen und in bestimmten Situationen polizeiliche und militä-
in einigen Fällen, z. B. bei der Vorratsdatenspeicherung und der rische Aktivitäten unterstützen. In den verschiedenen Bezirken
geplanten Internetzensur kam es zu einer breiteren gesellschaftli- bzw. Kreisen bestehen sie aus je fünf bis 15 Soldaten, insgesamt
chen Thematisierung und zu Protestaktionen. umfasst die Struktur über 5.300 Dienstposten. Sie dienen sowohl
einer weiteren Etablierung militärischer Einsätze im Innern, als
Ausweitung der Befugnisse für Polizei, auch der konkreten Nutzung ziviler Institutionen von Seiten des
Geheimdienste und Militär Militärs. Von Seiten des Staates wird immer weniger zwischen
„äußerer“ und „innerer“ Sicherheit unterschieden. Potenzieller
Seit Jahrzehnten ist die Entwicklung auch im Hinblick auf die Widerstand gegen die Profitinteressen des Kapitals sollen mit den
Befugnisse der verschiedenen staatlichen Repressionsorgane ein- jeweils effektivsten Methoden gebrochen werden – ganz gleich ob
deutig: Einschränkungen werden nach und nach abgebaut und es sich dabei um polizeiliche, geheimdienstliche oder militärische
stattdessen immer mehr Möglichkeiten für das Abhören und Ob- Mittel handelt.
servieren, das Sammeln von Daten, die Zusammenarbeit von Ge-
heimdiensten, Polizei und anderen Behörden und deren Zugriff Versammlungsgesetze
auf die Privatsphäre geschaffen. Nur in einigen Fällen, wenn es
öffentliche Proteste gibt und die in die Wege geleiteten Maßnah- Die Versammlungsgesetzgebung ist seit 2006 Ländersache. In
men dem Grundgesetz widersprechen, wie etwa die Vorratsdaten- allen Landesregierungen mit CDU/CSU Beteiligung gibt es Plä-
speicherung, werden Teile davon zurückgenommen. ne, sie zu verschärfen, bzw. wurden diese Pläne schon umgesetzt
Selbst wenn die staatlichen Organe mit ihren Methoden ge- (Bayern und Sachsen). Die folgenden Beispiele stammen aus dem
gen Gesetze verstoßen, Ermittlungen sich als willkürlich oder nur Gesetzesentwurf der Baden-Württembergischen Landesregierung.
der Einschüchterung dienlich erweisen oder durch Polizeieinsät- Sie sind zu großen Teilen identisch mit denen anderer Bundes-
ze Menschen verletzt oder getötet werden, hat kaum einer der länder: Um antifaschistische Aktivitäten gegen Naziaufmärsche,
Staatsdiener etwas zu befürchten. Disziplinarverfahren oder gar aber auch Proteste gegen Gipfeltreffen u. Ä. gesetzlich noch wei-
Verurteilungen kommen so gut wie gar nicht vor. In Extremfäl- ter einzuschränken, sind Haftstrafen von bis zu zwei Jahren allein

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für Aufrufe, genehmigte Versammlungen militant zu verhindern, die Erhebung von Anmeldegebühren in einigen Landkreisen und
vorgesehen. Für den Aufruf ohne „Gewaltandrohung“ soll es im- das Verbot für polizeibekannte AktivistInnen, überhaupt Ver-
merhin noch bis zu einem Jahr Haft geben. sammlungen anzumelden, unter dem Vorwand, dass sie „nicht
Es ist vorgesehen, dass alle Versammlungen mindestens als Versammlungsleiter geeignet“ seien sowie Ausreiseverbote bei
72 Stunden im Vorfeld angemeldet werden müssen. Damit sollen internationalen Mobilisierungen.
spontane Kundgebungen und Demonstrationen weiter erschwert Von all diesem Vorgehen ist in erster Linie die revolutionäre
werden. Kurzfristige Reaktionen auf Ereignisse wären so kaum Linke betroffen, weshalb es nur in seltenen Fällen eine öffentliche
noch im legalen Rahmen möglich. Streikaktionen wären ebenfalls Aufmerksamkeit oder Gerichtsurteile gegen das staatliche Vor-
davon betroffen, denn der Unternehmerseite wird so genügend gehen gibt. Die Tendenz geht aber dahin, dass dieses Vorgehen
Zeit gegeben, sich darauf einzustellen. Versammlungen sollen Stück für Stück gegen immer mehr Mobilisierungen angewendet,
auch dadurch behindert werden, dass die AnmelderInnen direkt oder ihnen gegenüber angedroht wird. Insbesondere dort, wo nur
gegenüber der Polizei verpflichtet sind, für einen reibungslosen schwache linke Strukturen existieren, werden Mobilisierungen so
Ablauf zu sorgen. Beispielsweise müssen sie Demonstrationen zunehmend schwieriger umsetzbar.
auflösen, wenn auch nur der „Eindruck einer Gewaltbereitschaft“ Eine besondere Rolle spielen polizeiliche Sondereinheiten,
entsteht – wann das der Fall ist, ist Auslegungssache der Polizei. wie die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) oder
Weitere Verschärfungen sind u.a. im Hinblick auf striktere das Unterstützungskommando (USK). Diese speziell trainierten
Auflagen im Bezug auf die Ordner und noch weiterreichende Einheiten werden insbesondere gegen kämpferische Mobilisie-
Befugnisse für die Kontrolle und das Überwachen von Demons- rungen oder Menschenansammlungen mit Konfliktpotential ein-
trationsteilnehmerInnen enthalten. Außerdem bekommen die gesetzt. Sie treten in der Regel vermummt auf und sind dafür
Repressionsorgane mehr Möglichkeiten, Kundgebungen und De- bekannt, bei ihren Zugriffen keinerlei Rücksicht auf Umstehende
monstrationen von vornherein zu verbieten, sowie sie frühzeitig oder festzunehmende Personen zu nehmen, sondern diese in vie-
polizeilich aufzulösen. Selbst Veranstaltungen in geschlossenen len Fällen mit Pfefferspray, Schlagstöcken, Tritten und Schlägen
Räumen sollen stärker überwacht und verboten werden können. zu verletzen. Die Gegenwehr gegen ihre nicht selten völlig belie-
Unabhängig der geplanten und der bereits vollzogenen Ein- bigen und brutalen Zugriffe, führt in vielen Fällen zu direkten
schränkungen der Versammlungsfreiheit ist seit Jahren zu beob- weiteren Angriffen und Verurteilungen vor Gericht.
achten, wie Kundgebungen und Demonstrationen sowohl durch
die Auflagen der Behörden, als auch durch Polizeieinsätze immer Verschärfte Strafverfolgung und Verurteilungen
weiter eingeschränkt werden: Mützen und Sonnenbrillen wer-
den als Vermummung ausgelegt, Transparente nur bis zu einer Im Zusammenhang mit militanten Aktionen oder auch nur der
bestimmten Länge geduldet, Demonstrationen von einem mas- Gegenwehr gegen Polizeiübergriffe oder Nazi-Schläger, erfolgen
siven Polizeispalier von der Öffentlichkeit abgeschottet, Pfeffer- zunehmend härtere Strafen und intensive Ermittlungen. Zwar
spray und Schlagstöcke selbst aus nichtigen Anlässen eingesetzt hat sich der Staat in politischen Verfahren bekanntlich schon
und DemonstrationsteilnehmerInnen wegen dem Rufen „belei- immer hemmungslos gezeigt, dennoch scheint es die Tendenz
digender“ Parolen mit Strafbefehlen überzogen. Dazu kommen zu geben, in jedem Fall Ermittlungsaufwand, Tatvorwurf und
Strafmaß möglichst hoch anzusetzen: Haftstrafen wegen Stein-
oder Flaschenwürfen, Hausdurchsuchungen wegen des Sprühens
Abschottung vor nicht profitabler Migration von Parolen oder des Anbringens von Plakaten, monatelange
Untersuchungshaft nach Auseinandersetzungen mit Nazis, Kri-
Als Teil der inneren Aufrüstung wird auch die diskriminierende minalisierung von Veröffentlichungen, Strafbefehle aufgrund der
Flüchtlingspolitik mit enormem Aufwand betrieben. Wärmebild- Beteiligung an oder dem Aufruf zu Sitzblockaden, Einschüchte-
kameras an den Grenzen, bewaffnete Patrouillen, Kontrollen an rungsversuche des polizeilichen Staatsschutzes gegenüber politisch
Bahnhöfen und Flughäfen und zahlreiche weitere Maßnahmen Aktiven – all das ist vielerorts bereits Alltag. Jegliches Verlassen
sollen Flüchtlinge aufspüren, die vor Not und Elend in die kapi- des gesetzlichen Rahmens soll für AktivistInnen möglichst riskant
talistischen Zentren flüchten. Mit der Schaffung von kaum zu erscheinen. Gerade im Hinblick auf vermehrte Polizeiangriffe bei
ertragenden Bedingungen, abgeschotteten Lagern, schlechter Demonstrationen und die Dominanz gewalttätiger faschistischer
Verpflegung und dem Verbot, ihren Landkreis zu verlassen, sollen Strukturen in einigen Regionen, stehen linke und revolutionäre
die AsylbewerberInnen, die es bis hierher geschafft haben, zur Strukturen oftmals zwischen Ohnmacht und dem Verheizen der
Ausreise gedrängt werden. eigenen Strukturen.
Besonders im Bezug auf linke migrantische Strukturen, vor
Während das deutsche Kapital auf unzählige Weisen auf allen allem aus der Türkei und Kurdistan, ist ein willkürliches und
Kontinenten an der Ausplünderung von Rohstoffen, der Unter- hemmungsloses Vorgehen zu beobachten: Vereinsräume werden
stützung diktatorischer Regimes, der Niederschlagung fortschritt- bei Durchsuchungen teilweise weitgehend zerstört und Aktivis-
licher Bewegungen und dortigen niedrigen Löhnen profitiert, soll tInnen einzig wegen des Verkaufs bestimmter Zeitschriften oder
eine unkontrollierte Migration der Betroffenen dieser Situation legaler Vereinstätigkeiten der Mitgliedschaft oder Unterstützung
verhindert werden. Lediglich ausgebildeten Fachkräften und noch einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ nach Paragraph
vereinzelt „BilliglohnarbeiterInnen“ soll es möglich sein, in die ka- 129b angeklagt.
pitalistischen Zentren zu kommen und hier, zumindest solange sie Die genannten Beispiele für eine schärfere Auslegung von
vom Kapital benötigt werden, bleiben zu dürfen. Gesetzen und mehr und höhere Verurteilungen stehen explizit

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für eine Entwicklung, von der nur bestimmte politische Kräfte, tatsächliche Probleme, etwa im Hinblick auf Gewalt unter Ju-
fortschrittliche Bewegungen und Teile der Arbeiterklasse betrof- gendlichen, nicht auf ihre Ursachen hin untersucht, sondern
fen sind. Insbesondere gegen hohe Würdenträger aus Politik und als Vorwand für die weitere staatliche Aufrüstung herangezogen
Wirtschaft, aber nahezu durchweg auch gegen Polizisten, werden werden. Mehr noch: Kürzungen bei Einrichtungen für Kinder,
Verfahren nach wie vor regelmäßig eingestellt oder enden mit äu- Jugendliche und sozial Benachteiligte stehen Milliardenausgaben
ßerst milden Urteilen. für die verschiedenen Repressionsorgane gegenüber. Gesellschaft-
liche Widersprüche sollen durch mehr Strafverfolgung und härte-
Ausbau der Infrastruktur der Repressionsapparate re Strafen, statt durch Prävention „gelöst“ werden.
Verstärkt findet zudem eine tiefgreifende Manipulation der
Während in vielen Bereichen Einsparungen stattfinden, werden Öffentlichkeit mithilfe der „Totalitarismus-Theorie“ statt. Die
nach wie vor Milliardenbeträge ins Militär, sowie in die Apparate Positionen der bürgerlichen Parteien werden als „die Mitte“, als
der Geheimdienste und der Polizei gesteckt. Neben den üblichen das „objektiv Gute“ dargestellt, das eigentlich gar nicht in Fra-
Ausgaben für modernere Waffen, sowie für Auslandseinsätze und ge gestellt werden kann. Ihnen stünden sowohl links- als auch
Propaganda-Materialen für das Militär, wurde in den letzten Jah- rechtsradikale bzw. extremistische Positionen gegenüber, die
ren insbesondere in die Ausrüstung der Polizei investiert: In ver- gleichermaßen gegen die Demokratie gerichtet und deshalb glei-
schiedenen Bundesländern wurden beispielsweise zehntausende chermaßen unberechtigt seien. Diese Gleichsetzung ist sachlich
Teleskopschlagstöcke als Standard-Ausrüstung eingeführt und absurd und wurde als politische Propaganda, nicht als fundierte
High-Tech-Wasserwerfer zum Vorgehen gegen Demonstrationen Analyse entwickelt. Faschistische und kommunistische Bewegun-
und andere Protestaktionen gekauft. Dazu werden immer öfter gen werden nach einem simplen Ja/Nein-Schema gleichermaßen
sogenannte Drohnen, mit hochauflösenden Kameras ausgestat- als „Feinde der Demokratie“ ausgemacht. Die gegensätzlichen
tete Flugkörper, zur Überwachung großer Menschenansammlun- Wesensmerkmale faschistischer und kommunistischer Bewe-
gen eingesetzt. gungen werden dabei geflissentlich übergangen. Diese „Theorie“
Weitere große Schritte sind bereits in Vorbereitung: Die An- dient der Festigung der herrschenden Verhältnisse und der Diffa-
schaffung von Tasern, Distanz-Elektroschockwaffen, die in der mierung politischer Positionen, die das kapitalistische System in
BRD bisher nur von Sondereinsatzkommandos eingesetzt wer- Frage stellen. Neben Kürzungen der Gelder für antirassistische
den und in anderen Ländern bereits zu zahlreichen Toten geführt Projekte, staatlich subventionierter antikommunistischer Propa-
haben, werden u. a. von Polizeigewerkschaften als Standard-Aus- ganda, der Relativierung der Gefahr von rechts und der Diffa-
rüstung für alle Polizisten gefordert. mierung linker und revolutionärer Positionen, nutzt der „Anti-
Totalitarismus“ den bürgerlichen Kräften auch im Hinblick auf
Gesellschaftliche Vermittlung der die staatliche Aufrüstung: Gesetzesverschärfungen werden der
„Notwendigkeit“ eines repressiven Staates Bevölkerung auch oder insbesondere als Mittel zum Kampf ge-
gen Nazis bzw. alle „Extremisten“ verkauft, etwa im Hinblick auf
Die staatliche Aufrüstung geht einher mit einer intensiven Pro- die Verschärfungen im Versammlungsrecht, während sie letztlich
pagierung ihrer Alternativlosigkeit. Ob „Terroristen“, „linke dem Vorgehen gegen alle fortschrittlichen Kräfte und der allge-
Gewalttäter“, „Chaoten“, „gewalttätige Jugendliche“ oder „kri- meinen Einschränkung von Freiheitsrechten dienen. Sie stellen
minelle Ausländer“, stetig werden Gefahren für die öffentliche zudem einen weiteren Schritt hin zu einem – von rechts gewoll-
Sicherheit hochstilisiert, um Maßnahmen zu ihrer „Bekämpfung“ ten – repressiven Staat dar.
zu rechtfertigen. Dabei werden Zahlen hochfrisiert, haltlose Be-
hauptungen und Spekulationen verbreitet und Emotionen ge- Ursachen und Hintergründe der Entwicklung
schürt. Konkrete Beispiele dafür gibt es mehr als genug: Einzel-
fälle jugendlicher Gewalttaten wurden über Wochen durch die Weitreichende Veränderungen im gesellschaftlichen Überbau –
Medien geschleift, verbunden mit der Forderung nach härteren also auch im bürgerlichen Staat – sind immer maßgeblich auf sich
Gesetzen und mehr Polizeipräsenz. ändernde Zustände in der ökonomischen Basis der Verhältnisse
Statt die Ursachen von möglichen Anschlägen islamistischer zurückzuführen. Die staatliche Aufrüstung im Innern findet ak-
Gruppen in der BRD – die deutsche Kriegsbeteiligung und An- tuell also nicht zufällig in einer Phase statt, in der die linken und
griffe auch auf Zivilisten zu behandeln – wird nur die Möglich-
keit solcher Anschläge aufgegriffen und durchsetzt mit wilden
Spekulationen, als täglich zu erwarten dargestellt. Ein Ende der Militaristische Propaganda
Kriegsbeteiligung wird als Bannung dieser Gefahr nicht mal in
Erwägung gezogen. Stattdessen sucht man das Heil in weiterer Immer stärker wird versucht, in Schulen, bei Job-Messen oder
innerer und äußerer Aufrüstung. auf öffentlichen Plätzen das Auftreten des deutschen Militärs all-
Militanz bei Demonstrationen wird skandalisiert und die wei- täglich werden zu lassen. Imperialistische Kriege im Dienste der
tere Einschränkung der Versammlungsfreiheit damit begründet. Profite, die militaristische deutsche Tradition, Gehorsam und Un-
Auffallend ist, dass Polizeiübergriffe hingegen nahezu gänzlich terordnung sollen bereits an die Jugend als positiv vermittelt wer-
verschwiegen und dort, wo sie durch Videoaufnahmen bereits an den. Die Auftritte und Propagandainszenierungen stellen jedoch
die Öffentlichkeit gelangten, als Einzelfälle dargestellt werden. immer auch ein Risiko für die Militaristen dar, da sie durch kleinere
Allgemein ist es für die bürgerliche Berichterstattung, sowie Aktionen, wie auch durch größere Mobilisierungen leicht als Büh-
die Positionen der bürgerlichen Parteien kennzeichnend, dass ne für antimilitaristische Positionen verwendet werden können.

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revolutionären Kräfte hier vergleichsweise schwach sind, jedoch pital gelegentlich einzelne Häppchen gibt, die diese Entwicklung
wirtschaftliche Probleme und daraus resultierende gesellschaftli- verschleiern, bürgerliche Medien sie relativieren und die Angriffe
che Widersprüche (potentiell) zunehmen. Die kapitalistische Kri- des Kapitals in vielen Fällen noch eher zur Einschüchterung als
se, die Schwierigkeiten gewinnbringend zu wirtschaften und die zum Widerstand der Beschäftigten führen, ändert nichts an den
Profite zu steigern und die daraus resultierenden regelmäßig und realen Begebenheiten.
tendenziell vermehrt auftretenden Krisenerscheinungen wie Be- Der bürgerliche Staat als Institution, die die Aufgabe hat, die
triebsschließungen, Massenentlassungen usw. prägen diese Phase kapitalistische Verwertung und die Macht der Kapitalistenklas-
des Kapitalismus. se weiter aufrechtzuerhalten muss zwangsläufig auf die sich im-
Was die momentane Situation daher deutlich kennzeichnet, mer konfrontativer darstellende Situation reagieren und sich auf
sind die Versuche des Kapitals, die Sicherung und Steigerung von größere gesellschaftliche Konflikte vorbereiten. Bekanntermaßen
Profiten um jeden Preis durchzusetzen, um die kapitalistischen verfügt dieser Staat genau hierfür über eine Unzahl an Experten
Krisenerscheinungen zu überstehen. Dies findet auf drei verschie- und entwickelten Konzepten. Die genannten Maßnahmen zur
dene Arten statt: Überwachung, Schwächung und Zerschlagung der Kräfte, die
Zum einen durch eine Verschärfung der Ausbeutung, d. h. den kapitalistischen Interessen entgegenstehen, sind Ausdruck
durch Rationalisierungen, insbesondere in Form von Entlassun- seiner Anpassung an die Verhältnisse.
gen und eine Verteilung der Arbeit auf weniger ArbeiterInnen, Es muss dabei für uns jedoch immer klar sein, dass die innere
Lohnkürzungen, Verlängerungen der Arbeitszeit und auch eine Aufrüstung kein Zeichen der Stärke der Kapitalistenklasse und
Verringerung sonstiger Ausgaben für Steuern und Sozialabgaben, ihrer Institutionen ist, sondern ein Hinweis auf ihre Probleme.
sowie die vermehrte Einstellung von LeiharbeiterInnen, mit we- Die Zeiten, in denen sie sich zumindest innerhalb der kapitalis-
niger Lohn, weniger Rechten usw. tischen Zentren ein relativ ruhiges Hinterland sichern konnten,
Zum anderen versucht das Kapital, sich Bereiche unter den gehen dem Ende entgegen. Sie stellen sich auf wachsende Kon-
Nagel zu reißen, die bisher noch nicht (vollständig) nach Profit- frontationen ein – wir müssen das ebenfalls tun.
interessen ausgerichtet sind und sich dort zu verwerten. Während
etwa öffentlicher Verkehr, Stromversorgung und Telekommuni- Möglichkeiten und Notwendigkeiten
kation längst nachInteressen der Kapitalverwertung ausgerichtet für die Revolutionäre Linke
sind, werden immer weitere gesellschaftlichen Bereiche selbst der
nur formalen öffentlichen oder politischen Kontrolle entzogen. Die Probleme, mit denen wir als revolutionäre Linke durch die
Aktuell ist dies insbesondere im Gesundheitswesen der Fall, aber Aufrüstung im Inneren zunächst konfrontiert sind und mit denen
auch in kleineren Sektoren wie der Bewährungshilfe oder in Ge- wir umgehen müssen, sind bekannt: Politische Aktivitäten wer-
fängnissen, wurde mit ersten Schritten begonnen, sie zu privati- den erschwert und teilweise verhindert, die Frustration nimmt
sieren. dementsprechend bei vielen zu, Motivation und Selbstbewusst-
Neben diesen Bemühungen, die Profite in den Metropolen sein werden durch den Mangel an erfolgreichen Kämpfen weni-
zu steigern, versucht das Kapital der imperialistischen Staaten ger. Selbst die Gefährdung der eigenen Existenz durch drohen-
auch, sich weltweit Absatzmärkte und Rohstoffe zu sichern. Dies den Jobverlust, Knast usw. muss heute schon bei vergleichsweise
wird einerseits z. B. über den IWF und die Weltbank umgesetzt, harmlosen politischen Aktivitäten berücksichtigt werden.
die an Regierungen Kredite vergeben, die mit „Strukturanpas- Grundlage dafür, auf die Situation richtig zu reagieren, ist es
sungsprogrammen“ verbunden sind, die den Unternehmen der zunächst, sich der staatlichen Repression nicht anzupassen: die
Industrienationen gute Rahmenbedingungen in den jeweiligen verschiedenen legalistischen Herangehensweisen, die jede Kon-
Ländern schaffen – natürlich auf Kosten der Bevölkerung in den frontation vermeiden und die politische Praxis in erster Linie
betroffenen Ländern. Die Entwicklung geht aber immer mehr zu nach den möglichen Bedrohungsszenarien ausrichten, erweisen
direkten militärischen Lösungen, wie in den letzten Jahren z. B. sich täglich als perspektivlos. Ob im antifaschistischen Kampf,
in Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak. bei Protesten gegen Gipfeltreffen der Herrschenden, bei Sozial-
Zusammengefasst versuchen die verschiedenen Kapitalfrakti- protesten, antimilitaristischen Aktivitäten oder in anderen Berei-
onen in der aktuellen Situation vehement und in jedem Bereich, chen, in denen über die politische Praxis Erfolge erzielt, Erfah-
ihre Profite zu sichern, teilweise zusammen, teilweise gegenein- rungen gesammelt, MitstreiterInnen gewonnen und Positionen
ander. In jedem Fall aber mit immer weniger Rücksicht auf die vermittelt werden – wer in Anbetracht des hochgerüsteten Staates
Interessen der Lohnabhängigen. Diese Entwicklung verändert die nicht bereit ist, kämpferisch zu handeln, hat nicht mehr Erfolgs-
Situation hierzulande grundlegend. Die kapitalistischen Zentren aussichten als das Kaninchen vor der Schlange.
sind immer weniger das ruhige Hinterland des Kapitals, in denen Wer daraus jedoch schließt, jegliche Berücksichtigung der
der Großteil der Klasse der Lohnabhängigen durch einen rela- staatlichen Repressionsorgane, wie der realen Verhältnisse allge-
tiven materiellen Wohlstand zur Kollaboration gewonnen wird. mein, sei bedeutungslos, begeht einen ebenso großen Fehler. Die
Stattdessen wird das Potenzial für Konflikte größer: ArbeiterIn- Konfrontation mit dem hochgerüsteten bürgerlichen Staat erfor-
nen, die sich gegen die Angriffe des Kapitals zur Wehr setzen, dert von den Kräften, die ihn überwinden wollen zunächst die
Sozialproteste gegen zunehmende Verarmung und Kürzungen Absicherung ihrer Strukturen: die Arbeit mit Verschlüsselungs-
in den verschiedenen Bereichen, politische Widerstandsbewe- programmen, Organisierungen, in die die staatlichen Organe
gungen gegen Aufrüstung und Kriege, linke und revolutionäre möglichst wenig Einblick haben, Berücksichtigung der Überwa-
Bewegungen und Organisierungen, die die Unzufriedenheit auf- chungsmöglichkeiten usw. Dazu sind nicht zuletzt immer wieder
greifen und sich entwickeln usw. Dass es von Regierung und Ka- Analysen und Einschätzungen der Arbeit der Repressionsorgane,

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aber auch die gezielte Nutzung von immer vorhandenen Spiel- Zur Geschichte staatlicher Repression in der BRD
räumen nötig. Darüber hinaus müssen die Widersprüche zwi-
schen einem repressiven Staat und allen fortschrittlichen Kräften Mit der Gründung der BRD konnte bereits kurz nach dem Ende
aufgegriffen werden: Es gilt die Entwicklungen zu thematisieren des Zweiten Weltkrieges wieder ein deutscher Staat in das impe-
und dazu zu arbeiten. Ob gegen die Verschärfungen im Ver- rialistische Lager integriert werden. Im Sinne der „containment-
sammlungsrecht, aus Anlass von Angriffen auf linke Mobilisie- Politik“ (dt. Eindämmungspolitik) sollte der Einfluss der Sowje-
rungen und Strukturen oder bei der Ausweitung der Befugnisse tunion und der internationalen kommunistischen Bewegung
der Repressionsorgane – es gibt stetig Anknüpfungspunkte, die zurückgedrängt werden. In der BRD wurde der Antikommunis-
aufgegriffen werden können und müssen. Hierbei sind Bündnisse mus wieder zur Staatsideologie. Während viele Nazis in der BRD
mit allen fortschrittlichen Kräften, mit denen es möglich ist, ein unbehelligt blieben und ihre Karriere fortsetzen konnten, wurde
wichtiges Mittel, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, die die linke Bewegung und die Bewegung gegen die Remilitarisie-
Aktivitäten effektiver zu gestalten und die Isolierung der linken rung der BRD mit massiver Repression überzogen. Im Jahr 1951
und revolutionären Kräfte zu überwinden. wurde ein politisches Strafrecht (§84 ff. Gefährdung des demo-
Generell ist es aber von Bedeutung, dass wir es im Hinblick kratischen Rechtsstaates) eingeführt, mit dem die Gesinnung als
auf die innere Aufrüstung weniger mit einer technischen, als mit Straftatbestand verfolgt werden konnte. Dieses Gesetz ähnelte in
einer politischen Frage zu tun haben. Ebenso wie sie Teil einer großen Teilen jenen NS-Staatsschutzvorschriften, die die Alliier-
politischen Strategie ist, kann unser Kampf dagegen, über den ten nach dem Zweiten Weltkrieg gerade erst aufgehoben hatten.
praktischen Umgang damit hinaus, nur ein politischer Kampf 1952 wurde der erste politische Mord seit dem Faschismus an
sein. Eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft wird eben Philipp Müller, der an einer Demonstration gegen die Remilita-
nicht nur damit zu erreichen sein, dass wir auf technischer Ebe- risierung teilgenommen hatte, verübt. 1956 wurde die KPD ver-
ne einen Umgang mit der Repression finden oder immer wie- boten. In den 50er und 60er Jahren wurden Ermittlungsverfahren
der Kampagnen gegen neue Verschärfungen führen, sondern gegen 150.000 Menschen eingeleitet, die unter „Kommunismus-
dadurch, dass wir politisch die richtigen Antworten entwickeln. verdacht“ gestellt wurden. Auch das Verbot politischer Streiks
Konkret: der Kapitalismus beruht auf der Ausbeutung und Un- war eine Antwort auf klassenkämpferische Strömungen im DGB.
terdrückung der Klasse der Lohnabhängigen. Ein entschlossener
und organisierter Kampf dieser Klasse bzw. großer Teile von ihr, Mit der Studierendenbewegung begann eine neue Phase inten-
wird auch mit noch so viel Geheimdiensten, Kameras, Polizei, siver Repression, in der der Staat wiederum sein Arsenal von Auf-
Militär und Spitzeln nicht aufzuhalten sein. Darauf hinzuwirken, standsbekämpfungsmaßnahmen weiter ausbaute. 1968 wurden
ist die entscheidende Aufgabe der revolutionären Kräfte. die Notstandsgesetze verabschiedet. Durch den so genannten
Wie in anderen Bereichen auch, ist es aber nicht möglich, Radikalenerlass wurden Berufsverbote durchgesetzt. Gefangene
allein durch vereinzelte Gruppen oder durch mehr oder weniger aus der RAF wurden Isolationsfolter ausgesetzt. Eine Killfahndung
starke Bewegungen den nötigen Aufgaben nachzukommen oder nach mutmaßlichen RAF-Mitgliedern fand statt. 1976 wurde der
die Möglichkeiten zu nutzen. Der Aufbau einer revolutionären §129, „Bildung einer kriminellen Vereinigung“, um den §129a,
Organisation, die kontinuierliche theoretische und praktische „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ erweitert. Alle diese
Arbeit, die Verankerung in der Klasse der Lohnabhängigen, die Maßnahmen waren Reaktionen des Staates auf die sich radika-
Zusammenarbeit mit anderen fortschrittlichen Kräften und die lisierenden Bewegungen und bewaffneten Kämpfe in der BRD.
Unterstützung aller fortschrittlichen und revolutionären Aktivi- Dadurch sollten politische Bewegungen behindert und revo-
täten und Organisierungen, ist der Weg, um den aufgerüsteten lutionäre Strukturen zerschlagen werden. Auch heute nimmt
bürgerlichen Staat zu überwinden. die staatliche Repression wieder zu. Nach den Anschlägen vom
Wenn wir bei unserem Handeln stetig mit der Gewalt des 11. September 2001 wurde eine Reihe von Verschärfungen vor-
genannten staatlichen Repressionsapparates konfrontiert werden, genommen. 2002 wurde der §129b eingeführt, der sich gegen
darf uns das weder wundern noch verunsichern. Im Gegenteil, die Unterstützung im Ausland tätiger „terroristische Vereinigun-
zeigt es doch gerade, dass wir auf dem richtigen Weg sind und gen“ richtet.
es zwischen uns und den Kriegstreibern, Sozialabbauern und
Ausbeutern keine Gemeinsamkeiten gibt. Wenn sie unsere Ak- In den letzten Jahren lassen sich wieder neue Ansätze von au-
tivitäten angreifen, lernen wir daraus für das nächste Mal und ßerparlamentarischen Bewegungen in vielen Bereichen beob-
machen es dann besser. Und wenn sie unsere Strukturen zerschla- achten – und mit ihnen auch Aktionen außerhalb des gesetzli-
gen bauen wir sie auf einem höheren Niveau von Neuem auf. Sie chen Rahmens. Die neue Zunahme staatlicher Repression lässt
kommen immer nur soweit, wie wir sie lassen – je besser wir uns sich auch in diesem Zusammenhang erklären. Hinzu kommen
organisieren, je konsequenter wir unseren Kampf führen, je mehr die zunehmend krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus und
Ausdauer und Verbindlichkeit wir beweisen, desto schneller wer- die sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Widersprüche, die
den wir der kapitalistischen Barbarei ein Ende bereiten. für die Herrschenden potentiell eine Gefahr darstellen.

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Informationen im Internet zu spezifischen Bereichen der staatlichen Repression:
Rote Hilfe: www.rote-hilfe.de
Netzwerk für die Freiheit der politischen Gefangenen: www.political-prisoners.net
Bündnis für Versammlungsfreiheit Baden-Württemberg: www.versammlungsrecht2009.tk

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Selbstverständnis

A
nfang 2010 haben sich verschiedene Organisationen zu- eines proletarischen Klassenstandpunkts verbinden. Reine Theorie
sammengefunden, die das gemeinsame Ziel verfolgen, eine bleibt nur abstrakte Kritik, reine Praxis bleibt ziellos.
klassenkämpferische und revolutionäre Theorie und Praxis In der internationalen Solidarität mit den fortschrittlichen und
zu entwickeln. Ein erster Anlass bestand darin, zum Thema Anti- revolutionären Kräften in aller Welt, dem organisierten Klassen-
militarismus zu arbeiten. Dabei wollen wir es aber nicht belassen, kampf und einer Perspektive jenseits der kapitalistischen Macht-
sondern versuchen, eine längerfristige bundesweite Zusammenar- und Eigentumsverhältnisse liegt unsere Chance.
beit zu organisieren. Die Vernetzung soll dazu beitragen die Zer-
splitterung der revolutionären Linken in der BRD zu verringern. Für einen revolutionären Aufbauprozess!
Wir wollen auch dazu beitragen, die Zusammenarbeit von in Für den Kommunismus!
Deutschland lebenden RevolutionärInnen aus verschiedenen Län-
dern zu stärken. Wir sind in verschiedenen Bereichen aktiv: unter
anderem gegen imperialistische Kriege, gegen Faschismus, im Bil- beteiligte Organisationen:
dungs- und Schulstreik, bei Sozialprotesten, Arbeitskämpfen und
gegen staatliche Repression. ADGH – Demokratische Jugendbewegung in Europa
Die Gruppen eint, trotz der vorhandenen Unterschiede in der Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin
Herangehensweise, der Kampf für den Kommunismus. Unser Ziel KGÖ Europakomitee
ist eine Gesellschaft, in der die Produktionsmittel nicht länger im KPD / Roter Morgen
Besitz einer Minderheit sind, die sich den Mehrwert aneignet und so Marxistische Aktion Tübingen
die Lohnabhängigen ausbeutet. Die Perspektive liegt in einer kom- MLKP Deutschlandkomitee
munistischen Gesellschaft, in der die Produktion nicht dem Profit, Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg
sondern den Bedürfnissen dient und die Herrschaft des Menschen Revolutionäre Aktion Stuttgart
über den Menschen abgeschafft ist. Diesem Ziel kommen wir nicht Revolutionäre Perspektive Berlin
näher, wenn wir vereinzelt kämpfen. Deshalb müssen wir uns or- Rote Antifa NRW
ganisieren. Für den revolutionären Kampf ist es außerdem notwen- Rote Szene Hamburg
dig, dass wir die theoretische mit der praktischen Arbeit auf Basis Sozialistische Linke Hamburg

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Eine gemeinsame Broschüre von:
ADGH – Demokratische Jugendbewegung in Europa
Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin
KGÖ Europakomitee
KPD / Roter Morgen
Marxistische Aktion Tübingen
MLKP Deutschlandkomitee
Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg
Revolutionäre Aktion Stuttgart
Revolutionäre Perspektive Berlin
Rote Antifa NRW
Rote Szene Hamburg
Sozialistische Linke Hamburg

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