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PÄDAGOGISCHE FAKULTÄT
Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur
Brünn 2006
2. Romanisierung ................................................................................................ 19
4. Eigentumsverhältnisse ................................................................................... 34
Zusammenfassung ...................................................................................................... 39
4
B. STAND UND ENTWICKLUNG DER WIRTSCHAFT ..................................................... 42
1. Landwirtschaft ................................................................................................ 42
2. Handwerk ........................................................................................................ 48
Zusammenfassung ...................................................................................................... 53
Epilog .......................................................................................................................... 56
Bilderverzeichnis ........................................................................................................ 58
Literaturquellenverzeichnis ...................................................................................... 59
Resumé ........................................................................................................................ 62
5
Vorwort
6
" Bald darauf wurden der Grenzwall angelegt und die Wachen vorgeschoben; seither gilt das Gebiet als
Vorland des Reiches und Teil der Provinz."
[Tacitus, Germania, 29]
1
Vgl. WOLTERS, R. Římané v Germánii. 1. vyd. Praha. 2002. S. 28
2
Vgl. SCHLETTE, F. Germáni mezi Thorsbergem a Ravenou. 1. vyd. Praha. 1977. S. 30
7
Über die Kämpfe mit Ariovist hinterließ Caesar einen ausführlichen Bericht in
seinen Commentarii De Bello Gallico. Seine Beschreibung verrät viel über die Uneinig-
keit der Kelten und Germanen und auch darüber, dass ein Bewusstsein der Stammesan-
gehörigkeit und persönlicher Treue zum Häuptling mehr entscheidend war als allgemei-
nes Gefühl „Kelte“ oder „Germane“ zu sein.3
Die Eroberung Galliens (58-51 v. u. Z.) machte die Germanen zu direkten Nach-
barn des Römischen Reiches und führte in der darauf folgenden Zeit zu ständigen Kon-
flikten. Durch zwei Eingriffe in Jahren 55 und 53 v. u. Z. gelang es dem Caesar die
Rheingrenze gegen den Germanen zu stärken.
Nach Caesars Erfolgen versuchten auch die weiteren römischen Imperatoren in
Germanien einzudringen. Als erste waren es Drusus und Tiberius, Stiefsöhne des Au-
gustus, die während ihres Feldzuges in Jahren 13 bis 9 v. u. Z. die römische Grenze bis
zur Elbe vorschoben. Seit dem Jahr 5 v. u. Z. wurde Germanien als die jüngste römische
Provinz angenommen.4 Zur Hauptstadt wurde das Zentrum des Stammes Ubier gewählt,
an dessen Stelle dann Colonia Agrippina, das heutige Köln, gegründet wurde. Die ein-
heimische Bevölkerung wurde nicht ganz unterworfen, die Römer erzielten jedoch eine
Rahmenkontrolle und begannen sich vor allem auf Straßen- und Lagerbau zu konzent-
rieren.
Auf dem neu eroberten Gebiet brach Aufstand aus. An seine Spitze stellte sich
Arminius, ein Cheruskerfürst mit reichen militärischen Erfahrungen aus dem Dienst im
römischen Heer. Gegen ihn zog mit drei Legionen der neu eingesetzte Verweser
Germaniens, Publicius Quinctilius Varus. Arminius lockte ihn in ein unübersehbares
Terrain und in der Schlacht im Teutoburger Wald vernichtete er alle drei Legionen.
Während der Schlacht gelang es Arminius zahlreiche Stämme zu einigen und
durch den Sieg seine Machtposition zu stärken. Mit der Abwendung des römischen An-
falls erfüllte dieser Verein zugleich seine Aufgabe. Arminius’ Versuche, seine Füh-
rungsposition auch in den Friedenszeiten zu erhalten, stießen auf Widerstand des Ge-
3
VOLNÝ, Z. Toulky minulostí světa. 3. díl. Zlatá éra dějin : starověký Řím. Praha. 2001. S. 195
4
Es ist jedoch unmöglich, sie schon von Anfang an als eine selbstständige Verwaltungseinheit anzusehen.
Ja in Gallien, dessen wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur der germanischen am meisten ähnelt,
dauerte dieser Prozess mehr als drei Jahrzehnte. Erst in den Zeitraum von 82/90 u. Z., laut den inschriftli-
chen Funden, datiert man die Gründung beider germanischen Provinzen, Germania Superior und Germa-
nia Inferior. (Vgl. WOLTERS, R. Římané v Germánii. 1. vyd. Praha. 2002. S. 44. und GÜNTER, R.
KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 38)
8
burtsadels einzelner Stämme. Im Jahre 21 u. Z. wurde er von eigenem Geburtsadel er-
mordet.5
Die Schlacht im Teutoburger Wald wurde zum Markstein in der Geschichte des
barbarischen Europas. Sie bedeutete das Ende römischer Hoffnungen an Erweiterung
des Imperiums in die rechtsrheinischen Gebiete. Warum sollten eigentlich die Römer
Germanien erobern wollen? Germanien war nicht fruchtbar, strotzte nicht vom Boden-
schatz, seine Bewohner waren feindlich und dazu noch rüstige Kämpfer. Die römischen
Kaiser begannen sich deswegen auf die Begrenzung der früher eroberten Gebiete zu
konzentrieren.6
Nach zahlreichen germanischen Angriffen beschloss Kaiser Domitian am Ende
des 1. Jahrhunderts u. Z., die Grenze an den Stellen zu befestigen, wo sie den Fluss
nicht direkt kopierte. Diese Befestigung, die man lateinisch „limes“ nannte, war über
500 Kilometer lang und anfangs nur von hölzernen Beobachtungsposten entlang eines
ausgerodeten Weges gebildet. Später – zur Zeit des Kaisers Hadrian (117-136) – wurde
an der äußeren Linie eine Palisade7 aus Holz errichtet. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts
verwandelten sich die Kastelle und auch die Wachttürme von einfachen Erd- und Holz-
bauten zu festen Steinkonstruktionen. Um die gleiche Zeit wurde der Limes um etwa 25
Kilometer vorverlegt. Der Grund dafür konnte die Bemühung um Anbindung eines
fruchtbaren Geländes sein.
5
SCHLETTE, F. Germáni mezi Thorsbergem a Ravenou. 1 vyd. Praha. 1977. S. 33
6
VOLNÝ, Z. Toulky minulostí světa. 3. díl. Zlatá éra dějin : starověký Řím. Praha. 2001. S. 196
7
Palisaden sind 20-30 cm starke, 3-4 m lange, oben zugespitzte Pfähle, die zur Befestigung als Hinder-
nismittel mit Zwischenräumen von 6-8 cm etwa 1 m tief in die Erde eingegraben wurden.
9
Zu Beginn des 3. Jahrhunderts. wurde der obergermanische Limes durch Anlage
von Wall und Graben hinter dem Palisadezaun verstärkt und der rätische Limes durch
den Bau eines Steinwalls, der sog. Taufelsmauer. Direkt an der Grenze lagen kleinere
Kastelle, während die größeren Legionslager an bedeutenden Stellen im Innenland situ-
iert waren.
Zunächst als ein Vorfeld kontrollierender Grenzpfad entwickelte sich das Limes-
system zu einer starken Grenze. Es behinderte doch nicht die Kontakte der außerhalb
der Grenze lebenden Germanen mit ihren Stammesgefährten in den Provinzen.
Abb. 3 Auf der Zeichnung ist ein Schnitt durch einen Steinturm mittlerer Größe zu sehen. Für das Ober-
geschoss sind zwei Varianten denkbar: links mit umlaufender Außengalerie, rechts mit großen Außen-
fenstern. Je nach der Landschaft war die jeweilige Entfernung zwischen den Wachttürmen etwa 200 –
1000 Meter. Hier diente eine vier- bis fünfköpfige Besatzung, die die Verbindung mit den Nachbartürmen
und Kastellen mit Hilfe von optischen oder akustischen Signalen hielt.8
8
Vgl. DORNBUSCH, Stefan. Taunus-Wetterau Limes : Die Wachttürme am Limes (Einleitung). [online]
[Zitiert am 30. Mär 2006 ] Zugänglich aus WWW: http://www.taunus-wetterau-limes.de/wachturm.htm
10
Zur ersten bedeutenden Verletzung des Friedens seitens der Germanen kam in
der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Dieser Konflikt war Vorbote der großen Züge,
die dann drei Jahrhunderte später zum Fall des Römischen Reiches führten. Es ging
nicht mehr um raubsüchtige Züge. Im Bestreben einen neuen Boden zu finden, setzten
sich ganze Völker mit Frauen und Kindern in Bewegung. Die Mehrheit der Völker bil-
dete sich in nördlichen Teilen Germaniens, die in der Zeit wahrscheinlich übervölkert
waren. Manche archäologischen Funde deuten darauf hin, dass die germanischen Bauer
auch solche Gelände ausnutzten, die sich nicht einmal heutzutage mit entwickelter
Technik bearbeiten lohnen hätten. Als um das Jahr 170 das Reich an der unteren Donau
durch den Ansturm der germanischen Markomannen und Quaden bedroht wurde, blie-
ben die beiden germanischen Provinzen ungestört, während die Kämpfe bis nach Rätien
übergriffen.
Im Jahre 180 ist dem Kaiser Marcus Aurel gelungen, die Kontrolle über die rö-
mische Grenze wieder zu gewinnen. Die enorme physische Belastung der Markoman-
nenkriege sicherte für einige Jahre Frieden auf der Donaugrenze. Die Situation in dem
Inneren Germaniens wurde jedoch nicht ruhiger. Zu dieser Zeit formten sich größere
Stämme ohne römische Beachtung und seit dem 3. Jahrhundert griffen sie erneut auf
das Römische Reich an.
Im Jahre 213 trat der erste germanische Stammesverband an die römische Gren-
ze ein, der Stammesverband der Alemannen. Die Alemannen bildeten sich aus ver-
schiedenen elbgermanischen und suebischen Stammesgruppen, die aus Norddeutsch-
land auswanderten und bis an den Main vorstießen. Die Zerschlagung des Alemannen-
verbandes war nicht geglückt, doch immerhin kam es am obergermanisch-rätischen
Limes zu einer zwanzigjährigen Ruhepause.
Erneut tauchten die Alemannen im Jahre 231/233 auf. Sie brachen den Limes
durch und fielen in die Provinzen Germania superior und Rätien ein. Ein großer Teil
der Limeskastelle und ein wesentlicher Teil des Limes wurden 232/233 zerstört.
Einzelne Kastelle konnte man wieder aufbauen oder neu befestigen, doch die Römer
konnten die Verluste nicht mehr ausgleichen.
Die Provinzialverwaltung im Dekumatland funktionierte einigermaßen bis in die
50er Jahre hinein. Bald brach die Grenzverteidigung zusammen und der Fall des Limes
und der Verlust des Dekumatlandes waren vorzusehen. Die erneute Schwächung des
Grenzenschutzes nutzten die Alemannen sofort aus und sie waren bis an Rhein vorge-
drungen. Mit dem Einbruch von 254 begann der endgültige Fall des Limes. Im Jahre
11
258 tauchte ein neuer Gegner auf der Rheingrenze auf, die Franken. Dieser Stammes-
verband entstand in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts östlich des Niederrheins, im
Vorfeld der Provinz Germania inferior. Das Jahr 259 brachte einen endgültig erfolgrei-
chen Durchbruch des Limes. Die Kastelle am oberrheinisch-rätischen Limes wurden
zerstört oder die Besatzung wurde zur kampflosen Räumung gezwungen. Die Gebiete
rechts des Rheines und nördlich der Donau wurden im wesentlichen von Alemannen
erobert, nur im Nordabschnitt von den Franken, die zugleich über den Niederrhein
drängten. Nach 25-jährigen Kämpfen unterlag das Imperium und musste zum ersten
Mal in seiner Geschichte ihm gehörende Provinzteile den sog. Barbarenstämmen über-
lassen.9
Ob der Einbruch der Alemannen wirklich das Ende des obergermanisch-
rätischen Limes bedeutete, wurde in den letzten Jahren in Frage gestellt. Archäologische
Quellen zeigten, dass auf dem Gebiet zwischen dem Rhein und dem Limes weiterhin
romanisierte Bevölkerung lebte. Manche Nachweise bestätigen sogar, dass es dem Rö-
mischen Reich gelungen ist, die Neuankömmlinge zu integrieren.10
Im 3. Jahrhundert nahmen die Klassenkämpfe zu. Nach außen fanden diese Aus-
einandersetzungen ihren Ausdruck in der politischen Instabilität des Reiches, besonders
in dem häufigen Thronwechsel. Jeder Kaiser hatte andere Klasseninteressen. Dies zeig-
te, dass das Imperium nicht weiter in der bisherigen Form regiert werden konnte. Unter
Kaiser Diokletian (284 – 305) wurde der römische Staat in eine faktisch absolute Mo-
narchie umgewandelt. Der Verwaltungsumbau und die militärische Neuordnung betra-
fen natürlich auch die Provinzen am Rhein und an der Donau. Die bisherigen Provinzen
wurden im ganzen Reich in kleinere Verwaltungseinheiten aufgeteilt und zu Diözesen
zusammengefasst. Beide germanischen Provinzen gehörten von jetzt an zur Diözese des
nördlichen Galliens. Germania inferior wurde zu Germania II umbenannt und Germa-
nia superior erheblich verkleinert und als Germania I genannt.11
Weiterhin kam es zu Grenzkämpfen, die germanischen Angriffe führten jedoch
nicht mehr zu schweren Einbrüchen. Oft wurde das Prinzip angewandt, zurückgeschla-
gene oder besiegte Feinde für Grenzschutz zu gewinnen, um Germanen mit Germanen
zu bekämpfen. Immer mehr und mehr stärkte das germanische Element im Rheinland
9
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 70
10
WOLTERS, R.. Římané v Germánii. 1. vyd. Praha. 2002. S. 103
11
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 94
12
und im ganzen römischen Heer. Am Ende der diokletianischen Epoche beruhigte sich
auch die innenpolitische Situation, was für Stabilisierung der Lage von Bedeutung war.
Im 4. Jahrhundert stieg Anzahl der germanischen Soldaten und Offiziere im rö-
mischen Dienst und der römische Staat verbündete sich mit zahlreichen Vertretern der
germanischen Oberschicht, die dann sogar entscheidenden Einfluss auf die Politik ge-
wannen.
An dem Verhalten der Römer gegenüber den Germanen wirkte sich wesentlich
die innere Entwicklung und Festigung der germanischen Nachbarvölker und ihr erfolg-
reiches Ausgreifen auf römisches Gebiet aus.
Immer deutlicher traten germanische Könige als Vertragspartner der Römer her-
vor. Es gab aber auch solche Fälle, in denen römische Kaiser „selbstherrlich bei einzel-
nen Stämmen Könige einsetzten“12. Diese Verträge und Vereinbarungen dienten in ers-
ter Linie den römischen Interessen und können also nicht als Vereinbarungen der
gleichberechtigten Vertragspartner angesehen werden. Sie richteten sich vor allem dar-
auf, sich gegen Angriffe zu sichern: durch Entgegennahme der Geiseln, durch Ansied-
lung der Stämme germanischer Herkunft auf dem römischen Gebiet oder durch Anwer-
bung der Germanen für die römische Armee.
Auf jeden Fall führten diese Verträge zu ständigen Kontakten und gegenseitiger
Beeinflussung in verschiedenen Bereichen. Hierfür ein Beispiel: der römische Kaiser
Julian wurde im Jahre 360 in Paris nach germanischer Sitte durch die Schilderhebung
proklamiert. Auch Valentinian I. wurde auf den Schild gehoben und auf diesem durch
die Stadt getragen.13
Zwischen 352 und 355 stürmten außer Alemannen auch Franken und Sachsen
gegen den römischen Grenzschutz am Rhein an und vernichteten ihn. Viele Städte,
Wachttürme und kleine Festungen fielen ihren Angriffen zum Opfer. Das linke Rhein-
ufer geriet bis ans Ende von Niedergermanien, teilweise bis tief ins Landinnere, in die
Hand der Germanen. Im Jahre 355 fiel auch Köln nach Belagerung durch ein fränki-
sches Heer unter.
Der westliche Teil des Reiches war spätestens seit der zweiten Hälfte des 5.
Jahrhunderts im Wesentlichen unter germanischem Einfluss. Die Völker bezeichnete
man nicht mehr mit dem Sammelnamen „Germanen“, sondern mit Namen der einzel-
nen Stämme.
12
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975.S. 100
13
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975.S. 101
13
„Sechshundertvierzig Jahre zählte unsere Stadt, als man (…) zum ersten Male von den Waffentaten der
Kimbern vernahm. Rechnen wir von da ab bis zum zweiten Konsulat des Kaisers Trajan, dann ergeben
sich ungefähr zweihundertzehn Jahre: so lange schon wird Germanien besiegt!“
[Tacitus, Germania, 37]
A. S OZIALÖKONOMISCHE V ERHÄLTNISSE
Nach der Darstellung der historischen Hintergründe soll im Folgenden auf die
sozialökonomische Verhältnisse eingegangen werden.
Auch wenn die Ausgangsposition der einzelnen Gegenden unterschiedlich war,
muss man insgesamt mit einer wenn auch dünnen Siedlungsschicht überwiegend kelti-
scher Herkunft rechnen. Nur im rechtsrheinischen Gebiet, soweit es zu Provinz Ober-
germanien gehörte, waren die einheimischen Bewohner Germanen.
Der lange Aufenthalt der römischen Truppen setzte auf dem linken Rheinufer
einen Umbruch in die Wirtschaft und Gesellschaft an. Um die Versorgung mit Getreide,
Öl und Ausrüstung kümmerte sich zwar das Römische Reich, die Soldaten nahmen sich
jedoch von Zuhause ihre eigene Lebensweise und Essgewohnheiten mit.
Römische Truppen stationierten in der Mitte der von Gallen und Germanen be-
wohnten Gebiete. Dies eröffnete den alten Insassen und auch den neu Angekommenen
eine ganz neue Wirtschaftsperspektive. Die Bewohner waren größtenteils Landwirte
und einen Teil der Ernte gaben sie dem römischen Reich zur Versorgung von Reichs-
truppen ab. Hätten sie etwas mehr geerntet, so hätten sie es in den Vici vor den Militär-
lagern verkaufen können.
Bedeutende Finanzmittel – zur Auszahlung der Mannschaftsgebühr wurden etwa
zwei Drittel der Staatskosten verwendet – führten dazu, dass immer mehrere Handwer-
ker, Händler und weitere Gewerbetreibende in die Nähe von römischen Militärlagern
umsiedelten.
14
„...erst unlängst wurden einige Völkerschaften und Könige bekannt, zu denen der Krieg den Zugang er-
öffnet hat.“
[Tacitus, Germania, 1]
1. Gesellschaftliche Schichtung
14
Das alte Wort Gau kommt noch in den schweizerischen Kantonsnamen Aargau und Thurgau vor.
15
Die Nemeter hatten ihren Hauptsitz in Speyer (Noviomagus) und nördlich ihres Gebietes schloss sich
das Territorium der Wangionen an. Vgl. GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau
... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 342
16
Vgl. GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 342
15
grundeigentümer. Nach der Constitutio Antoniniana erhielten sie, wenn sie frei waren,
das römische Bürgerrecht.
Man unterscheidet drei soziale Gruppen von Bewohnern der germanischen Ab-
stammung, die in den römischen Rhein-Oberdonau-Provinzen lebten: die Läten, Födera-
ten und Gentilen.
Als Läten (laeti) wurde eine sozial abhängige Gruppe bezeichnet, die in ge-
schlossenen Bauernsiedlungen auf den vom Kaiser zugewiesenen Ländereien lebte.
Meistens ging es um freigelassene Kriegsgefangene, die zum Kriegsdienst für Rom ver-
pflichtet waren und als abhängige Bauern arbeiteten. Man nimmt an, dass die Läten in
eigenen „Dörfern“ lebten und nicht verstreut auf den Gutshöfen wie die meisten Kolo-
nen. Bisher wurden aber keine Lätendorfe archäologisch nachgewiesen. Die Lätensied-
lungen wurden bei den Einfällen der freien Germanen vernichtet, sodass die römischen
Kaiser die Läten erneut wieder ansiedeln mussten.
Im Unterschied zu Läten bezog sich die Bezeichnung Föderaten nicht auf Ein-
zelpersonen oder auf einzelne Familien, sondern auf einen ganzen Stamm oder zumin-
dest an einen größeren Teil eines Stammes. Das Föderatenverhältnis beruht auf einem
Vertrag (foedus) zwischen dem römischen Staat und den benachbarten Stämmen, in
dem die gegenseitigen Beziehungen geregelt wurden. Sie bekamen kein römisches Bür-
gerrecht und lebten jenseits der römischen Gebiete oder es wurde ihnen ein Siedlungs-
land in dem Grenzgebiet zugewiesen, dafür übernahmen sie dann den Grenzschutz.
Eine dritte Form der germanischen Niederlassung war seit dem 3. Jahrhundert
die Ansiedlung der Gentilen. Als Gentilen bezeichnet man Germanen, die freiwillig in
das Römische Reich gekommen sind, um dort als Söldner im römischen Heer zu kämp-
fen. Sie waren also keine Kriegsgefangenen wie die Läten und sie kämpften nicht unter
eigenen Befehlshabern wie die Föderaten, sondern sie waren völlig in das römische
Heer integriert.17 Die Gentilentruppen bildeten ausgezeichnet bewaffnete Reiter und
Fußsoldaten, die einen höheren Sold als andere Feldtruppen bekamen und mit verschie-
denen Privilegien versehen wurden.
17
Unter anderem bildeten die Gentilen auch die persönliche Leibwache des Kaisers.
16
1.2 Römische Provinzialbesiedlung
Genauso wie in dem ganzen römischen Reich teilte sich die Gesellschaft auch in
den Provinzen am Rhein und an der oberen Donau in verschiedene Klassen.
Erste Klasse bildeten die Römer, Bewohner Roms oder Italiens. Eine weitere
Klasse waren freie Bürger, Bewohner der Munizipien mit italischem Recht, d.h. mit
einer gewissen Art Partialbürgerschaft ohne römisches Bürgerrecht, doch sie hatten alle
Pflichten gegenüber Rom wie die römischen Bürger. Eine weitere Schicht bildeten pe-
regrini, die freien Bürger fremder Staaten oder Städte, die das römische Bürgerrecht
durch Dienst in den Hilfstruppen gewinnen konnten. Nicht zuletzt die Sklaven, die frei-
lassen werden konnten und somit die Schicht der Freigelassenen bildeten. Mit der Frei-
lassung bekam ein Freigelassener die Rechte seines Herrn, war jedoch eine Zeitlang von
seiner Familie abhängig.
Im Jahre 212 n. Chr. erließ Kaiser Caracalla die sog. Constitutio Antoniniana,
auf deren Grund alle freien Bewohner Römischen Reiches das römische Bürgerrecht
bekamen.
Die Mehrheit der römischen Bewohner in den Provinzen wurde von Söldnern
gebildet. Legionäre dienten rund 25 Jahre in der Armee. Aber selbst in Kriegszeiten
waren sie nicht ununterbrochen in Kämpfe verwickelt. Lange Jahre lebten sie ungestört
in den Lagern. Sie bauten Straßen und Brücken, sie legten Felder an, säten und ernteten.
Sie arbeiteten als Handwerker und brachten den Einheimischen ihre Fertigkeiten bei.
Die Soldaten lebten am engsten Raum und der Tagesablauf war streng geregelt.
Um Disziplin und Kondition der Truppe zu wahren, wurde exerziert und hart gearbeitet.
Die Legion war auch für viele Bauaufgaben in ihrem Bereich zuständig. Sie brannte
z.B. Ziegel, die dann den Stempel der Kohorte oder Legion trugen, zu der die Soldaten
gehörten.
Wie die gesellschaftliche Schichtung kompliziert war, lässt sich an der folgen-
den Tatsache erkennen. Als Verwalter der Großgüter, deren Besitzer meistens in Rom
oder im Allgemeinen weiter entfernt von dem Gut lebten, wurden in der Regel Sklaven
oder Freigelassene verwendet. Die Sklaven waren oft Vertraute ihrer Herren, führten
deren Geschäfte und vertraten sie gegenüber dem Staat. Solche Sklaven lebten ein rela-
tiv unabhängiges Leben und besaßen auch einige Sklaven. So konnte ein Sklave auch
ein Sklavenhalter werden.
17
1.3 Klassenkämpfe
Am Ende des 2. Jahrhunderts begann im römischen Imperium eine allgemeine
Krise der gesellschaftlichen Ordnung, die im Untergang der antiken Gesellschaftsforma-
tion endete. Die gesellschaftlichen Unterschiede stiegen rapide an. An einer Seite war
Besitz und Reichtum, an der anderen Armut und Ausbeutung. Die Städte büßen ihre
ehemals hervorragende ökonomische und soziale Position als Stütze der Zentralgewalt
ein. Ländereien verödeten und die Sklaverei verlor ökonomisch an Bedeutung. Immer
öfter erschienen Unruhe und Erhebungen der unterdrückten Klassen und Schichten. Die
germanischen Bauern und die Bauern der römischen Provinzen wurden zur Hauptmacht
im Klassenkampf.
„Als die auf Sklaverei gegründeten Beziehungen zerfielen, begann eine neue
Entwicklung, und dieser kam eine immer wichtigere Rolle zu. Sie brachte eine neue
Eigentumsform hervor, deren Keime sich allerdings schon in den vorgegangenen Etap-
pen der Geschichte der Gesellschaft entwickelt hatten. Sie wurden in den folgenden
Jahrhunderten der Reichsgeschichte zur Hauptgrundlage für die Bildung von Elementen
der Feudalbeziehungen und für die Entstehung der Klassen der Feudalgesellschaft.“18
Zu den Gründen, die im 4. Jahrhundert zum Untergang des Reiches führten, ge-
hörten auch fortschreitende ethnische Verhältnisse in den provinzialen Grenzgebieten,
in denen oft Auseinandersetzungen zwischen angesiedelten und freien Germanen vor-
kamen.
Der innere Verfall des Römischen Reiches zusammen mit den zunehmenden
Einfällen verschiedener germanischer Stammesverbände aus Osten, die von Hunnen
ausgelöst wurden, bedeutete den Untergang des römischen Imperiums.
18
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 353
18
„Die Germanen selbst sind, möchte ich meinen, Ureinwohner und von Zuwanderung und gastlicher Auf-
nahme fremder Völker gänzlich unberührt.“
[Tacitus, Germania, 2]
2. Romanisierung
2.1 Lateinisierung
Das wichtigste Mittel der Romanisierung war die lateinische Sprache. Sie breite-
te sich langsam, doch unaufhaltsam aus und sie wurde zugleich zur ersten Phase als
auch zur Schlussfolge der Romanisierung. Auf ihre Expansivkraft deutet auch die Exis-
tenz der modernen romanischen Sprachen hin.
Die Lateinisierung, wie man diesen Prozess benennen kann, traf vor allem die
schwach entwickelten westlichen Gebiete. Der Osten, wo die griechische Zivilisation
herrschte, scheint keine Interessen daran zu haben, das Lateinische in breiterem Maß-
stab kennen zu lernen. Daraus ergibt sich, dass das Griechische auch in den Zeiten der
Römerherrschaft eine bedeutende Stelle behielt.
19
J. BURIAN. Římské impérium : vrchol a proměny antické civilizace. 1 vyd. Praha, 1994. S. 81
19
Die Lateinisierung der Westteile des Imperiums erfolgte sehr schell, vermutlich
innerhalb einigen Generationen, traf alle Schichten der Gesellschaft und drängte die
einheimischen Sprachen zurück.
Nur wenige der Provinzialen lernten Latein in ihrer hoch entwickelten Form
kennen. Vielmehr begegneten sie sich mit dem sog. Vulgärlatein20, was ein Begriff für
die alltägliche Sprache ist.
Auch die Römer übernahmen einige Begriffe von den Germanen. Nennen wir z.
B. das lateinische Wort „sapo“ (vom germanischen Wort „seipfa“, heute „Seife“).
Auch in modernen romanischen Sprachen lassen sich Einflüsse des Germani-
schen wieder finden, beispielsweise im Französischen oder im Spanischen. Die franzö-
sische Bezeichnung für Garten „jardin“ kommt aus dem germanischen Wort „garda“
20
Aus lateinischem Adjektiv vulgaris - zum Volke gehörig, gemein. Sermo vulgaris – Volkssprache, steht
im Gegensatz zu sermo urbanus – literarisch kultivierte Sprache der römischen Oberschicht. Aufgrund
der negativen Bedeutung des Ausdrucks vulgär ist der neutralere Ausdruck „Volkslatein“ vorzuziehen.
20
und das spanische Wort für Krieg „guerra“ stammt vom germanischen „werra“, dem
heutigen „Wehr“.
21
2.3 Germanisierung
Germanisierung als Verbreitung eines germanischen Volkes und seiner Kultur
und die gewöhnlich einhergehende Überformung oder Verdrängung anderer, nicht ger-
manischer Kulturen, steht als Gegensatz zur Romanisierung.
Seit dem 3. Jahrhundert überschritten die germanischen Stämme zunehmend die
Reichsgrenze und drängten ins römische Gebiet ein. Kriegerische Auseinandersetzun-
gen und friedliche Einwanderungen der germanischen Völker führten zu einer allmähli-
chen Germanisierung der in der Grenznähe liegenden Gebiete noch vor dem Untergang
des Imperiums. Häufig akzeptierten die Römer selbst die germanischen Völker als Fö-
deraten und wiesen ihnen Siedlungsgebiete innerhalb der römischen Reichsgrenzen zu.
22
"Daß die Völkerschaften der Germanen keine Städte bewohnen, ist hinreichend bekannt, ja daß sie
nicht einmal zusammenhängende Siedlungen dulden. Sie hausen einzeln und gesondert, gerade wie ein
Quell, eine Fläche, ein Gehölz ihnen zusagt. Ihre Dörfer legen sie nicht in unserer Weise an, daß die
Gebäude verbunden sind und aneinander stoßen: jeder umgibt sein Haus mit freiem Raum (...)."
[Tacitus, Germania, 16]
23
Pfostenlöcher oder Holzreste21, von denen man auf die Architektur schließen kann.
Würden wir jedoch mehr als nur die Grundrisse kennen, so würden wir zweifellos einer
großen Vielfalt von Konstruktionsformen, architektonischen Details und schmückenden
Elementen gegenüberstehen, in welchen auch Stammesidentität oder sonstige Gruppen-
zugehörigkeit ihren Ausdruck gefunden haben dürften.
Die nahe der Limesgrenze liegenden rechtsrheinischen Gebiete sind weniger
erforscht als zum Beispiel die Niederlande oder die Nordseeküste, doch die verbreitetste
Bauform scheint das Langhaus zu sein. Es geht um eine Art Wohn-Stall-Hauses (es be-
herbergte sowohl Menschen als auch Tiere, lediglich durch eine Wand getrennt), das
meistens dreischiffig war und in einigen Fällen bis zu 29 Meter lang und 6,5 Meter breit
sein konnte. Andere Gebäude, die nur zum Wohnen oder zu Wirtschaftszwecken dien-
ten, waren kleiner. Das tiefherabgezogene, mit Rohr oder Stroh bedeckte Dach, wurde
von der äußeren Seite von hölzernen Pfeilen getragen. Äußere Wände bestanden aus
hölzernen Pfosten, zwischen denen sich ein mit Lehm beschmiertes Flechtwerk spannte.
Das Wohnteil hatte keine anderen Trennwände mehr und in seiner Mitte lag eine Feuer-
stelle. Der Rauch zog über eine Öffnung im Dach ab. Fenster besaßen solche Häuser
kaum. Fußboden war ebenerdig, im Wohnhaus aus Stein oder Holz und im Stallteil von
Lehm gebildet. Im Stall kann man sogar Abteile für einzelne Tiere erkennen, dank de-
nen man sich eine Vorstellung über die Wirtschaftskraft der einzelnen Siedlungen ma-
chen kann. Zu jedem Haus gehörte dann ein Stück des Landes, das zusammen mit dem
Haus von einem Holzzaun umgeben war.
21
Erhaltene Holzteile deuten auf hohes Niveau der Holzbautechnik. Der germanische Zimmermann kann-
te verschiedene Zapfensorten, Holznägel und Zapfenverbindungen der Pfosten.
24
Zu einer Siedlung gehörten auch Brunnen, Back- und Keramiköfen, sowie ein
Platz für Eisenerzschmelzung. Es ist jedoch anzunehmen, dass alle diesen Plätze Ge-
meineigentum waren, als hätte sie jedes Haus selbst besitzt.
Über die Siedlungsgröße kann man nur wenig aussagen. Die bislang erfundenen
Häuser sind nicht zeitgenössisch, sie stammen meistens aus verschiedenen Epochen im
Laufe der Jahrhunderte. Man kann eng geschlossene Siedlungen, sowie lockere Grup-
pierungen finden. Der Abstand zwischen den einzelnen Häusern konnte in diesem Falle
bis zu einigen Hunderten Metern ausmachen.
Obwohl stark befestigte Siedlungen für germanische Völker anscheinend nicht
typisch waren, gab es auch kleinere Festungen, die teilweise von Kelten übernommen
wurden (zu ständigem Wohnen kaum genutzt) und möglicherweise nach keltischem
oder sogar römischem Vorbild eingerichtet wurden. Die Sitze der germanischen Fürsten
kann man sich jedoch kaum vorstellen.
22
Das Legionslager Xanten-Vetera I beherbergte sogar zwei Legionen und eine unbekannte Anzahl von
Hilfstruppen.
25
Die militärischen Standlager liefen verschiedene Ausbauphasen durch. Die an-
fangs viereckige Form, Holz-Erde-Wall und Holzfachwerkgebäude wandelten sich im
Laufe der Zeit und vor allem nach dem Germaneneinfall von 275/276 zu rechteckigen
Steinfestungen. Die Einteilung römischer Standlager folgte jedoch immer einem festen
Schema, das den örtlichen Gegebenheiten angepasst wurde. Als Standort wurde leicht
erhöhtes übersichtliches Gelände in der Nähe von Gewässern, Wäldern und Wiesen
bevorzugt. Das Lager (Abb. 5) wurde von einer Palisade, später von einer Steinmauer
umgeben. In der Mitte jeder Seite ermöglichte ein Tor den Zugang ins Lager. Diese vier
Eingangstore wurden durch zwei Hauptstraßen verbunden, die via praetoria und via
principalis. Im Zentrum des Lagers, wo sich die beiden Straßen kreuzten, stand das
Stabsgebäude (principia) mit Schreibstuben (tabularia), Diensträumen des Komman-
deurs, weiter mit Fahnenheiligtum (aedes), in dem der Legionsadler aufbewahrt wurde,
sowie mit Waffenkammern (armamentaria). Die via praetoria führte direkt zum Ein-
gang. Daneben befanden sich das Wohnhaus des Kommandanten (praetorium), das
meist mit allem Luxus eines Stadthauses der römischen Oberschicht ausgestattet war,
ein Speicher (horreum), mehrere Werkstätte, Latrinen und je nach der Besatzungsgröße
Magazine23 und ein Lazarett. Die Soldaten waren, oftmals mit samt ihren Pferden, in
Kasernen im vorderen und hinteren Lagerbereich untergebracht. Außerhalb des Lagers
bzw. Kastells konnten sich noch ein Exerzierplatz24, auf dem trainiert wurde und Para-
den abgenommen werden konnten, Thermen oder sogar ein Amphitheater befinden.
Ein Marschlager wurde für jede Nacht außerhalb befriedeter Provinzen errichtet
und falls möglich ähnlich wie ein Standlager angelegt. Nachdem das Lager je nach der
Truppengröße vermessen wurde, grub man einen Graben von etwa 1 m Tiefe. Die Erde
wurde zu einem ca. 60 cm hohen Erdwall aufgeschüttet, an dem eine 100 – 120 cm hohe
Palisade entstand. Als Tore dienten einfache Unterbrechungen im Wall, die von vorge-
setzten Wällen geschützt wurden. Die Zeltbesatzung richtete sich nach der Offiziersord-
nung. Centurionen und höhere Offiziere hatten ein eigenes Zelt, die einfachen Legionä-
re teilten sich acht Mann ein Zelt (contubernium = Zeltgemeinschaft). Sollte jedoch ein
Marschlager längere Zeit genutzt werden, so konnte der Graben eine Tiefe von 3 Metern
und eine Breite von bis zu 7 Metern erreichen. Der Erdwall wurde dementsprechend auf
eine Höhe von 2 – 3 Metern aufgeschichtet und es wurden Torflüge eingerichtet.
23
In den Magazinen wurden Lebensmittel bis zu zwei Jahren bevorratet.
24
Der Exerzierplatz konnte sich jedoch auch innerhalb eines Lagers befinden.
26
Im Zuge der militärischen Besatzung wurde das Straßennetz ausgebaut. Die
Straßen wurden auf dem gestampften Boden aus festem Steinfundament gebaut. Die
wichtigsten Straßen wurden mit einer Schicht aus Kopfsteinen abgeschlossen und mit
einem Entwässerungssystem ausgestattet. Meilensteine informierten, wie weit es noch
bis zur nächsten Siedlung war und oft auch welcher Kaiser die Straße ausbauen ließ.
Neben Soldaten benutzten die Straßen auch Händler, Regierungsbeamten und kaiserli-
che Kuriere, die Botschaften und Briefe transportierten.
An den meisten Standlagern und Kastellen bildete sich rasch eine Zivilsiedlung
aus. Im Lagerdorf (canabae) wohnten außer Familienangehörigen der Soldaten auch
zahlreiche Handwerker, Händler und Gewerbetreibende. Mit dem eigentlichen Lager
bildete diese Siedlung die Keimzelle zur Romanisierung.
Abb. 7 Modell eines Streifenhauses. Links Straßenansicht, rechts der Hinterteil des Hauses
Das Areal des Lagerdorfes war entlang der Straßen schachbrettweise in Parzel-
len aufgeteilt. Der vorherrschende Bautyp der Lagerdörfer waren die sog. Streifenhäu-
ser, die auf den Parzellen dicht nebeneinander lagen. Es handelte sich um rechteckige,
lang gestreckte Holzfachwerkgebäude, die teilweise unterkellert werden konnten. Sie
dienten zugleich als Wohn- und Geschäftsgebäude. Im vorderen Teil befanden sich eine
Werkstatt oder ein Laden, während der mittlere und hintere Teil zum Wohnen genutzt
27
wurden. Später, bei wachsendem Wohlstand, wurden die Streifenhäuser steinbauweise
errichtet, wobei sich auch Mischbauformen nachweisen lassen.
Canabea konnten in vici – kleinstädtische Siedlungen – auswachsen. Je nach der
Funktion reichte ihre Größe von einer kleinen Straßensiedlung bis zur Ausdehnung
zeitgleicher (Groß-) Städte. Die Zivilsiedlungen konnten entweder zu einem municipium
oder zu einer colonia erklärt werden. Coloniae hatten volles römisches Bürgerrecht der
Stadt Rom, d. h. die Bewohner hatten auch die römische Staatsbürgerschaft. Municipia
waren auch autonome Städte, deren Rang jedoch etwas niedriger war. Die Bewohner
erhielten italisches Recht - eine gewisse Art Partialbürgerschaft mit allen Pflichten ge-
genüber Rom wie die römischen Bürger.
Statut der Colonia ist noch heute im Stadtnamen Köln spürbar. Die Stadt, im
Zentrum des Stammes Ubier – Oppidum Ubiorum – gegründet, wurde im Jahre 50 u. Z.
zur colonia erhoben und bekam den Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensis.
Die Provinzstädte, coloniae wie municipia, waren nach dem Muster der Stadt
Rom organisiert. Zur Gründung einer Stadt gehörten Neuausmessung und Aufteilung
des Gebietes, das zur Besiedlung bestimmt wurde. In der Mitte jeder Stadt befanden
sich Forum für politische und religiöse Versammlungen, sowie weitere Bauten wie
Tempel, Basilika25, aber auch Markthalle. Eine gewisse Hygiene sicherten die Abwas-
serkanäle. Von besonderer Bedeutung war die Wasserversorgung. Da, wo Brunnen und
Wasserbehälter nicht genügend ausreichend waren (vor allem nicht für den Bäderbe-
trieb), wurde das Wasser mit Hilfe der Aquädukte, der weitestgehenden Bauwerken des
Römisches Reiches, zugeleitet. Zu weiteren öffentlichen Bauten, die sich in der Stadt
befanden, gehörten Theater, Amphitheater, Thermen und manchmal auch circus, eine
riesige Bahn für Wagenrennen.
25
Der Begriff Basilika kommt aus dem Griechischen – stoá basiliké – und bedeutete soviel wie Königs-
halle. Im römischen Reich bezeichnete er anfänglich größere Markt-, Versammlungs- oder Gerichtshal-
len. Die spätantike Basilika war dagegen ein rein geistlich (christlich) motivierter Bau.
28
In dem rechtwinkligen Straßennetz standen Mietshausblöcke (insulae, Abb. 8),
in denen vor allem Plebejer wohnten. Diese Wohnhäuser waren in der Regel mehrstö-
ckig. Im Erdgeschoß befanden sich meistens Läden oder Werkstätte, in den Stockwer-
ken darüber die Wohnungen der Mieter. In der ersten Etage befanden sich geräumige,
besser ausgestattete Wohnungen, oft mit fließendem Wasser und mit einer Toilette. Die
Wohnungen in den höheren Etagen waren zunehmend kleiner. Eine gewisse Rolle in der
Wohnungsqualität und –ausstattung spielte auch das soziale Umfeld. Hygiene in sol-
chen Häusern war wegen schlechter Frischwasserversorgung sehr schlecht. Das Wasser
holte man aus Brunnen auf den Straßen und zum Baden musste man öffentliche Ther-
men oder Badehäuser aufsuchen. Auf Grund der Raumnot in den ständig wachsenden
Städten wurden auf die insulae noch weitere Holzverschläge gebaut. Häufig kam es
dann zu schweren Bränden oder die Wohnhäuser stürzten aus dem Grund baulicher
Mängel ein.
Die städtische Oberschicht lebte in prächtigen Häusern, die man domus (Abb. 9)
nannte. Im Unterschied zu insulae, wo die Wohnung zu verschiedenen Zwecken diente,
hatte im Domus jedes Zimmer seinen eigenen Zweck. Man kennt zwei Bautypen des
Domus: das Atriumhaus, das nach dem etruskischen Vorbild entstanden ist und das
Peristylhaus.
Neben den freien Bürgern, die seit der Constitutio Antoniniana vom Jahre 212
das römische Bürgerrecht besaßen, lebte in den Städten eine mehr oder weniger große
Schicht unbemittelter Freigelassenen die allerdings weiterhin von ihren früheren Herren
abhängig waren, und auch Sklaven: in Haushalten und Werkstätten der Bürger, in Tem-
29
peln und öffentlichen städtischen Gebäuden, aber auch als geschäftliche Vertreter ihrer
Herren.
Coloniae und municipia verwalteten sich selbständig. „Nach dem Muster der
Stadt Rom besaßen diese Gemeinden einen jährlich wechselnden Beamtenapparat und
ein ständiges Konsortium von Ratsherren, (...); die Volksversammlung der römischen
Bürger war daneben praktisch ohne Bedeutung.“26 Das städtische Leben und die stadt-
ähnlichen Verwaltungsformen blieben doch in den germanischen Provinzen stärker als
anderswo vom militärischen Leben und seinen Anforderungen beeinflusst.27
Die Langebiete waren auf civitates (Verwaltungseinheiten der mittleren Ebene)
geteilt, die weder römisches noch latinisches Recht besaßen. Hier wohnte vor allem
einheimische Bevölkerung. Diese Bürgerschaft bestand nicht nur aus wohlhabenden
Eigentümern, sondern auch aus Plebs, der teilweise produktiver Beschäftigung nach-
ging, teilweise ohne geregelte Arbeit lebte.
Die Städte und stadtähnliche Verwaltungsbezirke verfügten über ein Gebiet, das
weit über die Stadtmauern hinwegreichte. Die Militärsiedlungen waren nicht miteinbe-
zogen. Sie bildeten einen Teil des römischen Militärlandes. Man nimmt an, dass alle
Siedlungen in der Limesnähe und Kastell- und Lagervici mehr oder weniger der militä-
rischen Aufsicht und Kontrolle unterstanden. Unter der Aufsicht des Lagerpräfekten
wurde auch der Handel mit Germanen betrieben. Die Germaneneinbrüche zwangen die
Städte, ihre Siedlungen mit Mauer zu befestigen und womöglich das Militär in die neue
Stadtbefestigung aufzunehmen. Somit verschwanden die offenen Städte und Siedlun-
gen.
26
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 22
27
Vgl. GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 59
30
engen Anschluss an die Straßen beobachtete, wird es angenommen, dass es ein enges
Netz von Verbindungswegen geben musste, für dessen Aufbau die Einzelhöfe selbst
zuständig waren. 28
Villa rustica bestand aus einem Wohnteil (pars urbana), einem Wirtschaftshof
(pars rustica), einer Scheune (pars fructuaria) und einem Speichertrakt. Das ausge-
dehnte Areal wurde mit Mauer oder Zaun umgeben. Das Zentrum bildete eine steinerne
Villa des Besitzers. Als Ausgangspunkt der architektonischen Entwicklung der Villa
wird das schon in vorrömischer Zeit vorhandene Wohn-Stall-Haus angesehen. Durch
den Anbau von Wohnkammern und das Vorlegen eines Portikus29, was sicher unter
dem römischen Einfluss erfolgte, trennte sich der Wohnteil von dem Wirtschaftsteil.
Einige Villen gingen mehrere Aus- und Umbauphasen durch, was manches über die
wirtschaftliche und soziale Position des Besitzers verrät. Charakteristisch für beide ger-
manischen Provinzen ist Portikusvilla mit Ecrkisaliten. Ihre Entstehung bleibt jedoch
unklar, denn sie ist sonst nur noch in Nordafrika zu finden.
Der bekannteste und meist erforschte Teil der Hofanlage ist das Wohnhaus. Es
bestand aus einer zweistöckigen Mittelhalle. Neben verschiedenen Werkstätten verfügte
es über mehrere Herdstellen und einen Kellereingang. Um die Halle gruppierten sich
einige Kammern, die als Wohn-, Bade- und Wirtschaftsräume dienten. Bad und mindes-
tens ein weiteres Zimmer konnten durch Hypokaustanlage30 (Abb. 17) beheizt werden.
Unter dem Portikus lag der Keller. Die Wände aus Handquadern hatten einen roten Fu-
genstrich oder waren sogar ganz verputzt und rot bemalt. Zur Standartausstattung des
Kellers gehörten Drainagekanäle, ein massiver Steintisch als sichere Speisenaufbewah-
rungsstätte vor den Nagetieren und kleine, schießschartenähnliche Fenster.
Von der Villengröße können wir drei Gruppen von Landesumfang des Gutes
ableiten: 1. Kleinbauergehöfte, 2. mittlergroße Gutshöfe und 3. Großgüter mit villa ur-
bana.
Die erste Gruppe wurde von Villen gebildet, die in unterschiedlichen Abmes-
sungen – je nach der ökonomischen Lage des Besitzers – ausreichend Platz für eine ge-
räumige Wohn-Wirtschafts-Halle und zwei oder drei umliegende Raumreihen boten.
Die Wände waren meist verputzt und getüncht. Oft verfügten solche Villen über ein
Badezimmer und einen festen Keller. In der Limesnähe konnte jedoch die Ausstattung
28
Vgl. GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 148 -
149
29
Portikus ist eine von Säulen getragene Vorhalle, die zu einer Seite hin offen ist.
30
Fußbodenheizung
31
der Villen einfacher sein31. Zu dieser Gruppe, die die Grundform der römischen Klein-
farm darstellt, gehörten die Villen der Kolonen, die Höfe freier Kleinbauern und die
kleineren Güter der Veteranen.
Bei den mittelgroßen Gutshöfen betrifft die Erweiterung vor allem den Wohn-
trakt, der nun bis zu 30 Zimmer enthält. Die Wohnräume waren mit Mosaiken, Mar-
morplattenbelag und Wandmalereien verziert, was auf eine Akzentverschiebung zu-
gunsten des Wohnkomforts hinweist. Fast nie fehlten ein Bad und eine mehrräumige
Hypokaustanlage. Ein weiteres Zeichen von Reduzierung der Wirtschaftsfunktionen der
pars urbana ist Vermehrung der Anzahl von Ökonomiebauten in der Hofanlage. Die
Wirtschaftsgebäude liegen meist regellos um das Wohnhaus verstreut und werden von
einer Mauer oder einem Graben, einem Wall und einer Hecke umgeben.
31
Die Villen bei Tiefenbach – Heilkorn, „Münzberg“ (Wiesbaden)
32
Die dritte Gruppe bilden Großgüter mit selbständiger villa urbana, die von der
pars rustica getrennt ist. Das Wohnhaus, das keine Wirtschaftsfunktionen mehr hat,
liegt isoliert oberhalb des Wirtschaftshofes in einer Park- oder Gartenanlage. Damit ist
die bei den Mittelgroßgütern angefangene Trennung der pars urbana von der pars
rustica zum Abschluss gekommen. Entsprechend der ökonomischen Situation gestalten
die Besitzer ihre Wohnsitze mit allem Prunk und Reichtum aus. Mehrere Bäder, um-
fangreiche Hypokaustanlagen, Gärten mit Wasserteichen, prachtvolle Wandgemälde,
Statuen, Mosaiken und Marmortäfelung erinnern an gleichrangige Landgüter in Ita-
lien32.
Je nach der Größe des Gutbetriebs musste man mit einer bestimmten Anzahl der
Landarbeiter, des Hauspersonals, sowie mit einigen Sklaven rechnen. Im Wohnhaus des
Villabesitzers fand in der Regel nur eine geringe Zahl, vermutlich das Hauspersonal,
ihren Platz. Daneben aber sind ausgesprochene Gesindehäuser nur selten festgestellt
worden. Zweifellos deswegen, dass sie oft – wie auch die anderen Ökonomiebauten auf
dem Hofe – aus leichtem Fachwerk auf Steinsockel bestanden und nur ein Stroh- oder
Schindeldach trugen. Es ist aber auch nicht festgestellt worden, ob jede Villa über ein
gesondertes Wohnhaus für Arbeitskräfte verfügte. Bei mehreren Ausgrabungen sind
abgeteilte Räume in Ställen, Scheunen und Werkstätten mit Herd- und Feuerstellen
gefunden worden, die eine solche Deutung zulassen. Und ob mindestens ein Teil der
Ökonomiebauten zweistöckig war und somit weitere Unterbringungsmöglichkeit
geboten hätte, darüber besitzen wir keine Nachweise. Somit aber dürfte die Frage, wo
die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte ansässig waren, zwar hypothetisch, doch mit
hoher Wahrscheinlichkeit beantwortet werden können.
32
z. B. Peristylvilla von Westerhofen (Kr. Ingolstadt)
33
„Den Herrn und den Sklaven erziehen sie gleich und ohne Verzärtelung: sie leben in der selben Herde
und auf dem selben Boden und nur das Alter unterschiedet sie, das ihnen Tugend und Anerkennung ver-
schafft. (...)
[Tacitus, Germania, 20]
4. Eigentumsverhältnisse
4.1. Grundeigentum
Individualeigentum war bei den Germanen wohl an Kleidung, Waffen, Geräten
und anderen Gegenständen des täglichen Lebens möglich. Auch das Haus mit seiner
Umgebung, Vieh und Kriegsbeute waren persönlicher Besitz.
Die Frage, ob es bei Germanen privates Eigentum an Land gab, ist nicht ab-
schließend geklärt. Wahrscheinlich aber gehörte jeder Familie ihr Haus mit einem ge-
wissen Umland. Das restliche Land (Wald, Wasserquellen und –flächen) war wohl bis
zum Anfang der römischen Zeit Verwandtschaftseigentum. Dabei muss man bemerken,
dass das Eigentumsrecht nicht nur die Einwohner einer Siedlung betraf, sondern auch
weitere Siedlungsgemeinschaften desselben Stammes. Das Gemeinschaftseigentum
bezog sich auch auf Wild, Früchte, Holz und andere Rohstoffe, in der Regel ging es
aber nicht über die Stammesgrenzen hinaus.
Ein großer Teil unseres Wissens über die Germanen stammt aus Caesars und
Tacitus’ historischen Berichten. Ein Vergleich der beiden Geschichtswerke erlaubt uns,
die Entwicklung des Grundeigentums bei den Germanen in der dazwischen liegenden
Zeit zu verfolgen. Zu Caesars Zeiten war das Grundbesitz nicht mit Privateigentum
gleichbedeutend. Vielmehr wurden die Felder jährlich unter die Sippen verteilt: “Nie-
mand hat ein bestimmtes Stück Land oder eigene Grenzen, sondern jeweils für ein Jahr
verteilen die Häuptlinge die einzelnen Felder, wo und wie viel ihnen richtig erscheint,
an die Verwandtschaftsgruppen, die dafür zusammenkommen. Nach einem Jahr verle-
gen sie das Ganze in einen anderen Siedlungsort.“33 Zur Zeit des Tacitus wurde das
Land jedes Jahr an Einzelpersonen je nach ihrem sozialen Status innerhalb des Stammes
verteilt: “Die Felder werden von allen Dorfbewohnern nach der Zahl der Arbeitskräfte
in Besitz genommen und dann teilen sie das Land unter sich auf, je nach gesellschaftli-
cher Stellung.“34
33
Caesar, Bellum Gallicum, 6.22.2
34
Tacitus, Germania, 26.2
34
Der größere Teil des Bodens in den Provinzen am Rhein und an der oberen Do-
nau gelang durch Verkauf und Verpachtung an Neusiedler, Veteranen und Kolonen.
Gewisse Territorien gehörten auch der Städten (munizipales Grundeigentum).
In der Kaiserzeit wurden im Bestreben, die Quellen des Staatsaufkommens zu
stärken, neue Steuern angelegt (z. B. die Erbschaftsteuer, oder Steuer bei Sklavenfrei-
lassung). Unter Augustus wurde kaiserliche Kasse, das sog. fiscus eingerichtet, das im
3. und 4. Jahrhundert einen großen Teil des Landes besaß. Diese kaiserlichen Domänen
konnten wohl auch zum kaiserlichen Privatvermögen gehören. Weil nur für wenige Ge-
biete Argumente oder gar Beweise über die Lage der Domänen erbracht worden sind, ist
noch unklar, welches Ausmaß diese Saltus in den Rhein-Oberdonau-Provinzen hatten.
Diese Domänen waren von Anfang an exterritorial, d.h. sie gehörten nicht mehr zu dem
Provinzialboden und wurden von kaiserlichen Prokuratoren verwaltet.
Ein sicher bestätigter kaiserlicher Saltus lag nördlich von Trier35 durch etwa 72
km lange Begrenzungsmauer umschlossen. Im etwa 220 km2 großen Bezirk wurden
rund 100 Villen festgestellt. Trotz zahlreicher Gehöfte war der Landbezirk dünn besie-
delt und deswegen wird es angenommen, dass die Landwirtschaft in diesen Saltus nicht
der Hauptproduktionszweig war.
Der kaiserliche Domänenbesitz wurde durch intensive Kleinwirtschaft mit Ko-
lonen erhalten. Um die Zahl der selbständig wirtschaftenden Produzenten auf den kai-
serlichen Domänen zu vergrößern, wurde unter dem Hadrian jedem, der ein unbebautes
Land in Kultur nehmen wollte, das erbliche Status des Dauerpächters zugesprochen. Im
Laufe des 3. Jahrhunderts rissen aber viele Grundherren Teile kaiserlicher Domänen an
sich, sodass am Ende des 3. Jahrhunderts. umfangreiche Gebiete der Saltus im Besitz
dieser „Landmagnaten“ waren.36 Noch eine Vermehrung des kaiserlichen Grundbesitzes
erfolgte unter dem Kaiser Konstantin, zum Teil durch Konfiskation und Verstaatlichung
munizipaler Ländereien.
Nach dem Vorbild der kaiserlichen Domänen bildeten sich rasch große wirt-
schaftliche und Verwaltungskomplexe, die unabhängig von seiner Umgebung waren
und weder munizipaler noch kaiserlicher Verwaltung unterstanden. Damit wurde Nie-
dergang der Städte verstärkt, weil sie einen Teil des städtischen Vermögens verloren.
Im 4. und 5. Jahrhundert setzte sich der Niedergang des kaiserlichen Domänen-
wesens zusammen mit gleichzeitiger Stärkung des privaten Großgrundbesitzes fort, bis
35
bei Bitburg in der Südeifel
36
Vgl. GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 328
35
die germanische Landnahme die Umwandlung seiner letzten Überreste in fränkisches
Königsgut mit sich brachte.
Abb. 11 Minerva überwacht die Arbeit der Sklaven (Basrelief aus Capua)
37
Vgl. GLEICHEN-RUSSWURM, A. v. Der Kulturkreis des Imperium Romanum : der Entwicklungs-
stand... 1. Auflage. Hamburg. S. 380-381
36
Über die Sklaverei in den Rhein-Oberdonau-Provinzen besitzen wir nur spärli-
che Quellen. Man kann Inschriften finden, die etwas über Sklaven aussagen, sie erfas-
sen allerdings nur eine kleine Sklavenoberschicht, die im Dienst der herrschenden Klas-
se stand. Obgleich diese juristisch Sklaven sind, sind doch der Klasse der Sklaven nicht
zuzuordnen. Die Klasse der Sklaven, die in der Landwirtschaft oder in den Handwerk-
stätten produktiv tätig waren, wird uns nur indirekt sichtbar38.
Die Sklaven gehörten nicht zu Bürgerschaft der städtischen Gemeinden. Sie leb-
ten in den Haushalten und in den Werkstätten, in denen sie dienten und verschiedene
Handwerke betrieben, oder in den öffentlichen städtischen Gebäuden, in denen sie nie-
dere Dienste leisteten.
Ein Sklave konnte auch freigelassen werden. Die Freilassung konnte er sich ent-
weder selbst erkaufen oder erhielt sie von seinem Herrn als Geschenk, oder durch Tes-
tament. So lebte ein Sklave als Freigelassener, doch in enger Verbindung mit der Fami-
lie, in der er früher gedient hatte.
Im 2. Jahrhundert besaß die Sklaverei in der Produktionsweise in den Provinzen
am Rhein und an der oberen Donau nicht mehr die gleiche Bedeutung. Natürlich gab es
auch weiterhin Sklaven, die auf den Feldern, in den Werkstätten in den Häusern der
Großgrundbesitzer und in verschiedenen Verwaltungen arbeiteten, die Sklaven wurden
aber nicht in dem Ausmaß wie früher verwendet. Das Schwergewicht verschob sich auf
den Kolonat und andere Formen abhängiger Arbeit.
Ein noch deutlicheres Bild von der Bedeutung der Sklaverei in einzelnen Pro-
vinzen gewinnen wir, wenn wir dazu die Entwicklung des Kolonats in Beziehung set-
zen. Ein Teil der ehemaligen Sklaven wurde zu Kolonen39. An Sklaven, die noch in der
Sklaverei lebten, wurden Landparzellen zur selbständigen Wirtschaftsführung mit antei-
liger Gewinnabführung an den Sklavenhalter verpachtet. Damit wurden sie Quasi-
Kolonen – dem Klassenstand nach immer noch Sklaven, wirtschaftlich doch als freie
Bauern angesehen.
Im 3. und 4. Jahrhundert, insbesondere nach der Christianisierung des Römi-
schen Imperiums, wurden die Kolonen den Sklaven rechtlich immer ähnlicher. Es be-
38
z. B. Sklavenunterkünfte in den ländlichen Villen
39
Ein Kolone war ein freier Bauer, der sich eine Landparzelle mit Geräten bei einem Großgüterbesitzer
mietete. Dafür führte er an ihn einen Teil der Ernte ab oder bezahlte ihm eine kleine Miete bzw. arbeitete
an seinem Grundstück. Später, um die Kolonen auf dem Land zu halten, wurde vom Kaiser Konstantin
ein Gesetz erlassen, das den freien Ortswechsel untersagte.
37
stand natürlich weiterhin ein Unterschied zwischen Sklaven und Kolonen, doch ein Ge-
setz von Konstantin I. spricht schon davon, dass flüchtige Kolonen zu fesseln seien und
diejenigen, die Flucht planen, in Einsen zu legen und zur Arbeit zu zwingen seien. Mit
diesem Gesetz verloren die Kolonen die Möglichkeit des freien Ortswechsels.
40
Tacitus, Germania, 25
38
die 20.000 Römer aus den Händen der Barbaren befreit.“ Auch wenn diese Zahl zu hoch
gegriffen ist, musste doch hoch gewesen sein.41
Zusammenfassung
Bevor die Römer in die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse
dieser Ländereien eindrangen, scheinen die linksrheinischen Gebiete mit keltischen und
germanischen Ansiedlungen in meist verstreuter Siedlungsweise bewohnt zu sein. Als
wesentlich geringer bewohnt scheinen dagegen die rechtsrheinischen Gebiete zu sein. In
keltisch besiedelten Rätien sind einheimische Siedlungsspüren bisher kaum bekannt.
Im Zusammenhang mit wachsender Anzahl der von Römern angesiedelten Ger-
manen und der Römer selbst, entwickelte sich im Laufe der Zeit auf dem Rhein-
Oberdonau-Gebiet eine neue Siedlungsweise. Man siedelte nicht mehr einzeln42 oder
regellos in kleinen Stammesgemeinden verstreut, sondern es wurden planmäßig neue,
fest organisierte Siedlungen angelegt und die Bevölkerung wurde gleichmäßig über das
Land verteilt. Bei entsprechender Lage dienten die vorrömischen Siedlungen als Aus-
gangpunkte für römische Kastellvici.
Die Bedeutung der Bezeichnungen von einzelnen Verwaltungseinheiten war
nicht immer einheitlich. Der Begriff vicus bedeutete einmal einen ländlichen Verwal-
tungsbezirk, eine zivile Lagersiedlung, konnte jedoch schon eine antike „Großstadt“
bezeichnen, niemals bedeutete er aber ein Dorf im unseren modernen sozialen und öko-
nomischen Sinne, „da die Römer in den hier genannten Provinzen im wesentlichen nur
die Streusiedlung kannten, aber nicht das Dorf als bäuerlichen Siedlungskomplex, der
von den eindringenden Germanenstämmen der Völkerwanderungszeit geschaffen wur-
de“.43 Das ähnliche betrifft auch die Bezeichnung civitas. Zunächst bedeutete sie das
Territorium der alten Stammesgemeinde. Seit dem 3. Jahrhundert bezeichnete man mit
dem Wort civitas eine Hauptstadt.
Für das Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen war schnelles
Durchdringen von lateinischer Sprache wichtig, die bald die Lokalsprachen verdrängte.
Mit Latein breitete sich auch die Schriftkenntnis aus. Ein guter Beweiß dafür, dass die
Romanisierung gar kein beabsichtigter oder geführter Prozess war, sondern dass es sich
um eine beiderseitige Beziehung handelte, war Religionstoleranz.
41
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 325
42
ausgenommen etwa die villae rusticae
43
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S.303,
39
Nach der Verleihung des römischen Bürgerrechts im Jahre 212 traten die rechtli-
chen Unterschiede zwischen diesen „Städten“ mehr und mehr zurück und selbst die
Grenzen zwischen städtischen Bürgern und städtischen Einwohnern verwischten sich
allmählich. Es zeigten sich Abnahme der produktiven Bevölkerungsschichten und Nie-
dergang des Handels und Handwerks. Zusammen mit diesem ökonomischen Nieder-
gang verminderte sich auch die politische, militärische und soziale Bedeutung der
Stadt.44 In vielen Regionen hatten die Landbezirke über die Städte wirtschaftliche Über-
legenheit.
Mit dem Zusammenbruch des Limes wandelte sich wiederholt die Siedlungs-
struktur nach Form und Dichte. An die Stelle der villa rustica als Streubaugehöft trat die
geschlossene Dorfsiedlung und die bis dahin gleichmäßig über Land verteilte Bevölke-
rung konzentrierte sich stärker in den Niederungen und Flusstälern.
Es ist schwer zu sagen, wie und ob überhaupt sich die römische Anwesenheit auf
die germanische Siedlungsweise in den Provinzen am Rhein verewigt hatte, dafür sind
diese Gebiete nicht genug archäologisch erforscht.45 Die eindringenden Alemannen
nutzten allerdings die römischen Steinhäuser nur selten aus. Eine These, warum sie es
so taten, lautet, dass ihnen die Steinhäuser zu kalt waren. Die Holzbauten mit ihrem
lehmbeschmierten Flechtwerk hielten auch ohne aufwendige Heizungsanlage im Winter
warm. Die Fußbodenheizung, die die Römer in ihre kalten Mauern einbauten, war den
Alemannen außerdem technisch viel zu kompliziert. In der Volkswanderungszeit änder-
te sich aber die Hauslänge, die nun nur noch 3 bis 4 Meter, selten 6 bis 7 Meter erreich-
te. Das Siedlungsbild wandelte sich auch. Man nimmt aber auch an, dass ein Teil der
Provinzialbevölkerung, vor allem die ärmeren Schichten, im Lande geblieben sind. Mit
ihnen führte die römische Steinbauweise noch eine Zeitlang weiter.46
Etwa bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts überwogen in den römischen Provinzen
am Rhein und an der oberen Donau noch die antiken Eigentumsverhältnisse. Daneben
entwickelten sich auch neue Eigentumsverhältnisse. Es bildete sich eine Schicht der
Großgrundbesitzer, deren Besitztümer schon von Anfang an von den städtischen und
44
Vgl. GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 302,
310
45
Über einen möglichen römischen Einfluss kann man beispielsweise im Falle der Siedlung in Fochteloo
in den Niederlanden sprechen. Es scheint dabei, dass sich der römische Grundriss bei den germanischen
Landwirten in Holland geltend machte. Die Befestigung einer Siedlung bei Zeijen in der Provinz Drenthe
war beinahe rechteckig aus Pfosten und Erde gebaut und in der Mitte jeder Seite befand sich ein Tor.
46
Villenanbauten aus dem 4. Jahrhundert im unteren Maingebiet (Villa Frankfurt-Praunheim), Vgl.
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 187-188
40
militärischen Territorien herausgelöst waren. Seit dem 3. Jahrhundert und in dem 4.
Jahrhundert endgültig, herrschte in den Großgrundbesitzungen der Kolonat vor, der von
der herrschenden Klasse mehr und mehr der Sklaverei angeglichen wurde. „So heißt es
in einem Gesetz Justinians vom Jahre 530: „Was für ein Unterschied besteht denn zwi-
schen Sklaven und den in das Steuerregister eingetragenen Kolonen, da sich beiden in
der Gewalt ihres Herrn befinden und er den Sklaven mit seinem Peculium freilassen und
den Kolonen mit seinem Grundstück aus seinem Vermögen entlassen kann?“ “47
47
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 398
41
„Es ist fruchtbar auf den Saatfeldern, aber abweisend gegenüber Obstbäumen, fruchtbar auch an Klein-
vieh, das allerdings meist kleinwüchsig ist. Nicht einmal das Großvieh besitzt seinen Schmuck und seine
Stattlichkeit an der Stirn; (...)“
[Tacitus, Germania, 5]
1. Landwirtschaft
„Sie legen keine Obstgärten an“48 schrieb Tacitus über die Germanen und hat
wahrscheinlich Recht, auch wenn in der Nähe der Siedlungen Äpfel-, Birnen- und Kir-
schenbäume wuchsen. Selbst nachdem die Germanen neue Obstsorten von den Römern
kennen lernten, gewann die Obstzucht keine größere Bedeutung.
Auch der Weinbau breitete sich zu den Germanen nur mit größeren Schwierig-
keiten aus. Von ihrer ursprünglichen Heimat kannten Germanen nicht einmal den wil-
den Wein und so übernahmen sie nicht nur den römischen Wein, sondern auch seinen
Namen (vinum –Wein).
An Feldern wurde vor allem Gerste angebaut. Andere Getreidesorten spielten
eine geringere, zudem regional unterschiedliche Rolle. Als hauptsächliches Ackergerät
war der Pflug und zwar in der Form des Ritzpfluges verwendet.
48
Tacitus, Germania, 26
42
Doch die wichtigste Rolle spielte in der germanischen Landwirtschaft die Vieh-
zucht. Unter den Haustieren dominierte überall das Rind, in geringer Anzahl wurden
dann Schafe und Ziegen, Schweine, Pferde und Hunde gezüchtet. Über eine echte Zucht
und über eine bewusste Auswahl und Kreuzung kann aber nicht gesprochen werden.
Die Tiere waren sogar kleineren Wuchs als in der Jungsteinzeit, andererseits aber be-
ständiger als heutige hochveredelte Zucht. Zur Kreuzung mit römischer Zucht kam le-
diglich in der Grenzennähe.
Abb. 12 Domestizierte Pferd, Stier und Schwein aus der altgermanischen Zeit (in der mittleren Reihe)
im Vergleich mit der Wildrassen (oben) und mit der heutigen Zucht (unten).
Stallungen für das Vieh kennt man schon aus der frühen Bronzezeit. Auf dem
germanischen Land erweiterte sich die Aufstallung des Viehs etwa in der Hälfte des
letzten Jahrtausends v. u. Z. Das Vieh wurde im Stallteil eines Langhauses (s. S. 23) in
Boxen untergebracht. Aus der Zahl der einzelnen Standplätze kann man schließen, wie
groß die Viehzucht und damit zusammenhängende Wirtschaftskraft des Besitzers wa-
ren.
Fast alle Haustiere hatten zweifachen Wirtschaftsertrag. Einerseits dienten sie
zum Zug, boten Wolle und Milch, andererseits wurden sie Fleischaufkommen. Eine
andere Position hatte das Pferd. Es wurde weder für Fleischertrag49 noch zum Zug
gehalten. Das Pferd diente dem germanischen Adel und den hochgestellten freien Ger-
49
Das Pferd wurde häufiges Opfertier und offenbar nur in diesem Zusammenhang wurde sein Fleisch
auch gegessen.
43
manen zum Reiten und tat sich hauptsächlich im Krieg oder bei verschiedenen Wande-
rungen aus. Germanische Pferde waren sehr klein, trotzdem genossen sie bei den Rö-
mern Lob. „Sie ziehen die Pferde, die es bei ihnen gibt, welche jedoch klein und häßlich
sind, in täglicher Übung zu größter Zähigkeit heran.“50
Abb. 13 Ein germanischer Krieger mit dem typisch kleinem Pferd (Archäologi-
sches Museum in Halle)
Ob die Bodenbearbeitung eine gleich große Bedeutung wie Viehzucht hatte, ist
heute schwer zu beurteilen. Die antiken Schriftsteller bemerkten mehrmals, dass germa-
nische Männer lieber den Krieg führten, als dass sie die Felder bearbeiteten und ernte-
ten. Laut Tacitus51 haben sie „die Besorgungen für Haus, Hof und Acker auf die Frauen,
Alten und Schwachen übertragen“ und Caesar52 schrieb sogar, dass sie Ackerbau wenig
betreiben: „ihre Ernährung besteht zum größten Teil aus Milch, Käse und Fleisch.“
Der Jagd auf Wildtiere, der Fischerei und dem Sammeln kam in der gesamten
Nahrungsproduktion nur unterordnete Bedeutung zu.
Produktionsergebnisse in Landwirtschaft waren nicht nur von Produktionsmit-
teln und vom Niveau der Produktionskräfte abhängig, sondern auch von Produktionsbe-
ziehungen. Als unabhängige Einheit bei Feldbearbeitung und Ernten scheint die Familie
zu sein. Weil die Existenzsicherung auch Erzeugung anderer materiellen Bedarfe ver-
langte, entwickelten sich zwischen den Siedlungsbewohnern oder einigen Gehöften und
auch im Rahmen eines Stammes oder seines Teils Wechselbeziehungen.
50
Caesar, De Bello Gallico, 4.2.2
51
Tacitus, Germania, 15
52
Caesar, De Bello Gallico, 6
44
Laut der antiken Quellen änderte sich das Eigentum bei den wichtigsten land-
wirtschaftlichen Produktionsmitteln – Bodens und Viehs – erheblich (s. S. 34). Bis zum
Anfang der römischen Zeit existierte vermutlich kein privater, sondern nur gemeinsa-
mer Bodenbesitz. 150 Jahre später sind schon gewisse Unterschiede sichtbar. Der Bo-
den wurde weiterhin verteilt, diesmal bereits „entsprechend der Sozialstellung“. Hierbei
wirkte sich die beginnende soziale Differenzierung aus, die in der letzten Entwicklungs-
phase der Urgemeinschaft die Entstehung des Privateigentums unterstützte. Über den
Besitz von Vieh kann man im Allgemeinen sagen, dass er der Produktionseinheit, d.h.
einem Geschlecht oder einer Familie gehört hatte.
53
eine Zenturie = etwa 50 ha
45
zustellen. Holz stand in den Wäldern zur Verfügung, wohl fast jeder Hof hatte eine
Lehmgrube, eine Kalkbrennerei und seltener auch eine Ziegelei. Ob die Villenwerkstät-
te nur für Eigen- oder auch Nachbedarf Produkte herstellten, lässt sich nur vermuten.
Der römische Landwirt verfügte über große Arbeitserfahrungen. Da aber in den
Gebieten am Rhein und an der oberen Donau schon Kelten Landwirtschaft getrieben
hatten, brauchten die Römer keine Bodenbearbeitungs- und Bodenverbesserungsmetho-
den einzuführen. Möglicherweise übernahmen sie auch die schon vorhanden gewesene
vorrömische Flurorganisation.
Über die Vielfalt der gezüchteten Tierarten geben die Knochenfunde Auskunft.
Fast ausnahmslos überwiegt das Rind. Vor allem dort, wo die Gebiete landwirtschaft-
lich weniger nutzbar oder für Großviehhaltung besonders geeignet waren, trat die Vieh-
zucht vor dem Getreidebau an die erste Stelle. Auffällig bei den Knochenfunden ist die
hohe Anzahl männlicher Tiere. Offensichtlich galt die Zucht mehr dem Fleischertrag
vor der Milchleistung.
Die zweite Stelle in der Häufigkeit der Knochenfunde nimmt das Schwein ein.
Schaf und Ziege wurden der Milch und Wolle wegen gehalten und zusammen mit Rind
versorgten sie die Milchwirtschaft.
Durch verbesserte Haltung und zum Teil durch Importe aus anderen Provinzen
gelang es den Römern, aus dem bodenständigen Pferd mit nur etwa 115 bis 135 cm Wi-
derristhöhe ein größeres, schlankes Pferd mit Widerristhöhe bis zu 150 cm herauszu-
züchten, das allerdings in der nachrömischen Zeit wieder verschwand. Auch in der rö-
mischen Landwirtschaft hatte das Pferd keine besondere wirtschaftliche Bedeutung. Als
Zugtiere dienten meist Ochsen, die für viele Arbeiten besser geeignet waren als das
Pferd. Das Pferd wurde also nur für leichte Dienste und vorwiegend als Reittier benutzt.
Im Unterschied zu den Germanen legten die Römer Obst- und Gemüsegärten an,
zumeist zur Deckung des Eigenbedarfs. Vor allem für Rätien bedeutete die Römerzeit
Beginn der Gartenkultur. In den Gärten wuchsen bodenständige Gemüsesorten „wie
Möhre, weiße Rübe und Runkelrübe, Sellerie, Feldsalat, Mangold neben den von den
Römern eingeführten Kohlarten, Rettich, Spargel und Gurke und den ebenfalls meist
importierten Gewürzen Fenchel, Kümmel, Petersilie, Anis, Zwiebel- und Senfarten,
Bohnenkraut und Koriander“54.
54
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S.177
46
Schon seit vorrömischer Zeit wuchs an Mosel und Rhein die Rebe (vitis vinifera)
in halbwildem Zustand. Im 1. Jahrhundert begann ein regulärer Anbau der von den Rö-
mern eingeführten oder von ihnen veredelten bodenständigen Sorten. Dem Weinbau
widmete man sich vor allem in der Pfalz, an Mosel und Rhein. In anderen Gebieten be-
trieb man ihn als Nebenerwerbszweig oder zur Deckung des Eigenbedarfs.
Allgemein kann man mit einer regelmäßigen Mehrproduktion von Getreide rech-
nen. Dank des guten Kommunikationsnetzes boten sich den Villen für ihren Produkti-
onsabsatz günstige Wagen- und Schiffstransportbedingungen. Der größte Abnehmer
war das Heer, dann die Vici und Städte. Doch an der Rheingrenze stationierten rund
50.000 Männer und der Getreide- und Fleischbedarf konnte nicht voll gedeckt werden.
Zumindest zeitweise muss man mit starken Importen rechnen.
47
„Gold und Silber sind ihnen versagt, ich zweifle, ob aus Gnade oder aus Zorn der Götter.“
[Tacitus, Germania, 5]
2. Handwerk
Die antiken Autoren hinterließen uns nur geringe Berichte über verschiedene
germanische Fertigkeiten, die eine notwendige Voraussetzung für menschliche Existenz
sind. Schon seit Beginn der eigenen Existenz begann der Mensch Werkzeuge und In-
strumente anzufertigen, mit deren Hilfe er Nahrung gewann. Für die antiken Historiken
und Ethnographen war diese Lebensseite der barbarischen Stämme anscheinend zu tri-
vial und wenig aufregend.
Oft sind es jedoch eben die handwerklichen Erzeugnisse, die uns viel über die
Kultur, soziale und ökonomische Verhältnisse einzelner Völker aussagen können. Bei-
spielsweise die Keramik gilt als ein besonders geeignetes und eins der wichtigsten For-
schungsgebiete der archäologischen Quellen schon mehr als sechs Jahrtausende. Sie
konnte an jedem Ort hergestellt werden, konnte besonders gut auf jede Veränderung im
Geschmack reagieren und kurzfristig neue Einflüsse aufnehmen.
2.1 Keramikproduktion
Schon seit der Jungsteinzeit nahm die Herstellung der Tongefäße eine bedeuten-
de Rolle ein. Man benutzte diese zum Kochen, zur Nahrungsvorbereitung, zum Trinken
und zur Bewahrung von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten. Auch später, wenn die ers-
ten importierten Behältnisse aus Silber, Bronze und Glas erschienen, behielt sich die
Keramik im Alltagsleben ihre Bedeutung bei.
In der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. u. Z. trat die Revolution in der Kera-
mikproduktion ein – die handgefertigte Behältnisse wurden durch die auf der Töpfer-
scheibe gedrehte Keramik ersetzt.55 Dieser Übergang spielte sich nicht auf einmal ab
und traf nicht die ganze Keramikproduktion.
Bis zum 2. Jahrhundert stellte man die Keramik in der Hand her. Man formte sie
aus einer langen Tonwalze, die von dem Behälterboden spiralförmig geführt wurde oder
die Keramik wurde aus aufeinander aufgesetzten Tonringen gebildet; die Oberfläche
55
Diese von der Hand gedrehte Scheibe war natürlich nicht dieselbe wie die echte schnell rotierende
Töpferscheibe mit Fußantrieb.
48
glättete man dann aus. Mit Erfindung der handgedrehten Töpferscheibe erleichterte sich
die Ausglättung der Oberfläche.
Weil es jedoch – wie auch im Falle der Eisenproduktion – vor allem um Befrie-
digung den Eigenbedarf ging und nicht um Handwerksarbeit, verschwand die Dreh-
scheibe allmählich. Erst im 3. und 4. Jahrhundert u. Z., als mit der vertiefenden gesell-
schaftlichen Differenzierung auch Ansprüche auf hochwertige Ware wuchsen, setzte
sich die Töpferscheibe durch, auch wenn die alte Technik noch lange Zeit dominierte.
Wichtig für die Keramikherstellung war das Gewinnen des geeigneten Tons, die
Dekoration des Gefäßes und besonders das Brennen. Das Brennen war zusammen mit
der Keramikformung die schwierigste und entscheidende Phase, die viel Erfahrungen
erforderte. Je nach der Färbung der Keramik können wir erkennen, ob sie in einer offe-
nen Feuerstelle oder im Töpferofen gebrannt wurde.
Die Töpferöfen benutzten schon
Kelten, von denen sie die Germanen über-
nommen haben. Die Kelten selbst lernten
sie anscheinend in dem Mittelmeerraum
kennen. Der Vorteil eines Töpferofens
liegt in konstanter Brenntemperatur, in der
Regulation der zugeführten Luft gemäß
der gewünschten Färbung und auch darin,
Abb. 14 Römische Radscheibe
dass man mehrere Gefäße auf einmal (20
bis 60 Stück, entsprechend der Größe des Ofens) brennen konnte. Schon daraus ist of-
fenbar, dass ein Töpferofen in Hauswirtschaft unrentable gewesen wäre, weil er mona-
telang nicht in Betrieb gesetzt worden wäre. Anderseits konnten die Bewohner einer
Siedlung einen gemeinsamen Töpferofen gut ausnutzen.
Als ein Maßstab für den römischen Anteil an der Provinzialentwicklung könnte
die Keramik gelten. An ihr zeigt sich die unterschiedliche Organisation der römischen
und einheimischen Wirtschaft am besten.
Die ältere Technologie – die Herstellung der Keramik in der Hand – war in den
Provinzen nur noch von geringer Bedeutung. Die Masse der Gefäße wurde auf der
schnell rotierenden Drehscheibe, die man durch Stabantrieb in Schwung brachte, durch
„Ziehen“ des Tones geformt.
49
Die römischen Tongefäße wurden in der Regel vor dem Brand verziert. Man
versah sie mit verschiedenen Arten von Überzügen oder sie wurden auch bemalt oder
mit plastischen Verzierungen verziert. Vor dem Brand mussten sie auf der Luft getrock-
net werden, bis sie „lederhart“ waren, d.h. nicht mehr verformbar.
Die römischen Töpferöfen hatten
verschiedene Grundrisse (rund, oval, eckig
oder hufeisenförmig) und verschiedene
Durchmessungen, je nach dem, was für
eine keramische Gattung drinnen gebrannt
wurde. Für den Brand von Tongefäßen
benutzte man runde oder eckige Öfen, für
den Ziegelbrand aber nur eckige mit stärke- Abb. 15 Römischer Töpferofen (Römische Gräberstras-
rem Schutzsystem, um das Gewicht des se in Mainz-Weisenau)
Ziegelstapels tragen zu können. Für die Terra-sigillata-Keramik war ein spezieller Töp-
ferofen vorgesehen56.
Der Feuerraum befand sich unter dem Brennraum, von dem er durch einen Rost
getrennt war. Etwa bis zur Höhe des Rostes waren sie in den Boden eingetieft. Als
Brennmaterial wurde Holz oder Holzkohle genutzt.
2.1.1.1 R a u h w a n d i g e s G e b r a u c h s g e s c h i r r
Die vorherrschende Keramik ist das rauhwandige Gebrauchsgeschirr. Sie diente
hauptsächlich als Kochgeschirr, ihre Haupttypen waren Töpfe, Schüsseln, Kannen und
Teller. Die Vielfalt der Formen sowie die Verwendung verschiedenster Dekorationen
und Überzüge stammt aus zahlreichen Herstellungsorten mit lokal begrenzter Verbrei-
tung. Das einfache Geschirr konnte überall produziert werden, meistens nur für Eigen-
bedarf oder für einen lokal eng begrenzten Austausch gefertigt.
56
Da der herkömmliche Töpferofen zwar hohe Temperaturen erreichen konnte, allerdings mit Schwan-
kungen bis zu 200° C, nimmt man an, dass für die Herstellung der Terra-sigillata-Keramik kontinuierlich
hohe Temperaturen erforderlich waren.
50
Doch im 2. Jh. bildeten sich größere Werkstätten mit überregionaler Bedeutung.
Eine solche Werkstatt befand sich in Urmitz. Ihre Erzeugnisse sind auf der Drehscheibe
geformte Schüsseln und Töpfe aus hart gebranntem, weißlichem Ton mit reichlicher
rötlicher Quarzsandmagerung. Weil Urmitz direkt am Rhein liegte, bedeutete der Li-
mesfall das Ende seines Töpferbetriebes.
Die Keramikproduktion wurde wahrscheinlich weiter ins Hinterland, mögli-
cherweise nach Mayen gebracht. Offenbar bestand in Mayen bereits eine kleinere Töp-
ferei, die bislang nur lokale Bedeutung hatte. Daraus entwickelte sich im späten 3. oder
im frühen 4. Jahrhundert ein neues großes Töpferzentrum in Mayen. Zu den hier herge-
stellten Gefäßen zählten vornehmlich Töpfe, Näpfe, Schüsseln, Teller und Henkelkrüge,
deren Farbe je nach Brennstärke zwischen ockergelb, ziegelrot, violett bis schwarz
schwankte. Ihr Absatzgebiet, das man nach der Gefäßfarbe festlegen kann, erfasste am
Oberrhein die Pfalz und das Elsass, ja sogar die Schweiz, erreichte moselaufwärts Metz
und erstreckte sich über weite Teile Nordgalliens.
Weil der Vicus Mayen kein Ort unmittelbarer militärischer Bedeutung war und
die Keramikherstellung somit von der militärischen Anwesenheit nicht abhängig wurde,
hörte hier die Produktion nach dem Römerabzug am Beginn des 5. Jahrhunderts nicht
auf. Die alemannische Landmahme behinderte zwar den Export von Mayener Keramik
nach Süden, trotzdem lässt sich eine Kontinuität sowohl in Besiedlung als auch in der
Keramikherstellung, die fast bis ins Mittelalter unverändert blieb, nachweisen. Außer
Betracht kann man auch nicht die Tatsache lassen, dass sogar die alemannische Kera-
mik Einflüsse der Mayener Werkstätte zeigte.
2.1.1.2 T e r r a s i g i l l a t a
Terra sigillata57 gilt als technisch anspruchsvolle Keramik der römischen Zeit.
Es ist eine sehr feintonige, hart gebrannte Ware mit glänzendem Überzug in verschiede-
nen Rottönen, die vielfach mit Relief verziert ist. Die Haupttypen dieser Ware sind
Schüsseln, Teller, Tassen, Becher aber auch Reibschalen und Krüge.
Weil zu ihrer Herstellung ein spezieller Töpferofen benötigt wurde, konnte sie
nicht überall hergestellt werden. Die größten Terra-sigillata-Betriebe waren in Trier und
Rheinzabern. Der Betrieb in Trier belieferte vorzüglich Mittel- und Niederrhein und
exportierte bis nach Britannien, während sich Rheinzaberner Ware hauptsächlich am
57
Es handelt sich um eine moderne Bezeichnung für diese Keramikgattung, die antike Benennung ist uns
unbekannt.
51
oberen Rhein, in rechtsrheinischen Gebieten und an der Donau bis nach Südpannonien
findet.
Es sind auch einige Nachahmungen bekannt. Die erste ist die helvetische Terra-
sigillata-Imitation, die jedoch auf die Stammesgebiete der Helvetier (heute West-
schweiz) beschränkt ist. Besonders häufig kommt sie im Legionslager bei Windisch
(Vindonissia) vor.
Verwandt mit der Terra sigillata – durch eines der Verfahren zu ihrer Herstel-
lung – ist die Terra nigra (Schwarzkeramik).
Abb. 16 Model zur Fertigung von Terra-Sigillata- Abb. 17 Hypokaustanlage (Archäologischer Park Xanten)
Schüsseln (Historisches Museum der Pfalz, Speyer)
2.1.1.2 Z i e g e l
Großen Anteil an der gesamten Keramikproduktion in römischer Zeit nahm die
Herstellung der Baukeramik. Viele Militärbauten wurden ganz oder zum Teil aus Zie-
geln errichtet, außerdem benutzte man Ziegel auch zu Spezialzwecken an nichtmilitäri-
schen Bauten. So findet man Dachziegelplatten, Fußbodenplatten, Wand- und Heizka-
cheln, Platten von Hypokaustpfeilern und Wasserleitungsröhren.
Die Ziegelbauweise genauso wie Steinbauweise war im Rhein-Donau-Gebiet
vor der römischen Besatzung völlig unbekannt.
Anfangs stand die Ziegelherstellung unter militärischer Aufsicht. Jedes Legions-
lager hatte einen eigenen Ziegelbetrieb.58 Später sind auch einige Privatziegeleien ent-
standen, die entweder selbständige Betriebe oder mit einer Töpferei verbunden waren.
Vorwiegend aber stellten sie den Baumaterial für den Eigenbedarf her.
58
Oft sind Ziegelreste mit Stempeln verschiedener Kohorten, Truppen oder Legionen gefunden worden.
52
2.1.2 Keramikhandel
Für den fernen Keramikhandel war vor allem die Terra sigillata bestimmt. Das
einfache rauhwandige Geschirr konnte überall hergestellt werden und seine Herstellung
diente überwiegend dem Eigenbedarf oder höchstens einem lokal eng begrenzten
Tauschhandel.
Während die Terra sigillata in verschiedene Orte Britanniens und Galliens ex-
portiert wurde und auch in die Germania libera und in Skandinavien gelangte, ist die
Mayener Keramik fast ausschließlich an Orten, die vom Rhein aus günstig zu erreichen
sind, zu finden.
Der Vertrieb der Töpfererzeugnisse erfolgte nicht durch die Produzenten selbst,
sondern durch Händler, für die auch eine Differenzierung und Spezialisierung vorzuse-
hen ist, denn in einigen Inschriften werden ausdrücklich Kaufleute für Töpfereiwaren
genannt.
Zusammenfassung
Sowohl bei der germanischen Gesellschaft als auch innerhalb des ökonomischen
Systems der spätantiken Klassengesellschaft war die Landwirtschaft zweifellos der füh-
rende Wirtschaftzweig und seine Bewirtschaftung beanspruchte den größten Teil der
Arbeitskräfte. Der Entwicklungsstand war von Provinz zu Provinz unterschiedlicher
und trug sowohl noch Züge einer häuslichen Naturalwirtschaft als auch beginnende Dif-
ferenzierung und Spezialisierung der Produktivität.
Die primäre landwirtschaftliche Produktion stellte Getreidebau, Obstzucht und
Rinderzucht dar. Mit der Ankunft der Römer ist es auch möglich, ein paar Änderungen
in der Landwirtschaft festzustellen: neben weitgehendem Getreideanbau wurden Obst-
und Gemüsegärten gegründet. Die bisher vorhandene Obst- und Gemüsesorten wurden
veredelt und es wurden viele neue Gemüse- und Obstsorten, sowie Gewürze einge-
bracht. Zu diesen Pflanzen gehörten weiße Rübe und Runkelrübe, Zwiebel, Sellerie,
Knoblauch, Lauch, Kopfsalat, Rettich, Aprikose, Pfirsich und Gewürze wie Anis, Chi-
corée, Dill, Petersilie, Fenchel. Große Bedeutung kam dem Weinbau zu. Die römischen
Zuchtkenntnisse und –methoden wirkten sich auch bei dem Hausrind, Schwein und
Pferd positiv aus. Doch bei der Fluranlage oder beim wichtigsten Ackerbaugerät, dem
Pflug, konnten keine aus der römischen Landwirtschaft resultierenden Veränderungen
festgestellt werden.
53
Im 2. Jahrhundert hatte sich die Landwirtschaft in den Rhein-Oberdonau-
Provinzen zu hoher Blüte entwickelt, sodass die Germaneneinfälle vorerst die Landwirt-
schaft nur lokal beinträchtigten. Für Rätien dagegen „bedeutete der Alemannen Verstoß
im Jahre 233 einen nachhaltigen Einschnitt, denn in der folgenden Zeit haben hier of-
fenbar keine villae rusticae mehr bestanden.“59
Die germanischen Einfälle hatten die Wirtschaft in den Grenzprovinzen merk-
lich zurückgebracht. Wie hoch das Metall geschätzt war, zeigten zahlreiche Depotfunde,
die die Auswirkung der Einfälle auf die Bevölkerung widerspiegelten. Nicht nur Mün-
zen, sondern auch Eisensachen und Werkzeuge wurden vergraben.
Schon in der ersten Hälfte des 3. Jhs. konnte die Versorgung des Heeres mit
handwerklichen Erzeugnissen, produziert durch die herkömmliche Art, nicht mehr gesi-
chert werden, sodass die Errichtung von Betrieben mit einem größeren Versorgungsge-
biet zur wirtschaftlichen Notwendigkeit wurde.
Nach dem Fall des obergermanisch-rätischen Limes im Jahre 259 veränderte
sich die Besiedlung und auch die Produktionsstätten suchten in befestigten Siedlungen
Schutz. Wegen dem stockenden Fernhandel verstärkte sich die Eigenproduktion der
wichtigsten Gebrauchsgüter.
Der Limesfall beeinträchtigte auch die Keramikproduktion der römischen Pro-
vinzen. Die rheinische Terra sigillata hörte auf zu existieren. Auch andere Töpfereien,
die entweder im unmittelbaren Grenzgebiet lagen oder einen ausgedehnten Handel mit
rechtsrheinischen Gebieten unterhalten hatten, mussten die Produktion einstellen, so-
dass die Versorgung der Grenzgebiete wieder durch das weitere Hinterland erfolgte. Zu
diesen Betrieben gehörten auch die oben erwähnten Töpfereien in Rheinzabern und
Urmitz.
Die Nachbarschaft der Alemannen erwies sich für das Dekumatland als verhee-
rend. Schon im 3. Jahrhundert führten die von den Franken in die Niederrheingebiete
unternommene Verstöße zur Zerstörung der meisten Villen. Um 260 mussten alle
rechtsrheinisch gelegenen Güter von Wetterau bis zum mittleren Neckargebiet aufgege-
ben werden. „Nur im besser geschützten Dekumatland blieben einige Villen noch beste-
hen und wurden erst 275/276 zerstört. Auch links des Rheins gingen zu dieser Zeit bei
Worms und in der Pfalz viele Höfe unter, ein Zeichen, wie tief der alemannische Stoß
vordrang.“60
59
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S.182
60
Vgl. GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S.183
54
Trotz der fast 200 Jahre lang sich ständig wiederholenden germanischen Invasi-
on brach das römische Villenwirtschaft erst um die Wende des 5. Jahrhunderts zusam-
men. Die Ursachen sind vor allem im Rückgang des Abnehmerkreises durch Abzug der
römischen Truppen und im darauf folgenden Zusammenbruch des Kommunikationssys-
tems zu suchen. Größere Teile der Bevölkerung blieben zwar sicher zurück und Stras-
sen- und Wasserwege standen weiterhin dem Transport offen, doch es fehlte der Anreiz
zu einer Mehrproduktion, sodass die Landwirtschaft auf das Niveau der Eigenversor-
gung zurücksank.
55
Epilog
Die Antwort auf die anfangs gestellte Frage, ob es Städte germanischer Ur-
sprungs gibt, ist schwer zu beantworten. Am Anfang muss man mit einer, wenn auch
dünnen Siedlungsschicht keltischer Herkunft rechnen. Nur im rechtsrheinischen Gebiet
waren die Germanen ansässig. Wie hinreichend bekannt ist, bewohnten die Germanen,
im Unterschied zu den Römern, keine Städte, eher Dorfsiedlungen. Die Römer kannten
hinwieder die Dörfer als ein bäuerlicher Siedlungskomplex nicht. In römischer Zeit
herrschte die Stadt und Streusiedlung vor. „Bis heute ist kein Dorf aus römischer Zeit
ausgegraben worden. Es ist möglich, dass die Entstehung der germanischen Dörfer von
den keltischen Niederlassungen beeinflusst wurde, nachweisen lässt sich es aber
nicht.“61 Es ist auch möglich, dass schon die germanischen Läten auf römischen Pro-
vinzboden in Dörfern siedelten.
Sicher ist, dass zahlreiche Städte auf dem Rhein-Oberdonau-Gebiet62 wie Augs-
burg (Augusta Vindelicorum), Regensburg (Castra Regina), Kempten in Allgäu, Passau,
Mainz (Mogontiacum), Trier (Augusta Treverorum), Köln und weitere auf römische
Gründung zurück gehen. Bei günstiger Lage wurden die vorrömischen Siedlungen zum
Ausgangspunkt für die Kastellvici. Als eine Stadt germanischer Ursprungs könnte
höchstwahrscheinlich Köln angesehen werden. Ursprünglich könnte das Kölner Gebiet
von Kelten bewohnt werden. Zur Zeit des Caesars, um das Jahr 38 v. u. Z., wurde hier
von den Römern ein römerfreundlicher germanischer Stamm namens Ubier vom rechts-
rheinischen Gebiet umgesiedelt. Zentrum des Stammes, das Oppidum Ubiorum63, wurde
spätestens im Jahre 19 v. u. Z. gegründet. Das Oppidum wurde dann im Jahre 50 u. Z.
zur Colonia erhoben und erhielt den Namen Colonia Claudia Ara Agrippinesis.
Nachdem die Macht in den Provinzen von germanischen Stammesverbänden
übernommen wurde, wurden oft aus römischen Städten Sitze der germanischen Könige
und schließlich auch die Zentren der Feudalstaaten.
Seit dem 4. Jahrhundert setzten die germanischen Einfälle verstärkt an. Es ging
nicht mehr um Beutezüge. Jetzt waren es Versuche, in bäuerliche Landnahme auf das
61
GÜNTER, R. KÖPSTEIN, H. Die Römer an Rhein und Donau ... 1. Auflage. Berlin. 1975. S. 395
62
die deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen, Baden-
Württemberg und Bayern, die schweizerischen Kantone bis zu Wallis, die österreichischen Bundesländer
Tirol und Salzburg
63
Später auch Ara Ubiorum, nach einem Altarbau für die Schutzgöttin Roms aus dem Jahr 9 v. u. Z. ge-
nannt.
56
linksrheinische Gebiet überzugreifen. Eine dauerhafte germanische Besiedlung war bis
dahin nur unter der römischen Herrschaft möglich. Als Läten, Gentilen, Föderaten oder
Angehörige des römischen Heeres nahmen sie in verschiedenen Lebensbereichen Er-
kenntnisse und Erfahrungen der römischen Gesellschaft auf.
Im 5. Jahrhundert, nach der fluchartigen Verlassung der Großgütern vor den
heranrückenden Germanen, war der Weg für die fränkische und alemannische Land-
nahme und für die Entwicklung der feudalen Produktionsweise frei.
Es sieht so aus, als ob sich die römische Anwesenheit auf die germanische Sied-
lungsweise nicht verewigt hatte. Die ansässigen Germanen lernten zwar die römische
Steinbauweise kennen, doch nach dem Eindringen der freien Germanen lässt sich die
Steinbauweise nicht mehr verfolgen. Selbst die eindringenden Alemannen nutzten die
römischen Steinhäuser nur selten aus und führten ihre Holzbauweise fort.
In der Landwirtschaft lassen sich auch keine weitgehenden römischen Spuren
feststellen. Es gelang ihnen zwar, das einheimische Vieh, sowohl das Pferd zu veredeln,
doch bald nach ihren Abzug verschwanden diese wieder. Genauso ging es auch mit dem
Weinbau. Andererseits brachten sie viele neue Gemüse- und Obstsorten und Gewürze
mit und die einheimischen Sorten wurden veredelt. Doch bei der Fluranlage konnten
keine resultierenden Änderungen festgestellt werden.
Eine bedeutende römische Nachwirkung lässt sich aber in der Sprache verfolgen.
In der römischen Zeit wurden mehr als fünfhundert Wörter übernommen, die im heuti-
gen deutschen Wortschatz vollkommen assimiliert sind. Doch die Römer nahmen auch
einige Wörter über.
Zusammenfassend könnte man sagen, dass fast alle Neuigkeiten, die die Römer
mit sich brachten, möge es Steinbauweise, städtische Siedlungen, Terra sigillata o. ä.
sein, nach ihren Abzug wieder allmählich verschwanden und erst einige Jahrhunderte
später wieder auftauchten. Man hätte sich dabei sicherlich nicht viel geirrt.
Das, was aber Jahrhunderte lang überdauerte, ist die materielle Kultur, in Form
von verschiedenen handwerklichen Erzeugnissen oder Bauresten. Römische Museen,
touristische Wege entlang des römischen Limes, Rekonstruktionen der Kastelle und
andere römische Bauten, die freigelegt der Öffentlichkeit sind, belegen, dass die römi-
sche Kultur ein Teil der deutschen Kultur geworden ist.
57
BILDERQUELLE
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dagogické nakladatelství, 1985. 487 s. (Hmotná kultura od pravěku do 12. stol. : Zásah
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59
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Resumé
Bakalářská práce „Die Germanen und Römer an Rhein und an oberer Donau :
die Vergleichung der sozialökonomischen Verhältnissen in den römischen Rhein-
Oberdonau-Provinzen“ (Germáni a Římané na Rýně a horním Dunaji : porovnání soci-
álně-ekonomických vztahů v římských provinciích na Rýně a Dunaji) pojednává o vzá-
jemných vztazích Germánů a Římanů, žijících v římských provinciích na Rýně a hor-
ním Dunaji. Jejich vzájemná „setkávání“, ať už ta válečná nebo v mírových dobách,
vytvořila podobu dnešní Evropy.
Je nesporné, že se tyto dvě zcela odlišné kultury, stojící na různém stupni kultur-
ní a společenské vyspělosti navzájem ovlivnily. Římané přispěly ke kulturnímu rozvoji
Germánu, a také pravděpodobně pod jejích vlivem došlo k postupnému rozpadu prvo-
bytně pospolné společnosti a k rozvoji feudalismu.
Nejlépe můžeme římský vliv pozorovat ve vývoji jazyka, příkladem nám mo-
hou být dnešní románské jazyky a dnes běžně používaná německá slova odvozená
z latiny (např. vinum – der Wein – víno). Dalším cenným zdrojem poznatků, a to již po
tisíciletí, je keramika, protože může nejlépe zachytávat změny ve výrobě, vkusu a zruč-
nosti jejich výrobců.
V oblasti zemědělství nebo ve způsobu bydlení můžeme déletrvající římský vliv
vystopovat jen velmi zřídka. Italská půda se od germánské velmi odlišovala, a tak spíše
Římané se v tomto ohledu museli přizpůsobit již zavedenému, pravděpodobně ještě
keltskému způsobu obdělávání půdy. Co se týká způsobu bydlení, znaly Germané jen
dřevěná obydlí. V průběhu staletí se sice Germáni žijící na římském území naučily sta-
vět kamenné a později i zděné stavby, ale po odchodu Římanů, zřejmě potřeba, ale mož-
ná také schopnost stavět z kamene zanikla. Stejně tak zanikly i úspěchy Římanů ve
šlechtění domácího dobytka.
Přesto nebo právě proto, že archeologické bádání o přítomnosti Římanů, ale také
Germánů na území dnešního Německa je teprve na začátku, vzbuzuje velký zájem nejen
odborné ale i laické veřejnosti. Hmotné památky římské přítomnosti a nespočet muzeí
můžeme naleznout hned v několika spolkových zemích. Některá německá města byla
založena právě Římany: za zmínku stojí nejstarší německé město Trevír, Kolín nad Rý-
nem nebo Řezno. Pravděpodobně nejznámější památkou, zapsanou v seznamu
UNESCO je hornogermánsko-rétský limes.
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