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Okonomle-Professor Hans-Werner Sinn

über das griechische Schlaraffenland un~['


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die Uberlebenschancen des Euro
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Manche vergleichen das griechische Schulden- sen würde, wäre das ein entsprechend re n Staaten ihre Wetlbewerbsfähigkeit
debakel schon mit der Lehman-Plelte. negatives Signal für andere unsichere verloren. Jetzt machen sie Deutschland
Ist das übertrieben? Länder wie zunächst Irland, dann Por· zum Vorwurf, dass unsere Inflations·
Nein, es geht hier um Staatsschulden, tuga!.ltalien und zuletzt Spanien. Diese rate unterdurchschnittlich ausfiel und
die E nde 2010 bei etwa 300 Milliar- Länder haben ebenfalls sehr hohe Zins- deutsche Firmen vieles günstiger pro-
den Euro liegen werden. Das entspricht aufschläge. duzieren als die Konkurrenz. Wir haben
in der Größenordnung nahezu der Bi- Die Folge wäre, dass zum Beispiel hier e in Dauerproblem, das nur gelöst
lanz VOll Lehman. Die aktuelle Krise ist Irland noch höhere Zinsaufschläge be· werden kann, wenn die kritischen Län-
ebenfalls sehr gefährlich für die Welt- zahlen müsste aLs jetzt, weil ja fü r die der ihre Löhne und Preise senken oder
wirtschaft, weil Domino-Effekte auftre- Anleger das Risiko steigt, dass sie ih r wenn sie aus der Währungsunion aus-
ten könnten, die auch andere Länder in Geld nicht zurückbekommen. Mögli· treten und abwerten. Beides erscheint
die Insolvenz zwingen. Das kann, wenn cherweise erhält Irland dann auch gar gleichermaßen schwierig.
man es falsch angeht, die Welt sogar in kein Geld mehr von den Anlegern. Dann Lässt sich der Absturz der Währungsunion
eine neue Rezession stürzen. wäre auch Irland insolvent. Und wenn Jetzt noch abwenden?
Womit müssen wir denn im schlimmsten Irland und Griechenland zahlungsunfä- Ja, schon. Zunächst muss Griechenland
Fall rechnen? hig wären, gäbe es kein Halten mehr. massiv sparen. Das Land hat in der Ver-
Im Moment halten sich bei den Anle- Dann ginge es weiter mit Portugal, Ita · gangenheit sehr gut gelebt, weil es sich
gern, die erwägen, griechische Staats- lien u nd Spanien. Die Weihnmgsunion mit Hilfe des Emos billig finanzieren
papiere bei einem Zinsaufschlag von wäre am Ende. konnte. Erst einmal waren die Zinsen,
gut drei Prozentp unkten gegenüber Das heißt, der Euro verschwindet? die d ie Griechen zahlen mussten, we-
deutschen Papieren zu kaufen, Opti- Jedenfalls müssten die problematischen sentlich geringer a ls vor der Euro·Ära.
misten lind Pessimisten die Waage. Die Länder in diesem Fall aus der Wäh· Sodann haben sie sich hemmungslos
einen de nken, sie werden einen Teil ru ngsunion ausscheiden. Sie haben in verschuldet. Beides half, ein Schlaraf·
ihres Geldes verlieren. Andere glau- den letzten Jahren fleißig inflationiert. fenland a ufzubauen. Die Sozialausga-
ben, dass man Griechenland helfen Das heißt, Preise und Löhne sind dort ben wuchsen seit dem Euro·Beitritt pro
wird, weil es zum Euro gehört. Wenn überdurchschnittlich gestiegen. Da- Jahr um 3,6 Prozentpunkte schneUer als
die EU Griechenland jetzt falle nlas- durch haben sie im Vergleich zu ande· die Wirtschaftsleistung. Die Renten lie-

130 Focus 8/2010


Star-Volkswirt erreichen. Jetzt müssen sie den Gürtel zent sind wir bei den Einnahmen der
so eng schnaUen, dass er kneift. Daran EU, aber nur mit elf Prozent bei deren
Hans·Werner Sinn, 61, leitet führt kein Weg vorbei. Ausgaben dabei. Deswegen sind wir
das Ifc-Institut seit 1999. Trauen Sie den Griechen zu , dass sie ein gut beraten, der EU nicht das Recht
ehrgeiziges Sparprogramm umsetzen? zu geben, Hilfsmittel zu Lasten von
I Der gebürtige Westfale Nein. Deswegen hat ja die EU be- Deutschland und anderen Ländern an
gilt als einer der schlossen, das griechische Budget unter Griechenland zu verteilen. Wenn wir
renommiertesten Okonomen direkte Aufsicht zu stellen. Die EU wird etwas beisteuern müssen, dann können
in Deutschland. ihre Beamten nach Griechenland schi- wir uns über unseren Beitrag auch al-
I Breites Aufsehen cken, um jegliche Ausgaben zu kontrol- lein mit Griechenland verständigen.
erregte der 61-Jährige mit lieren. Sie haI ein Programm zur Rück- Und wenn wir nicht helfen?
Büchern wie ,Die Basar- führung des Budgetdefizits verlangt, Da nn muss der lWF helfen. Je länger
Okonomie" (2005). . Kasino- was immerhin vier Prozentpunkte die- ich darüber nachdenke, desto besser
Kapitalismus· (2009). ses Jahr ausmacht. Ob das reicht, ist finde ich diese Möglichkeit. Ich be-
noch die Frage . Auch danach hätten fürchte fast, die EU wi rd von Griechen-
die Griechen mit mehr als acht Prozent land nicht die Disziplin einfordern, die
immer noch ein riesiges Defizit. Andere nötig ist, um das Land auf Kurs zu brin-
Die Kreditlast wächst überall Länder werden helfen müssen, die etwa gen und andere Länder hinreichend ab-
Bruttoverschuldung 50 Milliarden Schulden, die allein 20 I 0 zuschrecken, es den Griechen gleichzu-
2009-2011 SchalZung in Prozent des BIP zu refinanzieren sind, aufzubringen. tun. Sicherlich würde die HiUe des lWF
_: _--- Warum denn? den Euro schwächen. Aber das wäre
Wenn man Griechenland reltet, kann letztlich nicht so schlimm, weil der Euro
man zumindest den Domino- Effekt ver- derzeit, gemessen an den Kaufkraft-
hindern. Noch geht es um überschau - paritäten, ohnehin stark überbewertet
bare Beträge. Die Hilfe wäre ein klares ist. Eine gewisse Abwertung a ls Folge
Signal an die internationalen Anleger, eines Vertrauensverlustes wäre, so pa-
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dass die a nderen kritischen Länder auch radox es klingen mag, gerade in der
80 gerettet werden. Dann sind die Zinsauf- heutigen Situation nicht nur sehr gut
schläge für diese Staaten von vomhe- zu verkraften, sondern auch nützlich,
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rein geringer, sodass deren Haushalte um die europäische Exportwirtschaft
60 nicht so aus dem Ruder laufen. wieder auf Schwung zu bringen. Da-
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Wir müssen also bluten für die Griechen, von würde nicht zuletzt Griechenland
die sich in den Euro geschummelt haben? profitieren.
40 Es gibt drei mögliche Retter: den lWF, Welche Konsequenzen wird das auf die
30 also den Internationalen Währungs- Entwicklung der Währungsunion haben?
fo nds, die EU und die ei nzelnen EU· Es wird sehr lange dauern, bis man sich
20 Länder, a llen voran Deutschland. Für auf neue Mitglieder einlassen wird. Be-
10 den IW F spricht, dass er hart durch- vor das passiert, wird die EU die Budget-
greifen würde und auch das Geld hat. regeln und den Stabilitäts- und Wachs-
o Dagegen, dass er nicht zimperlich ist lumspa kt neu formulieren müssen.
2006 2007 2008 2009 2010 2011 und gegenüber einer Beschädigung Das heißt, dass die Haushalte aller Euro-
Pleite-Kandldat? Irland gilt wegen seiner im des Zusammenhalts der Euro-Zone Länder stärker kontrolliert werden?
Vergleich zur Wirtsch aftsleistung (SIP) rasch gleichgültig wäre. Natürlich. Auch Deutschland ist nicht
steigenden Schulden als extrem gefährdet Welchen Vorteil haben wir denn, wenn wir über jeden Zweifel erhaben. Hier wird
Griechenland direkt helfen? ebenfalls kräftig geschummelt. Die
Erstens darf die EU nach Artikel 125 Kommunen haben zum Beispiel mit Us.
des Maaslrichter Vertrags gar nicht hel- Finanzinstituten Leasing-Verträge ab-
fen. Zweitens würde Deutschland im geschlossen. Sie haben Klänverke ver-
Falle einer Vertragsänderung in diesem kauft und zUfÜckgeliehen, um an Geld
gen nach nur 15 Jahren Erwerbstätig- Punkt die Kontrolle über sein Geld ver- zu kommen. Es werden öffentliche Ge-
keit bei 111 Prozent des durchschnittli- lieren und die Empfängerländer selbst bäude privat gebaut und geleast, statt
chen Nettoeinkommens, In Deutschland mit darüber abstimmen lassen, wie viel sie zu kaufen. Oder es werden staatliche
muss man mindestens 35 Jahre arbei - wir geben. Deutschland hat ja ohne- Immobilien und Verkehrswege verkauft,
ten, um 61 Prozent zu kriegen. Das ist hin nur einen kleinen Einfluss in der um an Geld zu kommen. Im Grunde ist
haarsträubend. Die Griechen werden EU, der der Größe seiner Bevölkerung das alles versteckte Staatsverschuldung ,
Ende des Jahres eine Schuldenquote und seinen Beitragsleistungen in kei- die nicht ausgewiesen wird. •
von 125 Prozent und damit den höchs - ner Weise entspricht. Das macht uns
ten Wert aller Länder der Euro-Zone dauerhaft zum Nettozahler. Mit 20 Pro- INTERVIEW: NADJA MAITHES l>

Focus 8/2010 131

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