Sie sind auf Seite 1von 47

Franz Sicklinger, Metten

Das Land der Abtei


Seine Geschichte und die Geschichte eines seiner Dörfer
Franz Sicklinger

Das Land der Abtei


Seine Geschichte und die Geschichte eines seiner Dörfer

Metten, im Jahr 2018

2. korrigierte und ergänzte Auflage, Oktober 2018


Inhaltsverzeichnis
I Vorbemerkung ..................................................................................................................... 4

II Geschichte bis zur Gründung des Königreichs Bayern ....................................................... 5


1. Das Abteiland: Entstehung, Territorium und politische Struktur ................................... 5
2. Besiedlung und landwirtschaftliche Strukturen ............................................................. 9
3. Gesellschaftspolitische Strukturen ............................................................................... 17
a) Das Feudalsystem .................................................................................................... 17
b) Zehent und Fron ....................................................................................................... 17
c) Rebellion der Bauern ............................................................................................... 19
4. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen im Land der Abtei – Plünderung und Schwar-
zer Tod .......................................................................................................................... 20
a) Der „Schwarze Tod“ ................................................................................................ 21
b) Nach dem Kriege ..................................................................................................... 22
III Das Abteiland wird königlich-bayerisch ........................................................................... 24
1. Wie ein Schauberger Raufbold zum Mit-Erbauer der Thierham-Kapelle wurde ......... 25
2. „Die Revolution von oben“: Wie der bayerische König die Grundfeste für das moderne
Bayern schuf ................................................................................................................. 30
a) Der König beendet das Lehenswesen und die Fron der Bauern – aber nur gegen Ab-
findung ..................................................................................................................... 31
b) Vom Holzhaus zum Steinhaus ................................................................................. 33
3. In der Dorfmitte zwischen zwei mächtigen Linden: Ein Zeichen des christlichen Glaubens
.......................................................................................................................................... 36
IV Entwicklung im 20. Jahrhundert ....................................................................................... 38
1. Das Dorf brennt ab ....................................................................................................... 38
2. Der Granit ..................................................................................................................... 41
3. Ein Bauernhof – ein Bauerndorf ? ................................................................................ 42
V Quellen .............................................................................................................................. 44
1. Bücher .......................................................................................................................... 44
2. Karten und Bilder ......................................................................................................... 45

1
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Blick von Schauberg ............................................................................................. 3

Abbildung 2: An Österreich abgetretenes Gebiet des Hochstifts Passau .................................... 7

Abbildung 3: Haidensäge / Schauberger Säge .......................................................................... 11

Abbildung 4: Flurkarte Schauberg ............................................................................................ 13

Abbildung 5: Ochsenweide des Dorfes Oberneureuth .............................................................. 14

Abbildung 6: Pestsäule in Oberneureuth .................................................................................. 21

Abbildung 7: Pestsäule Oberneureuth Südseite ........................................................................ 21

Abbildung 8: Pestsäule Salzweg, .............................................................................................. 22

Abbildung 9: Thierham-Kapelle innen ..................................................................................... 26

Abbildung 10: Thierham-Kapelle heute ................................................................................... 27

Abbildung 11: Originalfassade der Thierham-Kapelle im Museumsdorf Bayerischer Wald ... 28

Abbildung 12: Silberarbeiter ..................................................................................................... 29

Abbildung 13: Ortstafel Schauberg ........................................................................................... 30

Abbildung 14: Stoarl-Haus in Oberfrauenwald ........................................................................ 34

Abbildung 15: Bartl-Haus in Schauberg ................................................................................... 34

Abbildung 16: Hoin-Anwesen in Schauberg ............................................................................ 35

Abbildung 17: Dorfkreuz Schauberg ........................................................................................ 37

Abbildung 18: Schauberger Feuerwehrhorn ............................................................................. 39

Abbildung 19: Schauberger Feuerspritze .................................................................................. 40

Abbildung 20: Türgericht Hoinhaus ......................................................................................... 40

Abbildung 21: Steinhauer im Kandlbinder-Bruch .................................................................... 42

2
Abbildung 1: Blick von Schauberg

3
I Vorbemerkung

Das Schicksal des Einzelnen und der Ge- Dunkel zu holen, ist Ziel der nachstehenden
meinschaften, in denen er lebt, wird seit je- Ausführungen.
her in vielfältiger Weise von der „hohen
Die zweite Epoche, die mit dem Entstehen
Politik“ bestimmt. Im Vordergrund soll im
des Königreichs Bayern beginnt, ist uns ver-
nachstehenden Bericht über die Geschichte
trauter. Und doch ist uns heute kaum mehr
des Landes der Abtei und der dort angesie-
bewusst, wie sehr in der Gründungsphase
delten Dörfer deshalb weniger eine Be-
des Königreichs Grundlagen gelegt und
schreibung möglichst vieler Facetten des
Strukturen geschaffen wurden, die bis in die
dörflichen Lebens in früheren Zeiten stehen
heutige Zeit hineinwirken. Es war dies die
als vielmehr die der politischen Gescheh-
Zeit, in der das bis dahin mittelalterlich ge-
nisse und Entwicklungen. Von diesen aus-
prägte Land der Abtei eine tiefgreifende
gehend soll aufgezeigt werden, wie durch sie
Umgestaltung erfuhr. Diese politische und
das Dorf im „Land der Abtei“ geprägt und
gesellschaftliche Zeitenwende im 19. Jahr-
das Leben der dort wohnenden Menschen
hundert soll deshalb der zweite Schwerpunkt
bestimmt wurde. Der Bericht stellt die Ge-
sein.
schichte des Abteilandes nicht umfassend
dar, sondern beschränkt sich auf die ge- In der vorindustriellen Zeit war die Bevölke-
schichtlichen Aspekte, die das Leben und rung weit überwiegend bäuerlich, im frühen
das Schicksal seiner Bewohner in besonde- Mittelalter zu über 90 Prozent. In einer Ge-
rer Weise beeinflusst haben. schichte des Abteilandes muss deshalb auch
die Entwicklung der Bauerndörfer einen an-
Die erste Epoche der Geschichte des Landes
gemessenen Platz einnehmen. Es würde aber
der Abtei, die von ihren Anfängen an bis zur
den Rahmen dieses Berichtes sprengen, die
Gründung des Königreichs Bayern reicht,
Geschichte möglichst vieler Dörfer im Ein-
war mittelalterlich geprägt. Diese Zeit
zelnen zu beschreiben. Diese Dörfer haben
kommt uns heute oft fremd vor, als dunkles
aber wegen der gleichen Obrigkeit, die die
Zeitalter. Das ist neben dem zeitlichen Ab-
politischen Verhältnisse im Land der Abtei
stand wohl der Grund, dass sie im Bewusst-
geprägt hat, eine ähnliche Geschichte. Des-
sein der breiten Bevölkerung heute kaum
halb kann die Geschichte eines Dorfes stell-
mehr präsent ist. Diese Zeit für den regiona-
vertretend für die der anderen stehen. Dieses
len und dörflichen Raum etwas aus dem
Dorf soll mein Heimatort Schauberg sein.

4
II Geschichte bis zur Gründung des Königreichs Bayern

1. Das Abteiland: Entstehung, Territorium und politische Struktur

Der Name Schauberg erklärt sich – nomen Frankenkönig Karl der Große (von 747 bis
est omen – aus der Lage des Dorfes. 750 814) zu königlichem Eigentum erklärt hatte.
Meter hochgelegen gewährt sie einen herrli- Kaiser Heinrich II., einer seiner Nachfolger,
chen Blick in das Staffelbachtal, das im schenkte es im Jahre 1010 dem vom bayeri-
Süden von Ruhmannsberg und Staffelberg schen Herzog Tassilo gegründeten Kloster
und im Norden von Geiersberg und Ober- Niedernburg in Passau. (Auch wenn die
frauenwald begrenzt wird. Den Beginn des Schenkungsurkunde vom 19. April 1010
Tales markiert der Kirchturm der kleinen Fi- nach Ludwig Veit eine Fälschung sein soll,
lialkirche Krinning und das Ende der Kirch- ist doch der erhebliche Grundbesitz des
turm der Hauzenberger Pfarrkirche. Bei Klosters Niedernburg in dieser Region be-
Föhnwetter kann man von der Anhöhe über legt). Im Jahre 1161 schenkte dann Kaiser
dem Dorf aus sogar die Alpenkette bewun- Friedrich Barbarossa das Kloster Niedern-
dern. burg samt seinem Besitz im Nordwald sei-
nem Neffen Konrad, dem Bischof von
Schauberg war bis in die neuere Zeit ein rei-
Passau. Das Gebiet erhielt in Erinnerung an
nes Bauerndorf, bestehend aus acht Höfen
den früheren Besitzer, das Benediktinerin-
im Ort und zwei weiteren in der näheren
nenkloster (Abtei) Niedernburg den Namen
Umgebung. Es gehörte früher zur Gemeinde
„Land der Abtei“.
Oberneureuth und ist seit der Gebietsreform
Teil der Gemeinde Sonnen. Der Passauer Bischof war geistlicher Ober-
hirte seiner Diözese, die bis in den Westen
Obwohl die Geschichte des Dorfes Schau-
Ungarns reichte. Er wollte aber auch weltli-
berg etwa fünfhundert Jahre zurückreicht, ist
cher Herrscher werden. Dazu benötigte er
dessen Gründung im Vergleich zu anderen
ein weltliches Territorium. Deshalb löste er
Orten des Unteren Bayerischen Waldes rela-
im Jahre 1262 ein Gebiet, bestehend aus der
tiv spät erfolgt; lediglich das benachbarte
Stadt Passau, dem Land der Abtei sowie,
Gebiet um Breitenberg („Neue Welt“) wurde
zeitlich variierend, einigen weiteren Gebie-
später besiedelt. Die Gründung ist eng mit
ten aus der Schirmherrschaft (Schirmvogtei)
der Siedlungsgeschichte des sogenannten
des Herzogtums Bayern. Dieses Territorium
„Landes der Abtei“ verbunden – so wurde
erhielt die Bezeichnung „Hochstift Passau“.
das Gebiet zwischen der Ilz und der späteren
Es fand innerhalb des deutschen Kaiserrei-
(lange instabilen) österreichischen Grenze
ches (des Heiligen Römischen Reiches
bezeichnet. Dieses Waldgebiet war ur-
Deutscher Nation) Anerkennung als ein ei-
sprünglich Teil des sog. Nordwaldes, den der
genständiger Staat, auf einer Ebene mit den

5
anderen deutschen Fürsten- und Herzogtü- 1469, in der erstmals ein „Schaurperger
mern sowie den reichsunmittelbaren Städten. Wald“ erwähnt ist:
Ermöglicht wurde dies durch einen Erlass
Hainrich Zener verkauft an Jorig Watz-
von Kaiser Friedrich II. aus dem Jahre 1220,
mannsdorfer Leuprechting (...) Wald bei
auf dessen Grundlage es den meisten deut-
Newreut zwischen dem Forstwald und
schen Bischöfen und Erzbischöfen gelang,
dem Dorfwald, anstoßend an den Schaur-
einen Teil ihres Grundbesitzes in ein weltli-
perger Wald (…)
ches Herrschaftsgebiet umzuwandeln. Der
Passauer Bischof hatte nunmehr eine Dop- Diesen Besitz der Watzmannsdorfer ver-
pelfunktion als Oberhirte seiner Diözese und leibte sich der Bischof von Passau als nun-
als Fürst über ein weltliches Territorium. Da mehriger Grundherr der Besitzungen des
sich jedoch die Stadt Passau ein einge- Klosters Niedernburg ein, indem er deren Ei-
schränktes Selbstverwaltungsrecht erkämpft gentum in ein Lehen umwandelte. Die ehe-
hatte, bildete das Land der Abtei das Kern- mals freien adeligen Grundherren wurden zu
land des Hochstifts. Als nunmehriger Lan- Lehensträgern. Im Jahre 1553 wurden meh-
desherr konnte der Fürstbischof nun die Le- rere Güter der Watzmannsdorfer vom Bi-
bensumstände der Bewohner dieses Gebietes schof weiter verliehen. In der Urkunde ist
umfassend auch im weltlichen Bereich auch „Schaurperg“ erwähnt.
regeln.
17. Mai 1553 (...) Gotthard Herrn von
Zunehmend gewannen die Bischöfe die Scherfftenperg verliehene Güter von Bi-
Oberhoheit über adelige Herrschaften, die in schof Wolfgang von Passau: (...) Schaur-
dieser Region Grundbesitz besaßen, so auch perg (3 Güter) (…)
über den Besitz des Adelsgeschlechts der
Auch in den Lehensbriefen der Watzmanns-
Watzmannsdorfer.
dorfer und im Lehensbuch von Bischof
Die Watzmannsdorfer waren ein reich begü- Christoph wird Schauberg mit „2 Lehen, 1/2
tertes Adelsgeschlecht aus dem Raum zwi- Leh.“ geführt.
schen Donau und Inn, die im 11. Jahrhundert
1575 ging schließlich auch der Herrschafts-
über die Donau in den Nordwald kamen, um
sitz Leoprechting an Bischof Urban über.
die Kolonisation zu unterstützen. Ausgangs-
Die Herrschaft der Watzmannsdorfer als
punkt für ihre Tätigkeit war dabei Watz-
freie Grundherren in dieser Gegend war da-
mannsdorf – das heutige Thyrnau. Späterer
mit endgültig beendet.
Verwaltungssitz wurde Ende des 14. Jahr-
hunderts Leoprechting (bei Hutthurm). Die Dieser Ausweitung des fürstbischöflichen
Adelsgeschlechter, die als freie Grundherren Besitzes stand andererseits eine Grenzver-
Kolonisation betrieben, waren darauf be- schiebung zu dessen Lasten gegenüber,
dacht, ihr Gebiet möglichst zu vergrößern. durch die die Gegend östlich von Schauberg
Das bezeugt eine Urkunde vom 25. August für 260 Jahre österreichisches Hoheitsgebiet
wurde. Diese hatte folgenden geschichtli-
chen Hintergrund:

6
Um 1240 hatte der Passauer Bischof unweit
der Mündung der Ranna in die Donau die
Burg Rannariedl errichten lassen, um an die-
ser Stelle die Donau zu kontrollieren und
Steuern erheben zu können. Um der Burg
eine beständige Einnahmequelle zu ver-
schaffen, stattete er sie mit einem Landge-
biet im „Oberen Vorstwald“ aus, einem men-
schenleeren Urwaldgebiet, das bis nahe
Waldkirchen reichte. Er übergab die Burg
zusammen mit den Ländereien an den Be-
sitzer der benachbarten Burg Falkenstein als
Lehen. Dieser betrieb sodann die Koloni-
sation. Einen Schwerpunkt bildete dabei das
Gebiet um Heindlschlag und Jandelsbrunn.

Als Folge des Landshuter Erbfolgekrieges


musste der Passauer Fürstbischof im Jahre
1506 die Burg Rannariedl mit den Lände-
reien um Heindlschlag, Jandelsbrunn und
Wildenranna an das Erzherzogtum Öster-
Abbildung 2: An Österreich abgetretenes
reich abtreten. Der österreichische Erzher- Gebiet des Hochstifts Passau
zog aus dem Adelsgeschlecht der Habsbur- Zwischen 1506 und 1765 verlief die Landes-
ger wollte nicht nur Grundeigentümer, son- grenze zwischen Schauberg (Hochstift
dern auch Landesherr sein. Die Anerken- Passau) und Sonnen (Österreich) sowie zwi-
nung erreichte er, indem er sich auf eine ge- schen Wildenranna (Österreich) und Weg-
fälschte, auf das Jahr 1156 datierte Urkunde scheid (Hochstift Passau). Karte: Friedl
von Kaiser Friedrich Barbarossa berief. Haertel
Das Gebiet um Heindlschlag und Jandels-
brunn wurde nun zusammen mit dem Gebiet Wegscheid war damit von allen Seiten von
um Wildenranna österreichisches Staatsge- österreichischem Gebiet umschlossen. Und
biet und blieb dies 260 Jahre lang. Im dies führte zu ständigen Reibereien zwi-
Norden wurde auch die Ortschaft Sonnen ös- schen den Orten Wegscheid und Wilden-
terreichisch, während der Nachbarort Schau- ranna. Österreich ließ nämlich in Wilden-
berg beim Hochstift Passau verblieb. ranna und einigen weiteren Orten Mautstel-
Im Süden schob sich der österreichische Be- len einrichten. Bis dahin durften Waren ohne
sitz um Wildenranna wie ein Sperrriegel vor Mautabgaben durch das Gebiet von Falken-
das Wegscheider Gebiet, das im Besitz des stein, bzw. Rannariedl gebracht werden. Nun
Passauer Bischofs geblieben war. aber wurde zum großen Ärger der Säumer

7
vom Mauteinnehmer (Mautner) in Wilden- Statthalter in Linz brachte keine Ab-
ranna von allen Waren, die von und nach hilfe.
Passau durch den Amtsbereich Wildenranna
• Als im Jahre 1592 der Mautner von
befördert wurden, Maut erhoben. Bereits im
Wildenranna durch Wegscheid fuhr,
Jahre 1530 beschwerten sich die Bürger von
verhafteten ihn die Wegscheider aus
Wegscheid, dass sie in Wildenranna für das
Ärger über die Maut, mussten ihn
über Passau gelieferte Salz, das mindestens
aber bald wieder freilassen.
schon fünfmal „vermautet“ worden sei, eine
weitere Maut entrichten mussten. Die Be- • Der österreichische Mautner (und
schwerde kam sogar auf dem Reichstag zu Pfleger) verlangte, dass die Einwoh-
Augsburg im Jahre 1530 zur Sprache, wo in ner von Wildenranna Kirchen im ös-
erster Linie die anstehenden Religionsfragen terreichischen Mühlviertel, sieben
und die Türkengefahr behandelt wurden. Kilometer von Oberkappel entfernt,
Man erreichte eine teilweise Aussetzung für besuchen mussten. „Ranninger“, die
zehn Jahre. (Haiböck). trotzdem in das nähere Wegscheid
zur Kirche kamen, wurden aber „we-
Nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist erhob der
gen der Maut“ von den Wegschei-
Mautner von Wildenranna wieder die Salz-
dern wiederum wie Ausländer behan-
maut. Die Bürger von Wegscheid und Unter-
delt.
griesbach griffen nun zur Selbsthilfe: Sie
bauten im Jahre 1540 bei Raschmühle auf • Im Jahre 1617 erhöhte der Mautner
eigene Faust eine Holzbrücke über die von Wildenranna die Mautsätze, ins-
Ranna, um damit die Maut von Wildenranna besondere für das Salz aus Passau.
zu umgehen. Doch der Mautner von Wilden- Daraufhin wurde der Wegscheider
ranna ließ sie wieder niederreißen. Zwischen Pfleger von der Fürstbischöflichen
den beiden Orten kam es in der Folgezeit zu Hofkammer beauftragt, den Mautner
weiteren Zwischenfällen (Haiböck und Stut- zu verhaften, sobald er in Wegscheid
zer): angetroffen werde. Dies geschah tat-
• Ein Bäcker aus Wegscheid, mit sei- sächlich noch im gleichen Jahr. Der
Pfleger hielt den Mautner solange in
nem mit Wein beladenen Pferdefuhr-
Haft, bis der sich verpflichtete, künf-
werk von Untergriesbach kommend,
tig eigenmächtige Mauterhöhungen
weigerte sich, in Wildenranna die
zu unterlassen. Außerdem bekam er
Maut zu entrichten, weil sein Wein
noch eine Geldstrafe.
bereits in Engelhartszell vermautet
worden sei. Darauf konfiszierte der Was sich als ein langanhaltender lokaler
Mautner nicht nur die zehn Eimer Konflikt als Folge der Rivalität zwischen
Wein, sondern auch den Wagen und zwei Orten darstellte, hatte seinen eigentli-
das Pferd. Eine Beschwerde beim chen Grund in der übergeordneten österrei-
chischen Interessenpolitik. Österreich besaß

8
für den Handel nach Böhmen
Die sieben künischen Dörfer
zwischen Linz und Freistadt die
wichtigste Route des Goldenen Mit der Besiedlung des Gebietes um Heindlschlag und
Jandelsbrunn durch die Falkensteiner entstanden die
Steigs (Linzer Steig). Mit der
sieben Dörfer Heindlschlag, Rosenberg, Aßberg,
Mauterhebung in Wildenranna Vorder- und Hinterwollaberg, Grund, Jandelsbrunn
konnte der konkurrierende und Hintereben. Die Siedler kamen hauptsächlich aus
passauische Handelsweg nach der Gegend Viechtenstein (gegenüber Obernzell/Jo-
Böhmen empfindlich gestört chenstein gelegen). Als die sieben Dörfer 1506 zu Ös-
terreich kamen, nannte man sie „die sieben künischen
werden. Die österreichische
Dörfer“. In der Folgezeit wurde in der Bevölkerung
Strategie hatte letztlich Erfolg: zwischen „bistumisch“ und „künisch“ (entstanden aus
der Anrede für die Habsburger als „Seine königliche
Als Reaktion auf die Mauterhö-
Würden“) unterschieden.
hungen und die wiederholte
Noch in den fünfziger Jahren des vorigen Jahr-
Konfiszierung von Waren und hunderts wurden die Bewohner dieser Dörfer von der
anderer zu Beschwerden Anlass hiesigen Bevölkerung hin und wieder abschätzig die
gebender Vorfälle an der Maut- „Sieben-Poiner-Schlegl“ genannt.
stelle Wildenranna nutzten die
Säumer von Passau aus ver-
mehrt andere Wege, so den getretene Gebiet zurückkaufen. Österreich
Goldenen Steig von Passau über Waldkir- und Passau einigten sich auf einen neuen
chen nach Prachatiz. Im 18. Jahrhundert be- Grenzverlauf, der in diesem Gebiet bis heute
schleunigte sich der Niedergang des Säumer- die deutsch-österreichische Staatsgrenze bil-
wesens auf der Handelsstraße von Passau det. Das Gebiet des Hochstifts bildete nun
über Wildenranna und Wegscheid nach Bud- ein geschlossenes Territorium. Im selben
weis. Schließlich wurde im Jahre 1759 das Jahr verfügte die Passauer Hofkammer, dass
Mauthaus in Wildenranna verkauft. das Gebiet des Hochstifts nicht mehr „Land
Im Jahre 1765 konnte der Passauer Bischof der Abtei“, sondern künftig nur noch „Fürs-
Graf von Firmian das 1506 an Österreich ab- tentum Passau“ genannt werden dürfe.

2. Besiedlung und landwirtschaftliche Strukturen

Die Besiedlung Bayerns, die weit in die vor- den Germanenstämmen und römischen Sol-
christliche Zeit zurückreicht, überschritt daten und deren Anhang, die nach dem Zu-
lange nicht die Grenze, die die Donau zum sammenbruch des römischen Reiches zu-
nördlichen Urwaldgebiet bildete. Südlich der rückgeblieben waren, gebildet. Wie weit die
Donau siedelten die Bajuwaren, die heutigen Bajuwaren vereinzelt von der Donau her in
Baiern. Ihr Stamm hatte sich nach der Völ- den damaligen Nordwald vorgedrungen sind,
kerwanderung im sechsten Jahrhundert aus ist ungewiss.
der keltischen Urbevölkerung, eindringen-

9
Eine flächenmäßige und systematische Be- nes Ortes weist Prof. Haversath auf die nur
siedlung des Waldgebietes zwischen Donau begrenzte Aussagefähigkeit von Ortsnamen
und der Grenze zu Böhmen betrieben erst hin.)
das Kloster Niedernburg in Passau (739 ge-
Für das Jahr 1787 sind laut Urbar (Besitz-
gründet) und ihm nachfolgend das Hochstift
rechtsverzeichnis) des Bistums Passau fol-
Passau, des Weiteren das Kloster Niederal-
gende Anwesen in Schauberg aufgeführt
teich (731 gegründet) und das Kloster Met-
(Ludwig Veit):
ten (766 gegründet) sowie die Grafen von
Bogen mit den von ihnen in den Jahren 1100 Weidinger, Haiden, Riepl, Kinateder, Ki-
und 1146 gegründeten Klöstern Oberalteich nateder, Mörtlfranz, Bartl, Jogengut,
und Windberg. Innerhalb weniger Jahr- Sperl.
hunderte entstand eine Siedlungsstruktur, die
Die Namen Hoidn bzw. Hoin (aus Haiden,
bis ins 19. Jahrhundert hinein weitgehend
heute Sicklinger), Mörtl, bzw. Mertl (heute
unverändert erhalten geblieben ist. An die
Meier), Riepl und Bartl (für das gleiche An-
Siedlungstätigkeit des Benediktinerinnen-
wesen wie Riepl, heute Knödlseder) haben
klosters (Abtei) Niedernburg erinnert noch
sich als Hausnamen bis heute erhalten. Den
der Name Oberfrauenwald für den von
Namen Kinateder führt eine Schauberger
Schauberg nordwestlich gelegenen Berg.
Bauernfamilie heute noch; eine Bauernfami-
Die ältesten Orte in dem neuen Siedlungsge- lie mit dem Namen Weidinger gab es bis vor
biet sind die Orte mit der Endung „-ing“. etwa vierzig Jahren im Dorf.
Diese Endung, die aus der althochdeutsch-
Wie aus der historischen Flurkarte
germanischen Sprache kommt, bedeutet „zur
(Abbildung 3) hervorgeht, gehörten zu
Sippe gehörig“. Der Name eines Ortes bil-
Schauberg zwei Sägmühlen. Eine „Haiden-
dete sich, indem die Endung „-ing“ einem
säge“ ist an der Stelle verzeichnet, an der
Rufnamen angefügt wurde. Ein gebräuchli-
sich heute der Ort Haidensäg („Haidnsag“)
cher Rufname war bei den Bajuwaren bei-
befindet. Einige hundert Meter bachabwärts
spielsweise „Sicco“. So bedeutete also
ist eine „Schauberger Säge“ verzeichnet.
„Sickling“ Ort der Sippe des Sicco. Diese
(Auf einer anderen Karte sind beide als Säg-
Orte entstanden meist um die Jahrtausend-
mühlen bezeichnet). Nach der Überlieferung
wende. Die Orte mit den Endungen -dorf,
gehörte die Sägmühle beim Ort Haidensäg
-berg und -reuth wurden in späteren Jahr-
zum Anwesen Haiden in Schauberg (heuti-
hunderten gegründet. So ist es nicht verwun-
ges Hoin-Anwesen). Es ist anzunehmen,
derlich, dass sich für den Ort Schauberg für
dass die andere Säge den übrigen Schauber-
die ersten Jahrhunderte des neuen Jahrtau-
ger Bauern gehörte. Das Haiden-Anwesen
sends keine urkundlichen Nachweise finden
soll das erste und ursprünglich größte Anwe-
lassen. (Zum Problem der Gründungszeit ei-
sen in Schauberg gewesen sein.

10
Abbildung 3: Haidensäge / Schauberger Säge

Die Ansiedlung der einzelnen bäuerlichen herrn geregelt. Wie andere Dörfer auch
Anwesen und die Zuteilung des landwirt- wurde Schauberg als sogenanntes Gewann-
schaftlich nutzbaren Grundes wurde in den dorf (Flurform der Dreifelderwirtschaft) an-
Siedlungsgebieten des Hochstifts Passau gelegt.
planmäßig durch den bischöflichen Landes-

11
Die Felder und Wiesen waren in langgezo- den erholen, indem dieser Bereich ein Jahr
gene schmale Flurgrundstücke unterteilt. brach lag. Beim zweiten Gewann wurde im
(Eine Vermessung erfolgte aber erst nach der gleichen Zeitraum mit Sommergetreide be-
Gründung des Königreiches Bayern, vgl. un- gonnen, es folgte ein Jahr Brache, im dritten
ten). Die Hofäcker verliefen parallel hinter Jahr folgte Wintergetreide. Im dritten Ge-
jedem Hof in der gleichen Breite wie die wann begann der Dreijahreszeitraum mit der
Hofstelle. Typisch für die Felder war, dass Brache, ein Jahr später wurde Wintergetreide
ihre Länge mindestens das Zehnfache der und im nächsten Sommergetreide angebaut.
Breite betrug (siehe Abbildung 4). So waren,
Dieses Rotationssystem stellte sicher, dass in
wenn der Länge nach geackert wurde, weni-
jedem Jahr ein Drittel der Ackerfläche eines
ger Wenden für Pfluggespanne erforderlich.
Bauern Wintergetreide, ein Drittel Sommer-
Auch die Art der Bewirtschaftung war vom getreide trug und ein Drittel brach lag (nach
Landesherren durch Dreifelderwirtschaft Prof. Haversath).
und Flurzwang vorgegeben.
Auf der Brache konnte der Aufwuchs aus
In der Wirtschaftsweise der Dreifelderwirt- Ausfallgetreide und Unkraut gemeinschaft-
schaft wurde das gesamte Ackerland in drei lich vom Dorfvieh abgeweidet werden.
Bereiche (Gewanne) aufgeteilt. Die Dorf-
Die Idee der Gewannbewirtschaftung be-
bauern, deren sämtliche Ackerfluren sich in
stand darin, mit einer schonenden Bodenbe-
den drei Gewannen befanden, hatten deren
wirtschaftung einen langfristig optimalen Er-
Bewirtschaftung gegenseitig abzustimmen.
trag zu erwirtschaften. Zudem vermied man
Jedes Jahr hatten sie Vereinbarungen zu tref-
Schäden, indem die Fläche eines Gewanns
fen, in denen die Fruchtfolge für den Anbau
über Besitzgrenzen hinweg gemeinsam zur
auf den Äckern und die Zeit des Pflügens,
gleichen Zeit bewirtschaftet wurde. So
Säens und Erntens festgelegt wurde. Diese
mussten bei der Ernte keine Nachbarfelder,
Vereinbarung war für alle Bauern des Dorfes
auf denen noch Frucht stand, betreten oder
verbindlich (Flurzwang).
mit den Wagen überfahren werden.
Beim Anbau wurde jährlich zwischen den
Die Vereinbarungen zum Flurzwang können
drei Bereichen die Frucht gewechselt, wobei
als eine Frühform gemeindlicher Selbstver-
ein Bereich jedes dritte Jahr brach lag.
waltung gesehen werden.
Wenn in einem Gewann in einem Jahr Win-
Am Wald gestand der Lehensherr den
tergetreide, das sehr ertragreich ist, aber den
Bauern bestimmte Nutzungsrechte zur Ver-
Boden stark auslaugt, angebaut wurde,
sorgung mit Bau- und Brennholz, Streu, Ei-
folgte im zweiten Jahr Sommergetreide, das
cheln und Bucheckern für die Schweinemast
einen geringeren Ertrag hat, aber den Boden
zu.
schont. Im dritten Jahr konnte sich der Bo-

12
Abbildung 4: Flurkarte Schauberg

Die planmäßige Orts- und Flurgestaltung er- 14. Jahrhundert zurück die damit ver-
fuhr im Laufe der Zeit Veränderungen. Die bundene Siedlungsverdichtung verfolgen
ursprünglichen Kernfluren wurden durch (Prof. Haversath). Die bäuerliche Gesell-
spätere Rodungen erweitert. Diese Gebiete schaft erfuhr dadurch einen Wandel, weil die
sind oft durch Flurnamen erkennbar. Zu die- klein-und kleinstbäuerliche Gruppe der Be-
sen Zurodungen dürften in Schauberg einige völkerung immer wichtiger wurde.
hochgelegene Äcker mit den Bezeichnungen
Ihre Sozialstruktur im Vergleich zur bäuer-
„Hochreutacker“ und „Hochreutl“, die in-
lich-ländlichen veränderten auch Orte, die
zwischen wieder mit Wald bewachsen sind,
eine besondere Funktion hatten. Dazu gehör-
gehören.
ten Kirchorte, Verwaltungsorte oder auch
Zu Veränderungen trugen auch Grundstücks- Orte mit zentralen gewerblichen Funktionen
teilungen bei, wenn für nachgeborene Kin- sowie auch Orte mit lokalen Bodenschätzen
der eigene Hofstellen geschaffen wurden. wie beispielsweise Graphit.
Aus den Grundstücksplänen lässt sich bis ins

13
Abbildung 5: Ochsenweide des Dorfes Oberneureuth

Neben Äckern und Wiesen, die in Flurgrund- Die Ochsen, die auf den Allmendeflächen
stücke unterteilt waren, gab es in den meis- gemeinsam geweidet wurden, gehörten nicht
ten Dörfern, so auch in Schauberg, große un- der Dorfgemeinschaft, sondern waren Eigen-
geteilte Weideflächen. Es handelte sich meist tum der einzelnen Bauern.
um Waldwiesen, die als Ochsenweiden ge-
Auf der historischen Karte ist das Gebiet
nutzt wurden. Sie standen als Allmende (Ge-
östlich der Schauberger Querwiesen in Rich-
meinschaftsbesitz des Dorfes) dem ganzen
tung Rannaberg als „Weide“ ausgewiesen
Dorf zur Nutzung zur Verfügung. Auf der
(siehe Abbildung 4). Auch umgangssprach-
historischen Flurkarte sind sie mit dem Kar-
lich hat sich die Bezeichnung „Weide“, bzw.
teneintrag „Ochsenweid“, „Weide“ oder „in
„in der Weide“ bis heute selbst für Flächen
der Weide“ bezeichnet. Obwohl diese Wei-
erhalten, die jetzt bewaldet sind. Heute noch
deflächen Gemeinschaftsbesitz des Dorfes
bezeichnen die Schauberger Dorfbewohner
waren, haben sich die Nutzungsrechte daran
die Waldgrundstücke zwischen Schauberg
im Laufe der Zeit oft unterschiedlich entwi-
und Rannaberg, die in der alten Flurkarte als
ckelt. Wegen der Bevölkerungszunahme
„Weide“ bezeichnet sind, als „die Woid“
nahm die Zahl der Bauernhöfe stetig zu. Die
(z.B. die Paushansl-Woid) oder „in der
„Neubauern“ mussten sich im Vergleich zu
Woid“, im Gegensatz zum Wald auf dem
den „Altbauern“ meist mit niedrigeren Nut-
Schauberg, den man „Holz“ (z.B. Riu-Holz)
zungsanteilen zufrieden geben – wenn sie
nennt. Dass „die Woid“ hier nicht Wald
überhaupt welche erhielten.
meint, ergibt sich schon daraus, dass es um-
gangssprachlich nicht der Woid, sondern die

14
Woid (wie die Weide) und nicht „im Woid“, zung die Namen „Ochsenweide“, „Weide“
sondern „in der Woid“ heißt. oder „in der Weide“ verwendet. So ist auf
diesen Karten heute noch festzustellen, wo
Der Ausweis großer Gebiete als Ochsen-
sich die Ochsenweiden früher befanden.
weide ist auch bei Nachbarorten zu sehen.
So ist das Gebiet nördlich der Straße von
Haselberg nach Oberneureuth Richtung
Herrnholz als „Ochsenweide“ und das Ge- Die Auflösung der
biet beiderseits der Straße von Haselberg Allmende
Richtung Passau als „In der Weide“ (beide Nach historischen Quellen war die Auf-
Abbildung 5) bezeichnet. Hier hat sich die teilung der Allmende, die es in fast je-
frühere Nutzung auch im Ortsnamen Ober- dem Dorf gab, bayernweit im Jahre
neureutherweide erhalten. 1808/09 weitgehend abgeschlossen.
Die Vermessung der Fluren dagegen
Der Gemeinschaftsbesitz der Ochsenweide dauerte von 1808 bis 1853. Die in die-
war nicht in einzelne Flurgrundstücke unter- sem Bericht verwendeten Flurkarten
wurden erst nach 1830 erstellt, weil dar-
teilt. Auf obiger Flurkarte, auf der ein Gebiet
auf schon das im Jahre 1830 erbaute
mit „Ochsenweid“ überschrieben ist, ist die- Schulhaus Sonnen eingezeichnet ist.
ser Bereich jedoch parzelliert. Das ist wie Ob die Aufteilung der Ochsenweiden im
folgt zu erklären: Gebiet um Schauberg/Oberneureuth
erst im Zuge der Vermessung oder
In den Jahrhunderten vor 1800, in denen die schon um 1808 erfolgte, war nicht ein-
Ochsenweiden bestanden, gab es keine ge- deutig zu ermitteln.
nauen Flurkarten, in denen der Gemein- Die Aufteilung auf die einzelnen Bauern-
schaftsbesitz als ein ungeteiltes Flurgrund- höfe löste in den Dörfern viel Streit zwi-
stück ausgewiesen hätte werden können. Die schen größeren und kleineren Bauern
ersten genauen Flurkarten wurden erst ab und dem Teil der Dorfbewohner, die bis-
her gar keine Nutzungsrechte an den
dem Jahr 1808 erstellt. Ab dem gleichen Jahr
Weiden hatten, aus.
wurden aber auch die bisherigen Ochsenwei-
den aufgelöst und auf die einzelnen Bauern
aufgeteilt (vgl. das Kapitel über das König-
reich Bayern). Es war bei der Landvermes- Die auf den Ochsenweiden gezüchteten
sung üblich, bestimmte Flurbereiche unter Ochsen wurden, soweit sie nicht als Zugtiere
gemeinsamen Namen wie „Hofäcker“, gebraucht wurden, verkauft.
„Querwiesen“ oder „Hochtrümer“ zusam- Im Heimatbuch der Stadt Hauzenberg ist
menzufassen und zu kennzeichnen (Ab- hierzu zu lesen:
bildung 4). So haben die Geometer die Par-
zellen, die bei der Verteilung aus den frü- „In unserer Region bildete der Verkauf
heren Ochsenweiden gebildet wurden, auch fetter Ochsen die Haupteinnahmequelle
mit einem gemeinsamen Namen überschrie- der Bauern früherer Jahrhunderte. Die
ben und dabei gemäß der bisherigen Nut- Mastochsen aus der Hauzenberger Ge-

15
gend hatten einen sehr guten Ruf und so wurden auf den kargen Böden Roggen
fanden sich auf den Märkten neben den („Korn“), Hafer, Hirse, Buchweizen, ab
einheimischen und den Passauer Metz- 1770 auch Kartoffeln. Für den eigenen Woll-
gern auch viele auswärtige, ja sogar aus- bedarf wurden Schafe gehalten.
ländische Metzger und Händler ein. Nach
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hatte
einem Bericht aus dem 16. Jahrhundert
der Flachsanbau große Bedeutung. Das im
kamen die Händler aus Landshut, Augs-
Jahre 1894 erschienene „Geographisch-his-
burg, Nürnberg, Regensburg und sogar
torischen Handbuch von Bayern“ wies für
aus Italien.
das Bezirksamt Wegscheid eine Flachsan-
baufläche von 214 Hektar aus (Stutzer). Aus
dem Flachs wurde Leinen für den eigenen
Die Triebwege Kleiderbedarf gewebt. Darüber hinaus bil-
dete er eine der wenigen Möglichkeiten zum
Dass die Ochsen aus der Hauzenber-
ger Gegend in weit entfernte Orte ver- Gelderwerb. Leinwand und Garn konnten di-
kauft wurden, ist wahrscheinlich. Denn rekt auf Garnmärkten abgesetzt werden, so
Jahrhunderte lang wurden über noch in Hauzenberg und Waldkirchen, wo jährlich
viel längere Strecken Ochsenherden mit zwölf Garnmärkte stattfanden. Oder die We-
bis zu 500 Stück aus den Steppen Ost-
ber schlossen sich Genossenschaften an.
europas in zentrale Handelsstädte wie
Regensburg, München und Augsburg Eine dieser Genossenschaften bestand im
getrieben. Einer dieser mehr als 1000 Bereich Sonnen-Breitenberg-Wegscheid.
Kilometer langen Triebwege führte aus Diese versorgten die einzelnen Weber mit
dem österreichischen Ulrichsberg und
Garnen und Aufträgen und besorgten den
Klaffer kommend über Ungarsteig durch
den nördlichen Teil des Hochstifts und
Absatz der Fertigwaren. Einzelne soge-
dann weiter westwärts. Allein in der Zeit nannte „Verleger“ beschäftigten Heimweber.
vom 14. Juli bis 8. November 1588 wur- So arbeiteten für den Verleger Max Mühl-
den auf dieser Strecke 5158 Ochsen berger im Weiler Stüblhäuser im Jahre
durchgetrieben und von Viehhändlern
1934/35 noch 60 Heimweber. Im Friedhof
aus Regensburg, Straubing, Plattling
und Augsburg „vermautet“. Dies zeigt Sonnen befindet sich ein Granitgrabstein,
das große Ausmaß der Viehtriebe. Der dessen Inschrift einen „Leinenfabrikanten
Name des nordwestlich von Breitenberg Ludwig Mühlberger“ mit dem Geburtsjahr
gelegenen Weilers „Ungarsteig“ ist noch 1847 aufweist. Im Hoin-Anwesen in Schau-
ein Hinweis auf diese alte Ochsen-
berg wurde noch bis Ende der 1940er Jahre
straße. (Walter Wilhelm. Außerdem aus-
führliche Beschreibung auf der im Winter in der Stube der Webstuhl aufge-
Internetseite der Gemeinde Breiten- stellt und Leinen gewebt.
berg).
Die große Bedeutung des Weberhandwerks
über viele Jahrhunderte hinweg ist für die
Region im Webereimuseum Breitenberg vor-
Die Bauern betrieben – wie auch bis heute züglich dargestellt.
noch – Milch- und Viehwirtschaft. Angebaut

16
3. Gesellschaftspolitische Strukturen

a) Das Feudalsystem

Das Leben der Menschen im Mittelalter war Nutzungsrecht hatten die Bauern Abgaben
vom Feudalismus geprägt. Im Feudalismus (Zehent) und Frondienste zu leisten.
wurde die Herrschaft vom Adel, der Grund
Grundherrschaft bedeutete nicht nur Herr-
und Boden besaß, ausgeübt. Deshalb wurde
schaft über das Land, sondern auch über die
sie Grundherrschaft genannt.
darauf wohnenden Leute. In allen Lebensbe-
Grundpfeiler dieser Ordnung war das Le- reichen bestimmte der Lehensherr das Leben
henswesen. Eigentümer von Grund und Bo- seiner Untertanen. So konnte er heiratswilli-
den und damit auch der Bauernhöfe war der gen Paaren eine Eheschließung untersagen,
Landesherr. Dieser verlieh das Land nur; beispielsweise dann, wenn sie keine ausrei-
und zwar zunächst meist an Vasallen, unter- chende wirtschaftliche Existenzgrundlage
gebene Adelige, die es aber nicht selbst be- hatten.
wirtschafteten, sondern an abhängige Bauern
Die Bauern waren auch an das Land, auf
zur Bewirtschaftung weiter verliehen. Der
dem sie lebten, gebunden. Unter Androhung
einzelne Bauer erwarb also kein Eigentum
von drakonischen Strafmaßnahmen war es
an seinem Hof und an dem Land, das er be-
ihnen verboten, das Land gegen den Willen
wirtschaftete. Er durfte das Land nur nutzen.
des Grundherren zu verlassen. Weil die
Das Lehen konnte ihm jederzeit wieder ent-
Bauern dem Lehensherrn in allem hörig sein
zogen werden. Als Gegenleistung für das
mussten, wurden sie auch als „Hörige“ be-
zeichnet.

b) Zehent und Fron

Die Bauern waren ihrem Lehensherren zur Herrschaftssitz transportiert. Erst wenn der
Entrichtung des Zehents verpflichtet, der im „Zehentzähler“ festgestellt hatte, dass der
zehnten Teil der Erzeugnisse (Getreide, Eier, Zehent voll bezahlt war, durfte die eigene
Kartoffeln, Flachs etc.) bestand. Diese wur- Ernte eingebracht werden. Die Folge waren
den vom Meier, einem Verwalter des Grund- wegen des Zeitverlusts oft Ernteschäden.
herrn meist in einem Zehentstadel ge- Nur allmählich setzte sich eine Umwandlung
sammelt, bewertet und von dort aus zum in Geld durch.

17
Von Meiern und reisen, so reisen mia da zura, so reisen, so
Wasservögeln reisen mia daher“.
(Pfingstsingern)
Zum Schluss bekommt der Moier von der
Der Meier war ein Verwalter des Grund- Bäuerin Eier in seinen Korb gelegt.
herrn, der meist selbst einen Bauernhof be- Die Entstehung dieses Reims könnte auf
trieb. Er überwachte für den Grundherrn die die damalige Funktion des Meiers als Ze-
Arbeit der hörigen Bauern und war verant- hent-Einsammler zurückzuführen sein.
wortlich für das Einsammeln und Abliefern
des Zehents. Es wird vereinzelt die Meinung vertreten,
dass der Brauch des Wasservögelsingens
In den Dörfern im Land der Abtei und in be- heidnischen Ursprungs sei. Der Autor
nachbarten Gebieten wird an Pfingsten der Schmoeckel bringt mit diesem Brauch einen
Brauch des Wasservogelsingens (Pfingst- Kult der Indogermanen in Verbindung. Da-
singens) geübt, der sich urkundlich bis in nach soll von diesen zu der Zeit des heuti-
das Jahr 1600 zurück nachweisen lässt gen Pfingstfestes auf Wiesen, für die sich
(Prof. Miller) und auch heute noch gepflegt die Flurbezeichnungen „Pfingstwiesen“ oder
wird. Dabei ziehen die Burschen bei Ein- „Pfingstflecke“ erhalten haben, ein Früh-
bruch der Dunkelheit Spottverse singend sommerfest gefeiert worden sein. Dabei
von Haus zu Haus. Sie haben wetterfeste seien „Vogelmenschen“ in einem „Kostüm“
Kleidung an, weil sie von den Fenstern und aus Birkenzweigen und Stroh, das sie wie
Balkonen aus mit Wasser begossen wer- große Enten mit langen platten Schnäbeln
den. Von den Wasservögeln wird u.a. fol- aussehen ließ, in den Kreis der Zuschauer
gender Vers gesungen: gesprungen und hätten mit ihren Gesten
„Mia ham an Moier (Meier), der tuat a so angedeutet, dass die Bäche und Teiche
um d`Oier (Eier), warum schlaft`s ned, so auch im Sommer genügend Wasser führen
würden, um den Wasservögeln das
Schwimmen zu erlauben.

Die Bauern hatten darüber hinaus für den stein einfinden. Auch hatten sie den Mist im
Lehensherrn Frondienste, das heißt Dienst Schloss auszufahren. In einer Anweisung um
an dessen Hof oder der Burg zu leisten. So 1530 im sogenannten Robotbüchlein für das
mussten sich Bauern aus Heindlschlag zur Amt Heindlschlag hieß es, „es sollen Schin-
Ausbesserung der Burgmauern, der Brun- deln und alles, was man zum Dachdecken
nen, Brücken und Wege an zwölf Tagen im brauche, miteinander hergeführt werden.“
Jahr am Herrschaftssitz Rannariedl/Falken- (Friedl Haertel)

18
Frondienste Spanndienste. Handdienste bestanden bei-
spielsweise darin, die landwirtschaftlichen
Im Robotbüchlein wurde detailgenau aufge-
Kulturen des Grundherrn anzulegen, zu
listet, welche Arbeiten die Bauern am Herr-
pflegen und zu ernten. Spanndienste waren
schaftssitz zu verrichten und welches
Arbeiten, die mit Zugtieren ausgeführt wur-
Material sie dafür mitzubringen hatten.
den.
„Robot-“ leitet sich vom slawischen Wort
„robota“ = „Arbeit“ ab. Die Arbeit für den Lehensherrn hatte Vor-
rang, auch wenn die eigene Ernte dann
Frondienste waren eine Leistung des
nicht mehr rechtzeitig eingebracht werden
Bauern für den Grundherrn („Fro“ = Herr).
konnte. Manche Bauern schafften sich des-
Sie umfassten eine sehr breite Palette der
halb über den eigenen Bedarf hinaus Zug-
verschiedensten Tätigkeiten für eine fest-
tiere an, um notwendige Arbeiten wie die
gelegte Zahl von Tagen pro Jahr. Daneben
Einbringung der Ernte auch in der Zeit erle-
gab es Arbeiten, deren Umfang sich nach
digen zu können, in der ein Fuhrgespann
dem Arbeitsanfall richtete. Normalerweise
am Herrschaftssitz im Einsatz war.
leisteten die Bauern sogenannte Hand- und

c) Rebellion der Bauern

Als Folge der Türkenkriege waren dem Kai- Es kam zu Prozessen beim Reichskammer-
ser auf dem Reichstag zu Regensburg 1576 gericht, die aber zu deren Ungunsten ausgin-
große Geldsummen, die sogenannte „Tür- gen. Als sie sich trotzdem weigerten, ließ der
kenhilfe“ bewilligt worden. Der Geldbetrag Fürstbischof einige der vermögenden Bauern
war von den deutschen Einzelstaaten, also inhaftieren.
auch dem Hochstift Passau aufzubringen.
Darauf sammelten sich mehrere hundert
Letztendlich hatten aber die Untertanen die
Bauern mit Spießen und Gartgabeln bewehrt
Last zu tragen. So musste jeder Untertan den
in Kringell und zogen vor das Schloss Leo-
15. Teil seines Vermögens als Abgabe ent-
prechting. Dort forderten sie die Freilassung
richten. Dabei mussten die Bauern dem Le-
der Gefangenen. Der Pfleger entließ sie tat-
hensherrn schon Frondienste und Zehent
sächlich aus dem Gewahrsam.
leisten, obwohl der karge Boden oft kaum
eine Familie ernähren konnte und es nach Doch die bischöfliche Regierung verhängte
witterungsbedingten Missernten immer wie- zur Abschreckung eine drakonische Strafe:
der zu Hungersnöten kam. Sie ließ zwei Rädelsführer, die Bauern Rieß
und Kalteisen als Hochverräter enthaupten
Mit dem Streit um diese Abgabe begann im
und ihr Vermögen einziehen (Friedl Haer-
Jahre 1581 die sogenannte Bauernrebellion
tel). Die Verbitterung wuchs dadurch noch
im bischöflichen Gebiet, als sich die Bauern
mehr. Letzten Endes konnten die Bauern die
weigerten, die Steuer zu bezahlen.
Steuer nicht abwenden.

19
Die Bauernkriege ständig niedergeschlagen, die Anführer
wurden hingerichtet, die überlebenden Auf-
Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
ständischen durch Reichsacht für rechtlos
hunderts war es in Oberschwaben zu
und vogelfrei erklärt. Insgesamt starben
großen Bauernaufständen gekommen, die
Zehntausende Menschen in den inzwischen
in den Jahren 1524/25 in einen Bauernkrieg
auf andere Regionen ausgeweiteten
führten. Die Zunahme der Lasten und Miss-
Bauernkriegen. In den folgenden 300 Jah-
ernten hatte die Lage der Bauern bis ins
ren begehrten die Bauern kaum noch auf.
Unerträgliche verschlimmert. Sie forderten
Dazu trug in der Folgezeit auch die Mög-
von den Adeligen bessere Lebensbedingun-
lichkeit des Untertanenprozesses bei, der
gen. Als sie nichts erreichten und die Fron-
Bauern und Bürgern den Rechtsweg zum
ten sich verhärteten, war eine gewaltsame
Reichsgericht eröffnete, wenn sie sich über
Auseinandersetzung unausweichlich. Die
obrigkeitliche Willkürakte beschweren woll-
Bauern plünderten Klöster und töteten Ade-
ten. So haben auch die im Land der Abtei
lige. Daraufhin ging das Heer des Schwäbi-
rebellierenden Bauern von der Möglichkeit
schen Bundes gegen die Bauernaufstände
Gebrauch gemacht, vor dem Reichsgericht
vor. Die Bauern organisierten sich ihrerseits
zu prozessieren. Aber ein Erfolg blieb ihnen
in Bauern-“Haufen“. Nach anfänglichen Er-
versagt.
folgen wurden die Bauernaufstände voll-

4. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen im Land der Abtei –


Plünderung und Schwarzer Tod

Im beginnenden 17. Jahrhundert warf der In den folgenden Kriegsjahren wurde die
Dreißigjährige Krieg (von 1618 bis 1648) Not so groß, dass der Dompropst von Passau
zwischen dem Kaiser und der Katholischen berichtete: „Das Land der Abtei ist derma-
Liga auf der einen Seite und der Protestan- ßen ausgemergelt, alles verheert und ver-
tischen Liga auf der anderen Seite seine zehrt, dass nicht für einen Tag mehr Unter-
Schatten voraus. Schon 1610 begannen die halt aufgetrieben werden kann“. Das
Vorbereitungen zum Krieg, als 8000 Mann Schlachtvieh war geschlachtet, Melkkühe
zu Fuß und 4000 Reiter im Hochstift Passau und Jungvieh waren konfisziert. Selbst die
einquartiert wurden. Für den Unterhalt die- wenigen mageren Ochsen, die zur äußersten
ses Heeres, zu dem auch noch ein Tross aus Not und zum Feldbau noch übrig geblieben
Knechten, Frauen und Kindern gehörte, waren, hatten die Reiter vom Pflug wegge-
reichten die normalen Einkünfte des kleinen nommen und verzehrt (Friedl Haertel). Bis
Hochstifts nicht aus. Deshalb wurde für je- zum Jahr 1648 dauerten die Kriegswirren,
den Gulden Vermögen drei Kreuzer Steuer als sie mit dem Westfälischem Frieden ein
gefordert. Wer sich weigerte, musste das Ende fanden. Und dann sollte ein weiteres
Doppelte zahlen. Aber auch das reichte für Unheil über die Menschen im Land der Ab-
die Truppe nicht. Deshalb verschaffte sie tei kommen:
sich die Mittel mit Raub und Plünderungen.

20
a) Der „Schwarze Tod“

Immer wieder wurden im Mittelalter die


Menschen von Pestepidemien heimgesucht.
Im 14. Jahrhundert forderte die Pest europa-
weit 20 bis 25 Millionen Todesopfer, ein
Drittel der damaligen Bevölkerung. In den
Folgejahren flammte sie in einzelnen Regio-
nen wiederholt auf. Im Jahre 1610 brach sie
im Land der Abtei aus. Sie verschwand aber
wieder, ohne sich stark ausgebreitet zu ha-
ben. Während des Dreißigjährigen Krieges
kam sie in den Jahren 1634/35 erneut zum
Ausbruch, erfasste aber nicht alle Gebiete
des Landes der Abtei. Doch in der Zeit von
1648 bis 1651 wütete eine neue Epidemie
mit katastrophalen Folgen. Von Österreich
ausgehend überzog die Beulenpest das ge-
samte Abteiland beinahe flächendeckend.
Nur wenige Dörfer blieben verschont. Der Abbildung 6: Pestsäule in Oberneureuth
Bischof von Passau ließ als Vorsichtsmaß- (Jahreszahl auf dem Sockel nicht eindeutig
nahme seine Grenzen zu den künischen Dör- lesbar)
fern schließen. Es durfte auch keine Leiche
zur Beerdigung in das übrige Bistum ge-
bracht werden. Doch die Seuche ließ sich
nicht aufhalten. Der „Schwarze Tod“ raffte
in einzelnen Dörfern die Hälfte der Bewoh-
ner hinweg. Bauernhöfe standen leer, weil
niemand überlebt hatte. Die vielen Toten
konnte man nicht mehr in die Friedhöfe
bringen, sondern beerdigte sie in Massengrä-
bern in der Nähe der Dörfer. Die vielen Pest-
säulen, die man über diesen Massengräbern
errichtete, zeugen noch heute davon. In den
Orten Oberneureuth, Penzenstadel, Fürset-
zing, Saßbach, Lämmersdorf und Salzweg Abbildung 7: Pestsäule Oberneureuth Süd-
sowie in den „künischen“ Dörfern Wollaberg seite
und Jandelsbrunn sind diese Denkmäler bis
heute erhalten.

21
Abbildung 8: Pestsäule Salzweg,
1681 errichtet

b) Nach dem Kriege

Das deutsche Reich war zum Ende des Drei- sen. Die Folge war die bis dahin schlimmste
ßigjährigen Krieges ein zerstörtes Land. Die Inflation.
Bevölkerung war um vierzig Prozent gesun-
Um die Kriegsschäden zu beseitigen, hatten
ken. Das Geld (Thaler, Gulden, Heller und
die Bauern mit Abgaben und Frondiensten
Groschen) hatte dramatisch an Wert verlo-
die Hauptlast zu tragen. Wie in fast allen
ren. Um ihre Söldnerheere zu finanzieren,
Regionen des deutschen Reiches war nach
hatten die Fürsten nämlich vor dem Krieg
dem Dreißigjährigen Krieg auch im Hoch-
die Münzen, deren Wert vom Edelmetallan-
stift Passau der Umfang der Frondienste er-
teil abhing, zu einem großen Teil einschmel-
höht worden. Historiker haben ermittelt,
zen lassen, um sie neu mit einem höheren
dass es ein Jahrhundert gedauert hat, bis die
Anteil des billigeren Kupfers prägen zu las-

22
Kriegsfolgen des Dreißigjährigen Krieges unter auch der Schauberger Friedl Kinateder,
voll bewältigt waren. Die Bauern im Land aufmachte, um beim Fürstbischof Erleichte-
der Abtei waren drei Jahrzehnte nach rungen zu erwirken (Andrea Kinateder)
Kriegsende noch so belastet, dass sich im Doch es war vergeblich.
Jahre 1680 eine Abordnung von ihnen, dar-

23
III Das Abteiland wird königlich-bayerisch

In Frankreich hatte es 1789 eine Revolution und Kurfürst Maximilian IV. Joseph am 1.
gegeben, die die Herrschaft des Königs be- Januar 1806 in München als Maximilian I.
endete. Die Ausrufung der Republik und die Joseph zum ersten König Bayerns erhoben.
Machtübernahme durch den General Napo- Zudem durfte er das Territorium des König-
leon Bonaparte setzten eine Umgestaltung reichs Bayern um Franken und Schwaben er-
ganz Europas in Gang. Nach dem Muster weitern.
des Römischen Reiches wollte Napoleon ein
Bereits im Jahre 1803 waren unter dem
Imperium errichten. Zu diesem Zweck über-
Einfluss des napoleonischen Protektorats die
zog er fast ganz Europa mit Krieg. Im Jahr
Klöster und sonstigen geistlichen Territorien
1800 kamen französische Truppen ins Land
enteignet und aufgelöst („säkularisiert“)
und schlugen bei Hohenlinden nahe Mün-
worden, so auch das Hochstift Passau. Die-
chen ein österreichisch-bayerisches Heer.
ses Gebiet wurde nach einigen Wirren um
Napoleon beseitigte die vielen deutschen
die Besitzverteilung im Jahre 1806 Bayern
Kleinstaaten und formte sie zu neuen staatli-
zugeschlagen.
chen Einheiten, die er in einer Größe zu-
schnitt, dass sie machtpolitisch von ihm ab- Bayern wurde ein souveräner Staat. Die 541
hängig blieben. (Diese Einheiten ent- Jahre dauernde Zugehörigkeit des Landes
sprachen teilweise den heutigen Bundeslän- der Abtei zum Kleinstaat Hochstift Passau
dern.) Kaiser Franz I. legte daraufhin die (Fürstentum Passau) ging damit zu Ende. Es
deutsche Kaiserkrone nieder, das Heilige wurde nun königlich-bayerisch.
Römische Reich Deutscher Nation war end-
Doch Bayern hatte Napoleon einen Preis zu
gültig erloschen.
bezahlen. Es verpflichtete sich, dem Kaiser
Bayern trennte sich vom Bündnispartner Ös- der Franzosen Heeresfolge zu leisten. Bay-
terreich und schloss mit Frankreich einen ern musste ihm auf eigene Kosten 35.000
Freundschaftsvertrag. Mann für seinen Russlandfeldzug zur Verfü-
gung stellen.
Bayerns Herrscher erhielt dafür eine Beloh-
nung: Bayern wurde durch den französi- Und dies sollte das Leben von drei Männern
schen Kaiser zum Königreich aufgewertet aus Schauberg, Thierham und Haselberg ver-
ändern.

24
1. Wie ein Schauberger Raufbold zum Mit-Erbauer der Thierham-
Kapelle wurde

Die Kapelle „Mutter von dem guten Rath“ chen der Muttergottes gelobt. Während
im Weiler Thierham hat zum Dorf Schau- von den Erstgenannten über den weiten
berg einen besonderen Bezug. Fluchtweg nichts bekannt ist, wissen wir
vom Thierham Hans (Knödlseder Hans)
Zum einen hatte diese schon früher – wie
und von Therese Schmidt (Beschneider
aus der hohen Zahl an leider verloren ge-
Resi) über den Leidensweg vom Franzn-
gangenen Votivtafeln zu schließen ist – über
Hansirgl Genaueres.
den Ort Thierham hinaus als regionale Wall-
fahrtskapelle Bedeutung. Bis heute noch „Rette sich wer kann“ galt für jeden ein-
wallfahren jedes Jahr am Tag „Mariä Him- zelnen. Der Franzn-Hansirgl vertraute
melfahrt“ zahlreiche Gläubige aus der Um- auf seine Kernnatur und seine starken
gebung zur Thierham-Kapelle. Und zum an- Fäuste, hatte er vormals doch den stärks-
deren stammte einer ihrer Erbauer, der ten Mann aus Hauzenberg zu Boden ge-
Franzn-Hansirgl (Georg Kinateder) aus dem schlagen und einen Polizisten mit seinen
„Franzn-Haus“ (heute Lang) in Schauberg. Fäusten übel zugerichtet, was ihm zwei
Der Trachtenverein D`Freudenseer, der im Jahre Festungshaft in Straubing ein-
Jahre 1978 eine Sanierung der Kapelle brachte. Mit der Verpflichtung, am Russ-
durchführen ließ, beschrieb die Geschichte landfeldzug teilzunehmen, wurde ihm ein
ihrer Entstehung wie folgt: halbes Jahr Haft erlassen. Der Franzn-
Hansirgl schlug sich alleine durch, im-
„Im Jahre 1812 mussten 35.799 bayeri-
mer auf der Suche nach Essbarem auf
sche Soldaten aus Bündnisverpflichtun-
den Feldern, nach Kartoffeln im Schwei-
gen mit Napoleon nach Russland ziehen.
netrog und den Früchten des Waldes, und
Unter diesen Soldaten waren auch drei
immer darauf bedacht, nicht erwischt zu
Söhne des Bayerischen Waldes, der Mat-
werden. Wiederholt konnte er dank seiner
thiasen Thomerl aus Thierham, der Da-
kräftigen Fäuste und durch List den Rus-
mei Hiasl aus Haselberg und der Franzn-
sen entkommen. In solchen Situationen
Hansirgl aus Schauberg. Beim fluchtarti-
vertraute er auf die Hilfe der Mutter Got-
gen Rückzug im russischen Winter er-
tes.
reichten nur 2297 Männer des bayrischen
Kontingents ihre Heimat wieder. Die drei In seiner Heimat wurde er bereits zu den
Obengenannten waren unter den Überle- Toten gezählt. Als er endlich nach Hause
benden. An Entbehrungen, Hunger und kam, erkannte ihn zunächst niemand
auch Kälte gewohnt und von großem mehr. Zudem hatte sein jüngerer Bruder
Gottvertrauen getragen, haben sie fast bereits geheiratet und den elterlichen Hof
übermenschliche Strapazen, Kälte und übernommen, der ihm zugestanden hätte.
Hunger überstanden. In ihrer schier hoff- Darüber so enttäuscht, zog er schon am
nungslosen Lage haben sie ein Verspre- nächsten Tag weiter und baute sich in

25
Stüblhäuser ein Holzhaus. Der Haus- nenausstattung erklären könnte. Alle drei
name „Franznhansirgl“ ist bis heute er- sollen extrige Kuntn gewesen sein, leut-
halten. scheu, würde man heute sagen.

Vom gemeinsamen Schicksal und auch 1828 wurde die Thierham-Kapelle vom
Glück betroffen, begannen die drei Ruß- damaligen Hauzenberger Pfarrer ein-
landheimkehrer, eingedenk ihrer Verspre- geweiht.“
chen, mit dem Bau der einzigartigen Ka-
Auf der Vorderfront der Kapelle wurde von
pelle. In einem fensterlosen Keller im
den Erbauern ein Spruch angebracht, der
Hause des Ludwig Berger in Thierham
erahnen lässt, wie sehr die Russland-Heim-
haben diese drei bei Kerzenlicht oder
kehrer von ihren Erlebnissen im Krieg und
Kienspan die kunstvolle Innenausstattung
auf der Flucht gezeichnet waren.
angefertigt und nachts die Teile in die
Kapelle eingebaut. Der Matthiasen Tho- Er lautet:
merl soll angeblich ein Silberschmied
Wir haben Kreuz und Leiden, das schreib
gewesen sein, was die teils kunstvolle In-
ich mit der Kreiden, und wer nicht Kreuz
und Leiden hat, wischet dieses Schreiben
ab.

Abbildung 9: Thierham-Kapelle innen

26
Die Kapelle mit ihrer in der Gegend nicht sisch-orthodoxe Kirchlein, die die Kapellen-
üblichen Bemalung der Giebelseite, den erbauer anscheinend in Russland kennen ge-
Schrifttafeln, dem bemalten Schnitzwerk im lernt hatten – siehe Abbildungen 9, 10 und
Innenbereich und der Reihe von Heiligenfi- 11.
guren über dem Altartisch erinnern an rus-

Abbildung 10: Thierham-Kapelle heute

27
150 Jahren nach ihrer Erbauung zeigten schloss, die Kapelle unter Verwendung der
Teile der Außenwand und der Holzständer originalen Inneneinrichtung um einige Meter
einen so großen Verfall, dass man sich ent- auf einen Steinsockel zu versetzen.

Abbildung 11: Originalfassade der Thierham-Kapelle im Museumsdorf Bayeri-


scher Wald

28
Die Giebelwand wurde neu gefertigt und auf einen Misthaufen und konnte so entkom-
nach dem Muster des Originals bemalt. Die men.
alte Giebelfront wurde an einer Kapelle im
Der im Bericht erwähnte Silberschmied
Museumsdorf Bayerischer Wald angebracht
Matthiasen Thomerl dürfte auch in Schau-
(Abbildung 11), deren Bildtafeln im Inneren
berg gelebt haben. Jedenfalls findet sich auf
aus einer benachbarten Kapelle aus dem 18.
der historischen Flurkarte (Abbildung 12)
Jahrhundert stammen.
auf der Berghöhe über dem Dorf der Eintrag
Der Bericht des Freudenseer Trachtenvereins „Silberarbeiter“. Möglicherweise wurde er
kann noch ergänzt werden: zwar in Thierham geboren, arbeitete aber
später auf dem Schauberg. Dass er nur einfa-
Die schon vor Jahrzehnten verstorbene
che Bedarfsgegenstände wie Knöpfe und
Franznhansirgl-Resl auf dem Anwesen, das
Pfeifendeckel gefertigt haben soll, darf be-
ihr Vorfahre Hansirgl in Großrathberg (nicht
zweifelt werden.
Stüblhäuser) gebaut hatte, konnte der Erbin
des Anwesens Maria Bauer noch viele Vor- In der Region war damals die Silberschmie-
kommnisse von der Flucht berichten. Die dekunst beheimatet. So lebte im 18. und 19.
Schilderung eines Erlebnisses ist Maria Jahrhundert in Breitenberg die Silberschmie-
Bauer in allen Einzelheiten in Erinnerung defamilie Höpfl, die hochwertige Monstran-
geblieben: Der Hansirgl wollte von Hunger zen, Ewiglichtampeln u.a. geschaffen hat.
getrieben von einem russischen Bauernhof Allein die Tatsache, dass die Landvermesser
ein Huhn stehlen, wurde aber vom Bauern den Ort des Silberarbeiters in die Flurkarte
überrascht und von diesem mit der Mistga- aufgenommen haben, spricht dafür, dass er
bel in der Hand verfolgt. Er floh in die als Silberschmied nicht unbedeutend gewe-
Scheune, stieg auf den Heustock, hob einige sen sein konnte. Er hat sicher die Innenaus-
Dachziegel aus, sprang vom Scheunendach stattung der Kapelle mit vielen Details aus-
gestattet.

Abbildung 12: Silberarbeiter

29
2. „Die Revolution von oben“: Wie der bayerische König die
Grundfeste für das moderne Bayern schuf

Bayern hatte von Napoleon zu den alten der Besteuerung ein. Die Verfassung sah das
Stammlanden Ober- und Niederbayern und Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums,
Oberpfalz die Gebiete Frankens und Schwa- das Recht auf den gesetzlichen Richter und
bens erhalten. Diese Gebiete unterschied- die Auswanderungsfreiheit vor. Der König
lichster Größe, Struktur und Tradition wollte gewährte in der Verfassung auch eine einge-
der bayerische König in einem Gesamtstaat schränkte Pressefreiheit, die allerdings von
mit einheitlicher Verwaltung vereinen. Mit seinem Nachfolger Ludwig I. wieder stark
Hilfe seines engsten Beraters Montgelas eingeschränkt wurde.
führte er eine gewaltige Reform durch:
Er schuf eine effiziente Staatsverwaltung mit
Der König gewährte im Jahre 1818 Bayern Beamtenwesen und installierte eine Zentral-
die erste Verfassung und ermöglichte Wahlen regierung mit streng nach Ressorts getrenn-
zum Landtag, wenn auch die Volksvertreter ten Fachministerien, Mittelbehörden (die
nicht so weit gehende Rechte wie heute er- heutigen Bezirksregierungen), Kreisen (zu-
hielten. nächst als Landgericht bezeichnet, später
Bezirksämter) und Gemeinden. Schauberg
Zu öffentlichen Ämtern bekamen alle
kam 1820 zur neugeschaffenen Gemeinde
Schichten der Bevölkerung Zugang. Er hob
Oberneureuth und zum Bezirksamt Weg-
die Steuerfreiheit der privilegierten Stände
scheid.
auf und führte den Grundsatz der Gleichheit

Abbildung 13: Ortstafel Schauberg

30
An diesen staatlichen und verwaltungsmäßi- rung des Zunftzwangs schuf der König einen
gen Strukturen nahm erst die Gebietsreform einheitlichen Wirtschaftsraum.
des Jahres 1972 Korrekturen vor, indem sie
Er ließ zwischen 1808 und 1853 eine syste-
auf deren Basis größere Einheiten schuf. Die
matische Vermessung sämtlicher Grund-
Gemeinde Oberneureuth wurde im Zuge die-
stücke in Bayern durchführen und ein amtli-
ser Gebietsreform aufgelöst und Schauberg
ches Kataster (Grundbuchamt) einrichten.
Teil der Gemeinde Sonnen.
Desweiteren führte er eine allgemeine
Das Reformwerk des Königs nach Montge-
Schulpflicht ein und ließ planmäßig Volks-
las Plänen erfasste weitere Bereiche:
schulen errichten. Die Schulen in Sonnen
Mit der Vereinheitlichung von Maßen, und Krinning entstanden 1830 und 1832.
Gewichten und der Währung sowie der Ab- Die Lehrer mussten fortan eine Ausbildung
schaffung der Binnenzölle und der Locke- an staatlichen Einrichtungen absolvieren.

Die „Stoa-Kathl“ und die zu Weiler ritt und die Kinder ein paar grund-
Winkelschule Oberneureuth legende Fertigkeiten im Lesen und Schrei-
ben zu lehren suchte. Einer Katharina
In der Zeit vor der Errichtung der Volks-
Sicklinger wurde 1830 vom Landgericht
schulen waren die Kinder in Bauernstuben
Wegscheid der Winkelschulunterricht ver-
(sogenannte Winkelschulen) von nicht aus-
boten. Dass die Stoa-Kathl und die ge-
gebildeten Personen unterrichtet worden.
nannte Katharina Sicklinger ein und
So hatten sie in Oberneureuth und Umge-
dieselbe Person waren, gilt als sicher. Be-
bung von einer „Stoa-Kathl“ Unterricht er-
zeichnend erscheint heute, dass die Frau
halten. Über sie schreibt Volker Stutzer im
als Hexe verschrieen war. Sie scheint eine
Heimatbuch Sonnen:
starke Persönlichkeit mit erstaunlichen Fä-
„Von ihr erzählt man sich, dass sie auf ei- higkeiten gewesen zu sein.“
nem Esel von Dorf zu Dorf und von Weiler

a) Der König beendet das Lehenswesen und die Fron der Bauern – aber nur gegen
Abfindung

Mit der Auflösung des Hochstifts Passau leisten. Deshalb bot er den Bauern lediglich
hatten die Bauern des Landes der Abtei auch an, die Lehen gegen eine Geldzahlung abzu-
ihren bisherigen Lehensherrn verloren. Da- lösen. Davon machten die Bauern zuneh-
mit trat der bayerische König an dessen mend Gebrauch. Um die Ablösesumme zu
Stelle. Mit einer Beendigung des Lehenswe- begleichen, mussten die meisten von ihnen
sens hätte der König auch auf hohe Einnah- Kredite aufnehmen. Dies verzögerte den
men verzichtet. Aber das wollte er sich nicht Übergang der Lehen in das Eigentum der

31
Bauern. So waren im Jahre 1827 erst 30% terworfen, konnten sie in Angelegenheiten,
der Bauern in Niederbayern frei, die Hälfte in denen sie früher dessen Zustimmung be-
von ihnen war mit Schulden belastet. Es nötigten, nun selbst entscheiden.
dauerte noch zwei Jahrzehnte, bis alle
Während in der Zeit der Grundherrschaft die
Bauern Eigentümer ihres Hofes wurden.
Bauernhöfe überwiegend in Dörfern ange-
Endgültig wurde die Grundherrschaft der
siedelt worden waren, errichteten die Bauern
bisherigen Lehensherren im Jahre 1848 be-
nun nach der Aufteilung der großen Dorf-
endet.
weiden auf diesen weitere Bauernhöfe. So
An Stelle der Frondienste trat ebenfalls eine entstanden in dieser Zeit auf der Schauber-
Geldzahlung. ger Weide ein Bauernhof und auf der Ober-
neureuther Ochsenweide mehrere verstreut
Ab dem Jahre 1808 war es den bisherigen
liegende Höfe.
Untertanen auch erlaubt, ohne Zustimmung
des Grundherrn ihren Wohnort zu verlassen. Die Bauern konnten die neue Freiheit nut-
zen, um nach eigenen Vorstellungen ihre
Die bisherige Wirtschaftsform der Dreifel-
Felder zu bestellen und ihre Hofstellen bau-
derwirtschaft war nun nicht mehr verpflich-
lich zu verändern. Einige der Schauberger
tend. Die Regierung des Königs warb aber
Bauern vergrößerten ihre landwirtschaftli-
dafür, sie freiwillig durch eine Fruchtfolge-
chen Flächen. Einen Bauernhof wiederum
Wirtschaft zu ersetzen. Die gemeinsamen
führte die neu gewonnene Eigenverantwor-
Ochsenweideflächen (Allmende) wurden ab
tung der Hofbesitzer in den Ruin. So ist
dem Jahre 1808 aufgeteilt.
überliefert, dass drei Frauen der Familie
Das unter König Max I. Joseph von Montge- Haiden, die die Besitzer des Hoin-Anwesens
las konzipierte Reformwerk bedeutete für waren, den Besitz regelrecht verschleuder-
die vom Mittelalter überkommenen Struktu- ten. Sie verkauften Flächen unterhalb des
ren in Landwirtschaft und Gesellschaft einen Dorfes in einer Größe, dass sich dort ein
epochalen Umbruch. Es hat die Grundlage kleiner Bauernhof (Hausname „Zuntern“)
für die weitere Entwicklung Bayerns gelegt. ansiedeln konnte. Dieser erhielt auch den
Die Strukturen, die sich in dieser Zeit das unteren Teil des Hofackers, der sich an die
Königreich Bayern gegeben hat, wirken zu Haiden-Hofstelle anschließend den südli-
einem nicht unwesentlichen Teil bis heute chen Berghang hinunter erstreckte. Der
fort. Der König gilt mit seinem Ersten obere Teil des Hofackers kam zu dem nörd-
Minister Montgelas als Schöpfer des moder- lich der Dorfstraße gelegenen Anwesen mit
nen bayerischen Staates. dem Hausnamen Michl. Das Haiden-Anwe-
sen, das ursprünglich das größte war und zu
Auch für die Bauern in Schauberg hatte sich
dem eine eigene Sägmühle gehörte, wurde
durch die Reformpolitik des bayerischen
so zu einem der kleineren. Schließlich ver-
Königs die Lage grundlegend geändert. Aus
kauften die Besitzerinnen das ganze Anwe-
Hörigen waren freie Bauern geworden.
sen. Nachkommen der Familie Haiden sind
Nicht mehr der Gnade ihres Lehensherrn un-

32
nicht mehr in Schauberg wohnhaft. Ihr chen. Sieben Jahrzehnte später hatte die
Name hat sich nur als Hausname (Hoin, Stadt 600.000 Einwohner.
Hoidn, entstanden aus Haiden) erhalten. Viele wanderten nach Amerika aus. Die Aus-
wanderungswelle hielt bis weit ins 20. Jahr-
Die „Revolution von oben“ befreite die
hundert hinein an und erreichte in der Zeit
Bauern auch vom Zwang der Ortsgebunden-
der Weltwirtschaftskrise zwischen 1925 und
heit. Viele Bauernsöhne und Bauerntöchter, 1934 einen Höhepunkt, als beispielsweise
die bisher meist nur als Knechte, Mägde aus Thalberg 29, aus Möslberg 34, aus Kas-
oder Tagelöhner arbeiten konnten, strömten berg 24, aus Wegscheid 53, aus Meßner-
nun in die großen Städte, wo die beginnende schlag 21, aus Sonnen 6, aus Oberneureuth 3
Industrialisierung Arbeitsplätze schuf. Wel- und aus Breitenberg 2 Personen auswander-
ches Ausmaß die Abwanderung in die Städte ten. Es waren fast 200 Personen aus diesem
annahm, zeigt das Beispiel München. Im Gebiet. Dabei sind damit nur die gezählt, die
Jahre 1840 lebten 95.000 Menschen in Mün- mit der gleichen Schifffahrtslinie fuhren.
Andere Linien brachten weitere Auswande-
rer in die neue Welt (Prof. Miller).

b) Vom Holzhaus zum Steinhaus

Ab dem Ende der Grundherrschaft verän- Holzhaus dieser Bauart hat sich bis heute in
derte sich in Schauberg ebenso wie in ande- Oberfrauenwald (Abbildung 14) erhalten.
ren Dörfern die Bauform der Bauernhäuser.
Das unter Denkmalschutz stehende Bartl-
In Schauberg war und ist noch immer nach- Haus in Schauberg (Abbildung 15) neben
zuvollziehen, wie sich das Waldlerhaus im den beiden Dorflinden weist ein teilweise
Laufe der Zeit geändert hat. Das ursprüngli- gemauertes und verputztes Erdgeschoss mit
che, 1950 abgerissene Austragshaus des hölzernem Kniestock auf. Die Stube ist ein
Hoin-Anwesens war noch ein aus dem 18. reiner Holz-Blockbau. Ein ähnlicher Bautyp
Jahrhundert stammender Holzbau auf einem war das Hoin-Haus vor dem Dorfbrand, nur
gemauerten Sockel. Auf diesem waren ent- mit dem Unterschied, dass das ganze Erdge-
rindete und behauene Stämme aufeinander schoss aus großen behauenen Steinen gebaut
gesetzt und mit Holznägeln verbunden. Ein war.

33
Abbildung 14: Stoarl-Haus in Oberfrauenwald

Abbildung 15: Bartl-Haus in Schauberg

34
Vorherrschend im Ortsbild von Schauberg ist (siehe Abbildung 16 mit dem Hoin-Haus und
aber nicht der Bautyp dieser beiden Waldler- links davon das Mertl-Haus). Diese Haus-
häuser, sondern die gänzlich aus Bruchststei- form dominiert auch in anderen Dörfern des
nen gemauerten, oft auch verputzten, meist Abteilandes das Ortsbild.
zweigeschossigen bäuerlichen Wohnhäuser

Abbildung 16: Hoin-Anwesen in Schauberg


links halb verdeckt das Mertl-Haus

Das Hoin-Anwesen geschoss wurde 1921 mit Bruchsteinen


wieder hergestellt.
Das Hoin-Anwesen wurde mit Ausnahme
der Scheune zur Gänze mit Granitsteinen Das Austragshaus mit dem Nebengebäude
gebaut (Bild aus den 1950er Jahren). wurde 1952 anstelle des Holzblockhauses
ebenfalls mit Bruchsteinen errichtet. In der
Für das Erdgeschoss des Wohnhauses
Vorderfront des Stallgebäudes waren auch
wurden im Jahre 1800 große behauene
geklaubte Feldsteine vermauert.
Granitquader verwendet. Das beim Brand
des Dorfes im Jahre 1920 zerstörte Ober- Der große Steingrand im Hof trägt die Jah-
reszahl 1833.

35
Es fällt auf, dass die meisten dieser Stein- ten Stichen zu sehen, dass selbst Steilhänge
häuser zwischen 1840 und 1890 errichtet entwaldet waren. Es gab deshalb bereits früh
wurden, wie man von den Türgerichten ab- Verordnungen, die den verschwenderischen
lesen kann, in die neben den Initialen des Verbrauch von Bauholz einzudämmen ver-
Hausbesitzers meist auch die Jahreszahl der suchten, indem seine Verwendung als Bau-
Errichtung eingemeißelt ist. Es ist un- stoff möglichst auf die Dachkonstruktion
gewöhnlich, dass sich ein bestimmter Haus- und auf Nebengebäude beschränkt wurde.
typ innerhalb von einigen Jahrzehnten so
Des Weiteren wollte die Regierung der er-
stark durchgesetzt hat, zumal der Baustoff
höhten Brandgefahr der Holzhäuser begeg-
Holz reichlich zur Verfügung stand und dazu
nen. Schon im Jahre 1791 erließ sie eine
noch leichter als Stein zu verarbeiten war. Es
„Allgemeine Feuerordnung“, die vorschrieb,
liegt nahe, dass es für den schnellen Wandel
dass das Erdgeschoss von Häusern als Mas-
vom Holz- zum reinen Steinhaus einen äuße-
sivbau aus Stein zu bauen war. Nach 1800
ren Anstoß gegeben haben muss. Und das
wurden weitere Erlasse veröffentlicht, die
war tatsächlich der Fall:
die Versicherung von auch nur teilweise mit
1848 war die Grundherrschaft endgültig ab- Holz gebauten Häusern oder Bauten mit
geschafft worden. Sofern die Bauern die Ab- Schindeldächern aus Holz verteuerte. Insbe-
lösesumme nicht schon vor 1848 bezahlt sondere im Jahre 1875 trat eine erhebliche
hatten, gingen spätestens dann die bäuerli- Verschärfung der Feuerversicherung ein.
chen Lehen in das Eigentum der Bauern
So hatten Regelungen, die eigentlich dem
über. Nun hatten sie in baulicher Hinsicht ei-
Brandschutz und der Eindämmung des
gene Gestaltungsmöglichkeiten.
großen Holzverbrauches dienten, eine Verän-
Aber darüber hinaus begünstigten und be- derung der Bauernhäuser und damit auch der
schleunigten auch behördliche Regelungen Ortsbilder in Schauberg und in anderen Or-
den Bau von reinen Steinhäusern. ten zur Folge. Dass in anderen Teilen Bay-
erns, wie z.B. im Rottal, noch wesentlich
Abgesehen von den Randgebieten wie dem
mehr Holzhäuser als im Bayerischen Wald
Bayerischen Wald hatte der große Verbrauch
erhalten geblieben sind, hängt wohl damit
von Holz als Brennstoff und Baumaterial
zusammen, dass nicht überall Steine als
Bayern in der damaligen Zeit zu einem fast
Baumaterial zur Verfügung standen.
waldfreien Land gemacht. So ist auch auf al-

3. In der Dorfmitte zwischen zwei mächtigen Linden: Ein Zeichen


des christlichen Glaubens

Die Ausübung des Glaubens nahm über alle schen auch nach außen mit der Errichtung
Jahrhunderte hinweg einen festen Platz im von Dorf- und Wegkreuzen, von denen es
Dorfleben ein. Diesen bezeugten die Men- besonders viele im Land der Abtei gibt. Ein

36
besonderes Kleinod dieser Art beherbergt Jesus an der Geiselsäule zu spüren bekam;
Schauberg: die Kette, mit der er gefesselt war; den Ham-
mer, mit dem die Nägel in seine Hände und
die Füße getrieben wurden; den Schwamm-
stab, mit dem man Jesus Essig reichte; die
Lanze, die ihm ins Herz gestoßen wurde; die
Uhr, die die Todesstunde des Herrn anzeigt
und andere Gegenstände mehr.

Drei kleine Engel sammeln in Kelchen das


aus den Wunden fließende Blut. Neben dem
Kreuz stehen die Statuen von Maria und Jo-
hannes.

Joseph Weidinger
(von 1797 bis 1880)
Der Bildschnitzer Joseph Weidinger
wurde in Hirschenberg bei Breitenberg
geboren und lebte später in der Ge-
meinde Möslberg. Das Verbreitungsge-
biet der Arma-Christi-Kreuze reicht von
Abbildung 17: Dorfkreuz Schau- Ringelai über Waldkirchen und Sonnen
berg nach Wegscheid und Untergriesbach bis
ins angrenzende Mühlviertel.
Künstlerisch kann man die Arma Christi
Ein sogenanntes Arma-Christi-Kreuz Kreuze vor allem wegen der Form-
(Waffen-Christi-Kreuz), gefertigt von dem schönheit des Christuskörpers als ni-
Schnitzer Joseph Weidinger. veauvolle Volkskunst einordnen. Mit
ihrer reichhaltigen Ausgestaltung dürften
Dieses Kreuz erzählt die gesamte Passions- sie einmalig auch im Vergleich zu Passi-
geschichte. Es zeigt neben dem Körper des onskreuzen in anderen Regionen sein.
Gekreuzigten die Gegenstände, die in seiner Eine fundierte Beschreibung des Le-
Leidensgeschichte eine Rolle spielten: bens und der Werke von Joseph Wei-
dinger findet sich unter der Rubrik
Den Hahn, der nach dem Verrat des Petrus „Geschichte“ auf der Internetseite der
dreimal krähte; die Dornenkrone, die Jesus Gemeinde Breitenberg.

zum Spott tragen musste; die Knüppel, die

37
IV Entwicklung im 20. Jahrhundert

Das Hochstift Passau (Fürstentum Passau) zum Deutschen Reich im Jahre 1871 auf, ein
hatte rechtlich im Jahre 1803 mit der Säkula- souveräner Staat zu sein, die Monarchie
risation, der Enteignung der geistlichen Ter- wurde 1918 abgeschafft. Zwei Weltkriege
ritorien, aufgehört zu bestehen. Seine mittel- brachten Land und Leuten unendliches Leid.
alterlichen Strukturen wurden damit aber Millionen Menschen mussten aus ihrer Hei-
nicht über Nacht beseitigt. Der Prozess der mat fliehen. Viele davon fanden auch in den
Umwandlung in eine moderne Staats- und Dörfern des ehemaligen Landes der Abtei
Gesellschaftsordnung vollzog sich erst nach eine erste Unterkunft. Diese Ereignisse und
und nach im Königreich Bayern. Deshalb deren Auswirkungen auf das Gebiet zwi-
war es gerechtfertigt, in die „Geschichte des schen Ilz und österreichischer Grenze zu be-
Landes der Abtei“ auch die ersten Jahr- schreiben, würde aber den historischen Zeit-
zehnte, in denen das Land der Abtei schon abschnitt, in dem die „Geschichte des Lan-
Teil des Königreichs Bayern war, einzube- des der Abtei“ angesiedelt ist, überschreiten.
ziehen. Trotzdem sollen zur Abrundung aus der Zeit
des 20. Jahrhunderts nachstehend noch ein
Die politischen Entwicklungen der nachfol-
dörfliches Ereignis und zwei für das Dorf
genden Zeit hatten zum Teil noch gravieren-
bedeutende Themenbereiche angesprochen
dere Folgen als die in den vorhergehenden
werden.
Jahrhunderten. Bayern hörte mit dem Beitritt

1. Das Dorf brennt ab

Am 26. Oktober 1920 zerstörte ein Feuer „Vor 75 Jahren, am 26.Oktober 1920,
fast das ganze Dorf Schauberg. Über die Ur- brach um 10.15 Uhr Vormittag im oberen
sache gibt es zwei Versionen: Es hieß, das Teil der Ortschaft Schauberg beim
Feuer sei beim Dreschen im Hoin-Anwesen Bauern Franz Xaver Sicklinger Feuer
von zündelnden Kindern entfacht worden. In aus. Der Brand, vermutlich vom Back-
der Presse wurde dagegen berichtet, es sei ofen ausgehend, breitete sich durch star-
vermutlich von einem Backofen ausge- ken Ostwind innerhalb zehn Minuten
gangen. über das ganze Dorf aus und legte bis 3
Uhr Nachmittag die Anwesen Xaver Sick-
Nachstehend die Presseberichte, zusammen-
linger (Hoidn), Max Meier (Mertl), Jo-
gestellt in einem Beitrag zur Geschichte der
hann Bartl (Rippl), Franz Weidinger
ehemaligen Gemeinde Oberneureuth (Ge-
(Paushansl) und Ludwig Kinateder
meindebrief Sonnen 1995) aus Berichten in
(Riedl) in Schutt und Asche. Die einge-
der Donauzeitung und im Grenzboten:
brachte Ernte, 7 Stück Großvieh und der

38
gesamte Hausrat der betroffenen Fami- Am 5. November 1920 rief der Gemein-
lien fielen dem Feuer zum Opfer. Der derat und Hilfsausschuss von Oberneu-
Sachschaden wurde auf 1 Million Reichs- reuth zur Linderung der entstanden Not
mark geschätzt. Mit 13 Feuerwehren aus zu einer öffentlichen Spende zu Gunsten
der näheren und weiteren Umgebung war der Brandleider auf“.
auch Oberamtsrat Littig vom Bezirksamt
Teilweise erfolgte der Wiederaufbau noch
Wegscheid am Brandplatz erschienen.
vor Wintereinbruch, teils mussten aber die
Die gesamten Löscharbeiten standen un-
Betroffenen von anderen Familien aufge-
ter der Leitung des Oberneureuther
nommen werden oder den Winter in der Ka-
Hauptmanns und Bürgermeisters Anetz-
pelle verbringen.
berger.

Als die Feuerwehr noch per einem Pferdegespann zur Brandstätte ge-
Horn gerufen wurde zogen wurde.
In Schauberg gab es, wie in anderen Dör- Im Brandfall gab der Hornist den Feuer-
fern auch, ein Spritzenhaus mit einer per wehrmännern des Dorfes und der Nachbar-
Hand zu betätigenden Feuerspritze, die von orte mit lautem Tuten das Signal zum
Einsatz.

Abbildung 18: Schauberger Feuerwehrhorn

39
Abbildung 19: Schauberger Feuerspritze
(nun im Feuerwehrhaus Krinning)

Das Hoin-Haus in Schauberg hatte vor dem Beim Brand des Dorfes sind die aus Holz
Brand ein gemauertes Erdgeschoss und gebauten Teile verbrannt. Das Türgericht do-
einen Aufbau aus Holz mit einem Schrot. kumentiert das Jahr des Wiederaufbaus:

Abbildung 20: Türgericht Hoinhaus

40
2. Der Granit

Granit fand schon lange vor dessen kommer- dern zum Kusser- oder Kandlbinder-Bruch
ziellem Abbau in Steinbrüchen in der Ge- ins Herrnholz oder zum Götzer-Bruch nach
gend um Schauberg auf den bäuerlichen Haselberg fuhren. Ihr Mittagessen nahmen
Hofstellen Verwendung. Soweit Granitsteine sie in Blechbüchsen mit oder ließen es sich
für den Bau von Häusern und Wirtschaftsge- von ihren Kindern nachbringen. In der klei-
bäuden verwendet wurden, grub man in nen Steinbruchkantine wurde es dann zur
Wäldern, Wiesen und Äckern Findlinge aus Mittagszeit aufgewärmt. Wenn sie am Spät-
und spaltete sie zu Mauersteinen (Bruchstei- nachmittag nach Hause kamen, war nicht
nen). Auch Steingrande, die heute noch in Feierabend, sondern Arbeit in der Landwirt-
allen Gehöften in Schauberg vorhanden sind schaft angesagt.
und immer noch mit eigenem Dorfwasser
Zum Ende des 20. Jahrhunderts begann eine
gespeist werden, fertigte man aus Findlin-
Entwicklung, die zu einer existentiellen Be-
gen.
drohung für die heimische Granitindustrie
Im 20. Jahrhundert erfuhr die Arbeit in den werden sollte. Aufgrund der zunehmenden
Steinbrüchen einen großen Aufschwung und weltweiten Konkurrenz wurde Granit aus
verdrängte das Weberhandwerk als haupt- dem Ausland zu Preisen angeboten, bei de-
sächlichen Neben- oder Haupterwerb der nen die hiesigen Unternehmen bei Aus-
Waldler. schreibungen kaum mehr eine Chance hat-
ten. Selbst Bayerwald-Städte zogen es aus
Der Aufschwng wurde ausgelöst, als sich
Kostengründen wiederholt vor, bei öffentli-
Georg Kusser im Jahre 1907 in Hauzenberg
chen Bauprojekten Granitsteine aus China
niederließ und Steinbrüche eröffnete, dar-
zu ordern. Diese Entwicklung läutete einen
unter auch in Herrnholz, drei Kilometer von
gewaltigen Strukturwandel ein. Die Mehr-
Schauberg entfernt. Die Firma Kusser besaß
zahl der Steinbrüche wurde inzwischen auf-
in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg in
gegeben. Die verbleibenden Unternehmen
der Gegend um Hauzenberg 16 Brüche und
versuchten ihr Überleben zu sichern, indem
beschäftigte 900 Personen (Prof. Miller).
sie ihre Produktpalette reduzierten und sich
Weitere Unternehmer wagten hier die Eröff- auf weniger lohnintensive Bereiche be-
nung von Steinbrüchen. Josef Kandlbinder schränkten.
aus Niederneureuth eröffnete in Herrnholz
Ein weiteres Problem war der ausbleibende
einen Steinbruch. Die Familie Götzer baute
Nachwuchs an Steinhauern. Deshalb be-
Granit in Haselberg in einem Steinbruch ab,
schäftigte beispielsweise die Firma Kandl-
der auch heute noch betrieben wird.
binder nun in größerem Umfang tschechi-
Seine Blütezeit erlebte der Granitabbau in sche Arbeiter. Daneben baute sie das Trans-
den 1950er Jahren. Man erinnert sich noch portgeschäft zum Hauptbetrieb aus. Inzwi-
heute, wie in diesen Jahren die Steinhauer schen stellte sie den Steinbruchbetrieb aus
aus Schauberg und aus Thierham mit Fahrrä- Rentabilitätsgründen ein.

41
Als Arbeitgeber spielt die Granitindustrie im Eine umfassende Darstellung des Lebens mit
Vergleich zu den 1950er Jahren nur noch und vom Granit bietet in beeindruckender
eine untergeordnete Rolle. Weise das Granitmuseum Hauzenberg.

Abbildung 21: Steinhauer im Kandlbinder-Bruch

3. Ein Bauernhof – ein Bauerndorf ?

Die Arbeit auf den Bauernhöfen, wie sie von ren die kleinteiligen Felder nicht mehr prak-
alters her ausgeübt wurde, hat sich in den tikabel. Die Flurbereinigung (von 1971 bis
bäuerlichen Betrieben Schaubergs bis nach 1983) schuf größere maschinengerechte
dem zweiten Weltkrieg nur unwesentlich Äcker und Wiesen. Außerdem wurde das
verändert. Die Felder ließen immer noch die Landschaftsbild im Laufe der Jahre immer
Einteilung aus der Zeit der Dreifelderwirt- mehr vom Maisanbau geprägt, der inzwi-
schaft erkennen. Dann aber setzte eine Ent- schen auch Flächen erobert hat, die von al-
wicklung ein, die das Dorf umso rasanter ters her Wiesen waren. Viele Landwirte
veränderte. Sie begann mit der Motorisie- kämpfen bis heute ums Überleben, da wegen
rung der Landwirtschaft in den 1950er Jah- des starken internationalen Wettbewerbs die
ren. Für die nun eingesetzten Maschinen wa- Preise nicht mehr die Kosten decken. Wegen

42
dieser misslichen Lage, aber auch weil sich ein allgemeines Höfesterben. Von den ur-
unter diesen Umständen oft auch keine sprünglich zehn Bauernhöfen in Schauberg
Hoferben mehr fanden, gaben immer mehr betreibt inzwischen nur noch ein Bauer die
Bauern die Landwirtschaft auf. Es begann Landwirtschaft.

Wie wird die Entwicklung wohl weitergehen?

Es gibt Dörfer in anderen Regionen, in de- geschichten verschwinden werden? Werden


nen dem Sterben der Höfe ein Sterben der Bauerndörfer wie Schauberg dann gesichts-
Dörfer folgte, weil die Dörfer für junge Fa- los sein, austauschbar wie die Wohnsiedlun-
milien nicht mehr attraktiv genug waren. gen an den Rändern der größeren Orte?
Dies ist in Schauberg wie auch in anderen
Es gibt Studien, die untersucht haben, was
Orten in der Umgebung wohl keine Gefahr,
die Attraktivität von Orten ausmacht:
da hier wie dort immer wieder neue Wohn-
häuser errichtet werden. Orte, die von den Leuten als attraktiv emp-
funden werden, haben neben anderen Krite-
Der massive Strukturwandel wird aber das
rien vor allem einen eigenen, unverwechsel-
Ortsbild nicht unverändert lassen.
baren Charakter. Und dieser speist sich zum
Zur Zeit zeichnen noch die hohen Scheunen großen Teil aus seiner Baugeschichte. Ein
die Silhouette des Dorfes Schauberg. Soweit Ort vermittelt nur dann etwas Eigenes, wenn
diese künftig keine Funktion mehr haben, er seine Geschichte nicht leugnet, das Vor-
wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie angegangene, das Gewachsene nicht unnötig
abgerissen oder umgebaut werden. Ob in der abreißt, sondern Neues und Altes nebenein-
Folge auch das sonstige Bauerbe, die bäuer- ander bestehen lässt und beides im Idealfall
lichen Wohnhäuser als steinerne Zeugen der harmonisch miteinander verbindet.
Vergangenheit des Dorfes und der Familien-

43
V Quellen

1. Bücher

• Friedl Haertel (aus Heindlschlag • Trachtenverein D`Freudenseeer: Der


stammend): „Die sieben künischen Bau der Thierham-Kapelle
Dörfer im Landkreis Wolfstein“
• Gemeinde Breitenberg, Internetseite:
(1963).
„Die Arma-Christi-Kreuze des
• Ludwig Veit: (aus Kramersdorf bei Schnitzers Joseph Weidinger“
Hauzenberg stammend), Historiker
• Walter Wilhelm (Johann Haiböck):
und Archivdirektor im Germanischen
„Die österreichische Maut in Wilden-
Nationalmuseum in Nürnberg:
ranna“
„ Passau. Das Hochstift“ in Histori-
scher Atlas von Bayern, Teil Altbay- • Volker Stutzer: „Heimat Sonnen. Ein
ern, Reihe I, Heft 35 Lese- und Bilderbuch“
• Andrea Kinateder (aus Schauberg • Volker Stutzer: „Wegscheid – Ein
stammend): Facharbeit zum Thema Heimatbuch“
„Entwicklungsgeschichte meines
• Prof. Richard Miller: „Der Landkreis
Heimatortes Schauberg“ (1985).
Wegscheid“, Heimatbuch (1957)
• Haus der Bayerischen Geschichte:
• Stadt Hauzenberg: Heimatbuch: „Das
Politische Geschichte Bayerns. Bay-
ern im Zeitalter des Fürstlichen Ab- Land der Abtei“.
solutismus (17./18. Jahrhundert) • Dr. Maurer: Die Ortsnamen des
• Bayerisches Landesamt für Denk- Hochstifts Passau
malpflege: Das Waldlerhaus. Einst • Max Spindler: Das neue Bayern. Von
und heute 1800 bis zur Gegenwart
• Prof. Dr. Johann-Bernhard Haver- • Martin Hofbauer: Ausbildung und
sath: Eine kleine Geschichte des Struktur der Herrschafts- und Besitz-
Bayerischen Waldes verhältnisse des Hochstifts Passau im
• Prof. Dr. Johann-Bernhard Haver- 13. und 14. Jahrhundert
sath: Die Entwicklung der ländlichen • Hans-Werner Goetz: Leben im Mit-
Siedlungen im südlichen Bayeri- telalter
schen Wald (Passauer Schriften zur
Geographie)

44
• Reinhard Schmoeckel: Die Indoeuro- • Lexika: Brockhaus, Wikipedia
päer – Aufbruch aus der Vorge-
schichte (2. Aufl. 2002)

2. Karten und Bilder

• Abbildung 2: Friedl Haertel • Schauberg-Fotos: Inge Dietzel

• Abbildung 3, 4 und 5: Bayerische • Foto Nr. 8: Josef Bürger


Vermessungsverwaltung
• alle anderen Fotos: Verfasser

45

Das könnte Ihnen auch gefallen