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Bullying - Aggression unter Schülern

Zusammengefasst nach
Schäfer, Mechthild (o.J.). Aggressionen unter Schülern (Bullying): Ausmaß,
Arten und Prozesse der Stabilisierung - Ein Überblick. Politische Schriften
der Hans-Seidl-Stiftung.
WWW: http://mobbingzirkel.emp.paed.
uni-muenchen.de/secure/ressourcen/
data/SEIDL_Text.pdf (04-03-13)
Schäfer, Mechthild (o.J.). Gruppenzwang als Ursache für Bullying?
Einstellungen zum Ausmaß und den Ursachen von Bullying sowie
geeigneten Maßnahmen zur Reduktion aus der Perspektive von Lehrern.
Max-Planck-Institut für psychologische Forschung.
WWW: http://mobbingzirkel.emp.paed.
uni-muenchen.de/secure/
ressourcen/data/gzwang.pdf (04-03-13)

Literatur
Alsaker, F.D. (1993). Bully/victim problems in day-care centers.
Measurement issues and associations with children´s psychological health.
Paper presented in a symposium at the biennal meeting of the Society for
Research on Child Development, New Orleans, USA. Manuskript
Kochenderfer, B.J. & Ladd, G.W. (1996). Peer victimization: Cause or
consequence of school maladjustment? Child Development, 67, 1305-1317.
Olweus, D. (1993). Victimization by peers: Antecedents and long term
outcomes. In K. H. Rubin & J. B. Asendorpf (Hg.), Social withdrawal,
inhibition, and shyness in childhood (S. 315-341). Hillsdale, NJ: Erlbaum.
Olweus, D. (1995). Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen
sollten - und tun können. Bern: Huber.
Schäfer, M. (1996). Aggression unter Schülern. Report Psychologie, 21,
700-711.
Schulz, H. & Wolke, D. (1995). Freundschaftsbeziehungen und Gewalt und
Aggressionen an Grundschulen (Manuskript).
Smith, P. K. (1994). What we can do to prevent bullying in school. The
Therapist (Summer 1994), 12-15.
Whitney, I., & Smith, P. K. (1993). A survey of the nature and extent of
bullying in junior/middle and secondary schools. Educational Research, 35,
3-25.

Fragt man Schüler nach dem Ausmaß von Aggression unter ihnen, zeigt
sich über Schulen und Schultypen hinweg ein erstaunlich einheitliches
Bild: in jeder Klasse gibt es Opfer, Täter und Mitschüler, die präzise
berichten können. Fragt man hingegen Lehrer, wird Aggression im
Klassenkontext unterschätzt.
Aggression unter Schülern, neuerdings als "Bullying" oder als "Mobbing"
bezeichnet, ereignet sich "in den kontrollschwachen Räumen hierarchisch
strukturierter Systeme" (Smith 1994) über einen längeren Zeitraum als
systematische und wiederholte Aggression gegenüber Schwächeren.
Man kann körperliches (z.B. schlagen, stoßen, treten), verbales (z.B.
"dumme Sprüche" nachrufen, drohen, hänseln) und indirektes Bullying
(Gerüchte verbreiten oder jemanden ausschließen) unterscheiden, wobei
Knaben mehr körperliches Bullying erfahren und praktizieren, während
Mädchen geringfügig mehr verbales Bullying und definitiv mehr indirektes
Bullying berichten (Whitney & Smith 1993). Die "indirekte" Form des
Bullying wird von Kindern schon früh als aggressiv erkannt, aber mit
zunehmendem Alter von Mädchen signifikant häufiger eingesetzt. Dass
dabei Jungen stärker durch offene Aggression und Mädchen stärker durch
Beziehungsaggression viktimisiert werden, berichten allerdings nur Lehrer
oder Mitschüler. In anonymen Selbstbefragungen berichten Jungen in
gleichem Ausmaß wie Mädchen, durch Beziehungsaggression viktimisiert
zu werden. Aggression unter Schülern umfasst dabei als
 aktives Bullying die aggressiven Angriffe gegen Mitschüler
(=Täterperspektive) und
 passives Bullying oder Viktimisierung als das Erfahren
aggressiver Angriffe durch Mitschüler (=Opferperspektive).

Bullying findet jeweils zur Hälfte in Zweipersonen-Interaktionen und


als Aggression mehrerer Schüler gegen ein Opfer statt (Olweus
1993, Whitney & Smith 1993, Schäfer 1996). Trotz unterschiedlicher
Angaben über das Ausmaß von Bullying, die im wesentlichen auf
unterschiedliche methodische Erfassung und unterschiedliche
definitorische Schärfe zurückzuführen sind, lässt sich als Richtwert
ausmachen, dass in weiterführenden Schulen im Schnitt einer von
sieben Schülern manchmal und etwa 4% der Schüler ein- oder
mehrmals pro Woche schikaniert werden. Für die Grundschule
berichten 27% der Schüler, schikaniert zu werden, und bei 8% ist
anzunehmen, dass sie ein- oder mehrmals pro Woche schikaniert
werden.
Eine Abhängigkeit vom Alter ist für aktives Schikanieren nicht
oder zumindest nicht eindeutig belegbar. Es zeigt für Knaben eine
leicht steigende Tendenz und für Mädchen eine sinkende Tendenz
(Olweus 1993, Schäfer 1996). Als bestätigt gilt, dass das Ausmaß
der Viktimisierung mit zunehmendem Alter von der Grundschule bis
zur weiterführenden Schule abnimmt, wobei physische Aggressionen
abnehmen. Das erklärt, warum bei retrospektiver Erhebung meist
keine nennenswerten Unterschiede im Ausmaß von Bullying in
Grund- und weiterführender Schule berichtet werden, denn
langfristig erinnert werden eher psychische Aggressionen.
Es existieren nur wenige Untersuchungen, die über eine kurze
Zeitspanne hinweg die Stabilität von Viktimisierung erhoben
haben. Betrachtet man die Wahrscheinlichkeit, durch Mitschüler
immer wieder viktimisiert zu werden in Abhängigkeit vom Alter,
dann scheint sich mit Erreichen der Mittelstufe eine stabile Tendenz,
zum Opfer zu werden, manifestiert zu haben. Insbesondere bei
Kindern, die schon früh intensiv und fortdauernd zu Opfern von
Bullying werden, setzt eine Manifestation dieser Opferrolle deutlich
früher ein (Kochenderfer & Ladd 1996, Alsaker 1993).
Eine Studie von Mechthild Schäfer an Münchener Lehrern bestätigt,
dass Bullying von Lehrerseite durchwegs unterschätzt wird.
Andererseits bestätigen die Ergebnisse der Studie in durchaus
überraschendem Umfang reflektiertes Wissen über die Aggression
im Klassenkontext und sie unterstützen Befunde, die die
Abhängigkeit der Lehrereinstellungen vom Schulklima belegen. Etwa
die Hälfte der Befragten schätzt ca. 7% der Schüler als regelmäßige
Opfer, ungefähr ein Drittel ca. 15% der Schüler als Opfer ein, wobei
die Schätzwerte - entgegen den in Schülerbefragungen gefundenen
Werten - für die Grundschule keinesfalls höher sind. Dieser
Lehrereinschätzung stehen einheitliche Berichte von Schülern über
ca. 15% Viktimisierung in der weiterführende Schule und ca. 25% in
Grundschulen gegenüber (Olweus 1995, Schäfer 1996, Schulz &
Wolke 1995, Whitney & Smith 1993). Dass sich Mitschüler eher mit
den "Bullies" als den Opfern solidarisieren, kann mit dem Phänomen
des Gruppenzwanges erklärt werden, was für Opfer häufig
Mittäterschaft bedeutet.
Der Begriff "Bully" bezeichnet im Hockey, insbesondere im
Eishockey, das Ins-Spiel-Bringen des Balls bzw. des Pucks durch den
Schiedsrichter zu Beginn des Spiels, bei Wiederbeginn nach
unvorhergesehenen Unterbrechungen oder nach unterschiedlicher
Entscheidung der Schiedsrichter. Im Umgangssprachlichen daher eine
Bezeichnung für "Einwurf", wobei immer zwei Spieler einander
gegenüberstehen und um den Spielball bzw. den Puck kämpfen.

Bullying-Intervention und auch -Prävention sind nicht


geeignet, Aggression im Klassenkontext gänzlich zu verhindern,
können aber den aggressiveren Kindern den Boden für einen
klasseninternen Statusgewinn durch aggressive Strategien
entziehen. Damit kann zwar nicht gewährleistet werden, dass die
Kinder, die leicht zu Opfern werden, vollständig und problemlos in
der Klasse integriert werden, doch kann erreicht werden, dass die
Mehrheit der Schüler, die äußern, dass sie Bullying in ihrer Klasse
nicht wollen (Schäfer 1996a), Unterstützung erhält, die z.B. auf
gemeinsam erarbeiteten Regelwerken über das soziale
Miteinander und klarer Benennung von Grenzen in diesem
Miteinander (und der resultierenden Sanktionen) aufbaut und
durch eine bewusste Aufmerksamkeit aller an Schule Beteiligten
(Schüler, Lehrer, Eltern usw.) mitgetragen wird. Eine solche
grundsätzliche Auseinandersetzung über akzeptable Formen des
sozialen Miteinanders und deren ständige Aktualisierung im tägliche
Miteinander ermöglicht Kindern zu begreifen, dass ein Grundrecht
auf körperliche und seelische Unversehrtheit faire Chancen für jedes
Kind bedeuten und wie das systematische Schikanieren oder
bewusste Ausgrenzen bestimmter Kinder eindeutig gegen die
Chancengleichheit verstößt.

Ungefähr dreiviertel der Lehrer favorisieren in der Studie von


Schäfer (o.J.) im Fall von Bullying mit möglichst vielen Beteiligten zu
sprechen, erst in zweiter Präferenz die Eltern zu benachrichtigen und
selten Verweise oder Strafarbeiten als Reaktion einzusetzen. Dabei
ziehen ungefähr zwei Drittel der Lehrer vor, erst mit Opfer bzw.
Täter, dann mit ihnen gemeinsam und auch mit der Klasse zu
sprechen, während ein Drittel - die Einzelgespräche vermeidend -
mit Opfer und Täter gemeinsam sprechen und oft zusätzlich die
Diskussion in der Klasse anregen. Unter dem Aspekt effektiver
Interventionen erfüllen die verschiedenen Kommunikationsansätze
verschiedene Funktionen:
 Gespräche mit dem Täter sollten sehr bald nach dem
Bullying-Ereignis stattfinden und das eindeutige Ziel
haben, Bullying zu stoppen und die unmissverständliche
Botschaft enthalten "Wir akzeptieren keine Gewalt in
unserer Klasse/Schule und werden dafür sorgen, dass sie
aufhört!" (nach Olweus 1995).
 Schon existierende Klassen- oder Schulregeln gegen
Gewalt bieten einen guten Hintergrund für das Verstehen
des Schülers und erleichtern ein wirkungsvolles Vorgehen
des Lehrers, ohne dass dieser Gefahr läuft, dem "Bully"
durch zusätzliche Aufmerksamkeit einen weiteren
Statusgewinn zu ermöglichen.
 Gespräche mit dem Opfer enthalten die
Verantwortung, die Situation für das Opfer tatsächlich zu
verändern und zu verbessern. Das oft beobachtete
Bemühen von Seiten des Opfers, seine Situation zu
verbergen (oft aus Angst und unter Bedrohung), darf
weder von Eltern noch von Lehrern unterstützt werden.
 Gespräche und Diskussionen mit der Klasse sind zur
Beseitigung einer aktuellen Bullyingsituation ein
ausgezeichnetes Mittel, um sicherzustellen, dass die
gewünschten Verhaltensänderungen tatsächlich eintreten
und von Dauer sind. Dieses ist wiederum vereinfacht,
wenn unter Mitwirkung der Klasse schon Regularien
geschaffen sind, die das Miteinander positiv definieren,
aber auch Maßnahmen enthalten, die dann konsequent
Anwendung finden, wenn aggressives oder
regelbrechendes Verhalten gezeigt wird.

Tatsächlich - so Olweus (1995) - ist oft große Erleichterung


feststellbar, wenn Bullying endlich ans Tageslicht kommt. Die
Verantwortung, die Erwachsene dadurch - wenn eben möglich
mit Einwilligung des drangsalierten Kindes - übernehmen ist
aber erheblich, denn ein halbherziges Abhandeln des Problems
macht die Situation des Kindes in der Klasse häufig noch
schlimmer. Letzteres gilt ganz besonders für Gespräche mit
Opfer und Täter. Eine Lehrkraft, die hier eingreift, muss sich
der expliziten Aufgabe bewusst sein, den Schutz des Opfers zu
gewährleisten, bis die Bullyingsituation gelöst ist. Bezüglich
von Strafen ist dabei besonders zu beachten, dass diese für
den Täter unangenehm sein sollten, aber als eindeutiges
Signal gegen unerwünschtes Verhalten und nicht aversiv
gegen die Person gerichtet sind.

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