Inhalt

Michael Hague r Ansichten der wissenschaft,s..6

gesc hichte 7

r: Steven Shap in Wob er stammte das Wissen in der

wissensc ha ftlichen Revolu tion? 43

Londa Schicbin ger Das private Leben der Pflanze n:

GeschJcchterpolitik bei Carl von Linne un d
Erasmus Darwin 107

Lörraine Das to n Die Kultur de r wisse nschaftliche n

Objektivität 137

Soraja de Chadarevian Die .Me thodc der Kurven<

in der Physiologi e zwischen 1850 und 1900 161

Christoph Hoffman n Haut und Zirk el.

Ein Entstehungsherd: Erns t H einrich Webers Un te rs uc hungen
- Ueber den Tas tsinn.. 191

Originalausgabe Michael Hagne r Kluge Köp fe und geniale Gehirne.

veröüem üctn im Fischcr Tascbeu buch Ver lag GmbH,
Fra nkfurt nrn Maiu , Dezem ber 2001
('} 200 1 Fischer Tasch enbuch Verla g
Sau: I'inku in S.-a lZ und Ih tc nt ech n ik, [k: rlm
Dru ck und Bindu ng: Clansen & Bosse. Le ck
Pri n ted in Cermany
ISBN 3-596- 1526 1-5
Zur Anthropologie de s Wissens chaftlers
im 19.Jah rhnndcrl 22 7
Fra nk furt am Malu
Bruno Latour Haben auch Objekte eine Geschichte?
Ein Zusammentreffe n von Pasteur und Whitehead
in eine m Milchsäurcbad 271
H:m s-Jörg Rhei nhe rge r Partike l im Zellsafte
Bah nen e ines wissenschaftl ich en Objek ts 299

Do nn a Ha ra wa y Im Streit um di e Natur der Primat en .

Au ftri tt der T öchter im Feld desjägers 1960- 1980 ))7

c90n Schaffe r OK Co mputer )9)

Pe tcr Galiso n Die O ntologi e d es Feindes:

Norber t Wiener und di e Vision der Kybernetik 4))

Lily E. Kay Wer schrieb das Buch des Le bens?

In fo r mati on un d Transformation der Molekularbiologie 489

w eiterführende Litera tu r ' 2'

Übe r die Auto r inne n lin d Autore n '29 •
Nac hwe ise 533
 Die Kybernetik tou rde nicht eigentlich zu einer Distiplin im Sinn e des
19.Jahrhunderts, sondernsiebildete einen Diskurs, dersich in deruoeiten
fldljle des 20.[atnh undens querdurch die verschiedensten n.uur- und gei-
ue sioissens chafüichen Distip linen zog. Die Analyse dieser Diffusion von
l nJormationsbegriff, RegelvOlgängen und Rückkop/)lulIgsmechanismen
solltejedodv nicht den Blick dofiir verstellen, daß KJbem etik zumindest in
derPerspektive Norberi"Wieners auch eine H'tollvision bedeutae, die aufder
Polarität von Ordnung und Unmdnung, Kontrolle und Chaos basierte.
und durchbuchstabiert wurde diese Vision im Zweiten "''eIl-
krieg, als Wiener mit Forschungen beschäftigt war, die der Bekämpfung
feindlicher Hugzeug'f! dienten. Auch wenn diese Arbeiten ein
waren und mit dem Aw gang des Krieges nichts zu tun halten, setuen sie
eine " Kelte von Assozianonen« in Gang, bei der diek)'bernetische Symbio.le
von Mensch und Maschine und die Integration menschlicher Akteure in
maschinelle RückkoptJhm gsschleifm im Milleipun kt standen. Die anthm-
powgi.5ch relevante Dimension dieses Un iemehmens spitzt Peter Galison
auf die Frage zu, wie zwingmul sich die RejJräsentalion menschlichen \<'er-
haiums in Form von Seruomedumismen: und die rn:.i/Jrokl' RejJriisentaÜcm
von l-eedhacn-Kreiscn in Form teleologischer Automalen danteilt. Dabei
geht es nicht um eine immanente kybernetische Logik, sondern um die kul-
turhistorischen Bedin!,'1mgen der in ihr oenoenaeun Elemente, ihrerDau-
erlwf ti[!,hrit und der kritischen A useinandersetzung mit ihr. Daß etwa der
Cyborgaus der Praxis und aus dem Geistedes Krieges geschaffen ururde;
macht ihn nicht/JeTse veniöcntig, doch müssen sich nach Galison auch
!)()stmoderne Dekonstruktionsuersucheder kriegswisse1/schaftlichm \<'erstrik-
kung der Kybernetik stellen. Damit ist eine grund,.,ölzlicheFrag'e nach dem
Verhältnis von Wissen und Macht aufgeworfen, die wenigerauf Schuld-
zusoeisungen. als auf Selhslrejlexivilät der Wissenschaflsgeschichleaus ist, Pe ter Galison
die die kulturhistorischen Bedingungen der wissenschofsen in der Epoche Die Onto logi e des Feindes:
des kalten Kriege.5 nachzuseidmen oersurh t.
No rbert Wiener und die Vision der Kybernetik '

I. Der Feind
Am 20. Septembe r 1940 schrieb de r Mathem atike r und Physike r
Ncrbcrt wiencr an Vannevar Bush, den Zare n de r ame rikan ischen
Kriegsfor schung: »Ich [... ] hoffe, Sie können irgendei nen Tätig-
keits be reic h finden, wo ich mich im No tfall nützlich mache n
kann.« Großbritann ien war ständigen Luftangriffen ausgese tzt ,
und es sah so aus, als ob eine Invasion durch Nazi-Deutschland
unmittelbar bevorstünde. wtener Überspra ng di e disziplinären
Gr en zen, um sein Wissen und Kö n ne n für di e technologisch e Ver-
teidi gung e inzuse tze n. Er schlug Verfahren zur Verbesserung von
Bush s Analogrech ner, den sogenan nten -differenrial analyser «,
vor, um Entwürfe für Kriegsgerät - das reic hte von Flugzeugflü-
ge ln bis h in zu den Pa tronenh ülse n - zu besc hleunigen. Noch
konkreter war sein bereits früh e r geäuße rter Vorsch lag, daß di e
Alliierte n Behälte r m it ve rflü ssigt em Äthylen, Acetyle n od e r Pro-
pangas füllen soll te n , die dan n in de r Luft e xplod ierten. um in
eine r Dau er-Detonation den Himm el a nzu z ünde n." Daß solche
Abwehrmaßnahmen gegen Bombe na ngriffe d ie rein wissenschaft-
liche n Fragen vom Tisch fegte , ist kaum weiter e rstaun lich . Der
13. Augus t 1940 war für die d e utsche Luftwaffe de r »Tag des Ad-
lers ... und damit auch de r Begin n de r Schlacht um England, der
mit einem An griff von be inahe 1500 Flugzeuge n au f br itisch e Flie-
ge rho rste und Flugzeugfabri ken begann. In den da rauffolgen de n
zwei Woche n starben mehr als tausend Einwohn e r Loridons unter
dem Bom benbeschu ß. im Septe mbe r gab es noch me h r Opfer. Al-
lein am 7. Septem ber starbe n 448 Zivilisten, a rn 15. Se ptember
schickte n die Deutschen 230 Bombe r und 700 j äger gegen Lon-
den, Southarnpton, Bristol , Cardiff Liverpool und Manchester. '
434 Petc r Gal ison
In den folgenden J ah re n beschäfug tc sich Wie ne r zun ehmend
mit dem Pr ob lern der Ze rst öru ng feind lich e r Flugzeuge . Seine e r-
sten Bem ühungen führten zu eine m höchst ambitionierten Rech-
ne r; den er d en -antiairc rafr (AA) predictor- nannte. Diese r sollte
den Zickzackflu g eines feindli ch en Flugze ugs bestimme n, seine
k ünftige Position im vora us be rechnen un d ei ne Flugabweh rra kt.....
tc starten, um es ab zusch ieß en. wteners ele ktr o nische Eingri ffe
diente n j edoch nicht n ur eine r Been di gu ng der deutsch en Luft-
angriffe. Seine Arbe iten zur Ch arakteri sierung de r Ha nd lunge n
feindlicher Piloten un d der Entwicklung eine r Maschine, die ihre
zuk ünftigen Bewegu ngen berechnete, ginge n üb e r die Piloten
und soga r über den Weltk rieg hin a us. Sch ritt für Schritt be trachte-
te Wien er den Pradi ktor als eine n Pro totyp nicht nur für d ie Erfas-
sung de r Gedanken eines un erreichbaren Achsenfeindes. sonde rn
au ch der alliie rte n Flugabweh r-Kanonier e. Da rüber hinau s int e-
grie rte er au ch da s gro ße Feld de r propnocep uve n und elektro-
ph ysiologischen RÜckkopplungssysteme beim Me nsch e n. Dieses
Modell e ntwickelte sich zu eine r neuen Wisse nschaft, d ie nach
dem Krieg als Kybernetik be kannt wurd e, eine r Wissenschaft, die
Intention alität, Lernen und vie le andere Bereiche des me nsc hli-
c he n Geistes e rfassen soll te. Schließlich wurde d er AA-Prädiktor
mitsamt se ine r technisch e n Definition en von RÜckkopplungssyste-
me n und Blackboxes für Wien er zum Mod ell einer Kyberne tik, die
das ga nze Universum umfassen sollte. Der vorliegende Aufsatz wid-
me t sich eine r Rekonstruktion dieser Univcrsalisierc ug. Dabei
werde ich von den a usg relfen dsten ontologischen Ansp rüchen
der Kyberne tik zurückgehen zu den Va kuu m rö hren, Wide rstän-
de n und Konde nsatore n, die kon struiert wurden , um d ie Aktio-
nen ein es versteckten feindli ch en Piloten zu ko nte rn .
Nicht. alle Feind e waren gleich. Im Tötungswahn des Zweite n
Weltkri eges war ei ne Version des feindlichen Gegenübers (n ich t
j en es wieners ) kaum men schl ich. FÜ r die Ame rika ne r, En glände r
und Australier ware n die japa nisc he n Soldaten oft »Lä use«,
-Am eise n - ode r - Schä d linge-. die es a uszume rzen galt. Wie Ce....
n eral Sir Themas Blamey 1942 eine r Einhe it in Port Moresby e r-
klärte: »U n ter der dünnen Schicht. einige r Gen erationen von Zivi-
lisation ist [de r j apa nische Soldat] eine gra usame Bestie, die den
f
Norbe rt wie ne r und die Visio n de r Kybe rnetik 435
Krieg in eine n primitiven Zustand zu ni ckge fü h rt hat, de r nach
dem Faust recht von Klauen lind Zähnen käm pft u nd de r auch
nach diesem Faustrecht gesch lage n werden muß. [... ] Tötet ihn,
od er er wird Euch cören. , EinJahr später betonte Blamey auf dem
Schlachtfeld von Buna: ..Die J apsen zu bekämpfe n ist nicht so, als
w ürd e t Ih r normale Mensch en bekämpfen. [... ] Die Japsen sind
kleine Barba re n . [... ] Wir haben es nich t mi t Mensch en zu tUII ,
wie wir sie sonst kennen. Wir haben es mit etwas Prim itive m zu tun ,
Unse re Truppen ha ben ein rich tiges Bild von den J apse n. Sie be-
trachten sie als Ungezieferc' Diese gräßlichen, rassistischen Bilder
des Hasses ste llte n gewiß eine Version des Fein des im Zweiten
Weltkrieg dar. j edoch war d ies auf keinen Fall die einzige.
Eine ande re Sich tweise der Alliierten betrachtete den Feind
nic ht als die rassistische Version eines gefürcht e te n Gegners, son-
dern e he r als das anonyme Ziel von Luftangriffe n . Hie r wa r die
Menschlich keit des Feindes nich t da durch kompromittiert, daß er
als halbmenschlich.averderbt , anormal und primitiv galt, sonde rn
weil e r in einer bes tim mten ph ysischen und moralischen Distanz
angesiedelt war; Aus de r Ferne , aus e isige n Höhe n VOll 9000 Me-
tern wirkte eine deu tsche Stadt klei n, einzel ne Pe rsone n war en
unsic htbar und dami t ih re r Eige na rt teilweise be raubt. Nachde m
e r eine Flut von Briefe n von Fliegern bekommen hatte, be richtete
ein englischer Zensor de s Lu ftwaffe n-Minis teriums am 21. J uni
1942: »[Die Briefe] zeigen die Wirkung de r Fe rn e, d ie zwische n
den. Fliegern u nd ihren Angriffe n auf menschliche wesen exi-
stiert. Beinahejeder Brief drückt se ine Zufriedenheit darü be r aus,
daß d ie Deutschen sich nu n der Strafe unterzie hen mü ssen, die
sie bislang den anderen aufg ezwungen haben . Die dabei benutz-
te n Sät ze weise n jedoch keine Spur von Rachsucht od e r Fanatis-
m us au f. «}
De r Zweite Wel tk rieg hat ab er noch ein weit e res Bild de s Fein-
des hervorgebracht, wen ige r bekannt, do ch in vielfache r H insicht
effe ktiver und da ue rh after als der rassistisc h stigmatisiert e oder
de r anonyme Feind. Konkreter als die unsichtbaren, zielsche iben-
artigen Einwohner einer e ntfe rn te n Stadt und rationaler als der
ratte na rtige Rassenfeind. entstand in der dritten Version ein kalt-
bluti ger, maschinenartiger Opponent. Es war kein Feind , dem
436 Peter Galison
man im ßaj on eu kamp f in d en Sch auengräben begegn ete ode r
de n man als optisches Ziel im Prisma ei ne r Maschinenpi stole vor
sich hau e. Es war e he r ein mecha nisiertes feindli ch es Gegenüber;
das in d e n labo rgest ützten wissenschanskriegen des Massae he-
se ns Institute of Technology und in zah lreic he n Unive rsitäte n
Croßbritan niens und d e r USA - von de n viele n Laborarenen in
den Län de rn de r Achsenmäch te ga nz zu schweige n - generiert
wu rde,
Auf selten de r Alliierten wurd en drei e ng zusa mme n hä nge nde
Wissensch aft en be i der Berec hnung des fei ndli chen Gege nübers
be nutzt: openaions mLarch, Spielth eori e und Kybemetik.jed e hat-
te ih r eige nes prototypisches Aufgaben feld . Zum Beisp iel kon -
zen trierte sich die optmtions 1l!SI!orr:h da ra uf, die Lo kalisierung und
Zerst örung deutsche r U-Boote im Norda tlan tik un d an d en a meri-
kanisc he n KÜsten zu optimieren.' Die Sp ieltheorie rü ckte 1944 mit
dem Meisterwerk von J ohn von 'e umann und Oscar Morgenstern
of Coma onä Eomomic &htroiorin den Mittelpunkt, o bwoh l
ihre wurzeln in der Mat he matik de r Zwischen kriegsze it zu suche n
sind. ' Stratege n wendeten diese Technik zu r Analyse dessen an,
was zwei feindliche Kräfte tun sollte n, wenn e ine jede davon aus-
ge h t, daß d ie andere Seite auf mögli chst rationelle w eise hande l-
te.jedoc b be ide über die spezifische n Absic hte n de s Feindes so-
wie dessen Möglichkei t zum Bluff im unklaren ware n. Wiener,
Sprec he r un d Ve rteidige r de r Kybe rn e tik, teilte die Te ufel , mit d e-
nen man kon frontie rt ist. in zwei fü r ih n äußerst wichti ge Katego-
rie n ei n. Die e rste w-ar der ..manieh aisehe Te ufel.., ..de r zum Sieg
e ntsch losse n ist u nd mi t Sch la uheir und He uch elei alte Tricks ein-
se tze n wird , um diesen Sieg zu erreichen ... wienere ra tionale r 1\1a-
mchäcr kon nte z. B. seine Strat egie än de rn , um ZU gewin ne n . Da-
gege n war de r andere Teufel , der »a ugustlnlschc Teu fel.. (und
da r unter zahlte n fü r Wien e r auch die Na turkräft e), du rch das
.. des Zufa lls und de r Unord n ung c hara kte risie r t, a ber e r
kon nte die Spiel rege ln nicht ändern." Exe mp lar isc h für de n ma-
nich äischen Feind, po stulierte vo n Neuman ns Spielth eorie eine n
logisch en , aber listigen Oppon enten : sie sollte eine n Geg ner ana-
lysie re n , der spielte und bluffen wurde, um zu gewin nen,
Auf de r Grundlage von wteners eige ne r Verwend ung de s Be-
Norbe rl Wieller und die Vision der Kyberneti k 437
griffes nwnichiiisch, der de n andauernden Kampf gegen eine akti-
ve feindliche Intelligenz bezeichne t, werde ich die drei Kriegsun-
tem ehmungen - operouons Il'..search, Spiel theorie und Kybe rn etik -
ma nich äische wissenscharren nennen." Dabe i wähle ich die drille
Kriegswissenschaft, nämlich die Kybe rn e tik, als Eintrittspun kt in
die Me nsch-Masch ine n-Sys te me." Aufgnmd des griech ischen
worrcs rur Sreuerm nnu p räg te Wien er im Som me r 1947 den Be-
griff KyVernd ik. Das wa r de r Na me für eine - so hoffte er - neu e
'Vissenschafl der Kon trol lmech anismen , in der der Austa usch von
Informationen eine zen trale Roll e spielen würde. 11 Während de r
Anti-U-Boot.-Krieg das ven trale Pro blem d er operations researcn war,
e nthielt die Flugabwehrarullerie den Sch lüssel zur Kybernetik."
Vor das Probl em gestellt, sch ne ll ma n övrie rfähig e Bomber mit
Boden artillerie zu treffen , besc häftigte sich Wien er mi t R ückkopp-
lungsmecha nisme n, Komm unikatio nstechnologi e und nichtlinea-
ren Prozessen .
Ich möch te davon ausge he n , daß das System von Waffen und
Menschen , das w lene r im Sin n hatte, a uf dem Bild eine r be stimm-
ten An von Feind beruhte. Auf eine m mechanisierten Sch lach t-
feld ....'ar-d e r Feind wed er un sicht ba r noch irrational; d e r Fei nd war
zu Hause in eine r Welt von Stra teg ie, Tak tik un d Manöver, der
eige ne n Seite unzu gän glich , wei l e r d urch e ine n Wall a us Entfe r-
nung, Cesc h....indigkeit und Meta ll ab geschottet wa r. In die ser Vor-
stellung versch molz de r feindl iche Pilot der-art mit der Maschine,
daß. die Grenze z....-ischen Meli sch und Nich t-Mensch verwischt
wurde . Bei de r Bekämpfung dieses kybernetischen Feindes began-
neu Wie ne r un d sei n Tcam, sich die alliierte Flugabwe hr als Feind
vorzuste lle n , lind es war n ur ei n klei ner Sch ritt von der Abs u'ak-
tion de s Men schliche n und des Nich t-Me nsch liche n bei den Alli-
ierten bis hi n zum Ve rschwimm e n de r Gre nze zwischen Mens ch
und Masch ine im allge me ine n . In de r kybe rnetisc he n Vors tellun g
de r 40er Jah re wurde der servome chanische Feind zu m Prot ory-
pen für die me nschliche Ph ysiologie und sch ließlic h fü r alles
Me nschli ch e, Spä ter, in eine m le tzte n Zug de r To ta lisie r ung,
machte wtener d ie Kybernetik zu ei ner Philosophie der Natur, in
der die Natur selbst ein u n faßbarer, doch passiver Feind wurde -
de r augusunischc Teufel.
438 Peter Galiscn
He utzmagc erscheint die Kybern etik nich t me hr als eine futuri-
stische Bewegu ng oder als eine Weltanschau ung. die bloß Mecha-
nismen im Mull der Geschichte bbuert asseu wird , sondern sie hat
uns e iniges über die Wissensc haften in de r Miue des 20. j ahrhu n·
derts zu erzähle n und, wie ich annehmen möch te, au ch Übe r d ie
posunoderne Theorie am Ende unseresjahrbunderts.
2. Oer kalkul ierende Feind
Norbert wleners Erziehung ähnelte keiner anderen SO sehr wie
deijenigenjohn Smart Milli. Sein Vate r, Lee wien er, war ein ge-
leh rter und betriebsamer Slavist aus Harva rd . d er besc hlossen hal-
te, seine n Sohn Sprachen, Mathematik und wissen schanen lernen
zu lassen . lange bevor er zur Grundschule ging. Nac hde m er mit
vierzeh n sein Examen an der Tufts Univershy bes ta ude n und mit
achtzehn ein en Ph. D. in Harvard gemacht ha ll e. fand der junge
wiener sein eigenes Arbeitsfeld in der ph ysikalischen Mathematik.
Am Ende de r 30erJahre war Wien er bereits Über vierzig un d eine
der wichtigsten Figuren am Massach use us Institute ofTechnology
(MIT). wo e r Beiträge zur Quantentheorie und Ballistik, der Tbeo-
rie d er Integrale u nd Kommu nikationstechnologie geleis tet ha ue.
Wie so oft in seinem Leben war er auch mi t seine m Engagement
für d ie Kriegsvorberei tungen fr üh d ran (für einen Amerikane r).
Bere its im Februa r 1940 sch loß er sich einem Untera ussch uß unter
de r Leitung des in Princeron leh ren den Mathematikers Marston
Morse an, der darüber bera tsch lagte. wie die Ame rikanische Ge-
sellschaft für Math emati k ihren Beitrag in einem nationale n Not-
fall leisten kön nte , - von d em wir hone n, daß e r nie ein tre ten
wird «." Es ist übe rflüssig zu sagen, daß er tatsa chlich eintrar. Ab
dem 10. J uli wurde n deu tsche ßom ben au acken auf briti sche Oe-
lcitz ügc immer zah lreiche r und rührte n zur Seh tach rum England .
Vom [0. bis zum 20.Juli fand der von den Deutsch en so ge nann te
Kanal kampf statt, de r die britische Kampfkraft schwächen sollte
und von ei nem massiven Angriff' uuf'dic militärisch en Stütz punkte
in Englan d selbst gefolgt wu rde . Es war diese Flut von de utschen
Norber t wteaer lind die Vision der Kybernetik 439
Bo mbenan grilTen , die Wien crs ers te Kriegsa rbe ite n be schleu nig-
ten. Am 23. J uli wurde ihm mitgeteilt, die Streitkräfte wüß ten von
seinem Vorschlag, Brand bombe n zu benutzen u nd von seinem wie-
derholten Wunsch , einen Krtegsbcurag zu leisten." Der gr ößte Teil
von Wie ners militärischen Arbeiten galtjedoch einer allgemein e n
theoretis ch en lind praktischen Erfo rschung der M öglic hkeit, die
ptugabwchnechn otogte grundlege nd zu verbe ssern . Zuers t halle
er d ie Idee , elektrisch e Netzwerk e zu benutzen, um mit mehreren
Sekunden Vorsp rung festzustel len , wo ein angreifendes Flugzeug
sich befinden würde, um dann die Art illerie entsp rechend zu diri -
gieren . In einem früh en Simulationstest de s AA-Prädiklors im No-
vembe r 1940 wollt e Wien er seh en , wie sei ne Masch ine in -I Fällen
reagieren wurde: Zuerst haue der Bomber eine gerade Laufbahn;
die zweite Traj ektorie haue die doppelte Neigung der ersten; die
dritte hatte eine parabolische Neigung. und die vierte folgte der
integrierten Fläch e ein es Halbkreises. Da die Schaltung selbst nicht
aus Drah t und Rö hre n bes tan d. erfand Wiener ein virtuelles me-
cha nisches Äq uivalent und ..testete.. alle vier Fälle in simulier-
ter Form acf'vannevar Bushs Differenual-Analjsator;"
Aufgrund einer inten sivierten Zusammenarbeit mit Busb , auch
aufgrund seine reigene n frü heren Schaltp lane beharrte Wien er in
den n ächsten Mo naren darauf, daß Mathem atiker zu Kriegszeilen
von der ..Reinh e it.. der Vorkriegsjah re abkomme n m üßten. lm]a-
nuar 1941 stellte er Julian Bigetow ein , eine n jungen Elektrotech-
niker vom MIT , um mit ih m an den Schaltplanen zu arbe iten ." Als
Ergebnis seines Einsatzes für die WafTenforschung ha ue w icue r
das luftige Gebiet d er Th eo reme VO ll Taube r übe r die rnathemati-
sehe Analysis zugunsren d er han dfesten Sche ma ta des Techn ikers
schon lange verlassen , bevo r d ie amerikanisc hen Truppen in Pearl
Harbo r attackier t wurden. Als er im MarI. 1941an Morse in Prin ce-
ton sch rieb, be nu tzte Wiener Bushs Masch ine zur Lösung partiel-
le r Differenti algleich ungen als Beisp iel dafü r, wie weil die Mathe-
matik ge he n m üsse, um Fo ns ehrtu e zu erziele n . Sie könne nicht
»ausschl ießlich in den Händen der Mathemac ker- bleibe n. Er be-
nöti ge j ema nde n, der sich be reits in Rech nertech n ik auskenne,
z. B. ei nen Mita rbei ter von Remlugton-Rand ode r von IBM. Die-
ser Mann (Wiencrs Ausdruck) solle mit Vaku um röh ren vertraut
440 Pc ter Galison
sein, und e r müsse sich aufjeden Fall auch mi t Kommunikation s-
tech niken wie z. ß. de r Telefon technologie au skennen .
Wen l1 ich alt diese Begabungen nic ht in einem einzige n Me nsch en zusam-
mengefaßt finde. bin ich gezv.u ngclI , einc Ornppe von Leure n zusar umc nzu-
stell en. die alle beso ndere Begabungen in einem bestimmten Gebiet sowie
all gemeinc Kenntnisse in den an de re n h ätt en. In dieser Gruppe wäre ich
wah rscheinlich de r emzige Math ematiker; so daß d as Proj ekt als Canzes Wo-
wohl die Americau Mathematical Sociel)' als au ch andere Gruppen aus dem
Ingenieu rsbereic h belreffen wür de . E.s wäre mith in noth'endig, die üb lichen
p ro fessione llen Grenzen 1:U überschreiten."
Keiner, de r nich t be reits ein Ge fühl für Tech nik haue, und we nn
er nur in seiner Freizeit Rundfu nkge räte baute, ko nnte auf ein
Engagement hoffen. o-Es gibt nich ts in ei ner Zeichn ung in abstrak-
ter Algebra oder To pol ogie [ ... ] , was einen in irgendeiner Weise
befähigen wü rd e, an tec hnischen Eruwurfen mitzuarbeiten. e'?
Obwohl Wien cr sich hierbe i auf Rushs Differential-An alysato r be-
zog . versicherte er Morse, daß das gleiche a uc h für a ndere Proj ek-
te gehe. von de r Kryptographie bis zur Ballistik, Um im Kri eg nu tz-
lieh zu sein, m uß te d ie Wissensch aftsich umstelle n, indem sie sic h
materiell ve ra nkerte und a uf die Welt d e r Waffen einließ . Für Wie-
ner; Morse un d ihre Kollegen befand sich d ie Wisse nschaft im
Kriegszustan d, auc h wen n das Land es noch nicht war.
Ocr Umfa ng \' 0 11 wlene rs Arbeite n wa r nich t se hr groß, Er war
im Gru nde un endlich klein, ve rglich en mi t de n Arbeite n des Ra-
diatio n Labo retory oder von Los Alamos. Für das e rste Budge t
von 1941 (1940 beantragt ) ve rlan gte Wieners kleine Gruppe die
läc herli che Sum me von 2325 Dolla r, da von 1200 für de n Bau von
Scha ltungen; d rei Monatslohne mi t insgesamt 450 Dolla r fllr For-
sch unge n am Differe ntial-An alysato r, und den Rest für die Unko-
ste n des Labors ." De r Umfa ng de r Arbe ite n kann j edoch au ch a n-
ders ge messen we rden . Als der AA-Prädiktor verwi rklicht war,
betrachtete ihn wieocr als den ausgereiften Proto typ fiu' ein neu-
artiges Verständnis de r Mensch -Maschin e-Bezie h ung, der Soldat,
Rec hn er und Fe uerkraft in ein einziges integriertes Syste m zu-
sammen faßte . So würden die 2000 Dollar in Verbindung mit sei-
nen Theo rien a usreiche n, eine globale Wirkung zu e ntfalte n.
No r bert Wiencr und die Vision d er Kybern etik 441
Vo rläufige Schah-Diagra mme zeigten , daß der AA-Prädikto r bei
zwei Arten von plötzlichen Bewegunge n Schwachp unkte aufwies.
Es tra te n Un reg el mäßigkeiten a uf, wenn d er Bed icner des Kreuz-
fade n-Teleskops die Kanone schwen kte, um das Flugze ug zu ver-
folge n ; und wenn der Pilot im Zic kzack !log, um zu flie hen, Diese
Unregelmäß igkeite n mußten he rausgefil te rt werden , um eine
gla u ere Kurve zu be ko mmen , die der Prä d ikto r interp re tie re n
konnte . Wie in vielen a nderen Bereich en des Projekts sta m m te n
d ie gnmdlegende n mathe ma tisch en und rechne risch en Me tho-
den be im Entwu r f der Filter fllr den AA-Prädiklor a us früheren
Studien von Servomechan ismen . d . h . vnn Rückkopplungsge rä te n
wie The rmosta ten od e r selbstste ue rn de n Torped os. Der einzige
Unterschie d zwischen den be iden Arte n von Rückkopplungs-Pro-
ble men lag eigen tlich da rin , daß im AA-Prädiktor der Ze itabstand
zwischen Handlung und Wir ku ng größer war: die Gran at e brau ch-
te me hrere Sekunden, um ih r Ziel zu e rreichen. Ein deutlich es
Zeichen für die Übe re instimmung de r technologische n Praxis be-
sta nd darin. daß Wien e r a usd rü cklic h verlangte, für den AA-Pci-
dik tor diese lbe Patentkla usel wi e bei dem früheren servomec ha n j-
sehen Programm zu benutzen (Abb. I lind 2).19
Als Wiener und Bigelow im Som me r 19'1 I an den Bau d er Ma-
schine gi ngen (Abb. 3 und 4), suchten sie verzweifelt nach realisti-
schen Info rma tione n übe r die Art de r Ein gan gsdaten :
Wir haben testgestellt. d aß de r _Zufall_ oder Unrege lmäßig keite n in de r Flug-
bahn eines Flugze ugs \'UIlI Pilo ten ausgehen; be im Versu ch, se ine d yn a misc he
Kran Iür ei n sinm'olles Man över zu er hö he n - e twa bt:im Ce radeausflug ode r
bei einer l Sü-Grad- Drchung - verhä h sich de r Pilu t Ulk rin Snvom«han ismw..
Er ve rsuc ht die intrinsische Venögcnmg zu überwin de n, die du rch die Dyna -
mik seines Ftugveugs als Srstcm bedingt in, versuch t ei ne Ant-
wort auf einen Stimu lus zu geben, der um so in tensiver ist, je meh r e r se iner
Au fgabe nicht geree hr wird. Weit e rh in ist wicht ig. da ß die kinäs the tische Re-
aktion de s Pilo ten a uf d ie Bewegungen des Flug zeu gs völlig an d ers ist, als es
ih n se ine anderen Sin ne erwarten lassen würde n. Deswegen muß er bei m Pr ä-
zlsionsflug den kin ästhe tischen Sinn \ '0111 Sensinn loslö se n."
H ier lag ein Proble m. das gleic hze itig physika lische r lind ph ysio-
logische r An war: der Pilot, der m itten d urch das Fla kfe ue r fliegt,
die Lufuurbulenz. u nd das Schwen ken der Suchsc heinwer fe r, die
442 Pe ter Dalison Norbe r t wi cner und die Vision d er Kybernet ik 443

ein Flugz eug zu eine m bestimmten Ziel füh re n sollen . Nach Wic-
ner s Überzeugung neigten Menschen in Sueßsltuatt on e n zur
Wiederholung und wurden damit in ihren Handlunge n bere-
che nba r.
"I
Um di e se en ge Verkeuung von Mensch und Maschin e zu rekon- x, Motor
stru ieren, sta rte te n wlener, Bigelow un d Paul Mooney, e in begab- I
te r Techniker, vo r Ende J94. 1 e in e Reihe von Expe rim enten, um
die Da te ne inga be e ines feindliche n Flugzeugs in de n AA-Prädik-
tor zu sim uliere n . Bige lo w, der e in ak tiver Pilot war, kfirnmerte sich
beso nde rs um den Entv... urf eines mechanische n Apparates, de r A/>b. 1: Sensor, der einen Motor in Cang setzt, Aus: Lc Ru)' A. MacColl,
»d as .Cefühl - eine r ko n kr e te n [Flug zeug-] Ko n tro lle ve rmit tel n Fundamental Theorv of Scrvomechanisms. New York 1945 , S. 5
sol lte«." Auf e ine Laborwand wurde mittels eines Sch einwer fers
e in in tensiver weißer Lichtstrah l ge wor fe n, der eine le ichte, je-
doch un regelmäßi ge Vor- und Rückbewegung ausführte und alle
15 Sekunden von e iner Wan d zur andere n sc hwenkte. Glei chzei-
Lig wurde e ine r Testperson , di e den Piloten sim ulie rte, ein absic ht-
lich schwergängige r Hebel gegebe n , der die Position lind die Be-
wegung eines zweiten, farbigen Lichtsu-ahls lenkte. Aufgabe des
»Pilote n- wa r es, den farbi gen Lich tstrah l a uf das ..Ziel« zu richten
und - wie ein damaliger Ze uge es beschrieb - - cin Flugze ug zu
imitieren, das zwar ausweic ht.jedoc h seine Mission weiter verfolgt,
d. h. , de r Pilo t h alt e ine n bestimmten Kurs, fliegt dabei ab er weit-
räumige Urn wege-." Das Experimen t wurde absich tlich e rschwert ,
indem das Zie l m it hoher Geschwindigkeit auf di e Wand zur aste
lind im Kontrollhebel eine mechanisch e Verz öge rung e ingebaut
wurde. Damit hoffte man genau di e Tre n n ung von kin ästh eti- s:
schem Sin n und visueller Info rma tio n zu erhalten , mit der de r Pi-
lot a uf dem Kriegsscha uplatz konfrontiert war, wodurch di eselbe AM. 2: Sensor mi t Feedback. FÜr die mei sten Wissensc h aftl e r der Zeh (mklu-
sivc Wiencr lind MacColl) war ein Servomechanismus durch die Einbexie-
Art von Pro ble me n mit der RÜckkopplung hergestellt wurde. In-
hu ng des Feedback defi ni/i1 /. Aus: Le Roy A. MacColl, Fundamental Theor y of
zwisch en wurde die Positio n des Lichtsignals der Test person Servo mecha nisms. New Yo rk 1945, S. 6.
zusammen mir der Position de s leite nd en Lichtstrahis auf Band
aufgenomm en . De r fluktuie rende Untersch ied zwische n de r »ge-
plante n - und der aktuellen Postnon de s Lichts trahls der Test-
person lieferte »eine Möglichkeit, [ ... ] di e Eige nsch afr.e n der
unregelmäßigen Bewegu ng eines Flugzeugs in der Luft zu re pli-
zteren -." Mit di esen Daten soll te dann der AA-Prä d ikto r gcfüuen
werden."
444 Petcr Galison
A.bb. 3: Drahtschaltung fü r Wicnc rsAA-l'rädi ktor. Aus: Norbert \\' icner to D. I.
e. 5980 A. A. Dircerc rs . «Sum mary Report for Demo nstration«, IOJu ne 1942.
Reco rd Gro up 227, O ffice of Science and Resear ch Dcvd o pmclll, National
Defcn sc Research Comm ittee Connucrors' Tcchuical Repo rts, Division 7,
Ml'T, NOCrc-83, Natio nal Archives, Librarv of Congress. Washington, D. C.
Besonde rs die »nervose n Reak tion e n - des Pse udo-Piloten zeigte n
zwei entscheide nde Merkma le . Erste ns ga b es keine besonde re
Kor relation zwisch e n den aufge ze ichneten Sch wank ungen ver-
schiede ne r Testp e rson en, un d zweitens bestand e ine ho he Auto-
ko rr elati on zwisch en früheren un d sp ä te ren Leistun ge n ein und
derselben Testp er son. Daraus e nt wickelte Wicn er fo lgen de Defi-
nition für eine Voraussage. Man ste lle sich e ine Zahl von Flugbah-
nen vo r (z. B, JO), die sich e ine Zeitlang decken , nac h c inergege-
benen Zeit I aber vone ina nder ab weich en . Man ne h me n un e ine n
Punkt im Raum, an de m ma n e in Flug ze ug be i r, ß. 1+ 2 Se kun-
de n e rwartet. FÜr j ede n so vorbergesagten Punkt kann ma n das
Quadrat de r Diffe ren z zwische n dem vorhergesagten Punkt und
der aktu el len Positio n des e rsten Flugze ugs be i I + 2 Sekunde n aus-
rech nen, und das gle iche können wir für di e ne un andere n Flug-
Nor bert Wien er und die Vision der Kybernetik 445
•
AU. 4: Der AA-I'r;id iktor. Aus: Norbcrt wieocr tO O. I. C. 5980 A. A. Dlrec-
tors, »Summa ry Repo rt for Demou etration« .
zeuge tun . De r Pun kt, a n de m die Sum me de r q uadrierten Fe hle r
minimiert ist, wird von wien e r als beste Vora ussage bestinunt." Es
ste llte sich heraus, da ß die Vora ussage sch lecht funktio n ierte,
wenn die Daten eine r Testpe rso n für eine a nde re ge no m men wur-
den, doch be i e in und de rselben Testpe rso n war d ie voraussage
se hr best änd ig. »Dies sp richt für de n Einsatz solc her Apparate bei
der Diagnose individuel ler Unte rsc hie de im Reflexverhalte n und
bei path ologischen Verän de ru ngen des Refle xbo ge ns. Viele an-
de re Anwe ndu ngsgebiet e d iese r Idee n e röffnen sich fü r Physio-
logen, Ne uropathologen und Testpsycbologe n. e" Meh r a uf die
ursprü ngliche Fragestellung bez ogen , sollte e in verbesserter
AA-Prädiktor die cha ra kteristischen Flugsch e ma ta e ines Pilote n
be nutze n, um seine spe zifische n zukünfügen Beweg u nge n zu
be rechnen und ih n zu tö ten."
Die wicht igste Erkenntn is de r Arbeit Über die Flugabweh r be-
stand fü r wiener da rin, daß es unerläßlich war, den Pilote n und
dc u Artilleristen als e in einz iges servomechan isches System zu
 446 Peter Galison
konzipie re n . Wie wiene r es gu t zehn Jahre nach dem Krieg au s-
d rückte: Wir kö nn en das eine od er ande re men schli ch e Merkma l
aus eine m Waffensystem el imi nieren , da s me nschliche Verhalten
des Fei ndes hi ngegen wird nich t verschwin den:
Es scheint in jeder Hin sich t un mö glich zu sein , den menschliche n Faktor; so
wie cr im feind lichen Verhalten auftrin, tu elim inieren. Um ein e mögli chst
vollständige mathematisch e Beha n dlung des. gesa mten Kontrollpro ble ms zu
erhalte n , müsse n die verschiede neu Teile des Systems zu einer ei nzigen Ein-
heit - entwed er mensc hlich od er mechanisch - zusammengofaßt werden. Da
unser Verstän d nis de r mecha nischen Elemente des präzisen Sch ieße ns un se-
re m psychologischen Verständn is weil voraus ist. haben wir versuch t. ein
mechanisches Gegen stück zum Präzisionssch ützen und zum Flugp iloten Z\1
find en .'.!l<
Dami t wu rde die se rvomec ha nische Theorie zum Maß stab für den
Mensch en. Als Sc hlüs seldis ziplin halte sie einiges anzubieten , und
zwa r n ich t nur den Laboratorie n, di e sich mit de r Kontrolle der
feindl ich en Attac ken befa ßten. wiener hielt es fü r ausgemacht,
daß die wichtigs te elektro n ische Aufga be in dem riesigen , rasch
wachse nde n Radiation Laboreto ry des MIT darin bes tehe n müsse,
Rau sch en zu u nterdrü cke n und Info rmatio n zu üb ermi tteln. Sei-
ne Ansic h ten stieß en au f den widerstand eines erlese ne n Kreises
»fun da men tah susc he r« Physiker wie Lee Du Bridge, M. G. whitc,
N. F. Ram sey, 1. 1. Rabi,Julian Schwinge r, Edward Pureoll und viele r
an deren. Am Abe nd de s 21. M är z 1942 ve rkünde te wiener fru-
sutert. seinen Absch ied von de m Labo r, brach alle Beziehungen ab
un d gab sei ne n Dien stausweis zurü ck. Am näc hste n Tag beschwer-
te e r sich be i E. L. Bowles, de m Direktor des Rad iation Laborarory:
Die neue n Mita rbe iter Ih res Labors kommen '·011 de n theo ret ischen Plo ni.
kcrn od er Mathematikern un seres Landes od er sonstwo her; nur nich t aus
de m Be reich de r Komm un ikation stech n iker im strengcn und eige ntlic hen
Sinn e de s wones. [... 1 Rausch unterd rü ckun g, d ie Forrnalisicrung von Opera-
tion en lind die Th eo rie d er Schaltungen gehören nicht ZII d en Dinge n. von
denen ein Quanten physiker die leiseste Ahn un g zu habe n braucht. Diesen
individuellen Ma ngel in Ih re m Labo r o hne besondere Ausb ildu ng abzustel-
len , egal was für eine gro ße Nummer de r Betreffende in seinem eige ne n For-
sch ungs be roich sein mag , wäre gena uso, als wenn man jemanden , der H üh-
No rber t WieneT und die Vision der Kyberne tik 447
neraugen behandelt, rufen wurde, um ei ne ß ein am putatio n durch zufuhren .
Lieber drei Woch en warte n , bis die große Nummer ihr ue ues Geschäft gelern t
hat , als dr ei Monate Kinderei en lind Dum m he he n .w
Was wt en er be i de n "große n Num mern - vermißte. war ein liefe-
res Verständnis be ispi elsweise von Brownscher Bewegu ng ode r ge-
n eralisie rtc r harmonische r Analyse. Wien er ha tte in diesen Berei-
chen wesentliche Beiträge ge leiste t und war wütend, da ß e r sich
nun mit trivialen Problem en befassen mußte. Er proph ezeite , daß
oh ne die erfo rde rliche n Kenntnisse in der Kommunikation "d ie
militäri sche n Bemühungen des Labors un gefäh r au f dem Nivea u
brave r Pfad find e r liegen werd en «.w
Wien er wa r resigniert und bedrückt. Er a rbei tete wie wild und
putschte sich bflUfig mit Ben zed rin auf;" Eine n Tag nach sei ne m
wütenden Brief an Bowles be rich tete]. C. Boyce, Profe ssor für Ph y-
sik aru MIT und tec h n ische r Mitarbeiter beim Nati ona l Detense
Resea rch Com mittee (NDRC) an Warren weaver übe r wt en ers
.
rj esundhenszusta nd : •
Er sche in t in d en letzten lagen ungewöhnli ch ne rvös zu sein, un d ich ha be
versucht, ihn dazu Zll überred en, ein ige Tage Urlau b zu ne hme n . Er hatte ei-
nen be dau erlichen Zusammensto ß mit einem geheimdiens tlich übe rprüften
Patentanwalt, d en das MIT bea uftragt hatte, sich e inige vo n Wien ers Id ee n
üb er Schaltungstheorie an zusehe n . Zu r gleich en Zeit hatte er d en Eind ruck,
daß das Radiation Laborarory einige d er Vorschläge, die er Über d ie Hers tel-
lun g von Filtern gem acht hatte, nicht zu würdigen wußte. Blgelow schei n t cl-
....-as zu sein, jedoch ho ffe ich , daß dies e r Teil des Zoos sich in Kü rt e
wied er beruhigt haben wird .iIlI
\Veaver a ntwortete be rei ts am näch sten Tag, nachdem e r beobach-
tet haue, wie Wien e r wüten d in e ine m Raum hin u nd her lief,
-stark schwitzte- und sich dafür e ntsch uld igte, daß e r ein In tegral
nicht in eine ei nfac he r zu rech ne nde, schnell konvergie re nde Rei-
he um wandeln ko n nte , d ie für de n großen Statistike r J e rzy Ney-
man von Nutzen gewesen wäre. weave r schlo ß mit den werten:
»Auf Anfrage ste llte sich he raus, da ß [Wie ne r] nichts von dem ge-
mac h t hatte, worum wir ihn besonde rs gebete n hauen . Sei ne Be-
sch ätug ung be stand da rin , -rruch in Be rei tschaft zu halten , falls
an de re Ar beiten anfallen- c-"
448 Peter Galison
Wen n Wien e r auch ein sch ne ller konve rgie ren des Integral nicht
so rasch aus rec hnen kon nte , wie weaver es wo llte, beg an n e r be-
re its a n d e r Frage zu arbeiten , wie die Rück kopplungsmec han is-
me n seine r se rvome cha nische n Theorie weiter e n tfe rn te For-
scb ungsbe reiche um gestal te n k önn te n. Am 22. J uni 1942 schrieb
er an ] . B. S. Haldane:
Wie wir alle wissen, ist de r Behavio rismus eine anerkannte Method e in Biolo-
gie und Psychologie. aber nirgen d wo habe ich ein en adä qu aten Ve rsuch gC$C"
hen , d ie in trinsischen Möglichkeil en de r Vemah ensl}pen 7.Ua nalysiere n, Das
war aber no twendig im Zusamme n hang mit dem En twurfvon Appara ten. die
bestim mte Zwecke bei der wiederriojung und Verände rung von Zeitm ustern
erfüllen sollte n."
Der Inh alt dieser behavioristischen Umcrsuc b ungc n blieb uner-
wähnt. Aus Sicherheitsgriinden ve rrie t wiener nicht, daß die Zeit-
mu ster die Ausweich ma n över de s Piloten sowie die Testverfahren
betrafen. die Wien e r in seine m Labor anwandte, um diese Muste r
aufgrund der Reaktionen der Testpe rso nen na ch zusteüen.>
Die Urncrsuc b un g e ines Apparates - uu te r diese m Gesichts-
puukt«, so Wic ne r a n Halda ne, sei ein wesemhcher Bestandte il
d e r Ko m m unikationstechnik. Sie spe zifizie rt e die Funktum eines
Instrumen ts, noch bevo r jemand d ie Zusammensetz ung de s Appa-
rates in Ang riff nahm. D ie Betracht ung des Ne rve nsystems als
Blackbox habe bereits Informationen Über apriorisc he Ve rha lte ns-
formen geliefert , un d es sei offe nsichtlich, daß bis zum gegenwär-
tigen Zeit punkt - kein Behaviori sr das Pote nti al des Verhahcns jc...
mals ric htig verstanden hat«.'" O b seine Bem erku ngen sponta ner
Ausd ruck seine r Err eg ung übe r d ie ne ue n Er ken ntn isse ware n ,
oder o b es sich um die kryp tische Er klär un g eines Prio ritätsa n..
spr uchs handel te.j ed enfalls betrachtet e Wic ne r den AA-Präd iklo r,
bevo r e r überha upt imsta nde war, ein Flugze ug vom Himmcl zu
ho len , als den Protot yp en fü r eine ne ue beh avioristisc he Auf-
fassun g de s Nerve nsyste ms. AJs wtene r an Halda ne sc hrie b, war e r
in de n le tzte n Vo rbe reitu ngen fü r de n große n Auft rit t seine r Ma-
scbtnc.
Für ei ne n kurzen und le uch tende n Mome nt sah es so a us, als
wurde de r AA-Präd ikto r die Zukunft vor,lUssagcn kön nen wie eine
Norbert Wiener und die Vision der Kybe rnetik 449
Kristallku gel und die feindlichen Flugzeu ge mit schon ungs loser
Effizienz absch ieße n. Am I.J uli 19<12 startete G. R. Stibitz, Wien e rs
Vorgese tzte r beim NDRC, Wien c rs Labo r einen Besuch ab u nd
hielt sein Ersta une n in seinem Arbenstagebuch fest:
Die meiste Ze it d es Thges verbonge k h mit Wien er. ß igetow und Mooney,
Man mu ß zugeben, daß ih r statistische r Pradilaor Wunder vollbringt, wen n
mall die Eingangsda ten beriieksichti gt. O b es sich um dn n üulkhes oder ei n
nutzäoses WUlldc:r hand elt. darüber ist sich W(aff en l W{ea l'erJ noch nicht im
klaren. Oie Tatsach e, daß ma n zur Zeit blo ß n. r maximal zwei Seku nd en Vor-
aussagen n effen kann , ist ein e sehr e r nste Einschrankung. {...] Im Bereich
ein e r Sekunde ist das Verhallen ih res Instrumen ts ",irklich unheimlich .' ; WW
hat angedroht, bei seinem näch sten Besuch woue er ein e Säge mitbringen
und d ie TIschbein e absage n, um festzuste llen, ob nicht irgendwo versteckt e
Kabcl st"ien·I"D «)
Diese Zahlen waren noch eind rucksvoller. als sie im ersten Mo-
ment ersc hienen , da der Wie ne r-ßigelo....- Plan die Zeit um einen
Fa ktor von 4-5 verkürzte u nd 50 eine z-Sekuuden-vorhersage zehn
Sekunden in der wirklichkelt e nts p rach. Da eine Lufta bwc hrgra-
nate ungefähr zwarwig Sekund e n brauchte, um einen Bom be r zu
erreichen , schien der Präd tkto r a uf d em be sten Weg zum Erfolg
zu sei n.
Mine n in ei ne m Kriegsproje kt. das noc h nich t einmal se ine Ein-
satztauglic h kei t e rrel cht ha ue , war \ \'ie ner be re its dabe i, Über wei-
te re Verzweigu nge n d iese r Art von Masch ine na chzudenken. Am
selben Tag. als e r de n Priidiktc r vorgeführt be kam, also am I.ju li
1942. realisiert e Subitz wteners Am bitio nen:
W[icllc r] weist d arauf h in, da ß ihre Apparatur wahrscheinlieb ei ne der gc-
naue sten mechanisc hen vorrlchtuugen rsr. die im Hinblic k auf physiologi-
sches Verhalten j e en twicke lt wurde . Üb rigens beruht wtcners Pradik tor au f
guten behav ioristisch en Id ee n, da Cl' versucht. die zukünftigen Handlu nge n
eines O rganismus nicht vorauszusagen. Indern e r d ie Stru ktur dcs O rganis-
mus stud ie rt, son dern indem Cl' sein Früheres Verhalten erforscht. (,,0 «l :'il
Um weite re n Zugang zum kün ft igen verhatten des ß ombe rorga-
nis mus zu e rhalte n, bes uch te» wiener und Blgetow im Somme r
1942 verschiede ne Ein rich tun gen , in de n en ma n damit besch äf..
450 Peter Galison
tigt war, die Flugb ahn e ines Flugzeugs exakt zu bes timmen. In
Pri nceton un d Tufts besch äftigte n sie sich mi t Fehlern beim Ver-
fo lgen von Bewegun gen . In Lan gle y Field gaben Expe rte n ihnen
Da te n über Regelmäßigke lten und Un regelmäßi gke uen bei Flug-
zeugbewegungen . Auf dem Versuchsfe ld Aberdeen , beim Frank-
lo rd Arse nal in Ph iladel p hia lind bei de r Foxboro Im mu ne m
Co m pa ny bek amen sie weitere lnforma uon en . Doch erst be im
Arni-Aircraft Board in Camp Davis, Norm Caroüna, erhielten die
beiden Prognost ike r ihre wertvollsten Dok um en te: Dat en über di e
Verfolgungsbahnen zweler Tesul üge - die sogena nn te n Flüge 303
lind 304 - im I-Sekunden-Abstan d. " Diese be iden Flugb ahnen am
Him me l ware n entsch eid end , weil sie ZU Ill erste n Mal rea listisch e
Da ten liefert en , di e als Input für de n Prfidiktor un d als Test für
de n Output be nu tzt werde n ko nnten .
ln de n fün f darau ffo lge nd en Mo na te n arbeite te Wie ncr d aran ,
diese Da te n zu re produzier en - mit we n ig Erfolg. Im Deze mbe r
1942 war völlig kla r, daß d ie allgemeine stat istische Ana lyse trotz
a lle r Raffinesse mit zwei e infacheren, vo n H endri k Bode cn t-
worfene n geometrischen voraussage-Masch inen nich t kon kurri e-
re n konnte . Die erste extrapolierte e infach di e Zuk unft aus de r
Able itung der Flugbahn ei nes Flugzeugs von e ine m definierten
Ausgangspunkt. Die zweite Me thode Bodes be rec hne te ih re Vor-
au ssagen permane n t n e u, und zwa r a uf d er Basis einer Flugba hn-
nbleiuing, die ze hn Se kunde n hinter de r ak tu e llen Positio n des
Flugzeu gs e rr ech ne t wurd e. Im Dezem be r 1942 u nd j an uar 1943
stel lte wiener fo lge nde Tabe lle für we avcr zusammen....:
Flug (I) Bode (2) Bode ( 10 Sek.) (3) Statistisch
303 6 Treffer 22 Treffe r 23 Treffe r
30' 35 Treffer 55 Trcffc r 49 TreITer
Bod e, der in den Bell Laboratorres arbei tete, ha ue e ine n geo me-
trisch e n Pradiktnr zur Flugab wehr entw ickel t, dessen Vorte il da rin
bes tand, a uf eine r be reits existie re nde n Technologie a ufzubauen.
Norbert wieaer lind die Vision de r K}"be r oetik 45 1
Der Nac h te il war, daß er d ie zufäl lige n Schwanku ngen und un re-
gel mäßigen Flugbah nen de r Bom be r nich t erfaßtc.
Ziem lic h offe nsich tlic h war Wie ne rs eige ne Me th od e (s ta u -
stisch) ka u m besser als Bode s j ü-Sekunden-Merhod e fü r de n Flu g
303 und sch lec hte r als Bod cs Methode für de n Flug 304. Ange-
sichts d ieser e indeutige n Unzulänglich keit me inte wieoer; daß di e
einzige J loffn ung für seine Methode in eine r sta rk e rwe ite rten sta-
tistische n Basis liegen kö n nte, de r Berechnung von mehre ren
zeh n, wenn nic ht mehre ren hu nde n Bahnen . Da d ies di e Rechen-
kapazir äten des ga nzen Lan d es a uslasten würde, u nd weil ihm die
Mög lichkeit e ine r Ve rbesserung "zu fern (e rsch ien ] , um im jetzi-
ge n Krieg von Bede u tung zu sei n .., zöge rte Wiencr, weite re For-
sch unge n bis zum Ende des Krie ges vorzuschlage n." Was war
falsch ge la ufe n ? Wie ne l' spe kulie rt e:
Es iSI noc h nic ht klar, wora uf die ne gative n Ergebn isse di eser Forschun-
gell wn-\cbuf[,hre n sinci, au f schlechte Datenaufnahmc : a uf die Bescbrän -
kung der be nutzbaren 7.II nkkgeiegte n Flug bahn auf 10 Sekun den; oder a uf
die Tatsa ch e, daß das fei ndliche Flugze ug ei n e gu te Cha nce ha t, seine fl ug-
bahn in d en 20 Seku nden des Grschoßnugs freil.illig oder u nfreiwillig m än-
dem.tl
Es mag - noch nich t g'AIlZ kla r.. ge\,'csc n se in ,jedoch wa r Wie ne r
- überze ugt.., daß vorrangig d te Fähigke it des Feindes zu Ausweich-
manöve rn ihn vor de r un ve rm eidlich e n Vernic htu ng d urch de n
Pr ädl ktor re tte n wü rde . Der Fehlsch lag war biue r; de n n Wie ner
war von de n Schwäche n de s Prä dikto rs frus trie rt : - Jch wünsche
mir im me r noc h , ic h wäre in d er Lage gewesen, e twas he rzuste l-
len, das einige Feinde ge tö te t h äu e. a nstau zu zeigen, wi e m an
nich t "ersuc hen so llte , sie zu tö ten ...o
3. Vom AAPrädiktor zur m enschl ich en Na tur
Auch in den schlim mste n Kriegsja hre n widme te Wiener sich de n
psychologisc he n lind ph ilosoph isch e n Auswir kun gen des Pradik-
to rs. In ihre m 1943 ersc h iene ne n Artikel & hlllJ;m; Purpost: und
 45% Peies-
1tko/og)' arbeite ten wiene r un d Bigc low zusa m me n mit de m Kar-
diolog en Arture Rosenblueth , damals Gast a n d er Harva rd Medi-
cal Scheel, da ran , e ine neue be havio ristische Besch reibung de s
Zweck begriffs vorzuste llen. Abgeseh en von de r Befriedigung, d ie
das Klassifizie re n ve rschaffte, freuten sich die Auto ren , eine Klasse
vo rh ersag bare n Verha lte ns auszumachen . bot sie doch - dle Mög-
lichk e it, zunehmend kom ple xe Tests Über das Verha lten der Orga-
nismen an zus te llen «." Insb esonde re be ha upteten sie , daß ihre
Klassifizie rung Begri ffe wie ..Zweck e und ..Teleologie - re habilitier-
te , indem di ese einer ..ein he itlichen be havioristischen Anal yse-
umerzogen wurden , die sich ge nausogu t a uf le be nde Organ ismen
wie auf Maschin en a nwe nden ließ.
Wahrend Dan..-in di e Ähnlich keiten zwisch e n Mensch und T ier
gewissenhaft ver folgt haue, um die Gr enzen zwischen ihne n zu
ve rwi schen . ....rare n Wienc rs Anstren gungen darauf ge rich te t, di e
Untersc hiede zwisc he n Mensch und Maschine a ufzu he be n. Da r-
wins H und e m pfand Re ue. w leners AA-Präd iklor haue Weitblick.
1945 be richtete Wiener, daß di e Me nschen sich im Verlauf des
Kr ie ges im mer me hr daran gewö hnt h ätten, de n se rvomec ha n i-
sche n Syste me n Le bend igke it zuzusc hre ibe n :
De r hal b sche rthafte Abergl au be an d en bösen Ceisr unt er den Flicgern
staunute wahrsc heinlich, wie alles ande re auch, da her, da ß sie eine Maschi n e
mit viele n einge ba uten Rück ko pp lungsschleifen bed ien ten , d ie ab freundlich
oder feind lich in terp retie rt werden ko nn ten . Die Hllgel eines F1 ugzeuges sind
ZUIll Beisp iel absichtlich so gebaut, daßsie das fllJIP.cugstabilisieren, und di e-
se Stabilisienmg. d ie ja eine RuckJr.opp lt.lllg ist, kann leich t als eine Persö n-
lichl.:ei l empfunden werden, gege ll d ie man sich stemme n II1I1ß, wenn das
f.ll llnge>t.·öh nlichen Manöcern gel\'ll lJlgen iSL os
Unse r Bewußtse in vorn Willen e ine r a ndere n Pe rso n war fiir Wie--
ne r bloß das Ccfuhl. e ine m selb ständige n Mechan ismus zu begeg-
nen , de r un se re Hand lungen unterstüt zt od er behindert, Indem
es e ine n solche n selbs tstabilisie re nde n Wide rsta nd biet et , handel t
I das Flugze ug. als hätte es e ine bestim mte Absic ht, kurz, als wäre es
von e inem böse n Geist besesse n,
Un te r de r Übe rschrift - zwec kge ri chte tes Ve rha lten . subsum ie r-
ten Wien er und se in e Mitarbeite r Bigelow und Röscnblueth sol-
Nc rbert Wicne r und di e VISio n der Kybern e tik 453
ehe Ha nd lun ge n , di e ....-ähre nd ihres Ab laufs kein e RÜckkopplung
aufweise n (e rw a e in Frosch . der se ine Zunge herausschne llen läßt.
um e ine Flie ge zu fan gen) , un d di e Handlunge n (wie ei ne selbst-
len kende Rakete oder e in To rped o) , di e In fonnat ione n sam mel n,
um sich selbst un te rwegs ZII korrigie ren. Doc h jede spez ifische Ver-
ha ltensweise von Mensch oder Masch ine ve ro rte te Wiener in se i-
ne m fest veran kerten be haviori stische n Weltbild . Das schlo ß nic ht
aus , da ß es Krite rie n für eine Unterscheidung \'0 11 Me nsch und
Maschin e gab. Offensichtlich existierte ke ine Maschine (im Ce...
ge nsatz zu heute), di e ein san skrit-hochchinesisches Wörterbuch
zusam menste llen konnte; au ch ro llte kein lebe ndige r Organismus
ant Rädem . Doch es wa r der be hav ioristische Impuls, sich auf weit-
ges pan nte Klasse n vo n Ha ndl unge n zu kon zentri eren lind sich
da bei auf In put und O utput. di e wlen c r aus der Kommunikations-
technik so gut kan nte. zu stutzen, Dadurch wurde n die Gren ze n
zwischen Me nsch un d Masch ine au fgewei cht. Ein e Blackbox in
Wien c rs Terminologie be de utete e ine Einhei t, di e zur Aus übung
e ine r Fun ktion d iente, bevor j emand wußte , wie das Gan ze fu n k-
tionierte; be i e ine r Whit e box ko nnte ma n au ch den in ne ren Me-
chani smus spez ifizie ren. In di ese r Perspe ktive e rö ffn e te der raffi-
nie rtere Rüc kkop plu ngs -Mccbantsmus des AA· l'räd ikto rs dem
Techniker und d e m Ph iloso p he n ei n neues Universum vo n Black-
boxes.w
Die Bcha vio riste n wurd en au fmerksam . Der berüh m te , in Ha r-
vard leh rende Psychologe und Psychologiehistoriker Edv..-in Bo-
rin g fand wleu ers ve rm u um g. won ach alle Hirnfunktio nen von
elek trischen Syste men re plizie rt we rde n könnten , "se h r attra ktive.
Nach ge na ue re m Stu d ium di eses re d uktio nis tische n Programms
.schrie b Boring Olm 13, November 1944 a n wl e nc r; e r kö nn te in se i-
ner Frei zei t "ei ne zie m lich vollständige Liste vo n psychisch en
Funkuoneu- zusammenste llen, da alle psychologische n Tatsache n
im Prin zip mi t de n Kategorien vo n Reiz und Reaktion er-faßt wer-
den können. "Ein sym bo lische r vergang.. sei »eine ve rspätete , ad -
äquat verschobene Rea ktion «: - trurospe kuo n- se i e ine Rea ktio n
auf e ine Rea kt ion . Wenn er Borings H erausfo rde ru ng annehm en
wo llte, würd e wieners Aufgabe darin bestehe n, diese Re iz-Rea k-
uon s-Paarc zu transfe rier e n und mi t seinem e ige ne n passenden
454 Peter Ga liso n
Katalog tu antwo rten , der »dieselbe Spez ifizieru ng von Output zu
In put- ergab. Wenn 14 be reits auf de r Liste ei ng etragene psychi-
sch e Eigenschafte n, zu denen weitere wie - Oe ne rahster ung- und
-Abstraküon« hinzu kamen , in eine Studie mit solche n elektri-
sche n Entwürfe n in tegriert we rd en kö nnte n, sei das, so Bori ng.
von großem Nu tze n für »uns operanon al ges in nte Psychotoge n -.
-w olle n Sie es probicreu>« fragte Bo rin g. »Ich weiß nic ht , ob Sie
es kön nen , aber ich würd e auf Sie weuen.c ' Die Blackbox-Tec h-
nologic halte auf einmal e twas viel Kom plexe res als elektrisch e
Verstärkungen vor Augen, nämlich den Geist selbst na chz ubauen.
Inn e rhalb wen iger Woch en gingen Wie ne rs Amb itio nen sogar
über d en me nsch lichen Geist h inaus. In Zusammenarbeit mit H o-
ward Aiken , eine m de r Pio nie re der Computertecbnologte. und
mit Jo hn von Neumann . dem überaus vielseitigen Mathematike r;
de r da ma ls an der En twicklung des Com puters arbe itete, sandte
Wicner a m 4. Deze mbe r 1944 ein en geheimen Brief an ein e Reihe
von Expe rte n , d ie a nsc heinend keine n Kont a kt u nte reina nde r
hatte n :
Eine Gruppe von Leut en , d ie an Komm unikationste chnik, an der Technik der
Rech enm aschin e n, an de r Techni k d er Kontrollv orrichtuogcn, an der Math e-
matik der Zeitrei he n in d er Statistik sowie an Ko mm u nikatio ns- und Kontroll-
aspe kte n d es Nervensystems int er essier t sind, ist zu dem vorläufigen Schluß
ge kom me n, da ß die Beziehungen zwische n diesen Fo rschungsbereich en der-
a rt e ng gewo rden sind, d aß ei n Zusamm eTl lrelI.:1l [ ...] in hohem Maße wün-
sehe nswert geworden
Da viele relevante Entwicklu ngen direkt mit den Krtegsbem üb un-
gen verbu nden waren , so versicherte Wie ne r, m ußte die Versamm-
lu ng unbedi ngt unte r Ausschluß de r Offe n dich kei t statt finde n . Es
war ei ne neu e Weitsicht, die aus di esem ge heime n Zusammenfl uß
verschiede ne r Kriegswisse nschaften en tste hen sollte, und ihre
Theme n so llte n von »tech nischem, physikalisch em, sogar wirr-
schaftfiche m u nd sozialem In te resse- sein." wiener, Aike n und
von Neu ma nn nannte n die Cruppe d ie » Teleological Societ y-."
Das ers te Treffen der Gesellsch aft fand arn 6. und 7.Jan uar 1945
statt, un d "\'ien e r war Über den Verlaufsehr e rfreut. Die Physiolo-
ge n Rafael Lo re nte de No und Warren McCulloc h, Spezialisten
Ncr be r t Wie ne r und di e Visi on de r Kybernetik 455
auf dem Geb iet der funkti on ellen O rgani sanon de s zentralen Ne r-
vensystems, stellten ih re Arbeiten Übe r die O rga uisauon des Ge-
hirns vor. Wie ne r schwärmte gegen über Rose n blue th : »Am Ende
waren wir alle überzeugt , daß es ein umfassendes The me nge bie t
wäre , welc hes Aspekte d er Tec hni k und de r Ne urologie um -
scblie ßt.e' " Er meinte, es sei an der Ze it, ge tre nn te Arb eitsberet-
e he in ein in tegri er tes daue rha ftes Forschungsprogramm um zu-
wand eln , das da n n au s viele n Q uel le n unterstutzt wird . Dazu
zählte di e Rockefelle r-Süftung mit weavers Unte rstü tzung, u nd
außerdem redete »von Neuma nn geheimnisv oll Übe r 30 Millionen
Dollar- , von denen reich lic h Mit tel »ab gesaugt- werde n könn-
Vo n Neumann seinerseits nutzte da s Treffen , um das Labor auf-
zute ilen : wtcne r und Walter Pius (ein Student von Rudolf Ca rnap,
der mit H ilfe de r Logik die wech selnden Eigen schaften d er Neu-
ron e analysiert halle ) würden sich mit Problemen d er Filte rung
und der Voraussage wie etwa de m Pro to type n des AA-Prädiktors
befassen; der lllathemaf ische Statistiker W. Edwards Deming (de r
eine r der Ha uptbe rate r j ap an s während des Wir tschaftswunders
nach de m Krieg we rden sollt e), von Ne uman n un d mehrere and e-
re wurden sich mit der Anwendung sch ne lle r, mec hanisierte r Re-
ebenmethede n auf sta tistische Proble me befassen; die Anwen-
dung a uf Differen tialgleich unge n (Astronomie, H ydrodynamik,
Ballistik usw.) würden Alken , H . H . Goldsune und von Neumann
Übern ehmen; und dc No, McCulloch und Plus .... ürden sich den
ne urologischen Un tersuc hunge n widmen.P Wie ncr war einver-
stan den, obwo hl ih m an von Neumanns Skizze d e r entscheidende
Überga ng von der rec hn e nden zur kontrollierenden Maschine
fehlte. »Die hier auftau ch en den Frage n dreh en sich um den
Transfer von kontinuierlich en zu diskreten Daten , u m den e nd-
gültige n Übe rga ng von den diskreten Da te n zu de r Bewegu ng ei-
ner Achse ; u nd um das Registrieren de r Bewegu ng der Achse
d urc h Rückkopplung ode r eine a nde re quast-prop rloc e ptive Vo r-
richtu ng.« Ein solches RiicldwpplnngsS)'stem, auf da s Wie ncr sich seit
seine n früh esten Arbeiten zur Servomechani k bezoge n haue,
nahm weiterhin eine n zen tralen Platz in seinen Überlegungen
ein . Denn es war der gle iche proprtoc e puve Pro zeß, der sich be i
456 Pet er C aliso n
de r mechanisch en und bei der organischen Kontrolle sowie in h)'·
briden mec hano-organiscbcn Systeme n a bspielte. Von Neu ma nn
ga b in diesem Punkt nach ."
Trotz der hervorragenden Gruppe von An hängern. die Wie nc rs
Proj ek t ge wann, gab es a uc h Wide rstä nd e. Richard Taylo r. ein
j unger Philosoph de r Brow n Universiry, fragte 1950 ske ptisch, ob
Wien e r und sei ne Mita rbeiter e rns thafteine Definitio n de r Zweck-
haftigkeil vorschlagen w olhe n, die aussc h ließlic h auf d em Kulmi-
na tionspunk t eine r Ereign iskeuc basie rte. Die Definition von Ra-
se nbl ue th, wt en er und Bigelow war folge nde:
De r Ik:griff ' zwec khaft, soll bedeuten, daß eine Handlu ng oder e in Verha llen
so interpretiert werden kann. daß sie auf das Erreic hen eines Ziels ge richtet
ist - d . h. auf einen Endpunkt hin, bei dem das sich verha ltende Obj ekt eitl e
defin ie rte Korrelatio n in Ze it u nd I{,W Jn mit lk w g auf ein and eres Obj ekt
ode r eine ande re Han dl ung e rreicht. Ein zweckfre ies Ve rhalte n ist dan n d as ,
was nic ht <l ls auf ein Ziel gerich tet in terp ret iert
Für Taylor sag te di ese Definition alles und n ich ts, un d gleichzeit ig
wa r sie so inhaltslee r, daß sie sich mit keiner de r ge wöh nliche n
Bedeutu ngen des Wortes vertrug. Ma n kann ei ne Uhr jahrel an g
laufe n lasscn, nur dami t sie am Silvesterabend um Mitternacht sie-
be nbleibt. Was spräche dagegen, dies als ci n Beispiel für Z\...cc k-
haftigkei r anzuse he n? Ein Ziegelstei n fällt von ei nem Ge bäu de
lind t öte t einen Passanten . Soll a uch dies als zweckhaft betrachtet
werden? Für Taylor öffnete d ie WillkÜr der Formel ..kann so int er-
preti e rt werde n oe T ür und Tor für ein Ve rständnis der fallen de n
Ziegelsteine lind de r ste hengebliebenen Uh re n als zweckgerich-
tel. Dadurch würdejcde Äh nlich keit mit u nse re m gewöhn lich en
Verständ n is zu nichte gem ach t."
Taylorcrkamue n a t ürlich , daß Wic ne r und Bigelowes vo r allem
auf selbstr eguliere nde Masch inen abgesehen hatten, abe r das stö r-
te ih n n icht wei ter. Könnten die Auto re n wir klic h sagen , daß ein
Roule tte-Rad (von seine r Kon str uktion he r ei ne zweckfreie Vor-
rich tu ng). in eine zweckge richte te Masc hin e um gewand elt wer-
den kö nnte, wenn ma n auf seine m Pe rimet er ein Bleigewicht in-
stallten> Sogar ei ne geste uerte Raket e, dieses Parade be ispiel fü r
Zweckgenchtctheit, ka nn p hiloso ph isch kau m von nlch tselbstrc-
Noebert Wiencr und die Vbion der Kybernetik 457
gu lie re nden Ve rrich tun gen untersch ieden we rden . Man neh me
ei ne Rake te a n, die an einem gestrafften Drah t mec hanisc h ein
Ziel a nsteue rt. Ein solche r Mechan ismus wäre woh l weniger äthc-
Tisch als eine Radarste ue rung. doch wäre e r insofern schwie rig
damn zu unterscheide n, da e r als selbsu-eguliere nd be trach tet
werden könnte . ..Der Ausdruck .zi elsuche nde Rake te' ist meta-
phorisch - , sc hloß Taylor. wiener und Bigelow konn te n woh l den
Zweckbegliff neu definie re n, aber ihre Ent deckung würde nich ts
«eher brin gcn als das Pluszeiche n mi t dem Multiplikan on szei-
che n ne u zu definiere n : ..Vö llig korre kt, aber kaum von Bedeu-
tu ng .v"
In seiner Antwo rt a n Taylor mo chte au ch wlene r d ie Bezeich-
nung eines präpa rie rten Re ute u e-Rades als zweckge ric hte t nicht
rech tfertigen. Aber geme insa m mit Rosen bluet h be ton te er er-
neut, da ß sich ein beschwe rtes Rad und ein magn e tisc her Kom paß
von de n Servomecha nismen der gesteuerten R aketen und des AA-
Prädik to rs unterschieden , weil e rstere passiv u nd letz tere aktiv wa-
ren . Im Labor, so Wie nel' lind Rose nblucth . seie n die Physik un d
d ie Tech nik de r se lbstregulie re nden Syste me völlig an de rs als die
de r Ziege lsteine und de r Uhre n : Erste re sind d urch zeitlich reve r-
sible kausa le Gesc hic hte n ges te ue n, währe nd le tzte re zei tlich un-
umkeh rba r sind (z. B. mac h t der AA-Prftd iktor se ine statistischen
Vora ussagen a ufg rund de r frü he re n Leistu ngen des
Piloten ).Sll
Inde m sie ein Füll ho m an kriegsbe zoge nen clektromechani-
sehen Feed bac ksys te men offerierten - u. a. gestcuerte Raket e n,
ih r Ziel abtastende Torp ed os und Rada rsuchge rät e - , sahe n Wie-
ner und Rose nblueth ei ne p ragm a tisch definierte Neueru ng, \\'0
Taylo r keine e rken ne n \...ol lte.S\1 Doc h ü be r die Frage de r Neuhei t
hinaus halte Taylo r eine n funda me ntalen Einwan d gegen die be...
havioristisch e Input-Ou tpu t-Analyse, d ie j a wten ers Program m zu-
gru nde lag, form ulie rt . H ie r konnte n sich beide Seite n n ich t eini-
ge n . Inde m wiene r un d Rosc nblu e th e rklärten , da ß es sie nicht
kümm e re , ob in aöstraao "Maschine n Men schen sind ode r wie
Me nsch e n sein könne n - , insistie rt en sie darauf, daß d iese Frage
fü r wissenscha ftlic he Zwecke ..irrelevan t- sei:
458 Peter Galison
\\!ir glaube n, daß Men sch en und a nde re Tie re in wissenschafthcher I-linsichl
wie Maschi nen sind . weil wi r glauben. daß die ei nzigen effe ktiven Methode n
zum Studium des mensch lichen und tierisc hen Verh,lltells d iejen ige n sind ,
die auch au f das Verh alten mec hanische r Obj ekte angewand t werde n k ön-
neu. Mit der Auswahl d er di skutie rten Begriffe wollt en wir hauptsächlich her-
vorh eben. daß M mschf:n als Gfgl'1IStiinlk der wiw"IIsd wjllidu"II Foruhllllg sid! von
M fu chilum /licht ulllmrJ1eiden.61.1
Letztere Bemerkung so llte kriti sch un d histo risc h gel esen werd en.
1941 u nd 1942 hielten es Wicn er und se ine Mitarbeiter fÜr sinn-
voll, Mensch e n , d . h. Pilo ten un d Kanonensch ürzen . nicht losge-
lös t von ih re n Bombern und Flugabweh reinheiten zu betrachte n .
Die m ilitärisc he Perspektive kannte mensch lich-maschinelle l:'d.,."..
de, dements pre chend - uru erscheiden sich Mensc he n nicht von
Maschinen «. Von der Ber racluung des Fe indes als kybe rn e tisch e
Ein he it war es nu r noch e in kle iner Schritt, den q uasi-a utom a ti-
sie rte n alliierten Fluga bweh rartilleristen au f di e gleic he We ise zu
se he n . Was im manichäisc hcn Bere ich des wissensc haft lich unter-
stützten Krieges begonnen hatte, wu rde nun aus se ine m Kontext
herausgelöst. Um 1950 hatte Wiener seine Anspruche globalisle rt:
im sta rre n Blick de r wissenschaftliche n Fo rschung unte rschi ed
sich die me nsch liche Im e ruionali tar nich t von de r Se lbstregulie-
ru ng de r Masc hin en. Pu nkt.
Taylor hieh dage gen: Wie ko nn ten wte nc r und Rosen bt ueth e i-
nen Begriff der Zweckgerich tc the itaussc hl ießlic h au f beooachtbares
Verha lten [Taylors Hervorh ebung] stutzen und da be i de n offe n-
sich tliche n Unterschied ig nori e ren , de n es zwische n d e n ve rsc hie-
d en e n Absichten gibt, etwa wenn e in AUlOe inem Mann folgt? Ve r-
suc h t der Fahre r des Wagens. den Mann zu Überfah ren ? Will e r
ei ne n Spaß machen ? Vers uc ht e r, ihm An gst e inz ujagen? Oder
fäh rt er so, um sich von e iner lästigen wcspe zu befre ie n? Taylo r
rä um te ein, daß di e Beobachtung wohl de r beste ode r sogar der
einzige Anhaltspu nk t sein könne, aber man m üsse un tersc heiden
zwischen e in e r Definition von Zweck u nd de n An haltspunkten,
d ie zur Verfügun g st ünden oder a uch nicht, um sich zu versich ern ,
was für ein Zweck übe rhaupt vorliege. Zusätzlich e rschwert werde
der re in behaviori stische Zugang durch Fälle, in d enen das Ziel als
dislinkte physikalische Realität nicht e inm al e xistiert: Ritter su-
N .,rbert Wiener und die VISi.,n der Kyber netik 459
chen den hei ligen Gral, Alc him iste n suc he n den Ste in derweisen .
lind Leute stoche rn im Dunke l d er Nac ht nach Streichhölzern, die
es g3r n icht gibt. Absicht, iih nlich wie Begehren, ist geuau so echt
wie gr eifbare re Ha nd lun ge n , Taylor Einwan d bestand darin, daß
man Konzepte nicht fallenlassen so llte, n ur weil sie fü r d ie wissen -
schaft ni cht nützlich sind ."
Wien e r brach di e D eba tte an diese m Pun kt zwar ab , aber de r
grundleg ende Kon fli kt blieb un gel öst. Mit de r Math e matik de r
krbem ctisch en Rüc kko p plu ngssyste me. d em Formalismus der
Spiehheone und den Flußdiagrammen de r opoouons anaiysis hal-
te n die manichäischen Wissenschaften in ge w isser Hin sic ht e ine
Apothe ose des Behavio rismus he rbeige füh rt - wie Bc ring es ge-
hofft hau e. Im Febr u a r 1945 vers uch te Boring, trotz e ines kaum
ubersta nd en e n , d ra ma tisch en Zusa m menbruc hs tnfolg e eines
Magen gesch wür s, a u f e in Ang ebot zurückzukommen , das e r wie-
ne r dre i Mo nate zuvo r unterbreite t ha ue . Faszinie rt von de n Fort-
schrillen, di e wieners interdisziplin äre Fo rsch ung e r re ich t haue.
schrie b Bortng- -was ich vorher [vo r dem Zusammenbruch } ge-
mach t habe, war e ine Liste der Dinge zusammenzuste llen , die mei-
ner Me inung nach zu d e n Hirnfunktion en zählen , und sie in posi-
tivistisch e Begriffe für organ ism ische Reaktionen zu fasse n . Diese
Begriffe so llte n übersetzba r se in in Inp ut un d OIllPUl und in di e
jusüerung ei nes ge heim n isvollen Kaste ns mi t Klem msch ra u ben
lind K nöpte n .« Sei ne Schlußfo lge rung: ..Das ist es, wa s e ine Pe r-
son ausmacht, Aus England schrie b W, Ross Ash oy ein e
ahnliehe Eloge aufWicners Blackbo x-Programm:
Wcn n ich mir vorstelle, wie die Psychologen seitjah rzehmen. wen n nicht seh
J ah rh und erlen versucht habe n . gcnau di CSC$ Probl em :l:1I lösen - d ie Black·
box name ns Gehirn - , u nd " 'C1l 1l ich de nke, wie wcnig Aufme rbamkc:il sie
den darin e nthal tene n Prt nzip len gesch e nkt habe n , sin kt me ine Acht ung \'Or
den Psyc holog e n au f e in neu e! Tief. Das Pro ble m mit d em Psychologen ist.
da ß e r zu stolz ist. das GehC1I 1Ulernen , bevor e r zu laufen versuch t. So liegt er
heute a uf dem RÜcke n . fuch telt blöd e mit seine n Beinen. un d gibt vor, ein
Balleu.ln'l.cr zu sein. während er im Gru ndc das Krieche n no ch nicht gelern t
hat. Deshalb meine ich es als großes Kompliment. wenn ich sage , daß Ih re
Stud ie des «Blackbo x__Problems e in ersle r Scbri u in Richtung auf ein e wi s-
sensc haftl iehe Psycholo gie istliS
460 Pe ter-Galiso n
Im Oegensatz zu Bo rin g dach te Wie ner, er kön n te d ie Hardwa re
bauen , um e ine solche spezifische Black bo x auf den Tisc h zu brin,
ge ll. Eine derart radikale Sicht ließ Le ute wie Taylor; die es nicht
akzeptieren konnten , daß ma n zugun sre n reiner beobach tbare-
Manifestatio nen innere Zuständ e der mensch lich en Intentione n
und wünsch e, der Fre ud e und Sch merl en e lim inierte, notwendi-
gerwe ise un befried igt . Doc h angesichts de r Macht d es Kriegsma-
terials und an gesichts ve rlockender Aussicht en aufzukünftige n in-
dustriellen Profit konn te sich Taylors Sichtweise natü rlich nicht
durchsetzen.
4. Philosophie der Natur und Kanone nfeuer
Wenn Menschen sich in - wi sse nschaftliche r Hinsicht.. nicht vo n
Masc hinen unterscheiden, dann deswegen , w·e il de r wi sse nschaft-
liehe Stand punkt der vierziger j a hre derjenige der Me nsch-Ma-
sc hine n im Kri eg war. Das Mensch-flug'Leug-Radar-Pn1diktor-Artil-
le rie-Sys te m war ei n gesch losse ne s Sys te m , in dem es m öglich
e rsch ie n , Me nschen d urch Maschine n lin d Masc hine n durch
Mensch en zu ersetzen . Für e inen Fluga bwe hro pera tor ha nd elte
d e r f e ind tatsächlic h wie ei n au toko rreüener Servomec hanismus.
Ers taunlich ist di e globalisiereude Über füh rung dieses tech nol o-
gischen aperru in e in neu es Zeitalte r der Menschheu und in eine
allgemeine Philosophie de r menschl iche n Handlu ngen . Als Wie-
ne r 19'17 übe r die Ere ignisse de s Krieges nachdachte, teilte e r das
De nk en de r Zeita lte r in d rei Epochen ei n. Die erste Epoche war
du rch Uh rmac he r, Geomet e r und Astronomen ge prägt. Ih re Wis-
sensc hau basie rte au f Voraussagen nach Gesetzen . und ih re Ö klF
norme war die der Kaufleute. Schitfe segelte n Über di e Weltm ee re
mi t Hilfe von Uh re n und astronomischen Berech nunge n der Um-
gengrade. d ies war, wie Wiencr sag te, die »Tcchnik der Merkandll-
sten - (c, 38). Gegen En de des 17. und im 18. J ah rh unde rt däm-
me rt e e in neuer Tag heran. Die Uhren r äumten da.'; Feld fü r d ie
Dampfma schine , di e zum Symbol un d Zen tru m der tec hnolo-
gisc he n Arbe it. wur de. An di e Stell e von Huyge ns und Newto n
No rbert w tene r lind d ie Vision de r Kyber netik 46 1
u-aten nun Rum ford , Ca rno t Lind J ou le , und Ind us tr ie lle , ni cht
Händle r, verkö rp erten d ie ne ue Kultur. Sch ließlich war di e gege n-
Epoche , e ingeleitet d u rch die breite Pal ette elektromech a-
n isch e r Krtegsgerätc. für wiencr das Zeitalte r der In fo rma tio n
und de r Kontroll e. Wenn a uc h di ese Entwicklu ngen a uf Kelvin
und Gauß zurückgingen , fand en sie ih re e ige ntliche Gestalt (u nd
ihre Int e rpre te n ) nur in den Labors und fab riken de r Funkmeß-
tech nik u nd d er ih r assoziie rten Systeme . Diese Epoche, wienere
Epoche, war die des gervomecbant smus.
Wie wlener me inte, erzeugte jede Epoche ih r eigenes Simula-
cru m der - die Uh r mach er des l 8.jahrhu nderts bau-
ten ih re tanzenden mechan ischen Figuren , die Tec hniker des
19.jahrhunde rts ve rherrlich ten ihre Dampfmasch inen als Spielar-
te n des Kö rpers. Und di e gegell\'o"änige Epoche ? Man stellt Co m-
put er he r, um Diffe re ntial gleichungen zu be rech ne n , um Türen
mit Photozellen zu öffnen, und - was nicht e rsta unlich ist. - »der
vorhegende Automa t. [ ... } richtet Kanone n auf d ie Stell e , wo e in
Rada rstrahl ei n Fl ugzeug o r tet- (C, 40) . In e iner durchsch lagen-
den Totalisierung hatte wtener innerhalb zwe ie r j a hre am Kriegs-
e nde setneu AA-Priidiktor zum Symbol e ines neuen Zeitalters des
Menschen erhoben. Ob ma n Wiencrs Techno periodisie nmg der
Geschichte der Me nschhe it zus timm t oder nich t, es besteht kaum
e in Zweifel , daß CI' und viele sei ne r Zei tge nosse n sich an e ine m
histo rischen und ph ilosophische n wendepun kt angelangt sa he n ,
an dem die ma nich äisch en Wisse nschafte n das kybe rne tische Zei t-
alter beg rün de ten .
Wie ne rs Hoffn ungen un d getürcruun gen gege nÜber den kyber-
ne tische n Technotogicn ware n in e ine m gewissen Aus maß be reits
vor Hiro sh ima un d Nagas a ki vorhanden, aber sie steigerten sich
nach den Atombom benabwürfen übcrja pan im August 1945 um
das Hundertfache . ln den woch cu danach war wiener so autge-
wühlt, da ß e r nicht e in ma l e ine n Brief se ines Fre un des und Muar-
beiters . des Phi losophe n Otorgto dc Santillana, bean two rt e n konn-
te . Erst im Oktober 1945 nahm e r wieder de n Stift zur H and:
seitdem die Atombombe grf;IHcn ist. erhole ich mich \·011 einer akuten Auak-
ke auf mein Gewisse n, d a ich eine r d er WiSSClls<: haftle r bin. der Kriegsarbe i·
462 Pe ler G alison
tCll geleistet hat, und der diese Arbe iten als Tt'il größeren Untemeh-
hat, das jedoch in eine r Weise umgeseL:tt wird, die ich nicht
Il1 CllS ges e hen
billige und Über die ich Überhaupt keine Kornrolle habe. lch denke, die Aus-
sich te n fÜr einen Driue n \\'ehkriq ; sind duster. und ic h h abe nic h t die Ab-
sicht, meine Dienste in einem solchen Konflikt benutzt zu sehen. Ich habe
ernsthaft dara n gedacht. meine wissenschaftliche Arbeit aufzugeben. weil ich
keinen Weg sehe, etwas 7.U ve r öffe n tlic hen, ohne daß meine Erfindungen in
falsche H:md e gCJ<l.tcll....
In kurzen, fast te le gra phis chen Sätze n be richtet e wiener de San-
ullana üb e r d en voll en U m fa ng se ine r kyberneti sch en Arb eit. von
Wellcnfiltern lind Prädi kt.oren , Rech enmasch inen, de r automati-
sche n Kontrolle von Montagebändern sowie der Ko nt.ro lle von
c he m ische n Produktionsstauen bis hin zu Zufall snetzen von
Schahvo meh rung e n . der Quantentheo rie und der Fibrill auon des
H erzens. Besorgt um die möglichen Anwendungen seine r For-
schung, beendete Wiener den Brief mit d iese n - fl üc h tig hingewor-
Ienen - Besch reibu nge n , zum Teil au s Bescheidenheit und zum
Teil , weil »ich m ir in diesen unruhigen Ze iten n ic ht so sich er bin,
ob ich unbegre n zt in der wissenschan we iterarbe iten werd e. Ich
weiß nicht, wie ich Arbeiten veröffentlichen kann, ohne daß sie in
sta rke H ände fa lle n, und ich mag die starken Händ e de r Gegen-
wart nicht. Ic h empfinde das sehr persönlich, besonde rs we nn ich
eine Weh seh e, di e m it der Atombombe nic ht um ge hen kan n.e '"
Zwe i Tage spä te r e ntwar f er ein en Brief a n Karl T. Compton, de n
Präsidenten de s MIT , in de m e r seine Befürchtungen wied erh olte,
daß di e Wissen schaftler di e »Ko nrrolle- iiber di e zivile und milit ä-
rische Anwend ung der Wissenschaft verlieren wurden . Er schlo ß
damit, daß »[ ich] vorhabe, di e wissenschaftlic he Arb eit vollständig
und e ndg ültig aufzugeben. Ich werde versuchen , irge ndwie auf
m eine r Farm au f dem Lande zu leben . Ich glaube zwa r nicht, daß
es mir gelingen wird , aber ich sehe kei ne n an de re n Weg, der sich
mit mein em Gewisse n vereinbaren ließe. e'" In de n darauffolgen-
den jahren wies Wien er stä nd ig auf das Po te ntial der Kybern e tik
hin , die Menschhei ten twed er zu rette n ode r sie zu vers klave n bzw.
zu zerstören. Schon in den AA-Prädiktor und sei ne Nachfolge mo-
de lle war eine Vielzahl kultureller Be deutun ge n ei ngraviert, das
nicht leicht abzustreifen war.
Norbcrt Wiener und di e Vision der Kybernetik 463
Ende 1947 war Wiener immer no ch am MIT t.;-Itig, trotz sein es
mo ralisc he n Unbehagens gegenüber d en tec hnischen Möglich-
kei te n der Kybernetik. Inde m e r die Tech nologie der von ihm SO
gen an n te n »welr von Belsen und Hiroshima « aushändigte, konn-
te e r nu r hoffe n , »unserc pe rsönli ch en Anstrengun gen [in de r
Kybern e tik] auf Be re iche wie Physiologi e und Psyc hologie zu be-
schrän ken, d ie von Krieg und Ausb e utung we it en tfern t sind- ( C,
28). Paradoxerweise hatte Wien er während des Krie ge s den kyber-
netische n Ansa tz wegen d er Schwäc he n des AA-Prä di kto rs über
seine n enge ren An wend ungsbe reic h hinaus a usgeweite t. Nun, da
e r die Kybern etik mit der Macht der verheere nde n 'Waffen asso zi-
ierte, versuc hte er sie wege n ih rer tödli ch en Auswir kunge n au s de r
militä l; schcn Arena zu en tfer ne n . So ode r so war di e Kybe rn e tik
für wtener und viele sei ne r Zeitge nossen aufgrund ihres Urspuugs
im Krieg tief und fest in di e kulturelle Bed eutung einer neuen
Wissenscha ft und ih rer Maschinen eingeschrieben.
Diej osiah-Macy:!r.-5tif!ung e röffne te das kybernetische Zeitalter
für di e Sozialwissen sch aften . Am 8. und 9. März 1946 organisierte
die Stiftung e in Treffen zwische n Psych ologen, An th ro pologen,
Math ematike rn und Physike rn , das de m Übergre ifenden Thema
der kausalen System krcislä ufe gewid me t war. Cregory Bateson , der
be reits von der Wichtigke it de r ne uen Ideen Überzeugt war; lei tet e
die Gruppe de r nicht-ph ysikalischen Wissenschaftler und beteilig-
te sich an der Organisation eines zweiten Tre ffe ns Über "Teleo lo-
gische Mech anismen in der Gesellschaft- am 20. Se pte m be r 1946
sowie ei nes dritten , da s sich um »Feedbackme cha nis me n und ka u-
sale Syste m kreis läufe in Biologie und Soztalwlssen schaüeu « dreh-
te. Eingeladen waren Pa ul Lazarsfe ld , Mar garer Mead, F. S. C. Nor-
th ro p und viele a nde re . Mitder kräfti gen Unterstützung Ba tcso ns
und un ter der bege iste rte n Leitung von Wiener, vo n Ne um an n .
McCulloch und de N6 stellten d ie intensiven Disku ssionen der
Gr uppe Syste me, Info rm atio nstheor ie un d Feed backm echanis-
men ins Zen tr um von Soziologie, Psych olo gi e u nd An thropo-
log ie. 61 No rt h ro p besche inig te der se rvomecha nische n Theori e
späte r Auswirku ngen -von revolutionärer Bedeu tung fü r di e Na-
turw issensc ha fte n , fü r die Moral- und Natur-Phil osoph ie u nd für
die T heorie des normativen Fa ktors in d en Rechtswissenschaft en .
464 Pe rer GaJiso n
in Politik, Religio n und in d en Sozialwisseuschaften.e '" FÜr Bille-
so n ma rkie rte die ne ue Terminologie de r Komm unikat lon sth eo-
rie und de r Kybe rn e ti k ei ne We nd e in seine r Arbeit; sein Biogra ph
David Lipset spric ht von einer «theore tischen Be keh ru ng", in de r
frü he re Termini wie &hisrnognU!Se in de r Sprach e der zweckge ric h-
teten Maschinen ne u gefaßt und durch einen Begritfwie _rege ne-
ra dves Feedback - ersetzt wurde n.w
Wäh rend er nach d e n Sozialwissenschafte n griff, wollt e Wiener
die manich äische n Wissenschaften au ch zu eine r ab strakteren Phi-
losophie e rh e be n , Mindest en s seit An fang de r 30cr Jah re haue
Wien er ei n star kes Interesse an de r Leibni zsche n Phi losoph ie. Er
pries d ie Aufgeschl ossenh eit von Leibniz (im Oegensau zu New-
ton s Dogm atismus), er fe ierte Leibnizen s Beitrag zur Relativität ,
zur de r Q uamenmechanlk ähnlichen Identität der nicht wahr-
nehmbaren Gege nstände, und soga r seine Idee der monadisch en
Abgeschlossenheit (a nalog zu einige n höh er-dimen sion alen
Theori en d es Elektrons) ." In den Jahren nach Kriegsende sa h
Wienerjed och noch et....-as mehr in Leibn iz. Er holte aus ihm ei-
nen Übe rgre ife nd en philosophischen Rege nschirm heraus, der
Kybe rn e tik und operaüons resmrch umfaßte und zusa mme nschloß.
1953 sagte er vor der Operation s Rese arch Society, Kybernetik
und operalÜms research basierte n be ide a uf einer modernen Pa ralle-
le zu den Monaden von Le ibniz, Desse n eige ne Konzeption von
Monaden se i viel zu anthropomorph gewesen , versiche rte wieneu
Es ha be sich um e in Welt bild gehan de lt, in de m ..Mo naden Quasi-
Seele n [waren] , de re n Tätigkeit da rauf be schrä nk t war, d ie We h
der Monade n selbst zu re fle k üe re n - . Die Kybe rn e tik liefere - ei n
äh n lic he s wel tbild -: Komm un ikation sknote n in teragiere n durch
d e n Austausc h vo n Befe hlen . Für de n Kybe rne tike r ist d ie Welt
n ich ts an de res als d ie wech selseitigen inte rnen Bezieh unge n d ie-
se r ein ge henden und a usge hen de n Nach rich ten; letz tlich bcfor-
d e n d ie Kybern e tik da mi t nach wieue r eine -qua sl-sollpsisusch e-
Sich tweise des Un iversums, Von ih re r epi stemologischen Ausric h-
tung he r ka n n d ie Kybe rn etik e ntweder be ob ach te nd (a usschlie ß-
lieh ei nge h ende Nachrich te n) od er ex perime ntell se in (e in- un d
au sge he nde Nach ric hte n), Gleichze itig wollte Wien e r klar ma-
ch e n , daß di e Episte mo logie zwa r die wissensa kkum uli erende
Norbe rr Wien er und die Vision d er Kybernetik 465
FWlktion der Wisse nschaft erfasse n kon n te, die Kybernetik blieb
da bei j ed och nicht stehe n: - Nachrichten kön ne n gese nde t we r-
den, um das Un iversum zu er kunde n, aber sie könne n genauso-
gut mit der Absich t gese ndet we rden, das Uni vers um zu kontl vl-
lieren. .. Eben ",'eil e r die sen doppelten Aspekt der Inform a tio n
akzentuier en wollte . unterschied Wie ue r zwischen Nach richte n,
die »im Ind ikativ und im Im pe rativ" gese nde t werd en können."
Sowohl de r Hinweis auf die fen sterlosen Monaden als a uch Wie-
ners Formel vom Quasi-Solipsism us mach en deutlich, daß die ky-
be rn etisc he Philosophie a uf d ie Und urc hsich tigkeit des an deren
geballt war. In d ieser Weits icht sind wir ta tsächli ch wie eine Black-
box mil lnput und Ou tpur un d ohne Zugang zum In ne nleben -
wed er zu un sere m, noc h zu de m d er anderen . Dieselbe Und urch-
sichtigkeit he rrsch t in von 'e urn an ns Spiehheorie, in d er die Op-
ponemen nach bestimm ten unive rsel len Maximierungsprinzipien
handeln, wo un s abe r der Dcnkprozeß , der sich in j ede r Be.....egung
realisiert, verborgen bleib t. Obwoh l Wien er spä te rh in von Neu-
man ns Spieltheorie mit de m Argument ablehnte, daß sie eine in-
ad äqua te psych ologische Gnmdlage habe ," sympathi sie rte e r un-
mittelbar nach dem Krieg mit dem Projekt und sagte sogar, es sei
vo m selbe n - Ce tsr.. wie d ie K}bcrnc tik,"
Die Auswi rkung de r maniehaischell Wissenschafte n nicht bloß
a u f die Co mp utertec hnik und au f die Theori e de r Automaten ,
so nd e rn auch au f die Sozialwissen scha fte n sollte nich t un te r-
sc hätzt werden, FÜr Mead , Non hrop und Bateson wurden wieners
Mo delle von Feedbac k un d Hom öo stase zu gru nd lege nde n Be-
stan dte ilen ihre r eigen e n Analysen. Sogar die Ze itsch rift T ime be-
grüßte Wien e r 1950 als ein en de r fuhrenden neucn »Computer-
m an ne...., di e d ie Gre nzen zwische n den Wisse nsch aflen vom
Ge h irn, von de n psychischen Eigenschaflen lin d de r Masch ine ab-
sc h afften (vgl. Karika tur in Abb. 5) , Ange sichts eine r solche n Ve r-
h errlich un g ist es woh l kein Wunde r, wen u viele Sozialwissen-
sc haftle r sich mit de n ne uen , aus dem Krieg he rvorgega nge ne n
Wissen sch afte n identifiziert e n. Die Faszina tio n de r Sozialwis5cn-
sch at üer in de n 40e r und 50cr J ah ren fü r System e möge n ihre
U rsprünge in de n ältere n Telefon- und Kraftn e rzwerke n der J ahr-
hunde rtwe nd e ge habe hab e n . Die nc ue re Faszina tion für in forrna-
 466 Petor Galiso n Norber t Wiener und die Vision der Kybernetik 467

tionsgestützte Rüc kkoppl un gssysteme haben dagegen viel n5.he r'- ."' .. ...
,

liegende w urzeln - nämlich die Rada r- und Suc hsyst em e de s Zwei-

T I ME
te n we h krtegs.
In de r fon laufe nden Geschichte de r maniebärsehen Wisse n.
scha fte n gibt es ei ne Phase, die an unse re eigene Gegenwan he r-
a n re ich t. Übe rr asc he nde r als d ie Ko nt in ui t ät zwische n den Sy-
ste mtheori en während und nac h dem Krieg ist die Rolle, d ie
w ieners Kybernetik in den po stmodernen Disku rsen spielte und
weiterh in spielt. Angefangen mit j ea n-Fra ncois Lyotard, desse n
Buch La conditicn postmoderne (1979) zu den Schlü sseltexten der
Postmod e rn e zäh lt, läßt sich ein e fortlaufende Spur der kybemed-
sehe n T heorie n verfolgen." Lyotard selbst behauptet ziemlich
markig, daß sei ne soziale Analyse, die im Auftrag der Regie ru ng
von Quebcc gemacht wurde, von der Kybe rn etik rad ikal abwei che.
l ch meine im Gege nteil, daß die Ve rbindung zwische n den beiden
geradezu schlagend und d ie Kontinui tät nahezu vollstä ndig ist.
Zue rst behauptet Lyota rd im Gege nsatz zur Kybernetik, daß
«Nachrich te n mit ganz vers c hiedenen For men lind Wirkunge n
a usgestatte t [sind ], j e nachdem, ob sie zum Beispiel d en otativ, prä-
skriptiv, evaluie re nd, pe rformativ usw sind«." H ier sch ließe n w-
AM. 5: Das kybernetische Wesen. Timeverö ffenLli chl e di ese her rlich buchstäb-
mindest zwei der Kategorie n Lyotards (d ie deskri pti ve und die p rä- liehe Rep räsentation eines ultimativen Cvbor g. Se ine dr ei h ervorstechendsten
skriptive) un mittelba r a n wieners Unte rscheidung zwische n Me rkmale sind : mili täri sch e Au fma chung, Feedback durch Selbstkontrolle
indikativen und im pe rati ve n Nachrichten an. Zweite ns be haup tet de s u nd biomechamsche Gestalt , Aus: Timr. vom 23. 1. 1950.
Lyota rd : »[ . ..] die kybe rn e tische Maschine verarbeit et Informat io-
ne n, a be r die ih r be ispi elsweise be i de r Program rnle rung gege be- Dritte ns ist Lyotard de r Ansich t, daß d ie
ne n Ziele hän ge n von präskriptiven und evalu ier enden Aussage n in ih rer trivialen kybe rn e tischen Version « den wich tige n »agoru-
ab , und diese - etwa die Maximierung ihre r Leistun gen - wird sie suschen « Aspe kt de r Gesel lschaft be iseite lasse. In seiner post-
wäh ren d der Funktion sdauer nicht korrigieren. e" Nichts kö nnte mod ernen Sicht der sozia len Beziehungen mei nt Lyota rd . daß
weiter a m Ziel vorbe igeh en. Die Selbstkorre ktur ist gcnou das, was jeder -Sp iele r- einer »O rtsverä n der un g- umerttegt, wen n e r Nach-
Wiencrs Maschine n ta te n. In all seinen Arbei ten zur Kybe rne tik. richten verse ndet u nd em pfängt, »Spte lz üge« un d »Cege n.. . üge-
von dererste n techn ischen Vorstcl1ungdes AA.-Prädiktors vor Pea rl kennzeichne n Lyota rds Welt, wen n e r be tont, daß rÜr ein e postmo-
H arbor bis zu seinen Aufsa tzen Übe r Wissen schaft un d Gesellschaft de rne Ve rstän digung eine »ago nistische- T heorie der Ko mm uni -
in den 60er J ah re n stellte Wicn cr die Rückk opplung in den Vor- kation und eine Spiel theorie benötigt werden.
dergrund . Wieder und wieder kam e r auf de n Torpedo, d ie ge ste u- Wien er, von Neumann und die Analytiker der operations reseorch:
erten Rake te n lind das Flugabw e hrsystem zurüc k. Außerdem wur- füh lten sic h gerade im agontsuschen Bereich am wohlsten . For-
den sogar im Präd iktor die Leistung un d die die Leistung mal, militärisch und philosophisch gesehen war ihre Welt eine
steu e rn den Regeln »wäh rend de r Funktionsdaue r- korrigie rt. Welt der Ause inande rsetzung zwischen Opponen ten : Alliierte ge-
468 P et cr Galison
ge n Ach senm ächte. Mon ad e gegen Mon ad e, Nachricht gege n
Nac h ric ht, mechanisierter ..Mann .. gegcn servomecha nisc hen
Feind. Eine Opposition zwIschen Lyotards Postmod emismus und
der ..triviale n kybernetische n Ve rsion .. (vermutlich in Wien e r ge-
meint ) ka nn nich t aufrech terhalten werden.
Aus d er Kontinuität zwischen de r Kybernetik und Lyorard s POSt-
mod ernen sozialen Beziehungen könnten zwei Dinge folgen . Ent-
wed e r ware n wtener und seine Mitarbeiter Postm od e misten auan t
la ktttr, oder es verhält sich, wie ich eher vermuten moc h te, umge-
kehrt: Lyotards pos tmoderne un d spie ltheoretisc he Wel tansch au -
un g läßt sich bis ins Zen trum der manichäisc hc n Wisse nsch afte n
zurückverfolgen. Da ich mi ch mit de r Ernwicklung de r wissen-
schaften in der Nach kriegszeit beschäftige, scheint es mir äußerst
wich tig zu sei n, die zentrale n Meta phe rn der operations mrorrh, de r
Sp ieltheorie und de r Kyberneti k nich t un kritisch zu Übernehme n
und sie IIll S anzueign en, ind em wir stä ndig ei ne neue ..postmoder-
ne " Pe riodisierung be haupte n.
Donna Harawa y zitiert dic Kyberneti k in einer subti leren, wenn
a uc h nicht un pr oblematisch en {JQ$hnoderncn Weise. In de m Auf-
sau The BioWgical Enterprise: Mx, Mimt, onä Profit/rom Huma n Ellgi-
neaing to SociobioJogy von 1979 verwendet sie den Begri ff K)"bnnetik
zu r Cba rakten sie nmg d er bio logisch en Wissenschaften nach de m
Zweite n Weltk rieg in ei ne r Weise, d ie Wien er a kzeptiert hätte. Vor
de m Krieg (so Hara way) organ isierte sich de r biologische Diskur s
Übe r de n O rganismus um Kategorien , die a us de r Med izin u nd
d er Klinik stam m te n . Dazu zählten fnt clligeu ztests, men sch lich e
Beziehungen , Physiologie un d Rassenhygien e. Nac h de m Krieg
wurd en die Biologie und auch die Soziobie legie d urch die neuen
Wissen schaften umgeschrieben , in den en es um Syste me ging, die
a uf Inform ation und Komrolle geeicht ware n. Diese neu e, kybe r-
netisch ori entierte Biologie ho b Komm unikation lind Feed back
hervor. Nac h Harawa y ist E. O . Wilson s Arbe it typisch fill" di e weite-
re n Entwicklun ge n: Don werde n Info rmationsa usta usch zwische n
Insek te n, Effizienz, Rauschen und Kapazität be to nt." Ihre r Mei-
nung nach iSI die Kybe rn etik , obwo hl sie oft benutzt wird . um de n
Status qu o zu zemen ue re n. let ztlich viel zugä nglic h er für eine
ne ue un d offenere Sicht der biologischen Wissen schaften als die
No r bert wi euer und di e Vision der Kybernetik 469
frÜheren psychobtologiscb en und o rga nisch-fu nktionalistische n
Th colien. Nac h Ansicht Ha rawa ys ist die kybe rn eti sch-biologi sch e
Sicht (So4iobio logie) weniger anfä llig für Rassismus ode r Sexism us,
weil in de r Kybernetik der organ ische Körp e r als eine tec h nische
Einh ei t gefaßt wird, die stets verä nderlich bleibt und nie als we-
sentl ich definie rt wird. 71
Harawa y eröffne t A C)'borg Manifeslo ( 1985) mit eine r teilweise n
und am biva lenten Ankn üp fun g a n die wiene rseh e n The men :
..Ein Cyborg ist ei n kybe rnetischer O rganismus, ein Hyb rid a us
'fasch ine und O rgan ism us, ein Gesc höpf der soziale n Wi rklich-
keit wie auch ei n Gesc hö pf der Fiktion.,,19 Ich meine , daß diese
Ankn äprung partiell nnd am bivale nt ist , weil die kulturelle Bed eu-
tu ng, die sie de n Kommunikati ons- und Informau onstechn ölc-
gie n zuschreiben will, von de n kulturelle n Bedeutun gen , die aus
de r Kybe rn etik folgen , völlig verschieden ist.ell Ha rawa y spielt auf
die ..Cyborg-O rgie.. a n, die »von e SI , romrnan d-control-cornmuni-
cation-intelligence kod ie rt war, e in 84 Milliarden Doll ar teu rcr
Posten im Vcneid igungs haushah der USA von 1984 e , Eben diese
Wurzel in den militä rischen Feedbacksystemen ist ihre r Meinung
nach die - H aup tscbwi c rig keit.. mi t de n Cyborgs: »Une heliche
Kinde r sind aber oft ih re n Ursprüngen seh r untreu. Ihre Väter
sind schließlich un ....-esentlich. e" Kan n die kyberne tisch e Sich t so
einfach von ih rer militärisc he n Herkunft und von ihre r gege nwär-
tigen Lage losgelöst werde n? Die eige ntliche Idee ei nes Crborg
resultierte au s der Weit e rve rarbe itung von Wie ne rs Idee n durch
Auftragn ehmer de r LuftwaITe.82 Ich wÜrde meinen , daß die Ve r-
ke ttun gen von Kybernetik und Cybo rg mit Waffen , Oppositions-
takt iken lind dem Blackbox-Konze pt de r me nschlichen Na tur sich
nich t so e infach auflösen lassen .
FÜ r d ie klassisch en Kybe rnetiker (wie Wie ne r. Rose nblue rb,
McCull och und ihre Kollege n ) eröffnet en die medergeri ssenen
Gre nzen zwische n Me nsch lin d Maschin e unendliche M öglic hkei-
ten ; wie auch Wie ncr be tont Haraway die Möglichkei t, daß Masch i-
nen offen und in ihrer Fun ktion un bestlm nu sein könn en , daß sie
rep rod uzie ren , lernen und mi t dem Mens ch en verbunden werden
können . Abe r im Gegen satz zu Hara way me inte wiene r, da ß
Mach t und Kontrolle das a bso lute He rzst ück eine r Definition de r
470 Peter Oajjson
Kyberne tik, und zwar im Gute n wie im Sch lec hten, sei. Gegen
Ende seines Lebe ns, als wollte er dieses Thema zu seine r th eologi-
sche n Endslalirm bringen , betrachtete Wiener die Bezieh ung zwi-
sch en Mens ch und Masch ine in der Tat als ein Modell , wen n nicht
als eine Inka rn ation der Bindung zwische n Gott und de m »Men-
schcn«. Die Pa radoxie n der Religion (sKan n Gott einen so gro-
ße n Ste in scha ffe n, daß er ihn nich t bewegen kaun ?«) tauc hen wie-
de r a uf als Fragen übe r d e n Kybern e tike r und sei ne H e rkunft
{e Kann ein Men sch eine Enti tä t schaffe n, die ih n beim Sch ach
schlage n kann?«). In den letzt en Zeilen auf den le tzten Seite n sei-
nes let zten Buch es schrieb Wiene r fol gendes: »Indem ich Wert
darauf gelegt habe, Übe r die kreativ e Aktivitä t u nter eine r einzi-
ge n Übe rschrift zu berich ten , lind es nicht in einzelne Teile Über
Co u, den Me nsc hen un d die Maschine zu zerstü ckeln, meine ich
nich t, daß ich m ir meh r als die üb lich e Fre iheit einesjeden Aut o-
ren e rla ubt habe, als ich d ieses Buch GOD AND GO LEM, Inc.
Wir, d ie wir Cyoorgs schaffen, sind let ztendlic h wie GÖtte r.
Haraway da gegen nimmt die Variabilität, d ie nich t det erminier-
te Natu r de s Cybo rgs als Grundla ge für die Beschränktheit, und
nicht d ie Omnipotenz.rles Men schlichen . Wie sie sag t, sind wir selbst
berei ts in vieler Hi nsicht Cvborgs - durch unsere Reproduktion s-
Technologie n, unsere Psych o pharmakologie, unse re (me cha n i-
schen und elektro nisch en ) Prothese n . Deswegen können wir un s
aufdie essen tialistischen Defini tion en der klassischen Dicho tomi e n
von Geist und Körp e r, Men sch u nd Tier, O rganism us un d Ma-
sch ine, ö ffen tlich und privat , Natur und Kultur, Man n und Frau ,
prim itiv und zivilisie rt nicht meh r länger beru fen." Ich sehe ihr
Proje kt im Ein kla ng mit den kritisch eren Be reichen de r po stmo-
derne n Th eo rie: d ie Nostalgie für eine »na turlichc« od e r »weibli-
ehe- Welt, die vor de r Tech nologie ex istierte, zu verabsc hieden ,
u nd im gleiche n Zug di e Welt der Techno logie und der Wissen -
sc hafr a nzuwende u, ans rau sie einfach zu meiden . Der Postm oder-
nismus hält die Kybern etik in einer unbehaglichen Umarmung.
FÜr die po stm odern e Kritik eine r determ inierten me nsch liche n,
rassen- oder gesc hlec htsbe zogenen Natu r bieten Cyborgs eine Al-
te mauve und ei ne n Ausweg an. Doch Wien er und Lyorard haben
Norbert Wiener un d di e V isio n der Kybe rnetik 471
aufuntersc biedliche Weise beto nt, daß di e Erfolge der Kybernetik
beim Venn ischen des Mensch lichen mit d em Nich t-Me nsc hliche n
auf dem agcrususc be u Feld , we n n ni cht a uf dem Schla chtfeld
selbst, am ei nd rucksvollste n waren . Die Wa hl, augusünische ode r
manichaisc he Feind e zu bek ämpfe n , ist e h e r eine tak tische Wahl ,
wie Wiener meinte . Indem man den Cyborg auswäh lt, u m die
Fluch t aus dem Mode rn ism us anzufüh ren, riskiert ma n, das Bild
der me nschlich en Fäh igkeiten auf ein Bild de r tak tischen Züg e
und GegenzÜge in einer me ta phorisch e n A usweitu ng des auto ma-
tischen Luftkrieges zu reduziere n .
Unab hä ngig davon , ob man die O ntolog ie der manich älsch en
Wissenschaften a kzeptiert oder n ich t; indem ma n über d ie Tec h-
nologien d e r Kybernetik spri cht, bewegt man sich in eine m Bezirk
mächtiger kultureller Bede u umgszus a mrncn hängc. Das heißt
nicht, daß Feedbacksysteme gleic h mit all ihre n symbo lische n Ver-
weisungen au f d ie \'\'e lt gelcom me n sin d . Doch wie bei allen artifi-
ziellen Eraeugn tssen lassen sich Bestandteile von Scrvomecha nls-
men, Spielth eo rie un d ope ra tio na le m Denken la nge vor 1940
finden . Schon Wiener wies da raufhin , daß solc he Bestandteile bei
james Clerk Maxwell, Leibniz und vielen anderen ausz umachen
sind, die sich mit Frage n de r Selbsuegula ucn, de r gegenseitige n
Verbindungen u nd de r Kommunik ati on b eschäftigte n. Wien e r
wußte zum Beispiel ganz ge nau, daß d as 19.J ah rhundert Über eine
gu t e ntwickelte Theo rie de r Ste ue ru ng von Dampfmaschinen ver-
fügte . und in de n 20erJah ren des 20.J ah rh underts ga b es zahlrei-
ehe ele kt rische Nachbaute n davon in Form von Spa nnungs reg ula-
toren.
Wie O uo Mayr e rschöpfend da rge legt h at, befande n sich die
Rückkopplungssysteme vor d em 20. J ah rh u nde rt in kultur eller
Hinsich t an einem andere n Punkt als d ie hi e r e rwähnten Systeme.
Feedbackmec han isme n e twa zur Regelung von Flüsstgke uspegeln
ware n in der Anti ke recht bel iebt und au ch im golde nen Zeitalte r
des Isla m durchaus ge läufig . Zwischen Mittelalter und Barock ist
diese Technol ogie in Europa dann fast ga nz verschwu nde n. H in-
gegen nah me n Uhr en , also ke ine selbstregulie re nde n Maschinen ,
die vornehmste Stellung ein . Zeitmesse nde Maschi nen galten als
kulturelles Symbol de r Auto rität, un d die ihne n zugrun deliegen-
 472 Peter Gelison
den Mech a nismen wurden in Literatu r und Poesi e u nd in Ph iloso-
phie lind Po liti k gepriesen. Nach Mayr »war d ie a utoritäre Vorstel-
lu ng von Ordnung unmineJbar u nd offensichd ic h von de r Erfah,
rung der Gesellschaft mi t der mecha n ischen Uh r geprägt....1l'i Als
d ie Rückkopplungss ysteme im Europa des 17. lin d vor alle m des
18.Ja h rh unde rts wiede r be liebter wurden, gesc ha h d ies nicht a uf
d em Kon tine nt, so nde rn a uf den britischen fuseln. Für Mayr ist
dies ein H inweis auf eine - Iibe rale Ein stellung- , d ie gleichzei tig
die »sozio-in te ltekrueile« und die - tech nologische- Seit e der Kul-
tur pr ägte. Regu liere nd e Systeme, insbesonde re d u rch waus Ein-
bau eines Regle rs in d ie Dampfmaschine um 1780 po pu lär gewor-
de n, e rfu hre n Seite a n Seite mi t Begriffen po litischer Rhetorik wie
..dyna misch es Gleic hgewicht......Selbstregulierung..., «Kontrolle
un d Cleichgewich t... un d -Angebor un d Nachfrage.. eine Konjunk-
tur (A, xviii}.
Es gi btjedoch gravie re nde Unterschiede zwischen diesen Syste-
men un d de n Kriegsarbeite n des MIT oder in Los A.lamos. Ersten s
gab es kein früh mod ernes Äq uivalent zu dem a bstra kte n Begriff
de r Rüc kkopplun gssys te me . Es gab Regulato re n für Flüssigkeite n,
Da mpfmasch ine n und windmuhlcu , aber es gab kein e n Begriff,
der eine a bstrakte ka usale Schleife [causalloo ps] ge btlde c hatte,lMi
Zwei te ns stellten wede r d ie politi schen Theoretiker noch die Er-
finder des 17. und 18. J ah rhu nde ns irgendeine Verbind ung zwi-
sche n den beiden rhetorische n Feldern he r, a uf den en Selbs tre-
gulatio n verha ndelt wurd e. Auch wenn Mayr eine Koe xistenz von
Rück kopptungsbcgriffüchken in Tech no logi e u nd Poli tik plau-
sibel mach en kan n, ble ibt die Verbi ndung zwischen be ide n his-
toriographisch gesehen die e ines akausalen Ze itgeistes, der al-
le rdi ngs räumlich u nd zeitlich mit dem An bruch ..libe rale r
Einste llungen... lind einer - Iibe ralen Vorstellung von Ord nung "
verknüpft ist. Mayr schließ t zurückhalte nd: - Über die Einzelhei-
te n de r kausalen Verket tu ng zwische n dem Begi nn d er liberalen
Vorstellun g der O rdnung und de m Aufstieg der selbs tre guliere n-
de n Mecha nism e n in d e r Technologie können wir zur Zeit nur
spe kulieren - (A, 199). Die Verbin dungen zwische n den ve rsch ie-
de ne n Disziplinell der Kybe rn e tik brauch e n nich t so spekulativ zu
se in.
Norben und die Vision d e r K)'bernetik 4 73
Mit der Kyberne tik etablierte wte ner eine Reihe von Begriffen ,
die nicht auf dem Zeitgeist. sondern ex plizit auf Krtegse rfah run-
gen beru hten. Mögen d ie Technologie de r Telefonübertragu ng
oder A. N. Kolmogoroffs Statistik vor de m Krieg noch so we it eilt-
\dckelt gewcsen sei n - nu r durch d ie Massen entwick lun g un d -aus-
breitun g der geste ue rte n Ra ke te n, der Torp ed os u nd d es Fla k-
feue rs verei nte sich die Technologie in den H ä nden der
Wissen schaftler und Inge n ieu re. Für Tause nd e von Militärs, d ie
diese neu e Gen eration von Waffen erlebten und be nutzte n , er-
schie n der - mensc hliche « Charakte r der selbstreg u liere nden Ma-
schi ne n a llzu men schli ch . Schließlich mach te es keinen groß e n
Unterschied , ob man ei ne a uf Lon don zuOiegcnd e j unke rs j u88
od er ei ne VI-Rakete a bzusc h ießen versuchte. Ein Kapi tän, der ei-
ner selbs tgesteuerte n Raket e auszuweiche n versuch t, könnte legi-
ume rwelse davon reden , das Oerät habe -versucb t ... , ihn zu to te n.
Ebenso k ön nte ein Pilot die Selbstregulation de r Tragfl ügel a uf
-bösc Geiste r... zurÜckführen . Und in de m konkret en Fall von Wie-
ner; Bigeiow, weaver und ihren Kollege n ist es vielle icht na chvo ll-
ziehbar, d aß sie über den Pilo te n eines feindl ichen Flugzeu ges sa-
ge n konnte n, e r "ve rhalte sich wie ein Servomech an ismus... . Vor
dern Krieg moch te n Beh avtorts te n gegen die Zuschreibung von
inn eren Zustä nde n polem isiere n; mit dem Krieg wurden d iese
Zustände un mög lich. De n vers teckte n Feind en tziffe rn hieß sein e
Handlungen e ntziffern. Auf dem mechanisierten Schlac h tfe ld, in
der Konfrontation auf Leben lin d Tod mit einem verhüllten Feind
war die Ide nt ität von In te ntio n lind Selbstkorrektur akze ptabel,
vemün füg. soga r ..un ab weisba r... ,
VOll Angesich t zu Angesich t mi t einer andere n Pe rson, wen n
man der liefe und Ambivalenz der me nsch lichen Interak tion
nicht ausweic he n kan n , lIlag das Feedback (wie es rur Taylor de r
Fall wa r) als eine läche rlic h sim pLizistische Re präsentation d er
Int e nti o nalitä t e rsc he ine n. Doc h an j e nem Tag im J uli 1942 in
Wieners MIT-Labor war es für Subitz und weaver tatsächlich ..un-
heimllch «, wie da s System des sim u lie rt en Pilot en un d de s AA-Prä-
diktors in de r Lage war, die nächsten Handlungen eines Pilo te n
vora uszusagen. De r Zweite Weltkrieg machte das Ve rständnis de r
feind liche n Inte ntione n zu ei ner Frage des Überlebens. Men sch-
 474 Peter Oaltson
liebe s verhauen wu rde in die Besta ndt eile von Verfolgung, Flucht
lin d lrrefüh rung zerleg t, u nd eine neu e Klasse selbstregu liere n-
de r Waffe n wur de eing eführt. ln diesem spezifischen Zusam me n-
ha ng wurde die lde mi tä t von In ren un n un d Sclbstko rre kurr he r-
gestel lt.
Symbo le ha be n Ge ltu ng: Fü r die Rezeption der Kyberne tik wa r
es von besonderer Bed e utung, daß ihre Anwendunge n tödlich _
oder poten uell tödlich - ware n. Wie ner ha ue selbst e rka nn t, daß
vie les an der Theorie de r Servomechanisme n (z. B, die Au to kor-
relation von Zeitreihen [habe ich richtig ve rstanden?] ) vor d e m
Krieg in einem nicht-militärischen Kontext entwicke lt worden .....a. -
ren; lind vieles meh r sta mmte aus den - rein en« statistischen Fo r-
sc hu nge n Kolmogo roffs. Doch hätten Kybernetik. Info rm a üons-
theorie u nd Systemdenke n ohne Kampfhandlungen zu derart
ze n trale n un d da ue rhaften Me taph e rn werden kö nne n? H ätte d ie
übe rgreifen de Ontologie d es Feindes in der Nachkriegszeit derar-
tigen Erfolg haben kön ne n ohne de n verführense hen Reiz eine r
siegreiche n Milhärmacht? Ich glaube kaum. O hn e die Angst vor
die auf Lo ndon abgefeue rten vä-Raketen , oh ne die im Südpazifik
a uf j a pa nisch e Kriegsschi ffe abgeworfenen Ra ke te n oder oh ne
den AA-Pr.i.d ikto r, de r das feindlich e Spe rrfe uer a ufha lte n sollte,
ist es kaum vorstellbar, daß sich die neuen Tcchnologien ruensc h-
lieh e n Pilo te n und Ar tille riste n bis zur nunt e rscheid bark eir an-
gegliche n b än cn . Im Zweite n Weltkrieg sta nd de r mec ha n isierte
So ldat seine m Fei nd wie ei ne r Maschine gegen über, und Maschi-
ne n erschie ne n als Men sch en . Nach de m I\.A-Pr.-Id iktor. a be r noc h
vor Nagasaki trug wiene r-der ne uen moral ische n , po litische n und
ind ustrie lle n Mach t der automatisch en Ko ntroll e Rech nu ng: " Ich
[...J ha be de n Eindruck gewonnen, da ß wir hie r [mit se lbsuegu-
fieren den Maschi ne n] vor andersa rt ige n soziale n Möglich kei ten
ste he n, d ie von unerhört e r Wichtigkei t fü r Gut u nd Böse sind - (c.
27). Wie wir gese he n haben , wurd en Wicners Befü rchtun gen hin-
sich tlich Gefah r und moralisch er Last d e r Kybe rn etik na ch d e r
Bomb e noch grö ße r. Der Krieg gab de n ncucn kybern etisch en
Tcch nologie n eine Ro lle im mani eh aisch on wchdrama. Regler,
T he rmo sta ten und Spa n nu ngsreg le r konnt e n eilt kybe rne tisches
Zeita lter nicht ein leite n - Waffe n konnten es.
Norbe r t wiencr und die Vil;ion de r Kyberncti k 475
Mein e r Ansicht na ch ist d ie kultu re lle Bede ut u ng von Kcn zep-
re n und Prak tike n no r male rweise nich t von ih re r Ge ne alogie zu
trennen . Um die spezi fische kulturelle Bedeutung der kyberneti -
sche n Ce r.J.te zu verste he n , m uß m all sie in dic Kriegsvision des
Pilote n als Servomecha nismus zu rüc kverfolge n. Im Luft-Hod en -
Kampf war es für Wien e r un d Bigelow nur ein kleine r Schrill. aus
dem Piloten als Servom echanismus direk t ei ne n Artille riste n als
Sen'Omecha nis m us zu mach e n und dan n zu r Funktio n des Her-
zens und de r Pro pr toce puoo Übe rzuge he n . De r Kö rper u nd in
einem allge mei ne re n Sinne de r Men sch selbs t ko nn te in seinen
Inte ntione n als ei ne selbstkorrigierende Blackbo x a ngesehe n wer-
den , so daß le tztl ich die Natur zu einem korre lie rten und c ha ra k-
teristische n Set von Inpu t- und Outputsign ale n wu rde .
Wenn die kybern et ische vorsiel jung vom a nderen sich von be-
kan n teren Konze ptio nen d es a nderen unterscheidet, ist das kein
Zufall . De r kyberne tische feindli c he an de re hat ....·enig ge meinsam
mit dem rassistisch stigmatisierten andere n, 'nie e r a uf wide rliche
wetsc von Blam ey bcsc bw re n u nd be ispielsweise von Edward Said
in Oriemalism un tersuc ht worde n Wien e r sieh t de n deutsche n
Bomberpilo ten kei nesfalls als ein rassisch niedriger ste he ndes We-
sen. Auc h ist der de utsche Pilot kein a nde re r, weil e r unsich tba r
ist. Schließlic h be darf es au ch keiner nä he ren Aus füh run gen, daß
der servomecha nische Pilot nicht de r andere im Sinne vo n Emma-
nuel Levmas ist, für de n das Er kenne n de r Me nschheit a ußerhalb
des Selbs t de r wesent liche Schritt zu r Ent wicklu ng einer Eth ik iSl.lllI
Nein, wien e re Vo rstellu ng des feind liche n a nde re n e n tspricht
e her sei ne r Beschreibun g des Spielers in von Neum an ns Th eorie:
«vollkomme n iru etttgcmc. vollkomme n rüc ksich tslose O perare-
ren , (C, 159 ) , Dies ist e ine theoretisch e Darstellung, in der Info r-
mation , Statistik un d Stra tegien a uf ZÜge lind Ge genz üge an ge-
wand t werd en , in eine r 'Nelt vo n gegne rischen , aber grundlegend
gleichartigen Kräften.
Erstaunlich er wei se ist uns d e r kyberncuscb e andere nicht als
Negativfo lie gegen übergestellt, und wi r sind auch nicht das Mo-
dell, nach dem de r and er e e n tsche ide nd gefo rm t wäre. Vielm e hr
wird d as kybe rn eti sche Verständn is de s feind liche n andere n zur
Gru nd lage des men schliche n Selbstverst änd nisses. Wiencrs Bild
476 PeterGalison
der menschlichen un d na türl ichen Welt ist le tztlich eine um fas-
sende, sogar metaphysisch e Ausdehnung d es e pochalen Kampfe,
zwisch en de m unerbittlic hen Fein d am Himmel und dem vorn
Boden au s operie renden AAPrädi kto r der Alliierten . Es handelt
sich um ein Bild de r menschlichen Beziehu ngen , das au f dem Ent-
wurf und der H erstellu ng kriegerischer Servomec hanismen un d
in der äußersten Verallgemei nerung auf einer Welt von blackbox-
a rt ige n Mo naden beruht.
Können die kultur ellen Bede u tu n ge n de r Feedbacksysteme
prin zip iell VOll den Ursprüngen der Te chnologi e getrennt wer-
de n? Selbs tverständlich. Schließlich umfaßte d ie frü hmoderne
Rhe to rik de r Selbstregulation die Steuerung de r Dam pfmasch i-
ncn und eine libe ra le politische Ö ko nomie; 1946 verband die
Rhe to rik vom Feed back sehr versch iedenartige Bed e utu ngen .
Ein anderes Beisp iel für den \"va ndel der kul turellen ß edc ut un -
gc n ko mmt VOIll Fliegen selbst. In de n zwanziger J ah ren stande n
das Flugzeug und die -Lu übegeistcrun g- in Amerika für indi vi-
duelle Freiheit, re ligiöse Erneuerung u n d ina ugurierten ein neu-
es, modernes u nd inte rnational orien tiertes Zeitalter. Ungefäh r
zur sel ben Zeit herrschten in De utsch la nd entgegengesetzte Vor..
ste llu ng en: Sege lniegen und motorge tri ebe nes Fliegen sta nde n
in einem na tionalistische n Kontex t; Lu ftb egeisterung bed eutete
einen selbstbewußten Aufstand gegen versanles und eine stä nd i-
ge Beh aup tung der Ge meinschaft gegenüber dem Ind ividual is-
mus." Es geht nic ht um die bloße Ben ennung von solche n Zu-
sammen hänge n , sondern u m die ku lturelle und historische
Einsch ätzung ihrer En tste hu ng, ihrer Persistenz und ihre r De-
konstru ktion .
Kulturelle Bede ut u ng ist. wede r wfallig noch ewig. Wir kön ne n
uns nicht einfach durch Knopfdruc k von de n Verflechtungen be-
freien, die über J ah rze h n te h inweg im Labor; auf de m Schlacht-
feld , in den Sozialwissenschaften und in der Philosophie de r
Kybe rn e tik geschaffen wurden. Gleichzeitig wäre es falsch , die Ky-
bernetik als ein logisch angetri ebenes Glaubenssystem anzuse hen.
Nich ts in eine r RÜckkopp lungsvorrich tu ng impli ziert eine Repra-
seruation de s Me nsche n als eine be1lavior istische Blackbo x; nich ts
in der Mathematik bri ng t aus schli eßli ch durch Ded uktio n eine
Norbcrt Wie ner und d ie Visi o n der Kybernetik 47 7
\'I'e lt mit. sich, die a uf wteners monadische Input-O utpu t-Analyse
reduzie rba r wäre. Was begriffen werden muß, ist die Mac ht eines
halbe nj a hrh unde r ts, in dem solc he und andere Assoziationen j e-
derleit neu in Stellung ge b rach t wurden und in de m die Opposi-
tion im Ke rn j ede r mensch lic he n Beziehung zur Außenwelt zu lie-
gen schei n t.
Mit 20Jah re n veröffentlic hte wiener seine e rste phil osoph ische
Arbeit , in der er de n Begriff eines - h öcbste n Outcn « ablehnte un d
die unausweic hlic hen inne ren und ä ußer e n Ko nflikte he r vorhob ,
die unse re Vorste llung d e r Mo ra l bes timmen. Wenn in De ba tte n
die Vern unft versagt, »kamn ein Streit n U T dann gelöst werden - wenn
iiberhaupl -, wenn deroder die Streitenden aufeinerSeite mit roherGewalt
untmlrückt wenkn.,,90 Im Gegen satz zu Hobbes (Wie ne r gla ubte
nich t, daß d ie Me nsc he n grunds ätzjtch egoistisch sei en) betrach-
tete er trotzde m die Moral als einen Kon flikt, der in der Vergan-
genheit nicht ge lÖst wu rd e und im Hie r und jetzt weite r be stand.
Ein de rart unerbi ttlicher Kampf ging in de r kybernetischen Welt-
anschauung weiter, obwohl er eine neue, wisse nsc haftliche un d
subtilere Form annahm u n d nic ht bloß d ie Mora l, sondern auc h
un se re Bezie hungen zur \Velt betraf. Wi. e ner fragt, ob d ie Welt ein
aktiver (ma nic h äiscbc r) Oppon ent oder eh e r ein passiver (au gu-
süruscher) Antago nist sei, wobei der einzige Unterschi ed darin
besteh e, d aß der - mamchä tsche Teufel- Tric ks, Schlauheit und
He uchelei a nwendet, währen d der »a ugu stiuische 'Ie ufel « seine
Methode n nich t ä nde rt: - De r Unterschied zwischen di esen bei-
den Sorte n von Dämon en wird in der Taktik offenbar, die gegen
sie anzuwenden isr« ( N U, 35). Für Wiencr bestand da s Wesen ei-
ner un geschminkten Realität der Welt darin, daß da s Indi vid uum
in Isolation lebte und kämpfte bzw. nach Taktiken such te, um Ord-
nung au s d e m Chaos zu sch affen . Die Wissen schaft selbst war ein
solcher Kampf, da sie d er Natur gegen übe rstand : "De r Wissen-
schaftle r«, sagte wiener gege n Ende seines Lebens, »a rbeitet stän-
di g, um d ie Ordnung un d die Organisation des Un iversums zu
entde cken . und spielt so gege n den Erzfeind , nämlich d ie Des-
org auis auon . Ist dieser Teufel manichaisch od e r augusunisch? Ist
es eine Ce ge nmaclu, d ie gege n die Ordnung steht, oder ist es die
Abwese nheit von O rdnung selbst?« (HU, 35). Die Kyberneti k, die....
478 Peter Calison
se Wisse nschaft als Steuerman n , sch uf den En gel der Kontrolle
und den Teufel der Unord n ung.
Viel leic ht sind a be r Durch ein ander. Rausch en un d Un kon trcl-
lie rba r keit nich t die größten Katastrophe n, die un s e reilen. Vie l-
lei cht sta mmen un se re Katastrophen zum großen Teil a us un se-
rem Bemüh en um Su perorgamsatlon, Sulle und Kon tro lle.
Anmerkungen
Die ursprünglic he Fassun g dieses Textes ist erschienen in Crilirol ll'lquiry
21.1 994 . S. 228-266. Ich d an ke de r Uni\'ersi ty of Chkago Preß rur die
Genehmigung zum Druck d iner Ubersenung, die im Vergleich zum O ri-
ginal in den Fußno ten leich t gekur<l:t iSL Weiterhin möchte ich Amold
Davidson, StC\'C Hd ms, Gcrald 1-10110 0 . Caroüne A. j e nes . P. Masan i. Ho-
ward Stein, George Stocking un d Sheldon whue fflr zahlreiche Diskussio-
ne n dan ken . Die Arbei t wurd e zum Teil d urch d ie Andrcw W. Mcll ön
Fou udauon gefördert.
2 Norbcn wicnc r, Brief an vannevar Rush . 20 . 9. 1940. üo x 2. Ma ppe 58.
No rbe rt Wiener Pape rs, collcctlon MC 22. lu stinne A r chives and Spe cial
Collecuons. Mass.a chusetts In stitute of Tc cbn olgv Arc h ives. C.ambridge,
Muss. (hiernach abge kÜrzt als NWi' ).
3 Martin Gilbert, Th e Sccond world War: A Complete HisIOIY. New 'rork
1989 . S. 117-1 25.
4 Zit. n. j oh n W. Dower, Will' withou t Mercy: Rac c and Po wer in rhc Pa c lfic
War. NewYork 1986, S. 53. 71.
5 ZiL n . Max Hasungs, Bornber Command . 19i9,S. 146. Zu r Bom-
bardierung zivil er Zie le sie he auch Michael Sherry. The Kiseor Ame rican
Air Powe r: The Crcation o f Armageddon. New I-Ia\"e n 1987; Conra d C.
Cr.U1e, Bomb.s , Qua. an d Chilian s: American AirptWl'e r SU-.llep, in Wo rld
War 11. La....Tence. Kan . 1993. \"Or a llem S. 55--59. Zum A$pekt der Distan-
zienmg siehe den Berich t ei nes ßomberpiloten: Ben Sti les. Se renade to
the Big Bird . New York 1952 (zue rst 1947), S. 2 1.
6 Siehe Mich ael Fo nun / Sr lvain S. SCh....'Cber, Sc.iem ists an d the Legacy o f
World ......r 11: Th e Case o f O pe ration s Rese arc h (O R). Sodal Stud ies o f
Scie nce 23. 199 3, S. 595-642; Rubin F.. Ride r, Earl y De\'Clo pmem of Ope-
rauons Research: Bli tish and Am crican Gon lext." Vonmg ge hallen bei m
joint MfI'ling of lht Brilish 8rx:iRty jor ' lisuwy ofScimce aml tlu of Scit na
So<:Üty. i\Ianch este r, I I .- H . j uli 1988; c!crs.. Opcnttio lls Research and
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8 No rbe n wtener; The Human use of Human Betngs . New York 1954,
S. 34-35 {hiernach abgekürxt als I/U) . An ande rer Ste lle stellt W,en er ei-
nen Zusammenhang zwischen irrationalem ve rhalte n (Frcll d ). Zufall.sck....
rnente n in der physikalischen Welt (Willard Gibbs) u nd d em statistische n
S)'stem ein er Beweisführun g ( He n ri Leb esgue ) her. • Dic:ses Zufallsöle....
me m . die o rga nische Unvollständigkeit, können wir, o h ne d em Begriff
Ge........ n anzutun, als das Böse bezeichnen: d as Ileg-a uvc ßö se. das Augusti-
nus wen ige r als das posmve ma liziöse Böse der Man icb äer, so nde rn als Un-
\"OlIstän digkeil chrakrens ien- ( N U, 11). Wiener ....'Cist immer wiede r dar-
aufhin, daß das Böse in der Natur kein aktives Priuzj p isl: ..Ich habe sc hon
dar..uf hingt......-iesen. daß de r \ '0111 Wissen schaftler bek.:impfte 'Ie u fet uichts
mit absichtlicher Bösanigkeit zu tun hat . Vielmehr ha ndelt es sich um den
Teufel de r Kon fusion. Die Sicht"'eisc , daß die Natur zur Entrepie neigt ,
ist augusunlsch, nicht manichäische ( HU, 190) .
9 wtener sefbs r .....e ist freil ich da rauf hin, daß d ie a ugus uniscbc Position
leich t in e ine manichäische abgleiten kan n. Siehe H U. 19 1.
10 Zu Irüh e re n Vcrk niipfu ngJ'n von Men sch un d Maschi ne sie he Anson Ra-
bin bach. 111e Human Motor: Ene rg)', Fuugue. and the Origins of Mod er-
nitro New York 1990.
11 Norbcrr wic nc r, Dybemcrics; o r Comrot and Communicauon in tbe An i-
mal and the Machine. Cambridge /MA 19{il (zue rst 1948) .
12 Zu Wicner siehe Stc ve]. Hci ms,j uh n V(Jll Neumann and No rbcrt Wicucr :
From Mathema tica to the Techuology of Llfe and Dca ur. Cam bridge/ MA
1980 . Die be ste tech n ische Zusammenfassung von Wien crs AA·Präd iktor
geben Pcsi Masolll i/R- S. Phillips, Antiaircr.tft Fi re-Conrror an d th e Emer-
gence orC)'bemetics, in: No rbert Wienc r. Collecte<lWo rks with Commen-
tari es. ßd. 4. Cambridge/MA 1985, S. 141-1 79. Vgl. auch PL"Si Masani.
Norbert wiener, 189 ·-4-1964. ß;Lse1 1990, S. 184---193. Zu den Verbind un·
ge n Z\\""&hen Krbemetik.. Biologi e und P.5)'Chologie siehe Lilr E. Kay, Wer
sch rieb c;bs Buch des Lebens? Info m latio n un d Transfonnauon der Mo le:-
kularhio logie (in d iesem Band ); E\'CI)T1 Fo:rc Keller, Das Leben neu d en-
ken. Metaphe w der Biolog ie im 2O.jahrhu nden. Mllllch en 1998; Paul N.
E<iwards, Thc Closed World: Computers an d tll.. Po litia o f Di.scou rse in
Co ld War America. Ca mhr idge/ f,IA 199 7.
13 Dun h am j ackso ll, Brief an Harry ß ateman , E. J. McShanc . M. H . Stonc ,
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NWI'.
14 C. Th omaS-SL... hle, I\rief an Wiene r, 23. 7. [940. l\o:rc 1. Ma ppe 57, NWI'.
15 Sie he S. 11. Q \ldwdl. SeClion 0-2, National Defen.scResearch
Co mmittee _, 22. 11. 1940 , Einleitulig zu Wknt' r, Go\'ewing
480 Peter Galiso n
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Archiv es, Ubrary ofCongres5, W;u h ington, D. C. (hiern ac h abge kürt.t als
NA-LC) .
16 Siehe wi cn cr, Bericht an D_C. J. 5980 A. A. Direc to rs, -Summarj Repon
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Iense Resea rch Commiuee (h ie rn ac h abgekürzt als NDRC), Comra crors'
Tec h nica! Repo ns. Divis ion 7, MIT, NI>Crc-8.'l, NA-LC.
17 wicner, Bricf an Mars ion Mo rse, 12. 3. 194 1. Box 2, Mappe 59 , NWP.
18 Sir-he Caldwell. - Proposal tu Secnon 1). 2, Nationa l Research Comm luee-.
19 Ebd.: ei n Standn rd tcx t zu Scrvomochantsmen , de n wiene r spä ter häu fig
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nisms . New Vork 1945.
20 wicn cr. •Summar y Re po rt Io r Dcmonsuaucn- . 6 [He rvo rhcbu ng von mir'
hin w gefilgl, P. G.] .
2 1 Cccrge k . Stibitz , - k epcr t on Visit to Prof. Norbert Wiener .., 28. 10. 1941,
Rcco rd Orcup 227 . OSRD, Division 7, Rccords of Chie fs an d Mcm bcrs of
Secuon, I!).I()...46, Oeorg e R. Su buz, Secnon 7. 1, Land-B ased-Fir e Cc nuor
Problems, »Pred icti on r-. M IT. NDCrc.s3, NA-Le.
22 Suebitz. Sccu o n 2 of Division 1) , Dia ry of Chairm an. 1)ul)' 1942. Boston ,
I'roj ect no. 6, Record Gro up 227, OSRD. Division 7, Ge ne ral Proj ect Files,
Ge neral i\fa tllen lalica l Th eory er Pred icuon and A ppllcanon ,
MIT, wicoer, NDCrc-83. (hiern ac h abgekürzt als D).
23 Norben wtcner, I am a Marhemanc tan . Tbe Late r Life of 11 Prodigj; Cam-
bridge / MA 1956, S. 25 1.
24 Siehe Wie ner, »Sum mary Rc po rt for Demoustra ticn...
25 Diese MctllOxle zur voraussage war mathematisch zutreffend und doc h
gab es darü be r, ob sich d er Fei nd tatsäc h lich
$0 \''("rhalte n ...-tlm e. es de r P....idiktor \'Oraumgte. Sie he Slibitt. aRe.
po rt o n Visil 10 Prof. Norben Wien er ...
26 " 'Jen er. "Summa ry Repo n for Dem on strati on .., 7.
27 Da \fien e n AA-I'rädil:.tor .seinen Algori thmus fit r d ic Vo raussage auf d en
st.1 lin ischcl1 Inpu t d er \erg-<l nge nc lI Aktionen des l' ilOlcn slilole, war d ie
Vorri chtu ng ei ne Art lern fä hige Masch ine. In diese r Hinsicllt be trachtete
e r sie als I' rototyp fü r an d er e sp iele nde lind lllög lichcn"c isc kricgsutugli·
che Masch ine n. Sic he l.. ß _Wic ne r (An m. 11), S. XI-XII. Ubc r d ie I\f'd in-
gllnge n fin' so lche Vo raussagen ha ndell Cl' in d er wichti gen Arbe it aT he
Int e rpo la lion aud $rnoo th ing o f SI.Hio na r)' Time Seric::s
with Eng ineer ing Appl ication s_, DIC Co n ln let 60 37. MIT, 1. 2. 1942, d e-
c1assillecl, K.1Sten 11. Map pe 561 a. NWI'.
28 Witll e r (l\ nm. 23) .S. 25 1-252.
29 Wiene r. Brie fan E. L. Bowles, 22. 3_19-12. I\ox 2. Map pe 62, NWP.
Anmcrkw lgen 48 1
30 Elw:i.
31 Sieh e wtener [ A um. 23), S, 149.
32 J e. Boyce. Brief an Warren w eaver, 23. 3. 194 2, Re co rd Gro up 227,
OSRD, Divisio n 7. General Files. 1940--46, Ge neral Malhe malical
T heo ry or Pred ictio n and Appl icali on. Mrr, \\i e ne r. NDCrc-8.', NA-LC.
53 Briefan Boyce, 24. 3.1942, Record Group 227. OS RJ>, Division 7.
General Project Files, 194Q-46, General M;u hemali cal Tb eory of Predic-
tion an d Application . MIT. Wiener; NDCrc-83 , NA-LC.
34 wener; Brie f an ] . B. S. Hajda ne , 22. 6_1942. Box 2. Ma ppe 62. N'fP.
35 wt e oe r h ielt sogar eine n Hinweis auf die Ve rbi nd un g von Sta tistik u nd
Voraussage mrgeffih rlic h und sc hrieb angesichta ei nes Treffen s d er Am e-
rican Marhemau cal Sode t)· un d des Institu te cf Mathe ma t ical Statisti cs an
ei nen de r O rgan isa wren.J R- Kline , d aß auch die Titel der vonräge dem
Feind vo n Nutzen se in kö nn ten . Sie he w te ner an J. R. KIine , 20. 8. 1942.
Kasten 2, M;lp pC 63, f\fWP.
!l6 Wiener. Bricf an Haldaue.
37 Sribirz gebrau chte den Ilcgriff - uuhcimlich« ge na u in d em Mo me nt, als
wieners Maschine Vorau ssage n zu machen begann , als ob sie belebt wäre
(de swege n wcavers halb im Sehe t-z geäuße rter Hin weis au f die Säge). Für
Stan ley Cavcll rc ückue n das Un he imli ch e gemlU d ie p hiloso ph isch e
Angst, die durch d ie hervorgerufe n wird, ob man es mit cl-
nem un be lebte n Obj ekt od er mi t eine m le be ndi ge n Gei st 7.U tun hat. Sie-
he Stanley Cave ll, TIle Unc anni ness of the o rd ina ry 111; dc rs.. Quest of th e
Ord inary; Lln cs o f Ske plicism and Belief. Chicagc 1988. S. 153- 178. Hin-
maufügen wäre. daß jede Generation sic h ihr eige nes Konzept vorn Ge ist
macht. wlen ers Ve rsl1indn is des Cersres d reht sich um Rück ko pplung.
Komrotle u nd die Fähigkeil zur Voraumge . Da sich di e Kon zep te d es Gei-
nes wandeln, wÜrde eine philosophisch-h isto risch e Behandl u ng des Un -
heimlic he n not wendige rwe ise viele Epochen u mfasse n.
38 - Behavio rism use im Sinne von wi ener, Stibitt. Boring und and ere n ha lte
eine weile n: Bedeuruug als im versiänd nis der bcha\iorislische n Trad i-
tion \'on J ß . Wa lSOll bis B. E Skin ner. Sie he hierzu Robe n S. Woodwo rth ,
Co nte mporary Schools of Ps)"Chology. Ne \'\' yorl:. 1931. S. 43-92; Edna
Hcid bred c r, 5cl'l':n Ps)"Chologi es. Ne \'\' 'lork 1961 (zuerst 1933). S. 234--286;
Robert S. \\'oodl'l'Ol'th / M.ary R- Shec ha n. Co ll1cmporal'Y Schools of Psy-
chology. 3. Aufl. Ne", York 1%4, S. 111- 2 13.
39 Siehe Wiene r. ..Sla tisticat Metllod o f Pred ictio n in Fire Contro].., Final
Re po rt Oll Sec tiOl1 0- 2. no. 6, gesc h ick t an Weave r. ScCliOT1 D·2
NDRC, 1. 12. 1942, Record Group 227 , OSRD, Co n tractors ' Rel>Orts, Divi-
sion 7. NOCrc-83, O SKD Repon No. 186 3, MIT, NA-LC.
40 Siehe Wicn c r, Brie Ca n \\'ea\'e r, 15. 1. 1943. Reco n l Gro llp 227, OSRD.
Cont rJe to rs' Re po rts, Division 7, NDCI'<;-83. eingefaOl mit O SRD Rcpo rt
No. 186;), NA-LOC. Siehe auc h Wien er. · Final Repo rh , 1.12.1 942.
NA-LC.
41 WieHc I', Wca vcr. 15_1. 194 3.
482 Pete r Calison
42 wie ner, Sl;.tisl ica\ Method of Prcdicuon in Fire Cornrcl, 7.
43 wic ncr; Brief an weaver, 28. I. 1943. Box 2, Mappe 64, N\\ 'I'.
44 Ar tu ro Roscn blu cth y Norbert Wiener/ j ulian ßige low, Bebavior, Purpose
an d 'Ielcology, Philosophy ofSciencc 10, 1943, S. 18-21, S. 22.
45 Wien er, O pe ratio n - Old and New (1945), Kasten 11, Mappe 570, NWI',
14-15, wo es vor allem um das Verhalten der flÜgel geht. Siehe da zu au ch
d ie populäre, 1944 zue rst ers<: h iene ne Anleitung zum Fliegen VOll Wolf-
gang La ngewiesehe (Stick and Rudder: An Explanation of thc Art of
New York 1972, vor allem S_125-1 27) .
46 Siehe Ro:;en blue th/ Wien er/ Bigelow (Aum . 44 ), S. 23--24. Der Begriff
»Blackbox« wurde im Radiation Laboratory de s MIT während des Krieges
stä nd ig benutzt. Eingebürg er t hatte er sich durch schwarze Kisten , in d e-
nen Verstärke r; Empfangei; Filter usw, aufbewahrt wurd en . Wiener sel bst
reku rrierte wahre nd des K ri eges au f - boxcs, mit nicht weiter spezifzier-
te m In halt, so e twa in de m oben zitie rten Brief an Haldane. Nach de m
Krieg differenzierte Wie ne r zwische n Blackbo x und White box in dem hier
angeführten Sinne. Sie he z. 13, wieocr {Amu. 11), S. XI, 180; dcrs., Übe r
lnfo rmatic nsthcorie. Die Naturwissenschaften 48, 1961, S_174--176. Übe r
die Black box als Besta nd teil der »Rada r-Philosophic« im Rad iation Labo-
ratory siehe Pe tc r Calison . Imag e & Leg te: T he Material Culrur e of Mo-
d ern Phvsics. Chicago 1997.
47 Ed win G. ßoring. Bric t'an wiencr, 13. 11. 1944 . Kasten 2, Mappe 66, NWP.
48 Howard Aiken, \'o n Neuman n und Wiene r; Brie f an E. H. vcsune,
4. 12. 1944, Kasten 2, Mappe 66, NWr.
49 Elxl. Siehe au ch Wiene r. Brief an von Neuma nn. 17 10. 194 4, Ka sten 2,
Map pe 66, NWP.
50 wiener, Alken lind von Neumalln hielt en »Jnrc ntlonalität« für das Ze n-
trum ih res gemeinsame n lrllcresst:s , wobei sie zwcck haltcs Verhalten be i
Men sch und Tier verste hen und mit Maschinen simuli er en wollten. Sie
p lant e n d ie Gr Ünd u ng ei ner Cesellschun, eine Zei tschr ift, ein Pate nt u nd
versuc hten zudem, e int: erwartete (uu d gewünschte) Pop ularisicrung zu
ko rur ollicren, um de r "gel\ih rlichen u nd sensa tionslüsternen Öffentlich.
kcit« zu begegnen. Siehe Al sen. von Neulllann un d wicner, Br ief an H. H .
Cot dsune, 28, 12. 1944. Kasten 2, Mappe 67, 1\'W P.
51 wtcne r, ßrief<tn Rosenbfuerh , 24. L 194!>' K asten 2, Map pe 67, NWI'.
52 Ebd .
rl3 Siehe von Neumann, Memo randum an Aiken , Le1and E. Cu nnin gh ;nll,
W. E. Deming, Go ldstine , R. Lore nte d e 1\'6, W_S. McCullogh, \ \'alte r H.
Pitts, Vcstin e , Wien e r un d Wilks, 12, 1.1915. Kasten 2, Mappe 67, NWr,
54 Wie ner, Bl'ief an von Neu lll:Jnn , 24. 1.1945. Kasten 2, Mapp e 67 , Nwr. Vg!.
\'011 Neumann, Wiener, 1.2.1945. KaS1f:n 2, I\1appe 67, !\'w r .
55 Rosen blue th j Wiener/ ßigelo w (Anm . 44), S. 18-
56 Richard Taylor, C'.olllm cnts O ll a Mechanistie Conception of Purp oscful-
HCSS . Pbiloso phy ofSeience 17, 1950, S 3 10-317, S. 3 1 I.
57 EIxI.,S. 3 16, 3 17
An merkungen 483
58 Anurc Roscnblu c th z Norber t wicner, Purp oseful aud Non-Purposefu l
Behavior, Phllosopby 01'Setecce 17, 1950, S, 3 18-326, S. 3 18.
59 Richard Taylo r, Purpo seful and N on-Pur posefu l Behav ior: A Rejoin dcr,
philos ophy of Science 17, 32 7-332, 5, 328. Taylor räum te gegenüber Wie-
ner un d Roscnbluctb ein, da ß sei n Newtonianisches wisscn schanskon -
zcp t von Ursa chen und Kategorien den Entwicklu ngen der zeugc nössi-
schell Physik augepaßt werd en müß te.
60 goscnblueth/wic ncr (Anm . 58) , S. 3261 Hervo rhebu ng VOll m ir hiuzuge-
fugt, p, G,] . Psychologen hatte n sich scho n se it jah rzchrucn dam it beschäf-
tig t, lnte ntionaliat in das be havio ristische Kon zep t zu integrieren . Einen
d er bede uten ds ten, wenn auch lällgst nic ht allgeme in akzeptierten Versu-
che in d iese r Rich tu ng unte rna hm Edward C. Tolrnan . Purpo sive Beha-
vior in An imals an d Men. New York 1932.
6 1 Siehe Taylor (An m. 59 ) .
62 ßo ring , Brief an wle ncr; 8. 2. 1945. Kastell 2, }'Iapp<: 67, i\'WP.
63 W. Ross Ashb y, Brief an wicner, 2. 2.1 95 1. Kasten 3, Ma ppe 134, NWr .
Einig e j ah re sp äte r ve röffe ntlich te Ash hy sei ne be rü hm te Introduaion. 10
CylJenleli0 (London 195 fi).
64 wtcner; Brief an Oiorgio de Samillana , 16. 10. 1945. Kasten 2, M appe 69,
NWI'.
65 Eb<!.
66 Wien e '; ß riefan Karl T. 18. 10. 1945. Kastell 2, Ma ppe 69, !';,\VP,
67 Über die Macv-Ti-effen siehe Orego ry Bateson , Mem o an d ie Eingelad e-
nen, 19.6. 1946. Kaste n 2, Mappe 7 1,l\'\V1'i xicconocn, Mem o an die Mit-
gliede r de r "MaC}" Co nferenc e o n Feedback Me chanisms . 17-1 9 Ocr .
1946 .., nicht d atiert, Kaste n 2, Mappe 7 1, N\ V"P; »Confere nce on Feed bac k
Mcchanisms and Circ ula r Caus a! Systems in Biology and the Social Sei"
enccs-, nich t d atiert, Kasten 2. Mappe 7 1, NWP. Vg!. auc h Heims (AIl 'Il .
12, S. 20 1- 207). Zum Ein nu ß der Kybe rn eti k auf die Sozialwissenschaften
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Havcn 1949, S. 411.
69 David Lipset , Crego ry Bateson: Th e Lcgacy of a Seien rist. En glcwood
Cliff s, N. J . 1980, S. 182. Siehe auch Steve j. I-Ieims, Grego ry Batcso n and
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I'u nctio n . j ourn al 01' the H islOry of thc Behavioral Sciences 13, 1977 ,
5.141 - 159.
70 Siehe Norbert Wiene!", Back 10 Le ibniz! Physics Reoccupi es an Abando-
ned Position . Tech nolof,'YReview 34, 1932, S. 20 1- 203, 222, 224 ,
71 Wiene r, . Dc\i"e red 10 the Ope ration s Research Sode ty«, 23. 11. 1953, Ka-
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72 Sieh e Heims (AI1111. 12), S, 305--310.
484 Perer Oaüs ou Anm erkun gen 485

73 Siehe wicn c r (Anm. 11) . S. 18-19. een Wic ner, The Highos t Good. Thejo ur nal of Philosophy, Psycholo-
74 Lyotard verweist exp lizit au f wicncr, Ashby u nd von Neu mann. Vgl. j ea!}. 90 gocial Mcrbods 11,19 14, S: 5 12-520, zu. n. ders.. Coüected Works
Fra nccis Lyota rd, Das postmoderne Wissen . Ein Be rich t. Öraz, Wien 1986. cornroeruancs-
",;tJI V'-' ad. 4. 1985, lId. 4. S. 49.
S.20.
75 Ebd ., S, 57.
76 Ebd., S. ."8.
77 Siehe Donna] . Haraway, T he ßiological Enrerpnse: Sex, Mind and Profi t
Irom Hum an Engine er ing to Sociobiology, in : d ies" Simians, Cyborgs ann
Wom cn : T he Rcinvcn tion ot Nature. Ncw Vork 199 1, S. 43-68, S. 44-45.
78 Sieh e cbd.. S. 67.
79 dics., A C)'borg Man ifesto : Science, Techno togj; and Socialist-Feminism in
the Late Twcntie th Celllu ry, in: dies. (Amn . 77), S. 149- 181, S. 149.
80 Über «kulturelle Bedeu tung- siehe Peter Galison, The Cutmrat Meani ng
o f Aujbau. In: Friedrich Stadlcr (Hrsg.}, Scientiflc Phil osoph )': Ori gtns and
Dcvotopments. Dordrecht 1993, S. 75--93.
81 Hara w ay (Anm . 79) . S. j 50- 15 1.
82 'Nie Mauhew Price geze igt hat, \·..u rde der Begriff -Cyborg- ers tmals
196() von Auftragnehmern d er Lu ftwaffe verwe ndet, und zwar im Zu-
sammen hang m it spe kulativen Fo rschu ngen fur biochemische Mittel
zur Erhöhung d er Ta uglic h keit von Astronauten. Beispielsweise ging es
um die Suc he nach ei nem Stoff, der den os mo rische! ' Druc k im Kö rper
derart än derte, daß ein ungeslchencr Spaziergang im All mögtich wür-
de. Siebe Manbcw Pricc. -Mnn MUSl First Co ncctce, - A Critical Philolo-
..
g}' of the C) bo rg. Un publiziertes Manuskript. Dam it ist ein Verbin d un gs-
glied geschaffen zwischen Wiener (der von den Auftragne hmern zitie rt
un d den bionischen Imp lan tate n de r Astronauten, die in de r
Science-fiction-Literatur Cyborga repräsentieren. Sie he Ha rawa y (Anm
79), S. 179.
83 No rberr Wicnc r; God an d Golem. Inc.: A Commem on Certai u P öiuts
whe rc Cybcrnetics lmp inges on Religion . Cam bridge /nV\. J964, S. 95.
84 Harawav (Anm. 79), S. 163.
85 O n o Mayr, Authority, Ubcl'l}' and Automatie Machincry in Eariy Modem
Europe. Baldmore 1986, S. 197 (hiernac h abge kürzt als A). Vgl. au ch
dcrs., Thc Origins of'Fcedbuc k Comrol. G.1.mb ridge/MA 1970.
86 Im 19, j ah rhu n dcn ging es um Geschwindigkeitsregularion un d ihre
th eo ret isch e Darstellung in Differen tialgleich u ngen. Das Problem de r
Ruckk oppl u ng wurd e erst im Zusammenhang mit den Entwicklungen
zu r ele ktrischen Selbstregularion virulent. Siehe Mayr 1970 (Anm. 85) ,
S. 132.
$7 Siehe Edward W. Said. Orientalism. New York 1978.
88 Siehe Sean Hand {Hrsg.} , T he Levinas Read er. NewYork 1989,
H9 Zu r Popularitä t des Flicgens in Nordamerika sie he joseph j. Corn, The
win ged Gospel : AJlleJ1Ca'S Rom anc e "'it l! Aviation , 1900-1950. New Vork
1983; zu Deutsc h land siehe Pc rcr Fritzsche, A Nation of Fliers: Ger man
Aviation an d thc Pop lllar Imaginatio n. Cambridgc/MA 1992.