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Medikamente gemessen werden. Methylphenidat ist ein Amphetaminderivat und chemisch
verwandt mit den Neurotransmittern Adrenalin bzw. Noradrenalin und Dopamin. Es
unterstützt deren Wirkung indem es die Ausschüttung aus den praesynaptischen Vesikeln des
Axons fördert und die Rückaufnahme hemmt. Beide Neurotransmitter sind wichtig bei der
zentralnervösen Verarbeitung von wichtigen externen und internen Ereignissen oder Stress-
Situationen. Dopamin gilt dabei als ein besonders rasch aktivierbarer Neurotransmitter.
Wie dieser Vorgang biochemisch verläuft und warum dadurch eine Veränderung des
Verhaltens eintritt, ist bis heute noch nicht exakt erforscht. Normalerweise wird durch
Methylphenidat eine erhöhte motorischen Aktivität, Wachheit und Bereitschaft bewirkt. Das
war das Wirkungsspektrum, das auch von Leistungssportlern ausgenutzt worden war.
Dagegen kommt es bei Kindern mit ADHS zu einer verminderten motorischen Aktivität bzw.
zu einer verbesserten motorischen Steuerungsfähigkeit und psychischen Beruhigung, z.B.
auch zu einer Abschwächung von impulsiven Reaktionen. Geht man von der Hypothese aus,
daß bei ADHS-Kindern eine erhöhte Ansprechbarkeit der Neurotransmittersysteme von
Dopamin und/oder Noradrenalin auf interne und externe Stimulationen oder Anregungen
vorliegt, so führt die Einnahme von Amphetamin oder seiner Derivate einerseits zu einer
erhöhten Konzentration von Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt aber
andererseits auch zu einer Hemmung weiterer Ausschüttung zumindest in übersteigerter
Intensität, so daß bei Stress nur noch eine gemäßigte Reaktion erfolgen kann. Diese
Hypothese wird vor allem von Prof. Huether aus Göttingen vertreten, der davon ausgeht, dass
das dopaminerge System bei ADHS-Kindern besonders stark ausgeprägt ist so dass eine
abnorm hohe Dichte an Synapsen vorliegt.
Da Methylphenidat als Tablette eingenommen wird, flutet der Wirkstoff deutlich langsamer
an, als wenn er z.B. intravenös verabreicht werden würde. Daher werden auch nicht die
Reaktionen ausgelöst, die sein Suchtpotential begründen, nämlich dass bei rascher Entleerung
der Speicher ein subjektives Hochgefühl empfunden wird. Dieses Gefühl entsteht, wenn
plötzlich die Rezeptoren von Botenstoffen überschwemmt werden, ähnlich wie dies bei
anderen Suchtmitteln geschieht, die zu einer Ausschüttung von Dopamin oder Serotonin
führen (Huether und Bonney 2002).
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Dadurch kommt es zur Aktivierung präsynaptisch lokalisierter Dopamin-Autorezeptoren
(D2), die eine Hemmung der weiteren, impulsgetriggerten Dopaminfreisetzung bewirkt. Man
weiss, dass es zwei Hauptrezeptorgruppen im dopaminergen System mit jeweils mehreren
Untergruppen gibt, die im ZNS unterschiedlich verteilt sind und für unterschiedliche
Funktionen verantwortlich sind: die postsynaptischen Rezeptoren vom D1-Typ und die prä-
und postsynaptisch lokalisierten D2 Rezeptor-Typen. Methylphenidat wirkt auf den Dopamin-
Transporter Rezeptor und blockiert die Rückresorption des ausgeschütteten Dopamins.
Diese Systeme sind auch in Krankheitsprozesse eingebunden wie z.B. M. Parkinson, bei dem
ein Dopamindefizit im Striatum besteht oder Dyskinesiesyndrome, bei denen ein
Dopaminüberschuß im Striatum vorliegt. Veränderungen des Dopaminsystems im Frontalhirn
werden bei der Schizophrenie und insbesondere auch bei der Depression („major
depression“) diskutiert. Störungen des dopaminergen Systems führen also zu
unterschiedlichen Symptomen: im Striatum zu motorischen Störungen, im Frontalhirn zu
psychischen Störungen und in der Substantia nigra und Tegmentum zu Störungen im Lern-
und Belohnungsverhalten.
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vermindert, im Hirnstamm, insbesondere dem Locus coeruleus, die Aufmerksamkeit
beeinträchtigt, im Striatum können Dyskinesien oder Tics auftreten und im postzentralen
Kortex wird die Verarbeitung sensorischer Reize gestört. Diese Auffälligkeiten sind auch bei
aufmerksamkeitsgestörten, unruhigen und impulsiven Kindern bekannt.
Unerwünschte Wirkungen oder Nebenwirkungen sind vor allem: die Appetitstörung, die vor
allem nach der Einnahme des Medikamentes morgens nüchtern auftritt, so dass im Einzelfall
entschieden werden muss, daß auch nach dem Frühstück Methylphenidat eingenommen
werden kann, Einschlafstörungen, die als Rebound Effekt interpretiert werden können, wenn
die Kinder abends nachzuholen scheinen, was sie am Tag „versäumt“ haben und eine
depressive Stimmungslage, auf die anamnestisch besonders zu achten ist, insbesondere auch
bei Kindern und Jugendlichen, die auch schon selbstkritisch ihr Verhalten beurteilen. Eine
Suchtgefährdung geht von Methylphenidat nicht aus, da das erwünschte Hochgefühl sich
nicht einstellt! Im Gegenteil kann man davon ausgehen, daß Jugendliche und Erwachsene mit
ADHS durch die pharmakologische Behandlung ein geringeres Risikopotenzial aufweisen
von Alkohol oder anderen Suchtmitteln abhängig zu werden. Nicht auszuschliessen ist
dagegen, dass sich Kinder an die Medikamente gewöhnen bzw. mit ihrem Verhalten ohne
medikamentöse Behandlung nicht zurechtkommen. In diesen Fällen könnte der Wunsch
bestehen die Behandlung - trotz einer verbesserten Symptomatik bis ins Erwachsenenalter
fortzuführen.
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Von Huether und Mitarbeitern wurde allerdings tierexperimentell beobachtet, daß bei
Verabreichung von Methylphenidat an Ratten vor der Pubertät die Ausreifung des Dopamin-
Neurotransmittersystems gehemmt wird. Die aufsteigenden dopaminergen Projektionen
entwickeln sich bis zur Pubertät. Danach verringert sich im natürlichen Verlauf die Dichte der
Dopaminsynapsen stetig. Es besteht bei früher Methylphenidatbehandlung also das Risiko,
daß im späteren Leben die Dopaminsynapsendichte früher zu einem kritischen Punkt kommt,
an dem Dopaminmangelsymptome ausgelöst werden. Überprüft wurde dies bisher noch nicht;
es gibt auch bei Menschen bisher keine Hinweise, daß im Alter häufiger Parkinson auftritt,
wenn in der Kindheit Methylphenidat eingenommen worden ist (Moll et al. 2001, Huether u.
Bonney 2002). Dennoch muß nach dem derzeitigen Wissensstand dieses Risiko auch bei
Kindern berücksichtigt werden, wenn Methylphenidat bei Personen verabreicht wird, die kein
verstärkt ausgebildetes dopaminerges System besitzen, d.h. bei unrichtiger Diagnosestellung,
und vielleicht auch bei sehr früher Verabreichung oder sehr hoher Dosierung.
Es gibt eine Reihe von Amphetaminderivaten, die als Psychostimulanzien eingesetzt werden
und sehr ähnliche pharmakologische Wirkungen wie Methylphenidat aufweisen. Hierzu
gehören die Amphetamine selbst, die als L-Amphetamin, D-Amphetamin oder D-L
Amphetamingemisch verabreicht werden können, Fenetyllin (Captagon), das teilweise zu
Amphetamin und teilweise zu Theophyllin metabolisiert wird, sowie Amfetaminil (AN1), das
im Kindesalter für diese Indikation nicht zugelassen ist (Tabelle 1). Die Medikamente gelten
als Mittel der zweiten Wahl und werden eingesetzt, wenn durch Methylphenidat keine oder
keine ausreichende Wirkung erreicht wird, oder erhebliche Nebenwirkungen auftreten. Ein
besonderer Vorteil der Amphetamine ist, daß sie eine deutlich längere Halbwertszeit besitzen,
d.h. nur maximal 2x am Tag eingenommen werden müssen. International wird auch gerne
Pemolin (Tradon) einsetzt, das kein Amphetaminderivat ist und bei dem toxische
Leberstörungen als Komplikationen beschrieben worden sind.
Andere Psychopharmaka
Für Non-Responder auf Methylphenidat, Amphetamin oder Amphetaminderivate stehen
weitere medikamentöse Behandlungsoptionen zur Verfügung (Tabelle 2); sie weisen darauf
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hin, dass nicht nur Störungen der monaminergen Neurotransmittersysteme ADHS
bedingen können. Die weiteren pharmakologischen Optionen sind generell deutlich
weniger wirksam, auch wenn Ihre Wirksamkeit in Studien evaluiert werden konnte. Daher
kann im Einzelfall bei Nichtansprechen auf die Amphetamine auf sie zurückgegriffen werden.
Allerdings soll ausdrücklich hervorgehoben werden, daß bei jedem medikamentösen
„Fehlschlag“ immer die Aufforderung besteht, die Diagnose erneut zu prüfen, evtl. auch eine
Therapiepause einzulegen usw. Vielfach ist eine stationäre Behandlung erforderlich, vor
allem, wenn zusätzliche Verhaltensstörungen und/oder Lernleistungsstörungen bestehen.
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Literatur
Barkley R A (1997) Behavioral inhibition, sustained attention, and executive functions:
constructing a unifying theory of ADHD. Psychological Bulletin 121: 65-94
Hüther G, Bonney H (2002) ADS/ADHS: Neues vom Zappelphilipp. Walter Verlag, 2002
Moll GH, Mehnert C, Wicker M, Bock N, Rothenberger A, Rüther E, Huether G (2000) Age-
associated changes in the densities of presynaptic monamine transporters in different regions
of the rat brain from early juvenile life to late adulthood. Developmental Brain Research 119:
251-257