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Springer-Ver lag
BerlinjGöttingenjHeidelberg
1962
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ISBN 978-3-662-00067-0 ISBN 978-3-662-00066-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-00066-3
© by Springer-Verlag ORG., Berlin/Göttingen/Reidelberg 1962
Softcover reprint ofthe hardcover 1st edition 1962
wenngleich sie schon viele Ausblicke auf die Probleme des untertägigen Hohlraum-
baues und vor allem des Gebirgsdruckes gestatten. Die Frage der Belastung eines
Tunnel- oder Stollenausbaues, also des Gebirgsdruckes im weitesten Sinn des
Wortes, stellt ein besonderes Anliegen der Tiefbautechnik und des Bergbaues dar.
Es ist erstaunlich, wie weit die Meinungen hierüber auseinandergingen, und es
war daher angezeigt, die Entwicklung der Gebirgsdruckfrage wenigstens in groben
Zügen in Kap. IV zu schildern, die zutreffenden Erkenntnisse früherer Zeiten zu
verwerten und Fehlbeurteilungen, auch dann, wenn sie heute noch Anhänger be-
sitzen, als solche zu kennzeichnen, um auf diesem Wege zu einer richtigen Deu-
tung zu gelangen. Kritische Betrachtungen ließen sich dabei nicht vermeiden;
sie sollen aber, wie übrigens auch in allen anderen Buchteilen, nur der Sache dienen.
In weiterer Verfolgung der Zielsetzung des Buches werden dann die Bemes-
sungsaufgaben im Lockergebirge in Kap. V und bei Auftreten von echtem Ge-
birgsdruck in Kap. VI behandelt, wobei, wie bereits erwähnt wurde, die Bestim-
mung der Belastung des Ausbaues im Vordergrund der Untersuchungen steht.
Die theoretischen Erwägungen, die in diesen Buchteilen naturgemäß besonderes
Gewicht besitzen, wurden aber in ihrer mathematischen Formulierung so einfach
und übersichtlich als möglich gestaltet, wie denn überhaupt verfeinerte mathe-
matische Untersuchungen, die sich mit den rauhen Bedingungen des Tunnel- und
Stollenbaues nicht vereinbaren lassen, unterblieben sind; anderseits aber wurde
die Auswirkung von theoretischen Erkenntnissen auf die Praxis des Tunnel- und
Stollenbaues erwähnt, wo immer dies zweckmäßig war oder empfehlenswert
schien.
Besondere Buchteile, nämlich Kap. VII und VIII, sind der Statik des Druck-
stollen- und Druckschachtbaues gewidmet worden, weil die Triebwasserleitung
bei der Verwertung der Wasserkräfte, insbesondere bei den Hochdruckwasser-
kraftanlagen, eine außerordentlich wichtige Rolle spielt. Die Behandlung der
beim Druckstollen- und Druckschachtbau auftretenden statischen Probleme
ist daher, der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Bauwerke entsprechend, mit der
notwendigen Sorgfalt erfolgt; auch hierbei ist dem Zusammenhang zwischen
den theoretischen Erkenntnissen und ihrer praktischen Auswirkung besonderes
Augenmerk zugewendet worden. Etwas ähnliches gilt für die statische Beurtei-
lung von Großhohlräumen im Fels, den Kavernen, worüber in einem eigenen
Buchteil, dem Kap. IX, kurz berichtet wird.
Abschließend sind die neuen Methoden des Tunnel- und Stollenbaues hin-
sichtlich ihrer statischen Wirkung behandelt worden, wobei eine kurze Beschrei-
bung dieser Bauweisen unerläßlich war (Kap. X).
Wenn ich das vorliegende Buch der Fachwelt übergebe, so geschieht es mit dem
Wunsche, daß die vorgetragenen Untersuchungen behilflich sein mögen, in die
theoretischen Probleme des Tunnel- und Stollenbaues Einblick zu gewinnen und
ihre Weiterentwicklung zu fördern. Die Bedeutung der Erfahrung im Tunnel- und
Stollen bau soll aber durch die Befassung mit theoretischen Fragen keine Min-
derung, sondern vielmehr eine Stützung erfahren.
Es ist mir eine angenehme Verpflichtung, der Bauunternehmung Innerebner &
Mayer in Innsbruck und insbesondere ihrem im zehnten Lebensdezennium stehen-
den Seniorchef Herrn Oberbaurat h. c. Dr.-Ing. E. h. KAHL INNEREBNER für die
Förderung meiner Arbeit zu danken. Ich freue mich auch, dem Springer-Verlag,
Berlin, meine besondere Verbundenheit für die vortreffliche Ausgestaltung des
Werkes und die angenehme Form der Zusammenarbeit zum Ausdruck zu bringen.
Kapitel I
Kapitel II
Der primäre Spannungszustand des Gebirges
19. Durch die überlagerung hervorgerufene Spannungen . . . . . . . . . 45
20. Beeinflussung der durch die überlagerung hervorgerufenen Spannungen. 46
21. Tektonische Kräfte und Spannungen 47
a) Tektonische Restspannungen 49
b) Lebendige tektonische Kräfte 51
22. Der Wanderdruck . . . . . . 52
23. Die Seitendruckziffer im Fels . . . . . . . 53
24. Grenze zwischen dem elastischen und latent-plastischen Bereich der Erdkruste 55
25. Einfluß der Anisotropie des Gebirges auf den primären Spannungszustand 56
26. Der primäre Spannungszustand im kohäsionslosen Lockergebirge 58
27. Der RANKINEsche Spannungszustand im kohäsionslosen Lockergebirge 60
28. Der primäre Spannungszustand im bindigen Lockergebirge . . . . . 60
Kapitel III
Kapitel IV
Der Gebirgsdruck
48. Der Begriff des Gebirgsdruckes und seine Arten 107
a) Der Auflockerungsdruck 108
b) Der echte Gebirgsdruck 112
c) Der Schwelldruck . . . 113
49. Bergschläge . . . . . . . 113
50. Mäßiger, von den Ulmen ausgehender echter Gebirgsdruck 115
51. Starker, von den Ulmen ausgehender echter Gebirgsdruck . 117
52. Starker, von allen Seiten wirkender echter Gebirgsdruck . 119
53. Anfängliche Entwicklung der Deutung des Gebirgsdruckes . 122
54. Widerhall der HEIMschen Theorie der latenten Plastizität . 124
55. Der spannungslose Körper . . . . . . . . . . . . . . 126
56. Die Schutzhülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... .. 128
57. Deutung des echten Gebirgsdruckes mit Hilfe der Theorie der plastischen Zonen 131
58. Erklärung der Bergschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
59. Beurteilung der Schutzhüllenbildung nach der Theorie der plastischen Zonen 136
60. Erklärung des Schwelldruckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Kapitel V
Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
61. Verspannung und Silowirkung . . . . . . . . . 138
62. Ältere Berechnungsweisen . . . . . . . . . . 140
63. Neuere Versuchsergebnisse . . . . . . . . . . 143
64. Belastung eines oberflächennahen Lehnentunnels 147
65. Verspannung bei geringer Überlagerungshöhe 149
66. Auflockerungsdruck in gebrechem Gebirge . . . . . . . . 151
67. Kennzeichnung der Bemessungsaufgabe bei unnachgiebigem Ausbau 155
68. Bemessung des dauernden Ausbaues bei geringer "Oberlagerungshöhe 156
69. Bemessung des dauernden Ausbaues bei großer Überlagerungshöhe . 157
70. Theorie der plastischen Zonen im Lockergebirge . . 160
71. Bemessung nach der Theorie der plastischen Zonen 162
72. Formgebung und Ermittlung der Spannungen 166
73. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . 167
Kapitel VI
Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
74. Allgemeine Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
75. Formgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
76. Bemessung der Tunnel- oder Stollenauskleidung bei primär elastischem Zustand des
Gebirges und großem Wert der Seitendruckziffer . 173
a) Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
b) Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Inhaltsverzeichnis VII
Seite
c) Diskussion der gewonnenen Beziehungen . . . . . . . . . 178
d) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
77. Über die Grenze der Ausführbarkeit von tiefliegenden Tunneln ... .. 180
78. Bemessung bei primär elastischem Zustand des Gebirges und kleiner Seitendruck-
ziffer . . . . . . . . . . . ...... 182
a) Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
b) Berechnungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
c) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
79. Bemessung der Hohlraumauskleidung bei primär plastischem Zustand des Gebirges. 185
a) Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . 185
b) Folgerungen für die Bemessung der Auskleidung 186
c) Praktische Auswirkung . . . . . . . . . . . 187
80. Über den Schwelldruck. . . . . . . . . . . . . 188
81. Erfahrungswerte für den zu erwartenden Gebirgsdruck 190
Kapitel VII
Druckstollen
82. Allgemeines über die Triebwasserleitung von Hochdruckwasserkraftwerken 194
83. Querschnittsform und Auskleidungsart von Druckstollen . 195
84. Theorie des Druckstollens mit einfacher Betonauskleidung 199
85. Druckstollen mit bewehrter Innenschale . . . . . . . . 205
86. Spannbeton im Druckstollenbau . . . . . . . . . . . . 207
87. Vorspannung der Betonauskleidung mit Abstützung auf das Gebirge 212
88. Einflüsse, die auf eine Verminderung der Vorspannung hinwirken 216
89. Abnahme der bald erfolgenden Vorspannung bei später Betriebsaufnahme 218
90. Abnahme der spät erfolgenden Vorspannung nnd Inbetriebnahme des Druck-
stollens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
91. Messungen an einem vorgespannten Druckstollen 223
92. Injektionen . . . . . . 226
99. Schäden an Druckstollen . . . . . . . . . . 228
Kapitel VIII
Druckschiichte
94. Allgemeines über Druckschächte 232
95. Die Entlastungsziffer . . . . . . . . . . . . 233
96. Ermittlung der Entlastungsziffer . . . . . . . 236
97. Diskussion der Beziehungen für die Entlastungsziffer 239
98. Abminderung der Entlastung mit der Betriebsaufnahme 241
99. Einflüsse, die nach der Betriebsaufnahme eine Herabminderung der Entlastung be-
wirken. . . . . . . . . . . . . . . . .. 244
100. Bemessung eines Druckschachtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
101. Grundsätzliches über die Entlastungsziffer . . . . . . . . . . . . . 253
102. Nebenwirkungen in der Beanspruchung von Druckschachtauskleidungen 254
103. Das Einbeulen von Druckschacht- und Druckstollenpanzerungen . 260
104. Beispiele für Schäden an Druckschächten . . . . . . . . . . . 264
105. Grundsätzliches über die bauliche Ausbildung von Druckschächten 269
106. Herstellung des Bettungsbetons nach dem Prepakt-Verfahren. . . 270
Kapitel IX
Kavernen
107. Allgemeine Beurteilung . . . . . 273
108. Statische Behandlung des Gewölbes 273
109. Beurteilung der mmen 280
110. Zusammenfassende Bemerkungen. 284
VIII Inhaltsverzeichnis
Kapitel X
Neue Bauweisen
Seite
111. Arten der Felsankerung . . . . . . . . . . . . 285
112. Anwendungsgebiet der Felsankerung. . . . . . . 287
a) Felsankerung bei Auftreten von Auflockerungsdruck 287
b) Felsankerung bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck 289
113. Wesen und Entwicklung des Spritzbetonverfahrens . . 290
114. Technologie des Spritzbetons. . . . . . . . . . . . 292
115. Dünne Spritzbetonauskleidung zur Sicherung gegen örtliche Auflockerungserschei-
nungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
116. Mittelstarker Spritzbetonausbau bei stark gebrechem Gebirge oder leichtem echtem
Gebirgsdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
117. Schwerer Spritzbetonausbau in Verbindung mit Stahlstreckenbogen bei Auftreten
von starkem Gebirgsdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
118. Grenzen der Ausführungsmöglichkeit des zeitweiligen Spritzbetonausbaues 301
119. Vollmechanisierter Stollenausbruch 303
Schrifttum. . . 306
Sachverzeichnis 312
Kapitel I
1. Vb er die Grundlagen
So wie die Grundbautechnik durch die in den letzten Jahrzehnten gewonnenen
neuen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Bodenmechanik entscheidend beeinflußt
wurde, bahnt sich auch im Tunnel- und Stollenbau durch die Erforschung der
physikalischen, insbesondere aber der mechanischen Eigenschaften des Gebirges
gefördert, eine neue Entwicklung an. Bis vor nicht allzulanger Zeit waren im
Tunnel- und Stollenbau hauptsächlich die aus der Bauerfahrung gewonnenen Er-
kenntnisse maßgebend gewesen. Daß sie allein nicht genügten, zeigen die Anschau-
ungen über den Gebirgsdruck, die trotz vieler intuitiv richtig gedeuteter Beobach-
tungen keine einheitliche und endgültige Beurteilung dieser wichtigsten Frage des
Tunnel- und Stollenbaueszu begründen vermochten. Ähnlich lagen die Dinge hin-
sichtlich der Formgebung, Bemessung und Ausführung des Ausbaues. Die theo-
retischen Auffassungen darüber gingen, sofern man solche überhaupt gelten ließ,
weit auseinander und waren als Grundlage für eine weitere Entwicklung wenig
geeignet. Die neueren Untersuchungen w~llen hierin eine Wendung herbeiführen,
durch Erforschung der Eigenschaften des Gebirges ein zutreffendes Urteil in der
Frage des Gebirgsdruckes gewinnen und eine widerspruchsfreie Grundlage für die
Formgebung und Bemessung des Ausbaues schaffen. Es bedarf keines besonderen
Hinweises, daß hierbei die Fortschritte auf dem Gebiet der Bodenmechanik mit
herangezogen und verwertet werden, soweit dies mit Rücksicht auf die Beschaffen-
heit des Gebirges möglich ist.
Die folgenden Darlegungen über die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
sollen jedoch nicht sosehr theoretischen Bedürfnissen dienen, als vielmehr ihre
praktische Anwendung im untertägigen Hohlraumbau fördern.
Man wird im Laufe der Untersuchungen immer wieder feststellen können, daß
vielfach die Begriffe, die man den Bezeichnungsweisen unterlegt, nicht einheitlich
definiert werden, wodurch widersprechende Auffassungen entstehen. Ein vor-
treffliches Beispiel dafür bieten die Begriffe des Elastizitätsmoduls und des Ver-
formungsmoduls ; Zahlenangaben darüber sind aus diesen Gründen oft irreführend
oder von geringem Wert und vielfach nicht vergleichbar. Es ist daher wichtig,
die Begriffsbestimmung und Terminologie einheitlich zu gestalten. Dies wird auf
der exakten Grundlage der technischen Mechanik versucht. Dabei können aber die
getroffenen Festlegungen nicht die Vollendung einer Norm erreichen, weil die
Anschauungen in den Fragen des untertägigen Hohlraumbaues vielzusehr in
Bewegung begriffen sind. Es ist aber bestimmt auch kein Nachteil, der Entwick-
lung einiges freies Spiel zu lassen und ihr nicht die Zwangsjacke einer allzustrengen
Normung anzulegen.
Die Erfassung der tragenden Mitwirkung des Gebirges ist die entscheidende
Aufgabe des Tunnel- und Stollenbaues schlechthin. Einerseits muß ja oft genug
die Tragfähigkeit des Gebirges in bestimmten Zonen, die in der Umgebung des
Ausbruches liegen, bis an die mögliche Grenze ausgenützt werden. Anderseits be-
steht für das Bauwerk, also für den zu schaffenden Ausbau des untertägigen
Hohlraumes die Aufgabe, die Tragfähigkeit des Gebirges mit heranzuziehen.
Diese Forderung ist aber, wie die neueren Untersuchungen zeigen, nicht immer
1 Kastner, Statik
2 1. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
mit dem für Tragwerke üblichen Maß von Sicherheit erfüllbar. Es ist aber wichtig,
daß man sich darüber klar wird, wie groß der Sicherheitsgrad ist und wo die
Grenzen der technischen Möglichkeiten liegen.
Der grundlegende Gedanke, der den gesamten untertägigen Hohlraumbau
beherrschen sollte, besteht darin, das Bauwerk und das Gebirge als funktionell
und statisch zusammengehörend anzusehen und jede statische Untersuchung muß
diesem Umstand Rechnung tragen. Die Voraussetzungen dafür, nämlich die Kennt-
nis der mechanischen Eigenschaften des Gebirges, sind zwar heute noch nicht in
dem wünschenswerten Ausmaß vorhanden, aber die Hilfswissenschaft der
Geomechanik verspricht in mancher Hinsicht eine Besserung der Grundlagen der
Tunnelbaustatik und es ist zu hoffen, daß sich dieser Zweig der Geophysik als hin-
reichend kräftig erweist, um selbständig Bestand zu haben.
Trotz der mangelhaften Grundlagen kann auch beim gegenwärtigen Stand der
Dinge die theoretische Untersuchung in manchen Fragen Klarheit bringen. Durch
sie wird in vielen Fällen die Beurteilung von praktischen Aufgaben erst möglich.
Sie zwingt vor allen Dingen dazu, ein Problem gedanklich durchzuarbeiten und
alle in Betracht kommenden Einflüsse und ihre Tragweite zu untersuchen.
Die Theorie ist in der Technik nicht Selbstzweck, sondern bloß Hilfsmittel,
aber ein solches von eminent praktischer Bedeutung; es wäre jedoch nicht un-
gefährlich, ihr mehr zuzumuten als sie leisten kann und eine größere Verantwortung
aufzubürden als sie zu übernehmen vermag. Die meisten Probleme, die von der
Praxis aufgegeben werden, sind aber leider so verwickelt, daß eine vollständige
theoretische Lösung nicht möglich ist; der formalen mathematischen Behand-
lung sind Grenzen gesetzt, und sie führt nur in wenigen Fällen zu einfachen und
übersichtlichen Ergebnissen.
Es handelt sich also um die Grundlagenforschung einerseits und um die darauf
aufbauende Theorie anderseits, wobei theoretische Untersuchungen der Grund-
lagenforschung wiederum vielfach erst die erforderliche Richtung weisen. Aller-
dings soll die Theorie der Erforschung ihrer Grundlagen nicht zu weit vorauseilen,
weil sie dann den Kontakt mit der Wirklichkeit verlieren kann. Diese letztere Er-
scheinung ist, wie oben angedeutet wurde, bei den theoretischen Anschauungen
im Tunnel- und Stollenbau in einem gewissen Maße eingetreten und es besteht
daher die Notwendigkeit hinsichtlich der Erforschung der mechanischen Eigen-
schaften des Gebirges manches nachzuholen, um einen besseren Einblick in die
naturgegebenen Voraussetzungen zu gewinnen.
lichen Zusammenhänge ist, weshalb sie sich bei der Ordnung der von ihr erarbei-
teten Tatsachen keinerlei äußerem Zwang und keiner Beschränkung zu fügen
braucht. Es ist ihr auch ohne Schwierigkeiten möglich, eine einmal getroffene
Einteilung zu erweitern oder zu differenzieren. Die Geologie hat solche Eintei-
lungen der Gesteine seit langem vorweggenommen und sie vielfach bis in die
kleinste Einzelheit durchgeführt, aber für die technische Verwendung sind andere
Gesichtspunkte maßgebend. Die Statik verfügt nur über eine beschränkte Zahl
von Möglichkeiten, um die auf den Hohlraumausbau wirkenden Kräfte und die
tragende Mitwirkung des Gebirges zu erfassen und damit eine Lösung der Auf-
gaben des Tunnel- und Stollenbaues herbeizuführen. Sie muß sich daher bei einer
Einteilung auf einige hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften eindeutig
beschreibbare Gebirgstypen beschränken und diesen die Vielfalt der übergangs-
formen so gut es geht anpassen. Die theoretische Behandlung im Sinne der Bau-
statik erfordert daher das Herausgreifen charakteristischer Gebirgstypen, deren
Eigenschaften möglichst genau erfaßbar sind und deren mechanisches Ver-
halten mathematisch verfolgt werden kann. Manchmal treten aber Fälle auf,
die eine solche Zuordnung zu Idealtypen nicht gestatten; sie entziehen sich
dann einer theoretischen Behandlung und müssen der Erfahrung vorbehalten
bleiben.
Vom Standpunkt der statischen Behandlung werden zunächst zwei Haupt-
gruppen von Gesteinen ins Auge gefaßt: Der Fels und das Lockergestein. Der Fels
wird durch das Vorhandensein echter, auf atomaren Bindungskräften beruhender
Kohäsion gekennzeichnet, während das Lockergebirge aus Elementen besteht,
zwischen denen Kohäsionskräfte dieser Art überhaupt nicht oder nur in ganz
untergeordnetem Maße wirksam sind; sofern im letzteren Falle Bindungskräfte
bestehen, werden sie hauptsächlich vom Wasser hervorgerufen (scheinbare Kohä-
sion verursacht durch den Kapillardruck) [144a]. Der geologische Begriff "kla-
stische Sedimente" ist viel weiter gefaßt, weil er auch für Sandsteine, Konglo-
merate, Breccien URf. mit chemischer Bindung gilt.
a) Eine Unterteilung der Felsgesteine kann nach verschiedenen Gesichtspunkten
erfolgen.
RABcEWIcz [108a] schlägt eine Unterscheidung von testen und pseudotesten
Gesteinen vor, wobei die Festigkeit und das plastische Verhalten als kenn-
zeichnende Merkmale herangezogen werden. Die pseudofesten Gesteine sollen
im Gegensatz zu den Festgesteinen eine geringe einachsige Druckfestigkeit und
ein ausgeprägtes plastisches Verhalten zeigen, d. h. sie sollen in weitgehendem
Maße zu einer bruchlosen bleibenden Verformung befähigt sein. Der genannte
Autor zählt zu den pseudofesten Gesteinen u. a. Sandsteine mit tonigem Binde-
mittel, Tonschiefer, Schiefertone, viele Mergel, Phyllite, Chloritschiefer, Glimmer-
schiefer usf. Bei den pseudofesten Gesteinen ist die atomare Bindung nicht so stark,
wie beim festen Fels, außerdem sind vor allem bei den geschieferten Gesteinen die
Bindungskräfte nicht isotrop, d. h. in irgendeinem Punkt des Gesteins nicht nach
allen Richtungen gleich stark. Die Festigkeitsanisotropie wird in vielen Fällen
durch die Schichtgitterstruktur der Ton- und Glimmermineralien bedingt. Die
Ursache dieser Erscheinung ist das Verhalten des Elementes Silizium, das mit
seinem Gewichtsanteil von rd. 25% an der Zusammensetzung der Erdkruste nach
Sauerstoff an zweiter Stelle steht. Das unveränderliche Skelett der Mineralsilikate
bildet die Zusammensetzung mit Sauerstoff zu den Siliziumtetraedern Si0 4 , die
miteinander über die Sauerstoffatome verknüpft sind. Bei Anordnung dieser
Gruppen in einer langen Kette entstehen beispielsweise die Riesenmoleküle des
Asbestes. Eine zweidimensionale Anordnung - ähnlich jener der Kohlenstoff-
atome im Graphit - verursacht die Schichtgitterstrukturen der Glimmerminera-
lien, wobei die Bindungskräfte senkrecht zur Schichtebene schwach sind. Dieser
Umstand bedingt die gute Spaltbarkeit der Glimmermineralien ; als Gemengeteile
1*
4 I. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
der Schiefergesteine sind sie bei geregelter Anordnung die Ursache einer weit-
gehenden Festigkeitsanisotropie.
KEIL [71] hält eine Unterscheidung in feste und veränderlichfeste Gesteine für
entscheidend. Es gibt kein Gestein, das nicht im Laufe von geologischen Zeit-
räumen unter mechanischen und chemischen Einflüssen an Festigkeit einbüßen
würde. Doch schreitet dieser Zerstörungsprozeß bei den festen Felsgesteinen
außerordentlich langsam fort, so daß er im Zeitraum eines Menschenalters, wenn
man von der oberflächlichen Verwitterung absieht, kaum merkbar ist. Die ver-
änderlichfesten Gesteine hingegen sind zersetzungsempfindlich und verlieren oft
rasch von ihrer Festigkeit, wenn der Gleichgewichtszustand, der durch die Druck-,
Temperatur- und Wasserführungsverhältnisse gegeben ist, infolge des Eingriffes
des Tunnel-und Stollenbaues eine Änderung erfährt.
Die beiden angeführten Unterteilungen nach RABCEWICZ und KEIL dürften
aber aus statischen Erwägungen nicht sosehr entscheidend sein, wie jene in festen
und gebrechen Fels, wobei letztere Felsarten infolge ihrer Gefügeschädigung mehr
oder weniger stark zu Nachbrüchen neigen.
Das gebreche Gestein tritt in einer ganzen Reihe von Erscheinungsformen auf,
die vom nachbrüchigen Fels bis zu den vollständig zermahlenen und chemisch ver-
änderten Myloniten reichen.
Die Einteilung in festen und gebrechen Fels ist allgemein verbreitet; gegen
eine weitere Differenzierung mit der Absicht, den Grad der Nachbrüchigkeit oder
der Gesteinszerrüttung bei gebrechem Gebirge hervorzuheben, ist nichts ein-
zuwenden. Die Erweiterung der Einteilung durch die Begriffe druckhaftes und sehr
druckhaftes Gebirge mag aus praktischen, für die Bauabwicklung maßgebenden
Gründen zweckmäßig sein, aus statischen Erwägungen ist sie jedoch unzutreffend.
Die Druckhaftigkeit ist ja nicht allein eine Eigenschaft des Gebirges, sondern sie
wird auch durch den im Gebirge herrschenden Spannungszustand bedingt. Das
gleiche Gebirge kann bei geringer überlagerung standfest, bei großer Tiefenlage
unter der Erdoberfläche druckhaft sein.
b) Die Hauptgruppe der Lockergesteine soll wieder unterteilt werden einerseits
in die kohäsionslosen Lockergesteine, bei denen keinerlei Bindung zwischen den
Elementen besteht und anderseits in die durch ihre plastischen Eigenschaften
gekennzeichneten bindigen Lockergesteine, deren Körner infolge ihrer Kleinheit
eine durch den Kapillardruck hervorgerufene scheinbare Kohäsion aufweisen.
Zur ersteren Gruppe gehören manche klastische Sedimente wie Sand, Kies, Ge-
rölle, Hangschutt und Blockwerk; zur letzteren Ton, Lehm, manche Mergel usw.
Diese vier Gruppen: Fester Fels, gebrecher Fels, kohäsionsloses Lockergestein
und bindiges Lockergestein stellen vier Idealtypen dar, die in den weiteren Unter-
suchungen getrennt behandelt werden, weil dies auf Grund ihrer eindeutig be-
schreib baren Eigenschaften möglich ist.
Man kann diesem übelstand zum Teil dadurch beikommen, daß man den
würfelförmigen Probekörper bei gleichem Querschnitt durch einen prismatischen
oder zylindrischen ersetzt, dessen Höhe ein Mehrfaches der Querschnittsdimen-
sion ist. Dann wird der Probekörper durch eine viel geringere Belastung zerstört,
als bei Druckversuchen mit Probewürfeln. Die Würfelfestigkeit ist daher infolge
der Versuchs bedingungen bedeutend größer als die .wirkliche einachsige Druck-
festigkeit des Gesteins. Nachdem man von Gesteinen meist Bohrkerne untersucht,
kann im Gegensatz zum Beton auch von Zylinderfestigkeit gesprochen werden.
Beim Beton werden meist prismatische Körper erprobt und die Prismenfestig-
keit beträgt im allgemeinen 80% der Würfeldruckfestigkeit [121]. Bei Gesteinen
wird die Zylinderfestigkeit etwa 1/ 2der Würfelfestigkeit betragen, kann aber auch
bis auf 1/3und unter Umständen sogar auf 1/4 herabsinken [159].
Ein anderer Weg, um die Schubspannungen zwischen den Druckplatten und
dem Probekörper auszuschalten, besteht darin, durch Schmierung die Reibung
auf ein Mindestmaß herabzusetzen. Bei den solcherart durchgeführten Versuchen
zeigt sich, daß beim Bruch der Probewürfel Bruchflächen auftreten, die parallel
zur Druckrichtung verlaufen und den Würfel in parallelepipedische Teilkörper
aufspalten. Die Brüche sind Trennbrüche. FÖPPL [33] vermutet, daß diese Er-
scheinung, die an Zementproben ständig zu beobachten ist, durch die Spreng-
wirkung des in den Poren der Proben enthaltenen Wassers verursacht wird.
Nachdem die gleiche Erscheinung aber auch an Gesteinswürfeln festzustellen ist,
die keine Wassereinschlüsse aufweisen [32], muß ihre Ursache anderer Art sein.
Es ist zu vermuten, daß hierfür die Poren der Probekörper oder vorhandene
Schwachstellen hauptsächlich verantwortlich sind. Wie spätere Untersuchungen
zeigen werden, treten bei einachsiger Druckbeanspruchung an den Rändern von
im Gestein vorhandenen Hohlräumen Spannungssteigerungen auf. Die Rand-
spannungen sind von der Form des Hohlraumes abhängig, aber bei lotrecht
wirkender Druckspannung stellen sich am oberen und unteren Rand der Hohl-
räume Zugspannungen von beträchtlicher Größe ein. Sie sind zwar auf kleine
Bereiche beschränkt, wenn aber an irgendeiner Stelle die Zugfestigkeit des Betons
oder Gesteins überschritten wird, so entsteht, von einer Pore oder Schwachstelle
ausgehend, ein Anriß, der sich in der Druckrichtung zur nächsten Pore fortpflanzt
und schließlich zu einer Trennbruchfläche führt. Der einmal eingetretene Anriß
schafft in seiner Umgebung eine Entlastung, so daß sich die nächste Bruchfläche
erst in einiger Entfernung von der ersten ausbildet. Die Folge dieser Erscheinung
ist die oben geschilderte Aufspaltung des Probewürfels in plattenförmige Bruch-
stücke. Die Tatsache, daß die Bruchflächen immer parallel zu einer Seitenfläche
des Probewürfels entstehen, ist formbedingt ; der parallel zu zwei Würfelflächen
verlaufende Bruchquerschnitt ist ja in diesem Fall der kleinste Querschnitt.
Die Bestimmung der einachsigen Zugfestigkeit der Gesteine hat mit noch grö-
ßeren Schwierigkeiten zu kämpfen, als die der einachsigen Druckfestigkeit, weil
die Herbeiführung eines solchen Spannungszustandes nur schwer erreichbar ist.
Zugfestigkeitswerte, die man in Tabellen findet, sind daher ganz unbestimmt
und lassen keine sicheren Rückschlüsse auf die wirkliche Festigkeit zu. FÖPPL
[32] betont, daß beim Druckversuch mit würfelförmigen Probekörpern die Fehler-
quellen den Erfolg haben, eine größere Druckfestigkeit des zu prüfenden Stoffes
vorzutäuschen, während sie beim Zugversuch umgekehrt die Zugfestigkeit zu
klein erscheinen lassen. Die Angabe eines Wertes der einachsigen Zugfestigkeit
der Gesteine bzw. die Benützung eines solchen Wertes als Grundlage für eine
auch im Zugspannungsbereich gültige Bruchhypothese ist daher fragwürdig.
Auch hat es nur geringen Wert, bei Gesteinen das Verhältnis von Zugfestigkeit
zu Druckfestigkeit durch eine bestimmte Zahl festlegen zu wollen.
Nachdem sich die im festen Fels beobachteten Gebirgsdruckerscheinungen,
wie sie besonders beim Bau des Simplontunnels auftraten, keinesfalls aus den
6 L Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
Druckfestigkeit Elastizitätsmodul
in kgcm-' in kgcm-'
Gestein C=~
von bis von bis Va;;
im Mittel im Mittel
Kalkstein,
minder fest
400-900 I 300.000-600.000 17.600
I 650
I 450.000
sehen, daß GI. (1) nur eine rohe Beziehung darstellt. Dabei ist überdies zu berück-
sichtigen, daß in der benützten Quelle nicht angegeben ist, ob es sich um die
Würfeldruckfestigkeit oder um die Zylinderfestigkeit der Gesteine handelt. Es
ist aber nicht ausgeschlossen, daß es auf dem geschilderten Weg gelingt, zu einer,
wenn auch nur näherungsweisen Ermittlung der Gebirgsdruckfestigkeit zu ge-
langen.
Zum Vergleich seien noch einige Werte angegeben, welche von Versuchen
stammen, die GRAF an der Materialprüfungsanstalt der Technischen Hochschule
Stuttgart ausgeführt hat [42].
Gestein
Prismenfestigkeit Elastizitäts-Modul E C=~
kgcm- a kgcm-' YGd
Basalt (Westerwald) 3082 1,034.000 18.650
Granit (Schwarzwald) 1277 235.000 6.590
Muschelkalk (Waiblingen) 1320 776.000 21.400
Muschelkalk
(Kocheldorf a. Neckar) 712.000
Quarzit
(Tschagguns, Vorarlberg) 4404 748.000 20.000
Gneis, parallaI zur Schieferung
(Vermunt, Vorarlberg) 1392 362.000 9.700
Buntsandstein (FreudenthaI) 639 104.000 4.130
Hochofenstückschlacke 1809 941.000 22.100
8 1. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
Auch diese Werte von C fügen sich den Grenzen von 3000 und 23.000 ein;
ihre Streuung ist aber größer als in der Zusammenstellung der Tab. 1.
Es mag angebracht sein, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß die Be-
ziehung zwischen der Druckfestigkeit und dem Elastizitsmodul des Betons zu
einer konservativen Methode für die Bestimmung der ersteren ausgenützt wird.
Hierbei wird der Rückstoß des Betonprüfhammers gemessen. Die von diesem
Gerät erzielten Ergebnisse sind befriedigend und für eine rohe Kontrolle
ausreichend. Seine Anwendung zur Bestimmung der Gesteinsfestigkeit dürfte
aber wegen der großen Streuung des C-Wertes keine verläßlichen Ergebnisse
liefern.
Während KARMAN für jeden Versuch die Seitenpressung konstant hielt und
den Axialdruck steigerte ("Druckversuch"), führte BÖKER eine ähnliche Versuchs-
reihe durch, bei der er die Axialspannung konstant hielt und die Seiten pressungen
steigerte, bis die Versuchskörper begannen sich plastisch zu verformen ("Zug-
versuch").
Die Versuche von KARMAN und BÖKER wurden später von GRIGGS [43] an
der Harvard Universität mit Marmor und Kalkstein wiederholt. Dabei konnte
aber die Druckflüssigkeit (Kerosen, ein Gemenge von Kohlenwasserstoffen, dessen
Hauptbestandteil Dekan C1oH 22 ist) in die Poren der Gesteinsproben eindringen,
wodurch die Versuchsergebnisse
nach Ansicht NADAIS [97] an Gr-------,-------r------,-------,
Bedeutung verloren.
Über die Versuche von BÖKER
wird im Zusammenhang mit den
Überlegungen betreffend die Ver- 6~------+-------4-
zitätsgrenze liegt, wobei über die beiden kleineren Hauptspannungen O'n und 0'1
nichts ausgesagt wird, weil es sich um die Gewinnung eines allgemeingültigen
qualitativen Einblickes handelt, so stellt sich in der Richtung von· O'm sofort die
elastische Verformung Ceo ein. Bei Konstanthaltung der Spannungen erfolgt im
Laufe der Zeit eine weitere Verformung, die sich gemäß Abb. 3 in einen reversiblen
Anteil Cen als elastische Nachwirkung
äußert und in einem bleibenden Ck,
der als Kriechen bezeichnet wird.
Wenn zur Zeit t = t l eine vollstän-
t
~~ I
dige Entlastung vorgenommen wird, : l l1. l. l. LJlrT T l l =I I ~I I -,-;-1~
o t-t, t -
verschwindet Ceo sofort, während die
Rückbildung von cen langsam vor
sich geht und eine geraume Zeit be-
ansprucht; die Kriechverformung Ck
bleibt jedoch bestehen [97, 70h].
Wenn durch die Beanspruchung
die Elastizitätsgrenze überschritten
Abb.3. Zeitlicher Ablauf der Verformungeu bei konstau-
wird, dann tritt zur elastischen Ver- ter, unter der Elastizitätsgrenze bleibender Belastung und
formung Ce eine plastische cpo hinzu, nachfolgender Entlastung
die im Laufe der Zeit eine Vergröße-
rung zu cp erfährt.
Ein ähnlicher Vorgang erfolgt bei
der Entlastung des Gebirges nach
Durchführung des Ausbruches, weil
am Ausbruchsrand die senkrecht zur
Ausbruchsfiäche wirksamen Span-
nungen verschwinden.
Bei Druckversuchen mit Ge- Bi! = Wendepunkt
steinen zeigt die Verformungslinie der Achse der
Hysteresissch/eifi:
den in der Abb. 4 dargestellten Ver-
lauf, wobei als Abszissen die Ver-
formungen C und als Ordinaten die
Spannungen 0' aufgetragen wurden. a
Wenn man eine Gesteinsprobe bis
zu einer dem Punkt Al entsprechen-
den Spannung belastet, dann zum
Punkt 0 1 entlastet und anschließend
daran eine neuerliche Belastung bis
zur gleichen Höhe durchführt, so er-
gibt sich im Spannungs-Dehnungsdia- b c
gramm eine Schleife, eine Erscheinung, o
die man als elastische Hysteresis be-
Abb. 4a-c. Das theoretische elastoplastische Verhalten
zeichnet. Wenn man nun eine Be- der Gesteine beim Druckversuch
lastung bis zum Punkt A 2 und dar-
auf eine Entlastung durchführt, die um den kleinen Betrag L!O' über dem
Punkt O2 bleibt und eine Wiederbelastung, die um den elementaren Schritt L!O'
kleiner ist, als die für den Punkt A 2 geltende Spannung und diesen Vorgang
wiederholt, so ergibt sich eine Spirale; die Schleifen werden immer enger und
auch etwas steiler aufgerichtet. Die Verbindung der Spitzen A2A~A'; ... und
O2 o~ O~' ... ergibt eine schwach S-förmige Kurve, deren oberer Teil der Erst-
belastungskurve in der Nähe des Ursprunges des Koordinatensystems OA o
entspricht.
In der Abb. 4a ist die vollkommene Hysteresisschleife dargestellt. Beim tat-
sächlichen Druckversuch stellt sich infolge plastischer Verformungen oft eine
12 I. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
verkümmerte Schleife gemäß Abb. 4 b ein oder aber die Schleife entartet zu einer
Spitze (Abb. 4c).
Die bei den statischen Untersuchungen über die tragende Mitwirkung des
Gebirges auftretenden Aufgaben können wegen seines elastoplastisehen Verhaltens
in zwei wesent.liche Gruppen unterteilt werden, in Elastizitäts- und Stabilitäts-
probleme.
Die Elastizitätsproblerne lassen sich damit kennzeichnen, daß bei dem in Frage
stehenden Vorgang die Verformungen des Gebirges elastisch, d. h. rückbildungs-
fähig bleiben, bzw. verbleiben müssen. Diese Bedingung ist fast immer dann er-
füllt, wenn ein Ausbruchshohlraum ohne jeglichen Ausbau dauernd bestandsicher
ist. Ihr muß aber besonders im Druckstollen- und Druckschachtbau entsprochen
werden, wo die Rückbildungsfähigkeit der Formänderungen, die unter dem Ein-
fluß des betrieblichen Wasserdruckes entstehen, entscheidend für den Bestand
des Bauwerkes ist, in der gleichen Weise, wie dies etwa bei der Gründung einer
Gewölbestaumauer gilt. Allerdings macht das im allgemeinen elastoplastische
Verhalten des Gebirges eine besondere Behandlung der zu lösenden Aufgaben
erforderlich.
Die 8tabilitätsprobleme hingegen befassen sich mit den Gleichgewichtsbedin-
gungen unmittelbar vor dem Versagen des Gebirges durch plastisches Fließen oder
durch Bruch. Sie spielen eine erst in neuester Zeit erkannte Rolle bei der Deutung
des echten Gebirgsdruckes und seiner Beherrschung dureh den Hohlraumausbau.
Die von solchen Gesichtspunkten ausgehende Behandlung der Gebirgsdruckfrage
gestattet es, die bisherigen Erfahrungen widerspruchslos zu deuten und neue Er-
kenntnisse auf diesem entscheidendem Gebiet des Tunnel- und StollenbauP'l zu
gewinnen.
6. Der Elastizitätsmodul
Auf Grund der Darlegungen des vorhergehenden Absehn. 5 kann man das
Verhalten des Gebirges durch die Druckkürzungslinie bei der Erstbelastung in
der Form
Der Verformungsmodul ist mit der Belastung veränderlich und wird in der Abb. 5
durch die Tangente des Winkels ß dargestellt.
Diese Begriffsbestimmung des Verformungsmoduls wird nicht konsequent
eingehalten; manchmal findet man auch das Verhältnis der Spannung G zur Ge-
samtdehnung 8 ges = 8 e +
8 p also die Tangente des Winkels y als Verformungs-
modul definiert.
a
E V2 = - = tany. (5)
e ges
Die Feststellung der elastischen Eigenschaften des GebirgEls ist zu einer ent-
scheidenden Aufgabe der Statik des Felshohlraumbaues geworden.
Der Laboratoriumsversuch an Gesteinsproben kann in den meisten Fällen
keinen für das Gebirge geltenden Wert des Elastizitätsmoduls liefern. Die Werte,
die auf diesem Wege für den Elastizitätsmodul von Gesteinen gefunden wurden,
sind sehr groß (s. Tab. 1 u.2 im Abschn. 3) und es hat den Anschein, daß unter
ihrem Eindruck die Schätzungen des Elastizitätsmoduls des Gebirges, die wegen
des Fehlens von Messungen vorgenommen wurden, oft zu optimistisch ausgefallen
sind. Die Versuchsergebnisse, die nachfolgend behandelt werden, weisen in diese
Richtung.
a) Druckstollenversuche
Nach den Schäden, die im Jahre 1920 am Druckstollen des Ritomkraftwerkes
in der Schweiz aufgetreten waren [153], ging man daran, den Elastizitätsmodul
und die elastischen Eigenschaften des Gebirges zu bestimmen. Die ersten Versuche
dieser Art - sie sollen als Druckstollenversuche bezeichnet werden - wurden von
der Schweizer Druckstollenkommission im Jahre 1925 im Druckstollen des Kraft-
werkes Amsteg in der Weise ausgeführt, daß man eine Stollenstrecke abmauerte
und die Versuchsstrecke unter Wasserdruck setzte. Bei verschiedenen Wasser-
drücken wurden die Verformungen gemessen [153]. In ähnlicher Weise wurden
späterhin Messungen im Druckstollen des Kraftwerkes Lucendro [36b], ferner im
Druckstollen des Juliawerkes Tiefencastel und im gepanzerten Druckschacht der
Kraftwerke Zervreila [79] ausgeführt. Solche Versuche sind mit einem bedeuten-
den Zeit- und Kostenaufwand verbunden; der dabei gewonnene Einblick ist aber
nur von begrenztem Wert, weil bloß ein kleiner Abschnitt des Gebirges erfaßt
wird. Anderseits ist aber diese Methode von örtlichen Zufälligkeiten der Fels-
beschaffenheit innerhalb der Meßstrecke unabhängig, weil die unter Druck ge-
setzte Felsoberfiäche, deren Verformungen festgestellt werden, ein beträchtliches
Ausmaß besitzt. Das Istituto sperimentale modelli e strutture (ISMES), Bergamo,
7. Statische Methoden zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls des Gebirges 15
bedient sich bei solchen Messungen einer Ausrüstung, die in der Abb. 6 dargestellt
ist [lOOb]. Der Versuchsstollenerhält einen Kreisquerschnitt von 1,70 m Durchmes-
ser und eine freie Länge zwischen den Abschlußpfropfen von 5,0 m. Die Betonaus-
kleidungwird zur Vermeidung vonWasserverlusten mit einem Gummisackgeschützt.
Die eingebauten Meßinstrumente gestatten die Feststellung der radialen und diame-
tralen Formänderungen auf elektroakustischem Wege. Bei einem Meßbereich von
5 mm lassen sich Verschiebungen des Innenrandes der Betonauskleidung von
0,002 mm = 2ft feststellen.
Abb. 63 U. b. Versuchsstollen zur Prüfung der Felsverformbarkeit nach der Methode des Istituto sperimentale
modelli e strutture (ISMES). Bergamo [100b]
MelJquerschniff:
Abb. 7. Die verbesserte Radialpresse der Tiroler Wasserkraftwerke AG., Innsbruck [SIdl
b) Druckplattenversuche
Ein Versuch, den Elastizitätsmodul des Gebirges mittels eines zwischen die
Stollenwandungen gespannten Druckstempels zu bestimmen (Druckplattenversuch ),
in ähnlicher Weise wie dies in der Bodenmechanik beim Lastplattenversuch
geschieht, wurde von den Tauernkraftwerken in Kaprun über Anregung von FRÖH-
LICH im Jahre 1948 im Kalkglimmerschiefer durchgeführt. In gleicher Weisfl hat
JELINEK im Dolomit des Sylvenstein, Bayern, Versuche angestellt.
Ein beachtenswertes Dehnungsmeßgerät dieser Art hat die Societa Adriatica die
Elettricita (SADE), Venedig, entwickelt und 1956 bei ihren umfangreichen Stollen-
bauten am mittleren Tagliamento (Somplago) eingesetzt (Abb. 8 u. 9). Der
Preßzylinder ist bei diesem Gerät um die Längsachse deR Stollens drehbar an-
geordnet, enthält zwei Kolben, an deren Enden die in Kugelgelenken gelagerten
Preßköpfe angebracht sind. Die kreisförmigen Druckplatten von D = 80 cm
Durchmesser werden auf sorgfältig betonierte Pressenwiderlagel' im Gebirge auf.
7. Statische Methoden zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls des Gebirges 17
Abb. 9. Preßkopf des Druckplatteugerätes der Societa Adriatica di Elettricita, Venedig [54b)
selbst, die bei dem angeführten Stollen in 4 Druckstufen von 10, 20, 30 und
40 kgcm- 2 durchgeführt wurde. Nach jeder Druckstufe wurde der Preßdruck
wieder auf den Ausgangswert von 2,5 kgcm- 2 zurückgeführt. Die solcherart
durchgeführten Entlastungen gestatten die Neigung der Hysteresisschleifen
und damit den Elastizitätsmodul des Gebirges in der früher definierten Form
als Durchschnittswert für die einander gegenüber liegenden Meßstelien zu be-
2 Kastuer, Statik
18 I. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
stimmen (Abb. 10), worauf am Ende dieses Abschnittes eingegangen werden wird.
Nachdem die Messungen in der waagrechten und lotrechten Achse des Stollen-
querschnittes und in jeder beliebigen Schräglage durchgeführt werden können,
ist es nicht nur möglich einen Durchschnittswert des Elastizitätsmoduls für den
ganzen Querschnitt zu ermitteln, sondern es werden auch Abweichungen vom
isotropen Verhalten mit Sicherheit aufgedeckt.
Die Hysteresisschleifen zeigten dabei nicht streng die in Abb. 4a und 5 dar-
gestellte theoretische Form, denn bei der Wiederbelastung bis zur jeweiligen Druck-
stufe traten geringfügige plastische Verformungen auf.
Die Druckplattenversuche konnten in der ganzen Erstreckung der Stollen in
Abständen von 5-200 m durchgeführt werden, wodurch ein umfassendes Bild der
SO
l;gjcm Z ~Y
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~ 30 ......
11't),ZO
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o 3 S [) 7 8 9 10 11 1Z 13 11{ 1S 16mm 17
Ourchmesserdehnungen
Abb. 10. Durchmesserdehnungen gemessen mit dem Druckplattengerät der Societa Adriatica di Elettricita,
Yenedig im Druckstollen Somplago am mittleren Tagliamento. Die Messung der Diagonale 1 zeigt einen hohen
Wert des Elastizitäts- und Verformungsmoduls, die Messung der Diagonale 2 einen niedrigen, eine Erscheinung,
die zweifellos mit der Schichtung des Gebirges im Zusammenhang steht [54b]
Zusatz platten vergrößert werden kann und sind leicht drehbar in Kugelgelenken
gelagert. Zur Messung der Einsenkungen werden zwei Verschiebungsmesser (Kom-
paratoren, Deflektometer) verwendet, die einen Meßbereich von 50 mm aufweisen
und eine Meßgenauigkeit von 0,01 mm besitzen. Das Gerät ist sowohl für rasche
Dreiweghllhn
Überdruckventil Umschlllter
Abb. 11a u. b. übersichtszeichnungen des Druckplattenmeßgerätes der Bauunternehmung Innerebner & Mayer
Innsbruck; a) Einrichtung für den rasch durchzuführenden Versuch; b) Einrichtung für den Dauerversuch
(aus dem Archiv dieser Unternehmung)
Messungen mit einer Hal1dpumpe als auch für Dauermessungen mit einer auto-
matischen elektrischen Pumpe ausgerüstet. Abb. 12 zeigt das Gerät mit waag-
rechter Lage des Druckstempels.
Die Ergebnisse der Messungen sollen an einem Versuchsfall erörtert werden,
wo das Gerät in einem Sondierstollen zur Aufschließung eines Fundamentes ein-
gesetzt worden war. Das anstehende Gebirge, aus Quarzphyllit bestehend, war
vielfach gestört und wies zahlreiche nach verschiedenen Riehtungen verlaufende
Klüfte und mit mylonitischem Material gefüllte Spalten auf. Die Schieferung besaß
2'"
20 I. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
A bb. 12. Druckplattenmeßgerät mit waagrechter Stellung des Druckstempels (aus dem Archiv der Bau-
unternehmung Innerebner & Mayer, Innsbruck)
Form des Kurvenverlaufes ergab. Die Ablesung der Einsenkungen geschah jeweils
nach der Beruhigung der Verschiebungsmesser, die bereits einige Minuten nach
Aufbringung des Druckes erfolgte, so daß also die rasch eintretenden Verformungen
gemessen wurden.
Der Elastizitätsmodul des Gebirges wurde mit Hilfe der später im Abschn. 8
angeführten GI. (26) ermittelt; zu seiner Bestimmung wurden der Anfangs- und
Endpunkt der jeweiligen Entlastungskurve verbunden. Die Neigung der Ver-
bindungsgeraden ist ein Maß für den Elastizitätsmodul. Die nachstehende Tab. 3
zeigt die im Meßquerschnitt (Abb. 13a) ermittelten Werte dafür.
Die Abbildung des Meßquerschnittes (Abb. 13a) läßt erkennen, daß die
durch Sprengarbeiten aufgelockerte Oberfiächenschicht des Gebirges möglichst
entfernt wurde. Bei der außerordentlich starken Störung des Gebirges und der
7. Statische Methoden zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls des Gebirges 21
a /'1eßquerschniff
~SSW
~ ...,--. my/onifischer füllung
/-NNE ~ 8chieferong
/ ---7'--
I
--- K/uf'fver/ouf
vor dem 8Io//enousbrocl1
10 Vl--ttflll
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1// J
_______ llL 1
-< - _ _ _ _ _ _ - _______j"-
o 3 567 8 9 10 11 mm1Z
Einsenkungen
Abb. 13a-c. Ergebnis von Druckplattenversuchen in einem in Quarzphyllit gelegenen Sondierstollen
(aus dem Archiv der Bauunternehmung Innerebner & Mayer)
such in einem Stollen querschnitt mit 4 Meßstellen in einem Tag, also mit geringem
Zeitaufwand ausgeführt werden kann.
Soweit die rasch durchgeführten Versuche. Dauerversuche, die im gleichen
Sondierstollen vorgenommen wurden, zeigten, daß das Kriechen des Gebirges
bei einer mittleren Pressung an den Druckplatten von 20 kgcm- 2 bereits in
einigen Wochen soweit abgeklungen war, daß die Genauigkeit der Verschiebungs-
messer keine weitere Einsenkung mehr festzustellen gestattete. Die Endkriechzahl
(s. Abschn. 89) ergab sich dabei zu 1jJoo = 1,49.
Auf die Bedeutung solcher Messungen beim Entwurf von Druckstollen- oder
Druckschachtquerschnitten wird besonders aufmerksam gemacht (Kap. VII und
VIII).
Schließlich sei noch auf die Möglichkeit hingewiesen, durch Großscherversuche,
wie sie im Abschn. 14 beschrieben werden, Anhaltspunkte für den Elastizitäts-
modul des Gebirges zu gewinnen. Der Großscherversuch liefert beim Entlastungs-
vorgang den Gleitmodul Gg • Aus der bekannten Beziehung
Eg = 2Gg m g + 1 (6)
mg
kann der Elastizitätsmodul berechnet werden, wenn man für die POIssoNsche
Zahl m g einen Schätzungswert annimmt. Im Abschn. 14 wird auch erwähnt, daß
man in der Nähe des Querschnittes, in dem der Großscherversuch angeordnet wurde,
einen Druckplattenversuch mit lotrechtem Druckstempel durchführen kann, der
dann unter gleichen oder nur wenig abweichenden geologischen Bedingungen zur
Ausführung käme. Dann würde sich der Elastizitätsmodul des Gebirges auf zwei
verschiedenen Wegen ergeben.
a) Druckstollenversuche
Beim Druckstollenversuch, wozu auch die Einrichtung der Tiroler Wasser-
kraftwerke A. G., Innsbruck, gerechnet werden kann, erfolgt die Messung der
Verformungen auf verschiedenen Wegen, und zwar:
~) Man mißt die Umfangsdehnung an der Innenleibung des Auskleidungs-
betons und kann daraus die bezogene Dehnung sowohl des Umfanges als auch des
Halbmessers als Mittelwert errechnen.
ß) In einer Anzahl von Punkten des Meßquerschnittes können die radialen
Verschiebungen der Betonoberfläche im Meßquerschnitt unmittelbar festgestellt
werden.
y) Man mißt die radiale Verschiebung des Ausbruchsrandes, also in der Kontakt-
zone zwischen Beton und Gebirge unmittelbar in einer Anzahl von Punkten des
Meßquerschnittes.
Zunächst sollen nur die Fälle ~) und ß) theoretisch beurteilt werden. Dabei
ist zu beachten, daß eine Berücksichtigung der Anisotropie des Gebirges die
Lösung der Aufgabe so erschweren würde, daß sie nicht möglich wäre. Man ist
zur vereinfachenden Annahme der Homogenität und Isotropie gezwungen, ob-
wohl bekannt ist, daß Drehsymmetrie im Verhalten des Gebirges oft genug nicht
besteht und Messungen der radialen Verschiebungen in Versuchsstollen haben dies
8. Theorie der statischen Methoden zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls 23
häufig erwiesen. Die Bestimmung des Elastizitätsmoduls des Gebirges nach der
Druckstollenmethode kann aber auf diesen Umstand nicht Rücksicht nehmen,
sondern sie muß von der mittleren Verlängerung des lichten Halbmessers der Beton-
auskleidung ausgehen und ergibt dementsprechend einen für den ganzen Umfang
des Ausbruches geltenden Durchschnittswert für den Elastizitätsmodul dEs
Gebirges.
Ferner ist beim Druckstollenversuch die Frage zu stellen, ob der Auskleidungs-
beton mit seiner Ringwirkung herangezogen werden kann, d. h., ob er zur Auf-
nahme von tangentialen Zugspannungen befähigt ist. Die Annahme einer Ring-
wirkung ist nur dann zulässig, wenn der Auskleidungsbeton in der Versuchs-
strecke fugenlos hergestellt wurde und die tangentialen Zugspannungen unter der
Zugfestigkeit des Betons bleiben. Sofern der Beton hingegen Längsfugen besitzt,
die zu bei den Seiten der Sohle meist auftreten, oder wenn er durch radiale Risse
geteilt wird, dann besteht keine Ringwirkung, und dieser Umstand muß bei der
theoretischen Behandlung des Problems berücksich-
tigt werden. Die Versuchseinrichtung des Istituto
sperimentale modelli e strutture (ISMES) (Abb. 6) sieht
eine Teilung der Betonauskleidung durch radial ange-
ordnete Fugen vor und schafft damit klare Verhältnisse
für die Versuchsstrecke.
Wenn die Messung der Verschiebung unmittelbar
in der Kontaktfläche zwischen dem Auskleidungsbeton
und dem Gebirge erfolgt, wie dies beispielsweise bei
der Versuchseinrichtung der Tiroler Wasserkraftwerke
A. G., Innsbruck, der Fall ist, dann wird die sonst
bestehende Unklarheit von vornherein vollkommen
Abb. 14. Zur Theorie des Druck-
ausgeschaltet. stollenversuches für die Bestim-
Eine gewisse Schwierigkeit bei der Versuchsdurch- mung des Elastizitätsmoduls des
Gebirges bei Bestehen einer Ring-
führung bereitet die Ausschaltung der Randstörungen wirkung im Auskleidungsbetoll
an den Enden der Meßstrecke. Bei Versuchs-
stollen gemäß Abb. 6 ist die Versuchsstrecke lang genug gewählt worden, so daß
die Randeinflüsse im Mittelquerschnitt vernachlässigt werden können. Bei den
von der Tiroler Wasserkraftwerke A. G. durchgeführten Versuchen konnte der
Randeinfluß durch einen entsprechenden Vorgang bei der Messung der Hauptsache
nach ausgeschaltet werden [81d].
Inwieweit das Vorhandensein einer Betonauskleidung das Versuchsergebnis
beeinflußt, soll nachfolgend dargelegt werden. Die Verschiebung des Innenrandes
der Betonauskleidung wird als Durchschnittswert für den ganzen Meßque.rschnitt
mit bbi bezeichnet, jene des Gebirges unter den gleichen Voraussetzungen mit bgi.
Zur Behandlung der Theorie des Druckstollenversuches muß der Grundsatz
der folgerichtigen Entwicklung verlassen und die Theorie des Druckstollens, die
im Abschn. 84 behandelt wird, vorweggenommen werden.
Mit den in der Abb. 14 ersichtlichen Bezeichnungen für die geometrischen Ab-
messungen und die statischen Größen des Meßquerschnittes ergibt sich die
radiale Verschiebung bb irgendeines Punktes der Betonauskleidung, deren Halb-
messer mit r bezeichnet wird, aus GI. (7) im Abschn. 84 wie folgt:
(7)
.., _ 1 rj (2 2m )
(10)
Ubi - E- a-2--1 a Pa -
;J~bPi ,
b -
wobei die Hilfsgröße
(11)
eingeführt wurde. Die Verschiebtmgen ~lJa und ~bi sind aus den Festigkeitseigen-
schaften des Betons ermittelt worden.
Die Verschiebung des Innenrandes des Gebirges bgi beträgt
.., _ mg +1 (12)
Ugi - - --E-
m g
raPa'
g
Damit sind alle Grundlagen für die Ermittltmg des Elastizitätsmoduls E g gegeben,
wofür folgende Gleichung
(14)
maßgebend ist. Durch Einsetzen der ermittelten Werte für die Verschiebtmg,
wobei für Ubi auf der linken Seite der GI. (14) das Messungsergebnis einzusetzen ist,
ergibt sich
(15)
Nunmehr ist der für die Kontaktpresstmg Pa geftmdene Wert gemäß GI. (13) ein-
zuführen. Die weitere etwas umständliche Rechntmg kann übergangen werden;
sie liefert für den Elastizitätsmodul des Gebirges folgenden Wert
Wenn man die Dicke der Betonauskleidtmg vernachlässigt, geht die GI. (16)
in die einfache Formel
(17)
über, die auch aus GI. (12) unmittelbar abgelesen werden kann. Um zu beurteilen,
welch6n Einfluß die Ringwirktmg ·des Auskleidungsbetons besitzt und wieweit
die GI. (16) als Näherungslöstmg in Betracht gezogen werden kann, wird ein
Beispiel gerechnet. Als Abmesstmgen des Bauwerkes werden die Werte ri = 100
cm, r a = 120 cm, a = 1,2 angenommen. Die Festigkeitseigenschaften des Betons
8. Theorie der statischen Methoden zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls 25
Eg = 7500kgcm- 2 •
Bei der Annahme, daß die Ringwirkung des
Auskleidungsbetons durch Radialrisse ausgeschaltet,
oder wenn von vornherein eine Fugenteilung vor-
gesehen ist, gestaltet sich die Rechnung einfacher
(Abb. 15). Die Kontaktpressung zwischen Beton und
Gebirge Pa ist statisch bestimmbar und beträgt Abb. 15. Zur Theorie des Druck-
stollenversuches für die Bestimmung
Pi des Elastizitätsmoduls des Gebirges
Pa =Pi -r
a
ri
= ---.
a
(18) bei einer durch Radtalrisse geteilten
Betonauskleidung
und die Verschiebung des Ausbruchsrandes des Gebirges ist wie früher
• _ mI/ +1 _ mg +1 (20)
u!li - - --E- raPa - - --E- riPi'
mg g mg g
b) Druckplattenversuche
Nunmehr soll die Auswertung der Druckplatilenversuche behandelt werden.
Bei den im Erdbau gebräuchlichen Lastplattenversuchen mit kleinem Platten-
durchmesser kann angenommen werden, daß das Experiment über die Zusammen-
drückbarkeit des Bodens bis zu einer Tiefe Aufschluß gibt, die dem Durchmesser
26 1. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
der Druckplatte entspricht. Diese Tiefe ist verhältnismäßig gering. Bei größeren
Platten tritt eine größere Tiefenausstrahlung ein. Immerhin ist die Tiefenwirkung
nicht sehr groß, die untersuchte Schicht ist aber für das statische Verhalten des
Gebirges von entscheidender Bedeutung. Der Druckplattenversuch im Stollen
liefert zunächst die Durchmesserdehnung, die sich aus zwei Anteilen zusammen-
setzt, die nicht notwendig einander gleich sind. Durch Fixierung bzw. Ein-
messung des Drehpunktes des Preßzylinders ist es möglich, die einseitige Ein-
senkung s, also die Vergrößerung des Halbmessers, festzustellen. Daraus ergibt
sich zunächst die Bettun(Jszifjer B, das ist jene Pressung p (kgcm- 2 ), die eine Ein-
senkung s (cm) gleich der Einheit bewirkt. Die Dimension dcr Bettungsziffer
ist daher kgcm- 3 •
B = P:S. (23)
Wenn sich der geradlinige Verlauf der Drucksenkungskurve für die Erstbelastung
durch weitere Versuchsergebnisse auch für andere Felsarten bestätigen ließe,
dann könnte man von einer plastischen Bettungsziffer
Bp = p:sp (24b)
und von einer Gesamtbettungsziffer
sprechen. Eine Ausdehnung der Versuche auf eine längere Zeitdauer schafft
überdies die Möglichkeit, das Kriechen des Gebirges zu verfolgen.
Setzt man das Gebirge als elastisch-isotropen Halbraum voraus, so erhält man
den Elastizitätsmodul aus der elastischen Bettungsziffer nach der folgenden
Gleichung
(26)
(28)
G - Egmg (29)
g - 2 (mg + 1)
verknüpft sind, läßt sich die Geschwindigkeit der Scherwellen auch in der Form
_liEIl m ll (30)
VB - V2bg mg + 1
ausdrücken. Die GI. (27) und (30) enthalten als Unbekannte E g und m g ; es ist also
möglich, den Elastizitätsmodul des Gebirges und seine PorssoNsche Zahl auf seis-
mischem Wege zu ermitteln. Damit ist auch der Gleitmodul Gg durch GI. (29)
bestimmt.
Wenn man Vd gemäß GI. (27) durch VB gemäß GI. (30) dividiert, so erhält man
vd=,/2 mg - 1 . (31)
v, V mg - 2
2 an Ort und Stelle bleibt, während sich die Lamelle 1 nach links unten und die
Lamelle 3 nach rechts oben zu verschieben trachtet. Die ursprünglich gerade
Achse z -- z geht in eine gebrochene Linie z' - z' über. Damit wäre eine Ver-
schiebung der Endflächen des Einkristalles verbunden, die aber nach der Versuchs-
anordnung nicht möglich ist und durch Zwangskräfte verhindert wird; die Rei-
bungswiderstände T in den Druckplatten halten die Endflächen fest. Die Gleitung
ist daher nur möglich, wenn der schwächste Teil der Anordnung unter entsprechen-
der Formänderung nachgibt, und dies kann nur durch eine Drehung der Gleit-
flächen infolge des Zwangs-
momentes Th geschehen. In
Abb. 17 a ist durch eine strich-
lierte Begrenzung der Gleit-
vorgang bei freibeweglichen
Endflächen des Einkristalles
dargestellt und in Abb.17b
wird die Drehung der Lamellen
um den Winkel f(! veranschau-
licht. Die Drehung der Gleit-
flächen ist sonach an die Vor-
aussetzung gebunden, daß die
Kraft P durch eine Zwangs-
wirkung in ihrer J"age gehalten
a wird, wobei die Zwangskräf-
te bei Druckbeanspruchung
durch die Reibung in den
Druckplatten und bei Zugbe-
anspruchung durch Führungs-
kräfte an den Enden des Probe-
körpers verursacht werden. Im
zweiten Falle versucht das in
den Einkristall eingetragene
Zwangsmoment die Gleitflä-
chen in die Richtung der Zug-
kraft zu drehen.
Abb. 17a - c. Rotation der Gleitflächen bei Druckbeanspruchung Das plastische Verhalten
eines Einkristalls und eines im Gesteinsverband stehenden Kristall-
korns der polykristallinen Körper,
also insbesondere der Gesteine,
ist von der Plastizität der Kristalle bedingt. Entscheidend hierfür und für
den Gleitbruch ist, daß sich die elementaren Gleitflächen der einzelnen
Kristallkörner zu makroskopischen Gleitflächen aneinanderfügen, wobei die
Richtungen der elementaren Translationsflächen nicht genau tangential zu dieser
Gleitfläche zu liegen brauchen, sondern um sie herum spielen. Mit wachsender
Verformung tritt auch in den Körnern eines polykristallinen Körpers eine Drehung
der Gleitflächen ein, und dies scheint die hauptsächlichste Ursache der in der Tek-
tonik als Plättung bezeichneten Erscheinung, d. i. die Orientierung schuppen-
förmiger Kristalle senkrecht zur größten Hauptdruckspannung, zu sein. Das
Ergebnis stellen die Schiefergesteine dar. Eine sehr einfache Deutung des Schiefe-
rungsvorganges läßt sich gewinnen, wenn man auf die früher geschilderte Gleit-
flächendrehung der Einkristalle zurückgreift. In der Abb. 17 c ist stark vergrößert
ein Kristallkoru gezeichnet, während der polykristalline Verband durch die Be-
grenzung benachbarter Kristalle angedeutet ist. Translationsflächen teilen das
Korn in Lamellen, von denen drei eingezeichnet sind. Der in Betracht kommemle
Gesteinsbereich stehe unter dem Einfluße einer Hauptdruckspannung O'm, die
verhältnismäßig groß ist gegenüber den lateralen Druckspannungen O'n und O'r.
11. Begründung der Verschiedenheit von Trennbruch und Gleitbruch 33
Wenn eine interkristal1ine Gleitung eintritt, so ist sie mit Zwangswirkungen ver-
bunden, die bei den Lamellen 1 und 3 an den Stirnflächen A und B durch Nachbar-
kristalle herbeigeführt werden; außerdem sind Reibungswiderstände an den
Nachbarkristallen parallel zu den Gleitflächen vorhanden. Beide Widerstände
erzeugen ein Drehmoment, das die Gleitflächen senkrecht zur Druckrichtung (]ur
zu drehen sucht. Die Zwangswirkungen, die heim Einkristall auf die Versuchs-
anordnung zurückzuführen sind, werden beim polykristallinen Körper wegen des
Verbandes von den Nachbarkristallen ausgeübt und haben gleichfalls ein Moment
zur Folge, das die beobachtete Rotation bewirkt und als Hauptursache der Schie-
ferung anzusehen ist. Neben der Verdrehung werden zweifellos auch Verbiegungen
und Zertrümmerungen der Kristallkörner zu erwarten sein.
Um nicht den Eindruck zu erwecken, daß solche Überlegungen zu weit herbei-
geholt sind, wird den späteren Ausführungen vorgreifend, erwähnt, daß bei einem
Tunnel- oder Stollenausbl'uch der echte Gebirgsdruck plastische Verformungen
a b c d e
Abb. i8a-e. Versuche von BÖKER mit Marmorzylindern, die gleichzeitig durch einen seitlichen Flüssigkeits-
druck. eine Axialbelastung und ein Torsionsmoment beansprucht werden [97);
a) unbelastete Probe; b) Trennbruch durch einfache Torsionsbeanspruchung; c) Belastung zuerst mit
G r = G, = 580 kgcm-', dann axial mit G, = 2395 kgcm-' und schließlich bis zum Bruch tordiert. Die steile
unter 53° geneigte Schraubenlinie ist ein Trennbruch, die flache unter 8° geneigte Schraubenlinie ein Gleit-
bruch ; d) die Probe wurde zuerst mit den gleichen Spannungen G r = G, = G, belastet und dann tordiert; es
trat ein Trennbruch ein; e) die Probe wurde zuerst den Spannungen Ur = G, = 665 kgcm-' unterworfen,
dann durch eine Axialspannung Go = 2770 kgcm-' belastet und schließlich unter diesen Spannungen bis zum
Bruch tordiert. Die steile unter 62° geneigte Schraubenlinie ist ein Trennbruch. Der sich vorbereitende Gleit-
bruch ist durch einen unter etwa 18° geneigten Auriß an der linken Seite des Probekörpers und außerdem
durch eine deutliche Ausbauchung zu erkennen; an der Probe e) merkt man den sich vorbereitenden Gleit-
bruch durch Verschiebung der am Probekörper angebrachten Netzlinien
und Durchbewegungen des Gebirges, die mit inneren Gleitungen verbunden sind,
hervorruft. Als Folgeerscheinung ist eine Gefügeregelung in dem oben angedeu-
teten Sinne möglich, und in der Tat konnte in der Umgebung von Stollenaus-
brüchen bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck eine Schieferung festgestellt
werden, die vorher nicht vorhanden war. Es hat sich infolge des technischen Ein-
griffes eine Gesteinsmetamorphose vollzogen.
Die für Einkristalle aufgezeigte grundsätzliche Verschiedenheit von Trenn-
bruch und Gleitbrueh gilt, wie dargelegt wurde, auch für polykristalline und zu-
sammengesetzte Körper.
Die beiden Bruchformen sind in sehr vielen Fällen getrennt nebeneinander
festzustellen, ohne daß ein allmählicher Übergang zu beobachten wäre. Besonders
eindrucksvoll hinsichtlich der Unterscheidung von Trennbruch- und Gleitbruch
sind die von BÖKER ausgeführten Versuchsreihen mit Marmorzylindern, die
gleichzeitig einer Torsionsbeanspruchung, einer Axialbeanspruchung und einem
3 Kustner, Statik
34 1. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
3*
36 1. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
Weil nach MOHR nur der größte Spannungskreis in Betracht kommt, soll die
mittlere Hauptspannung ohne Einfluß auf den Grenzzustand sein. Diese Fest-
stellung ist nur näherungsweise gültig. Mit ihr wird aber gleichzeitig ausgespro-
chen, daß die zweiachsige Druckfestigkeit gleich der einachsigen sein sollte. Auch
diese Folgerung ist nicht der Wirklichkeit entsprechend, aber die konsequente
Anwendung der MOHRschen Theorie verlangt sie. Wenn beispielsweise an der
Wandung eines Stollens die Radialspannung verschwindet und nur die tangen-
tiale und die in der Längsrichtung des Stollens wirkende Spannung verbleiben, so
kann ohne Berücksichtigung der Längsspannung zur statischen Beurteilung des
Gebirges die einachsige Druckfestigkeit herangezogen werden. Ähnliches gilt für
die tiefer liegenden Gebirgsschichten. Auch dort soll in Verfolgung der MOHRSchen
Theorie die Längsspannung parallel zur Stollenachse unberücksichtigt bleiben,
womit das Spannungsproblem zu einem ebenen wird. Die theoretischen Unter-
suchungen werden dadurch außerordentlich erleichtert, wenn nicht überhaupt erst
ermöglicht.
Die Spannungs-Verformungslinien für den im allgemeinen räumlichen Span-
nungszustand haben den in der Abb. 21 b dargestellten Verlauf; es findet ein all-
mählicher übergang vom elastischen zum plastischen Verhalten statt. Um eine
theoretische Behandlung zu ermöglichen, wird jede dieser Kurven durch eine aus
zwei geradlinigen Ästen zusammengesetzte, geknickte Linie ersetzt; die eine Gerade
ist gegen die Abszissenachse unter dem Winkel lX geneigt, dessen Größe den Elasti-
zitätsmodul bestimmt.
Eg = tanlX. (32)
Die zweite, waagerechte Gerade läßt erkennen, daß die plastische Verformung
ohne Änderung des Spannungszustandes fortschreitet; sie charakterisiert das
ideal plastische Verhalten, bei dem der Verformungsmodul den Wert 0 besitzt.
Die beiden Geraden schneiden sich im Punkt 0, der als Grenzpunkt bezeichnet
werden soll, weil er die theoretisch festgelegte Stelle angibt, an der das elastische
Verhalten in das ideal plastische unvermittelt übergeht. Wenn man die Span-
nungskreise für alle Spannungszustände, die den Punkten 0 entsprechen, auf-
trägt, so sollen sie nach der MOHRschen Theorie eine Einhüllende besitzen. Dabei
wird vorläufig nur der für die größte und kleinste Hauptspannung geltende Span-
nungskreis in Betracht gezogen und die mittlere Hauptspannung unberücksichtigt
gelassen.
Nunmehr ergibt sich die Frage, welche Form die einhüllende Kurve besitzt.
Hierüber läßt sich nach den bisherigen Darlegungen keine Angabe machen, die
naturgesetzliche Bedeutung hätte. Die Versuche von KARMAN und BÖKER, die
im Abschn. 11 erwähnt wurden, hatten aber das Ergebnis, daß mit zunehmendem
hydrostatischem Seitendruck der Durchmesser des größten Spannungskreises
zwar gleichfalls zunahm, sich aber einem Maximalwert näherte. Für Gesteine
hat daher die Grenzkurve eine waagrechte Asymptote.
Für das kohäsionslose Lockergebirge ist die Grenzlinie durch die einfache
COULoMBsche Gleichung
T = a tan(lg (33)
gegeben, wobei (lg den Neigungswinkel der Grenzgeraden bildet. Auch bei bindigem
Lockergebirge ist die Annahme eines geradlinigen Verlaufes der Grenzkurve ex-
perimentell ausreichend bestätigt; der analytische Ausdruck dafür lautet
T = C + atan(lg, (34)
Für die Bedingungen, unter denen beim Fels die bleibende Verformung ein-
setzt bzw. der Bruch eintritt, sind eine Reihe verschiedener Anschauungen ver-
treten worden. MOHR selbst hat über die Form der Grenzkurve nichts ausgesagt.
Er behauptete nur ihre Existenz, ohne ihrer Form einen mathematischen Ausdruck
zu geben. Die Berührungspunkte zwischen dem jeweiligen Spannungskreis und der
Einhüllenden besitzen die Koordinaten a und -r. -r ist jene Schubspannung, die bei
der herrschenden Normalspannung a gerade zum Gleitbruch führt. Man kann also
,h
da = tan(!u (35)
setzen, wobei
(!u = /(a,-r) (36)
eine Funktion von a und -r ist. Diese Funktion ist unbekannt. Jedenfalls 'nimmt ihr
Wert mit wachsendem a und -r ab. Eine sehr einfache Form dieser Funktion wäre
bei Einführung einer Konstanten A
A
tan (!a. = -
T
. (37)
Setzt man diesen Wert in GI. (35) ein, so erhält man die Differentialgleichung der
Grenzkurve
-rd-r = Ada (38)
und nach deren Integration die Gleichung der Grenzkurve selbst in der Form
als eine Parabel. Diese Form wurde von LEoN gewählt, und sie wird vielfach zur
Anwendung gebracht. Dabei kann es sich aber, wie die späteren Untersuchungen
zeigen werden, nur um eine theoretische Anschauung handeln, die zudem mancher-
lei Widersprüche aufweist.
töngsschnilt ~uersclmiff
Oroufsiclrf o m.Z
jOruckblltifung
Abb. 22. Einrichtung zur Durchführ ung von Großscherversuchen (nach einem Entwurf der Universale. Hoch- und
Tiefhau A. G., Wien)
~ 'I b
birgsdruckfestigkeit (Jgd zu bestim-
men, indem man den Spannungs-
kg/cm ö 7 kreis zeichnet, der einerseits durch
/otrecIJfe Pressung ()' den Ursprung des Koordinaten-
Abb. 23. Ergebnisse eines Großscherversuches in Quarzphyllit systems geht und anderseits die
Grenzkurve berührt (Abb. 23).
Es wäre erwägenswert, ob nicht auch eine andere Durchführung des Großscher-
versuches zum Ziel führt, wobei eine Trennung zwischen der Haftfestigkeit (Kohä-
sion) und der Reibung einzutreten hätte. Dies könnte in der Form geschehen,
daß zuerst mit geringer lotrechter Belastung der Gleitbruch herbeigeführt wird,
der wegen der geringen lotrechten Auflast durch die überwindung der Haftfestig-
keit eintreten würde. Im weiteren Verlauf könnten dann die den stufenweise
gesteigerten lotrechten Drücken entsprechenden Reibungswiderstände erfaßt und
der Haftfestigkeit hinzugefügt werden. Diese Versuche würden einen guten Wert
für die einachsige Gebirgsdruckfestigkeit liefern.
Damit läßt sich der Großscherversuch als wertvolles Hilfsmittel zur Bestim-
mung der Festigkeitseigenschaften des Gebirges kennzeichnen. übrigens ist es
möglich, die dabei gewonnenen Erkenntnisse in der Weise zu überprüfen, daß man
in unmittelbarer Nähe, also unter geologisch gleichen Verhältnissen, einen Druck-
plattenversuch in vertikaler Richtung ausführt.
gang ist theoretisch in der Weise herbeigeführt worden, da man die Grenzkurve
vom Druckbereich nach der Zugseite des Diagrammes verlängert hat, derart, daß
sie die Abszissenachse auf der Zugspannungsseite unter einem rechten Winkel
schneidet und in diesem Schnittpunkt den Spannungskreis für die einachsige Zug-
festigkeit berührt (Abb. 24c). Damit wäre theoretisch ein stetiger übergang vom
Gleitbruch in den Trennbruch ermöglicht worden. LEoN ist diesen Weg gegangen
und hat, wie erwähnt, für die Hüllkurve eine Parabel angenommen. Diese Auf-
fassung dürfte aber nur als ein mathematisches Hilfsmittel zu werten sein, denn
selbst dann, wenn sich die Parabel bei der Ausgleichung von Versuchsreihen be-
währen sollte, ist damit noch nicht der Beweis erbracht, daß eine durch diesen
Kurvenverlauf gegebene Gesetzmäßigkeit vorliegt.
kt:\.
,....ogz
I
Zug
0 1
i
a
oga.-----'
I
Druck
(j
JcS.
Q
Zug
:.
b
liga,----------:
Druck
IT
- O- e
OZ
Abb.24a-e. Zur Form der Grenzkurve nach der MOHRSehen Theorie der Bruchgefahr und zur Frage, ob
eine Hüllparabel im MOHRsehen Diagramm Trenn- und Gleitbruch gemeinsam umfassen kann
Es ist bekannt, daß MOHR die oberhalb und unterhalb der Normalspannungs-
achse (Abszissenachse) gelegenen Äste der Hüllkurve, die zur Abszissenachse sym-
metrisch liegen müssen, so gezeichnet hat, daß sie die Abszissenachse auf der Zug-
seite unter einem spitzen Winkel schneiden (Abb. 24b). Gegen diese Form sind
verschiedene Einwendungen erhoben worden. Der Schnittpunkt der Hüllkurven
und der Normalspannungsachse Q stellt - so wurde bemerkt - gleichzeitig
die Beanspruchung durch allseitig gleichen Zug dar. Diese Beanspruchungsart
muß zu einem Trennbruch mit unbestimmter Lage der Bruchfläche führen. Die
von MOHR gezeichneten Kurven würden aber auf eine Grenzlage zweier geneigter
-Bruchflächen schließen lassen. Ferner wurde zu bedenken gegeben, daß die derartig
gezeichneten Kurven bei einachsiger Zugbeanspruchung immer zu einem Gleit-
bruch führen würden, weshalb diese Annahme hinsichtlich der Form der Kurve
die spröden Körper, insbesondere die Gesteine, nicht umfassen könnte. Schließ-
lich möge noch darauf hingewiesen werden, daß ein weitgehend zerklüftetes Ge-
birge sicher Scherfestigkeit, aber keine Zugfestigkeit besitzt. Wenn keine Zug-
festigkeit besteht, dann müßte der Scheitel der Hüllkurve im Ursprung des Span-
nungsnetzes liegen; dann bestünde aber keine Möglichkeit eines Scherwiderstandes .
Aber auch die von LEoN eingeführte Parabel ergab Widersprüche, die für
Gesteine ebenso schwierig zu überbrücken sind, als jene der MOHRSchen Kurven
gemäß Abb. 24 b. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß die Voraussetzung für die
Parabelform der Grenzlinie, daß nämlich die Gleitzahl tan[lg verkehrt proportional
der jeweiligen Schubspannung ist, kaum bewiesen werden kann. Ferner sei fest-
gehalten, daß sich die Grenzlinie nach KARMAN [97] bei sehr hohen Druckbeanspru-
42 I. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
chungen einer waagrechten Asymptote nähern soll, eine Anschauung, die heute
allgemein anerkannt wird und die mit der parabolischen Form der Grenzlinie nicht
zu vereinbaren ist. Die frühere Schilderung der BÖKERSchen Versuche zeigt
ferner deutlich, daß Trennbruch und Gleitbruch getrennt auftreten und keines-
falls ineinander übergehen. Bei Bestehen eines solchen überganges müßte die
Scheit.eltangente der Parabel eine Trennbruchfläche darstellen, in der die sonst
auftretenden zwei Gleitflächen zusammenfallen. Dieser Gedankengang läßt sich
an Hand der Abb. 24c überprüfen. Für den durch die Abb. 24d gegebenen Span-
nungszustand sei der Spannungskreis K 1 , der Spannungspunkt für die Druck-
spannung (Jd sei SI. Die Druckspannung wirkt auf eine waagrechte Fläche, wes-
halb der Pol für den Spannungszustand PI ist. Er bestimmt die beiden Gleitflächen
durch die Geraden G~ und G~'. Für den einachsigen Zugspannungszustand ge-
mäß Abb. 24e gilt der Spannungskreis K 2 • Der Spannungspunkt für die ver-
schwindende Druckspannung fällt mit dem Ursprung zusammen und der Pol P 2
liegt daher im Scheitelpunkt der Parabel. Es ergeben sich somit zwei zusammen-
fallende Gleitflächen G2 , die eine Trennbruchfläche bilden sollen. Aus dieser Dar-
legung geht wohl mit Klarheit hervor, daß es sich bei der Hüllparabel nur um eine
theoretische Annahme handeln kann.
Schließlich sei noch ein Analogiefall erwähnt, nämlich die von NAnAI an-
geführten Bruchversuche Me. ADA....'\:'[s mit spröden Metallen, die gezeigt haben,
daß sich beim dreiachsigen Zugversuch eine Zugfestigkeit ergibt, die etwa doppelt
so groß ist, wie jene beim einachsigen Zugversuch, ein Ergebnis, das mit der Auf-
fassung LEONS nicht in Einklang zu bringen ist [97].
Um die Schwierigkeiten auszuschalten, die sich aus der Annahme eines bei
Gesteinen nicht zu beobachtenden stetigen Überganges vom Gleitbruch in den
Trennbruch ergeben, wird für den Fels die Hüllkurve nur wenig über die 1;'-Achse
hinaus nach der Zugseite hin verlängert. Jedenfalls nicht so weit, bis sie den
Spannungskreis für die einachsige Zugfestigkeit berührt. Damit kommt zum
Ausdruck, daß in Anbetracht der unklaren Sachlage auf die Frage des Ver-
laufes der Hüllkurve im Zugspannungsbereich nicht näher eingegangen werden
soll. Ein experimenteller Beweis für irgend eine Form wird für Gesteine schwer
zu erbringen sein.
Die Ziffer der inneren Reibung wächst mit der Strukturänderung ; sie besitzt
einen Anfangswert tan eo und erreicht mit zunehmender Strukturänderung einen
Größtwert tan emax. Die Ziffer des inneren Gleitwiderstandes, die Gleitzahl tan e
liegt zwischen diesen beiden Werten. Nachdem es sich bei den im Tunnel- und
Stollenbau zu lösenden Aufgaben immer um Gleitflächen handelt, werden all-
gemein die Bezeichnungsweisen innerer Gleitwiderstand, Winkel des inneren Gleit-
widerstandes eg und Gleitzahl tan eg verwendet.
Sie wird in der üblichen Weise ebenso wie die bezogenen Dehnungen mit e be-
zeichnet, weil eine Verwechslung beider Begriffe kaum zu befürchten ist. Statt
der 'Werte n und e wird bei bindigen Gebirgsarten, wo die molekulare Bindung
größer ist als das Korngewicht, der Wassergehalt eingeführt. Das Verhältnis des
Wassergewichtes zum Gewicht der Festmasse, der Wassergehalt, wird mit W be-
zeichnet. Zwischen dem Wassergehalt, dem Porenanteil und der Porenziffer besteht
für das wassergesättigte Gebirge die Beziehung
wY. = eyw, (41)
wobei Ys das Stoffgewicht der Bodenkörner und Yw jenes des Wassers bedeutet.
Für Yw = 1 folgt
e = wYs' (42)
Zur Kennzeichnung der Lagerungsdichte wird der Wassergehalt des Gebirges
benützt.
Als Zustandsgrenzen werden die Ausrollgrenze W a und die Fließgrenze wJ
benützt. Wenn der natürliche Wassergehalt des Gebirges mit W n bezeichnet wird,
soll als Kennzeichen für den Zustand (die Konsistenzform des bindigen Gebirges)
der Quotient
(43)
gewählt werden, wobei im Zähler die Differenz zwischen dem der Fließgrenze ent-
sprechenden Wassergehalt und dem natürlichen Wassergehalt steht, während im
Nenner der Unterschied des Wassergehaltes an der Fließgrenze und an der Aus-
rollgrenze erscheint. Dieser Quotient kw wird als Zustandszahl des Gebirges be-
zeichnet, und die Zustandsformen lassen sich wie folgt kennzeichnen [66].
flüssig <:0
breiig 0,01- 0,25
weich 0,26- 0,50
weich, bildsam 0,51- 0,75
steif, bildsam 0,76- 1,00
halbfest größer 1,00
44 I. Die mechanischen Eigenschaften des Gebirges
1
8 = 80 - 0 In (p
s
+ Pe) (45)
ausdrücken; hierin bedeutet Os den Schwellbeiwert. Durch die Größe P. wird dem
Umstand Rechnung getragen, daß sich toniges Gebirge bei vollständiger Ent-
lastung (p = 0) nicht bis ins Unendliche ausdehnt, sondern daß die Porenziffer 8
einen endlichen Grenzwert 8 s besitzt, der wie folgt lautet:
1
8s = - olnp•.
s
(46)
1
8 = 80 - 0 In (p
v
+ Pe)' (47)
19. Durch die Überlagerung hervorgerufene Spannungen 45
dp - v
und wird als Verdichtungsziffer bezeichnet. Für einen Druckbereich von PI bis
PI + ,1P wird a v zur Ermöglichung einfacher Berechnungen meist konstant an~
genommen, womit sich für die Bestimmung der Verdichtungsziffer die nach~
folgende, näherungsweise gültige Beziehung
(49)
ergibt. Von dieser Formel wird bei der Behandlung des Schwellens der Tone im
Tunnel Gebrauch gemacht werden (Absehn. 45,46 und 47).
Kapitel Ir
Für größere Tiefen, als sie durch Bohrungen erreicht werden können, stehen
zur Beurteilung der Gebirgsbeschaffenheit nur die aus seismischen Beobachtungen
zu ziehenden Schlüsse zur Verfügung; im übrigen ist man auf Hypothesen an-
gewiesen.
Als primärer Spannungszustand des Gebirges soll der vor dem technischen
Eingriff des Tunnel- oder Stollenbaues herrschende Spannungszustand verstanden
werden. Er wird von den Geologen je nach seiner Ursache Überlagerungsdruck,
Ruhedruck, vVanderdruck und echter Gebirgsdruck genannt, wobei die gleiche
Bezeichnungsweise auch für die Belastung des Hohlraumausbaues nach erfolgter
Durchörterung beibehalten bleibt; damit wird manche Unklarheit geschaffen.
Vom technischen Gesichtspunkt aus gesehen ist es zweckmäßig und folgerichtig
von einem Spannungszustand vor und nach der Durchörterung, also einem
primären und sekundären Spannungszustand zu sprechen und mit dem Begriff
Gebirgsdruck nur die Wirkung zu bezeichnen, die im unverkleideten oder auch
ausgebauten Hohlraum infolge des herrschenden sekundären Spannungszustandes
zu beobachten ist. Daher möge die Bezeichnungsweise echter Gebirgsdruck, oder
Gebirgsdruck schlechthin, im Sinne der Darlegungen von RABCEWICZ [108a] auf
jene Wirkungen beschränkt bleiben, die das Gebirge infolge der bei der Her-
stellung des Hohlraumes eintretenden Änderung des primären Spannungszu-
standes äußert und die zur Beanspruchung des Ausbaues führen. Um Mißver-
ständnisse zu vermeiden war es notwendig, diese Feststellungen, den späteren
Ausführungen vorgreifend, schon an dieser Stelle zu bringen.
Fester Fels ist in geringeren Tiefen unter der Erdoberfläche im allgemeinen
standfest und die Belastungen des Tunnel- und Stollenausbaues beschränken
sich auf Auflockerungswirkungen, die teils strukturell bedingt sind, also durch
Klüftung, Schichtung und Schieferung hervorgerufen werden, teils durch die
Sprengarbeiten entstehen. In größeren Tiefen unter der Erdoberfläche tritt echter
Gebirgsdruck auf.
In irgendeinem Punkt, der in der Tiefe h unter der Erdoberfläche liegt,
herrscht die lotrechte Hauptdruckspannung
Pv = ygh, (1)
wobei Yq das Raumgewicht des Gebirges und Ph die waagrechte Hauptspannung
ist. Pv und Ph werden durch die Gravitation, also durch eine Massenkratt hervor-
gerufen und nehmen deshalb mit der Tiefe unter der waagrecht angenommenen
Erdoberfläche zu. Diese Zunahme spielt bei geringer Überlagerungshöhe im Bereich
der untertägigen Bauwerke eine Rolle und muß diesfalls berücksichtigt werden.
Bei großer Überlagerungshöhe kann diese Zunahme, die im Verhältnis zu den
Spannungen Pv und Ph nicht von entscheidender Bedeutung ist, vernachlässigt
werden. Man ist sogar gezwungen dies zu tun, weil ihre Berücksichtigung viel zu
umständlich wäre. Die theoretische Behandlung tiefliegender untertägiger Bau-
werke wird daher unter der Voraussetzung durchgeführt, daß der primäre Span-
nungszustand in dem betrachteten Gebirgsbereich für jeden Punkt derselbe ist,
daß also ein gleichmäßiger oder homogener Spannungszustand herrscht. Die lot-
rechte Hauptspannung Pv kann je nach Zweckmäßigkeit für die Firsthöhe, die
waagrechte Bauwerksachse oder die Sohle gewählt werden.
~
I ~m I
Die Ge birgsdruckerscheinungen I I
(Bergschläge ) ließen nach, sobald
der Tunnel in den teilweise ent- a
lasteten Kern der Aufwölbung ge-
langte. Als weiteres Beispiel möge
ein Fall erwähnt werden, auf den
STINI hinweist (Abb. 26b) [138d].
I
Er betrachtet einen Gebirgsstock, I I I I
der durch Verwerfungen so unter- I I I I I I I
I I I I I I I
teilt ist, daß keilförmige Blöcke
entstanden sind. Die nach unten
II I
I
I
I
I
I
I
I
I
I
I
I
geworden und zur Ruhe gekommen, sondern noch immer in Bewegung begriffen;
tektonische Vorgänge sind auch heute noch im Gange und unmittelbar zu be-
obachten. Zeugnisse dafür sind Erdbeben und epirogenetische Vorgänge, d. h.
langsam sich abspielende Krustenbewegungen, bei denen ausgedehnte Gebiete in
ihrer Gesamtheit eine Hebung oder Senkung erfahren, ohne daß dabei der Schichten-
verband gestört wird. Orogene (gebirgsbildende) Vorgänge hingegen, die sich -
mit geologischen Maßstäben gemessen - rascher und mit großer Intensität ab-
gespielt und zu weitgehender Veränderung der Lage und des Verbandes der
Schichten geführt haben, kommen für den Tunnelbau von wenigen Ausnahmen
abgesehen nur in ihren Ergebnissen, dem tektonischen Befund in Betracht. Ob
Restspannungen solcher tektonischer Ereignisse vorhanden sein können, wird
nachfolgend untersucht werden.
Die im Tunnelbau zu beobachtenden, auf engem Raum erfolgenden plasti-
schen Erscheinungen und Bruchvorgänge, die sich manchmal aus der Beanspru-
chung des Gebirges durch den Druck der Überlagerung allein nicht erklären
lassen, insbesondere dann, wenn sie bei geringer Überlagerungshöhe oder gar an
der Erdoberfläche auftreten, sind der Gegenstand der nachfolgenden Betrach-
tungen. Berichte über derartige Erscheinungen liegen in großer Zahl vor.
Schon HAUER [50] führt 1878 an, daß in verschiedenen Steinbrüchen Nord-
amerikas beobachtet wurde, wie größere Platten bei der Lösung aus dem Schicht-
verband plötzlich eine Ausdehnung erlitten, die nach den durchgeführten Messun-
gen etwa 1/1000 ihrer Länge betrug. Diese Ausdehnung zeigte sich in der Nord-
Süd-Richtung, nicht aber in der Ost-West-Richtung.
In einem Kalksteinbruch Lemont südlich Chicago wurde durch Abräumungs-
arbeiten die Sohle eines Bruches bloßgelegt; daraufhin wölbte sich der anstehende
Fels allmählich sanft auf und bildete eine Welle, deren von Ost nach West ver-
laufende Scheitellinie auf eine beträchtliche Länge zu verfolgen war. Auf der
Scheitellinie entstand unter explosionsartigem Geräusch ein Längsriß. Die
Aufwölbung und der Trennbruch hatten unverkennbar eine waagrechte Pressung
als Ursache. Schon an dieser Stelle sei bemerkt, daß ähnliche Aufwölbungen bei
Auftreten von echtem Gebirgsdruck an der Sohle und im First von Stollen zu
beobachten sind, worüber im Kap. IV betreffend Gebirgsdruckerscheinungen ge-
sprochen werden wird.
In der Ingenieurgeologie von REDLICH, TERZAGHI und KAMPE [110] wird
über ähnliche Erscheinungen berichtet, zu deren Erklärung der Druck der Über-
lagerung nicht ausreicht, so z. B. im Granit des Stormking-Tunnels der Catskill-
Wasserleitung, New York bei einer überlagerung von nicht mehr als 330 m.
RABCEWICZ schildert Beobachtungen an der Oberfläche der glacialen Rund-
buckellandschaft Nordnorwegens, wo sich parallel zur Oberfläche Schalen von
5-10 m Mächtigkeit loslösen und die Ursache von gewaltigen Bergstürzen
bilden. Die Loslösungen bedecken Gebiete von vielen Quadratkilometern. Häufig
findet man auch die Ablösung von dünnen Platten bis zu einigen Dezimetern
Dicke, die manchmal ausknicken. Nach Rabcewicz handelt es sich bei diesen
Erscheinungen um Entspannungsvorgänge.
TSCHERNIG kommt auf Grund seiner langjährigen Beobachtungen zu dem
Ergebnis, daß von 2000 Bergschlägen im Kärntner Erzbergbau nahezu 90% bei
Nord- und Nordostklüften vorkommen. Dies ist seiner Ansicht nach ein Beweis
dafür, daß die Ostalpen einer nach Norden oder Nordosten gerichteten Bewegungs-
tendenz folgen [149].
Als Ursache der geschilderten Erscheinungen wird oft die Möglichkeit von
tektonischen Restspannungen in Erwägung gezogen, und es soll festgestellt
werden, ob und in welchem Maß dies zutreffen kann. Ganz allgemein gesprochen,
kommen für diese Erscheinungen, bei denen außer dem überlagerungsdruck
noch andere und anders gerichtete Spannungen vorhanden sind, folgende Ur-
21. Tektonische Kräfte und Spannungen 49
sachen in Betracht: einerseits Restspannungen früherer tektonischer Vorgänge
oder anderseits noch lebendige Krustenbewegungen und gegenwärtig wirksame
tektonische Kräfte.
a) Tektonische Restspannungen
Die tektonischen Restspannungen gehören zur Gruppe der Eigenspannungen.
Zum Zwecke einer klaren Verständigung ist es notwendig, hierüber einiges zu
sagen. Der Begriff der Eigenspannungen läßt sich in der Weise festlegen, daß er
alle in einem Körper auftretenden Spannungen umfaßt, die unabhängig von den
an ihm angreifenden äußeren Kräften bestehen. In diesem Sinne gibt es also zwei
Arten von Spannungen: die Lastspannungen, die von den am Körper angreifenden
äußeren Kräften, den Lasten, hervorge-
rufen werden unddieEigenspannungen,
die in einem unbelasteten Körper be-
stehen, gleichgültig auf welche Ursache
sie zurückzuführen sind. Zu den Eigen-
spannungen gehören auch jene für die
nachfolgenden Betrachtungen bedeut- Abb.27. Entstehung waagrechter Kräfte in der Erd-
kruste aus Gründen der Isostasie
samen Spannungen, die in einem Kör-
per zurückbleiben, wenn eine vorher
aufgebrachte Belastung wieder entfernt wird; sie können aber nur dann auf-
treten, wenn vorher in Teilbereichen eine plastische Verformung des Körpers
erfolgt ist.
Für die getroffene Begriffsbestimmung gilt als wichtige Voraussetzung, daß
der Körper nach Umfang und Inhalt festgelegt werden kann; die äußeren Kräfte
greifen ja am Umfang des Körpers an. Durch Schnitte im Körper kann man aber
alle inneren Kräfte und daher auch alle Eigenspannungen in äußere Kräfte ver-
wandeln. Wenn man bei dieser Schnittführung den Grenzübergang zu einem un-
endlich kleinen Körperelement macht, folgt aus dieser überlegung, daß ein solches
Element keine Eigenspannungen aufweisen kann.
Nach der Entstehungsursache kann man die Eigenspannungen, die im Ge-
birge zu erwarten sind, in zwei Hauptgruppen einteilen, wobei allerdings eine
scharfe Abgrenzung nicht möglich ist.
a) Zunächst sind die Wärmespannungen zu nennen, die dann entstehen, wenn
ein Körper, insbesondere auch das Gebirge, an verschiedenen Stellen verschieden
stark erwärmt oder abgekühlt wird. Als Ursachen von Wärmespannungen seien
die Abkühlung magmatischer Gesteine oder die Erwärmung von Gesteinen, die
früher eine Eisbedeckung aufwiesen, erwähnt.
b) An zweiter Stelle sind die tektonischen Eigenspannungen anzuführen, die sich
aus der Entstehungsgeschichte des Gebirges erklären lassen. Sie bleiben im Gebirge
zurück, wenn eine vorher wirksam gewesene Belastung verschwindet. Voraus-
setzung für ihr Auftreten ist aber, daß durch die vorherige Belastung in einzelnen
Teilen des Gebirges eine überschreitung der Elastizitätsgrenze erfolgt ist. In
diesen Gebirgsteilen ist dann außer einer elastischen auch eine plastische Ver-
formung erfolgt. Wenn die Belastung verschwindet, dann sinkt aber die Form-
änderung nicht auf den plastischen Anteil ab, sondern es bleiben darüber hinaus
Nachdehnungen bestehen, die sich aus dem Zusammenhang des Gebirges ergeben.
Einzelne Gebirgsteile können sich ja nicht unabhängig von ihrer Umgebung ver-
formen und aus diesem Zwang folgt, daß die Nachdehnungen Eigenspannungen
zur Folge haben, die Nachspannungen oder Restspannungen genannt werden.
Um dies zu erläutern sei folgender Fall erwähnt: Die Erdkruste besteht aus Schol-
len, die durch Bruchflächen getrennt auf einer plastischen Unterlage ruhen. Aus
Gründen der Isostasie weiche in der parallel zur Erdoberfläche verlaufenden Fläche
OD die Unterlage zurück (Abb. 27), so daß in dieser Fläche die radial gerichtete
4 Kastner, Statik
50 11. Der primäre Spannungszustand des Gebirges
Reaktion geringer wird als dem Gewicht der überlagerung entspricht. Dann ist
der Unterschied zwischen dem Gewicht und der Auflagerreaktion in CD als
äußere Kraft anzusehen. Unter ihrer Wirkung bildet sich über der Fläche CD ein
Entlastungsgewölbe, in dem tektonische Spannungen auftreten, die zum Teil
elastische, z. T. plastische Verformungen zur Folge haben. Wenn die Unterlage
nach einiger Zeit wieder voll wirksam wird, z. B. dadurch, daß die Verspannung
wegen Nachgiebigkeit der Widerlager des Gewölbes verschwindet, dann werden
die plastischen Verformungen nicht rückgebildet, und es treten Nachdehnungen
und somit auch tektonische Nachspannungen auf.
Die aufgezählten thermischen und tektonischen Ursachen für das Auftreten
von Eigenspannungen sind nicht die einzigen. Man denke nur an die durch das
Schwellen der Tone oder des Anhydrits hervorgerufenen Spannungen.
Die dargelegten Begriffe Eigenspannungen, Wärmespannungen, N achspan-
nungen bzw. Restspannungen sind in der Festigkeitslehre eindeutig definiert; es
empfiehlt sich daher, sie auch bei geologischen Betrachtungen zu verwenden und
nicht neue Bezeichnungen einzuführen, wodurch die Verständigung erschwert
wird.
Bei der Beurteilung aller Eigenspannungen darf nicht übersehen werden, daß
die Begrenzung eines Körpers in der Erdkruste gewisse Schwierigkeiten bereitet.
Man kann das Bestehen von Eigenspannungen nur dann feststellen, wenn bei
einer späteren Wiederbelastung eine Spannungssteigerung eintritt, die zu bleiben-
den Formänderungen oder zum Bruch führt, wobei diese Grenze früher erreicht
wird, als dann, wenn keine Eigenspannungen vorhanden wären. Das typische
Beispiel dafür ist in manchen Fällen das Auftreten von Bergschlägen.
Das Problem der Eigenspannungen ist sehr schwierig und selbst bei Körpern,
deren Festigkeitseigenschaften gut bekannt sind, nur in wenigen Sonderfällen
als gelöst anzusehen [32]. Man wird daher über die Größe der Eigenspannungen
nichts aussagen können. Dazu tritt aber noch der besondere Umstand, daß die
elastische Nachwirkung und das Kriechen des Gebirges zu berücksichtigen sind,
die im Laufe der Zeit einen Abbau der Eigenspannungen zur Folge haben. Theo-
retische Untersuchungen über die letzteren Vorgänge sind nur unter besonderen
Voraussetzungen möglich. Einiges darüber wird bei der Behandlung des Druck-
stollen- und Druckschachtproblems gebracht werden.
Die tektonischen Restspannungen sind demnach so zu erklären, daß die
Energie von früheren und zum Stillstand gekommenen Krustenbewegungen auf-
gespeichert wurde. Dazu muß gesagt werden, daß Energie mechanisch nur durch
elastische Verformungen gespeichert werden kann, während plastische Verfor-
mungen nach ihrem Abschluß vollzogen sind, wobei die aufgewendete Energie
in Form von Wärme abgeführt wurde und nicht mehr rückbildungsfähig ist.
Restspannungen sind in der Erdkruste zweifellos vorhanden gewesen, ob sie aber
im Laufe von geologischen Zeiträumen erhalten geblieben sind, muß als fraglich
bezeichnet werden. Ein wesentlicher Teil davon wird durch elastische Nachwir-
kung und Kriechvorgänge abgeklungen sein. Dem Auftreten von Restspannungen,
die von früheren tektonischen Vorgängen herrühren, dürfte also, wenn überhaupt,
keine große Bedeutung zukommen. CLAR äußert seine Meinung zu dieser Frage
wie folgt [21]:
"Lebendige Vorgänge sind auch möglich, wenn wir von Restspannungen im Gebirge sprechen
und dabei im allgemeinen nicht unterscheiden können, ob es sich um eine Aufbewahrung
elastischer Verformungen aus früheren Stadien handelt."
FREy-BÄR schreibt darüber [36c]:
"Zu den Spannungen aus dem Überlagerungsdruck gesellen sich manchmal noch Rest-
spannungen, welche von der Gebirgsauffaltung oder von anderen Vorgängen in der Erdkruste
herrühren. Diese Restspannungen haben aber nur untergeordnete oder ganz lokale Bedeutung.
Sie fehlen in weichen Gesteinen praktisch völlig, weil im Verlaufe der Zeit einzelne Spannungs-
spitzen durch die Kriechfähigkeit des Gesteins abgebaut werden."
21. Tektonische Kräfte und Spannungen 51
4*
52 H. Der primäre Spannungszustand des Gebirges
eh
g
+ Ph) =
= E.!:-. (Ph - J1v m
g
0. (2)
Die SeitendruckzifIer ist also gegeben, wenn man die POISsoNsche Zahl des
Gebirges kennt. Ihre Bestimmung ist aber, wie bereits beschrieben wurde, nur
schwer möglich; am ehesten besteht noch Aussicht, einen brauchbaren Wert
hierfür durch seismische Beobachtungen zu erhalten (s. Abschn. 9). Liegen solche
nicht vor, dann muß man sich mit einer Schätzung begnügen, wofür die nach-
stehenden Tabellenwerte einige Anhaltspunkte liefern.
Ferner sei daran erinnert, daß sich aus seismischen Messungen ein für die
Erdkruste geltender Mittelwert der POISsoNbchen Zahl von m g = 3,7 ergeben
hat (Abschn.9). Daraus folgt eine durchschnittliche SeitendruckzifIer von .1. 0
= 1 :2,7 = 0,37. REICH [111] hat diesen Wert von m g bestätigt und für die Erd-
kruste eine mittlere POISsoNsche Zahl von m g = 1: 0,28 = 3,57 errechnet,
woraus die SeitendruekzifIer zu .1. 0 = 1 : 2,57 = 0,39 folgt.
54 Ir. Der primäre Spannungszustand des Gebirges
Die Beziehung GI. (3) zwischen der Seitendruckziffer Ao und der POISsoNschen
Zahl ist oft mißdeutet worden, weil man die Grenzen ihrer Gültigkeit nicht be-
achtet hat. Die PorssoNsche Zahl ist ein, die elastischen Eigenschaften beschrei-
bender, unveränderlicher Wert. Seine Konstanz steht mit jener des Elastizitäts-
moduls in unmittelbarem Zusammenhang; sie gilt aber naturgemäß nur für den
elastischen Bereich der Verformungen bzw. im elastoplastischen Bereich für den
elastischen Anteil davon. Es ist daher angezeigt, bei Auftreten von plastischen
Verformungen für deren Gesamtausmaß nicht mehr von einer POISsoNschen
Zahl für die seitlichen Verformungen zu sprechen. Keinesfalls aber soll man dann
aus der gesamten seitlichen Verformung einen Wert dafür herleiten wollen.
Auf den primären Spannungszustand im Gebirge übergehend, besagen diese
Überlegungen, daß der Zusammenhang zwischen der Seitendruckziffer und der
PorssoNschen Zahl gemäß GI. (3) nur im elastischen Bereich gültig ist.
Die größte Hauptdruckspannung ist im Gebirge im allgemeinen lotrecht ge-
richtet. Diese Regel kann aber häufig durch Rückwirkungen, die sich aus der
Geländeform ergeben und durch tektonische Spannungen gestört sein. Wenn
aber infolge von tektonischen Störungen auch im elastischen Bereich die Seiten-
druckziffer nicht dem aus der PorssoNschen Zahl hergeleiteten Wert entspricht,
so ist damit nichts gegen die Gesetzmäßigkeit gemäß GI. (3) gesagt. Wenn man
beispielsweise festgestellt hat, daß in einer Kraftwerkskaverne in den snowy
mountains die primären waagrechten Pressungen im Gebirge um 20% größer
waren als die lotrechten Druckspannungen [142a], so ist das nur ein Beweis für
das Bestehen von tektonischen Spannungen, nicht aber ein solcher gegen die
Gesetzmäßigkeit des elastischen Verhaltens. Physikalische Gesetzmäßigkeiten
können nicht dadurch ausgeschaltet werden, daß man ihre Störung durch fremde
Wirkungen gegen sie ins Treffen führt. Im übrigen wird durch die im Kap. IV
wiedergegebenen Beobachtungstatsachen über den echten Gebirgsdruck die
überragende Bedeutung des lotrechten Druckes der Überlagerung dadurch be-
stätigt, daß mäßige Gebirgsdruckerscheinungen und Bergschläge mit großer
Regelmäßigkeit an den Ulmen auftreten.
Infolge des Umstandes, daß die Zusammendrückbarkeit des Gebirges im
lotrechten Sinn durch die Verhinderung der Seitendehnung beeinträchtigt wird,
ergibt sich im elastischen Halbraum für das Verhältnis der Pressung Pv zur
Dehnung Cv ein höherer Wert des so definierten Elastizitätsmoduls. Es muß aber
festgehalten werden, daß dieses Verhältnis im Gegensatz zum Elastizitätsmodul
schlechthin (YouNGscher Modul) nur ein fiktiver Elastizitätsmodul E, ist, weil ja
der YouNGsche Modul für den einachsigen Spannungszustand bei vollständig
freier seitlicher Dehnmöglichkeit festgelegt ist. Nachdem hierüber nicht selten
widersprechende Auffassungen bestehen, soll diese bekannte Tatsache durch
Herleitung des Wertes des scheinbaren Elastizitätsmoduls erhärtet werden.
Die lotrechte Zusammendrückung Cv eines Einheitswürfels, der aus dem
elastischen Halbraum herausgeschnitten gedacht ist, hat in den waagrechten
Flächen die Spannung Pv und in den lotrechten Seitenflächen die waagrechten
1
Pressungen Ph = AOPv = - - 1 Pv zu tragen. Die lotrechte Zusammenpressung
beträgt daher m -
g
(4)
Hieraus folgt der scheinbare Elastizitätsmodul für den elastischen Halbraum bei
lotrechter Belastung zu
E - E mg{mg - 1) (5)
J - g (mg + 1) (mg - 2)'
24. Grenze zwischen dem elastischen und latent-plastischen Bereich der Erdkruste 55
ermitteln.
In der nachstehenden Tab. 6 wird der Zusammenhang zwischen der POlS-
sONschen Zahl des Gebirges m g , der Seitendruckziffer "'0 und dem Winkel (Je =
+ .1:
1-),
arcsin 1. dargestellt.
Tabelle 6. Zusammenhang zwischen der Poissonschen Zahl des Gebirges m g , der Seitendruck
ziffer .10 und dem Winkel (!e
. 1 - ..,
mg "'~ _1_
m g - 1 sm Qe ~ 1 + ", Qe
Die Gerade G ist aber mit wachsender Tiefe unter der Erdoberfläche nicht
unbegrenzt anwendbar. Der elastische Zustand geht in den latent-plastischen
über, wie die nachfolgenden Überlegungen zeigen. Trägt man im Diagramm
Abb.28 die MOHRsehe Grenzlinie C ein, so ergibt sich ein Schnittpunkt S der
Geraden G und der Grenzlinie C. Der Kreis K g , welcher sowohl die Gerade G als
auch die MOHRsche Grenzlinie C berührt, kennzeichnet den Spannungszustand
und damit die überlagerungshöhe, wo der elastische Zustand des Gebirges in den
latent-plastischen übergeht. Der Spannungskreis K e in der Abb. 28 gilt beispiels-
weise für den elastischen Bereich, der Kreis K p für den plastischen Bereich. Der
übersichtlichkeit halber ist im Diagramm auch der der einachsigen Gebirgsdruck-
festigkeit aga entsprechende Spannungskreis K a eingezeichnet. Man erkennt
daraus, daß die Grenzspannung a gg zwischen elastischem und latent-plastischem
56 H. Der primäre Spannungszustand des Gebirges
Bereich viel größer ist, als die einachsige Gebirgsdruckfestigkeit (lgd' und daß
deshalb auch die Überlagerungshöhe, die für die Grenze zwischen dem elastischen
und dem latent-plastischen Bereich gilt, viel tiefer liegt als HEIM bekannt sein konnte.
Dies ist auch der Grund, weshalb seine dem Wesen nach richtige und geniale
Auffassung vom latent-plastischen Verhalten des Gebirges mißverstanden wurde
und eine zahlreiche Gegnerschaft auf den Plan rief.
Die Lage des Kreises K g und damit die Größe der Normalspannung ägg hängt
von der Form der Grenzkurve 0 und von der Neigung der Geraden G ab. Weil
aber die Grenzkurve 0 allem Anschein nach eine waagerechte Asymptote besitzt
[97], ist ein Schnittpunkt S und damit der Grenzkreis K g unter allen Umständen
vorhanden.
Die Grenzkurve 0 gilt im Sinne der Darlegungen des Abschn. 13 unter der
theoretischen Voraussetzung eines unvermittelten überganges der elastischen in
die plastischen Verformungen, wie sie in Abb.21 dargestellt wurde. Ein solch
schroffer Übergang ist aber nicht vorhanden, sondern die plastischen Erschei-
nungen beginnen bereits bei der überschreitung der Elastizitätsgrenze. Für den
Beginn der plastischen Verformungen hat man also im MOHRSchen Diagramm
eine Grenzlinie 0' anzunehmen, wie sie in Abb. 28 durch eine strichlierte Linie
angedeutet wurde. Sobald ein Spannungskreis diese Linie berührt, ist bereits
mit dem Eintreten von bleibenden Verformungen zu rechnen.
Die plastische Verformung entwickelt sich im Erdinneren gegen freie Ober-
flächen hin, sofern solche vorhanden sind, also gegen Spalten und sonstige Hohl-
räume im Gebirge. In einer Tiefenlage, die der Grenze des latent-plastischen Zu-
standes entspricht, werden daher alle Klüfte im Gebirge geschlossen sein und keine
Hohlräume mehr bestehen.
Unter Drücken einer Gesteinsschicht von 12 km und mehr Dicke muß sich das
Innere der Erde verhalten wie eine zähe Flüssigkeit [45]. Es wird sodann unmög_
lich, einen Unterschied zwischen festem und flüssigem Zustand zu machen.
Steinsalz quillt bereits unter einer 1 km mächtigen Gesteinsschicht in Spalten
empor [138d]. HOSKINS berechnet, daß leere Spalten bis zu 6520 m, mit Wasser
gefüllte Klüfte aber bis zu 10350 m offen stehen können. Die Genauigkeit, mit
der er dies getan hat, darf nicht stören.
Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß sich von einer bestimmten
Tiefe unter der Erdoberfläche beginnend, das Gebirge in latent-plastischem Zu-
staQd befindet. Diese erstmals von HEIM vertretene Auffassung kann heute kaum
mehr bestritten werden.
+0"
Abb. 29. Einfluß der durch Gesteinsschieferung gegebenen Anisotropie auf den primären Spannungszustand
des Gebirges
Sofern keine Scherfestigkeit angenommen werden kann, bleibt nur die Reibung
übrig, die sich aus der Unebenheit der vorgebildeten Gleitflächen ergibt.
Um den Einfluß der Anisotropie des Gebirges auf seinen primären Spannungs-
zustand zu untersuchen, wird ein geschiefertes Gebirge betrachtet. Seine Eigen-
schaften seien dadurch gekennzeichnet, daß parallel zu den Schieferungsflächen
keine Scherfestigkeit besteht, und daß in diesen Flächen der Winkel des inneren
Gleitwiderstandes kleiner ist als in allen anderen Flächen. Der lotrechte
Uberlagerungsdruck sei Pv = yuh und der waagerechte p" = Aoyuh. Hierbei sei
der Einfachheit halber angenommen, daß trotz der Schieferung Isotropie hin-
sichtlich der POIssoNschen Zahl besteht. In der Abb. 29 ist der dieser Beanspru-
chung zugehörige Spannungskreis eingezeichnet. Die als Gerade G angenommene
MOHRSche Grenzlinie gilt für alle Flächen, mit Ausnahme der Schieferungsflächen.
Sie ist durch die einachsige Druckfestigkeit des Gebirges und durch den Winkel
des inneren Gleitwiderstandes (lu bestimmt. In den Schieferungsflächen ist voraus-
setzungsgemäß keine Scherfestigkeit vorhanden, weshalb die dafür geltende
Grenzlinie G1 durch den Ursprung des Spannungsnetzes geht und unter dem
Winkel (lgl gegen die Spannungsachse geneigt ist. (lgl ist den getroffenen Annahmen
58 11. Der primäre Spannungszustand des Gebirges
entsprechend kleiner als {!g. Der Pol des dargestellten Spannungszustandes ist der
Punkt P. Wenn die Schieferungsflächen unter dem Winkel ±ßmin oder ±ßmax
gegen die Waagrechte geneigt sind, befindet sich das Gebirge im plastischen
Grenzzustand. Für Neigungswinkel IßI< ßmin oder IßI > ßmax ist das ungestörte
Gebirge im elastischen Zustand. Die Winkel ±ßmin und ±ßmax geben die Grenze
jener Winkelbereiche für die Neigung der Schieferungsflächen an, für die im un-
gestörten Gebirge primär ein latent-plastischer Zustand herrscht. Der durch die
Punkte Ql und Q2 festgelegte Winkel ± ßopt gibt das den latent-plastischen Zu-
stand am stärksten begünstigende Einfallen der Schieferungsflächen an.
Um dieses Verhalten analytisch zu verfolgen, wird mit Hilfe von Abb. 29 der
Ansatz
Äoygh _ sin (ßmax,rrrln - egl)
y gh(1 - Äo) cos ßmax,mJn - sin egl
(7)
führt. Der Winkelbereich ßmax - ßmin ist also im gegebenen Falle, wo die Scher-
festigkeit des Gebirges (Kohäsion) in den Schieferungsflächen vernachlässigt
wurde, nur vom Winkel des inneren Gleitwiderstandes in den Schieferungsflächen
{!U1 und von der Seitendruckziffer ;'0 abhängig.
An einem. Beispiel, wo für (]gl = 30° gewählt wurde, zeigt sich, daß für
wachsende Werte von ;'0 der Winkelbereich ßmax - ßmin schrumpft und für
;'0 = 0,49 verschwindet. Dies ist ein Zeichen dafür, daß nur für Werte der Seiten-
druckziffer ;'0 > 0,49 primär elastisches Verhalten des geschieferten Gebirges
möglich ist. Das Ergebnis dieser Untersuchungen wird bei der Behandlung des sekun-
dären Spannungszustandes im Gebirge und bei der Frage der Bemessung ver-
wertet werden.
Diese Darlegungen sind eine Bestätigung des bekannten Umstandes, daß der
primäre Spannungszustand des Gebirges in Berglehnen durch die Anisotropie
stark beeinflußt werden kann. Bei einseitig talwärts gerichtetem Fallen von
Schichtfolgen kann eine Abhängigkeit des überlagerungsdruckes von der Neigung
der Schichten bestehen. übersteigt der Neigungswinkel ß einen bestimmten Be-
trag (Abb.29), dann ist der überlagerungsdruck nicht lotrecht gerichtet und seiner
Größe nach nicht 'J'gh sondern schräg und beträgt 'J'gh:sinß.
(9)
ausgedrückt werden, wobei die Größe ;'0 die Seitendruckziffer (Ruhedruckziffer)
ist. Die Bezeichnung Ruhedruckziffer ist in der Bodenmechanik gebräuchlich.
26. Der primäre Spannungszustand im kohäsionslosen Lockergebirge 59
Sie soll daher auch für das Lockergebirge Anwendung finden, während für den
Fels die Bezeichnungsweise Seitendruckziffer beibehalten wird. Diese wichtige
Größe ist theoretisch nicht bestimmbar, sie muß auf experimentellem Wege er-
mittelt werden. Nur Grenzwerte können dafür angegeben werden, die allerdings
nicht sehr weit gespannt sind. Als Richtlinie mögen die nachstehend angeführten
Werte dienen:
T = atan(!g (10)
festgelegt; damit sind aber auch die Grenzwerte für die Ruhedruckziffer Ao ge-
geben. Im MOHRschen Diagramm wird die Beziehung GI. (10) durch eine Gerade
dargestellt, die unter dem Winkel (!g gegen die Abszissenachse geneigt ist. Wenn
man einen Spannungszustand (Pv, Ph) betrachtet, dessen Spannungskreis die
Grenzlinie weder schneidet noch berührt, so soll der dadurch gekennzeichnete
Zustand des Lockergebirges als elastisch bezeichnet werden. Mit dieser Bezeich-
nung soll aber keinesfalls eine Gesetzmäßigkeit zwischen Spannung und Dehnung
ins Auge gefaßt, sondern nur zum Ausdruck gebracht werden, daß eine infinitesi-
male Änderung der Spannungen nur eine unendlich kleine Verformung zur Folge
hat. Im Gegensatz dazu soll der plastische Zustand des Lockergebirges dadurch
gekennzeichriet sein, daß bei einer unendlich kleinen Vermehrung der lotrechten
Hauptspannung Pv oder Verminderung der waagrechten Hauptspannung Pli eine
bleibende Verformung eintritt. Dieser Fall ist im MOHRschen Diagramm dadurch
gekennzeichnet, daß der Spannungskreis die Grenzlinie berührt; wird also durch
den Spannungskreis K a dargestellt. Aus der Abb.30 geht hervor, daß es eine
zweite Art des plastischen Zustandes gibt, wo Pli größer ist als Pv. In diesem Falle
führt eine Vergrößerung von Ph oder eine Verkleinerung von Pv den plastischen
60 II. Der primäre Spannungszustand des Gebirges
Zustand des Lockergebirges herbei. Die durch die Spannungskreise K a und K p ge-
kennzeichneten Spannungszustände stellen den RANKINEschen Spannungs-
zustand dar.
rP7r. ",
I I
:. : p7J-T==--';
:--tlRaJ--..l
:. (1)-~--'
Abb. 30. Zur Kennzeichnung des RANKINEBchen Spannungszustandes im kohäsionslosen Lockergebirge. (Die
Abb. 30, gültig für den RANKINEschen Spannungszustand, wurde auch für jenen im.kohäBionslosen Lockergebirge,
gegeben durch P. und PA, herangezogen)
Ä
Ra
= 1 - sin!!g =
1 + sin!!g
tan2 (45 0 - !!o)
2,
(11)
Ä
Rp
= 1 + sin!!11
1 - sin!!g = tan 2 (45
0
+ !!;).
Diese Beziehungen lassen sich aus dem MOHRSchen Diagramm (Abb.30) in der
bekannten Weise herleiten. Die Größen ÄRa und ÄRP gelten für den Grenzzustand
des Gleichgewichtes im kohäsionslosen Lockergebirge und geben daher gleich-
zeitig die Grenzen für die Ruhedruckziffer Äo an, d. h. Äo muß größer sein als ÄRa
und kleiner als ÄRp '
Jede plastische Durchbewegung des Gebirges ist durch innere Gleitungen ge-
kennzeichnet, welche seine bleibende Formänderung herbeiführen. Die Gleit-
flächen sind im allgemeinen gekrümmt; nur für den RANKINEschen Sonderfall ver-
laufen sie eben. Die Gleitflächenrichtungen, gegeben durch die Geraden Ga und Gp ,
sind aus dem MOHRschen Spannungskreis unmittelbar ablesbar.
steht oder gestanden hat. Die oberste Schicht der Lehm- oder Tonböden besitzt
lufterfüllte Hohlräume und weist daher Krümelstruktur auf. In tiefen Schichten,
die für den Tunnel- und Stollenbau in Betracht kommen und wo größerer Druck
der überlagerung herrscht, sind die Poren der kontinentalen Ton- und Lehmmassen
luftfrei und mit Wasser gefüllt. Es ist also im allgemeinen anzunehmen, daß in
solchen Massen, die seit geologischen Zeiträumen unter unv,eränderlichem Druck
stehen, das Porenvolumen dem überlagerungsdruck entspricht, womit auch die
aus dem Druckporenziffer-Diagramm sich ergebende Porenziffer gegeben und
damit die Konsistenzform festgelegt ist.
Jede Druckänderung hat eine Änderung des Porenvolumens und damit eine
Strömung des Porenwassers zur Folge. Diese Strömung erfolgt mit Rücksicht
auf die außerordentlich geringe Durchlässigkeit der Ton- oder Lehmmassen sehr
langsam, insbesondere dann, wenn der freie Abzug des überschüssigen Wassers
behindert ist, so daß die Möglichkeit besteht, daß örtliche Bereiche trotz großer
Tiefenlage auch heute noch in einer plastischen Konsistenzform angetroffen
werden. Ganz besonders gilt dies dann, wenn ausgedehnte, mit Lehm- oder Ton-
massen gefüllte Felshohlräume angefahren werden, wo sie auch in größerer Tiefe
unter der Erdoberfläche nur unter geringem Druck, meist auch unter Wasser
stehen, so daß ihre Zustandsform weichplastisch oder gar zähflüssig sein kann.
Solche Vorkommen überraschen den Tunnel- oder Stollenbau dann mit Schlamm-
einbrüchen. Auch wenn die Tonmassen steifplastisch sind, erfordern sie
besondere Maßnahmen. Sie stören den Arbeitsfortschritt, weil sie beim Ausbruch
eine Umstellung der Bauweise und bei den Auskleidungsarbeiten eine konstruk-
tive Sonderbehandlung notwendig machen.
KapitelIII
wendig ist; dann kann eine Getriebezimmerung vermieden bleiben. Ein Sonder-
fall liegt im bindigen Gebirge vor, wo der Hohlraum gleichfalls oft kurze Zeit
ohne Ausbau belassen werden kann; unter dieser Voraussetzung werden die zu
erwartenden Schwellerscheinungen behandelt.
Wenn der primäre Spannungszustand des Gebirges elastisch war, bestehen
für den sekundären,. also nach der Durchörterung im vorerst unverkleideten
Gebirge auftretenden Spannungszustand zwei Möglichkeiten. Entweder der Zu-
stand bleibt elastisch, dann gelten für die statische Beurteilung die Gesetze der
Elastizitätstheorie ; das Gebirge ist, abgesehen von Auflockerungserschei-
nungen, standfest. Wenn aber nach der Durchörterung die Druckfestigkeit des
Gebirges überschritten wird, dann treten sekundär plastische Erscheinungen auf.
Nur bei bindigem Gebirge ist dann ein bruchloser Fließvorgang bei jeder Be-
lastung möglich. Bei festem Fels bildet der plastische Vorgang im weiteren Sinn
des Wortes, der mit Brucherscheinungen verbunden ist, die Regel. Pseudofeste
Gesteine nehmen eine Zwischenstellung ein.
Die im Gebirge auftretenden plastischen Vorgänge, die meist mit Brucherschei-
nungen Hand in Hand gehen, lassen sich mit dem landläufigen Begriff der Plasti-
zität nicht vereinbaren. In der angewandten Mechanik bezeichnet man mit dem
Ausdruck plastisches Fließen die fortlaufende Verformung bei gleichbleibendem
Spannungszustand. Das plastische Fließen ist insbesondere bei höheren Be-
lastungen mit Strukturstörungen verbunden. Dies gilt für kleine Probekörper
ebenso wie für das Gebirge, wobei der Modellmaßstab zu berücksichtigen ist.
Das Auftreten von Brucherscheinungen soll daher kein Hindernis sein, von pla-
stischen Vorgängen zu sprechen. Ganz ähnliche Überlegungen gelten in der Boden-
mechanik. Wenn der Spannungskreis die MOHRsche Grenzlinie berührt, löst eine
geringe Steigerung der größten oder Verminderung der kleinsten Hauptspannung
eine fortlaufende Verformung aus, die man auch bei kohäsionslosem Lockergebirge
als plastisches Fließen bezeichnet [144 b], obwohl beispielsweise ein solches Ge-
birge keineswegs als plastisch im gewöhnlichen Sprachgebrauch anzusehen ist.
Es ist der Vorschlag gemacht worden, für das plastische Verhalten des Ge-
birges, das mit Bruchvorgängen verbunden ist, die Bezeichnung pseudoplastisch
anzuwenden, doch scheint dies bei der Behandlung der geomechanischen Probleme
des Tunnel- und Stollenbaues ebensowenig nötig zu sein, wie in der Bodenmecha-
nik.
Betons öffnen und damit im gleichen Sinn wirken. Beim ebenen Formänderung8-
zU8tand erfolgen alle Verschiebungen in einer senkrecht zur Tunnel- oder Stollen-
achse verlaufenden Querschnittsebene. Um dies zu erzwingen, sind senkrecht zu
den Querschnittsebenen Spannungen notwendig, und es liegt ein dreiachsiger
Spannungszustand vor. Ein solcher wurde im Gebirge auch bei der Ermittlung der
Seitendruckziffer anläßlich der Betrachtung des primären Spannungszustandes
angenommen (Absehn. 23). Ein ebener Formänderungszustand ist an die Bedin-
gung der Kontinuität sowohl des Gebirges als auch der Ausmauerung gebunden.
Offene Spalten des Gebirges und Ringfugen der Auskleidung unterbrechen sie.
In Wirklichkeit ist also
keiner der beiden Idealfälle,
weder der ebene Span-
nungszustand noch der
ebene Formänderungszu-
stand, gegeben. Die Span-
nungen, die senkrecht zu
den Querschnittse benen wir- c
ken' sind aber meist nicht
von Interesse, weshalb
die elastizitätstheoretische
Behandlung der Aufgaben
des Tunnel- und Stollen-
baues der Einfachheit hal-
ber unter der Vorausset-
zung eines ebenen Span- /
nungszustandes erfolgt. Et- I
I
selten auftreten, ist die getroffene Maßnahme zweckmäßig. Sie ist im übrigen
immer dann gebräuchlich, wenn Zugspannungen einen Ausnahmefall bilden und
besonders ins Auge springen sollen, so z. B. bei der statischen Berechnung von
Betonstaumauern.
Um eine Beziehung zwischen den elastischen Spannungen und der Verschie-
bung an irgendeiner Stelle des Rohres herzustellen, wird eine kreisringförmige
Lamelle betrachtet, deren innerer Halbmesser r ist und deren Dicke dr beträgt.
Wegen der herrschenden Drehsymmetrie gelten die in radialer Richtung auf-
gestellten Beziehungen für jeden Punkt der Lamelle. Unter dem Einfluß der auf
die Mantelflächen des Rohres wirkenden Druckspannungen erfährt der Innen-
rand der Lamelle eine Verschiebung u und der Außenrand eine solche u +
du.
Die Dicke der Lamelle, die ursprünglich dr betrug, erfährt daher eine Änderung
vom Ausmaß du.
Die Dehnung in tangentialer Richtung ergibt sich entsprechend der Größe
des Umfanges der Lamelleninnenseite, während die radiale Dehnung aus der
Abb. 31 b unmittelbar ablesbar ist. Die elastischen Dehnungen betragen daher
du U
Er = dr' Et = r. (1)
Er = ~
E (u -~)
r m
(2)
Et = E1 ( (Jt -
ar ) .
m
Wenn man nun die Formänderungsgrößen gemäß GI. (1) in die GI. (2) einsetzt,
erhält man für die Spannungen die Ausdrücke
Ur =
Em
m2 _
(dU
I m
U)
dr + r
(3)
(Jt
Em
= m2 _ 1 dr
(dU + m rU) .
Nunmehr wird aus der Lamelle mit der Dicke dr ein Element herausgeschnitten,
das den Zentriwinkel drp aufweist. Die Gleichgewichtsbedingung für dieses Ele-
ment liefert eine Beziehung zwischen den Spannungen Ur und (Jt in der Weise,
daß die Resultierende aus den beiden Tangentialkräften (J, dr der Differenz aus
den radial wirkenden Kräften gleichgesetzt wird. Damit erhält man die Beziehung
u, = -----ar
8 (ar r)
. (4)
In diese GI. (4) werden nun die Spannungen gemäß GI. (3) eingesetzt, womit man
nach einigen Umformungen die 'Differentialgleichung für die radiale Verschie-
bung u erhält; sie lautet
(5)
u
o
= Br +-. (6)
r
30. Elastizitätstheorie des dickwandigen Rohres 65
Hieraus folgt
(7)
du _ B _!:!...
dr - rZ •
Die Werte gemäß GI. (7) werden nun in die GI. (3) eingesetzt, womit man die
Abhängigkeit der Spannungen vom Radius r erhält.
(Ir = mZEm
_ 1 [ (m + 1) B - (m - C]
1) 1=2
(8)
(II = mZEm
_ 1 [ (m + 1) B + (m - C] .
1) 12
Diese beiden GI. (8) sollen zunächst dazu benützt werden, die zwei Integrations-
konstanten Bund 0 zu ermitteln; hierfür dienen die Grenzbedingungen
r = ri,
(9)
(Ir = Pa'
womit sich folgende Werte der Integrationskonstanten ergeben
m -1 1
B = Em aZ _ 1 (Paa 2 - Pi)
(10)
Die in GI. (10) eingeführte Hilfsgröße a soll das Verhältnis des Außenradius ra
zum Innenradius ri zum Ausdruck bringen.
(11)
Mit Hilfe der Integrationskonstanten B und 0 lassen sich nunmehr alle Span-
nungen und Formänderungen ausdrücken. Für die radiale Verschiebung u irgend-
eines Punktes des dickwandigen Rohres, dessen Halbmesser r ist, erhält man
zunächst .
_ m - 1 1 2 1 m + 1 r;
U - ~ a2 _ 1 (Pa a 1 - Pi) r ~ a2 _ 1 (Pa - +r Pt) . (12)
Die Verschiebung des Außenrandes U a ergibt sich aus GI. (12), wenn man statt r
den Halbmesser des Außenrandes r a einsetzt zu
r
ua = 1
-E ~1 {[m (a 2
ma -
- 1) + (m + 1)] Pa - 2mpi} . (13)
In der gleichen Weise erhält man für r = ri die Verschiebung des Innenrandes
(14)
Es bleiben nur noch die Spannungen zu ermitteln. Um sie möglichst einfach aus-
drücken zu können, wird die Hilfsgröße
(15)
5 Kastner, Statik
66 ill. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
(16)
(18)
2aB aB +1
Cfu = Pa aB _ 1 - Pi aB - 1.
Cfra = Pa
(20)
aB 1 + 2
Cf, a = Pa aB _ 1 - P. aB _ 1 .
Liegt eine unendlich ausgedehnte kreisförmig gelochte Scheibe vor, die nur an der
Lochwanduug durch den Druck Pi belastet ist, so gilt
ra = 00, IX = ra : r = 00, a = r a : ri = 00, (21)
Cfri = Pi
(22)
Von besonderem Interesse für die Gebirgsdrucklehre und für die Statik des Tunnel-
und Stollenbaues ist die Abhängigkeit des sekundären Spannungszustandes von
der Seitendruckziffer Ao. Es werden daher einige Sonderfälle behandelt, d. h. für
die Seitendruckziffer werden einige spezielle Annahmen getroffen, weil die dafür
geltenden Spannungswerte bei den späteren Untersuchungen benötigt werden.
a) Für Ao = 0, also für den einachsigen primären Spannungszustand, erhält man
(24)
Die Werte gemäß GI. (24) stellen jene Lösung dar, die KIRSCH 1898 auf Grund von.
Versuchsrechnungen gefunden hat. Es gelang ihm nämlich, durch Probieren den.
Ausdruck für die AIRysche Spannungsfunktion in der folgenden Form zu finden.
p r r
-i
2
F = 4v
IX
[1 - 2IX 2 (1 - IX 2)21n ~
IX
cos 2f(J]. (25)
Der Spannungszustand gemäß GI. (24) führt an den Ulmen, also für rp = 90°
und 270 0 zu einer Steigerung der tangentialen Randspannungen auf den Wert
5*
68 III. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
(Jt = 3pv' Dieses Ergebnis kann durch Einsetzen von .x = 1 in die GI. (24) ge-
wonnen werden, wonach sich die Spannungen wie folgt ergeben
(Jr = 0
(Jt = 3pv (26)
• =0.
über dem First und unter der Sohle treten tangentiale Zugspannungen auf.
Die Zugspannungsbereiche sind in der Abb. 33 eingezeichnet. Für den First ist
cp = 0, und die dort herrschenden Spannungen
betragen
(Jr = 0
(Jt = - Pv (27)
• = O.
(Jr = P (1 - .x2 )
Abb. 33. Bereich elastischer tangentialer
Zugspannungen fiber dem First und unter
der Sohle eines Stollenausbruches mit
(Je = P (1 + .x 2) (28)
kreisförmigem Querschnitt bei ausreichen-
der Zugfestigkeit des Gebirges • = O.
(Jr = 0
.=
(29)
o.
c) Ein dritter Sonderfall soll aus der Bedingung hergeleitet werden, daß im
First keine Zugspannungen auftreten, daß also für cp = O°,r = ra und .x = 1
die Bedingung gilt
(30)
(32)
.0 = o.
Sie sind in der Abb.34 dargestellt. Die Verschiebung des Scheitelpunktes im
First w wird in der Weise berechnet, daß man sie aus der Summe der lotrechten
Dehnungen eines über dem First liegenden lotrechten elementaren Streifens von
der Breite dx zusammensetzt. Ein Element dieses Streifens von der radialen Aus-
dehnung dr erfährt eine Dehnung Li dr , weshalb die bezogene Dehnung
Lldr dw 1 (_ 1 _ )
dr = er = 1fT = E g Gro - m g Gto (33)
beträgt. E g bedeutet den Elastizitätsmodul und m g die POIssoNsche Zahl des Ge-
birges. Für die Verformungen, die nach der Herstellung des Ausbruches entstehen,
70 In. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
sind die Unterschiede zwischen den primären und sekundären Spannungen maß-
gebend, die sich wie folgt ergeben
<1'0 = Pv - <1'0
(34)
Die Verschiebung des Ausbruchsrandes im Scheitel läßt sich dann wie folgt aus-
drücken
J f
00 00
Wenn man in diese Beziehung die Spannungen gemäß GI. 32 einsetzt, erhält man
00
- 2i;"m f {2Ao -
GO
g
[(1 + cx 2) (1 + .1. 0) - (1 - 3cx 4 ) (1 -Ao)]} dr. (36)
'd
Nach Durchführung der Integration und Einführung von .1. 0 gemäß GI. (3) im
Abschn.23
1
AO = ---
m g -
1
Der in GI. (37) aufscheinende zweite Bruch ist nur von m g abhängig. Sein Wert
wird für verschiedene Werte von m g in der nachfolgenden Tab. 7 zusammen-
gestellt.
Tabelle 7. Beiwerte zur Berechnung der elastischen Ver8chiebung de8 Firstes eines
kreisquer8chnittigen Stollen8 nach erfolgtem Ausbruch
2m; - 3m. + 1
111, ,1,
mg (mg - 1)
2 1,000 +1,500
3 0,500 +1,667
4 0,333 +1,753
5 0,250 +1,800
6 0,200 +1,833
7 0,167 +1,864
8 0,143 +1,878
00 0,000 +2,000
'Yg = 2,7 tm- 3 besitzen. Bei einer Überlagerungshöhe von 300 m ergibt sich daraus
eine primäre lotrechte Druckspannungvon Pv = 2,7 . 30 = 81 kgcm- 2 • Unter den
getroffenen Annahmen folgt die Senkung des Stollenscheitels zu
w = + 81200000
. 300
• 1,833 = 2,2 cm,
wobei der Wert 1,833 für m g = 6 aus der Tab. 7 entnommen wurde.
Bei größeren Ausbruchsquerschnitten, etwa bei Kavernen, wird es sich emp-
fehlen, auch die Verschiebung der firnen u bei der Entspannung des Gebirges zu
()'
Abb. 35. Primäre und sekundäre elastische Hauptspannungen in der waagrechten Querschnittsachse eines kreis-
querschnittigen Ausbruches zur Bestimmung der elastischen Verschiebung der Ulmen
untersuchen (Abb.35). Diese ergibt sich in ähnlicher Weise, wie früher bei der
Verschiebung des Firstscheitelpunktes zu
J J
00 00
Die Spannungen O"n und 0"'1 lassen sich aus GI. (23) herleiten, wenn man q; = 90°
setzt. Sie ergeben sich zu
(39)
Tl = o.
Nach Einsetzen dieser Spannungswerte in die GI. (38) und nach Durchführung der
Integration erhält man schließlich
ml- 4m" +1 (40)
m g (mg - 1)
72 1lI. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
Die ziffernmäßige Auswertung aes nur von mfl abhängigen Anteiles der Verschie-
bung u ergibt die in der nachfolgende Tabelle zusammengefaßten Werte:
Tabelle 8. Beiwerte zur Berechnung der ela8tißchen VerBChiebung der Ulmen eine8
krei8quer8chnittigen Stollens nach erfolgtem Ausbruch
m, I ~ I m; - 4m,+1
m, (mg -1)
2 1,000 +1,500
3 0,500 +0,333
4 0,333 -0,083
5 0,250 -0,300
6 0,200 -0,433
7 0,167 -0,524
8 0,143 -0,590
00 0,000 -1,000
Für mfl = 2 und Ao = 1, also für primär allseitig gleichen Druck Pt} = Pli im
ungestörten Gebirge sind die sekundär auftretenden Verschiebungen im First w
und an den Ulmen u, wie aus dem Vergleich der Tab. 7 und 8 hervorgeht gleich
groß, und sie erfolgen wegen ihres positiven Vorzeichens gegen den Ausbruchs-
hohlraum hin. Während aber, wie aus der Tab. 7 ersichtlich ist, die lotrechten Ver-
schiebungen des Scheitelpunktes w durchaus positiv bleiben, tritt bei den waag-
rechten Verschiebungen u der Ulmen ein Vorzeichenwechsel ein; er erfolgt für
m g = 3,732. Bei den praktisch in Betracht kommenden Werten von mfl > 3,732
tritt also eine elastische Verschiebung der Ulmen geg.en das Gebirge hin ein. Die
durch die Steigerung der Tangentialspannungen beim Ubergang vom primären zum
sekundären Gleichgewicht an den Ulmen hervorgerufenen Querdehnungen gegen
den Hohlraumausbruch hin reichen also nicht aus, um die Wirkung der zusätzlichen
Radialspannungen, die sich schon in geringer Entfernung vom Ausbruchsrand
einstellen, auszugleichen.
In der Abb. 35 sind die zusätzlichen Tangential- und Radialspannungen durch
Schraffierung gekennzeichnet.
Wenn man unter den gleichen Annahmen wie früher ein Beispiel rechnet, so
ergibt sich bei Benützung der Tab. 8 die Verschiebung der Ulmen zu
81 ·300
u = - 200000 ·0,433 = - 0·5 cm.
Sie entstehen, wie früher gezeigt wurde, nur dann, wenn "0< 1/3 oder m g > 4
ist. Die Erfahrung zeigt, daß Zugrisse im Gebirge parallel zur Tunnel- oder Stollen-
achse nicht auftreten bzw. nicht beobachtet wurden; daraus darf aber nicht der
Schluß gezogen werden, daß die Seitendruckziffer stets größer als 1/3ist. Die meist
vorhandene Klüftung des Gebirges und die durch die Sprengarbeiten verursachte
Auflockerung verbunden mit Brucherscheinungen verhindern vielmehr, daß das
Auftreten von Zugspannungen durch Rißbildung erkennbar ist.
Die elastischen Spannungen im Gebirge sind durch die GI. (23) gegeben. Für
die Begrenzung der Bereiche tangentialer Zugspannungen gilt die Bedingung
(Jt = 0, (41)
deren Auswertung die Gleichung für die Begrenzungslinie ergibt. Sie lautet
Diese Grenzlinie ist also nur von der Seitendruckziffer bzw. von der PorSSON- "0
schen Zahl des Gebirges m g abhängig. Für den Scheitel des Firstes, also für
cp = 0 gilt insbesondere
2;'0 0 (43)
3(1-;'0} = .
Die zu erwartende radiale Dicke der Zugspannungsbereiche d z in der lotrechten
Achse cp = 0 ist für die möglichen Werte von m g in der nachfolgenden Tab. 9
zusammengestellt, wobei als Ausbruchshalbmesser der Wcrt r a = 3 m gewählt
wurde.
rG
mg A, ao= - cJe(kgcm-') d.(m)
r
I I
4
5
6
0,333
0,250
0,200
1,000
0,897
0,854
°
-20,2
-32,4
°
0,34
0,51
7 0,167 0,815 -40,5 0,68
8 0,143 0,789 -47,0 0,80
9 0,125 0,767 -50,5 0,91
10 I 0,111 0,750 -54,0 1,01
Die durchgeführte Berechnung gilt nur unter der Voraussetzung, daß die
Zugzone mitwirkt, daß also das Gebirge Zugspannungen aufzunehmen vermag.
Um ihre Bedeutung beurteilen zu können, wurden auch die Tangentialzugspan-
nungen im Scheitelpunkt, also für cp = 0 und (xo = 1 berechnet und gleichfalls
in Tab. 9 aufgenommen. Hierfür gilt die Beziehung
Die Zugspannungen im Scheitel gemäß Tabelle 9 sind so groß, daß in vielen Fällen
die Zugzone nur teilweise mitwirken kann, woraus eine Verschiebung des Span-
nungsverlaufes folgt, die aber das Gesamtbild nicht entscheidend zu beeinflussen
vermag. Die durch das Entstehen von Zugrissen oder durch die geringe Öffnung
von Klüften unwirksam werdenden Teile der Zugspannungsbereiche besit~en ja
nur ein geringes Ausmaß, weil die Zugspannungen vom Ausbruchsrand weg rasch
abfallen (s. Abb. 33).
74 111. Der sekundäre SparulUngszustand des Gebirges
= const (45)
I
einer dem COULoMBschen
1 \ Gesetz entsprechenden ge-
°t-OI-i \ \ o raden Grenzlinie gerechnet
a 1-070-1 i I I\ I
f.--- (J'"tJ, --,..:I b
hat. Der Tunnelausbruch
1 9 1 at-tl;. \ I
kannin diesem zweiten Fall,
I ~-z-I--I sofern kein Einba uangeord-
I· l1t .1 I
net wird, nur durch den
\. ~ ·1
Kapillardruck stabilisiert
Abb. 36a u. b. Zur Herleitung der Plastizitätsbedingung bei vollkom-
mener Plastizität; a) das MOHll8che Diagramm; b) die SpannungS-
werden; bei dessen Aus-
Dehnungslinie schaltung würde sich der
Hohlraum schließen. Bei
den nachfolgenden Untersuchungen, die eine Erweiterung der eben dargelegten
Gedankengänge darstellen, wird vorausgesetzt, daß sich das Gebirge ursprünglich
im elastischen Gleichgewicht befand. Nachdem primär allseits gleicher Druck
herrschte, war dabei der innere Gleitwiderstand nicht in Anspruch genommen
worden, weil keine Schubspannungen vorhanden waren. Im MOHRSchen Span-
nungsdiagramm wird ein solcher Zustand durch einen Punkt auf der Spannungs-
achse dargestellt. Nach erfolgter Durchörterung verschwinden die Radialspan-
nungen amAusbruchsrand, während die Werte der dort herrschenden Tangential-
spannungen beträchtlich ansteigen. Diesem Anstieg ist aber durch die Druckfestig-
keit des Gebirges eine Grenze gesetzt. Wenn sie überschritten wird, bildet sich
rings um den Ausbruch eine plastische Zone aus, die dadurch gekennzeichnet ist,
daß in ihrem Bereich der innere Gleitwiderstand des Gebirges zur Gänze ausgenützt
ist; ob es bei plastischen Verformungen bleibt oder zu Brucherscheinungen kommt,
hängt von der Art des Gebirges ab. Für die nachfolgenden Untersuchungen möge
gelten, daß sich der Vorgang knapp unterhalb der Bruchgrenze (Punkt 0 in der
Abb. 36b) abspielt.
Vorerst sollen die Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt werden, die für den
plastischen Bereich ebenso Gültigkeit haben, wie beim elastischen Verhalten des
Gebirges. Die gestellte Aufgabe läßt es angezeigt erscheinen, Polarkoordinaten
34. Plastische Zonen bei großem Wert der Seitendruckziffer 75
anzuwenden (s. Abb. 32). Die aus den Gleichgewichtsbedingungen ermittelten
Ausdrücke für die Spannungen lauten [41]
1 82 F 1 oF
(J, = ;:2 oq;2 + ra;:
(46)
T = _ ~
Br
(! 8F).
r Bq;
T = O.
Damit ist aber die Aufgabe noch Abb. 37. Zur Herleitung der Plastizitätsbedingung bei gerat!-
nicht gelöst, d. h. die Gleichge- linigem Verlauf der MOHRSchen Grenzlinie
wichts bedingungen allein reichen
nicht aus, um den Spannungszustand zu beschreiben. Die Einführung der Am,Yschen
Spannungsfunktion eröffnet den Weg, die Spannungen zu bestimmen, wenn eine
weitere Bedingung gegeben ist. Für den elastischen Bereich gilt als solche der
durch das HooKEsche Gesetz definierte Zusammenhang zwischen den Spannungen
und Verformungen. Für die beabsichtigten Untersuchungen im plastischen Bereich
ist die Bedingung maßgebend, daß der innere GIeitwiderstand zur Gänze ausge-
nützt wird, daß also, wenn man die MOHRSche Hypothese anwendet, die Span-
nungskreise die Grenzlinie berühren.
Als Voraussetzung für die weitere Behandlung der Aufgabe soll, wie bereit"
im Abschn. 13 dargelegt wurde, ein unmittelbarer übergang vom ideal-elastischen
zum ideal-plastischen Zustand des Gebirges als geltend angenommen werden.
Ferner soll, nachdem es sich ja vor allen Dingen darum handelt, einen Einblick
in das Wesen der Erscheinungen zu gewinnen, angenommen werden, daß die
MOHRsche Grenzlinie für das Eintreten der plastischen Verformungen eine gerade
Linie ist. Diese Gerade sei durch die einachsige Gebirgsdruckfestigkeit (Jgd und den
Winkel des inneren GIeitwiderstandes I}g gegeben. (Jrp und (Jtp' die Radial- und
Tangentialspannungen im plastischen Bereich lassen sich unter diesen Annahmen
aus der MOHRSchen Hypothese ermitteln. Die aus der Abb. 37 ablesbare Plasti-
zitätsbedingung lautet
(48)
76 III. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
oder
a,p -
1
1
+ sineg
. a rp - agd -
_
O. (51)
- SIDe g
Bezeichnet man den nur vom Winkel des inneren Gleitwiderstandes (!g abhängigen
Koeffizienten von a rp mit
(52)
(55)
(56)
die in der ersten GI. (55) und in GI. (47) und (52) berücksichtigt, die Integrations-
konstante 0 1 ergibt
(57)
arp
= ~
i; - 1
[(':")C
r a
-1 _ 1]
(58)
34. Plastische Zonen bei großem Wert der Seitendruckziffer 77
<Tm = (1 _ r;22)
P
T 81 = O.
Hierzu treten, wie erwähnt, die Spannungen infolge einer an der kreisförmigen
Begrenzung mit dem Halbmesser r o wirkenden vorläufig unbekannten radialen
Pressung <Tro
r 2
<Tre2 = <Tro --;-
r
r 2
<Tte2 = - <Tro --"2
r
(60)
Die Zusammensetzung der Spannungen gemäß GI. (59) und (60) ergibt
Te = Tel + T e2 = o.
Aus der Bedingung, daß für die Grenze der plastischen Zone r =ro Gleichheit
der Spannungen bestehen muß, daß also
Wenn man die beiden GI. (63) addiert, verschwindet <Tro , und man erhält die
Beziehung
(64)
führt. In dem nachfolgenden Beispiel wird gezeigt, wie sich die Berücksichtigung
einer durch die Sprengarbeiten entstandenen Auflockerungszone auswirkt
(Abb. 39). Dabei wurden die Annahmen des unter c) behandelten Beispieles bei-
behalten, aber es fand der Umstand Berücksichtigung, daß rings um den Aus-
bruchshohlraum eine LIra = 1,0 m dicke Auflockerungszone entstanden war, in
der das Gebirge keine einachsige Druckfestigkeit besitzt. Der Bestand dieser
Zone ist ohne Ausbau nur durch Verspannungserscheinungen milglich, als deren
BOO~
tkg/cmZ
700
b
7 9m.
p/usfischer Bereich
p = 31zkg/Cm Z
-------elusfischer Bereich
T'a. =z,oom
O"ga.. = 130 kg/cma
~ =30kg/cm Z
Abb. 38. Verlauf der sekundären Spannungen in der Umgebung eines kreisrunden Tunnelausbruches bei allseitig
gleichem primärem Druck
5 (J 7 9 10m
7'_
Auflockerungshof
~C"t---p/ushscher Bereich
p J1zkgjcm Z
= - - e/ashscher Bereich
T'a. =Z,OOm
O"ga. = 130 kg/cm Z
"rS = 30 kg/cmZ
Abb. 39. Verlauf der sekundären Spannungen in der Umgebung eines kreisrunden Tunnelausbruches bel primär
allseitig gleichem Druck und bei Berücksichtigung eines durch die Sprengarbeiten hervorgerufenen Auf·
lockerungshofes
80 III. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
Folge die radiale Wld die tangentiale Druckspannung von ra bis ra LI ra an- +
steigen, bis letztere den Wert der einachsigen Gebirgsdruckfestigkeit O'gd er-
reicht.
Abschließend möge nochmals darauf hingewiesen werden, daß die Annahme
Ao = 1 nur einen Idealfall darstellt. Sie gibt aber die Möglichkeit einer strengen
plastizitätstheoretischen UntersuchWlg, die einen guten Einblick in die Gebirgs-
druckerscheinWlgen vermittelt und als GrWldlage für die BemessWlg der Tunnel-
auskleidung dienen kann. Sie bleibt aber nur dann anwendbar, wenn die Be-
dingWlg Ao = 1 näherungsweise erfüllt ist. Es wird Gelegenheit sein, auf solche
Fälle anläßlich der Besprechung des Gebirgsdruckes (Kap. IV) und der Bemessung
bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck (Absehn. 76) hinzuweisen.
Der Winkel e ist nur vom inneren Gleitwiderstand abhängig, also bei homogenem
und isotropem Gebirge konstant. Aus dieser Tatsache folgt unmittelbar, daß die
Gleitflächen logarithmische Spiralen sein müssen, deren asymptotischer Punkt
im Pol des Koordinatensystems, also im Mittelpunkt des kreisförmigen Quer-
schnittes des Ausbruches liegt, weshalb man ihre Gleichung wie folgt anschreiben
kann
r = aek'P. (67)
36. Der Gleitßächenverlauf 81
Nachdem
k = _1_ = 1 - sin eg (68)
tge cose g
i-sin e,,,,
r = ae cose. (69)
Der Verlauf der Gleitflächen soll an einem Beispiel gezeigt werden (Abb. 41).
Zu seiner Bestimmung ist außer dem Halbmesser des kreisquerschnittigen Aus-
bruches r a = 2,0 m nur die Kenntnis der Gleitzahl tan eg notwendig; der
Winkel des inneren Gleitwiderstandes betrage eg = 36°54'. Der Verlauf der
Gleitflächen wird durch GI. (69)
bestimmt; ihre Form ist durch 'i' Grenze der
die Konstante k bedingt, deren ~ plastischen Zone
Wert bei der getroffenen An- . --~-~
(70)
6 Kastner, Statik
82 II!. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
T2
max _
- 1
4" ((ft - (fr
)2+ T 2• (71)
(74)
annimmt.
Setzt man in die GI. (74) die elastischen Spannungen gemäß GI. (23) ein, so
erhält man für die näherungsweise zu ermittelnde Grenzlinie des plastischen
Bereiches die Beziehung
2
+ 2 cos 291 1+;'01-2cx. +3cx.' (1+;'0)2 cx.2
2
cos 291 1 -;'0 4(2 _ 3cx.2) - 1 -;'0 4(2 - 3cx.2) -
eingeführt. Die Grenzlinie wurde für ;'0 = 0, also für primär einachsige Druck-
beanspruchung, für ;'0 = 0,5 und für ;'0 = 1, im letzteren Falle für primär all-
seitig gleichen Druck unter der Annahme verschiedener Werte von k berechnet
und in der Abb.42 dargestellt. Den einzelnen Grenzkurven sind die jeweiligen
k-Werte beigefügt. Die plastischen Bereiche für k = 1, also für jenen Fall, wo die
Gebirgsdruckfestigkeit (Iod eben gleich dem lotrechten Druck der Überlagerung
y 9 h ist, sind durch Schraffur gekennzeichnet. In Bestätigung der früheren Er-
gebnisse geht aus Abb. 42 hervor, daß sich die plastischen Bereiche bei allseitig
gleicher Primärspannung ;'0 = 1 oder bei Werten der Seitendruckziffer ;'0' die nicht
stark von der Einheit abweichen, ringförmig um den Ausbruchsquerschnitt
legen. Bei kleinen Werten von ;'0' also bei geringem Seitendruck PlI erweitern sich
die von den Ulmen ausgehenden plastischen Zonen kreuzförmig.
Die Annahme vollkommener Plastizität des Gebirges stellt eine sehr weit-
gehende Vereinfachung dar. Um der Wirklichkeit näher zu kommen, wird als
Grenzlinie eine Gerade angenommen. Die aus der Abb. 37 unmittelbar ablesbare
Plastizitätsbedingung lautet
. Y(o,-0,)2+4T 2
sm I!g = - 0t + 0, + 2:>1: . (77)
Nach Einführung der sekundären elastischen Spannungen gemäß GI. (23) erhält
man die Bedingung für die Grenzen der plastischen Bereiche wie folgt:
(78)
6*
00
~
<::> <::>
8;::-oJ U U lA.o~l,ol r~
~' 1 -tu -45 1 !~ ~
... t~
c::s
-liEill p;;:: 45iYh -Iillj p"'-Ygh ~
t-'
1 i ~
'"
r-f
t
~
.g'1
'f
iI
~
"I:: n;6 ~
~ 11 I:j'
I ~I
&., ~
a b c
Abb. 42a-c. Begrenzung der plastischen Zonen in der Umgebung eines kreisrunden Tunnelquerschnittes unter der Annahme der Gültigkeit vollkommener
Plastizität; a) bei primär einachsiger Druckbeanspruchung des Gebirges ""0 = 0; b) für ""0 = 0,5; c) bei primär allseitig gleichem Druck ""0 = 1. Die den
Grenzkurven beigefügten Zahlen k bedeuten das Verhältnis der einachsigen Gebirgsdruckfestigkeit (Jgd zum lotrechten Druck der überlagerung PO' Die plasti-
schen Bereiche für k = 1 sind durch Schraffur gekennzeichnet
37. Begrenzung der plastischen Bereiche 85
eingeführt wurde. Während bei der Berechnung gemäß GI. (75) nur die Scher-
festigkeit des Gebirges l' s im Parameter k erscheint, müssen die bei dem allgemeinen
Verfahren nach GI. (78) in jedem zu untersuchenden Falle die Festigkeits-
eigenschaften des Gebirges, gegeben durch den Winkel des inneren Gleitwider-
standes und durch die Scherfestigkeit oder die einachsige Druckfestigkeit, ge-
sondert berücksichtigt werden.
Abb. 43. Begrenzuug der plastischen Bereiche in der Umgebung eines Tunnels mit kreisrundem Querschnitt uuter
der Annahme der Gültigkeit der MOHRschen Hüllgeraden für verschiedene Werte der Seitendruckziffer Ao• Um die
Übersichtlichkeit nicht zu stören, wurden Grenzlinien, die für Ao ~ 0, 0,141, 0,2 und 0,3 im :First und an der Sohle
knapp neben dem Ausbruchsquerschnitt verlaufen, weggelassen
Mit Hilfe der GI. (78) wurde für verschiedene Annahmen die Begrenzung der
plastischen Zonen berechnet und in der Abb.43 graphisch dargestellt. Dabei
wurden folgende Annahmen zugrunde gelegt: Der Winkel des inneren Gleit-
widerstandes betrage eg = 30°, die Scherfestigkeit des Gebirges T s = 25 kgcm- 2,
x = 43,3 kgcm- 2 , woraus sich eine einachsige Gebirgsdruckfestigkeit von (Jgd
= 86,5 kgcm- 2 ergibt. Die überlagerungshöhe betrage h = 600 m, aus der die primäre
lotrechte Druckspannung zu Pv = 150 kgcm- 2 folgt. Die Berechnung der
Grenzen der plastischen Zonen erfolgte für Werte der Seitendruckziffer von
Ao = 0, 0,141, 0,2, 0,3, 0,5, 0,75 und 1,00. Bei Ao = 0,141 erstrecken sich die
Begrenzungen der plastischen Zonen ins Unendliche. Um die übersicht-
lichkeit nicht zu stören, wurden lokale plastische Bereiche, die für Ao = 0,
0,141, 0,2 und 0,3 im First und an der Sohle knapp neben dem Ausbruchskreis
verlaufen, weggelassen. Nachdem die POIssoNsche Zahl des Gebirges im all-
86 III. Der sekundäre SpalUlUngszustand des Gebirges
gemeinen zwischen den Werten m g = 3 und 6 liegen wird, sind für den sekundären
Spannungs zustand des Gebirges jene Grenzlinien der plastischen Zonen ent-
scheidend, die zwischen den Werten Ao = 1: (mg - 1) = 0,5 und 0,2 liegen. Für
}'o = 0,5 legen sich die plastischen Zonen sichelförmig an die beiden Ulmen, für
Ao = 3,0 beginnen sie, sich kreuzförmig zu er-
weitern und nehmen schließlich für Ao = 0,2 die
""I charakteristische Form an, bei der die unter etwa
Ii I
45° Neigung entstehenden Zungen schon weit in
~!
das Gebirge eingreifen. Dabei möge aber be-
achtet werden, daß im Bereich der Ulmen am
Ausbruchsrand mit abnehmendem Wert von Ao
keine bedeutende Ausweitung eintritt. Diese
starke Konzentration der plastischen Zonen im
Bereich der Ulmen ist aber besonders wichtig
und für die weiteren Untersuchungen bedeutungs-
voll.
Die plastischen Bereiche sind von zwei Gleit-
flächensystemen durchzogen, die ebenso wie in
dem früher behandelten Fall der kreisringförmi-
gen plastischen Zone, an deren Begrenzung Endi-
gungen besitzen. Dabei gibt es, wie bereits früher
erwähnt wurde, zwei Arten von Gleitflächen,
Abb. 44. Gleitflächen im Gebirge bei Auf-
solche, deren zweite Endigung an der freien Aus-
treten von weit ausgreifenden, schrägen bruchsfläche liegt und solche, die zur Gänze im
plastischen Zonen Inneren des Gebirges verlaufen, also nicht bis zum
Ausbruchsrand gelangen. Erstere kommen als Be-
wegungsflächen besonders m Betracht. Aber auch die an der Ausbruchsfläche
endigenden Gleitflächen sind nicht gleichwertig, wie dies bei der ringförmigen
plastischen Zone der Fall ist. Es gibt solche mit starker Bewegungstendenz wie
etwa die Gleitfläche AB und solche
mit geringerer Bewegungstendenz wie
etwa die Gleitfläche CD (Abb. 44).
Die Form der Gleitflächen läßt sich,
abgesehen vom Fall des primär allseitig
gleichen Druckes, also der Drehsym-
metrie von Anordnung und Belastung
rechnerisch nicht ermitteln, stellt ja
doch auch die Begrenzung der pla-
stischen Zonen ein rein theoretisches
Ergebnis dar, das auf weitgehend ver-
einfachendenAnnahmen aufgebaut ist.
Es besteht aber die Möglichkeit, die
Begrenzung der plastischen Zonen auf
experimentellem Wege zu überprüfen
und auch hinsichtlich der Form der
Gleitflächen im VersuchswegeAnhalts-
Abb. 45. Plastische Zonen in der Umgebung eines tunnel- punkte zu gewinnen. Die Ausbildung
artig gelochten Probekörpers von Carraramarmor der plastischen Zonen geht aus den Ver-
suchen hervor, die LEoNundWILLHEIM
mit tunnelartig gelochten Marmorwürfeln ausgeführt haben [83]. Aus ihren Ver-
suchsreihen werden einige besonders eindrucksvolle Beispiele herausgegriffen.
Abb. 45 stellt das Ergebnis eines Versuches mit einem Probestück aus Carrara-
marmor dar, das 16 cm breit und hoch und 7 cm dick war und das eine tunnel-
artige Lochung von 2,2 cm Breite und 2,4 cm Höhe aufwies. Bei einer durch-
37. Begrenzung der plastischen Bereiche 87
schnittlichen Beanspruchung von 900 kgcm- 2 trat als erste Brucherscheinung ein
Zugriß durch die Sohle und etwas später bei 910 kgcm- 2 ein Zugriß durch den
gewölbten First der Lochung auf. Die Firstwölbung ist für den Spannungszustand
zweifellos günstiger als die ebene Sohle. Dann entwickelten sich in der Umgebung
der Ulmen Fließfiguren, die sich immer schöner ausprägten und nach oben und
unten fortpflanzten. Bei 940 kgcm- 2 lösten sich die Tunnelwände längs der Sohlen-
kanten ab, bei 1070 kgcm- 2 begann das Abblättern in ausgedehntem Maße; die Sohle
war bald mit Blättchen und Schuppen aus Marmorstaub vollkommen bedeckt.
Das Abfallen der Marmorteilchen erfolgte aber nur längs der lotrechten Ulmen,
während der gewölbte First bis auf die früher erwähnten Zugrisse unversehrt
Abb.46. l'lastische Zonen in der Umgebung einer Abb. 47. Plastische Zonen in der Umgebung eines
doppelten kreisförmigen Lochung eines Probekörpers doppelt gelochten Probekörpers aus Carraramarmor
aus CarraratnanIlor
blieb. Bei der höheren Beanspruchung von etwa 1130 kgcm- 2 entstanden im Sohlen-
bereich von den beiden Ecken ausgehend Sprünge, die etwa unter 45° gegen die
Lotrechte geneigt waren.
In Abb. 46 ist ein Probestück mit 2 kreisförmigen Bohrungen wiedergegeben.
Es war 16 cm breit und hoch und 7 cm dick. Die Bohrungen besaßen einen
Durchmesser von 1,2 cm und einen Achsenabstand von 3,4 cm. Bei geringen Be-
lastungen waren bereits Trennbruchrisse durch Gewölbe und Sohle festzustellen.
Bei 820 kgcm- 2 begannen Fließfiguren aufzutreten.
Abb.47 bringt ein weiteres Probestück aus Carraramarmor mit zwei tunnel-
artigen Lochungen. Wieder sind die plastischen Bereiche und die Gleitflächen deut-
lich zu erkennen. Dabei muß besonders auf die eigenartige, eingezogene Begren-
zung der plastischen Zonen an den Stellen A und B hingewiesen werden, die dem
theoretischen Verlauf, wie er für etwa }'o = 0,30 geltend, aus der Abb. 43 er-
sichtlich ist, überraschend gut entspricht.
Die Zugrisse im First und an der Sohle, die bei den Probekörpern auftraten,
wurden in Tunneln oder Stollen nicht beobachtet. Sie sind nach den Ausführungen
über den elastischen Spannungszustand zu erklären. Wenn auch infolge der Rei-
bung an den Druckflächen ein einachsiger Spannungszustand nicht verwirklicht
werden kann, so ist er doch in der Mitte des Probekörpers annähernd vorhanden.
Die Seitendruckziffer ist dort kleiner als in der Nähe der Druckplatten, es kommt
daher zu Zugspannungen über dem First und unter der Sohle, und als Folge davon
entstehen Trennbruchrisse (s. Abschn. 33).
88 Ir!. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
a b
Abb. 48a u. b. Isochromatenbilder eines gelochten Zugstabes und einer gezogenen Gurtlasche [34]
die Bedingung für die Begrenzung der plastischen Bereiche im Falle vollkommener
Plastizität. Die Größe
Gm - GI
"l"max = -~2~- , (80)
Als Modellbeispiel dafür wird ein Sandbett betrachtet, das auf einer waag-
rechten, festen Unterlage aufruht und dessen seitliche Ausdehnung sehr groß ist.
In der Unterstützung befindet sich ein nachgiebiger Streifen von der Breite 2b.
Sobald man diesen Streifen, der der Firstverzimmerung eines Stollens entspricht,
absenkt, folgt der kohäsionslose Sand dieser Bewegung. Wenn die Absenkung des
Streifens groß genug geworden ist, erstreckt sich das Nachsinken des Sandes bis
an seine Oberfläche. Es entsteht eine mul-
o denförmige Vertiefung, deren mittlerer,
waagrechter Teil nahezu die gleiche Breite
aufweist, wie der nachgiebige Streifen,
während die seitlich davon liegenden
Oberflächenteile (Abb.49) geneigt sind.
Das Absinken des beweglichen Teiles der
Unterstützung beeinflußt daher einen Be-
reich des Sandes, dessen Breite an der
Oberfläche viel größer ist, als die des
ubsenkbure Streifens selbst. Im mittleren Teil des
BodenklrIppe beeinflußten Sandbereiches bewegen sich,
Abb. 49. Ausbildung der Bruch- und Gleitflächen in wie im Versuchswege nachgewiesen
kohäsionslosem Lockergebirge bei Absenkung einer wurde, die Sandkörner lotrecht nach ab-
beweglichen Bodenklappe von der Breite 2b und sehr
großer Ausdehnung in der Längsrichtung wärts. Dieser Bereich der lotrechten Be-
wegung wird als Bruchbereich bezeichnet,
B'B c o und seine seitliche Begrenzung bilden die
Bruchflächen. Aus der beschriebenen Ober-
flächengestaltung des Sandbettes ist zu er-
S1iitzwund sehen, daß außer den Bruchflächen auch
Gleitflächen vorhanden sein müssen.
Ganz ähnliche Verhältnisse sind beim
Erddruck auf eine stark erdwärts ein-
Abb. 50. Ausbildung der Bruch- und Gleitflächen bei fallende Stützwand beobachtet worden
der waagrechten Verschiebung einer überhängenden
Stützwand (Abb. 50). Auch in diesem Fall bildet sich
außer der Gleitfläche eine nahezu lot-
rechte Bruchfläche aus, wenn die Stützwand AB im waagrechten Sinn parallel
verschoben wird und die Verschiebung ein ausreichend großes Ausmaß erreicht
hat [144a].
Die den Bruchkörper begrenzenden Bruchflächen sind nur bei geringer Über-
lagerungshöhe annähernd lotrecht. Bei größerer überlagerung nähern sie sich ein-
ander und finden schließlich im Querschnitt die Form eines Spitzbogens.
Das Verhalten des kohäsionslosen Lockergebirges über einem nachgiebigen
Stollenmodell von der Breite 2b wurde in letzter Zeit von Loos und BRETH [86]
experimentell untersucht (Abb. 79 a u. b). Hierbei zeigte sich, daß die Bodensen-
kung über der Stollenmitte am größten ist, wie dies schon KOMMERELL behauptet
hat [80]. Zunächst entstanden beim Absenken des Stollens zwei nahezu ebene
Gleitflächen, die den in Bewegung geratenden Gebirgsteil von dem in Ruhe
bleibenden trennten. Die Gleitebenen wiesen hierbei gegen die Waagrechte eine
Neigung von 45° + (!g/2 auf. Wenn die Stollenabsenkung weiter zunahm, zeigten
sich die beiden Bruchflächen, die vom Gewölbewiderlager ausgehend, zuerst
lotrecht verliefen und dann einander zustrebten. Ein Zusammenschluß der Bruch-
flächen zu einem Spitzbogengewölbe wurde bis zu einer überschüttungshöhe von
4b nicht beobachtet. Dies tritt allem Anschein nach erst bei einer größeren über-
lagerungshöhe ein.
Ähnliche Ergebnisse zeigten Versuche von FrEBINGER, über die RABCEWICZ
berichtete [108a].
40. Verspannungserscheinungen über einem nachgiebigen Streifen 91
(82)
(83)
z = 0, Uv = q. (84)
92 III. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
Die Lösung der GI. (83) ergibt die Abhängigkeit der lotrechten Spannung av von
der Tiefe z unter der Geländeoberfläche
a
v
by - c (
= _u___ 1- e
J. taneg
- A .".- tan
b
Qg)
+ q e- A .".- tan
b
Qq
• (85)
_. _ byu-c ( e-Ai-tanQg)
C > 0, q - O. av - J. t
aneg
1-
C = 0 , q> 0: av =
b
~ 1-
J.taneg
(
e
-J..".-tan Qg)
b + q e-J..".-tanQn
b (86)
by ( -A.".-tanllg)
C = 0 , q = 0: av = J.taneg
__ u_ 1 - e b •
z = nb (87)
a = ~ (1 - e-AntanQg). (88)
v J. taneg
a -- byo-
v 00 - Atangg (89)
an.
In der Abb. 52 sind für die lotrecht aufgetragenen Überlagerungshöhen z in
waagrechter Richtung die Werte von a v gemäß GI. (88) dargestellt. Der Gleit-
winkel wurde mit (Jg = 30° angenommen. Hinsichtlich der Seitendruckziffer Je
gibt TERZAGill als Ergebnis von experimentellen Untersuchungen an, daß ihr
Wert über der Mitte des absinkenden Streifens bei Je = 1 liegt, in der Höhe von
2b über diesem absinkenden Streifen das größte Maß von Je = 1,5 erreicht und
dann wieder abnimmt. In dem Beispiel Abb. 52 wurde Je = 1 gewählt. Für die
halbe Breite des absinkenden Streifens wurden, um darzutun wie sehr die Be-
lastung des Streifens mit wachsender Breite zunimmt, die Werte b = 1,0 mund
b = 2,0 m berücksichtigt.
In einer Höhe von ungefähr 5b über der Mitte des Streifens scheint sein Ab-
sinken keinen wesentlichen Einfluß mehr auf den Spannungszustand im kohä-
sionslosen Lockergebirge zu haben. Man ist deshalb zur Annahme gezwungen, daß
der innere Gleitwiderstand des kohäsionslosen Lockergebirges bei größerer Höhe
des zwischen dem nachgiebigen Bodenstreifen und der Bodenoberfläche gelegenen
Prismas nur in den unteren Teilen seiner lotrechten Begrenzung AE1 und BF1
wirkt (Abb. 53). Dann aber hat der darüberliegende Teil des Prismas E1EF1F als
Auflast q gemäß GI. (85) zu gelten. Wenn man die Tiefe, bis zu der der innere
Gleitwiderstand des Gebirges beim Absinken des Bodenstreifens nicht in Anspruch
genommen wird, mit Zl = n 1 • b bezeichnet, beträgt die Auflast
(90)
40. Verspannungserscheinungen über einem nachgiebigen Streifen 93
Nach Einführung dieses Wertes in die zweite GI. (86) erhält man
_
't--
O'v - -
A
ygb (
aneg
1- e
-,\n,tan eg)
+ Yg b n 1 e
-'\n,taneg
,
bzw. etwas vereinfacht
y b [ - ,\ n, tan eg ]
O'v = .iI.t:neg 1- e (1 - n1A.taneg) . (91)
Dieser Wert ist identisch mit jenem, der mit der GI. (89) gewonnen wurde; damit
kommt zum Ausdruck, daß O'voo unabhängig von Zl und damit auch von der Auf-
last q ist.
1---_" !!i.
7gb
E F Z
z
q
A
8
TFr
TU
m
TZ LW
Abb. 52. Die lotrechte Belastung des nachgiebigen
Firstes eines verzimmerten Stollens. der in
Abb.53. Die lotrechte Belastung des nachgiebigen Firstes
eines verzimmerten Stollens, der in kohäsionslosem Locker-
kohäsionslosem Lockergebirge vorgetrieben wur- gebirge vorgetrieben wurde, bei großer überlagerungshöhe
de. in Abhängigkeit von einer geringen über-
lagerungshöhe
Dieser Sachverhalt wird durch ein Beispiel erläutert (Abb. 53), wobei im
lotrechten Sinn n = z: b und im waagrechten die Werte O'v: (ygb) aufgetragen
wurden. Als Berechnungsgrundlage habe eg = 30° und A. = 1 zu gelten; ferner
wurde jener Überlagerungs bereich , in dem der innere Gleitwiderstand nicht zur
Wirkung kommt, mit n 1 = Zl: b = 4 gewählt. Zwischen der Geländeoberfläche
und einer Tiefe Zl = 4 b nimmt daher der lotrechte Druck verhältnisgleich mit
der Tiefe zu. In der Abb. 53 kommt dies durch die Gerade OA zum Ausdruck,
die bis zu einer dem Wert n 1 = 4 entsprechenden Tiefe reicht. Unterhalb davon
wird der Druck durch die GI. (91) bestimmt; er nähert sich mit wachsender Tiefe
asymptotisch dem Grenzwert O'voo.
In der Abb. 53 ist auch der Verlauf der lotrechten Pressungen für den Fall
eingezeichnet, daß die Verspannung in der ganzen Höhe der Überlagerung wirk-
sam ist, also n 1 = 0 gilt. Mit wachsender Überlagerungshöhe nähert sich dann,
wie früher erwiesen wurde, die lotrechte Spannung gleichfalls dem Wert O'voo.
Die Abb. 53 zeigt auch, daß dies bei einer Überlagerung von etwa Z = Sb gilt.
Der Umstand, daß in den oberen Schichten der Überlagerung keine Verspannung
eintritt, verliert seinen Einfluß bei einer Tiefe von Z = 8b.
94 II!. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
Die Ausdrücke für den Erddruck lauten nach der CouLoMBschen Theorie für
den Fall einer geneigten Stützwand und einer geneigten Geländeoberfläche wie
folgt (Abb. 54) :
P = ~ h2 Aa
() 2 Yg sina:cosD
P an -P
- a COS u~_1
- -2 Yg h - . -
2Aa (93)
sma:
P at -
- p ' ~_1
a S1nu - 2- Yg h2Aat ~
- . - anu.
Sill a:
A _ + (}g) cos 15
sin2 (a:
a -.
Silla:Slna:
. ( _~)
u
[1 + VSin. ((}u
(
Sill
+ ~.
15) sin ((}u - ß)]2'
<X -
( ß
u) Sill a: + )
(94)
wobei a: die Wandneigung, ß die Neigung der Geländeoberfläche und ö den Winkel
der Wandreibung (Abb.54) bedeutet. Im gegebenen Fall kann die Wand lot-
recht angenommen werden, womit <X = 90° gilt; die Neigung der Geländeober-
fläche ist ß = 0 und der Winkel der Wandreibung voraussetzungsgemäß
ö = - (}g. Mit diesen Annahmen läßt sich die Erddruckziffer in einfacher Form
ausdrücken wie folgt:
sin2 (90 0 +
(}u) cos (- (}g) _ 2
+
1 _
A a - 1 . sin (900 (}g) - cos (}g. (95)
Pa =
1
"2 Yg
h2 COS(}g
P al _
- -
1
"2 Yg
h2 .
COS(}gSlll(}g.
und der in diesem Falle waagrecht verlaufende Erddruck Pa folgt aus der ersten
GI. (93)
P -~ h2 _ _ 1 _ _ -~ h2~1_ _ ~ h2 ·133
a- 2 Yg sin 60° cos 30° - 2 Yg
2 0,867 - 2 Yu '
die Seitendruckziffer beträgt also A = 1,33. Damit ist der von TERZAGHI experi-
mentell bestimmte hohe Wert der Seitendruckziffer über einem nachgiebigen
Stollenfirst auch theoretisch gerechtfertigt.
~Lr __
vor jeglicher Auflockerung, ein
"<::1 '1:'3 --h-,rfr-lrl Pa;n Druck yuh. Wenn der nach-
......~=--+_~...L.-..= giebige First absinkt, entstehen
a
zwei bis an die Geländeober-
1:;:::::=;t fläche reichende nahezu lot-
rechte Bruchflächen. Im Bruch-
bereich treten Verspannungser-
scheinungen auf, die eine Ver-
ringerung der Belastung des Stol-
lenausbaues zur Folge haben.
Die Verspannung wird durch
Reibungswiderstände bedingt,
deren Größe vom Seitendruck
bzw. von der Seitendruckziffer
Aa abhängig ist. Im Sinne der
Darlegungen des vorangegan-
genen Abschnittes wird die-
Abb 55a u. b. Zur Berechnung des Druckes auf einen nachgiebigen se Seitendruckziffer nach der
Stollenftrst unter ausschließlicher Verwendung der Gleitzahl COULoMBschen Erddrucktheorie
ermittelt. Ihr Wert ist durch
GI. (94) gegeben. Der Seitendruck Pan selbst ergibt sich aus der zweiten
GI. (96) und es bleibt die Frage zu beantworten, wie er über die in Betracht kom-
mende Höhe verteilt ist. Nachdem das Gebirge an der Stollensohle in seiner
Durchbewegung gehindert wird, tritt dort eine Verspannung im horizontalen
Sinne ein, und es entspricht einer heute geltenden Auffassung, die Kraft Pan in
der Weise zu verteilen, daß die Spannungen zwischen der Geländeroberfläche und
der Stollensohle einen parabolischen Verlauf zeigen (Abb.55) [86]. Sofern die
Verzimmerung auch der Ulmen nachgiebig ist, womit man immer rechnen muß,
ist die waagrechte Verspannung über den Höhenbereich h + h. zwischen Ge-
ländeoberfläche und der Stollensohle wirksam und der Berechnung zugrunde zu
legen. Wenn man mit O"nmax die in der halben Verteilungshöhe herrschende Normal-
spannung bezeichnet, so gilt
Nunmehr sind die Normalspannungen für jede Höhenlage, gegeben durch die
Koordinaten z, zu bestimmen. Dazu wird ein Hilfskoordinatensystem C, 'fJ ein-
geführt, dessen Ursprung im Scheitel der Parabel liegt. Die Gleichung der Parabel
lautet dann
(98)
~ = O'nmax - X
h +ha (99)
'fJ = - - 2 - -z.
(- +
h 2 h-a - z
)2 = 2p (O'nmax - x) . (100)
(h + hB
-2- - z )2 -_ (h4 + h,)2 (O'nmax - O'n
) (102)
°nmax
und die Normalspannungen in jedem Horizont lassen sich wie folgt darstellen
Nunmehr wird die Gleichgewichtsbedingung für ein Element von der Breite 2b,
von der Tiefe 1 und von der Dicke dz aufgestellt. Sie läßt sich aus der Abb. 55a
in folgender Form ablesen
· z (h + h, - z) d
2 b "tg d z = 2 b d Pt) + 6 "tgsmegCOSe, h + h, z (105)
· z (h + h, - z) } d b d pt).
"t, { b - 3 sme,cose, h+h, Z= (106)
7 Kastner, Statik
98 IH. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
Für den Stollenscheitel gilt z = h und der auf die Firstverzimmerung lastende
Druck läßt sich in der Form
Pv = Yg
h (1 - h h + 3h. .
4 b h + h. sm
2(lg) (109)
zum Ausdruck bringen. Er ist von dem Raumgewicht des Gebirges Yg, von der
Höhe der überlagerung h, von der Breite der Firstverzimmerung 2 b und vom
Winkel des inneren Gleitwiderstandes (lg abhängig. Für verschiedene Werte des
Verhältnisses der überlagerungshöhe h zur halben Breite des Stollenfirstes b wird
die Größe des Firstdruckes, bezogen auf den primären Druck der überlagerung,
in der nachstehenden Tabelle unter der Annahme eines Winkels des inneren Gleit-
widerstandes von (lg = 30°, 35° und 40° angeführt, wobei die Höhe des Stollens h.
gleich seiner Breite 2 b gewählt wurde.
Tabelle 10. Firstdrw;k bei geringer Überlagerungshöhe
P.: ruh für eg ~
h:b
30' 35' 40'
Der Druck auf den Stollenfirst nimmt mit wachsender Überlagerung h sehr
rasch ab und erreicht bereits bei h: b = 3 negative Werte. Um festzustellen, ob
dieses Ergebnis etwa in der parabolischen Verteilung des Erddruckes seine Ur-
sache hat, wurde in Anlehnung an den Vorgang, den schon FORCHHEIMER [35]
eingeschlagen hat, mit einer linearen Erddruckverteilung nach COULOMB ge-
rechnet. Dabei ergab sich, daß bei einem etwas größeren Verhältnis h: b = 5
negative Werte für den Firstdruck auftreten, also keine wesentliche Änderung.
Ein derartiger sekundärer Spannungszustand ist aber nicht möglich. Die Ursache
dieses Ergebnisses ist scheinbar darin zu suchen, daß sich die Bruchflächen nur bei
ganz geringer Überlagerungshöheolotrecht ausbilden, während bei größerer Über-
lagerungshöhe, wie die Versuche gezeigt haben [86], gekrümmte Bruchflächen die
Regel bilden. Die Behandlung des Problems unter dieser Voraussetzung wird
vermutlich auf ähnliche Schwierigkeiten stoßen, wie die Erddrucktheorie bei der
strengen Erfassung gekrümmter Gleitflächen.
7*
100 III. Der sekundäre Spaunungszustand des Gebirges
spricht. Es ist dies bekanntlich die oberste Grenze für den Wert ,1, womit die volle
Ausnützung der Tragfähigkeit des Gebirges zum Ausdruck gebracht wird.
Nun wird für eine Lamelle mit dem Halbmesser r und der Dicke dr die Gleich-
gewichtsbedingungin radialer Richtung aufgestellt (Abb. 56c). Auf die dem Aus-
bruchshohlraum zugekehrte Innenfläche der Lamelle wirkt die Spannung C1roo
t-o t t-oo
und auf die Außenseite die größere Radialspannung C1 roo + dC1 roo • Die Tangential-
spannung der Lamelle ist auf Grund der getroffenen Annahmen gleich CC1 roo .
Dann folgt die Gleichgewichtsbedingung in radialer Richtung zu
Der Wert der Integrationskonstanten C ergibt sich aus der Randbedingung für
den Halbmesser des Ausbruchsquerschnittes r aoo . Nachdem voraussetzungsgemäß
kein Einbau vorhanden sein soll, ist an der Ausbruchsleibung nur der Kapillar-
druck Pkoo vorhanden. Die Beziehung zur Ermittlung von C lautet daher
~
ra
= (aPkoo
r oo)C-l, (114)
Vor der Durchörterung hat in der gesamten Tonmasse der allseits gleiche Druck P
geherrscht. Am Ausbruchsrand ist C1 roo = Proo; mit wachsendem r nimmt auch
C1 roo zu und die Grenze des Tragkörpers soll nach TERZAGHI dort liegen, wo C1roo den
primären allseitig gleichen Druck P erreicht. Diese Annahme ist, wie die späteren
Ausführungen zeigen werden, nicht streng richtig, weil die Radialspannung C1 roo
den Wert P im Bereich des Tragkörpers überhaupt nicht erreicht. Sie kann daher
nur näherungsweise Gültigkeit beanspruchen.
45. Die Verengung der Bohrung eines Tonzylinders 101
Wenn man in GI. (114) statt aroo den Druck P einführt, und gleichzeitig mit
r = r0 die Grenze des Tragkörpers bezeichnet, so erhält man diese Grenze
1
ro = r a (-
P )C -1 • (115)
Pkoo
Nach dieser Rechnung kann der Ausbruch nur durch den Kapillardruck Pkoo
offen gehalten werden. Wenn der Kapillardruck durch Kondenswasserabscheidung
oder durch das beim Schwellen nachdrängende und nicht in ausreichendem Maße
verdunstende Porenwasser ausgeschaltet wird, bleibt die Bohrung nicht offen.
Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß es sich um ein Rechenergebnis
handelt, dessen Voraussetzungen nur näherungsweise zutreffen. Es wurde bereits
erwähnt, daß die Beziehung atoo = Caroo keine strenge Gültigkeit beanspruchen
darf. Die Voraussetzung für die angenommene lineare Abhängigkeit ist das
Fehlen jeglicher Kohäsion, womit gleichzeitig ausgedrückt wird, daß das Gebirge
keine einachsige Druckfestigkeit besitzt.
Die späteren Untersuchungen (Absehn. 76) über die Spannungen im plastischen
Bereich haben, wie vorweg angeführt wird, das nachstehende Ergebnis [GI. (4)
im Abschn. 76].
a rp
(r)C-l(Pa + Z; -1
=;:;; 0qd )
-
0qd
Z; - 1
(116)
atp = (~)C~l(Pa + Z; O~d 1) - Z; O~ 1.
Das Verhältnis der Tangentialspannung atp zur ~adialspannung arp hat also nicht
den konstanten Wert C; die Verhältnisgleichheit ist nur dann gegeben, wenn keine
einachsige Druckfestigkeit besteht.
r )C-l
P + Pkoo = Pkoo ( ra~ . (117)
(118)
Hierin bedeutet a 1 die bei der Zunahme des Druckes um die Druckeinheit aus der
Raumeinheit des Tones austretende Wassermenge als Mittelwert für das Druck-
intervall von P bis P + Pkoo (s. Abschn. 18). Die Wassermenge gemäß GI. (118)
1.02 111. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
und aus GI. 120 folgt der verkleinerte Halbmesser der Bohrung nach beendetem
Schwellen zu
(121)
Der Wert von r/JOO ist festgelegt, wenn man die Größe Pkoo kennt. Um diese zu er-
mitteln, ist noch eine weitere Gleichung notwendig.
Die für .das Zustandekommen des Schwellvorganges erforderliche Wasser-
menge ergibt sich in einer zweiten Form zu
r.
Q;oo = 2a2 'lI: J(p - O"roo) rar. (122)
r ...
Hierin bedeutet aa die bei der Abnahme des Druckes. O"roo um die Druckeinheit
von der Raumeinheit des Tones angesaugte Wassermenge als Mittelwert für das
Druckintervall von Pkoo bis p.
Die GI. (122) gilt für die Längeneinheit des Zylinders unter der Voraussetzung,
daß man die Querkontraktion vernachlässigt und den Wassergehalt im geraden
Verhältnis mit dem Wert der kleinsten Hauptspannung (Radialspannung)
zunehmen läßt. Nunmehr setzt man in der GI. (115) r/JOO • r/JO' eine Vereinfachung,
die eigentlich in Widerspruch mit der gestellten Aufgabe steht und nur so lange
zu rechtfertigen ist, als die Verengung der Bohrung nicht zu große Ausmaße
erreicht. Mit dieser Vereinfachung gilt
O"roo = Pkoo
r
( Tao )C-l • (123)
Wenn man nunmehr den Wert von O"roo in den Ausdruck für Qsoo gemäß GI. (122)
einsetzt, erhält man
f
r.
Q~oo = 2 a s 'lI: r [p - Pkoo (r~Y-1 ]ar =
(124)
Aus der Gleichsetzung der vom Tragkörper angesaugten Wassermenge Q'2OO und
der von den Randzonen ausgequetschten Wassermenge QlOO ergibt sich
a2 P [ (rä -
Pk
r!o) - 2 ~ 0
+
T C 1
ao
'+1] = a
c-;-(C+1) T
1 Pkoo (RS - TB), (125)
P Tao
wobei
1
Diese beiden Gln. (125) und (126) ermöglichen es, die Druckzunahme Pkoo zu er-
mitteln. Um über das Ergebnis der Rechnung einen überschlägigen Einblick zu
gewinnen, wird C= 3 angenommen. Dann folgt die Begrenzung des Tragkörpers
zu
1
2 P - 2PkOO - a P
a2 pr ao 2 Pk OO - 1 koo
[R2- rl
/JO
P + PkOO ]
Pk OO • (127)
(128)
und der mittlere Durchflußquerschnitt F für die Längeneinheit des Zylinders ist
von der Größe
F -- 2 n R +2
Taf)
' (130)
104 III. Der sekundäre Spannungszustand des Gebirges
wobei y das spezifische Gewicht des Wassers bedeutet, welches eingeführt werden
muß, um den Druck Pk t in eine Druckhöhe zu verwandeln, die ins Verhältnis zu L
gesetzt, das dimensionslose Gefälle ergibt. Um in dem Ausdruck für das DARCY-
sche Gesetz den Wert Pkt als Funktion von Qa darzustellen, greift man auf den
Ausdruck für Q~oo in GI. (124) zurück, wobei zu beachten ist, daß es sich nicht wie
früher um die Durchflußmenge für t = 00, sondern um jene für einen bestimmten
Zeitpunkt t handelt. Für das erste Stadium des Schwellprozesses kann man den
Unterdruck, der außerhalb des Tragmantelbereiches herrscht, gegenüber p ver-
nachlässigen und den Durchmesser der Bohrung mit hinreichender Genauigkeit
dem für den Zeitpunkt t = 0 geltenden Wert rao gleichsetzen. Unter diesen Voraus-
setzungen vereinfacht sich die grundlegende Beziehung
P + Pkoo = Pkoo r
( ra: )C-1 (133)
zu
P = Pkt (::Y-1, (134)
(136)
Wenn man nun Q2 und Q~ gemäß den GI. (131) und (137) gleichsetzt, gewinnt
man die Beziehung
P _ 1
Pkt -
+ a2pr~
1 (r 2
ao -
r2 )
at
±,/ 2
Va2 pr;o (r2 r2 )
ao - at
+ a~p2r!o
1 (rB
ao -
r2 )2 (139)
at
führt. Daraus folgt der Kapillardruck zum Zeitpunkt t in der folgenden Form
(140)
47. Beispiel für das Schwellen eines gelochten Tonzylinders 105
Nachdem unter allen Umständen P größer als Pkl ist, gilt nur das positive Vor-
zeichen vor der Wurzel. Führt man die Bezeichnungsweise
(141)
ein, womit zum Ausdruck gebracht wird, daß x veränderlich, u. zw. abhängig
von r al ist, so ergibt sich für den Kapillardruck die einfache Form
Pkt = x + yxP2 - 1
. (142)
Nachdem der Ausdruck für den Kapillardruck gefunden wurde, ist es möglich
geworden, die durch das DARcYsche Gesetz gegebene Bedingung weiter zu be-
handeln. Es folgt
F dt = ydQ2 = a 2 :>tr~o(x
k -L
Pkt
+ yx2 - 1) dx. (143)
(144)
Die Differenz r ao - r a t gibt das lineare Schwellen des Tones in radialer Richtung
und der Wert n(r ao2 - r a t 2 ) die durch das Schwellen bewirkte Abnahme der
Querschnittsßäche des Aus bruches an. Durch den Ausdruck für Pk t gem. GI. (142)
ist der zu einem gegebenen Wert von ral gehörige Kapillardruck Pkt und durch
die Formel für t gem. GI. (145) die Zeit gegeben, die verstreicht, bis der Kapillar-
druck an der Mantelßäche der Bohrung vom Anfangswert P auf Pkl abgesunken
ist.
Für 1'/10 sei ein Wert von 1,50 mund R = 15 und 90 m angenommen. Mit diesen
Annahmen ergibt sich bei R = 15 m für Pkoo nach GI. (128)
1'0 = 1,50 V
1/40 + 1,58
1,58 = 7,70 m.
Schließlich ergibt sich aus GI. (121) der Radius des verengten Ausbruchs-
querschnittes zu
1'000 = 1"1502 - 0,012 .10-4 .1580 (1500 2 - 770 2 ) = 139,2 cm.
Der Halbmesser des Ausbruches verringert sich daher im Laufe der Zeit von
t = Obis t = 00 um 150-139,2 = 10,8 cm. Der an der Mantelfiäche des Aus-
bruches wirksame Kapillardruck nimmt im Laufe des gleichen Zeitraumes von
P auf Pkoo also von 40 auf 1,58 kgcm- 2 ab und der in den peripheren Teilen des
Zylinders herrschende Druck erfährt eine Vermehrung von 40,00 auf 41,58 kgcm-2 •
Für R = 90 m erhält man unter sonst gleichen Verhältnissen für Pkoo =
= 0,238 kgcm-2, 1'0 = 19,4 mund 1'000 = 0,108 m, d. h. daß der Halbmesser des
Ausbruches, der ursprünglich 1,50 m betrug, sich auf 0,108 m verringern würde.
TERZAGHI diskutiert diese Ergebnisse wie folgt:
Aus dem Druck-Porenziffer-Diagramm wurde entnommen, daß die Drücke
Pkoo = 1,58 bzw. 0,238 kgcm-2 den Porenziffern B = 0,90 bzw. 1,40 entsprechen.
Die Porenziffer-Äquivalente der Hauptkonsistenzgrenzen belaufen sich für die
Plastizitätsgrenze auf P = 0,77 und für die Fließgrenze auf F = 1,60. Diese
Werte lassen erkennen, daß sich der vorausgesetzte Ton unter dem Einfluß des
Kapillardruckes Pkoo = 1,58 bzw. 0,238 in weichem bzw. flüssig-plastischem Zu-
stand befindet. Die für den Zeitpunkt t = 0 der Herstellung des Ausbruches als
48. Der Begriff des Gebirgsdruckes und seine Arten 107
Kapitel IV
Der Gebirgsdruck
gesetzt wären. Wenn nämlich das Gebirge nicht mittragend wäre, müßte der
Ausbau immer so bemessen werden, daß er in der Lage ist, jenen Spannungs-
zustand wiederherzustellen, der vor der Durchörterung bestand; der Ausbau
müßte also die lotrechten Spannungen p" und die waagrechten Spannungen Pli
und u. U. tektonische Spannungen aufnehmen können. Eine ganz einfache
Rechnung zeigt, daß diese Bedingung schon bei geringer Tiefe unter der Gelände-
oberfläche nicht mehr erfüllbar ist. Es gibt wohl Grenzfälle, wo ihr entsprochen
werden muß, nämlich dann, wenn sich das Gebirge primär im plastischen Zustand
befindet. Das kann einerseits der Fall sein, wenn bei geneigter Geländeoberfläche
der RANKINEsche plastische Zustand herrscht, und es kann ferner eintreten,
wenn der Tunnel- oder Stollenbau in den latent-plastischen Bereich des Gebirges
eindringt. Diese Fälle zählen zu den schwersten Aufgaben des Tunnelbaues ; im
ersteren handelt es sich um Lehnentunnel in Lockergebirge, die man nach
Tunlichkeit vermeiden soll, im anderen Fall sind im Gebirge infolge seines primär
plastischen Zustandes nach der Durchörterung überschüssige Kräfte vorhanden,
die auf eine Schließung des Ausbruchshohlraumes hindrängen und die Ursache
stärkster Druckerscheinungen bilden.
Diese Überlegungen über die statische Mitwirkung des Gebirges geben den
Anlaß, die Bezeichnungsweise Gebirgsdruck auf jene Erscheinungen zu beschrän-
ken, die infolge des menschlichen Eingriffes durch den Tunnel- und Stollenbau
entstehen, sie aber nicht für den primären Spannungszustand des Gebirges gelten
zu lassen. Als Gebirgsdruck sollen daher alle Auswirkungen des sekundären Span-
nungszustandes des Gebirges bezeichnet werden, die im nicht ausgebauten A usbruchs-
hohlraum in den Randzonen des Gebirges auftreten oder in Wechselwirkung mit dem
zeitweiligen und dauernden Ausbau diesen beanspruchen bzw. belasten.
Der in diesem Sinne definierte Gebirgsdruck läßt sich in die Hauptgruppen :
Auflockerungsdruck, echter Gebirgsdruck und Schwelldruck, die nachfolgend ge-
kennzeichnet werden, einteilen.
a) Der Auflockerungsdruck
Unter Auflockerungsdruck wird die Wirkung der auf dem Ausbau des Tunnels
oder Stollens lastenden lockeren oder durch den Arbeitsvorgang gelösten Gebirgs-
massen verstanden. Nachdem der Auflockerungsdruck eine unmittelbare Wirkung
der Gravitation von Gebirgsteilen darstellt, ist er eigentlich als Belastung anzu-
sprechen (Auflockerungslast). Er tritt daher besonders stark im First und in
geringem Maß auch an den Ulmen auf; im Bereich der Sohle ist er aber nicht
möglich. Als Ursachen des Auflockerungsdruckes kommen die natürlichen geo-
logischen Bedingungen und der Arbeitsvorgang beim Ausbruch und bei der Her-
stellung des Ausbaues in Betracht.
a) Zuerst sollen die geologischen Bedingungen erörtert werden. Aus der Defi-
nition des Begriffes Auflockerungsdruck ist zu erkennen, daß er in allen Gebirgs-
arten möglich ist. Im Lockergebirge sind die Voraussetzungen dafür von vorne-
herein gegeben. Aber auch in allen Felsarten, selbst im festen Fels kann er, durch
die tektonischen Verhältnisse bedingt, immer wieder auftreten, wenn eine un-
günstige Lage und Teilung von Schicht- und Schieferungsflächen oder von
Klüften die Ablösung von Gesteinsteilen vorzeichnen. Nachbrüche, die unter
solchen Voraussetzungen entstehen, lassen sich nicht immer voraussehen, er-
eignen sich daher häufig überraschend und sind nicht selten folgenschwer.
Wenn die Schichten steil aufgerichtet sind und senkrecht zur Streichrichtung
durchörtert werden, ist Auflockerungsdruck am wenigsten zu befürchten, denn
dann sind die Voraussetzungen für die Bildung natürlicher Gewölbe über dem
First und für eine Verspannung am günstigsten.
48. Der Begriff des Gebirgsdruckes Wld seine Arten 109
Wenn hingegen bei steilem Einfallen der Schichten die Achse des Tunnels oder
Stollens mit der Streichrichtung einen spitzen Winkel einschließt oder mit ihr zu-
sammenfällt, dann entsteht beim Ausbruch die Gefahr der Lockerung von Ge-
steinspartien über dem First und damit von Nachbrüchen. Eine gewölbeartige Ver-
spannung quer zur Tunnelachse ist dann nur nach Maßgabe der zwischen den
Schichten bestehenden Haftungs- und Reibungswiderstände möglich. Allerdings
kann in diesem Falle der Widerstand hinzutreten, der durch die Rauhigkeit und
Unebenheit der Schichtflächen hervorgerufen wird. Wenn aber die Schichten
gleitwillige Zwischenmittel, wie tonige oder glimmerreiche Beläge aufweisen,
dann sind die Voraussetzungen für eine gewölbeartige Verspannung über dem First
nur in geringem Maße gegeben.
Nicht wesentlich günstiger ist die söhlige Lage der Schichtstöße. Es ist dann
schwierig, den First gewölbeartig auszubilden, weil die beiden seitlichen Zwickel-
bereiche häufig herausfallen, so daß die waagrechten Schichtstöße die ganze
Breite des Stollenausbruches überbrücken müssen und dabei auf Biegung be-
ansprucht werden. Die Möglichkeit von Nachbrüchen und die zu erwartende
Größe des Auflockerungsdruckes ist besonders in diesem Falle von der lichten
Brei.te des Tunnels oder Stollens abhängig. Außerdem wird sie auch von der
Mächtigkeit der söhligen Schichten beeinflußt; dünnplattige Gesteine werden eher
zu Nachbrüchen neigen wie dickbankige. Die Klüftung spielt dabei eine große
Rolle und kann in ungünstigen Fällen die Ursache umfangreicher Nachbrüche
sein.
Es bleiben noch Stollen oder Tunnel zu erwähnen, die der Streichrichtung
der Schichten annähernd folgen, wobei der Schichteinfall einen Winkel von etwa
45° aufweist. Dann sind Gesteinsablösungen besonders im Übergangsbereich
zwischen First und Ulm möglich, und sie können bei Vorhandensein von un-
günstig verlaufenden Kluftflächen zu folgenschweren Nachbrüchen führen. Der
vereinte Einfluß ungünstiger Lage der Schichten und der Klüftung hat schon
wiederholt schwere Unfälle im Tunnelbau zur Folge gehabt.
Noch immer ist jenes denkwürdige Unglück nicht vergessen, das sich beim Bau
des nur 46 m langen Ittertunnels in Tirol im Jahre 1874 ereignete, dem die ganze
12 Mann starke Belegschaft mit dem leitenden Ingenieur zum Opfer fiel. STINI
schreibt darüber [l.38d]:
"Der permotriadische rote Sandstein, welchen man dort durchörterte, gliedert sich in
Bänke von 1-2 m Mächtigkeit; dünne Schieferlagen trennen sie voneinander. Seigere Klüfte
in einem Abstand von 2-3 m streichen von SSO gegen NNW Wld zerlegen den Sandstein im
Verein mit der Schichtung in ziemlich große GrWldkörper. Es war daher verfehlt, auf einmal
16 m Stollenlänge voll auszubrechen, ohne nachzumauern, bzw. eine entsprechend kräftige
Zimmerung einzubauen."
Dazu muß bemerkt werden, daß die Ursache von solchen Nachbrüchen zwar
im Nachhinein meist festgestellt werden kann, während der Durchführung der
Arbeiten ist diese Gefahr aber nicht immer mit Sicherheit zu erkennen.
ß) Der Arbeitsvorgang ist für die Entwicklung des Auflockerungsdruckes ebenso
maßgebend wie die beschriebenen natürlichen geologischen Bedingungen.
Im Fels verursachen vor allen Dingen die Sprengarbeiten eine Auflockerung
des Gefüges. Die Tiefe der Auflockerungszone hängt von der geologischen Be-
schaffenheit ab, wird aber ebensosehr vom Arbeitsvorgang, von der Anordnung der
Bohrlöcher von der Art der verwendeten Sprengstoffe und -von der Stärke der
Ladung beeinflußt. Im gebrechen Fels, im bindigen und kohäsionslosen Lockerge-
birge wird das Ausmaß des Auflockerungsdruckes besonders auch durch die Art des
zeitweiligen Ausbaues bedingt. Der zeitweilige Holzausbau, der in der Tunnel-
und Stollenbautechnik bis vor kurzer Zeit vorwiegend zur Anwendung kam,
weist in dieser Hinsicht bedeutende Nachteile auf. Die durch den Arbeitsvorgang
bedingte Auflockerung beginnt bereits beim Stollenvortrieb. Die Vorsteckpfähle
110 IV. Der Gebirgsdruck
liegen auch bei sorgfältiger Arbeit niemals satt am ungestört gebliebenen Gebirge
an, weil das Schnappen der Pfähle unvermeidliche Hohlräume schafft. Diese
Hohlräume werden bald durch nachsitzendes Gebirge aufgefüllt, und damit ist
bereits eine Auflockerung verbunden. Dazu kommt die Verformung des Holzes,
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Ab b. 57. Die österreichlsche Tunnelbauweise mit Längsträgerzlmmerung als Beispiel filr die bel den traditionellen
Bauweisen mögliche weitgehende Störung des Gebirges in der Umgebung eines Tunnelausbruches (nach einem
Lehrbehelf, den Erof. HETZEL an der Technischen Hochschule München herausgegeben hat)
fangung mit Hilfe der Längsträgerbauweise, sind die eintretenden Setzungen viel
größer, weil zu den früher erwähnten Ursachen noch die Senkung bei jeder Aus-
wechslung und die Durchbiegung sowie die Zusammenpressung der Längsträger
hinzutritt, so daß sich schließlich Firstsenkungen ergeben, die an die Größen-
ordnung von 1,0 m herankommen können [108a]. KOMMERELL gibt hierfür,
wenn wiederholtes Auffirsten nötig ist, das Maß von 70 cm und mehr an [80J.
Besser als jede Beschreibung vermag eine Darstellung der früher oft an-
gewendeten österreichischen Bauweise mit Längsträgerzimmerung diesen Sach-
verhalt zu illustrieren (Abb. 57). Die Darstellung ist einem von Prof. HETZEL an
der Technischen Hochschule München herausgegebenen Lehrbehelf entnommen.
Man erkennt aus dem Arbeitsvorgang, daß bei den wiederholten Auswechslungen
eine schwere Schädigung des Gebirges durch Auflockerung zu erwarten ist, das ja
in Anbetracht der kräftigen Zimmerung als stark gebrech anzunehmen ist. Bei
diesem Arbeitsvorgang werden beträchtliche Senkungen unvermeidlich sein.
Die geschilderten Erscheinungen lassen die Mängel der traditionellen Tunnel-
bauweise mit zeitweiligem Holzausbau erkennen. Dazu kommt noch der Nachteil,
daß oft Holzteile, insbesondere die Verpfählung, die bei der Herstellung des dau-
ernden Ausbaues nicht beseitigt werden können, im Laufe der Zeit verfaulen und
damit eine weitere Ursache der Auflockerung bilden. Der zeitweilige Holzausbau
hat trotz dieser Nachteile bis vor kurzer Zeit den Tunnelbau fast vollständig
beherrscht. Erst in den letzten Jahrzehnten bahnte sich auf diesem Gebiet eine Wand-
lung an, und es entstanden Bauweisen, die der Forderung, die Auflockerung des
Gebirges in möglichst engen Grenzen zu halten oder sie ganz zu vermeiden, gerecht
werden. Darauf wird im Kap. X über die neuen Stollen- und Tunnelbauweisen
näher eingegangen werden. Es darf aber nicht übersehen werden, daß der Holz-
ausbau nicht bloß Nachtei~e hat und unter schwierigen Verhältnissen, beispiels-
weise beim Richtstollenvortrieb, auch heute noch zur Anwendung kommen wird.
Manche Gesteine zeigen nach der Aufschließung durch Vortrieb oder VOll-
ausbruch, insbesondere aber nach dem erfolgten Stollendurchschlag, Auf-
lockerungserscheinungen, die der obertägigen Verwitterung ähnlich sehen. Zu
solchen Gesteinen gehören vor allen Dingen manche Phyllite, Schwarzschiefer,
Seidenschiefer usf. Dies hat zur verbreiteten Meinung geführt, daß die feuchte
Stollenluft die Ursache dieser Auflockerung bildet. Wenn ein solcher Einfluß be-
stünde, dann müßte eine chemische Einwirkung des Luftsauerstoffes, des Kohlen-
dioxyds oder des Wassers auf das Gebirge nachzuweisen sein; das ist aber ver-
hältnismäßig selten der Fall. Man kann Phyllite, die aus einem Stollen stammen,
jahrelang entweder unter Wasser oder in feuchter Luft aufbewahren und keinerlei
Schädigung feststellen, obwohl die gleichen Gesteine unter Tag stark zur Ver-
witterung neigen. Dieser Widerspruch bedarf der Klärung.
Das Gebirge befindet sich vor der Erschließung physikalisch und chemisch in
einem bestimmten Gleichgewichtszustand, der durch die Druckverhältnisse,
die Temperatur und die chemischen Bedingungen, die hauptsächlich vom Berg-
wasser herrühren, gegeben ist. Dieser Zustand wird durch den Tunnel- oder Stollen-
ausbruch plötzlich verändert. Von allen erwähnten Faktoren ist die Änderung
des Spannungszustandes am einschneidendsten; ein Großteil der Auflockerungs-
erscheinungen, die beobachtet werden, ist nur auf diese Ursache zurückzuführen.
Die mit dem Übergang vom primären in den sekundären Spannungszustand ver-
bundenen elastischen Verformungen, die elastische Nachwirkung, ferner plastische
Verformungen und das Kriechen des Gebirges äußern sich bei gewissen glimmer-
reichen Gesteinen, insbesondere bei Phylliten und bei manchen Mergelarten in
Form von Abblätterungen oder auch von größeren Ablösungen. Weniger wichtig,
aber doch bedeutungsvoll ist die Änderung der Temperaturbedingungen, die be-
sonders nach dem Durchschlag wirksam wird, weil die dann einsetzende kräftige
Lüftung bei seicht liegenden Tunneln im Sommer eine Temperaturerhöhung und
112 IV. Der Gebirgsdruck
treten erst dann in Erscheinung, wenn man die Bewegungen zu hemmen sucht.
Mit dem Eintritt der Durchbewegung gelangen die plastifizierten Teile des Ge-
birges in einen labilen Gleichgewichtszustand. Wenn dabei die plastischen Vor-
gänge nicht zu große Ausdehnung gewinnen, können weiter abgelegene, nicht bis
an die Grenze ihrer Tragfähigkeit beanspruchte Gebirgsteile zur Mitwirkung
herangezogen werden, ein Verhalten, das als Schutzhüllenbildung gedeutet wird.
c) Der Schwelldruck
Der Schwelldruck ist auf eine Volumvergrößerung des den Ausbruchshohl-
raum umgebenden tonigen Gebirges zurückzuführen, wobei als Ursache entweder
hydrodynamische Vorgänge, also das Zuströmen von Porenwasser aus entfernteren
Gebirgsbereichen in die nahe dem Ausbruch gelegenen Randzonen in Betracht
kommt, ober aber es liegen chemische Ursachen vor. Der letztere Fall ist praktisch
hauptsächlich bei Anhydrit gegeben, der durch Aufnahme von Kristallwasser
eine Volumvergrößerung erfährt. Doch ist das Schwellen dieser letzteren Art
an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Vor allen Dingen scheint nur der fein
verteilte Anhydrit mit der dadurch gegebenen großen Oberfläche besonders zum
Schwellen zu neigen, während es beim massigen Anhydrit gering ist oder über-
haupt unterbleibt.
49. Bergschläge
Die Bergschläge gehören zu den eindrucksvollsten und gefürchtetsten Er-
scheinungen des echten Gebirgsdruckes beim Bau tiefliegender Tunnel. Man ver-
steht darunter das Abwerfen von Gebirgsteilen am Ausbruchsrand, das plötzlich
unter lautem, einer Explosion ähnlichem Geräusch
erfolgt. Die Ablösungen treten meist und gehäuft
an den Ulmen, seltener im First und fast nie an
der Sohle auf. Sie bevorzugen sprödes, massiges
Gebirge. Die Ablösungen sind linsenförmig und
haben häufig scharfe, schneidenartige Ränder.
Die Ablösungsflächen nehmen oft auf die Schich-
tung oder Schieferung des Gesteins keinerlei
Rücksicht und werden daher von diesen Schwach-
stellen des Gebirges meist nicht beeinflußt. Die
abgelösten Knallplatten lassen sich in die Aus-
bruchsstelle nicht mehr einfügen; sie sind
elastisch stark deformiert.
Bergschläge sind bei jedem tiefliegenden
Tunnel zu erwarten. Bekannt und oft erwähnt
sind die Bergschlagerscheinungen, die beim Bau
des Tauern-, des Karawanken- und des Wochei-
nertunnels im alten Österreich auftraten. Beim
Bau des Tauerntunnels machte IMHoF die Be- Abb. 58. BergRchlag im Simplontunnel
obachtung, daß Bergschläge nur in jenen Strecken während der Ausmauerung [3 tl
vorkamen, in denen das Gestein weder Schichtung
noch Klüftung aufwies. Er stellte ferner fest, daß bei der Auslösung der Bergschläge
die Abkühlung eine gewisse Rolle spielt. Zur Sicherung des Arbeitsortes wurde daher
das Gebirge nach dem Abschlag mit kaltem Wasser abgespritzt, worauf die Berg-
schläge in rascher Aufeinanderfolge eintraten. IMHoF hat auch eine Anzahl von
linsenförmigen Knallplatten gemessen und festgestellt, daß sie an jenen Stellen,
wo sie sich frei ausbilden konnten, geometrisch ähnlich waren. Länge, Breite und
Dicke verhielten sich im allgemeinen wie 3:2:0,3 [108a].
8 Kastner, Statik
114 IV. Der Gebirgsdruck
Vom Bau des Simplontunnels liegen eingehende Berichte und ein wertvolles
Bildmaterial vor, wovon trotz Wiederholung ein Beispiel gebracht wird (Abb. 58).
Die Bergschläge traten im Simplontunnel auf, wenn die Überlagerungs höhe etwa
1500 m überschritt; das war auf eine Länge von rd. 9 km der Fall. Sie erfolgten
im harten, massigen Gestein, und zwar im Marmor, im Gneis und im An-
hydrit [3e].
Im Lötschbergtunnel gab es bei einer größten Überlagerungshöhe von 1600 m
Bergschläge im festen Gasterngranit [3e].
Die Beobachtungen über .Bergschläge, die beim Bau des Druckstollens des
Kraftwerkes Amsteg der Schweizerischen Bundesbahnen gemacht wurden,
sind so anschaulich, daß es sich lohnt, den Bericht darüber nachstehend wieder-
zuge ben [139].
"Eine hochinteressante, überraschende Erscheinung beim Ausbruch des Stollens bildeten
die sogenannten Bcrgschläge, die auf der ganzen Länge der Granitzone, besonders stark aber
in deren unterer Hälfte auftraten, eine auch vom Bau des Simplontunnels her bekannte Er-
scheinung, bei der Gesteinsteile mit starkem Knall von der Ausbruchswand absprangen.
Beim Simplontunnel erklärte man diese Erscheinung hauptsächlich aus der durch die Schaf-
fung des Ausbruchshohlraumes hervorgerufenen Auslösung innerer, durch die gewaltige
Gebirgsüberlagerung im Gestein entstandener Spannungen. Für Amsteg, wo die Erscheinung
zum ersten Mal in diesem Umfang unter ganz anderen Verhältnissen beobachtet wurde,
trifft diese Erklärung nicht zu, da die Bergschläge auch in Strecken mit geringerer Gesteins-
überlagerung von z. B. weniger als 50 m auftraten. Am befriedigendsten dürfte unter ver-
schiedenen Erklärungsversuchen der sein, daß sich bei Erstarrung aus dem Magma im Granit
innere Spannungen, Schrumpf- oder Gußspannungen bildeten, deren labiles Gleichgewicht
durch Aufheben eines Teiles derselben (Freilegen des Lichtraumes) und Hinzufügen von
Zusatzkräften (Temperaturänderung) gestört wird. Diese Erklärung hat sich insbesondere
mit Bezug auf die Temperaturwirkung durch eingehende Beobachtungen während des Aus-
bruches geradezu aufgedrängt und mehr und mehr erhärtet. Die Tatsache, daß die Bergschläge
durchwegs im talseitigen Stoß und dort am stärksten beim Übergang des Gewölbeschenkels
in das Widerlager auftraten, läßt sich statisch verhältnismäßig leicht aus den Struktur-
verhältnissen des Gebirges erklären, ebenso die weitere interessante Tatsache, daß das Ab-
sprengen senkrecht zur Schalung (?) des Gesteins erfolgte. Die abgesprungenen Schalen von
der Größe einer Hand bis zu mehreren Quadratmetern wiesen Dicken bis zu nur wenigen
Millimetern auf; es zeigte sich auch, daß ihr Krümmungsradius nach dem Abspringen größer
geworden war, so daß die Schale nicht mehr in die ursprüngliche Lage eingepaßt werden
konnte. Dem Abspringen der Platten ging ein Knistern, wie beim Verbrennen von trockenem
Tannenholz voran (welches Knistern aber nur bei lautloser Stille im Stollen gehört werden
konnte), dem nach längerer Zeit (mehrere Minuten) ein Knall von der Stärke eines Gewehr-
schusses folgte. Das Abspringen der Platten hatte eine Reihe von Unfällen, darunter sehr
schwere zur Folge, so daß der Talstoß vor Ort nach dem Abschießen und vor dem Wieder-
beginn der Arbeit mit langen Eisenstangen bearbeitet werden mußte, um die Bergschläge
rascher zur Auswirkung zu bringen. Vollständig beruhigte sich das Gebirge aber erst nach
Tagen~ ~ochen und Monaten; spätere Bergschläge erfolgten zudem meist nicht mehr so
explOSIV.
Soweit einige Berichte über Erfahrungen, die schon länger zurückliegen. Aus
der jüngeren Zeit sind noch folgende Beobachtungen von Interesse.
In lebhafter Erinnerung ist der große Bergschlag in dem Kalibergwerk
Krügershall, der im Jahre 1940 in Sekundenschnelle das ganze Grubengebäude von
über 1 km 2 Ausdehnung vernichtete und die gesamte Belegschaft von 45 Mann
begrub.
TSCHERNIG berichtete auf der Gebirgsdrucktagung Leoben 1950 eingehend
über Bergschläge im Kärntner Blei- und Zinkerzbau [149]. Um einen besseren
Einblick zu gewinnen, untersuchte er die Bergschläge statistisch hinsichtlich ihrer
örtlichen und zeitlichen Häufigkeit. Insbesondere die örtlichen Häufungen
führten zu der Schlußfolgerung, daß die Bergschläge im festen Kalkstein durch
Spannungen ausgelöst werden, welche durch jetzt noch andauernde Bewegungen
von Gesteinsschollen längs gewisser Klüfte und Verwerfungen entstehen. TscHER-
NIG weist nach, daß der größte Teil der Bergschläge an Nord- bis Nordostklüften
vorkamen und ist der sicher zutreffenden Ansicht, daß dies kein Zufall sein kann.
50. Mäßiger, von den Ulmen ausgehender echter Gebirgsdruck 115
Diese Beobachtung dürfte ein neuerlicher Beweis dafür sein, daß die Alpen heute
noch einer nach Nord- oder Nordost gerichteten Bewegungstendenz folgen.
über besonders schwere Fälle von Bergschlägen hat auch HAGEN anläßlich
der Gebirgsdrucktagung in Leoben 1950 berichtet [48]. Es handelt sich um die
Bergbaue des Kolar-Goldfeldes im indischen Staat Mysore. Dort bauen 4 Gruben
auf einem lotrecht einfallenden Goldquarzzug von durchschnittlich 1,20 m
Mächtigkeit. Hornblendeschiefer und Granit bilden das Nebengestein. Der
Bergbau ist auf der tiefsten Grube bis zu 2835 m unter der Erdoberfläche gelangt.
Der Schwerpunkt der Gewinnung
liegt auf etwa 2700m. Es ist be-
absichtigt, bis auf 3300 m vorzu-
dringen.
Der Druck der Überlagerung,
also die lotrechte primäre Druck-
spannung, beträgt in einer Tiefe
von 2700 m rd. 800 kgcm- Z und
man vermutet, daß außerdem
noch tektonische Spannungen
wirksam sind, weil Gebirgsschläge
auf den Kolargruben von 300 m
Teufe an aufgetreten sind, wo zur
Erklärung der überlagerungs-
druck nicht ausreicht. Abb. 59. Bergschlag im Möl!überleitungsstollen der Tauern-
Gebirgsschläge richten bei die- kraftwerke Kaprun [70i]
sem Goldbergbau die Hauptzer-
störungen immer auf den Sohlenstrecken an. Holzausbauten haben sich als ungeeig-
net erwiesen, weil sie unter der Wirkung der Bergschläge vollständig zusammen-
brachen. Der Ausbau in Beton oder in Granitquadern hat sich gleichfalls nicht
bewährt, gleichgültig ob er dicht an das Gebirge angeschlossen oder mit einer
ringförmigen Versatzhinterfüllung ausgeführt wurde. Hingegen hat sich der Aus-
bau mit Stahlringen zu behaupten vermocht und allgemein durchgesetzt. Schnelles
und möglichst dichtes Ausführen des Versatzes ist von besonderer Wichtigkeit.
Aus dieser Schilderung ist zu erkennen, daß der Bergbau mit der Erreichung
einer Teufe von etwa 3000 m zumindest für den Streckenbau nahe an die technisch
mögliche Grenze herangekommen sein dürfte.
Zum Schluß wird noch das Bild eines der zahlreichen Bergschläge im Möll-
überleitungsstollen der Tauernkraftwerke gebracht (Abb. 59).
8*
116 IV. Der Gebirgsdruck
Die plastischen Erscheinungen zeigen sich immer an den Ulmen. Beim stein-
salzreichen Haselgebirge wachsen die Ulmen langsam und bruchlos in den Hohl-
raum hinein. Holzeinbauten werden durch Seitendruck zerstört und müssen von
Zeit zu Zeit außer Druck gesetzt werden. Im First und an der Sohle finden Stau-
chungserscheinungen statt, wobei das Gebirge im First sogar nach oben gepreßt
werden kann. Das Endstadium dieser Entwicklung ist das vollständige Zuwach-
sen des Ausbruchshohlraumes.
Wenn alte Salzbergbaue durch
neuere Stollen erschlossen wer-
den, findet man nicht selten
von vorgeschichtlicher Berg-
bautätigkeit herrührende
Werkzeuge, Grubenhölzer und
Fackeln, die vom Gebirge
vollständig eingeschlossen sind.
Das Gebirge führt dann den
Namen Heidengebirge ; die
eingeschlossenen Gegenstände
stammen aus der Hallstatt-
zeit (900-390 v. ehr.) [95J.
Im salzärmeren Haselge-
Abb. 60. Durch Ablösungen an den "Vlmen nimmt der ur-
sprüngliche trapezförmige Ausbruchsquerschnitt. der durch birge äußert sich der echte
weiße Holzlatten gekennzeichnet ist, eine elliptische Form an Gebirgsdruck nicht in der
[123]
eben geschilderten bruchlosen
plastischen Verformung. Die
Spannungssteigerungen an den
Ulmen führen zur Ablösung
von Gesteinsschalen. Doch ge-
schieht dies langsam und nicht
mit dem bei den Bergschlägen
so eindrucksvollen akustischen
Effekt. Die Ablösungen erfol-
gen nach Gleitflächen und
führen eine Berichtigung des
Ausbruchsquerschnittes her-
bei. Der ungünstige ursprüng-
lich trapezförmige Ausbruchs-
querschnitt nimmt im unver-
kleidet bleibenden Stollen im
Laufe der Zeit eine kreisför-
mige oder elliptische Gestalt
an (Abb. 60). Hierbei entsteht
Abb. 61. Sicherung der l:lm dmch Felsanker mit Holzholm im der Kreisquerschnitt als be-
Richtstollen des Druckstollens des Kraftwerkes Schwarzach [701j
standfähige Endform im ho-
mogenen Gebirge, während im
geschichteten Gebirge die Profilumbildung zu einem elliptischen Querschnitt führt.
Wenn die Stollenachse annähernd im Streichen der Schichten verläuft, so ent-
steht eine Ellipse, deren große Achse in der Fallrichtung der Schichten liegt.
Verläuft die Stollenachse senkrecht zum Streichen, so folgt die Hauptachse des
umgebildeten, elliptisch gewordenen Querschnittes gleichfalls annähernd der
Fallinie. Die günstigste Ausbruchsform ist daher bei homogenem und isotropem
Gebirge der Kreis und bei geschichtetem Gebirge die Ellipse, deren große Achse
in der Richtung des größten Druckes liegt; dieser größte Druck fällt ungefähr
mit dem Fallen der Schichten zusammen.
51. Starker, von den Ulmen ausgehender echter Gebirgsdruck 117
Im Salzbergbau wird von alters her der Laugbetrieb geübt, wobei Hohlräume
mit der erstaunlich großen Weite bis zu 100 m entstehen und auch längere Zeit
bestehen bleiben.
Als weiteres Beispiel wird über den Druckstollen des Salzachkraftwerkes
Schwarzach im Bereich von Lend berichtet Der Abschnitt Lend dieses im ganzen
rd. 16 km langen Druckstollens durchörtert Phyllit und weist eine größte über-
lagerungshöhe von 700 m auf. Der Stollen folgt im allgemeinen der Streichrich-
tung der Schieferung; ihr Einfallen erfolgt im großen und ganzen seiger. Bei einer
Überlagerungshöhe von etwa 400 m begannen sich bereits im Richtstollen Ab-
lösungserscheinungen zu zeigen. Sie blieben aber auf die Ulmen beschränkt und
griffen kaum auf den First über. Die geschilderte Struktur des Phyllites hat Ab-
lösungen an den Ulmen besonders gefördert. Auch bei diesen Ablösungen handelt
es sich um Gleitbrüche, wobei die Schieferungsflächen vorgebildete Gleitbahllfm
darstellen.
Abb. 61 zeigt eine solche Ablösung im Richtstollen. Der verankerte Ulmverzug
wurde erst angeordnet, als sie sich bereits anzeigte. Durch diese auf große Er-
streckung ausgeführte Sicherung konnten Unfälle durch Gesteinsnachbrüche weit-
gehend vermieden werden.
Ferner sei der 11,7 km lange Druckstollen angeführt, mit dem die Triebwasser-
leitung des Kraftwerkes Randens, Frankreich, den Grand Arc durchsticht, der in
den Jahren 1949 bis 1953 ausgeführt wurde [77]. In einer 3 km langen Strecke,
deren Überlagerung 1500 m übersteigt und 1950 m erreicht, traten mäßige Ge-
birgsdruckerscheinungen an den Ulmen auf. Die Druckstrecke liegt im Kristallin,
das hauptsächlich aus Gneisen und Schiefergneisen besteht. Dabei verläuft die
Schieferung ausgesprochen günstig. Ihr Streichen schließt mit der Stollenachse
einen Winkel ein, der nirgends kleiner als 70° ist und das Einfallen erfolgt immer
steiler als gleichfalls 70°. Die Gebirgsdruckerscheinungen blieben deshalb auch in
mäßigen Grenzen und konnten mit Felsankern beherrscht werden. Die Anker
wurden jeweils sofort nach dem erfolgten Abschlag gesetzt. Es waren deren etwa
12 Stück je m Stollen notwendig. Die Verankerung ermöglichte es, den Ausbruch
mit vollem Profil ungestört durchzuführen.
Vom Triebwasserstollen des Ennskraftwerkes Hieflau, Österreich, wird be-
richtet [129]: In einer etwa 500m langen Strecke kam es in dem anstehenden Dach-
steinkalk zu lebhaften, bergschlagähnlichen Ablösungserscheinungen an der
Stollenleibung. Ihre Ursache war zunächst nicht eindeutig zu erkennen, weil die
überlagerungshöhe zu gering war und keine Anzeichen für das Auftreten tekto-
nischer Spannungen bestanden. Erst die geologische Aufnahme brachte Klar-
heit. Infolge des schrägen Einfallens der Schichtpakete war nicht die lotrechte,
sondern die wesentlich größere schräge Überlagerungshöhe maßgebend.
zum Teil auch ähnliche Erscheinungen auf, und zwar recht intensiv. Aber selbst da wurde der
Druck kein außerordentlicher, wenn das Gebirge nicht zu lang sich selbst überlassen blieb, die
Mauerung dem Vollausbruch möglichst bald folgte und satt angemauert wurde. Alle diese
Erscheinungen wiesen darauf hin, daß die Ulmen unter der Gebirgslast nachgaben."
Abb. 65. Durch Stauchung entstandene Knickfalte unter der Sohle eines Stollens. (Das Lichtbild stammt von
Dr.·lng. O. JACOBI des Steinkohlenbergbauvereins Essen)
Die Wirkung des Seitendruckes ist mit eindringlicher Klarheit aus den Abb. 64
und 65 zu erkennen. Abb. 64 zeigt die über einem Stollenfirst auftretende Fal-
tung, während in Abb. 65 die durch eine Knickfalte verursachte Aufwölbung der
Stollensohle zu ersehen ist.
~1=;.
d e Soh/gewö/be "fü//befon
Abn. 66a-e. Die Bauweise bei der Herstellung des neuen Semmeringtunnels; a) Sohlstollen und Firstschlitz; b) Betonieren des Gewölbes; c) Ausbruch der Widerlager, d) Betonieren
der Widerlager; e) fertiger Tunnel [109a, J09hj
52. Starker, von allen Seiten wirkender echter Gebirgsdruck 121
als ungeeignet, bzw. als unzureichend. Es wurde daher für den Sohlstollen ein
zeitweiliger Holzausbau gewählt, der ausreichend widerstandfähig war, und zwar
eine im Querschnitt ringförmige Auskleidung mit Buchenkanthölzern. Die Hölzer
waren radial zugeschnitten und 1,50 m lang. Bei einem lichten Durchmesser des
Richtstollens von 2,60 m, erhielt der zeitweilige Ausbau eine Dicke von 25 cm.
Die rechnungsmäßige tangentiale Druckspannung betrug 60 kgcm- 2 .
Eine ähnliche Bauweise wird im Salz bergbau seit langer Zeit angewendet; die
sogenannte Polygonalzimmerung, die den Vorteil bietet, daß die Hölzer in der
Faserrichtung und nicht senkrecht dazu auf Druck beansprucht werden. Die
Ausbildung dieser Zimmerung ist aus den Abb. 67 und 68 zu erkennen. Dabei
Abb. 67. Polygonalverzimmerung eines Stollens Abb. 68. Polygonalverzimmerung eines Stollens mit Holz-
mit Holzklötzen. (Das Lichtbild stammt von klötzen. Man beachte den durch echten Gebirgsdruck ent-
Dr.·lng. O. JACOBI des Steinkohlenbergban· standenen Brnch der Steher im Hintergrund. (Das Lichtbild
vereins Essen) stammt von Dr.-Ing. O. JACOBI des Steinkohlenbergban-
vereins Essen)
zeigte sich überdies, daß der Kreisquerschnitt günstiger war als der hochgestellte
elliptische Querschnitt, weil bei letzterem Schäden durch Seitendruck entstanden.
Bekannt ist auch die Anwendung dieser Methode des zeitweiligen Ausbaues
beim Bau des Apennintunnels der Direttissima Bologna-Florenz [91].
RABCEWICZ ist der Ansicht, daß dieser Ausbau mit Holzklötzen deshalb dem
Gebirgsdruck Widerstand zu leisten vermag, weil er nachgiebig ist und daher der
plastischen Verformung des Gebirges zu folgen, d. h. vor ihr zurückzuweichen
vermag. Das scheint aber nicht zutreffend zu sein, weil ja der Ausbau mit trapez-
förmig gestellten Gespärren eine viel größere Nachgiebigkeit aufweist. Wahr-
scheinlich ist aber die außerordentliche Widerstandsfähigkeit der geschlossenen
Ringschale, die durch tangentiale Druckspannungen beansprucht wird, die Ur-
sache für die erprobte Eignung dieser Bauweise. Im Gegensatz dazu werden die
Kappen und Steher des üblichen Holzeinbaues auf Biegung beansprucht, und es
läßt sich leicht nachweisen, daß ihre Widerstandsfähigkeit hinter jener des ge-
schlossenen Ringes weit zurückbleibt.
Über den Semmering-Tunnel wird weiter berichtet: Der Vortrieb des Sohl-
stollens von der Südseite erfolgte nach einer kurzen Strecke von tonigen Myloniten
(Weißerde) zunächst durch Rauhwacke und festere Dolomite. Nach 70 m weiterem
Vortrieb in der Weißerde nahmen die Deformationen des Stolleneinbaues und die
Verengung des Ausbruchsquerschnittes solche Ausmaße an, daß man den Richt-
stollen einstellen und an den Vollausbruch dieser Strecke schreiten mußte. Das
Hereindrängen der Gebirgsmassen zwang dazu, den Sohlstollen in diesen Strecken
3-5mal zu rekonstruieren. Die Sohle mußte ebensooft nachgenommen werden,
122 IV. Der Gebirgsdruck
so daß sich ihre gesamte Hebung auf rd. 2,0 m stellte. Die Erhaltung des Licht-
raumquerschnittes und damit die Sicherung des Verkehrs im Stollen war ein un-
unterbrochener Kampf mit den nachdrängenden Gebirgsmassen.
In den Zonen, in denen tonige Mylonite anstanden, wurde die belgisehe Bau-
weise angewendet, weil dabei die Zeitspanne zwischen dem Beginn des Vollaus-
bruches und der Fertigstellung der endgültigen Ausmauerung am kleinsten ist. Die
fortlaufende Betriebsweise konnte aber nicht vorgesehen werden, weil ein möglichst
rasches Schließen der gesamten Tunnelauskleidung einschl. des Sohlengewölbes erstes
Gebot war. Nach Fertigstellung der geschlossenenAuskleidung einschließlich des Rohl-
gewölbes konnte in der Weißerdestrecke keine Verschiebung der Beobachtungs-
punkte festgestellt werden. Hingegen zeigten sich in den fertiggestellten, aber noch
nicht unterfangenen Ringen der Kalotte mancherlei Schäden. Wohl wurden zur
gegenseitigen Abstützung der Kämpfer 40-50 cm starke Rundhölzer (Tiranten)
eingezogen. Die Verkeilung derselben wurde aber bald zerquetscht und viele
Hölzer knickten aus. Die gegenseitige Bewegung der Widerlager verursachte
neben Rissen im Mauerwerk auch schalenförmige Absplitterungen an deren Innen-
leibung, besonders im Firstbereich.
In dem bereits erwähnten 11,7 km langen Durchstich Isere-Arc des Kraft-
werkes Randens bereitete eine 500 m lange Zone mylonitischer Schiefer bei einer
überlagerungshöhe von wenig mehr als 500 m beträchtliche Schwierigkeiten.
Die Schiefer waren weich und zeigten graphitisch glänzende Schieferungsflächen.
Der Gebirgsdruck trat im First und an den Ulmen auf. Man versuchte zuerst den
Vortrieb im vollen Profil weiterzuführen, indem man schwere Rahmen aus Breit-
flanschträgern einzog, die aber rasch starke Verformungen erlitten, so daß der
dauernde Ausbau in Stahlbeton beschleunigt nachgezogen werden mußte. Diese
Ausbauweise konnte einige Zeit durchgehalten werden. Später aber mußte man
den folgenschweren Entschluß fassen, den Vortrieb mit vollem Profil einzustellen
und das Gebirge mit Richtstollen aufzuschließen.
von CULMANN und RITTER sein, konnte aber mit den späteren Erfahrungen keines-
wegs in Einklang gebracht werden.
Eine entscheidende Wendung trat ein, als der Schweizer Alpengeologe Albert
HEIM im Jahre 1878 seine Ansichten veröffentlichte [52a]. Sie sind schon oft wieder-
gegeben worden, doch ist es für das Verständnis der späteren Darlegungen zweck-
mäßig, sie wenigstens in ihren wesentlichsten Teilen zu wiederholen. HEIM
schreibt:
"Von jedem Gestein läßt sich eine Säule denken, so hoch, daß ihr Gewicht die Festigkeit
des Gesteins übersteigt, so daß also ihr Fuß zerdrückt wird. Je nach der größeren oder ge-
ringeren Gesteinsfestigkeit wird diese Säule höher oder niedriger sein, stets aber wird der
gedachte Fall eintreten."
HEIM spricht also hier von der Gesteinsfestigkeit und geht von der einachsigen
Druckfestigkeit aus.
"In gleicher Weise muß der Druck auch in der Erde mit zunehmender Tiefe steigen; die
Festigkeitssäule kann auch gedacht werden als Ausschnitt aus einer überlagernden Gesteins-
decke von entsprechender Mächtigkeit. Unter einer solchen Decke wird also ein Druck
herrschen, der das Gestein zu Pulver zermalmen würde, wenn die Gesteinsteilchen irgendwie
seitlich ausweichen könnten. Ein solches seitliches Ausweichen und damit eine Zertrümmerung
ist nun zwar nicht möglich, der Zusammenhalt der einzelnen Teilchen wird aber aufgehoben,
die innere Reibung unter dem allseitigen Druck so vermindert, daß eine Umlagerung bruchlos
erfolgen kann, das Gestein beginnt zu fließen, wie das Eis der Gletscher fließt.
In einer gewissen Tiefe ist also jedes Gestein ,latent-plastisch'; die Plastizität kommt zum
Ausdruck, sobald in irgendeiner Weise, sei es durch den Eingriff des Menschen oder auf natür-
lichem Wege durch gebirgsbildendeKräfte das Gleichgewicht gestört wird.
In einer plastischen Masse muß sich der Druck, ähnlich wie in einer Flüssigkeit, nach allen
Richtungen im Raum fortpflanzen. Sobald die latente Plastizität ausgelöst wird, treten also
nicht mehr statische, sondern hydrostatische Verhältnisse auf."
Aus den in den Abschnitten über den sekundären Spannungszustand im Ge-
birge dargelegten Gesichtpunkten geht hervor, daß die Ansichten HEIMS grund-
sätzlich zutreffen. Störend wirkt bei seinen Äußerungen nur der Umstand, daß er
von hydrostatischem Druck spricht, obgleich er dies offensichtlich nur tat, um seine
Gedankengänge anschaulich zu gestalten. Der Ausdruck hydrostatischer Druck
wird auch in der späteren Literatur immer wieder gebraucht, obwohl er als un-
zutreffend nicht angewendet werden sollte. Ein hydrostatischer, also allseitig
gleich großer Druck wird im MOHRsehen Diagramm durch einen Punkt auf der
Normalspannungsachse dargestellt, dessen Abszisse dieser allseitig gleiche Druck
ist. Schubspannungen treten nicht auf; die Verformungen sind daher bei allseitig
gleichem Druck grundsätzlich nur elastisch und ein Fließvorgang ist nicht mög-
lich. Doch soll diese Feststellung nicht besagen, daß an den Gedankengängen
HEIMS von der latenten Plastizität etwas Grundlegendes auszusetzen wäre.
Auf eine zweite Äußerung HEIMS muß noch besonders hingewiesen werden.
Er meint, daß unter dem allseitigen Druck die innere Reibung so weit vermindert
wird, daß eine bruchlose Umlagerung erfolgen kann. Dieser Gedanke, der nur aus
der Beobachtung der tektonischen Verhältnisse gewonnen wurde, ist durch die
späteren theoretischen Untersuchungen vollauf bestätigt worden. Die MOHRsehe
Grenzlinie stellt ein Verhältnis der Schubspannungen zu den Normalspannungen
im Grenzzustand her, und der Differentialquotient : : gibt den für jede Nor-
malspannung (J geltenden Winkel des inneren Gleitwiderstandes des Gebirges
tan (lg = :: an. Die Grenzkurve nähert sich einer waagrechten Asymptote und
der Winkel des inneren Gleitwiderstandes daher dem Wert Null. Diese Tat-
sache ist scheinbar in ihrer ganzen Bedeutung in der tektonischen Geologie noch
nicht gewürdigt worden. Dies möge an einem Beispiel gezeigt werden. Unter den
Theorien der Gebirgsbildung spielt heute jene des faltenden Zusammenschubes
durch Gleitung unter dem Einfluß der Schwerkraft eine bedeutende Rolle; sie hat
124 IV. Der Gebirgsdruck
viele Anhänger. Eine wichtige Voraussetzung für ihre Gültigkeit ist aber das Vor-
handensein eines für die Gleitung erforderlichen Gefälles. Wenn in der Erdkruste
keine Horizontalkraft vorhanden ist, müßte also zur Erklärung der Entstehung
eines Gebirges ein noch höheres Gebirge vorausgesetzt werden, weshalb die heutigen
Anhänger der Gleitungshypothese sie mit der Annahme von magmatischen He-
bungen koppelI;l [22]. Wenn auch nach AMPFERER nur ein Teil der Orogenese durch
Gleitvorgänge erklärt werden kann, so spielen sie in der Geotektonik zweifellos
eine Rolle; der Einwand, daß eine Gleitbahn von entsprechend großer Neigung
vorhanden sein müsse, verliert aber durch die im Zusammenhang mit der MOHR-
schen Theorie und der Form der Grenzlinie nach KARMAN gemachten Fest-
stellungen an einschränkender Bedeutung, weil wegen des bei hohem Druck ganz
geringen Wertes des Winkels des inneren Gleitwiderstandes (lg schon bei kleinstem
Gefälle eine Gleitbewegung einsetzen kann.
HEIM entwickelte seine Theorie in erster Linie zur Erklärung der in den Alpen
auf Schritt und Tritt zu beobachtenden plastischen Verformungen der Gesteine,
insbesondere bei der Faltung.
Der Bau des Simplon-Tunnels brachte die Frage des Gebirgsdruckes ins Rollen
und veranlaßte HEIM, an seine früheren Ausführungen anknüpfend, sich neuer-
lich zu äußern. In den Bergschlägen erkannte HEIM eine vollständige Analogie
mit den Abtrennungen am Rande eines Gesteinswürfels, der einem einachsigen
Druckversuch unterworfen wird. Weil aber der überlagerungsdruck Pv = ygh
nicht ausreicht, um die Gesteinsfestigkeit zu überwinden, führte er, wie bereits
erwähnt wurde, den Begriff der Gebirgsfestigkeit ein. Das Gebirge weist infolge
seiner Inhomogenität, seiner Klüfte, seiner vielen Fehlstellen usw. eine wesentlich
geringere Festigkeit auf als jene, die man an einem ausgesuchten, möglichst
fehlerfreien Probestück ermittelt. Wenn dies auch sicher zutrifft, so zeigte sich
ein gewisser Widerspruch darin, daß Bergschläge besonders heftig im massigen
und gesunden Gebirge auftraten. Auch hierfür deutet HEIM die zutreffende Er-
klärung an, wenn er der Meinung Ausdruck gibt, daß die Schaffung des Tunnel-
hohlraumes den Gebirgsdruck (gemeint sind die sekundären Tangentialspannungen
am Ausbruchsrand, besonders im Bereich der Ulmen) auf die nächste Umgebung
des Tunnels konzentriert. Die Betrachtung des sekundären Spannungszustandes
im Gebirge erweist, daß die von HEIM vermutete Konzentration des Druckes am
Ausbruchsrand eine bedeutungsvolle Rolle spielt.
a b
Abb. 69 a u. b. Bruch der Ausmauerung eines Tunnels infolge starken von den Ulmen ausgehenden echten Gebirgs-
druckes ; a) wenn das Gebirge die Möglichkeit hat, nach oben auszuweichen (Trennbruchrisse und Absplitterungen) ;
b) bei unnachgiebigem First (Scherrisse) [108a]
Gleitung nur einseitig erfolgen, und dies würde sich irgendwie anzeigen. Nun ist
aber die Schieferung des Gesteins, wie aus der Zeichnung BRANDAUS hervorgeht,
nicht stark von der söhligen Lage abweichend - die Neigung beträgt 10 - 20° - und
die Ausbildung von Gleitflächen in der von BRAND AU angegebenen Form ist nicht
möglich. Mit dem Abgleiten von Gesteinsprismen lassen sich Stauchungen im First er-
klären, nicht aber jene in der Sohle. Der am Fuß spitz zulaufende Keil hat ja
keine Möglichkeit zu einer so starken Kraftwirkung, daß eine Stauchung des
Gebirges in der Sohle eintreten könnte, die auf lange Strecken hin zu beobachten
war.
HEIM und BRANDAU ergriffen späterhin nochmals das Wort zur Gebirgs-
druckfrage. Die Besprechung ihrer in gewissem Sinne abschließenden Äußerungen
soll aber erst an späterer Stelle gebracht werden, weil es notwendig ist, die Äuße-
rungen von WILLMANN und KOMMERELL zu diesem Problem zu hören.
weist auf die bereits früher behandelte Wirkung der Reibung in den Druckplatten
bei den üblichen einachsigen Druckversuchen und beruft sich auf den Umstand, daß
bei Ausschaltung der Reibung der Probekörper nach dem Zusammenbruch nicht
die bekannte Form der Doppelpyramide aufweist, sondern daß er durch Risse,
die parallel zur Druckrichtung verlaufen, in Platten geteilt wird. Er ist der Mei-
nung, daß "sozusagen" Zugspannungen den Bruch des würfelförmigen Körpers
herbeiführen. Wie früher dargelegt wurde, sind jedoch Zugspannungen nur dann
möglich, wenn der Probekörper Hohlräume oder sonstige Schwachstellen auf-
weist.
WILLMANN bestätigt dann die Spannungskonzentration an den Ulmen, ohne
sich aber theoretisch mit dieser Frage zu befassen, und kommt in diesem Zusam-
menhang zum Begriff des spannungslosen Körpers über dem First und unter der
Sohle. Er gibt diesen spannungslosen Körpern
eine parabolische Form und nimmt an, daß
die Druckwirkung den spannungslosen Kör-
pern ausweichend, nach beiden Seiten gewölbe-
artig gegen die Widerlager hin abgeleitet wird
(Abb.70). SP(JfifiUfigS-
spannungslose Körper wie ein Keil im First nach abwärts und in der Sohle nach
aufwärts gequetscht wird. Wie das bei einem spannungslosen Körper möglich
sein soll, wird nicht erklärt [159].
HEIM setzt seine Ausführungen wie folgt fort:
"Der Hohlraum ist eine Stelle ohne Gegendruck auf die Last. Also muß eine Tendenz des
Materials, dorthin auszuweichen, sich zeigen. Das Material sucht in den Tunnelhohlraum zu
strömen. Die Zugspannungen gehen alle radial nach dem Tunnel hin. Das Material nach dem
Tunnelhohlraum drängend, muß sich gegenseitig wie Gewölbesteine keilförmig versperren,
und so kommt es, daß die Kraftlinien des Maximaldruckes sich konzentrisch um den Tunnel
ordnen und am dichtesten und intensivsten sich gerade dicht an den Tunnelwänden scharen."
Die Annahme von radialen Zugspannungen in der nahen Umgebung eines
Tunnelausbruches, wie sie HEIM trifft, wird den Tatsachen nicht gerecht; solche
Zugspannungen sind auch theoretisch nicht nachweisbar, es wäre denn, daß
Hohlräume oder Schwachstellen vorhanden sind, denen oben und unten kleine
örtliche Zugspannungsbereiche angelagert sein können (s. Abschn. 33).
9 Kastner, Statik
130 IV. Der Gebirgsdruck
keit abnahm. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß die zweiachsige Druckfestig-
keit des Gebirges maßgebend wurde. Die Ulmen brachen zusammen, der Stollen
hatte das Bestreben, nach und nach einen kreisähnlichen Querschnitt anzunehmen.
ANDREAE stellt dann fest, daß das Schutzgewölbe (die Schutzhülle) nicht unter
allen Umständen zur Ausbildung gelangt.
Als das Schutzgewölbe des Stollens durch die Vollausbrucharbeiten durch-
schnitten wurde, ging die Bewegung sofort weiter. Es bildete sich offenbar ein
neues Schutzgewölbe unter ungünstigeren Verhältnissen. Aber auch da war das
Verhältnis der Gewölbewirkung und des Vertikaldruckes so, daß bis in große
Tiefen eine verhältnismäßig schwache Verstärkung der natürlichen Selbstschutz-
wirkung durch eine satt anliegende Verkleidung genügte, um den Tunnel stand-
fest auszukleiden.
Selbstverständliche Voraussetzung für die Stabilisierung des Gebirges ist, daß die
Verkleidung am ganzen Umgang satt an das Gebirge anliegt. Bei Auftreten von echtem
Gcbirgsdruck ist diese Forderung heute unbestritten. Im Simplon-Tunnel, der
aus zwei parallelen Röhren besteht und dessen überlagerungshöhe jene aller
bisher erstellten anderen Tunnel bedeutend übertrifft, wurde auf die gesamte Länge
beider Tunnel von nahezu 40 km satt angemauert, wobei auf etwa 19 km Länge
echter Gebirgsdruck auftrat und in einigen Strecken auch Druckerscheinungen
anderer Art zu beobachten waren. Beim Bau erwuchsen aus dieser Forderung keine
Schwierigkeiten, und trotz der verhältnismäßig leichten Verkleidungsquerschnitte
blieb die Auskleidung beider Tunnel seit ihrer Vollendung vor rd. 30 Jahren bis
jetzt unversehrt.
Unter keinen Umständen darf bei Seitendruck ein Hohlraum hinter dem Ge-
wölbe belassen werden oder ein dort bestehendes Oberprofil nur trocken versetzt werden.
Diese Grundsätze gehen aus den Ausführungen ANDREAES eindeutig hervor und
werden heute allgemein anerkannt. Es wird später Gelegenheit sein, diese Frage
noch einmal zu behandeln.
Ein anderes Mal nimmt ANDREAE im Jahre 1955 bei einem Fortbildungskurs
an der eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zum Gebirgsdruckproblem
Stellung [3f]. Seine Äußerungen sollen wegen ihrer Bedeutung nachstehend an-
geführt werden.
ANDREAE behandelt zunächst den Auflockcrungsdruck, der hauptsächlich
als Firstdruck in Erscheinung tritt. Er kann bei einigermaßen homogenem Locker-
gebirge unter kleinen überlagerungshöhen nach der Erddrucktheorie berechnet
werden. Wenn die überlagerungshöhe ein bestimmtes Maß übersteigt, das mit der
Beschaffenheit des Gebirges veränderlich ist, dann nimmt nicht mehr die ganze
überlagerung am Druck teil; es bildet sich über dem Hohlraum ein natürliches
Gewölbe und was darunter liegt, lastet auf dem Einbau. Von dieser Tiefe an bleibt
der Firstdruck von der Höhe der überlagerung unabhängig. ANDREAE läßt also
für das Lockergebirge den spannungslosen Körper gelten.
Der echte Gebirgsdruck ist in Erscheinung und Wirkung vom Auflockerungs-
druck verschieden; bei ersterem herrscht im Gegensatz zum Auflockerungsdruck
Seitendruck vor. Die Erscheinung nimmt mit der Tiefe an Regelmäßigkeit und
Intensität zu. Als dann im Simplon-Tunnel die überlagerungshöhe allmählich an
den höchsten Wert herankam, trat das Gestein in den plastischen Verformungs-
bereich. Es lösten sich nicht mehr Entspannungsschalen (Bergschläge) ab, sondern
das Gebirge drängte sich plastisch in den Hohlraum, die Ulmen wichen der Last
durch das Vordringen in den Stollen aus, das Dach des Stollens wurde durch den
Seitendruck herausgequetscht und die Sohle ebenfalls durch Seitendruck nach
oben gedrückt. Die Richtigkeit dieser Beobachtung wird später theoretisch be-
gründet (Abschn. 57).
5i. Deutung des echten Gebirgsdruckes 131
9*
132 IV. Der Gebirgsdruck
"0
Abb. 72. Entwicklung der plastischen Zonen für eine Seitendruckziffer = 0,2 bei wachsendem überlagerungs-
druck Pv = 75, 100, 125 und 150 kgcm-'
Konzept zu-sehr unter dem Einfluß der Erddrucktheorie. Die zutreffende Erklärung
ergibt sich hingegen zwanglos aus dcr Tatsache, daß auf jeder Seite des Stollens
zwei Gleitflächensysteme vorhanden sind, die annähernd symmetrisch zur waag-
rechten Querschnittsachse des Ausbruches liegen. Der Hinweis einer annäherenden
Gültigkeit ist deshalb notwendig, weil die Massenkräfte berücksichtigt werden
müssen. Wenn man dies tut, so folgt,
daß die resultierende waagrechte Kraft
nicht genau in der waagrechten Sym-
metrieachse des Kreisquerschnittes an-
greift, sondern etwas tiefer. Dieses Er-
Kriiffep/un gebnis ist in Übereinstimmung mit den
Beobachtungen, daß die Steher einer
Stollenzimmerung bei Auftreten von
echtem Gebirgsdruck meist im unteren
Drittel brechen. Die Begründung für
diese Tatsache sei skizzenhaft darge-
stellt (Abb. 75). Das Gewicht des oberen,
zungenförmigen, plastischen Bereiches
sei Go, das des unteren Gu, die Druck-
Abb. 75. Zur Erscheiuung, daß der Ulmdruck in einem
verzimmerten Stollen häufig den Bruch der Steher im wirkungen dementsprechend Po und Pu.
unteren Drittel herbeiführt Wenn man diese Kräfte, deren Größe
naturgemäß nur schätzungsweise an-
gegeben werden kann, zusammensetzt, so ergibt sich ein resultierender Ulmen-
druck R, der weit unter der waagrechten Achse des Ausbruchsquerschnittes an-
greift.
58. Erklärung der Bergschläge
Man findet vielfach die Meinung, daß es sich bei den Bergschlägen um einen
Trennbruch handelt, ohne daß darauf eingegangen wird, wie die Zugspannungen, die
zur Herbeiführung eines Trennbruches not-
wendig sind, zustande kommen. Zugspan-
nungen sind in den Randpartien gedrückter
Körper nur dann möglich, wenn er Hohl-
räume oder Schwachstellen besitzt, die in
ihrer Auswirkung Hohlräumen entsprechen.
Solche Hohlräume weisen bei Druckbean-
spruchung an ihrer Ober- und Unterseite Zug-
spannungsbereiche auf, aber nur dann, wenn
die Seitendruckziffer einen geringen Wert be-
sitzt. Für einen röhrenförmigen Hohlraum,
der senkrecht zur Druckrichtung liegt und
einen kreisförmigen Querschnitt besitzt, wurde
nachgewiesen, daß Zugspannungen nur dann
auftreten können, wenn Ao < 1/3 ist.
Die Möglichkeit, daß Hohlräume und
Schwachstellen im Gebirge den Anlaß zu
Bergschlägen geben könnten, ist also nicht
von der Hand zu weisen. Gewisse Erschei-
Abb. 76. Bergschlagerscheinungen im Simplon.
nungen im Simplontunnel lassen sogar dar-
tunnel [3/] auf schließen (Abb. 76). Die linsenförmige
Gestalt der Ablösungen und die scharfen,
durchscheinenden Ränder, ferner der Umstand, daß die Bergschläge im mas-
sigen Gebirge auftreten und in ihrer Begrenzung von der Struktur des Gebirges
ganz unabhängig zu sein scheinen, führen aber zu dem Schluß, daß es sich um den
58. Erklärung der Bergschläge 135
Gleitbruch eines spröden Gesteins handelt., der ohne merkbare plastische Verfor-
mung erfolgt.
Bergschläge werden also durch die starke Konzentration von Druckspannungen
und die überschreitung der Gebirgsdruckfestigkeit am Rande eines Tunnel- oder
Stollenausbruches hervorgerufen.
Dabei ist aber noch ein besonderer Gesichtspunkt zu beachten, nämlich die
Kerbwirkung. In Abb. 77 ist eine solche Kerbe in starker Vergrößerung gezeichnet.
In den Gesteinsflächen AB und AG bestehen keine Schubspannungen, in den
Flächen senkrecht dazu treten hingegen beträchtliche Schubspannungen auf,
weil dort gehäufte Druckspannungen Gt herrschen, deren Größe vom Krümmungs-
radius am Kerbengrund abhängig ist. Der im Punkt A bestehende Spannungs-
zustand ist aus Gleichgewichtsgründen nicht bestandfähig, der Punkt A ist ein
singulärer Punkt im Spannungsfeld ; von solchen Punkten gehen erfahrungsgemäß
Gleit.brüche aus. Nachdem Kerbstellen
in der Regel keine große Längener-
streckung besitzen, brechen bei den
Bergschlägen meist nur begrenzte Scha-
len aus. Daß Kerbstellen häufig den
Ausgangspunkt von Bergschlägen bil- 't
den, geht beispielsweise aus einer ein-
drucksvollen Aufnahme vom Simplon-
Tunnel hervor, die schon wiederholt
veröffentlicht wurde und auf die des-
halb hingewiesen wird, weil sie eine tr
Bestätigung der dargelegten Gesichts-
punkte ist (Abb. 58).
Eine den Bergschlägen ähnliche Er-
scheinung bildet die Ablösung von Abb. 77. Kerbstellen im Gebirge sind singuläre Punkte
im Spannungsfeld und Ausgang•• tellen für G1eitbriiche
Platten parallel zur Felsoberfläche, wie
sie besonders im Granit Nordnorwegens
beobachtet wurde [108a]. An den Steilhängen der Fjorde lösen sich parallel zur un-
bedeckten Felsoberfläche Platten ab, deren Dicke gegen das Berginnere zunimmt und
von 5 cm bis etwa 1,00 m ansteigt. Bei Tunnelbauten wurde festgestellt, daß sich
diese Erscheinung in 40 -50 m Tiefe verliert. Die oberflächenparallelen Ablösungs-
flächen der Platten stehen meist in keinem Zusammenhang mit dem Gest.eins-
gefüge, mit der Schieferung oder Klüftung, sondern schneiden solche Gefüge-
flächen unter einem beliebigen Winkel, solang dieser mehr als etwa 20° beträgt,
d. h. wenn die Gefügeflächen unter einem spitzen Winkel in die Felsoberfläche
ausstreichen, werden sie von den Ablösungen mitbenützt.
Die gleichen Ablösungen findet man auch auf den wenig geneigten, vom Eis
glattgeschliffenen Felsoberflächen des norwegischen Hochgebirges. Durch ober-
flächenparallele Absonderungsflächen vorgebildete Platten von einer Dicke, die
meist etwa 1 dm beträgt, aber auch größer sein kann, wölben sich auf; manchmal
knicken sie auch dachförmig aus. Man hat die Meinung geäußert, daß dieses Aus-
knicken mit dem Frost nichts zu tun hat, weil es in der warmen Jahreszeit beob-
achtet wurde, und hat es als Brucherscheinung unt.er der Einwirkung von tek-
tonischen Restspannungen gedeutet.
Die Temperaturwirkung kommt aber sowohl bei der Absonderung der Platten
als auch bei ihrem Ausknicken in Betracht. Während die Ausbildung der ober-
flächenparallelen Absonderungsflächen sowohl durch ein positives als auch ein
negatives Temperaturgefälle in der Felskruste herbeigeführt werden kann, ist
das Ausknicken der Platten in übereinstimmung mit den Beobachtungstatsachen
nur durch die Ausdehnung bei Erwärmung möglich.
136 IV. Der Gebirgsdruck
Wirksamkeit verliert. Bei sprödem Gebirge mit großem Wert der PorssoNschen
Zahl und geringer Seitendruckziffer ist daher eine Schutzhüllenbildung wenig
wahrscheinlich. Dieses Ergebnis wird durch eine beim Bau des Simplon-Tunnels
gemachte auffällige, aber bisher nicht befriedigend erklärte Erscheinung bestätigt.
BRANDAu berichtet hierüber [13b]:
"Zwischen dem Lebendungneis und den Glimmerschieferphylliten in der Nähe von km 7,0
befindet sich ein Schichtenkomplex von Marmor- und Kalkschieferbänken. Die Verfaltung
und Verquetschung der drei verschiedenen Formationen angehörenden Gesteine ist gewaltig.
Die Gebirgsüberlagerung beträgt 1600 m. Das Verhalten aller Gesteine bei der Bohrung ließ
auf unbedingte Standfestigkeit schließen. In Härte und Kompaktheit überwogen die Gneise
und Glimmerschiefer die Marmore und Kalke weitaus. Nichts hätte voraussehen lassen, daß
bald nach der Auffahrung die Strecke im ersteren Gestein eines Holzeinbaues bedürfen und
bei der Mauerung die Anwendung der stärkeren Typen mit Sohlengewölbe notwendig machen
würde, während die ganze 290 m lange Strecke im Kalk ohne jeden Holzeinbau stand und nur
eine Verkleidung mit der schwächsten Type erforderte. Es lag die Tatsache vor, daß sich das
im ungestörten Zustand mildeste, am wenigsten druckfeste Gestein in der Serie der in Trümmer
gebrochenen und in dünnen Lamellen ausgezogenen Gesteine allein als standfest erwies."
BRANDAu schließt mit der Bemerkung, daß man daraus ersehen könne, wie
inkonsequent der Gebirgsdruck wirkte, wenn er im milden Kalk gar nicht in
Erscheinung trat, wohl aber im allerhärtesten und kompaktesten Gneis. Er fand
als einzige Erklärung dafür die Brecciennatur der Gesteine und das streckenweise
zusammenhanglose Gefüge dieser Breccienmassen.
Diese Anschauung vermag die beobachtete Tatsache nicht zu begründen.
Wenn man zu ihrer Deutung die Theorie der plastischen Zonen heranzieht und
deren Ergebnisse berücksichtigt, so ist zunächst festzustellen, daß die milden
Marmore und Kalksteine eine verhältnismäßig niedrige PorssoNsche Zahl und als
Folge davon eine hohe Seitendruckziffer Ao besitzen müssen, während die Verhält-
nisse beim spröden Gneis umgekehrt liegen. Damit ist aber auch die Erklärung
schon gegeben. Bei den Marmor- und Kalkschichten ist infolge der ringförmigen
Ausbildung der plastischen Zonen eine Schutzhüllenbildung möglich, beim Gneis
und bei den Schiefern jedoch nicht.
Eine Bestätigung dieser Anschauung bildet überdies auch das Verhalten der
Marmore in km 9,4 bis 9,9 ab Nordportal des Simplon-Tunnels, worüber ANDREAE
berichtet hat [3e].
STINI spricht die gleiche Erkenntnis in einem anderen Zusammenhang aus
[138d]. Er sagt:
"Auch die Vorgangsweise bei der Auffahrung einer Strecke, die Art der Einbringung des
Einbaues, die Zeitdauer während welcher das Gebirge frei stehen bleibt, und manche andere
Umstände beeinflussen die Verspannungsfähigkeit des Gebirges. Sprödigkeit einer Bergart
kann die Bildung eines Traggewölbes erschweren, Zähigkeit sie begünstigen."
Es ist erstaunlich, wie STINI den Sachverhalt richtig erkannt hat,' ohne daß
damals die theoretischen Voraussetzungen zu seiner Begründung zur Verfügung
gestanden sind.
Durch die obigen Darlegungen, insbesondere durch die in den erwähnten guten
Berichten festgehaltenen Beobachtungen, wird in übereinstimmung mit den
theoretischen Untersuchungen bewiesen, daß die Bildung einer Schutzhülle nicht
unter allen Umständen gesichert ist.
Kapitel V
Bei der Ermittlung der auf den Ausbau wirkenden Belastung ist es notwendig,
grundsätzlich zwischen nachgiebigem und unnachgiebigem Ausbau zu unterscheiden.
Der erste Fall ist bei der traditionellen Verzimmerung des Richtstollens und des
Vollausbruches immer gegeben; bei ihrer Herstellung sind Auflockerungen un-
vermeidlich, und während ihres Bestandes erleidet sie beträchtliche Verformungen.
Der endgültige Ausbau hingegen darf nur elastische Verformungen erfahren, die
viel zu gering sind, als daß sie für die anzustellenden Untersuchungen in Betracht
zu ziehen wären.
Infolge der im Abschn. 48 dargelegten Hohlraumbildung und der eintretenden
Setzungen streben die oberhalb des Firstes liegenden Gebirgsteile lotrecht nach
unten und die seitlich der Ulmen gelegenen Teile in schräger Richtung gegen den
Hohlraum. Wenn man zunächst nur den First betrachtet, so sind die Erschei-
nungen ähnlich dem Versuchsfall, wo der Sand auf einer festen Unterlage auf-
ruht, in der sich eine bewegliche, streifenförmige Bodenklappe befindet. Beim
Absenken der Bodenklappe nimmt der anfänglich vorhandene Ruhedruck all-
mählich ab, bis er einen bestimmten, von der Beschaffenheit des Sandes und von
der Größe der Bodenklappe abhängigen Minimalwert erreicht. Der Minimalwert
ist von der Höhe der Überlagerung nahezu unabhängig. Diese Erscheinung ist
dem Verhalten des Schüttgutes in einem Silo ähnlich, weshalb man von einer Silo-
wirkung spricht. Sie besteht darin, daß sich kohäsionsloses Schüttgut in größeren
Tiefen schmaler, hoher Behälter infolge der Reibung an den Seitenwänden "auf-
hängt". Der Bodendruck nimmt daher nicht linear mit der Lagerungshöhe im Silo
zu, sondern er nähert sich mit wachsender Höhe einem Grenzwert. In gleicher
Weise verhält sich auch der Seitendruck des Schüttgutes auf die Silowandungen.
Die Verfahren, die zur Ermittlung des Druckes auf den nachgiebigen First
eines Stollens entwickelt wurden, sind auf zwei verschiedenen Grundlagen auf-
gebaut. Einerseits ist es die Verspannung des über dem First liegenden Locker-
gebirges und anderseits wird, ausgehend von dem Gedanken eines spannungslosen
Körpers über dem First, ein begrenzter Bruchbereich angenommen, der mit seinem
ganzen Gewicht auf dem First lastet.
a) Die Verspannung ist im wesentlichen eine Verlagerung des primären Span-
nungszustandes, derart, daß durch Reibungswiderstände im kohäsionslosen
Lockergebirge der nachgiebige First entlastet wird, wobei gleichzeitig eine Mehr-
belastung· der seitlich des Ausbruchsquerschnittes gelegenen Gebirgsteile ein-
tritt, ähnlich wie beim Silo die Spannungen auf die Wandung übertragen werden,
wodurch eine Verminderung des Bodendruckes eintritt. Dieser Entlastungs-
vorgang entwickelt sich mit zunehmender Firstsenkung, bis ein Minimaldruck
erreicht ist.
b) Der zweite Weg zur Bestimmung des Auflockerungsdruckes geht von der
Annahme eines begrenzten Bruchkörpers aus, der mit seinem gesamten Gewicht
auf dem Stollenfirst lastet. Als Begrenzung dieses Bruchkörpers werden bei der
Bemessung des Ausbaues geometrische Belastungsfiguren angenommen, die
Parabel [113], die Ellipse [80] oder die Keilform [10]. Wenn man hierbei die An-
nahme eines spannungslosen Körpers gelten läßt, so besagt dies zunächst, daß in
der Grenzfläche zwischen dem Bruchkörper und dem als ungestört angenommenen
Gebirge keine Spannungen übertragen werden. Damit kommt aber zum Ausdruck,
daß das außerhalb des Bruchbereiches liegende Gebirge als sogenannter "Dom"
stabil ist. Dies ist beim kohäsionslosen Gebirge nur dann zu erwarten, wenn es wie
ein Kraggewölbe zu bestehen vermag. Die Voraussetzungen hierfür sind bei grobem
Blockwerk oder Hangschutt und bei gebrechem Fels manchmal gegeben; außer-
dem ist eine solche Erscheinung bei Vorhandensein von geringer Kohäsion mög-
lich, die nicht groß genug ist, um Nachbrüche auszuschließen, aber doch so groß,
daß sich ein stabiler Dom entwickeln kann. In solchen Fällen lastet der Auf-
lockerungsbereich mit seinem Gewicht auf dem Stollenfirst, ohne daß er Span-
140 V. Bemessung bei kohäsionslosem Loekergebirge
nungen aus dem umgebenden Gebirge übernimmt und auf den Ausbau weiter-
leitet.
Die Möglichkeit der Anwendung des Bemessungsverfahrens unter Zugrunde-
legung eines Bruchkörpers bleibt aber auch dann noch bestehen, wenn auf den
Bruchkörper vom umgebenden Gebirge wohl Spannungen übertragen werden, die
sich aber auf jeder der beiden Seitenflächen symmetrisch zu je einer waagrechten
Resultierenden zusammensetzen lassen. Dann muß man zwar den Begriff des span-
nungslosen Körpers aufgeben, aber die an der Bruchfläche übertragenen Span-
nungen sind ohne Wirkung auf den Firstausbau, und die Annahme einer Be·
lastungsfigur bleibt daher zutreffend.
Die angestellten Überlegungen erweisen die eingangs gemachte Feststellung,
daß die Grundsätze für die Lastermittelung, die auf der Verspannung kohäsions-
losen Gebirges oder auf der Ausbildung eines Bruchkörpers beruhen, nur für einen
nachgiebigen Ausbau Gültigkeit haben. Sie dürfen für den unnachgiebigen end-
gültigen Ausbau keinesfalls kritiklos und allgemeingültig übernommen werden.
Es ist vielmehr angezeigt, in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob die Rechnungs-
voraussetzungen mit den naturgegebenen Tatsachen nicht in Widerspruch ge-
raten. Dies ist der Grund für die Notwendigkeit, zwischen nachgiebigem und unnach-
giebigem Ausbau grundsätzlich zu unterscheiden und für die Bemessung in beiden
Fällen verschiedene Wege einzuschlagen.
Von besonderer Wichtigkeit ist es überdies darauf hinzuweisen, daß die in den
nachfolgenden Abschnitten zur Darlegung kommenden Gesichtspunkte keines-
falls bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck Gültigkeit haben.
Das kohäsionslose Lockergebirge als Idealtypus ist für die experimentelle
Untersuchung und modellmäßige Nachbildung gut geeignet. Außerdem schafft
die Anwendung der einen kohäsionslosen Boden voraussetzenden Erddrucklehre
überhaupt eine Möglichkeit, die Belastung eines Tunnel- oder Stollenausbaues zu
errechnen; man begegnet deshalb oft der Meinung, daß die Ermittlung des Auf-
lockerungsdruckes auf theoretischem Wege verhältnismäßig leicht möglich sei,
und daß die Lösung dieser Aufgabe in Anlehnung an die Methoden der Boden-
mechanik einwandfrei und widerspruchslos erfolgen könne. Dies trifft aber nicht
zu. Die Vielfältigkeit der Anschauungen und die Verschiedenheit der Bemessungs-
methoden, die oft zu weit voneinander abweichenden Ergebnissen führen, sind
eine Bestätigung dafür, daß auf diesem Gebiete noch viel Unklarheit besteht.
Nicht um den bestehenden Theorien eine neue hinzuzufügen, sondern um einen
Beitrag zur Klärung dieser Frage zu leisten, wird am Schluß dieses Kapitels in
den Abschn. 70 und 71 versucht, die Theorie der plastischen Zonen für Bemessungs-
aufgaben im kohäsionslosen Lockergebirge heranzuziehen.
Es muß vorweg betont werden, daß die Bemessung sowohl die Ermittlung der
Belastung des Tunnel- oder Stollenausbaues und somit des Gebirgsdruckes als auch
die Formgebung und Dimensionierung des Ausbaues umfaßt. Dies folgt aus der
Notwendigkeit, die statische Mitwirkung des Gebirges zu berücksichtigen. Nach-
dem aber Formgebung und Dimensionierung des Ausbaues bekannte Aufgaben der
Baustatik bilden, wird sich die Bemessung hauptsächlich mit den Problemen der
Lastermittlung befassen.
Q _ y g F2 1+2tan2eg
max - 2U taneg • (1)
Jedes der elementaren Gewölbe besitzt ein Eigengewicht, das auf die Flächen-
einheit bezogen Yg dh beträgt. Nach oben wirkend ist der Widerstand der Boden-
klappe q je Flächeneinheit zu setzen. Dieser Gegendruck soll sich nach ENGESSER
gleichmäßig auf alle Gewölbeschalen verteilen, deren Gesamtmächtigkeit gleich der
Schütthöhe ist. Der auf ein Elementargewölbe entfallende Teil des Gegendruckes
beträgt daher
(3)
(4)
Aus dem Horizontalschub dPh läßt sich der lotrechte Widerstand bestimmen; er
beträgt
(5)
Dabei wurde für AIJ der untere Grenzwert der Ziffer des Erddruckes eingesetzt,
womit auch der untere Grenzwert des Druckes auf die Bodenplatte festgelegt ist.
142 V. Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
Der Druck auf den First eines Stollens ergibt sich daraus zu
Qmin = 4b2 Yg [
2
h tan (45° - if) + tan eu], (6)
2htaneg + btan2 (450 _ ~u) 6
wobei überdies noch das Gewicht des unmittelbar auf dem First lastenden, unter-
halb des untersten Gewölbes befindlichen, im Querschnitt segmentförmigen Ge-
birgsteiles hinzugefügt wurde. Für große überlagerungshöhen h und größere
Werte von (!g ergibt sich die Näherungsformel
Q . = 4b 2
mm Yg
2
[tan (450 -
2 tan eg
if) + tan6 e o].
(7)
Dabei wird der auf den First des Stollens wirkende Minimaldruck von der über-
lagerungshöhe unabhängig; die Breite des Stollens hat aber auf seine Größe einen
beträchtlichen Einfluß.
Die Wahl des Winkels, den der Gewölbeanlauf mit der Waagrechten ein-
schließt, ist bei dieser Berechnungsweise willkürlich getroffen worden; eine Be-
gründung, dafür den Wert(!g zu setzen, ist nicht gegeben. Wenn man zur Ermitt-
lung dieses Winkels, wie dies BIERBAUMER 1913 [10] getan hat, die Annahme trifft,
daß der Druck auf den First zu einem Mindestwert wird, so ergibt er sich zu
Auch das Gewicht der Gebirgsmasse zwischen dem untersten Gewölbe und dem
First ändert sich damit und gewinnt den Wert
Y3 t an (45 0 -
Qmin = 4b2Yg eg ) .
2" (10)
Aus dieser berichtigten Formel geht hervor, daß für größere Tiefen und große
Gleitzahlen tan(!g der Wert des Minimaldruckes Qmin unabhängig von der über-
lagerungshöhe ist, aber verhältnisgleich mit dem Quadrat der Stollenbreite wächst.
Der Widerspruch, in den die ENGEsSERSche Theorie geriet, besteht haupt-
sächlich darin, daß eine Gewölbebildung in dem vor ihr angenommenen Sinn auf
die ganze Höhe der überlagerung nicht eintritt, sondern auf einen bestimmten,
nicht allzuhoch über den Stollenfirst reichenden Gebirgsbereich beschränkt
bleibt.
Bald nachdem ENG ESSER seine Anschauungen veröffentlicht hatte, berichtete
JANSSEN 1895 über seine Versuche an rechteckigen Silozellen, die er durchgeführt
hatte, um den Bodendruck und den Seitendruck zu ermitteln; er leitete für den
Bodendruck folgende bereits in Abschn. 40 in ihrer grundsätzlichen Form er-
wähnte Beziehung ab
b (1-e h)
-41.-
q-u_ 1'0 b
. (11)
fläche A'D und eine nahezu lotrecht Bruchfläche A'O aus, und an Stelle des bei
sonstigen Versuchen mit nachgiebigen Stützwänden sich bildenden Gleitkeiles,
löst sich aus dem Gleitkeil ein Bruchkeil ab, der erdwärts eine nahezu lotrechte
Begrenzung besitzt (Abb. 50).
Die Gesetzmäßigkeit für die Beziehung zwischen der Absenkung des Stollenquer-
schnittes und dem Firstdruck ist nicht bekannt. Die Heranziehung des Minimal-
druckes auf den Stollenfirst kann u. U. für den zeitweiligen nachgiebigen Aus-
bau zutreffend sein, für den unnachgiebigen dauernden Ausbau wird sie kaum in
Betracht kommen.
Bemerkenswerte Gebirgsdruckmessungen sind vor kurzem für den Bau des
Donnerbühltunnels in Bern ausgeführt worden [12]. Dieser nur 252 m lange Tunnel
weist bei kreisförmigem Querschnitt einen lichten Durchmesser von 8,85 m auf.
Die größte überlagerungshöhe beträgt 12 m.
Der überlagernde Boden ist sandiger Grobkies,
der mit zunehmender Tiefe feiner wird. In der
Höhe des Tunnelfirstes liegt hauptsächlich
Sand, der leicht mit Lehm vermischt ist; an
der Tunnelsohle steht sandiger oder toniger
Silt an. Der Boden ist daher im oberen Tunnel-
bereich kohäsionslos und weist in der Nähe
der Sohle die geringe Kohäsion von c = 0,1
bis 0,2 kgcm- 2 auf. Der Gleitwinkel liegt bei 35°.
Die Ausführung des Tunnels erfolgte mit- t
tels eines Stahlschildes ohne Anwendung von
Druckluft, die Auskleidung mit Stahlbeton- ___ 5J!Jef!!rgsdruck Pa,
tübbingen. Bei dieser Bauweise kann eine Auf-
lockerung des Gebirges fast vollständig vermie- s-
den werden. Die Gebirgsdruckmessungen wur- o l/erschiebung der /'ostplolle
den vom Erdbaulaboratorium der Ecole poly- Abb.80. Prinzip der Versuche zur Messung
technique de l'Universite de Lausanne als des Erddruckes auf eine Tunnelausmauerung
mit Belastungsplatten, wie sie beim Bau des
Modellversuche in zwei Maßstäben ausgeführt. Donnerbühl-Tunnels in Bern ausgeführt
wurden [12]
Der Laboratoriumsversuch erfolgte im Maß-
stab 1 :33, wobei ein Kreisrohr von 30 cm
Durchmesser in einem Sandkasten vorgetrieben wurde, dessen Füllung voll-
ständig kohäsionslos war und den gleichen Gleitwinkel von l2u = 35° wie das
anstehende Gebirge aufwies. Der zweite Versuch wurde im anstehenden Boden-
material, also in situ ausgeführt, wobei der Modellmaßstab 1 :6,7 betrug. Das
Versuchsstahlrohr hatte in diesem Falle einen Durchmesser von 1,50 m. Beim
Vortrieb der Versuchsrohre sowohl im Sandkasten als auch im Gebirge wurde ein
Arbeitsvorgang gewählt, der dem Schildvortrieb entspricht und eine Auflocke-
rung des Bodenmaterials tunliehst vermied.
Die Messungen des Gebirgsdruckes auf die Rohre erfolgte mit Hilfe von Be-
lastungsplatten, die bündig mit der Außenfläche der Rohre angeordnet und so
gelagert waren, daß sie sich nach dem Rohrinneren nicht bewegen konnten.
Hingegen war es möglich, sie durch einen Innendruck Pi nach außen zu verschie-
ben. Solange der Innendruck Pi kleiner war als der Gebirgsdruck Pa blieb die Platte
in Ruhe; bei überschreitung des Gebirgsdruckes, Pi > Pa, begann eine Be-
wegung der Belastungsplatte gegen das Gebirge. Damit konnte der Gebirgsdruck
auf direktem Wege aus der Größe der im Grenzfall angebrachten Belastung ge-
messen werden (Abb. 80).
Bei der Verwertung der Versuchsergebnisse, d. h. beim Übergang vom Modell
zur Wirklichkeit, sind die Regeln der dimensionellen Analysis zu beachten.
Bei Vorliegen von kohäsionslosem Material ist die modellgerechte Nachbildung
des Gebirges einfach. Wenn man ein Bodenmaterial verwendet, das den gleichen
10 Kastner, Statik
146 V. Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
Gleitwinkel Qg hat, wie das im Stollen anstehende Gebirge, ist diese Nachbildung
leicht durchzuführen und der Gebirgsdruck ergibt sich aus dem am Modell ge-
messenen Druck durch Vergrößerung entsprechend dem Modellmaßstab. Die Un-
tersuchung im kohärenten Material wird dadurch erschwert, daß man ein Ver-
suchsmaterial verwenden sollte, dessen Kohäsion in einem dem Modellmaßstab
entsprechenden Verhältnis zu jener des Gebirges steht. Diese Bedingung ist beim
Laboratoriumsversuch schwer, beim Versuch in situ nicht erlüllbar.
Die Ergebnisse der Laboratoriumsversuche sind in der nachfolgenden Tab. 11
auszugsweise wiedergegeben.
Tabelle 11. Firstdruck, ermittelt durch Modellmessungen tür den Donnerbühltunnel in Bern [12]
Die Versuche zeigten, daß der gemessene Firstdruck in der Nähe des vollen
überlagerungsdruckes liegt, wenn die überlagerungshöhe kleiner als der Durch-
messer des Tunnels ist. Sobald die überlagerung größer wird, nimmt der First-
druck nicht im gleichen Maße zu, sonderu nähert sich einem konstanten Wert,
der von der Theorie TERZAGHIS gut erlaßt wird; er beträgt nach der später an-
geführten GI. (35)
_ ygB - c
qmax - A. taneg .
Der an den Ulmen gemessene Druck nimmt mit der Vergrößerung der über-
lagerung gleichfalls zu, die gemessenen Werte sind aber größer als sie die Theorie
von TERZAGHI angibt. Sie entsprechen jedoch gut dem Ruhedruck.
Tabelle 12. Ulmdruck, ermittelt durch Modellmessungen für den Donnerbühltunnel in Bern [12]
Überlagerungshöhe an den Ulmen hu (cm) 45 55 75
Überlagerungsdruck Yof hu (kgcm-2 ) 0,077 0,094 0,127
Gemessener Seitendruck Pli (kgcm-2 ) 0,041 0,049 0,063
Ruhedruckziffer Ä~ 0,53 0,52 0,50
Bei den Versuchen im anstehenden Gebirge, also in situ, ergaben sich für den
Firstdruck, den Ulmendruck und den Sohlendruck die nachstehend angeführten
Werte:
Firstdruck Pv = 0,07 kgcm- 2 Ulmdruck rechts Pur = 0,16 kgcm- 2
Ulmdruck links pul = 0,02 kgcm- 2 Sohlendruck Ps = 0,20 kgcm- 2
y9B1-C[ -.lB"ftaneg]
(J =--- 1-e
v Ätan(!g 1
,
entsprechend der ersten GI. (86) in Abschn. 40 und
64. Belastung eines oberflächeunahen Lehnentunnels 147
2. die Berechnung auch der seitlich.horizontalen Belastungen des Tunnels nach der Formel
10*
148 V. Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
oberfläche gleich dem Winkel des inneren Gleitwiderstandes ist. Dann befindet
sich das Gebirge primär im RANKINEschen plastischen Zustand, und der Tunnel
oder Stollen muß derart bemessen werden, daß er, zulässig beansprucht, diesen
Abb.81. Der in einer nnter dem Winkel ß = Qg geneigten Lehne herrschende RANKINEi!lche Spannungszustand
Spannungszustand zu erhalten vermag. Das ist der einzige Fall, in dem der
RANKINEsche Spannungszustand eine theoretisch einwandfreie Grundlage für die
Berechnung des Auflockerungsdruckes bildet. Wenn die Hangneigung nicht star.\-:
vom Winkel des inneren Gleit-
widerstandes des Gebirges ab-
weicht, kann diese Berechnungs-
art näherungsweise beibehalten
werden.
Die praktische Bedeutung
dieser Feststellungen ist aber
nicht sehr groß, denn es ist nicht
ratsam, Hangtunnel unter die-
sen Voraussetzungen auszufüh-
ren. Man würde sich infolge der
unvermeidlichen Auflockerung
vor sehr schwierigen Aufgaben
sehen, und die Gefahr Hang-
rutschungen auszulösen, wäre
beträchtlich.
Bei dem herrschenden RAN-
KINEschen Zustand sind die
Spannungen bekannt, die in
einem parallel zur Geländeober-
fläche liegenden Flächenelement
wirken (Abb. 81). Die Normal-
spannung beträgt
16' (J = Ygz cos 2 (Jg (14)
Abb. 82. Die Berechnung der Belastnng eines Lehnentunnels unter und die Schubspannung
der Voranssetzung, daß die Geländeneigung ß gleich dem Winkel
des inneren Gleitwiderstandes eg ist
'l'=ygzcos(!gsin(!u' (15)
Die Ermittlung der auf den Hangtunnel wirkenden Belastung kann rechnungs-
mäßig oder graphisch erfolgen. Die Rechnung wird sich auf die Darlegungen im
Abschn.27 über den unter den gegebenen Verhältnissen herrschenden primären
65. Verspannung bei geringer Überlagerungshöhe 149
(16)
lagerungshöhe h kann aber angenommen werden, daß sich von den Punkten
BI undB2 ausgehend, lotrechte Bruchflächen BIOI undB20 2 entwickeln. In der Höhe
des Stollenfirstes hat der nachgiebige Streifen eine Breite von
(17)
Auf Grund der früheren Darlegungen ergibt sich der lotrechte Minimaldruck in
Firsthöhe wie folgt
(18)
Hierin ist A ein empirisch zu bestimmender Wert, der auf Grund der Versuche
von TERZAGffi [144b] annähernd gleich der Einheit gesetzt werden kann. Der
Druck (Iv wirkt nicht bloß auf den First, sondern auch auf die beiden neben den
Ulmen gelegenen Gleitkeile, für die er eine Auflast darstellt.
Abb. 83. Belastung eines verzimmerten Stollens in kohäsionslosem Lockergebirge bei geringer überlagerungshöhe
In der Abb. 83 ist 2b die Stollenbreite und 2B die Breite des Bruchkörpers,
h die überlagerungshöhe über dem Stollenfirst. Dann ergibt sich gemäß GI. (18)
ein Minimaldruck in der Firsthöhe von
_ _ rg ß ( -Äfj-tan ea)
(Iv - q - A-
't - - 1 - e
aneg
, (19)
womit die Belastung der Firstzimmerung festgelegt ist. Nunmehr besteht die
Aufgabe, den für die Berechnung der Stätnder notwendigen waagrechten Druck
zu bestimmen. Infolge der Verspannung im waagrechten Sinn ist der waagrechte
Gebirgsdruck nicht etwa von der Größe, die einer linearen Zunahme des Druckes
auf die Wand FIA I bzw. F 2A 2 entsprechen würde, sondern kleiner. Auf Grund
neuer Untersuchungen soll der Druck auf der Höhe zwischen der Geländeoberfläche
und der Stollensohle nach Loos und BRETH [86] parabolisch verteilt angenommen
werden können, wobei die Gesamtkraft, also die Summe aller Pressungen gleich
jener bleibt, die sich nach der Erddrucklehre aus der linearen Zunahme der
Pressungen ergibt. Daraus folgt die Gesamtkraft E o, die in der halben Höhe der.
Strecke A 20 2 angreift in der Größe
E - A (h+~~ (20)
0- arg 2 '
wobei Aa die Erddruckziffer bedeutet. Hiervon entfällt nur der durch die Stollen-
höhe hs begrenzte Teil als Druck auf die Ulmen EI. Wenn man das Verhältnis
66. Auflockerungsdruck in gebrechem Gebirge 151
Der Angriffspunkt der Kraft EI folgt aus der Lage des Schwerpunktes der Parabel-
teilfläche.
Nunmehr ist noch die Wirkung der Auflast q zu berücksichtigen. Die äqui-
valente Höhe dieser Auflast ist
(22)
Aus der CouLoMBschen Erddrucktheorie ergibt sich dann für den von der Auflast
herrührenden Druckanteil E 2 der Wert
(23)
Damit sind die Belastungen von Kappe und Steher des verzimmerten Stollens
ermittelt. Ob die angenommene parabolische Verteilung des Erddruckes zutreffende
Werte für die Belastung der illmverzimmerung ergibt, muß dahingestellt bleiben.
dem Gebirge gesorgt wurde. Beide Möglichkeiten müssen nach den heute gelten-
den Anschauungen als Mängel bezeichnet werden.
Die gelockerten Gebirgsmassen drücken infolge ihres Eigengewichtes auf den
Ausbau. Die außerhalb der Auflockerungszone befindlichen ungestörten Gebirgs-
teile beteiligen sich, wie KOMMERELL annimmt, nicht an der Belastung des Stollens,
weil sie sich gewölbeartig frei zu tragen vermögen. Er beruft sich dabei auf die
Tatsache, daß Stollenverbrüche oft eine domartige Begrenzung zeigen.
Diese Erwägungen werden von KOMMERELL zur Bestimmung des Auf-
lockerungsdruckes ausgewertet (Abb. 84), wobei er davon ausgeht, daß die Sen-
kungen über dem First in der Achse, und in den Seitenfluchten des Tunnels oder
des Stollens bekannt sind. Er betrachtet ein Element des spannungslosen Körpers
von der Breite dx, von der Höhe z und von der Tiefenerstreckung 1 m. Die Ab-
senkung des Einbaues an der Stelle x sei w und die bleibende Auflockerung p%.
Dann gilt, wenn das durch die Senkung w entstandene Hohlraumvolumen der
bleibenden Auflockerung des Elementes zdx gleichgesetzt wird
KOMMERELL nimmt an, daß die Senkung einen parabolischen Verlauf besitzt,
wobei der Größtwert W max in der Tunnelachse liegt. Aus dieser Annahme folgt
zwangsläufig, daß auch die Begrenzung der Auflockerungszone, d. h. der Be-
lastungsfigur, eine parabolische Form besitzen muß. Damit ist also nichts be-
wiesen, sondern nur die getroffene Annahme in geänderter Form wiederholt. Die
größte Höhe der Belastungsfigur ergibt sich in der Stollenmitte ; sie beträgt
100w max
Zmax= - - - (25)
p
KOMMERELL ersetzt nun die Parabel durch eine Halbellipse, wobei Zmax gleich der
großen Halbachse ist, während die kleine Halbachse der halben Breite des Aus-
bruchs querschnittes entspricht. Der von dieser Halbellipse im Querschnitt be-
grenzte Gebirgskörper soll mit seinem Eigengewicht als Belastung des Stollen-
ausbaues gelten. Wenn auch der grundsätzliche Gedanke der Auflockerung des
Gebirges zutreffend ist, so liegt die Unsicherheit der Berechnungsweise in der
Festlegung der bleibenden Auflockerung p%. KOMMERELL gibt dafür folgende
aus der Hütte, Bd. 3 stammende Werte an.
Bleibende Auflockerung
Bodenart p%
Leichter Boden 1- 3
Mittelschwerer Boden 3- 5
Fester Boden (Mergel, Kies mit
Ton) 6- 8
Fester Boden (Leichter Fels) 8-12
Fester Fels 8-15
Man erkennt die bestehende Unsicherheit schon in der Art wie das Gebirge
eingeteilt ist.
STINI [138d] gibt als Richtmaße der Auflockerung in Hundertteilen des
Rauminhaltes die in der nachfolgenden Tab. 14 enthaltenen Werte an.
Wenn man diese Angaben für eine Berechnung der Höhe des Bruchkörpers
nach KOMMERELL verwenden will, so ist das Maß der bleibenden Auflockerung
66. Auflockerungsdruck ingebrechem Gebirge 153
Auflockerung in Prozenten
Gebirgsart
vorübergehend bleibend
entscheidend, das ja offenkundig auch mit den von KOMMERELL zitierten Werten
ausgedrückt wird.
Als Beispiel führt KOMMERELL einen Fall an, wo die größte Firstsenkung
W rnax = 0,60 m beträgt. Bei mittelschwerem Boden mit einer bleibenden Auf-
lockerung von 4 % ergibt sich dann die Höhe der Druckellipse zu h= (100 . 0,60) : 4 =
= 15m.
Das KOMMERELLsche Berechnungsverfahren hat manche Einwände hervorgeru-
fen. RABCEWICZ bezeichnet es beispielsweise als keineswegs befriedigend [108 a]. Er
ist der zutreffenden Auffassung, daß die Festlegung der bleibenden Auflockerung
kaum einwandfrei möglich ist. Die in der Bodenmechanik gebräuchlichen Werte
dafür können im besten Falle nur für kohäsionsloses Lockergebirge angewendet
werden, für gebrechen Fels sind sie nicht zutreffend. Sie sind überdies von sehr
vielen Faktoren abhängig, so insbesondere von der Güte der Ausbruchsarbeit
und der Zimmerung. Gerade bei kohäsionslosem Lockergebirge, wo man noch am
ehesten aus dem Erdbau übernommene Werte für die bleibende Auflockerung
angeben kann, wird ihre Einschätzung durch die unvermeidlichen Mängel der
Ausbruchsarbeit so entscheidend beeinßußt, daß die Annahme eines theoretischen
Wertes dafür kaum verläßlich ist. Selbst bei bester Arbeit ist die Bildung von
Kaminen nicht ganz vermeidbar; die dabei entstehenden Hohlräume betragen
oft ein Vielfaches des Volumens jener Firstsenkung, die sich aus der bleibenden
Auflockerung, wie man sie üblicherweise angibt, ermitteln läßt.
Auch ANDREAE [3f] ist der Meinung, daß die Abschätzung der Höhe des auf
dem Tunnel lastenden Druckkörpers recht unsicher ist.
Anderseits besitzt das KOMMERELLsche Verfahren doch wieder Vorzüge,
derentwegen es heute noch vielfach angewendet wird. Die aus der Bodenmechanik
übernommenen Berechnungsweisen setzen die Kenntnis des Winkels des inneren
Gleitwiderstandes voraus. Dies ist bei dem KOMMERELLschen Verfahren nicht
nötig. Die bei diesem Verfahren sich ergebende Höhe des halbelliptischen Bruch-
körpers ist ferner sehr anschaulich, und ihre Größe kann aus der Beschaffenheit
des Gebirges angenähert ermittelt werden. So weiß man beispielsweise aus Er-
fahrung, daß in stark geklüftetem Dolomit von bestimmter Beschaffenheit örtliche
Dome ausbrechen, deren Höhe etwa doppelt so groß ist als die Stollenbreite.
STINI gibt für diese Höhe den Wert von hmax = 5 -6 m an, woraus ein Firstdruck
von hmax Yg = 6·2,6 = 15,6 t/m2 folgt.
Es soll aber nicht unterlassen werden, nochmals auf die am Beginn dieses Ab-
schnittes angeführte Beschränkung in der Anwendbarkeit des KOMMERELLschen
Verfahrens hinzuweisen, nämlich auf die Nachgiebigkeit des Ausbaues. Dazu
154 V. Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
vermutliclJe Begrenzung
der Auflockerungszone
_-J_ . . . . . . .
~~
" ,.I
---t"'.::-+
. ,,",
__ 3',
offene Spolten "-
im vorderen Bereich
des fl,uersch/oges
"
Abb. 85. Vermutliche Form der Auflockerungszone beim Patschertunnel der Brennerbahn (auf Grund einer geo-
logischen Aufnahme von Doz. Dr. FUCHS)
erfolgte mit einem Sondierstollen, und von diesem abzweigend wurden Quer-
schläge vorgetrieben. Einer davon erschloß das Gebirge in der Nähe des Patscher-
tunnels. Er ließ in seinem Endstück durch das Auftreten weit geöffneter Spalten
die Grenze des Auflockerungsbereiches deutlich erkennen (Abb. 85). Die Auf-
lockerungszone, die auf die Mängel der seinerzeit gebräuchlichen Tunnelbau-
methoden zurückzuführen ist, hat in diesem Fall keineswegs die von KOMMERELL
angegebene Gestalt, sondern sie folgt bergwärts in schräger Richtung einer
2 -3 m mächtigen Störungszone, die von gehäuften mylonitischen Lettenklüften
gebildet wird. Diese Zone streicht annähernd parallel zur Tunnelachse und fällt
etwa unter 38° ein. Außer der in Abb. 85 eingezeichneten Hauptauflockerungszone
sind sicher noch sekundäre Auflockerungsbereiche hinter den Widerlagern vor-
handen. Der überwiegende, von der Bergseite her wirkende Auflockerungsdruck
hat im Tunnelmauerwerk starke Verdrückungen hervorgerufen. Wäre die Auf-
lockerungszone symmetrisch zur lotrechten Tunnelachse entstanden, dann hätte
sie bei der Nähe der Geländeoberfläche zu einem Tagbruch geführt; ein solcher
ist aber nicht eingetreten.
Wenn man in einem solchen Fall die KOMMERELLsche Berechnungsweise
ohne Rücksicht auf die geologisch gegebenen Bedingungen anwendet, wird
man zu einer statisch unrichtigen Durchbildung des Ausbauquerschnittes ge-
langen.
67. Kennzeichnung der Bemessungsaufgabe bei unnachgiebigem Ausbau 155
die das Gegenteil von dem bedeuten, was man rechnungsmäßig voraussetzt. Da-
mit fallen aber alle Grundlagen für die Berechnung des Auflockerungsdruckes,
nämlich die Verspannung und die Bildung eines Bruchkörpers, und es ergibt sich
die Notwendigkeit, andere Wege zur Ermittlung der Belastung zu suchen, die den
tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragen. Es hat doch offenbar keinen
Sinn, beim dauernden Ausbau mit einem experimentell ermittelten Minimaldruck
zu rechnen, der erst dann zu erwarten ist, wenn im Bauwerk bereits starke
Zerstörungen aufgetreten sind. Die Anwendung der Silowirkung scheidet daher
bei der Bemessung des unnachgiebigen dauernden Ausbaues aus. Sie ist auch dann
nicht zutreffend, wenn der zeitweilige Ausbau - etwa durch Anwendung von
Spritzbeton - ohne Auflockerung hergestellt werden kann. Es bleibt also für die
Annahme der Silowirkung nur der zeitweilige Holzausbau übrig. Für diesen
werden aber Berechnungen in den seltensten Fällen angestellt. Man bemißt die
Dimensionen der Hölzer erfahrungsgemäß und läßt die Möglichkeit offen, Ver-
stärkungen anzuordnen, sei es durch Zwischengespärre oder Unterzüge usf.
Damit ist die Sachlage gekennzeichnet und man sieht, wie sehr die bisher
vorliegenden Berechnungsmethoden von willkürlichen, oft nicht zutreffenden Vor-
aussetzungen ausgegangen sind. Es muß daher in jedem Falle geprüft werden, ob
diese Berechnungsmethoden auch den gegebenen Verhältnissen entsprechen.
Sicher kommt ihnen nicht jene Bedeutung zu, die man vielfach für sie beansprucht
hat. Im Zuge ihrer Besprechung wird überdies Gelegenheit sein, darauf aufmerksam
zu machen, daß diese Berechnungsweisen auch bei zutreffenden Voraussetzungen
nicht streng richtig sind, sondern manche Inkonsequenz aufweisen. Im besonderen
wird nochmals darauf hingewiesen, daß die Voraussetzungen für diese Berech-
nungsweisen beim Auftreten von echtem Gebirgsdruck keinesfalls gegeben sind.
(Abb. 86) stellt dabei die lotrechte Hauptspannung Pu dar. Sie wirkt in einer
waagrechten Ebene, der eine Tangente an den Spannungskreis im Punkt P ent-
spricht. Der Punkt P ist daher der Pol des Spannungszustandes. Um den Span-
nungszustand in irgendeiner geneigten Ebene zu bestimmen, muß man durch P
eine zur jeweiligen Ebene parallele Gerade zeichnen, die den Spannungskreis im
Spannungspunkt SI schneidet. In einem Flächenelement LI SI • 1 herrscht eine
Spannung, deren Größe durch die Strecke OSI bestimmt ist. Die Neigung diescl'
resultierenden Spannung gegenüber dem Lot auf Lls 1 ist durch den Winkel IX 1
bestimmt. Die tatsächliche Richtung kann aus dem MOHRschen Diagramm er-
mittelt werden, indem man im Punkt SI eine Lotrechte zur Flächenrichtung er-
richtet und sie mit der Schubspannungsachse zum Schnitt bringt. Man crhält den
Punkt TI' der mit dem Pol P verbunden, die Richtung der im Flächenelement LI SI
wirkenden resultierenden Spannung ergibt. Der Beweis dafür ist sehr einfach.
P
IT
Abb.86. Zeichnerische Ermittlung der Belastung des dauernden Ausbaues eines Tunnels in kohäsionslosem Locker-
gebirge bei geringer überlagerungshöhe
Beschreibt man über der Strecke T IP einen Halbkreis, so muß dieser durch die
Punkte 0 und SI gehen. Der Winkel, den die resultierende Spannung mit dem Lot
auf das Flächenelement einschließt, PT IS1> ist als Peripheriewinkel gleich dem
Winkel POS1 •
Die Spannung im Scheitelpunkt des Gewölbes ist lotrecht gerichtet, und ihre
Größe ist durch die Strecke OP gegeben. Die Spannungen in den lotrechten Rück-
flächen der Widerlager sind waagrecht und durch die Strecke OQ gegeben. Es
bleibt nur noch die Aufgabe, die verschiedenen Höhenlagen der einzelnen Flächen-
elemente Lls zu berücksichtigen. Das geschieht in der Weise, daß man in der Abb. 86
die Strecke OP gleich der Einheit wählt. Die auf das Flächenelement von der
Größe LI SI . 1 wirkende Kraft ist daher
(26)
Für die Durchführung der Berechnung wird man den ganzen äußeren Umfang
des Mauerquerschnittes in Flächenelemente Lls n aufteilen, für die Mitte jedes
Elementes die Spannung, gegeben durch die Größe
an = Zn aSn Yg (27)
ermitteln und daraus die angreifenden Kräfte errechnen.
(Abb. 87). Diese Annahme ist nur näherungsweise gültig, weil ja bei unnachgiebi-
gem Ausbau keine Gleitbewegung eintreten kann. Sie ist aber damit zu recht-
fertigen, daß beim Ausbruch infolge der Nachgiebigkeit des zeitweiligen Ausbaues
eine Gleitbewegung eingeleitet wurde. Die Annahme des Winkels 45° (1/1/2 +
stellt gleichfalls nur eine Näherung dar, weil die Gleitfläche am fußpunkt der
lotrechten Widerlagerfläche diese Neigung nur dann haben kann, wenn zwischen
Gebirge und Auskleidung keine Reibung besteht. Eine solche ist aber immer
vorhanden, ihr Wirkungsbereich ist aber nicht sehr groß, so daß in einiger Ent-
fernung von der Wand die gekrümmt beginnende Gleitfläche in die ebene, unter
+
dem Winkel 45° (lg/2 geneigte Gleitfläche übergeht. Durch die beiden Gleit-
flächen AB und AlBl werden zu beiden Seiten der Tunnelauskleidung Gebirgs-
teile begrenzt, die Auflasten q zu
tragen haben, zu deren Berechnung
verschiedene Wege offenstehen, die
aber nur einen Behelf darstellen,
weil sie der gegebenen Bedingung,
nämlich der Unnachgiebigkeit des
dauernden Ausbaues nicht gerecht
werden.
a) Am einfachsten ist die Methode,
die sich einer aus dem Bruchkörper
hergeleiteten Belastungsfigur be-
dient. Wie früher gezeigt wurde,
schlägt KOMMERELL dafür eine Halb-
ellipse vor, die festgelegt ist, wenn
man die halbe große Achse a, also
die Höhe der Belastungsfigur über
dem First kennt. Von diesem ellip-
Abb.87. Belastung des dauernden Ausbaues eines Tunnels
im kohäsionslosen Lockergebirge und gebrechem Gebirge
tisch begrenzten Bruchkörper be-
bei großer Vberlagerungshöhe nach KOMMERELL lastet nur der mittlere Streifen P
unmittelbar das Gewölbe, während
die beiden seitlichen Streifen Q auf den obenerwähnten Gleitkeilen ausruhen.
Vorerst wird der Erddruck auf die Fläche Al Cl bestimmt. Er setzt sich aus
zwei Teilen zusammen. Aus dem Erddruck des Keiles AlBlCl unä aus der Auflast.
Der erstere Anteil ist
(28)
Der zweite rührt von der Auflast Q her, die sich aus den seitlichen Flächenteilen
der elliptischen Belastungsfigur ergibt. Wenn man die vereinfachte Annahme
trifft, daß die gesamte Belastung Q zu einem gleichförmig verteilten Erddruck
führt, so folgt
E Q = Q tan (450 _ ~11). (29)
Damit kann man die Belastungsfigur der auf die Fläche AIOI wirkenden
waagrechten Kräfte zeichnen. Sie besteht aus einem Rechteck mit den Seiten-
längen h. und
(30)
und der Erddruckfigur
(31)
69. Bemessung des dauernden Ausbaues bei großer Überlagerungshöhe 159
Aus den beiden Belastungsfiguren kann man dann die Belastung für jedes Flächen·
element .18 ermitteln. Sie setzt sich aus einer lotrechten und einer waagrechten
Komponente zusammen, die sich wie folgt ergeben
L1p" = L1F"Yg
L1Ph = .1 FhYg. (32)
_ ygB ( hl)
-}. B" tan Og h,
B"tan
+y
-}. Og
q --
't-- 1 - ß g k2 ß , (33)
'" an!.lg
wobei B aus GI. (17) im Abschn. 65 zu entnehmen ist.
Der in diesem Ausdruck enthaltene Beiwert A. ist, wie früher erwähnt, nahezu gleich
der Einheit (Abschn. 40 u. 41).
Wenn die Verspannungszone eine Höhe h1 erreicht, die etwa 20% der gesamten
+
überlagerungshöhe h1 h2 beträgt, wird der zweite Ausdruck in der obigen
Gleichung vernachlässigbar klein; der erste Ausdruck ist für alle Werte von k 1
kleiner als sein ausgeklammerter Teil
ygB
Atan!.lg·
Aus diesem Grunde bleibt der Wert des Druckes q im kohäsionslosen Locker.
gebirge immer unter dem Grenzwert
ygB
qmax = ;. tau Pg • (34)
h _qmax_~ (36)
max - Yg - Atan(!g·
Für A = 1 ergeben sich bei verschiedenen Annahmen des Winkels des inneren
Gleitwiderstandes eg folgende Werte für die überlagerungshöhe hmax , wobei B
aus GI. (17) entnommen wurde.
Tabelle 15. Abhängigkeit der wirk8amen Überlagerung8höhe vom Winkel.de8 inneren Gleitwider-
8tande8 für den dauernden Tunnel- oder Stollenausbau bei großer Überlagerung8höhe
1,73b+1,OOhs
1,43b+O,74hs
1,19 b + 0,56 h s
+
1,00 b 0,41 h"
Die wirksame überlagerungshöhe hmax ist auf Grund des dargelegten Berech-
nungsvorganges sowohl von der Breite als auch von der Höhe des Tunnelaus-
bruches abhängig. TERZAGID bringt in einer Zusammenfassung Angaben über den
Firstdruck, die an einer späteren Stelle wiedergegeben werden (Abschn. 81). Aus
diesen Angaben mögen nur jene herausgegriffen werden, die für kohäsionsloses
Lockergebirge gelten, u. zw. für dichtgelagerten Sand die wirksame über-
lagerungshöhe von hmax= 0,62 (b +
h s ) bis 1,38 (b +
h s ) und für lockeren Sand
hmax = 1,08 (b + h s ) bis 1,38 (b +
h s ). Diese Werte sind von der gleichen Größen-
ordnung wie die Angaben der obigen Tabelle.
berücksichtigt. In den GI. (38) bedeutet a das Verhältnis ro:r, wobei r der Halb-
messer jenes Punktes ist, für den die Spannungen gelten.
(40)
Wenn man die Spannungen gemäß GI. (38) in die Plastizitätsbedingung GI. (40)
einsetzt, erhält man die Beziehung
(42)
eingeführt wurde. Die GI. (41) definiert für bestimmte Werte von AO' p und (!g eine
Relation zwischen a = r 0: rund 9' und damit Linien, für die die Grenzbedingung
gerade erfüllt ist. Man ka:nn nun näherungsweise annehmen, daß diese Linien die
latent-plastisch werdenden Gebiete von den elastischen Bereichen abgrenzen.
Diese Art der Bestimmung der plastischen Zonen ist streng nicht richtig, weil ja
in den latent-plastischen Bereichen die Spannungen der Grenzbedingung ent-
sprechen müssen. Aber man kann damit doch gewisse Anhaltspunkte für die
Form der plastischen Zonen gewinnen. Dies soll an einem Beispiel geschehen,
dem die folgenden Annahmen zugrunde liegen: Der Winkel des inneren Gleit-
widerstandes sei (!g = 30°. Der Widerstand der Auskleidung betrage p = 0,
womit angenommen wird, daß das Lockergebirge jene Spur von Kohäsion besitzt,
die gerade ausreicht, um den Ausbruch kurzfristig ohne Ausbau zu belassen.
Für die Seitendruckziffer seien die Werte AO = 0,30, 0,35, 0,40 und 0,45 an-
genommen. Die plastischen Zonen werden nur für den oberen Teil des den Aus-
11 Kastner, Statik
162 v. Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
Zustand wegen der Verschiedenheit von P" und Pv nicht drehsymmetrisch sein
kann.
Bemerkenswert ist die starke Abhängigkeit der Form und Ausdehnung der
plastischen Zonen von der Seitendruckziffer Äo.
(43)
71. Bemessung nach der Theorie der plastischen Zonen 163
zu setzen. Unter dieser Voraussetzung nimmt die GI. (41) folgende Form an
1 _ 2 [1 + A o - ft ~
4 (1 - Ao) W
_ 1+ Ao sin2 (1g] _
2 (1 - Ao) W
_ (1 + Ao -
4(1 - Ao)2
ft)2 ~
W
+ (1 + Ao )2
(1 - Ao)24w
sin2 (1g = ° •
(44)
an. Ihre Lösung ergibt schließlich die einfache Bedingung dafür, daß an den
Ulmen der plastische Bereich verschwindet
(48)
Für verschiedene Werte von Ao und (!g folgen die in der nachstehenden Tab. 16
angeführten Werte von ,u/2. Dabei wurde der dem negativen Vorzeichen von
sin (}g entsprechende kleinere Wert von ,u/2 in Betracht gezogen; er gilt für das
Verschwinden der aktiven plastischen Zonen an den Ulmen. Das positive Vor-
zeichen von sin (!g liefert einen größeren Wert von ,u/2' der das Auftauchen von
passiven plastischen Zonen an den Ulmen anzeigt; er ist aber für die vorliegende
Untersuchung ohne Belang.
Tabelle 16. Verhältnis der wirksamen Überlagerungshöhe zum primären lotrechten Überlagerungs-
druck in Abhängigkeit von der Ruhedruckzifjer, ermittelt unter der Bedingung, daß die plastischen
Zonen an den Ulmen verschwinden
1'/2 für eq ~
A,
40·
Nachdem ,u = 2pa:Pv gewählt wurde, folgt für das Verhältnis Pa:Pv = ,u/2.
Setzt man schließlich Pv = Ygh, wobei h die überlagerungshöhe in der waagrechten
Querschnittsachse ist, so ergibt sich
(49)
das heißt also, daß beispielsweise für (1g = 35° und Werte von Ao, die zwischen
0,30 und 0,50 liegen, zur Erfüllung der Bedingung, daß die plastische Zone an den
11*
164 V. Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
1 + [1 + Ao - p, _ (1 + Ao) Sin2!1 u] _
(1 - Ao) W (1 - Ao) W
Mit Berücksichtigung des Umstandes, daß wie früher gemäß GI. (46)
(53)
Hinsichtlich des Vorzeichens von sin (!g gilt sinngemäß das oben zu GI. (48)
Gesagte.
In gleicher Weise wie früher läßt sich für wechselnde Werte von AO und {!g
mit Hilfe der nachfolgenden Tabelle fl/2 und daraus der Widerstand Pa ermitteln,
der zum Verschwinden der plastischen Zone im Firstbereich führt.
Tabelle 17. Verhältnis der wirksamen Überlagerungshöhe zum primären lotrechten Überlagerungs-
druck in Abhängigkeit von der Ruhedruckzifjer, ermittelt unter der Bedingung, daß die plastischen
Zonen im Firstbereich verschwinden
Die Werte liegen viel niedriger, als jene der früheren Tab. 16. Im Firstbereich
verschwindet daher die plastische Zone bei einem sehr geringen drehsymmetrischen
Widerstand Pa' Sie taucht aber bei weiterer Steigerung von Pa wieder auf, wobei
es sich um einen passiv-plastischen Zustand handelt.
Nunmehr ist die Frage zu klären, ob das Verschwinden des plastischen Zu-
standes im First oder an den Ulmen für die Ermittlung des erforderlichen Wider-
standes der Ausmauerung maßgebend ist. Ihre Beantwortung wird durch die
Überlegung ermöglicht, daß eine Verspannungserscheinung über dem First
vorliegt, die eine starke Belastung der Ulmbereiche des Gebirges zur Folge hat.
Die Erhaltung des elastischen Zustandes ist daher dort besonders wichtig, wes-
halb auch die erste durch GI. (48) ausgesprochene Bedingung heranzuziehen ist.
Das Entscheidende bei dieser Betrachtungsweise ist, daß die Gebirgsbe-
schaffenheit nur durch zwei Größen definiert wird, den Winkel des inneren
Gleitwiderstandes (!g, für den man gute Anhaltspunkte besitzt und die Ruhedruck-
ziffer Ao. über letztere sind zwar weniger verläßliche Angaben vorhanden, ihr
Einfluß ist aber nicht sehr groß. Von ausschlaggebender Bedeutung scheint je-
doch zu sein, daß die neuen Bauweisen es ermöglichen, den Tunnel. oder Stollen-
aWlbau mit sehr geringer Auflockerung auszuführen bzw. entstandene Hohl-
räume durch Injektionen zu verschließen, so daß der ·Wert Ao durch die Aus-
bruchsarbeiten nur in geringem Maße beeinträchtigt und die Einleitung von Gleit-
bewegungen unterbunden wird.
Es besteht aber noch ein anderes Kriterium, das für die Bemessung einer
Tunnel- oder Stollenausmauerung im kohäsionslosen Lockergebirge herangezogen
werden kann. Für den Gebirgsdruck sind die kreuzförmig sich erweiternden plasti-
schen Zonen von großer Bedeutung. Sie können durch den Widerstand der Ausklei-
dung in ihrer Form nur in der Nähe des Ausbnwhsrandes entscheidend beeinflußt
werden, und da zeigt sich nun, daß diese Bereiche bei einem bestimmten dreh-
symmetrischen Widerstand Pa abgeschnürt werden und ihren Zusammenhang
mit den kleinen, sich an den Ausbruchsrand anschmiegenden plastischen Zonen
verlieren. Diese kleinen randlichen Restbereiche sind für den Bestand des Bau-
werkes nur von geringer Bedeutung. In den großen abgeschnürten Bereichen,
sofern solche verbleiben, sind aber die Gleitflächen gesperrt; eine Gleitbewegung
ist verhindert. Solche inselförmige plastische Enklaven kommen auch in der
Natur sicher vielfach vor.
Um die Tragkraft der dargelegten Gedankengänge zu festigen, wird ein weiteres
Beispiel gebracht (Abb. 90).
Für die Ruhedruckziffer wird der mittlere ·Wert Ao = 0,45 gewählt und der
Winkel des inneren Gleitwiderstandes betrage (}g = 35°. Diese beiden Werte
reichen aus, um die statische Beurteilung des Ausbaues durchzuführen. Mit Hilfe
der GI. (41) werden für ß = 2pa: Pv, also für das Verhältnis des doppelten dreh-
symmetrisch wirkenden Widerstandes der Ausmauerung zum lotrechten über-
lagerungsdruck folgende Annahmen getroffen: ß = 0,0, 0,2, 0,4, 0,6, 0,8 und
1,0, die Grenzen der plastischen Zonen berechnet und in der Abb. 90 dargestellt.
Es zeigt sich, daß sich die plastischen Zonen auf die Ulmbereiche zurückziehen
und dort bei einem Wert von p, der zwischen 1,0 und 1,2 liegt, verschwinden.
Die genaue Berechnung des p-Wertes, bei dem dies eintritt, ergibt sich aus der
Tabelle 16 zu p = 1,09, entsprechend einem drehsymmetrisch wirkenden Innen-
druck von
Pa =~- Pv = 0,544pv·
Gleichzeitig sind aber, beginnend mit dem Wert ß = 0,8 passive plastische
Zonen entstanden, die für die gegenständliche Untersuchung ohne Bedeutung
sind. Das Schrumpfen der plastischen Zonen ist zwischen den Werten 0,4 und 0,6
166 v. Bemessung bei kohäsionslosem Lockergebirge
besonders stark, und es wurde daher zusätzlich noch die Grenze für p, = 0,5 er-
mittelt und in der Abb.90 strichliert eingetragen. Dabei zeigt sich, daß für
p, = 0,6 die plastische Zone
+Pv so weit zusammengeschrumpft
ist, daß ihre Auswirkung be-
-0
t -
'" P' -.t P
tJ V
deutungslos wird. Wenn man
also die Auskleidung für
p, = 0,6
dimensioniert, so entspricht
dies einem drehsymmetrischen
Widerstand der Auskleidung
von
Pa = 0,3Yg h. (54)
Voraussetzungsgemäß sind
die angestellten überlegungen
aber nur dann gültig, wenn die
überlagerungshöhe im Ver-
gleich zu den Abmessungen
Abb. 90. Plastische Zonen in der Umgebung eines kreisquer-
schnittigen Tunnelausbruches in kohäsionslosem Gebirge bei Be- des Hohlraumes groß ist. An-
rücksichtigung des Widerstandes der Ausmauerung
derseits ist aber die Mächtig-
keit von Schichten vollständig
kohäsionslosen Gebirges begrenzt. Sie wird etwa 100 m nicht wesentlich über-
schreiten. Bei dieser überlagerungshöhe würde sich eine rechnungsmäßige Be-
lastung des Ausbaues entsprechend einer Höhe von 30 m ergeben.
Kapitel VI
ANDREAE berichtet [.3f], daß im Jahre 1948 der Stollen des Kraftwerkes
Lavey, dessen Ausbruchsquerschnitt 65 m 2 betrug, und der mit mehr oder weniger
Erfolg im vollen Querschnitt aufgefahren wurde, auf eine 150 m mächtige Trias-
partie stieß; sie zwang dazu, den Ausbruch mit vollem Querschnitt aufzugeben
und den weiteren Vortrieb mit einem Firststollen durchzuführen.
Der Richtstollenvortrieb bringt also die Möglichkeit der Abgrenzung der druck-
haften Strecken. Damit ist man in die Lage versetzt, hinsichtlich der Bauweise
die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen und für die Bemessung, die vor dem
Vollausbruch erfolgen muß, die notwendige Klarheit zu schaffen. Um zu einer Vor-
aussetzung für die Formgebung und Auskleidung zu gelangen, ist im Sinne der
Deutung des echten Gebirgsdruckes zunächst festzustellen, ob sich das Gebirge
primär im elastischen oder plastischen Zustand befand.
Im ersteren Fall, also bei primär elastischem Zustand, ist noch folgende
Unterscheidung zu treffen:
a) Wenn die Seitendruckziffer Ao = Ph: Pv' das Verhältnis der waagrechten
zur lotrechten Pressung im ungestörten Gebirge, einen großen Wert besitzt, so
besteht die Möglichkeit einer Schutzhüllenbildung in dem in Abschn. 56 dar-
gelegten Sinn. Dem Tunnelausbau fällt dann die Aufgabe zu, den plastischen
Tragkörper der Schutzhülle zu stabilisieren, bzw. die freien Gleitflächen am Aus-
bruchsrand durch die Auskleidung zu sperren.
b) Sofern jedoch die Seitendruckziffer Ao kleinere Werte hat, ist die Schutz-
hüllenbildung nur dann möglich, wenn sich die plastischen Zonen auf die unmittel-
bare Nähe des Ausbruchsquerschnittes beschränken. Wenn sich aber die
plastischen Zonen kreuzförmig weit in das Gebirge hinein erstrecken, dann kommt
es zu starken Gebirgsdruckerscheinungen, verbunden mit Stauchungen im First-
und Sohlenbereich, und die Schutzhüllenbildung ist nicht möglich.
Im zweiten Falle, wo sich das ungestörte Gebirge bis zu einer gewissen Höhe
über dem Hohlraum primär im latent-plastischen Zustand befindet, löst die Her-
stellung eines Hohlraumes, solange er noch keinen Ausbau erhalten hat, unver-
meidlich Gebirgsbewegungen aus, die ihn von allen Seiten zu schließen trachten.
Wenn nach Aufschluß des Richtstollens durch die Art der Druckerscheinungen
festgestellt worden ist, in welche der dargelegten Gruppen die Gebirgsdruck-
erscheinungen fallen, dann können entsprechende Maßnahmen für die Form-
gebung und die Bemessung des Ausbaues frühzeitig getroffen werden. Jede wäh-
rend der Arbeit notwendig werdende .Änderung des Bauvorganges bringt Ver-
zögerungen und erfordert beträchtliche Kosten, die den Zeitverlust und den Mehr-
aufwand des Richtstollenvortriebes meist übersteigen.
75. Formgebung
Die Darlegungen des Kap. IV haben einen Einblick in das Wesen des echten
Gebirgsdruckes gebracht, und es ist Aufgabe der Formgebung und Bemessung einer
Tunnel- oder Stollenauskleidung seiner Wirkung zu begegnen. Vor der Behand-
lung der Bemessungsaufgaben ist es aber notwendig, über die aus statischen Er-
wägungen richtige und zweckmäßige Form des Auskleidungsquerschnittes zu
sprechen. Die älteren Querschnittsformen betonten die Unterteilung in die beiden
Widerlager, das Firstgewölbe und das Sohlgewölbe, sofern letzteres als notwendig
erachtet wurde. Dabei wurden Querschnittsgestaltung und Bemessung auch bei
Auftreten von echtem Gebirgsdruck den aus der Erddrucklehre hergeleiteten
Anschauungen über den Auflockerungsdruck angepaßt und durch die Annahme
eines überwiegenden Firstdruckes bestimmt. Der echte Gebirgsdruck wirkt aber,
sofern er in mäßigen Grenzen bleibt, an den Ulmen; bei starken Druckerschei-
nungen wird durch das Ausquetschen der über dem First und unter der Sohle
liegenden Gesteinspartien ein allseitiger Druck hervorgebracht. Allseitiger Druck
170 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
ist auch zu erwarten, wenn das Gebirge primär eine hohe Seitendruckziffer auf-
weist und dann ringsum zur Einengung des Hohlraumes drängt. Der echte Ge-
birgsdruck wirkt also an den Ulmen oder aber von allen Seiten des Ausbruchs-
querschnittes.
Nun stelle man sich einen Auskleidungsquerschnitt vor, wie er früher üblich
war (Abb. 69) und beurteile sein Verhalten unter der Wirkung eines seitlichen Druk-
kes. Man erkennt sofort, daß starke Widerlager nutzlos sind und daß First- und
Sohlengewölbe schwache Teile der Auskleidung bilden. In den bei den Gewölben
rückt die Drucklinie nahe an den Innenrand der Auskleidung heran. Schäden durch
überschreiten der Druckfestigkeit des Betons oder des Mauerwerks, die sich in
Form von Abschalungen zeigen, sind die häufige Folge [108a]. Diese Erscheinung
wird noch begünstigt, wenn zwischen dem Gewölbe und dem Gebirge ein Hohl-
raum verblieben ist, oder wenn Holzteile des zeitweiligen Ausbaues, wie etwa die
Verpfählung nicht entfernt wurden. Daraus ergibt sich die Folgerung, daß es not-
wendig ist, durch entsprechende Bauweisen den Holzeinbau überhaupt zu ver-
meiden und für einen satten Anschluß des Gewölbes an das Gebirge durch Kontakt-
injektionen zu sorgen.
Nachdem der echte Gebirgsdruck hauptsächlich an den Ulmen wirksam ist,
würde eigentlich ein elliptischer Querschnitt mit waagrechter großer Achse den
statischen Verhältnissen entsprechen [104a, l04b, l08a]. Tatsächlich zeigt sich
beispielsweise im Haselgebirge, daß der Ausbruchsquerschnitt durch wiederholte
Nachbrüche an den Ulmen eine elliptische Form anzunehmen sucht, wobei die
große Achse senkrecht zur Richtung der größten Hauptnormalspannung liegt
(Abb.60). Ein elliptischer Querschnitt ist aber aus mancherlei Gründen meist
nicht erwünsch t; es ist ihm der Kreisquerschnitt vorzuziehen für den die bei gutem
Kontakt zwischen Ausmauerung und Gebirge zu erwartende Mitwirkung des
Gebirgswiderstandes spricht. Wenn das satte Anliegen des Auskleidungsbetons
an das Gebirge gewährleistet ist, dann tritt im First und an der Sohle Gebirgs-
widerstand (passiver Gebirgsdruck) auf und dieser zwingt die Drucklinie vom
Innenrand der Ausmauerung gegen die Mitte derselben hin. Der Gebirgswider-
stand hat zur Folge, daß die Belastungs- und Spannungsverteilung einem dreh-
symmetrischen Zustand zustreben, d. h. daß die Drucklinie von der kreisförmigen
Achse des Auskleidungsquerschnittes nicht stark abweicht.
Man kommt also zu dem Ergebnis, daß bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck
für die Ausmauerung der Kreisringquerschnitt mit ringsum gleicher Dicke die richtige
und deshalb auch wirtschaftlichste Form darstellt.
Wenn man bei dem Kreisringquerschnitt das Sohlengewölbe erst nach der
Herstellung der übrigen Verkleidungsteile ausführt, dann sind Aufstandsflächen
für die Widerlager nach Abb. 163b empfehlenswert. Der dann am Widerlagerfuß
auftretende einspringende Winkel ist zwar wegen der Kerbwirkung nicht günstig,
dies gilt aber nur, solange der Ausbruch freisteht; sobald der Widerlagerbeton
eingebracht und erhärtet ist, wirkt der Betonzwickel wie eine Knagge und der
vorübergehend bestandene Nachteil ist ausgeschaltet. Wenn man aber die Sohle,
wie dies meist der Fall ist, vorweg herstellt, um sie als Unterlage für das Gleis des
Schalungstransportwagens oder des Betonierzuges zu verwenden, dann können
auch die Mehrausbrüche und der Mehrbeton für die Widerlagerfüße entfallen und
die Auskleidung gewinnt die als am günstigsten erkannte Form des Kreisring-
querschnittes.
Der Fall liegt hier ganz ähnlich wie bei den Abtreppungen von Fundament-
flächen, die bei Gründungsarbeiten im Fels, beispielsweise bei Staumauern häufig
ausgeführt werden. Solche veralteten Vorstellungen entsprungene Maßnahmen
stellen meist nicht nur keine Verbesserung der Kraftübertragung zwischen Bau-
körper und Gebirge dar, sondern führen zu bedeutenden örtlichen Spannungs-
häufungen sowohl im gekerbten Bauwerk als auch im Fels.
75. Formgebung 171
kammes zu befassen. Es sind dies die Projekte für Flachbahnen, die notwendiger-
weise Tunnelbauten von außerordentlicher, bisher noch nicht in Betracht gezogener
Länge erfordern. Von den Projekten, die sich die Lösung der modernen Verkehrs-
probleme zur Aufgabe gemacht haben, sollen zwei herausgegriffen werden, und
zwar die Flachbahn durch das Gotthardmassiv und jene im Bereich der Brenner-
senke.
Vorerst der Entwurf für einen Gotthard-Basistunnel, der sich zwischen den
Orten Amsteg auf der schweizerischen Seite, 550 m ü. M. und Bodio auf der italie-
nischen Seite, 290 ü. M. erstrecken und eine Gesamtlänge von 48 km erhalten
in standfestem in gebrechem
fels fels
Aufo-Straße
Frischluftkanal
und Eisenbahn
würde. Der Querschnitt ist für eine zweigleisige Bahnstrecke, darüber für eine
Straße und im dritten Stockwerk für die Längslüftung vorgesehen. Im obersten
Stockwerk sollen überdies elektrische Hochspannungsleitungen geführt werden.
Aus dieser räumlichen Anordnung ergibt sich zwangsläufig ein hochgestelltes,
ovales Profil, das im Ausbruch die beträchtliche Höhe von rd. 20 m aufweisen
wird, wobei die Breite des vorgesehenen Größtausbruches 15,30 m betragen wird.
Die größte überlagerungshöhe wird 2200 m erreichen, also jener des Simplon-
Tunnels gleichkommen (Abb. 92). Die Darlegungen über den echten Gebirgs-
druck (Kap. IV), lassen erkennen, daß der Entwurf dieses Querschnittes von den
Anschauungen über den Auflockerungsdruck beeinßußt wurde, nicht jedoch der
Eigenart des echten Gebirgsdruckes Rechnung trägt. Nachdem aber bei diesem
Projekt mit echtem Gebirgsdruck auf große Erstreckung gerechnet werden muß,
wird die geplante Querschnittsform kaum ausführbar sein. Der Seitendruck wird
voraussichtlich schon während des Baues zu einer Verschiebung der Widerlager
führen und dies um so mehr, als die ZWischendecken aus Fertigbetonteilen erst zu
einem späteren Zeitpunkt eingezogen werden sollen. Aber auch nachdem dies
geschehen ist, werden sich in den schwachgekrümmten Widerlagern erhebliche
76. Bemessung der Tunnel- oder Stollenauskleidung 173
a) Theoretische Grundlagen
Wenn die Seitendruckziffer }'o des ungestörten Gebirges große Werte erreicht,
kann bei der Bemessung des Hohlraumausbaues der Idealfall Ao = 1 angewendet
werden. Über die Zulässigkeit dieser Annahme entscheidet das Bild der Begren-
zung der plastischen Zonen. Obwohl diese Begrenzung - selbst bei genauer
Kenntnis der Eigenschaften des Gebirges, im besonderen der einachsigen Gebirgs-
druckfestigkeit und des Winkels des inneren Gleitwiderstandes - nur näherungs-
weise ermittelt werden kann, so erlaubt der dabei gewonnene Einblick doch ein
Urteil darüber, ob die Heranziehung des Idealfalles Ao = 1 statthaft ist. Sofern
dies zutrifft, kann die Mächtigkeit der plastischen Zone und der im Gebirge herr-
schende Spannungszustand für Ao = 1 bei Vernachlässigung der Massenkräfte er-
mittelt werden. Dies gilt also unter der Voraussetzung einer einigermaßen großen
Überlagerungshöhe des Hohlraumes, eine Voraussetzung, die ja beim Auf-
treten von echtem Gebirgsdruck fast immer gegeben sein wird.
Der sekundäre Spannungszustand im Gebirge ist für den Fall, daß am Aus-
bruchsrand eine vollständige Entlastung eintritt, bereits im Kap. III behandelt
worden. Nunmehr wird angenommen, daß ein Widerstand der Auskleidung hin-
zutritt. Er wird, um die Drehsymmetrie nicht zu stören, in Form eines ringsum
174 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
Ps
-j0'ry-- I
r--~a. -.l I
I I
"'" l4--O't p ~
elas/ische Zone
Abb. 93. Zur Ermittlung der plastischen Zonen bei primär allseitig gleichem Drnck P. = PA unter der Annahme
eines geradlinigen Verlaufes der MOHRsehen Grenzkurve
F =
r C+ 1
0 1 C+ 1 -
a r2
C!:1l1 2" + 2. ° (1 )
_
arp --
(r;;r ),-1 (Pa + '-1) -
~d
'-1
~d
Tp = O.
(5)
Tc = O.
Aus der Bedingung, daß für r = r0
(6)
gelten muß, ergibt sich schließlich für die Begrenzung der plastischen Zone der
Wert
(7)
gilt. Durch Einsetzen dieser Bedingungsgleichung in die GI. (7) erhält man die
Beziehung für die Herstellung des elastischen Spannungszustandes im Gebirge. Sie
lautet:
_ 2p-Ogd
Pa-'Tl· (9)
stischen und elastischen Bereich ermittelt. Man erkennt aus ihrer Darstellung in
Abb. 94, daß die Dicke der plastischen Zonen mit wachsendem Widerstand Pa
von der Bergseite her ab-
nimmt. Ferner ist daraus
350
zu ersehen, daß die größte
Pv = p", = lzokg!cmo auftretende Tangentialspan-
nung an der Grenze zwischen
elastischem und plastischem
Bereich unabhängig vom
Widerstand der Auskleidung
Pa ist, und daß die Radial-
spannungen an dieser Stelle
gleichfalls einen konstanten
Wert besitzen.
b) Berechnungsverfahren
Bei unausgekleidetem Tunnel oder Stollen wird die an der Grenze der pla-
stischen Zone auftretende Radialspannung zur Gänze vom inneren Gleitwider-
stand der plastischen Zone aufgenommen, die als Tragkörper wirkt. Der Sicher-
heitsgrad als Verhältnis der Widerstände zu den 'angreifenden Kräften definiert,
beträgt l' = 1. Dies gilt unter der Voraussetzung idealplastischer Verhältnisse,
d. h. der Unveränderlichkeit des Gleitwiderstandes bei fortschreitender bleibender
Verformung. Bei Vorhandensein eines zusätzlichen Widerstandes, hervorgerufen
durch die Auskleidung, wird der innere Gleitwiderstand des Gebirges nur in ge-
ringerem Maße in Anspruch genommen, und die Dicke der plastischen Zone nimmt
ab; dafür tritt ja der Widerstand der Auskleidung in Wirksamkeit. Der Sicher-
heitsgrad bleibt aber gleich der Einheit, u. zw. solange bis die plastische Zone
durch einen Druck p, der größer ist als der in GI. (9) angegebene Wert zum Ver-
schwinden gebracht wird. Ein zunehmender Widerstand der Ausmauerung hat
demnach keine Erhöhung des Sicherheitsgrades zur Folge, weshalb dieser Weg
keine Möglichkeit zur Herleitung eines Bemessungsverfahrens bietet.
Die erwähnenswerte Bedingung, die Ausmauerung so stark zu wählen, daß
die Ausbildung einer plastischen Zone verhindert wird, ist offenbar zu streng,
denn das Verbleiben einer ringförmigen plastischen Zone, deren Gleitflächen durch
die Tunnelauskleidung mit ausreichender Sicherheit gesperrt werden, kann nicht
als bedenklich bezeichnet werden.
Hingegen führt folgender Weg zum Ziel.
Für die Bemessung des Tunnelmauerwerkes ist die Sicherung der tragenden
Mitwirkung des Gebirges von ausschlaggebender Bedeutung. Die einachsige
Druckfestigkeit des Gebirges, die in den bisher gewonnenen Ausdrücken vorkommt
kann auf dem in Kap. I geschilderten Weg ermittelt werden. Es stehen aber auch
die Beobachtungen, die beim Vortrieb des Richtstollens gewonnen werden, zur
Verfügung. Wenn in einem Richtstollen erstmals bei einer bestimmten über-
lagerungshöhe Gebirgsdruckerscheinungen festgestellt wurden, so läßt sich, sofern
keine tektonischen Spannungen vorhanden sind, auf die Druckfestigkeit des
Gebirges schließen.
76. Bemessung der Tunnel- oder Stollen auskleidung 177
Pa= [(~r)c- t
-1 ,~a1
] (J
(11)
sein. Aus den beiden GIn. (10) und (11) folgt die Beziehung
v -1
Pa = -,- (Jgd' (12)
Sie läßt sich, wie aus der Abb. 95 ersichtlich ist, aus der MOHRsehen Theorie un-
mittelbar herleiten. Mit den Bezeichnungen der Abb. 95 ergibt sich
•
eg = (Jga (v - 1) - Pa
SIn (13)
+ Pa
--='--'-_-c'-~-"-
(Jga (v - 1) '
und durch einfache Umformung erhält man daraus die GI. (12). Der Widerstand
gemäß GI. (12) vermag also die Erhaltung der Gebirgsdruckfestigkeit mit einem
Sicherheitsgrad v zu gewährleisten. Ein kreisförmiger Mauerungsring, der unter
dem Außendruck Pa steht, muß, wenn die Tangentialspannungen am Innenrand
gleich der Prismenfestigkeit des Auskleidungsbetons (JbP werden sollen, eine Dicke
d erhalten, die aus den im Abschn. 30 hergeleiteten Beziehungen für das dick-
wandige Rohr ermittelt werden kann. Der Innenhalbmesser des Rohres sei ri
und der Außenhalbmesser daher r a = ri +
d. Der Ausdruck für die Tangential-
spannung am Innenrand lautet
a2+ (X2
(14)
(Jt = Pa a2 _ 1 '
wobei
wobei vorausgesetzt wird, daß diese Tangentialspannung eben gleich der Prismen-
festigkeit des Betons ist. Aus dieser Beziehung folgt für die Mauerungsdicke d der
Ausdruck
(16)
12 Kastner, Statik
178 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
wenn man schließlich Pa aus GI. (12) in GI. (16) einführt, erhält man die für die
Bemessung der kreisringförmigen Auskleidung geltende maßgebende Beziehung
8nbouorf:
o,r; 0,8
miltel-
t t
;::'0,3 0,3~
schw{j/' ~
~
leichl o,Z o,z
Verkleidung 0.1 41
jene geringsten lotrechten überlagerungshöhen, bei denen für die jeweils darüber
stehende einachsige Gebirgsdruckfestigkeit das Auftreten von echtem Gebirgs-
druck zu erwarten ist. Das Raumgewicht des Gebirges wurde dabei mit 2,5 tm-3
und die Seitendruckziffer Äo = 1 angenommen. Als Ordinaten werden die Ver-
d:ri
hältniszahlen d: ri
aufgetragen. Dazu ist zu .bemerken, daß Verhältniszahlen
kleiner als etwa 0,1 und größer als 0,6 keine praktische Bedeutung besitzen;
im ersteren Fall wegen Unterschreitung der Mindestdicke der Auskleidung und
im zweiten deshalb, weil das Verhältnis 0,6 wohl eine obere Grenze der im Beton
auszuführenden Auskleidung darstellen dürfte. Die Abhängigkeit des Verhält-
nisses d: r. von der Gebirgsdruckfestigkeit wird durch zwei Kurvenscharen dar-
gestellt, wovon die eine einem Sicherheitsgrad 'V = 3, die andere einem solchen von
'V = 1,5 entspricht. Diese Beschränkung erfolgte aus Gründen der Übersichtlich-
keit der Darstellung. Die Winkel des inneren Gleitwiderstandes (!g stellen dabei
die Parameter der einzelnen Kurven dar, welch letztere unter der Annahme einer
Prismenfestigkeit des Betons von (lbP = 170 kgcm- 2 ermittelt wurden.
76. Bemessung der Tunnel- oder Stollenauskleidung 179
Die Beurteilung des Schaubildes zeigt, daß beispielsweise bei einem Winkel des
inneren Gleitwiderstandes von I]g = 45° eine dreifache Sicherheit in der Erhaltung
der Gebirgsdruckfestigkeit mit erträglichen Auskleidungsdicken nur dann er-
zielbar ist, wenn die Gebirgsdruckfestigkeit höchstens agil = 150 kgcm- 2 be-
trägt, entsprechend einer für das erste Auftreten von Gebirgsdruckerscheinungen
maßgebenden überlagerungshöhe von rd. 300 m und einer Seitendruckziffer
Ao = 1. Nimmt man hingegen den Sicherheitsgrad 'I' = 1,5 an, so ist das gleiche
Ziel bei einer Gebirgsdruckfestigkeit von rd. agd = 600 kgcm- 2 entsprechend
einer überlagerungshöhe für das erste Auftreten von echtem Gebirgsdruck von
rd. h = 1200 m erreichbar, gleichfalls unter der Voraussetzung, daß Ao = 1 gilt.
Aus diesen Ergebnissen ist zu entnehmen, daß es mit einer Betonauskleidung
der üblichen Art in druckhaften Strecken vielfach unmöglich sein wird, jenen
Sicherheitsgrad zu erzielen, den man in der Statik der Baukonstruktionen unter
der Einwirkung eindeutig erfaßbarer Belastungen zu erreichen gewohnt ist. Die
große Zahl von Schäden im Tunnelbau und die häufig notwendigen Rekonstruk-
tionsarbeiten sind eine Bestätigung dafür.
Nachdem ein Stabilitätsproblem vorliegt, könnte man die Festlegung treffen,
daß mit einem Sicherheitsgrad 'I' = 1,5 das Auslangen gefunden werden muß.
Eine solche Norm hätte aber nur beschränkten Wert. Einerseits läßt sich die
Bemessung von Tunnelauskleidungen bei Auftreten von starken Gebirgsdruck-
erscheinungen oft nicht einmal mit 1,5-facher Sicherheit lösen, weil ja der Sicher-
heitsgrad von den Festigkeitseigenschaften ,des Gebirges begrenzt wird. Ander-
seits wird man, wenn immer es möglich ist, im Hinblick auf die Unsicherheit der
Rechnungsgrundlagen trachten, einen höheren Sicherheitsgrad als 'I' = 1,5 zu
erreichen.
d) Beispiele
Die gewonnenen Ergebnisse sollen durch einige Beispiele erläutert werden.
a) Bei einem Tunnelausbruch zeigen sich - so sei während des Richtstollen-
vortriebes festgestellt worden - Gebirgsdruckerscheinungen bei einer über-
lagerungshöhe von h = 600 m; Anzeichen tektonischer Spannungen sollen nicht
vorhanden sein. Der überlagerungsdruck ist bei einem Raumgewicht des Gebirges
Yg = 2,5 tm- 3 Pv = 150 kgcm- 2 • Das Gebirge soll eine POISsoNsche Zahl von
m g = 3,5 besitzen, woraus sich die Seitendruckziffer zu Ao = 1 : (mg - ,1) = 0,4
ergibt. Die einachsige Gebirgsdruckfestigkeit folgt unter Anwendung der GI. (23)
im Abschn. 31 für die elastische Tangentialspannung zu agil = 390 kgcm- 2 • Der
Winkel des inneren Gleitwiderstandel:l. sei I]g = 45° gesetzt. Daraus folgt:
+
C= (1 sinl]g): (1 - sineg) = 5,84. Ein Blick auf die Abb.95 zeigt, daß die
Bemessung der Hohlraumauskleidung mit einem Sicherheitsgrad von 'I' = 3 nicht
möglich ist. Für eine Prismenfestigkeit des Betons von abP = 150 kgcm- 2 ergibt
sich aus GI. (17) ein Verhältnis der Auskleidungsdicke zum lichten Halbmesser
d : ri = 0,28 oder bei einem lichten Halbmesser von ri = 150 cm eine rechnungs-
mäßige Auskleidungsdicke von d = 42 cm, die bei gleicher Gebirgsbeschaffen-
heit auch bei größeren überlagerungshöhen als 600 m beibehalten werden kann.
b) In einem gesunden Gebirge, bei dem die einachsige Gesteinsdruckfestigkeit
(Zylinderfestigkeit) gleich der Gebirgsdruckfestigkeit agil = 252 kgcm- 2 gesetzt
werden kann, treten Bergschläge auf, die nur auf den Druck des auflastenden
Gebirges und nicht auf tektonische Ursachen zurückzuführen sind. Das Gestein
sei spröde und besitze einen Winkel des inneren Gleitwiderstandes eg = 50°,
woraus sich C= (1 + sineg): (1 - sinl]g) = 7,58 ergibt. Dann folgt für 'I' = 1,5
das Verhältnis d: ri = 0,30 und bei einem lichten Stollenhalbmesser von 150 cm
ergibt sich die erforderliche Auskleidungsdicke zu d = 45 cm.
e) Das Gebirge besteht aus Schlier, dessen einachsige Druckfestigkeit (Zylinder-
festigkeit) agil = 20 kgem-2 beträgt. Das Raumgewicht sei Yg= 2,05 tm-3 , der
12*
180 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
Winkel des inneren Gleitwiderstandes I]g = 30° und die Seitendruckziffer betrage
Ao = 0,4. Tatsächlich wurde bei einem Großscherversuch der Winkel des inneren
Gleitwiderstandes etwas kleiner zu (!g = 26° und die Kohäsion zu c = 0,3 kgcm- 2
ermittelt. Infolge der Gleichförmigkeit der mächtigen Flinzschichten und ihrer
ungestörten Lagerung waren die obigen Festigkeitseigenschaften aus Gesteins-
proben auf experimentellem Wege bestimmbar. Die an Bohrkernen ermittelte
Zylinderfestigkeit oder die am Handstück bestimmte Prismenfestigkeit sind mit
der Gebirgsdruckfestigkeit identisch. Bei einer Überlagerungshöhe von h = 38 in
wird gemäß GI. (23) an den Ulmen eines kreisförmigen Ausbruchsquerschnittes
die Gebirgsdruckfestigkeit überschritten, und bei größeren Überlagerungshöhen
ist mit Druekerscheinungen zu rechnen, die sich bei der Beschaffenheit des Ge-
birges voraussichtlich in Form von Abschalungen an den Ulmen äußern werden.
Die Begrenzung der plastischen Zonen wurde auf Grund der später angeführten
GI. (26) ermittelt; sie zeigt bei Überlagerungshöhen von 100, 200 und 400 m die in
der Abb. 96 dargestellten Formen, die sich eng dem Ausbruchsquerschnitt an-
schmiegen, woraus geschlossen werden kann, daß die weitere Berechnung unter
der Annahme 20 = 1 durchgeführt werden darf. Für den Flinz soll eine dureh
dreiachsige Druckversuche oder durch einen Großscherversuch bestimmte und nach
einer Parabel ausgeglichene MOHRSche Grenz-
linie vorliegen (Abb. 97). Bezüglich der Form
dieser Grenzlinie wird auf bekannte Versuche
mit Sandstein hingewiesen [127b].
Wenn man diese parabolische Grenzlinie gemäß Abb. 97 an Stelle der Geraden
gemäß Abb. 93 anwendet, dann verlieren die GI. (12) und (17) ihre Gültigkeit.
Der Wert von Pa muß in diesem Falle aus der Abb. 97 ermittelt werden. Wenn die
Gebirgsdruckfestigkeit (Jgd = 20 kgcm- 2 mit dem Sicherheitsgrad 'V = 3 ge-
währleistet werden soll, so ist dazu eine Seitenpressung Pa = 20 kgcm-Z nötig,
wie sich durch Zeichnung des Kreises K 3 ergibt; bei Einhaltung eines Sicher-
heitsgrades von 'V = 4 liefert der Kreis K 4 für die Radialpressung den Wert
Pa = 33,5 kgcm-2 • Nunmehr kann mit Hilfe von GI. (17) die Bemessung der
Mauerung durchgeführt werden. Man erhält für 'V = 3: d: ri = 0,144 und
d = 17 cm, bzw. für 'V = 4: d : ri = 0,285 und d = 43 cm.
führen. Wenn nämlich im primär elastischen Felsbereich nach dem Ausbruch pla-
stische Zonen entstehen, so sind sie auf die nähere und weitere Umgebung des
Hohlraumes beschränkt und das anschließende elastisch bleibende Gebirge stellt
eine Tragfähigkeitsreserve dar. Wenn sich hingegen das Gebirge primär im pla-
stischen Zustand befindet, dann ist keine solche Reserve vorhanden und die Mög-
lichkeit des Hohlraumbaues bleibt auf geringere überlagerungshöhen beschränkt.
Einen anschaulichen Hinweis in diesem Sinne bietet plastisches Tongebirge, das
schon bei nicht allzugroßen Tiefenlagen zu ganz außerordentlichen Schwierigkeiten
führen kann.
Um nun einen Einblick in die Ausführbarkeit von Tunnelbauten bei wachsen-
der überlagerung zu gewinnen, wird von der GI. (17) ausgegangen. Aus ihr läßt
sich die Gebirgsdruckfestigkeit berechnen; der Ausdruck dafür lautet:
(18)
Wenn man diesen Wert von a in GI. (18) für agd einsetzt, erhält man für die größte
überlagerungshöhe einen Ausdruck
hmax
1
= Yg(3 _ Aol 2 (v a~Pll [1 - (~~ -;;]. (21)
a) Theoretische Grundlagen
Bei der Ausbildung kreuzförmiger, plastischer Bereiche in der Umgebung des
Tunnelausbruches muß die Bemessung der Auskleidung auf eine andere Weise er-
folgen als bei drehsymmetrischer Form der plastischen Zone. Ausgangspunkt für
die näherungsweise Berechnung der Begrenzung der plastischen Zonen bilden die
elastischen Spannungen im Gebirge. Die Werte dafür werden aus GI. (23) des
78. Bemessung bei primär elastischem Zustand des Gebirges 183
Cl, = ~fJ [(1 - (X2) (1 + Äo) + (X2p, + (1 - 4(X2 + 3(X4) (1 - ).0) cos 2 tp]
Cl, = ~" [(1 + (X2) (1 + Äo) - .)(.11" - (1 + 3(X4) (1 - Äo) cos2tp] (23)
Abb. 98. Zur Ermittlung der plastischen Zonen bei kleiner Seitendrnckzilfer unter der Voranssetzung eines gerad-
linigen Verlaufes der MOHRsehen Grenzkurve
[
1 +.1. 0 -I" 1 - 2(X2 + 3(X4 (1 +.1.0 + :fJ
T8coteg)Sin2eg]
cos 2 2tp+2cos2tp 4(1-.1.0 ) w - 2(1-.1.0 }w -
b) Berechnungsweise
Das unausgekleidete Gebirge befindet sich im plastischen Bereich im Grenz-
zustand des Gleichgewichtes. Geringe festigkeitsmindernde Einflüsse, wie etwa die
Wirkung des Bergwassers, lösen an den Ulmen eine in der Regel unstetige, langsame
Bewegung des Gebirges gegen den Ausbruchshohlraum aus, wobei Brucherschei-
184 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
Abb. 99a-d. Plastische Bereiche in der Umgebung eines kreisrunden Tunnelausbruchquerschnittes in Abhängig·
keit von einem drehsymmetrisch wirkenden Widerstand P.
GI. (26) ermittelt, zur beginnenden Isolierung der für den Gebirgsdruck entschei.
denden plastischen Zonen führt; dadurch werden alle im abgeschnürten Bereich
verlaufenden Gleitflächen gesperrt und die verbleibenden, dem Querschnitt an-
liegenden plastischen Zonen werden infolge ihrer geringen Ausdehnung bedeu-
tungslos. In diesem Falle muß die Mauerungsdicke mit der Überlagerung zunehmen,
weil mit letzterer auch die Ausdehnung der plastischen Zonen wächst. Dieser
Unterschied gegenüber dem drehsymmetrischen Zustand gemäß Abschn. 76 ist
entscheidend.
Die Berechnungen erfolgen unter der vereinfachenden Annahme, daß keine
Massenkräfte wirken. Dies ist in Wirklichkeit nicht der Fall. Die tatsächlich auf-
tretenden Massenkräfte haben zur Folge, daß die plastischen Zonen nicht symme-
trisch zur waagrechten Mittelachse des Ausbruchsquerschnittes verlaufen. Eine
Berücksichtigung dieses Umstandes ist aber bei der Bemessung nicht nötig, weil
der bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck stets zu fordernde, ringsum gleich
gute Kontakt zwischen dem geschlossenen Mauerungsring und dem Gebirge zu
einem Kräfteausgleich führt. Beim Richtstollenvortrieb hingegen bilden sowohl
die Steher als auch die Kappen statisch bestimmt gelagerte Bauteile, bei denen ein
79. Bemessung der Hohlraumauskleidung 185
solcher Ausgleich nicht stattfindet, weshalb sich der Druck der Ulmen in der Regel
in der Weise äußert, daß der Bruch der Steher im unteren Drittel auftritt.
Die Intensität der aktiven Gebirgsbewegung wird am Ausbruchsrand also
ringsum nicht gleich sein, sondern an den Ulmen überwiegen und dort auch stärkere
Druckerscheinungen auf den zeitweiligen Ausbau bewirken. Unter den geschil-
derten Verhältnissen wird sich beim dauernden Ausbau ein Sohlengewölbe keines-
falls vermeiden lassen. Die Bemerkungen, die im vorhergehenden Abschnitt hin-
sichtlich der Profilform und der Gestaltung des Querschnittes gemacht wurden,
gelten im verstärkten Ausmaß auch für den in Erörterung stehenden Fall des
überwiegens von Ulmendruck. Wenn die Formgebung der Auskleidung einwand-
frei ist und die Ausführung ordnungsgemäß erfolgte, werden infolge der Weckung
des Gebirgswiderstandes im First und an der Sohle die Pressungen zwischen dem
Gebirge und der Auskleidung annähernd drehsymmetrisch verlaufen, und die
Drucklinie im Auskleidungsquerschnitt wird von der Kreisform wenig abweichen.
c) Beispiel
Die überlagerungshöhe betrage h = 480 m. Daraus ergibt sich bei einem
Raumgewicht des Gebirges von Yg = 2,6 tm- 3 ein Druck der lotrechten über-
lagerung von p" = 125 kgcm- 2 • Die POISsoNsche Zahl des Gebirges sei m g = 6,
woraus die Seitendruckziffer zu 10 = 0,2 folgt; sie ist also wesentlich kleiner als
die Einheit. Der Winkel des inneren Gleitwiderstandes sei im Mittel (lg = 30° und
die einachsige Druckfestigkeit des Gebirges (fga = 86 kgcm- 2 • Die plastischen
Zonen wurden mit Hilfe von GI. (26) für einen Widerstand des Ausbaues von
Pa = 0, 10, 20 und 30 kgcm-2 berechnet und aufgetragen (Abb.99). Die Ab-
schnürung der weitausgreifenden plastischen Zonen ist für Pa = 20 kgcm- 2 ver-
läßlich eingetreten. Nimmt man die Prismenfestigkeit des Auskleidungsbetons
zu (fbP = 170 kgcm -2 an, so ergibt sich unter Verwendung von GI. (17) für den
Sicherheitsgrad y = 2 ein Verhältnis der Auskleidungsdicke zum lichten Halb-
messer des Stollenquerschnittes d: ri = 0,37 und die Mauerungsdicke folgt für
ri = 200 cm zu 74 cm.
Für die als untere Grenze anzlmehmende Sicherheit von y = 1,5 folgt das
Verhältnis der Mauerungsdicke zum lichten Halbmesser des Stollen querschnittes
zu d : r, = 0,37 und d hätte 46 cm zu betragen.
a) Theoretische Grundlagen
Der in der Nähe der Erdoberfläche herrschende elastische Zustand des durch-
örterten Gebirges geht mit wachsender überlagerungshöhe in einen latent-pla-
stischen Zustand über, wobei die Grenze von den Eigenschaften des Gebirges ab-
hängig ist. Bei tonigem Gebirge liegt diese Grenze in nicht allzugroßer Tiefe unter
der Geländeoberfläche. In dem darunter liegenden Grundgebirge herrscht dann
wieder ein elastischer Zustand, der bis in große Tiefen bestehen bleibt. über die
Lage der Grenze geben die Darlegungen im Abschn. 24 Aufschluß. Mit Annähe-
rung an die Grenze des plastischen Bereiches wird ein RANKINEscher Zustand ein-
treten, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Seitendruckziffer einen bestimmten,
von der einachsigen Druckfestigkeit des Gebirges und seinem inneren Gleitwider-
stand abhängigen und aus diesen Größen errechenbaren Wert 10 besitzt.
Wenn das Gebirge vor der Durchörterung in einem latent-plastischen Zustand
war, wobei nur Gesteine von geringer Festigkeit in Betracht kommen, so sind nach
186 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
der Durchörterung überschüssige Kräfte vorhanden, die auf eine Schließung des
Hohlraumes hinarbeiten, wobei diese Tendenz am ganzen Umfang des Ausbruchs-
querschnittes besteht. Mit den Bezeichnungen der Abb. 100 lassen sich die Span-
nungen im Gebirge, die vor der Durchörterung auftraten, wie folgt ausdrücken
a ro = Yg h (cos 2 q:> + ,10 sin2 q:»
ato = Yg h (sin2 q:> + ,10 cos q:»
2 (27)
beträgt. Die Berücksichtigung der überlagerungshöhe bzw. der durch sie hervor-
gerufenen Zunahme der Spannungen im Ausbruchsbereich, also die Berücksichti-
gung der Massenkräfte ist nur dann nötig, wenn es sich um verhältnismäßig seicht-
liegende Tunnel handelt, wo, wie früher erwähnt wurde, der latent-plastische Zu-
stand nur in einem Gebirge mit geringer Druckfestigkeit, beispielsweise in einem
Tonlager, denkbar ist.
Abb. 100. Zur Berechnung der Spannungen des RANKINEschen Zustandes bei primär latenter Plastizität
HEIMSchen Auffassung. Damit kommt zum Ausdruck, daß das nach der Durch-
örterung in Durchbewegung geratene Gebirge eine Schutzhüllenbildung nicht ge-
stattet. Auch durch den Ausbau läßt sich nur erreichen, daß der Widerstand der
Auskleidung den plastischen Zustand des Gebirges latent erhält. Diese Bedingung
hat für die Bemessung der Auskleidung zu gelten. Der erzielbare Sicherheits-
grad wird aber dann die Einheit nur wenig überschreiten.
Wenn Ta den äußeren Halbmesser der im Querschnitt kreisringförmig an-
genommenen Auskleidung bezeichnet, sind an deren Außenseite folgende Be-
lastungen anzunehmen (Abb. 100)
empfehlen sein (s. Abschn.68), sofern man sich nicht durch die Annahme ,1.0 = 1
die Rechnung vereinfacht und für die Belastung der Auskleidung die Spannungen
O"ro = Yg (H - rlJ COS-1p)
TO = 0 (30)
annimmt. Aus GI. (29) und (30) geht die unmittelbare Abhängigkeit der Aus-
kleidungsdicke von der überlagerungshöhe H hervor.
SOHULTZE berichtet von Messungen, die an einem durch eine Tonschicht füh-
renden Tunnel in den Vereinigten Staaten ausgeführt wurden [127c]. Dabei
konnten Einzelheiten über die Verminderung des Gebirgsdruckes auf den nach-
giebigen, biegsamen Ausbau festgestellt werden; es ergab sich, daß die lotrechte
Belastung des Firstes gleich der waagrechten an den Ulmen war und etwa 20% des
überlagerungsdruckes betrug. Dazu wird allerdings bemerkt, daß die Beobachtun-
gen nicht lange genug dauerten und daß mit einer Vergrößerung der Belastung im
Laufe der Zeit zu rechnen wäre. Bei einem unnachgiebigen Ausbau ergab sich eine
lotrechte Firstbelastung gleich dem vollen Druck der überlagerung, während die
waagrechte Belastung der Ulmen etwa die Hälfte davon betrug, entsprechend einer
RuhedruckzifIer von ,1.0 = 0,5.
Diese Feststellungen lassen sich in einfacher Weise damit erklären, daß es sich
bei einer plastischen Verformung des Gebirges, wie sie im Ton erfolgt, um eine
Durchbewegung handelt, wobei der auf den Ausbau ausgeübte Druck von dem
Widerstand abhängig ist, der die Bewegung zu hemmen sucht. Je größer der Wider-
stand des nachgiebigen Ausbaues ist, um so größer ergibt sich der Meßwert für
den Gebirgsdruck. An einem sehr nachgiebigen und leicht verformbaren Ausbau
wird man einen Gebirgsdruck feststellen, der einen ganz geringen Wert besitzt.
Diese Erwägung gilt grundsätzlich für alle Gebirgsdruckmessungen ähnlicher
Art. Die Messungen an einem unnachgiebigen Ausbau hingegen werden den für
die Bemessung der Tunnelausmauerung maßgebenden Gebirgsdruck liefern, der
den primären Druckverhältnissen entspricht, während die an einem nachgiebigen
Ausbau erhaltenen Meßergebnisse zu einer unrichtigen Beurteilung führen, die
als Ursache mancher Schäden an Tunnel- und Stollenbauten gelten mag.
c) Praktische Auswirkung
Die GIn. (29) und (30) ermöglichen es, die Spannungen in jedem Punkt des
latent-plastischen Gebirges anzugeben. Diese Spannungen müssen als Belastung
des dauernden Ausbaues angenommen werden, womit der latent-plastische Zustand
mit einer wenn auch geringen Sicherheit erhalten bleibt. Eine weitergehende
Forderung kann nicht erhoben werden. In vielen Fällen wird es daher unmöglich
sein, die Erhaltung des latent-plastischen Zustandes mit den üblichen Sicher-
heitsgraden zu erreichen, wie das folgende Beispiel zeigt. Wenn man GI. (15) ver-
wendet, die eine Beziehung zwischen der Belastung eines kreisringförmigen Aus-
baues und der Beanspruchung desselben darstellt, so hat man den Wert abP durch
O"bd = 'jI abP zu ersetzen. Die zulässige Betondruckbeanspruchung soll mit O"bd =
= 55 kgcm- 2 angenommen werden. Die GI. (15) ergibt dann den entsprechenden
Wert des Druckes zwischen Auskleidung und Gebirge von Pa = 16,7 kgcm- 2,
bzw. die sehr geringe überlagerungshöhe von etwa 64 m. Die äußerste, praktisch
nicht mehr in Betracht kommende Grenze der Ausführbarkeit liegt bei einer un-
bewehrten Betonauskleidung vor, wenn ihre Beanspruchung am Innenrand gleich
der Prismenfestigkeit des Betons von beispielsweise abP = 170 kgcm- 2 wird.
Dann ergibt sich ein größter Druck, den die Auskleidung aufzunehmen vermag von
Pa = 51,8 kgcm- 2 , entsprechend einer überlagerungshöhe von rd. 200 m.
Wenn es sich nicht um geschlossene, waagrecht begrenzte Tonschichten han-
delt, sondern um im Fels eingeschlossene tonige Schichten, wie sie sehr oft den
188 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
Anlaß zu bedeutenden Schwierigkeiten bilden, so liegt die Aufgabe vor, die wirk-
same Überlagerungshöhe zu bestimmen. Ein einwandfreies Ergebnis ist dann durch
Gebirgsdruckmessungen zu erzielen, aber auch die geologische Untersuchung wird
wertvolle Hinweise zu erbringen vermögen.
schwellendem Gebi:r:ge früher fast immer einen Wettlauf mit der Druckentwick-
lung gebildet, der oft dramatische Formen annahm, und jeder Tunnelbauer weiß,
wie wichtig es ist, eine schwere Strecke rasch zu überwinden. Die neueren Bau-
weisen bieten die Möglichkeit dazu.
Durch die Gegenüberstellung der beiden Wege, auf denen dem Schwelldruck
begegnet werden kann, ist eine wichtige Frage des Tunnel- und Stollenbaues an-
geschnitten worden. RABCEWICZ, der dem Gebirge Expansionsmöglichkeit geben
will, beschränkt diesen Grundsatz nämlich nicht bloß auf das schwellende Ge-
birge, sondern will ihn allgemein bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck gelten
lassen, wobei er den Schwellraum allerdings nur im Bereich der Ulmen vorsieht
[108a]. Er stößt mit dieser Ansicht auf mancherlei Widerstände; ANDREAE ins-
besondere äußert sich zu dieser Frage wie folgt [3e]:
"Es ist selbstverständliche Voraussetzung, daß die Verkleidung an ihrem ganzen Umfang satt
anliegt. Für echten Gebirgsdruck ist dieser Grundsatz wohl heute allgemein anerkannt. Im
Simplon-Tunnel z. B., der aus zwei parallelen Röhren besteht, und dessen Überlagerung jene
aller bisher hergestellten Tunnel bedeutend übertrifft, wurde auf rd. 40 km (genau 39,627 km)
satt angemauert, wobei auf etwa 19 km echter Gebirgsdruck und auf einigen Strecken auch
solcher anderer Art auftrat. Beim Bau erwuchsen daraus keine Schwierigkeiten und trotz der
verhältnismäßig leichten Verkleidungsquerschnitte blieb seit der Vollendung der beiden paral-
lelen Tunnel vor rd. 30 Jahren die ganze Mauerung bis jetzt unversehrt. Dasselbe kann vom
Lötschbergtunnel gesagt werden.
Unter keinen Umständen darf bei Seitendruck ein Hohlraum hinter dem Gewölbe be-
lassen oder das Überprofil dort nur trocken versetzt werden. Bei km 8 ab Nordportal des
Simplon-Tunnels, im Valgrande-Gneis, fanden zur Zeit des Ausbaues von Tunnel II auf einer
Strecke von etwa 100 m Abbrennungen im Scheitel des Gewölbes von Tunnel I statt. Bei der
Rekonstruktion dieser Gewölbe zeigte es sich, daß dahinter ein Hohlraum war. Unter dem
Einfluß des Seitendruckes war der Scheitel hochgegangen und gebrochen. In großer Tiefe,
besonders im Gebirge, das seitlich schiebt, wie die Bilder des Lebendungneises und der Kalk-
phyllite zeigten, darf mit Sohlgewölbe nicht zu sehr gespart werden.
Ich möchte gleich hier sagen, daß in der Schweiz die Tunnelverkleidung, mit Ausnahme
der Stellen, wo Wasser abgefangen und abgeleitet werden muß, grundsätzlich satt angemauert
wird. In unseren großen Alpen- und Juradurchstichen liegen manche Strecken in mildem,
lockerem und auch treibendem Gebirge. Der 8,6 km lange Rickentunnel durchfährt in seiner
ganzen Länge Molasse und z. T. weiche Mergel. Im Jahre 1949 wurde im Stollen des Kraft-
werkes Lavay an der Rhone mit einem Querschnitt des Ausbruches von 65 m 2 feuchte.
plastische, gipshaltige und treibende Trias durchfahren_ Hier wie überall wurde mit Erfolg
satt angemauert bzw. betoniert.
Im Gegensatz dazu mußten die SBB in den Zwanzigerjahren in einer ganzen Anzahl
älterer Tunnel Rekonstruktionen durchführen, weil seinerzeit, wie es bis vor 70 oder 75 Jahren
(aber auch später) noch üblich war, das Überprofil hinter der planmäßigen Verkleidung hohl
gelassen oder nur trocken versetzt worden war. Wenn nunmehr in der neueren Literatur ge-
legentlich wieder vorgeschlagen wird, in mildem, treibendem Gebirge einen Hohlraum zu
belassen (vorgeschlagen wird 15 cm), so fehlt im schweizerischen Tunnelbau sowohl der Beweis
für die Zweckmäßigkeit als auch der Nachweis für die Notwendigkeit dieses Vorschlages."
Die Ansicht ANDREAES wird auch durch die Erfahrungen beim Bau des zweiten
Semmeringtunnels bestätigt. Hierüber wird wie folgt berichtet [109a, 109b]:
"Wenn nun in der Literatur bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck gewisse Maßnahmen
empfohlen werden, wie Zuwarten mit der endgültigen Ausmauerung oder Belassung eines
Hohlraumes zwischen Mauerwerk und Gebirge, in den das Gebirge hineinwachsen kann, so
mag dies für manche Gebirgsarten zutreffend sein; beim Semmering-Tunnel wäre es zweifellos
ein Fehlgriff gewesen."
Die durchgeführten theoretischen Untersuchungen über den. echten Gebirgs-
druck und über den Schwelldruck bestätigen die Anschauungen ANDREAEs
hinsichtlich des echten Gebirgsdruckes vorbehaltlos. Bei Auftreten von SchwelI-
druck betrachten sie die Schaffung eines Expansionsraumes für das Gebirge nur
als unvermeidbares Übel, das früher gerechtfertigt war, weil bei den älteren Bau-
weisen zwischen zeitweiligem und endgültigem Ausbau einige Zeit verging, so daß
das Schwellen des Gebirges nicht von Anfang an verhindert werden konnte.
Heute hingegen, wo man die Möglichkeit besitzt, schwellendes Gebirge sofort nach
190 VI. Bemessung bei echtem Gebirgsdruck
der Freilegung des Ausbruches in kurzer Zeit ohne wesentliche Störung und hohl-
raumlos, d.h. mit sattem Kontakt auszubauen, wird man wohl diesen Weg wählen.
Für die Formgebung und Bemessung des Ausbaues gilt das im Abschn. 79 Gesagte.
Bei der Beurteilung dieser Frage ist auch folgende überlegung wichtig. Die
Erörterungen über den sekundären Spannungszustand und insbesondere über die
Deutung des echten Gebirgsdruckes als tektonischen Vorgang lassen hinsichtlich
der Auswirkung der im Gebirge auftretenden inneren Gleitbewegungen zwei Mög-
lichkeiten zu. .
Einerseits kann die innere Gleitbewegung als Gleitbruch ohne Zuwanderung
von Gestein aus den benachbarten Gebirgsbereichen erfolgen. Dann lösen sich vom
Ausbruchsrand Gebirgsschalen ab, und die Bruchvorgänge führen zu einer Ver-
größerung des Ausbruchsquerschnittes und zu einer Berichtigung seiner Form.
Dies tritt bei mäßigem Gebirgsdruck an den Ulmen und bei den Bergschlägen auf.
Anderseits aber kann ein Materialzuschub zum Ausbruchshohlraum hin er-
folgen. Dies ist bei starkem, von allen Seiten wirkenden echten Gebirgsdruck, also
insbesondere bei primärer latenter Plastizität der Fall, aber nur möglich, wenn
gleichzeitig eine Gefügeauflockerung im plastischen Bereich, besonders in der Nähe
der Grenze zwischen ihm und dem elastischen Bereich eintritt. Solche Auflocke-
rungen sind daher mit der Schaffung von Hohlräumen im Berginneren verbunden;
sie sollen aber möglichst vermieden bleiben. Daraus läßt sich der Schluß ziehen,
daß es richtig ist, plastische Verformungen, die von einem Materialzuschub zum
Tunnel- oder Stollenhohlraum begleitet sind, sofern sie nicht schon in der Ent-
wicklung verhindert werden können, so rasch als möglich zum Stillstand zu bringen.
Der traditionelle Ausbau mit Holz vermag dies nicht; die neuen Bauweisen hin-
gegen, insbesondere die Felsankerung und die Spritzbetonverkleidung sind aber
für solche Aufgaben besonders geeignet. Der Gedanke, dem Gebirge eine Expan-
sionsmöglichkeit zu geben, erweist sich auch aus dieser Erwägung als unzweck-
mäßig.
Es bleibt noch die Frage des Schwellens tonigen Gebirges vom gleichen Ge-
sichtspunkt aus zu beurteilen. Die früheren überlegungen haben erwiesen, daß
das Schwellen des Gebirges in der Umgebung des Ausbruchshohlraumes mit einer
gleichzeitigen Konsolidierung in der weiteren Umgebung verbunden ist, aus der das
Porenwasser gegen den Tunnel oder Stollen hin strömt. Dieser Konsolidierungs-
vorgang ist mit einer Raumverminderung verbunden, die gleichfalls zur Hohl-
raum bildung führen kann. Daraus folgt, daß die Schaffung eines Expansionsraumes
zwischen Ausbau und Gebirge nicht günstig beurteilt werden darf.
ROTHPLETZ (t 1949) hat die jüngste Entwicklung des Stollen- und Tunnel-
baues nicht erlebt, aber er hat mit seiner Anschauung recht behalten, der er wie
folgt Ausdruck verliehen hat [116]:
"Die wichtigste Forderung, die man im druckhaften Gebirge an die Ausbau-
methode stellen muß, ist, daß sie nach Aufschluß des Gebirges in kürzester Frist zum
fertig gemauerten Tunnel führt." Dieser Äußerung ist nur noch hinzuzufügen, daß
die Ausmauerung des Tunnels in möglichst hohlraumfreiem Kontakt mit dem Ge-
birge stehen soll.
erscheinenden Ziffern erleichtern; ins besondere wird man die Begrenztheit mancher
Angaben erkennen und bei ihrer Anwendung die nötige Vorsicht walten lassen.
a) Die erste Zusammenstellung stammt von BIERBAUMER [10] und ist aus
einer reichen Erfahrung entstanden (Tab. 18).
Anznnehmende I
Druck-
erscheinungen Ge birgRart IBrnchkörpers
Höhe des
m i
Anmerkung
Diese sehr wertvolle übersicht beschränkt sich gleichfalls auf die Angabe der
Firstbelastung, nimmt also auf die Wirkungen des echten Gebirgsdruckes nicht
unmittelbar Rücksicht. STINI weist darauf hin, daß die Güte der Ausbruchsarbeit
berücksichtigt werden muß. Er macht überdies Angaben über den Einfluß der
Breite des Ausbruchsquerschnittes. Der obigen übersicht liegt eine Breite von
4 -5 m zugrunde. Für Lichtweiten von 2 m wären die angeführten Werte für die
Höhe des Bruchkörpers um rund 30% zu verringern und für jeden Meter über
81. Erfahrungswerte für den zu erwartenden Gebirgsdruck 193
echtem Gebirgsdruck gemacht, wenngleich die Angaben für beide Fälle gelten.
In den Werten, die TERZAGHI angibt, finden die halbe lichte Weite b und die Höhe
des Stollenausbruches h Berücksichtigung. Die übersicht gilt für Tiefen von mehr
als 1,5 (b +
h). Außerdem können in Stollen oberhalb des Grundwasserspiegels
die Werte der Gruppe 4-6 um 50% vermindert werden.
Kapitel VII
Druckstollen
Speicher
l1oscrborfen
wählte Steilstufe heranzubringen und in den steil nach abwärts führenden Lei-
tungsabschnitt, in dem der größte Teil der Fallhöhe des Werkes überwunden
wird; an diesen schließt sich gewöhnlich ein unterer flacher Abschnitt an (Abb. 101).
Der wenig geneigte obere Abschnitt der Triebwasserleitung wird je nach der Art
der Wasserfassung entweder als Freispiegelstollen oder als Druckstollen aus-
gebildet. Im ersteren Fall ist der Stollen drucklos, im letzteren steigt der größte
Druck von der Wasserfassung gegen das Wasserschloß hin nur langsam an. Der
Steilteil der Triebwasserleitung kommt hingegen unter rasch anwachsenden und
beträchtliche Ausmaße erreichenden Druck, der die Anwendung von Stahlrohren
erforderlich macht. Eine Druckrohrleitung, die entweder aus einem oder aus
83. Querschnittsform und Auskleidungsart von Druckstollen 195
mehreren Strängen bestehen kann, hat diesen Druck zur Gänze in Form von Ring-
zugspannungen aufzunehmen. Beim Druckschacht hingegen soll ein wesentlicher
Teil des betrieblichen Wasserdruckes auf das Gebirge übertragen werden und nur
ein geringer Teil davon die Blechpanzerung beanspruchen.
Die Aufgabe des Druckstollen- und Druckschachtbaues besteht darin, ein
geschlossenes, untertägiges Gerinne, das unter hydrodynamischen Innendruck
gerät, wasserdicht auszubilden. Beim Druckstollen fällt die Dichtungsaufgabe
entweder der Betonauskleidung, dem Gebirge oder beiden zu; beim gepanzerten
Druckschacht hat die Blechauskleidung allein für die Wasserdichtheit zu sorgen.
Nachdem die Auskleidung eines Druckstollens oder eines Druckschachtes
einen Teil des betrieblichen Wasserdruckes auf das Gebirge überträgt, kommt der
Kenntnis der mechanischen Eigenschaften des Gebirges größte Bedeutung zu.
Daraus kann man aber auch ersehen, welche Unsicherheit dann besteht, wenn
diese Eigenschaften wenig bekannt sind und die dafür maßgebenden Werte nur
geschätzt werden.
Aus dem Umstand, daß das Gebirge zur statischen Mitwirkung herangezogen
wird, folgt, sowohl für den Druckstollen als auch für den Druckschacht geltend,
daß zwischen den Auskleidungsschichten untereinander und dem Gebirge ein
einwandfreier Kontakt bestehen muß und daß vom Gebirge Eigenschaften zu
verlangen sind, die seine elastische Mitwirkung dauernd gewährleisten.
Der Unterschied zwischen Druckstollen und Druckschacht besteht nach diesen
Darlegungen in folgenden charakteristischen Merkmalen.
a) Während die Druckstollen nur geringes Gefälle aufweisen, sind die Druck-
schächte steil geneigt und manchmal auch lotrecht angeordnet.
b) Druckstollen sind einem verhältnismäßig geringen Innendruck ausgesetzt,
der in der Regel 15 atü nicht wesentlich überschreitet; Druckschächte hingegen
erfahren einen beträchtlichen Innendruck, wobei das größte bisher erreichte Aus-
maß 120 atü beträgt. Dieser Innendruck wurde beim Lünerseewerk der Vorarl-
berger Illwerke A. G. erreicht [19].
Die angeführten, kennzeichnenden Merkmale bedingen wesentliche Unter-
schiede in der Ausführungsart und in der statischen Beurteilung, weshalb eine
getrennte Behandlung von Druckstollen und Druckschächten angezeigt ist.
13*
196 VII. Druckstollen
Abb. 102. Regelquerschnitte des Druckstollens des Salzachkraftwerkes Schwarzach der Tauernkraftwerke A. G.
[126]
Mittel nur etwa 3 cm. Bei der Leistungsfähigkeit der modernen Betonspritzgeräte
(s. Abschn. 113) besteht die Möglichkeit, Betonschichten von beliebiger Stärke
aufzutragen und damit eine ohne Schalung hergestellte Auskleidung zu schaffen,
deren Oberfläche profilgerecht ab-
gezogen werden kann. Die Glatt-
heit eines mit Stahlschalung her-
gestellten Betons wird man aber
auf diesem Wege nicht erreichen,
es wäre denn, daß man einen Ze-
mentglattstrich anordnet.
c ) Wenn das Gebirge bei allen
vorkommenden Belastungsverhält-
nissen elastisch mitwirkt, und wenn
es ferner kluftarm und wenig durch-
lässig ist, reicht in einem Druck-
stollen eine sorgfältig hergestellte
Betonauskleidung von mäßiger
Dicke aus. Dabei müssen aber die
Hohlräume, die zwischen Beton
und Gebirge im Firstbereich immer
auftreten, durch Kontaktinjektio-
Ahb. 103. Bergschlag in einem Druckstollen, der mit einer nen und das Gebirge durch Tie-
wrhältnismäßig dünnen Spritzbetonauskleidung gesichert war
feninjektionen gedichtet werden.
Als Beispiel wird der Druckstollen
des Achsenseekraftwerkes der Tiroler Wasserkraftwerke A. G. gewählt, der im
Jahre 1927 in Betrieb gegangen ist. Dieser Druckstollen hat eine mehr als 30jäh-
rige Bewährungszeit hinter sich. Er wurde erst nach 25jähriger ununterbrochener
Betriebsdauer, ohne zwischendurch auch nur ein einziges Mal entleert worden 7,U
83. Querschnittsform und Auskleidungsart von Druckstollen 197
sein, erstmalig begangen. Dabei zeigte sich, daß er keinerlei Mängel aufwies. Die
Betonauskleidung befand sich in einem ausgezeichneten risse- und schadens-
freien Zustand [114]. Erhaltungs- oder Ausbesserungsarbeiten waren nicht er-
forderlich.
Die obige Bemerkung, daß eine Auskleidung von mäßiger Dicke genügt, gilt
nur für standfesten Fels. Sollte gebrecher Fels oder gar kohäsionsloses oder
bindiges Lockergebirge vorliegen, dann gelten die in Abschn. 116 und 117 dar-
gelegten Gesichtspunkte.
Für die Auskleidungsart ist überdies auch der Bergwasserdruck entscheidend,
wofür als Beispiel der Druckstollen des Kraftwerkes Schwarzach angeführt wird
[701]. Dort ereignete sich im Westabschnitt des Bauloses Lend am 20.9. 1954,
Ahb. 104. Thermalwassereinbruch vou 600-700 l/sek im Druckstollen des Salzachkraftwerkes Schwarzach der
Tauernkraftwerke A. G. [70 I]
atü atü
J. +--
-
1'0 ~
1.'0
Abb. 106. Anstieg des Bergwasserdruckes in der Thermalwasserzone des Triebwasserstollens des Salzachkraft·
werkes Schwarzach der Tauernkraftwerke. Die Druckanstiege bei 1230 mund 2080 m verlaufen parallel, obwohl
zwischen den Meßstellen eine Phyllitzone liegt [70/1
Wenn das Gebirge gebrech ist oder zu Nachbrüchen neigt, dann ist ein zeit-
weiliger Ausbau notwendig. Früher pflegte man einen solchen in der traditionellen
Weise durch Verzimmerung herzustellen. Dann war man genötigt einen äußeren
Tragring einzubauen, der die Aufgabe hatte die Auflockerungslast aufzunehmen.
Bei Auftreten von echtem Gebirgsdruck war der gleiche Vorgang gegeben. Unter
dem Schutz des Tragringes wurde dann der eigentliche Auskleidungsring ein-
gezogen, der in der Regel aus Stahlbeton oder aus einer bewehrten Torkretschicht
bestand. Den Kontakt- und Tiefeninjektionen kam bei der gegebenen Beschaffen-
heit des Gebirges besondere Bedeutung zu. Bei dieser älteren Art der Auskleidung
war es oft unvermeidlich, daß Holzteile zwischen Beton und Gebirge belassen
84. Theorie des Druckstollens mit einfacher Betonauskleidung 199
atg = - cx. 2 Pa (1 )
Tg = O.
200 VII. Druckstollen
wobei
(4)
(5)
(7)
Die Verschiebung des äußeren Randes der Betonauskleidung Uba, wofür r = r a
gilt, ergibt sich zu
(8)
Hierbei ist zu beachten, daß einer Verkürzung des Halbmessers r a ein positives,
einer Verlängerung hingegen ein negatives Vorzeichen zukommt, weil bei den bis-
herigen Ableitungen Druckspannungen als positiv, Zugspannungen hingegen als
negativ angenommen wurden.
Nunmehr benötigt man noch die Verschiebung des Ausbruchsrandes des
Gebirges unter der Wirkung der Kontaktspannung Pa' Sie läßt sich aus GI. (7)
herleiten, wenn man dort r = ri und a = ra:ri = 00 setzt. Bezeichnet E g den
Elastizitätsmodul des Gebirges und m g seine POISsoNsche Zahl, dann folgt die
Verschiebung zu
Ugi =
mg
--~E
1 + raPa' (9)
mg g
84. Theorie des Druckstollens mit einfacher Betonauskleidung 201
Es gibt eine Reihe von Umständen, die auf eine Herabminderung der Ent-
lastung der Betonauskleidung durch das Gebirge hinwirken. Sie sind bei einem
Druckstollen wegen der geringen Beanspruchung des Gebirges nicht sosehr ins
Gewicht fallend wie bei einem Druckschacht und werden daher bei Behandlung
des letzteren in allen Einzelheiten näher untersucht (s. Abschn. 98 u. 99). Bei
der statischen Beurteilung einer Druckstollenauskleidung sind hauptsächlich die
plastische Verformbarkeit und das Kriechen des Gebirges von Bedeutung, wäh-
rend allen anderen Einflüssen nur eine untergeordnete Rolle zukommt.
Anhaltspunkte für die plastische Verformbarkeit des Gebirges liefert der in
Abschn.8 beschriebene Druckplattenversuch. Die plastische Verschiebung des
Ausbruchsrandes des Gebirges wächst mit zunehmendem Druck Pa und ihr Ver-
lauf ist in guter Annäherung linear, wie viele von Druckplattenversuchen vor-
liegende Diagramme beweisen. Die plastische Verformung des Gebirges wird
sich bei einem Druckstollen in ihrem größten Ausmaß nach der ersten Voll-
belastung einstellen und während des weiteren Betriebes des Druckstollens einen
Zuwachs durch das Kriechen des Gebirges erfahren. Für die Berechnung des
Druckstollens ist die gesamte bleibende Verformung des Gebirges bei Höchst-
belastung maßgebend. Sie wird sich bei den im weiteren Verlauf des Betriebes
eintretenden Entlastungen bei Entleerung des Stollens als Hohlraumspalt zwischen
Betonauskleidung und Gebirge einstellen. Die Weite dieses Spaltes kann zur
elastischen Verschiebung des Ausbruchsrandes Ugi ins Verhältnis gesetzt werden,
wobei die Verhältniszahl mit ß bezeichnet werden möge. Sie kann für den rech-
nungsmäßig zu erwartenden größten Druck aus dem Diagramm des Druck-
plattenversuches entnommen und muß durch Hinzufügung eines Kriechanteiles
erweitert werden.
Für die Verschiebung des Ausbruchsrandes folgt somit
,_
Ugi - -
(mg + 1 raPa + LJgi
--E- A ) _
- -
(1 mg+ 1 raPa '
+ ß) --E- (10)
mg g mg g
Die beiden Verschiebungen Uba und U;i müssen einander gleich sein. Aus der
Bedingung
(11)
folgt dann der Ausdruck für die Kontaktpressung Pa; er lautet
2Pi
(12)
(13)
~
PI '!::&:M*-1"'&-j.lv;;7Y-,, ~i;ffii~s~~1~
Befonierong Schufuflgstronsporfwogen - - zsi; äiionpumpen ~
fenster zur Betoneinbrinounn leistung je 8m 3 FB/Std.
Sl(0'
g.
[Jl
~
.::
i'<'
'"
ro
[
ro
S;
1--1 z~ J~ q~ S
~~ Schnitt 1-1 Schnlll c-e Schnitl3-3 SchnlttH ;;:
(!>
S'
p;>
g.
(!>
..,
~
[.::
~
5.:
.::
&
Abb. 108. Einrichtungsplan für die längsfugenlose Betonierung eines Druckstollens (aus dem Archiv der Banunternehmung Innerebner & Mayer, wobei die Entwürfe der Stahl-
schalung von der Compagnie Francaise Blaw-Knox, Paris, stammen)
~
o
w
204 VII. Druckstollen
He
HZ
~
Oz 6'3
J.Takt
Hz
~
6e 63
9. Takt
H1 Si Ss
5. Takt
H1 SJ
Abb. 109. Schematischer Betriebsplan filr die längsfugenlose Betonierung eines Druckstollens (aus dem Archiv
der Bauunternehmung Innerebner & Mayer, wobei die Entwürfe der Stahlschalung von der Compagnie Francaise
Blaw·Knox, Paris, stammen)
gelöst hat, klappt ihn zusammen und fährt mit der vollständigen Schalung durch
die beiden eingeschalten Ringe, zunächst so weit, bis er die Sohlenschalung in
die richtige Lage bringen kann. Dann erfolgt der Anschluß des Hilfsstoßes und
wenn dies geschehen ist, kann der Transportwagen so weit vorfahren, daß ihm
das Versetzen der Widerlager- und Gewölbebeschalung möglich ist. Alle Scha-
lungsteile, insbesondere das vorauseilende Sohlenelement werden durch konische
Schrauben auf das Gebirge abgestützt und damit in ihrer Lage fixiert.
E
n-~
g - E (15)
b
1 1
1 '" (ne -
+ 100 1)
Aus den Verformungen lassen sich in der grundsätzlich gleichen Weise, wie
früher dargelegt wurde (Abschn. 84), für die statisch nicht bestimmbaren Kontakt-
pressungen Pla und P2a die folgenden Gleichungen aufstellen
Wenn man die Querdehnungen für alle Auskleidungsschichten wegen ihres ge-
ringen Einflusses vernachlässigt, also mi = mb = m g = 00 setzt, so lassen sich
die beiden GI. (16) wie folgt vereinfachen:
Aus den Beziehungen für das dickwandige Rohr (Absehn. 30) erhält man schließ-
lich die Werte der größten Zugspannungen am Innenrand der jeweiligen Aus·
kleidungsschicht zu
Als Beispiel wird der Druckstollen des Kraftwerkes Soverzene an der Piave
gewählt, der einen lichten Halbmesser von rli = 1,30 m besitzt und einem
größten betrieblichen Druck von Pli = 30 kgcm- 2 ausgesetzt ist, wobei sich,
entsprechend den Dicken der Aus·
kleidungsschichten
Stahlbeton
(I = 7,04 und (2 = 4,30
t ~
wehrungsanteile p zu berücksichtigen.
iJ wofür die Grenzwerte p = 0 und
'\~ ,$'
~
p = 5,5% gewählt wurden.
Aus dem Diagramm Abb. 110 b
kann man zunächst feststellen, daß
die Wirksamkeit der Bewehrung gering
o {},5 M ist. Der Einfluß der Gebirgseigen.
b schaften, die durch den Elastizitäts·
Abb. 110a u. b. Einfluß einer stahlbewehrten Innen. modul E g zum Ausdruck kommen, ist
"chale einer Druckstollenauskleidung auf die Mit· jedoch bedeutend. Selbst dann, wenn
wirkung des Gebirges [100b] der Elastizitätsmodul des Gebirges
jenen des Betons erreicht bzw. wenn
es durch Injektionen gelingt, derart günstige Gebirgsverhältnisse zu erzielen,
nimmt die Tangentialzugspannung am Innenrand der Stahlbetonschale Werte
an, die dem Innendruck Pli etwa gleichkommen, bzw. ihn bei kräftiger Bewehrung
nur wenig unterschreiten. Nachdem man für die Betonzugfestigkeit 15 -20 kgcm- 2
annehmen kann, muß in der Stahlbetonschale bei einem Innendruck von
Pli = 15-20 kgcm- 2 RIßbildung auftreten. Der Wert der bewehrten Innenschale
ist also nicht sehr groß; die Bewehrung bewirkt nur eine Zerstreuung der Riß·
bildung und verhindert dadurch das Auftreten einzelner weit geöffneter Risse.
86. Spannbeton im Druckstollenbau 207
folgendermaßen ausgeführt. Auf der Innenschalung der Rohre wird ein Drahtnetz
angebracht und mit einem Leinengewebe überzogen, welches dem Beton anliegt.
In der Schalung selbst sind Löcher und Sammelkanäle angebracht, welch letztere
durch Rohre mit einer Luftpumpe verbunden sind. Mit ihrer Hilfe kann an der
Betonoberfläche ein Unterdruck erzeugt werden. Die Folge davon ist, daß durch
das Leinengewebe dem Frischbeton Luft und Wasser entzogen werden, während
der Zement zurückgehalten wird. Die Dauer der Behandlung beträgt 15-30 Mi-
nuten je nach der Dicke des Rohres und der Art der Kornzusammensetzung des
Betons. DerWassergehalt des Betons kann durch die Vacuumbehandlung so weit
vermindert werden, daß er einem Wasserzementwert von W:Z = 0,37 entspricht.
Die Ausschalung kann kurze Zeit nach der Behandlung erfolgen. Der Frischbeton
liegt dem Gewebe an; seine Oberfläche
ist daher, wenn man die Vacuumbe-
handlung an der Innenfläche durch-
führt, verhältnismäßig rauh. Wenn eine
besondere Glattheit erforderlich ist,
muß sie durch einen Glattstrich herbei-
geführt werden. Dies stellt einen Nach-
teil des Verfahrens dar, der aber dadurch
vermieden werden kann, daß man die
Absaugung des Wassers an der äußeren
Mantelfläche des Rohres durchführt.
In einzelnen Fällen hat man für
kurze Druckstollenabschnitte, etwa für
die Unterkammern von Wasserschlös-
sern bei Hochdruckwasserkraftwerken,
die Vorspannung mit Einzelspannglie-
dern zur Anwendung gebracht, in ähn-
Abb. 111. Spannbetonbewehrung eines Druckstollens licher Weise wie sie bei der Herstel-
[72j] lung von vorgespannten kreisrunden
Behältern zur Ausführung gekommen
ist [84]. Die Einzelspannglieder umfassen dabei jeweils einen Sektor des Aus-
kleidungsringes und die Enden übergreifen sich an einer Nische oder Lisene, in
der die Anker angeordnet werden (Abb. 111). Dieses Verfahren ist aber sehr
umständlich und kostspielig, denn man braucht viele Anker, und der Zeit-
aufwand für das Spannen ist groß. -qberdies ist zu bemerken, daß man keine dreh-
symmetrische Vorspannung erzielt, weil diese durch Reibungswiderstände
herabgemindert wird, wobei das Ausmaß dieser Herabminderung schwer er-
faßbar ist [84].
b) Die Vorspannung einer Druckstollenauskleidung mit Abstützung auf das
Gebirge entspricht dem Druckstollenprinzip. Als Beispiel dafür ist in erster
Linie das Verfahren der Kernringauskleidung zu nennen, bei welchem die Vor-
spannkräfte in hydrostatischer Form ausgeübt werden, wie dies bei der Kernring-
bauweise nach dem KrESERschen Verfahren der Fall ist (Abb. 112). Dieses ist
unter dcn Bauweisen, die das Gebirge zur Abstützung der Vorspannung heran-
ziehen, am weitesten entwickelt worden und mehrfach zur Anwendung gekommen.
Nach diesem Verfahren wird der Druckstollen zuerst mit einem Betonrmg aus-
gekleidet. Anschließend daran erfolgt die Mauerung des Kernringes mit Beton-
formsteinen, die kleine Rundhöcker besitzen, wodurch ein 3 cm weiter Ringspalt
geschaffen wird. In Abb. 113 sind die Formsteine und die Mauerung des Kern-
ringes zu sehen. Nach beendeter Mauerung erfolgt zonenweise die Auffüllung
des Spaltraumes mit Zementmörtel und unmittelbar anschließend daran die Vor-
spannung unter Anwendung von Einpreßpumpen. Abb. 114 zeigt den Druck-
stollen während der Durchführung der Einpressung. Die Vorspannung erfolgt daher
86. Spannbeton im Druckstollenbau 209
drehsymmetrisch ; sie wirkt in radialer Richtung auf den Kernring und die Über-
tragung der Vorspannkräfte geschieht in statisch klarer Weise.
Bei einer anderen, bisher nur selten angewendeten Bauweise wird die Vor-
spannung durch einige radial angeordnete, am Umfang des Stollens verteilte Band-
0.0e5 0,030
Abb. 113. Kernringmauerung nach dem Vorspann· Abb. 114. Durcbführung der Einpressungen nach dem
verfahren System KIESER [7Zfj Vorspannverfahren System KIESER [7ZtJ
daß der durch die Bandpressen ausgeübte Druck keinesfalls zu einer drehsym-
metrischen Vorspannung führt und daß in den Bereichen zwischen den Spaull-
stellen mit erheblicher Ausmittigkeit der Vorspannkräfte gerechnet werden muß,
wobei über das Ausmaß der Biegewirkung kaum etwas ausgesagt werden kann.
14 Kastner, Statik
210 VII. Druckstollen
Abb.116. Vollausbruch eines Druckstollens in standfestem Kalk. Man beachte die sägezahnartigen IIIehrausbrüche,
die sich wegen der notwendigen Schräglage der Kranzschüsse ergeben
14*
212 VII. Druckstollen
kann. In den Äußerungen darüber wird aber das Verhalten der Vorspannkräfte
nur in allgemeinen Hinweisen angedeutet, die teils günstig lauten, teils zur Vor-
sicht mahnen.
RüseH macht darauf aufmerksam, daß bei der Ausübung der Vorspannkräfte
vom Fels unter der Wirkung des Kriechens ein viel größerer Teil der Spannkräfte
verloren geht als bei der Vorspannung durch Zugglieder [118a].
KrESER weist auf die Zweifel hin, die hinsichtlich des Bestandes der Vor-
spannung geltend gemacht werden und bezeichnet sie als irrig. Seiner Auffassung
nach erzeugt der aktive Spannungsdruck eine elastische Reaktion der Gebirgs-
hülle, die letzten Endes auf ihrem Eigengewicht beruht und von diesem auf-
recht erhalten wird. Nachdem aber das Eigengewicht vom Zeitablauf unabhängig
ist, kann nach Ansicht KIESERS aus dieser Ursache keine nennenswerte Ent-
spannung entstehen [72e].
LEONHARDT führt an, daß eine starke Federwirkung zwischen Felswiderlagern
fraglich ist, weil sie durch die bleibende Verkürzung des Gebirges fast oder zur
Gänze ausgeschaltet wird [84].
HETzEL äußert Bedenken in der Hinsicht, ob in Gebirgsarten geringer Elastizi-
tät, für die hauptsächlich besondere Verfahren erforderlich sind, die Vorspannung
erhalten bleibt [54b].
Es ist also angezeigt diese Frage zu prüfen und jenen Einflüssen, die auf eine
Herabminderung der Vorspannung hinwirken, Aufmerksamkeit zu widmen;
dies soll in den nachfolgenden Ausführungen geschehen.
wirkung beraubt ist, ergeben sich die Spannungen in den einzelnen Auskleidungs-
schichten wie folgt:
im Kernring
a~ - <x~
alT = Po al- 1
(22)
ai + <xi
all = Po a~ _ 1 '
im Auskleidungsring
(23)
und im Gebirge
(24)
Ul a = -m
1
mb -
b
1
b
2
E a~1 (PI a l -Pli) rl a
1-
+-m
+ 1 1
m/J
E a~1 (Pla -
/J /J 1-
Pli) rl a , (25)
a2
Wenn Pla = P2i bekannt ist, lassen sich die Spannungen in den einzelnen Schich-
ten berechnen. Sie betragen
im Kernring
a1 - <xi <x1 - 1
aIr = Pla ai _ 1 + Pm ä1 - 1
(29)
a~ + <x~ a:~ + 1
alt = Pla ai _ 1 - pm ai - l'
87. Vorspannung der Betonauskleidung mit Abstützung auf das Gebirge 215
im. Auskleidungsring
0'2' = 0 (30)
und im Gebirge
_ 2 1
O'ar - Ws -
a z Pl0
(31 )
wobei 0'31 die tangentiale Vorspannung wegen des Eindringens des Injektions-
gutes in die Gesteinsklüfte hinzuzufügen ist. Hierzu kommen schließlich die im
r1
"i'1 70 (ft
ot
11 I ~'IO-
0;.
1 \
lot <=
~
Po -6,0 kg/cmZ
Pru-5,O kg/cm 3
\
\ \' 30
\
I '\
-
70 GO
-
50 '10
0"[kg/cm 3], /Jruck
Kernring
Einpreßspa/f
Verk/eidungsring
Abb. 118. Spannuugsbild in der Auskleidung und Umgebung eines kreisquerschnittigen Druckstollens, der nach
dem Kernrlngverfahren vorgespannt wurde
<1SI = ~" [(1 + (X2) (1 + Äo) - (1 + 3(X4) (1 - Äo) cos 2tp] (32)
Bei diesem Stollen wurden vor kurzer Zeit Dauermessungen ausgeführt, wie sie
bisher in ähnlichem Umfang noch nicht vorliegen und über die später berichtet
werden wird (Absehn. 91). Die elastischen Eigenschaften ergaben sich auf Grund
von Messungen wie folgt: Der Elastizitätsmodul des Betons ~eträgt E b =
= 375000 kgcm- 2 und seine PorssoNsche Zahl mb = 6, der Elastizitätsmodul des
Gebirges ist E g = 45000 kgcm- 2 und seine PorssoNsche Zahl m g = 4. Die Quer-
schnittsabmessungen betragen rli = 4,175 m, r1a = 4,575 m, r2i = 4,605 m und
r2a = 5,105 m.
Der Vorspanndruck wird mit Po = 6 kgcm- 2 und der Betriebsdruck mit Pw =
= 5 kgcm- 2 in Rechnung gestellt.
Die überlagerungshöhe des Stollens beträgt h = 30 m und das Raumgewicht
des Gebirges Yg = 2,6 tm-So Die Seitendruckziffer ist ).0 = 0,333.
Die Rechnungsergebnisse sind aus der Abb. 118 zu entnehmen.
Die Vorspannung mit Po = 6 kgcm- 2 führt am Ausbruchsrand zu einer
Radialdruckspannung von 5,42 kgcm- 2 • Sie wird durch den Betriebsdruck von
Pw = 5 kgcm- 2 auf 7,52 kgcm- 2 gesteigert. Diese Spannung ist für das anstehende
Gebirge mit dem festgestellten niedrigen Wert des Elastizitätsmoduls beträchtlich,
um so mehr als die nahezu lotrecht einfallenden Schichten oligozäner Molasse, be-
stehend aus Mergel, Steinmergel und Sandstein (Abb. 123), nur ganz geringe Zug-
festigkeit aufweisen.
Gelmasse des Zementes zurückzuführen ist. Trotzdem ist es möglich, den zeitlichen
Ablauf des Schwindens in der gleichen Form anzunehmen wie den des Kriechens.
y) Das Kriechen des Gebirges. Auch beim Gebirge treten unter der Einwirkung
dauernder Belastungen, selbst dann, wenn sie unter der Elastizitätsgrenze liegen,
bleibende Formänderungen ein. Das Gebirge sucht sich dem Zwang der unter der
Elastizitätsgrenze liegenden Belastung durch eine langsame plastische Verformung
zu entziehen, und zur elastischen Formänderung tritt im Laufe der Zeit eine pla-
stische hinzu, die immer durch eine innere Gleitbewegung hervorgerufen wird. Die
Möglichkeiten dazu sind zu einem wesentlichen Teil durch die in den Gittern der
Gesteinsmineralien vorgezeichneten Gleitflächen gegeben. Vielleicht kommen auch
Stoffverlagerungen nach dem RIEcKEschen Prinzip in Frage. Bei diesem handelt
es sich um Stoffwanderungen in der Form, daß das Bergwasser an hochbeanspruch-
ten Stellen des Gebirges eine starke Lösungstendenz aufweist, wobei Spannungs-
spitzen abgebaut werden.
Das Kriechen des Gebirges ist mit Sicherheit nachgewiesen, aber noch kaum er-
forscht. Ros hat an Bohrkernen von Kalkglimmerschiefer Kriechversuche aus-
geführt, wobei sich gezeigt hat, daß das Verhalten jenem des Betons ganz ähnlich
ist. Auch bei den im Druckstollen des Lechkraftwerkes Roßhaupten durchgeführten
Dauermessungen geht aus der Abnahme des gemessenen Felswiderstandes ein-
deutig hervor, daß im Gebirge Kriecherscheinungen auftreten [40] (s. Abschn. 91).
Schließlich wird dies auch durch die Dauerversuche mit dem Druckplattengerät
im anstehenden Phyllit bestätigt (s. Abschn. 7b). Wenn also auch angenommen
werden kann, daß sich das Kriechen des Gebirges im zeitlichen Ablauf ähnlich ge-
staltet wie beim Beton, so besteht doch über die Endkriechzahl wenig Klarheit.
Ihr Wert wird von den Gebirgseigenschaften abhängig sein, in weiten Grenzen
schwanken und daher für den Einzelfall kaum mit einer auch nur annähernden Be-
stimmtheit angegeben werden können. Dieser Schwierigkeit kann dadurch be-
gegnet werden, daß man zunächst verschiedene Annahmen trifft und deren Aus-
wirkung untersucht. Man kann also in ähnlicher Weise vorgehen wie bei elasto-
statischen Untersuchungen, die das Gebirge betreffen, wo man früher Annahmen
über die Größe des Elastizitätsmoduls machen mußte, die dann eine eingrenzende
Beurteilung des gegebenen Sonderfalles ermöglichten. Ein solches Verfahren stellt
naturgemäß nur eine Notlösung der jeweils gestellten Aufgabe dar, denn für derart
schwerwiegende Probleme, wie sie bei der Planung eines Druckstollens oder Druck-
schachtes vorliegen, sollte keine Untersuchung unterlassen werden, die es gestattet,
einen Einblick in die mechanischen Eigenschaften des Gebirges zu gewinnen.
Keinesfalls darf, wie dies früher oft geschah, die elastostatische Untersuchung beim
Gebirge deshalb haltmachen, weil man seine Eigenschaften nicht kennt und die
Einrichtungen zu ihrer Ermittlung nicht zur Verfügung stehen.
Die Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens zwingt dazu, den Zeit-
begriff in die statische Untersuchung einzuführen. Damit gewinnt der zeitliche
Ablauf des Geschehens, nämlich die Aufeinanderfolge von Herstellung des Druck-
stollens und Belastung durch die Vorspannung und den Betriebsdruck, Einfluß
auf die Güte des Bauwerkes, vor allen Dingen auf die RIßsicherheit und die Wasser-
dichtheit. Andererseits können, sofern es die Baudurchführung gestattet, durch
entsprechende zeitliche Disposition Vorteile gewonnen und ungünstige Einflüsse
verringert oder ausgeschaltet werden. In Verfolgung dieses Gedankens werden zwei
Belastungsfälle untersucht, die als Grenzfälle bezeichnet werden können, Der
erste betrifft eine derartige zeitliche Disposition, daß die Vorspannung bald nach
der Stollenherstellung erfolgt, während die Betriebsaufnahme erst viel später mög-
lich ist. Der zweite befaßt sich mit jener Baudurchführung, bei der die VOI'Span-
nung lange Zeit nach der Herstellung des Kernringes durchgeführt wird, während
die Betriebsaufnahme der Vorspannung bald nachfolgt.
218 VII. Druckstollen
(35)
Das Schwindmaß des Betons S8 wird auf den Kriechverlauf bzw. auf die Endkriech-
zahl f/Joo bezogen, wonach sich eine nach innen gerichtete radiale Verschiebung von
der Größe
(36)
ergibt. Bei der Verschiebung des Kernringes nach innen, d. h. bei seiner Verkür-
zung, erfolgt eine elastische Erholung des Betons im Zeitintervall dt von der
Größe
1
Ul e = E b r 1 d(O"lto - O"lt). (37)
Für das Kriechen des Gebirges wird im Sinne der früheren Darlegungen
angenommen, daß die Verschiebung des Ausbruchrandes bzw. des Randes der
89. Abnahme der bald erfolgenden Vorspannung bei später Betriebsaufnahme 219
u ge = mll
mg
+E 1 d1 d (altO
g
- alt). (39)
In d~n obigen Ansätzen sind alle elastischen Verformungen von d(a1to - alt) ab-
hängig, die Kriech- und Schwindverformungen hingegen von (altO - alt), der
Abnahme der Kernringspannungen. Aus der Bedingung, daß die Verschiebung des
Gebirgsrandes im Zeitintervall dt gleich der Verkürzung des Halbmessers des Kern-
ringes sein muß, ergibt sich folgende Gleichung
(40)
die von den Abmessungen des Kernringes und von den elastischen Eigenschaften
des Betons und des Gebirges abhängig ist, und nach entsprechender Umformung
erhält man die den Vorgang beschreibende Differentialgleichung
dO lt df{!
e = Q-n; (42)
Olt + f{!oo
~ E b + Q(OltO - Oj ,) u
t = 0, rp = 0, al t = al 10 (44)
zu
(45)
Wenn man diesen Wert in die GI. (43) einsetzt, erhält man für die tangentiale
Kernringspannung nach Beendigung des Kriechvorganges und des Schwindens
den Ausdruck
l-><Q ]
1 'Poo 1 + Q
(alth =
[
1 _ uQ (alto + f{!oo E b) e
Ss -
-
Ss
f{!oo Eb - altO uQ , (46)
so folgt Q = 0 und aus GI. (46) ergibt sich die tangentiale Kernringspannung nach
Beendigung des Kriechens des Betons zu
(O'lth = O'ltO e-'Poo • (47)
Für das vollständige Verschwinden der Vorspannung gilt
(O'lth = o. (48)
Nachdem e-'Poo wesentlich positiv ist, folgt, daß durch das Kriechen des Betons
allein die Vorspannung nicht zur Gänze abgebaut werden kann.
Wenn man anderseits das Gebirge als elastisch nachgiebig annimmt, aber vor-
aussetzt, daß im Gebirge keine Kriecherscheinungen auftreten, wofür 0 gilt, ,,=
dann folgt, wenn gleichzeitig es = 0 angenommen wird, die tangentiale Kernring-
spannung zu
'P oo
U3i = -
mg 1
m E-
+ r3i Pla' (51)
g g
(53)
Mit Hilfe der Größe Pla läßt sich die Gleichung für die Beanspruchung des Kern-
ringes (GlI)n aufstellen. Sie lautet
(55)
(56)
---- ---
~~.Q.--
--1 ____ werden die Verhältnisse noch ungün-
stiger. Wenn auch die auftretenden
--- ---r
ot~.1
- (O"tt)/
Zugspannungen die Zugfestigkeit des
/~I§: ~~z ___ Betons zum Teil nicht überschreiten,
.J._- _--f---- I. so ist damit im allgemeinen nichts ge-
----
~
-
(1716)1 + {o;t)1I gem. 8i (q8) IJ. (55) wonnen, weil eine fugenlose Herstellung
~ ftir ,1tO-oO I
des Kernringes kostspielig ist und der
F::r--
10
"- I
~ 0
Aufwand dafür, wenn man schon den
o ~ 0 ..........
~-1
Kernring vorspannt, nicht gerechtfertigt
sein dürfte. Nur bei lotrechten Schäch-
~~7L ;--t!l~z
--- -
" ~~ ten, etwa bei Steigschächten von Was-
7!1::. -
-10
flir Llt~
ß ~ !----- serschlössern, ist die Ausführung des
§' Kernringes ohne Längsfuge einfach mög-
c:: -ZO
~
"- , ;e=1
1ich. Im Druckstollenbau, wo dies oft
~ I~ IJ. ~ ..................... ;e-Z
!;5,
~ -30 "711, / --'7ö-
4co~~
nicht der Fall ist, sollte jedoch die Vor-
spannung so weit erhalten bleiben, daß
----
11.
~ riir LltO 10° '~i.' f!{o= s~ die Bedingung voller Vorspannung er-
-----
=
(~t'-u
-'I/) ' -
mZ
--- ~.l __
altO = Po ~. - 1 + Q Pw
r, 1 [ Q r1
dj + A
(t)Ll t
OE ]
b' (57)
91. Messungen an einem vorgespannten Druckstollen 223
Nach Ablauf des Kriechens von Beton und Gebirge verbleibt eine Tangential-
druckspannung im Kernring von der Größe
(58)
Das Schwinden des Kernringes kann im Zeitpunkt der Vorspannung als ab-
geschlossen angenommen werden, weshalb seine Berücksichtigung entfällt.
Wie früher soll auch dieser Belastungsfall durch ein Beispiel erläutert werden.
Die Voraussetzungen dafür werden jenen der früheren Beispiele entsprechend ge-
wählt. Die für den Beginn des Kriechvorganges geltende Kernringspannung O"uo
ist aber wesentlich kleiner, als der
60
frühere Wert von 60 kgcm-2 , wobei
sich die Verminderung infolge des kgfom I t" ,
Betriebsdruckes und der Abkühlung 50 ~
ergibt.
Das Ergebnis der Berechnung 0'-
"'~o"I'~ "Qo
......
.....
des Beispiels ist in der Abb. 122 ~~<~;;
'Yl'o " - t-- . . . . . . . . . . . .
------ ---
dargestellt. Der Unterschied gegen- ,~
über dem Im vorangegangenen
~rt)l gem. fl/. (58) filr AtO _00
Abschnitt berechneten Beispiel
(Abb. 121) ist ins Auge springend. ~--
---
Man erkennt, daß die Vorspannung lI/'Qc"'!i~!.o-
auch unter ungünstigen Verhältnissen
10 fr At°~
lIr _$Ov
hinsichtlich der Gebirgsbeschaffen-
heit und der Temperatur zu einem fiir t1t _10°!;/" O
auf und ist rd. 350 m lang (Abb. 123). Er liegt in nahezu lotrecht einfallenden ter-
tiären Schichten von oligozäner Molasse, die aus Mergeln, Steinmergeln, Sandstein
und einigen Konglomerateinlagerungen besteht. Das Streichen der Schichten ver-
läuft nahezu parallel zum Stollen. Die Felsüberlagerung über dem First beträgt
im Mittel 19 m, die waagrechte Felsvorlagerung auf der Talseite rd. 65 m. Der
Druckstollen erfährt bei Normalstau im Speicherbecken einen hydrostatischen
Innendruck von 3,6 kgcm- 2 , der durch Druckstöße auf 5 kgcm- 2 ansteigen kann.
S:O,J5m
/(frnring
f0=370000 kglcm z
AuOenring
f b"J80000 k9/cmz
Verpreßril1g
0.08
Detail A
Der Linienzug a) zeigt, daß die tangentiale Vorspannung von 61 kgcm- 2, ent-
sprechend einem Einpreßdruck von 6 kgcm-2 sofort nach der Wegnahme des letz-
teren auf die Hälfte sank, dann aber scheinbar ständig anstieg, bis nach der Betriebs-
aufnahme des Druckstollens eine dem Betriebsdruck entsprechende Abnahme ein-
trat. Der Temperatureinßuß war trotz des unruhigen Verlaufes des Linienzuges
gut merkbar; er wies eine dem jährlichen Ablauf gemäß Linienzug c) entsprechende,
Abb. 124a-d. Messungen über das zeitabhängige Verhalten der Vorspannung im Hauptstollen Nord des Lech-
Speicherkraftwerkes Roßhaupten, der eine Auskleidung nach dem Kernringverfahren erhielt; a) tangentiale Beton-
dehnung im Kernring, Mittel aus 6 Gebern je Meßquerschnitt; b) radialer Felswiderstand zwischen Gebirge und
Außenring, Mittel aus 6 Gebern je Meßquerschnitt; c) Temperatur im Beton und im Gebirge, Mittel aus 6 Gebern
in 3 Querschnitten; d) Außenwasserdruck im Gebirge, Mittel aus 3 Gebern in 3 Querschnitten; (hinsichtlich der
Bezeichnungswelse wird auf Abb. 123 verwiesen) [40]
wohl abgeschwächte aber doch deutlich erkennbare Periodizität auf. Der Fels-
widerstand, der im Linienzug b) erscheint, nahm hingegen von einem Anfangs-
wert von 4,72 kgcm-2 ständig ab. Auch beim Felswiderstand war der Temperatur-
einfluß deutlich zu beobachten. Wenn man diejenigen Punkte des Linienzuges b)
herausgreift, an denen die gleiche Temperatur herrschte wie am Tage der Vor-
spannung und damit den Temperatureinßuß auf die Abnahme des Felswiderstandes
ausschaltet, so ergeben sich folgende aus der Abb. 124 entnommene runde Zahlen-
werte (Tab 22).
Der Felswiderstandist also nach etwas mehr als 2 Jahren von 4,7 auf 1,3kgcm-2
abgesunken und hat noch weiterhin eine fallende Tendenz. Das Ansteigen infolge
des Betriebsdruckes im August 1954 muß bei dieser Betrachtung unberücksichtigt
15 Kastner, Statik
226 VII. Druckstollen
Tabelle 22. Zeitabhängigkeit de8 Felswider8tande8, ermittelt aus den im Druck8tollen des Lech-
Kraftwerkes Roßhaupten durchgeführten Dauerversuchen [40]
Zeitpunkt Felswiderstand
bleiben. Die Tatsache des Abfallens des Linienzuges b steht im Widersprnch mit
dem Ansteigen des Linienzuges a, sofern man bei letzterem eine Umrechnung der
Verformungen in Tangentialspannungen durchführt. Weil die tangentialen Ver-
formungen des Kernringes das Schwinden und Kriechen des Betons beinhalten,
ist das Ansteigen der tangentialen Spannungen nur scheinbar. Die wirklichen tan-
gentialen Drnckspannungen werden ähnlich wie der Felswiderstand fortlaufend
abnehmen; möglicherweise werden nach der Betriebsaufnahme des Drnckstollens
sogar Zugspannungen im Kernring auftreten.
Im geschilderten Versuchsfall deckt sich die zeitliche Abwicklung mit den
Voraussetzungen, die der im Abschn. 89 durchgeführten theoretischen Betrachtung
. zugrunde gelegt wurden; die Vorspannung wurde bald nach der Fertigstellung des
Drnckstollens angeordnet, und dann verstrichen etwa 21 / 2 Jahre bis zur Betriebs-
aufnahme. Die geschilderten Messungsergebnisse bestätigen also die theoretischen
Erwägungen; außerdem bieten sie durch Gegenüberstellung des Verlaufes der
Tangentialdrnckspannungen im Kernring und des Felswiderstandes noch nicht
verwertete Unterlagen zur Beurteilung des Kriechens des Gebirges, weil das Aus-
maß des Schwindens und Kriechens des Betons als bekannt angenommen werden
kann.
Abschließend möge noch erwähnt werden, daß der Außenwasserdruck, gleich-
gültig ob er auf Wasserverluste aus dem Stollen, aus dem Speicherbecken oder auf
zusitzendes Bergwasser zurückzuführen ist, nicht unwesentlich zur Entlastung der
Drnckstollenauskleidung beiträgt, wie dies besonders bei tiefliegenden Druckstollen
häufig der Fall und die Ursache dafür ist, daß trotz hoher rechnungsmäßiger Tan-
gentialzugspannungen keine Risse auftreten.
92. Injektionen
Die Zementinjektionen sind im Drnckstollenbau von großer Bedeutung und
haben dort einen mehrfachen Zweck. Zunächst sollen damit alle Hohlräume an der
Kontaktzone zwischen Auskleidungsbeton und Gebirge verschlossen werden; dies
besorgen hauptsächlich die Kontaktinjektionen. Mit den Tiefeninjektionen soll
eine Erhöhung der Wasserdichtheit des Gebirges durch Füllung der Hohlräume und
der Klüfte erreicht werden. Dabei ist auch eine Verbesserung der Eigenschaften
des Gebirges durch Erhöhung des Elastizitätsmoduls zu erwarten [100b]. Schließ-
lich besteht die Möglichkeit, eine gewisse Vorspannung des Gebirges zu erzielen.
Aber auch sonst sind im Tunnel- und Stollen bau Zementinjektionen, insbeson-
dere bei Auftreten von echtem Gebirgsdrnck, von Wichtigkeit.
a) Kontaktinjektionen. Hohlräume zwischen dem Auskleidungsbeton und dem
Gebirge stellen sich gewöhnlich im Firstbereich infolge Nachsackens des Frisch-
betons ein. Sie werden durch Aufbohren der Betonauskleidung für die Injektionen
zugänglich gemacht. Die Weite der Hohlräume läßt sich durch das Maß, das der
Gesteinsbohrer durchfällt, feststellen. Der Verschluß erfolgt mit Portlandzement-
mörtel, wobei das Mischungsverhältnis 1: 1 oder 1: 2 gewählt wird. Als Sand wird
92. Injektionen 227
ein Feinsand verwendet, dessen maximale Korngröße, ähnlich wie beim Prepakt-
Mörtel, 1 mm nur wenig überschreitet. Der anzuwendende Einpreßdruck beträgt,
nachdem die Druckluft aus den alle pneumatischen Werkzeuge und Geräte ver-
sorgenden Kompressoren stammt, maximal 6-7 atü. Im Widerlager- und Sohlen-
bereich ist der Kontakt zwischen Beton und Gebirge meist so gut, daß dort keine
Injektionen erforderlich sind. Die Kontaktinjektionen erfassen auch größere Spalten
im Gebirge, die gegen den Injektionsbereich hin offen sind und bewirken damit eine
gewisse Verdichtung des Gebirges.
ß) Tiefeninjektionen. Wenn im Gebirge größere Hohlräume auftreten, die von
den Kontaktinjektionen nicht erfaßt werden, wird man zu ihrer Verschließung den
gleichen Vorgang einhalten und Zementmörtel einpressen wie bei den Kontakt-
injektionen. In den meisten Fällen handelt es sich aber um feine Spalten, denen
mit Zementmörtel nicht beizukommen ist. Man muß für ihren Verschluß Zement
allein verwenden.
Die Injektionsbohrlöcher werden nach der Gebirgsbeschaffenheit und
dem betriebsmäßigen Innenwasserdruck auf etwa 3,0 m und mehr Tiefe in das
Gebirge reichend, hergestellt. Das Einpressen der Zementmilch erfolgt mit Hilfe
der Häny-Pumpe, wobei der Druck bis auf 30-40 atü gesteigert werden kann.
Damit können aber nur Spalten von größerer Öffnungsweite als 0,1 bis 0,2 mm ver-
schlossen werden. Der Portlandzement weist normenmäßig auf dem 4900 Maschen-
sieb einen Rückstand von 25% auf. Nachdem dieser Maschenweite eine Korngröße
von 0,09 mm entspricht, ist die Grenze der Eindringungsmöglichkeit gegeben.
An dieser Sachlage ändert sich auch nichts, wenn man der Zementmilch Intrusion-
aid beigibt. Eine Verbesserung ist jedoch zu erwarten, wenn es gelingt die maximale
Korngröße des Zementes herabzusetzen. So hat z. B. die Firma Hatschek, Gmunden,
Österreich, in jüngster Zeit einen Feinstkornzement auf den Markt gebracht,
der auf dem 10000 Maschensieb keinen Rückstand hinterläßt.
Eine vorteilhafte Nebenwirkung der Tiefeninjektionen besteht zweifellos darin.
daß das Gebirge unter örtliche Druckvorspannung gesetzt wird. So kann man bei-
spielsweise die sekundär über dem First und unter der Sohle zu erwartenden Be-
reiche tangentialer Zugspannungen, die infolge der Wirkung des Innenwasser-
druckes noch eine Erweiterung erfahren, durch die bei Tiefeninjektionen mit
radial angeordneten Bohrlöchern auftretenden tangentialen Druckspannungen be-
seitigen. Man kann ferner durch eine systematische Anordnung der Bohrlöcher eine
Druckvorspannung nicht bloß in tangentialer sondern auch in radialer Richtung
erzielen. Dies wird dadurch erreicht, daß man die Bohrlöcher unter einem Winkel
zur Radialrichtung ansetzt. Aber abgesehen von der Kostspieligkeit eines solchen
Verfahrens, wird man ihm nicht den vVert einer Vorspannmethode für die Beton-
auskleidung des Druckstollens, wie sie das Kernringverfahren darstellt, zusprechen
dürfen. Es dürfte kaum gelingen, den Spannungszustand in der Betonauskleidung
auf diesem Wege verläßlich zu beherrschen, weil die Wirkung der Injektionen von
der Art der Klüftung des Gebirges sehr wesentlich abhängig ist.
Um die Verbesserung der Eigenschaften des Gebirges durch Zementinjektionen
beurteilen zu können, werden einige Versuchsergebnisse mitgeteilt, über die
ÜBERTI berichtet hat [100b]. Die Verbesserung läßt sich aus dem Elastizitätsmodul
beurteilen, dessen Werte im anstehenden Gebirge nach der Versuchsstollenmethode
gewonnen wurden (Tab 23).
In dieser Tabelle bedeutet E o den Anfangselastizitätsmodul bei Belastung 0
und E den mittleren Elastizitätsmodul bei Entlastung, gültig für den angeführten
Prüfdruck p. Dabei wurde für die PorssoNsche Zahl ein Mittelwert von 6,7 an-
genommen.
Bei den Versuchen, von denen ÜBERTI berichtet hat, ist noch folgende Beob-
achtung von Interesse. Die Diagramme der vor und nach den Injektionen er-
15*
228 VII. Druckstollen
Tabelle 23. Die Verbe.s8erung de.s ElaBtizität8'modulB im an8tehenden Gebirge nach durchgeführten
Zementinjektionen (Unter8uchungen an einigen italieni8chen Tal8perren) [100b]
E
Mindest- größter nichtin- E
Sperre (Gestein) über- Prüf- E. jiziertes Prüf- injiziertes Prüf-
deckung druck Gebirge druck p Gebirge druck p
Ostportal
~
t-'
~
-J -==::s::: ~_ ::z:::::::u: - - - - - - - __
~
nClJcs Rohrfefd im Stoffen l -JJ m
z,o
Abb. 125. Die oberflächennahe Portalstrecke eines Druckstollens mit geringer überlagerungshöhe bildete die Ausgangsstelle eines Felsgrundbruches [138 ul
93. Schäden an Druckstollen 231
Kapitel VIII
Druckschächte
kenntnisse und Erfahrungen ist ein einheitlicher, das Zusammenwirken aller Bau-
teile berücksichtigender Entwurf nicht denkbar.
Druckschächte sind bald nach der Jahrhundertwende zum erstenmal zur
Ausführung gekommen. Die erste größere Anlage ist in Europa in Südtirol im
Jahre 1911 entstanden. Es ist der von INNEREBNER erbaute Druckschacht des
Schnalstalwerkes der Städte Bozen und Meran, der bei einem lichten Durch-
messer von 1,50 m die für die damaligen Verhältnisse beträchtliche Fallhöhe von
318 m überwindet. Seither ist die Bauweise weiter entwickelt worden, wobei so-
wohl der Schachtdurchmesser als auch die Fallhöhe in vielen Fällen bedeutend
min al5
Panzerung
Reifung
in frepakfbefon
Abb. 126. Regelquerschnitte der Steilstrecke des Druckschachtes des Lünerseekraftwerkes der Vorarlberger Ill·
werke A. G. [72 fl
vergrößert wurden. Es hat aber an Rückschlägen nicht gefehlt, die bis in die
jüngste Zeit reichen, worüber später berichtet werden wird. Eine gesteigerte Be-
deutung erfuhr die Druckschachtbauweise mit der untertägigen Anordnung der
Maschinenanlagen der Wasserkraftwerke, die durch den zweiten Weltkrieg be-
sondere Bedeutung gewonnen und sie bis heute keineswegs verloren hat; im Gegen-
teil, die Zahl der untertägig angeordneten Krafthäuser wächst ständig.
Maß v.on bleibender Verformung des Gebirges zu berücksichtigen sein. Wie dies
geschieht, wird später gezeigt werden.
c) Als weitere Voraussetzung der Berechnung wurde das Vorhandensein eines
vollkommenen Kontaktes zwischen der Panzerung und dem Bettungsbeton
einerseits und zwischen dem Bettungsbeton und dem Gebirge andererseits an-
genommen. Die Erfüllung dieser Bedingung muß durch bauliche Maßnahmen an-
gestrebt werden. Sie kann aber mit voller und dauernder Gültigkeit nicht erhalten
bleiben. Die bereits erwähnten plastischen Eigenschaften des Gebirges, Tempera-
turwirkungen, das Schwinden und Kriechen des Betons sowie das Kriechen des
Gebirges sind die Ursache, weshalb an den Grenzen der Auskleidungsschichten
Hohlräume auftreten werden. Auch diesen Umstand muß eine strenge Berech-
nung berücksichtigen.
d) Früher wurde angenommen, daß der sekundäre Spannungszustand des
Gebirges außer Betracht bleiben darf. Dies ist aber für die Beurteilung der im
Gebirge auftretenden Anstrengungen nicht zulässig. Die Größe der sekundären
Spannungen erreicht bei den üblichen Tiefenlagen der Druckschächte unter der
Geländeoberfläche ein Maß, das den betrieblichen Beanspruchungen größen-
ordnungsmäßig gleichkommt. Wenn man den Druck der überlagerung vernach-
lässigt, würde bei Gültigkeit der oben angeführten Voraussetzungen hinsichtlich
der Spannungen Drehsymmetrie bestehen. In Wirklichkeit tritt aber eine starke
Abweichung davon auf, weil die durch die Gewichtsauflast hervorgerufenen, waag-
rechten primären Seitenpressungen nur ein Bruchteil der lotrechten Pressungen
ausmachen, weshalb im Gebirge auch sekundär starke Abweichungen von der
Drehsymmetrie bestehen.
e) Die Untersuchungen führten wegen Vernachlässigung des sekundären
Spannungszustandes zu dem Ergebnis, daß das Gebirge in der Umgebung des
Schachtes ringsum tangentiale Zugspannungen erfährt, und man war daher ge-
nötigt, eine zulässige Zugbeanspruchung des Gebirges festzusetzen. Dies wird
aber immer Schwierigkeiten bereiten (s. Abschn. 3). Auch bei Berücksichtigung
des sekundären Spannungs zustandes ergeben sich Zugspannungen im Gebirge;
sie bleiben aber in der Regel auf First- und Sohlenbereiche beschränkt ..
Der auf der Panzerung wirkende Innendruck Pi besteht aus dem hydrostati-
schen Druck, dem für Drucksteigerungen infolge des Kraftwerksbetriebes ein
Zuschlag hinzuzufügen ist, der zum hydrodynamischen Druck führt. Wenn man
jenen Druckanteil, der durch Vermittlung des Bettungsbetons vom Gebirge auf-
genommen wird, mit Pla bezeichnet und diesen Anteil mit dem Innendruck in ein
Verhältnis setzt, so ergibt sich die Entlastungsziffer der Panzerung
e =~'!.. (1)
Pli
Ihr Wert ist aus den Formänderungen des Systems zu bestimmen, wobei die der
Berechnung zugrundezulegenden Voraussetzungen dem Herstellungsvorgang des
Schachtes entsprechen müssen; dies führt zu den nachstehenden Erwägungen.
Nach Fertigstellung des Ausbruches bleibt der Schachthohlraum eine be-
trächtliche Zeit lang unverkleidet, damit die Reinprofilherstellung sowie die
Vorbereitungsarbeiten zur Einbringung der Panzerung und zur Betonierung aus-
geführt werden können. Es ist also genug Zeit für die Entspannung des Gebirges,
d. h. für die Ausbildung des sekundären Spannungszustandes vorhanden. Die
späterhin eingebrachte Panzerung und die Bettung bleiben daher, wenn man von
ihrem Eigengewicht, von Temperatureinflüssen, von Schrumpfspannungen in-
folge der Schweißung von Montagerundnähten und von ähnlichen Nebenwirkun-
gen absieht, vor der Füllung des Schachtes spannungsfrei. Gebirgsdruck soll vor-
aussetzungsgemäß nicht wirksam sein. Sollte aber das Gebirge einen Einbau er-
fordern, so muß er derart ausgeführt werden, daß er das Gebirge zu stabilisieren
95. Die Entlastungsziffer 235
vermag. Von einem Einbau mit Holz muß dringend abgeraten werden. Als Einbau-
methoden kommen Felsanker, Spritzbetonauskleidung, letztere unter Umständen
verstärkt durch Stahlstreckenbogen und Bewehrung, besonders in Betracht. Es
muß jedenfalls Grundsatz sein, daß keinerlei Holzbestandteile hinter der Beton-
auskleidung verbleiben dürfen.
Wenn der Schacht in Betrieb genommen wird, entsteht bei Vollbelastung ein
tertiärer Spannungszustand, bei dem sich aber Panzerung und Bettungsbeton so
verformen, als ob das Gebirge nicht vorgespannt wäre, so daß also die von der
Überlagerung hervorgerufenen Beanspruchungen auf das Gebirge beschränkt
bleiben. Daraus folgt, daß der Bettungsbeton, der bei gutem Kontakt zu den
gleichen Dehnungen gezwungen wird, wie die Panzerung, radiale Risse bekommen
wird, wenn die Tangentialspannung in der Panzerung ein gewisses Maß überschrei-
tet. Einer Dehnfähigkeit des Betons von Ebz = 0,0001-0,0002 entspricht eine
Stahlspannung von (Je = BbzEe = (0,0001 - 0,0002)· 2,100000 = 210 bis
420 kgcm- Z, i. M. etwa 300 kgem- 2 , d. h., daß bei einer tatsächlichen Stahl-
beanspruchung von 300 kgcm-Z der Bettungsbeton radial aufreißt. Dies gilt unter
der Voraussetzung eines vollkommenen Kontaktes. Wenn zwischen Panzerung
und Bettungsbeton Hohlräume auftreten, dann tritt die Rißbildung erst bei einer
höheren Stahlbeanspruchung ein. Je sorgfältiger die Bauausführung ist, mit um so
größerer Wahrscheinlichkeit muß man daher damit rechnen, daß der Bettungs-
beton durch radiale Risse unterteilt ist.
Panzerung und Bettungsbeton erfahren bei vollkommener Drehsymmetrie
keine Schubbeanspruchungen. Solche können aber entstehen, weil das Gebirge
meist nicht homogen und isotrop ist. Die an der Außenfiäche der Panzerung
mögliche Größe der Schubbeanspruchung hängt von der Beschaffenheit der
Kontaktfiäche ab. Mit einer verläßlich wirkenden Haftung, wie sie im Stahlbeton-
bau besteht, darf nicht gerechnet werden. Im wesentlichen sind nur Reibungs-
widerstände vorhanden und die Schubspannungen sind daher in ihrer möglichen
Größe begrenzt. Die Panzerrohre erhalten an ihrer Außenfiäche einen Rostschutz-
anstrich mit Zementmilch, wodurch die Haftung nicht verbessert wird; das ist
aber auch kein Nachteil. Wenn nämlich nicht Drehsymmetrie herrscht, sei es
wegen der Anisotropie des Gebirges oder deshalb, weil stellenweise bestehende
Haftungswiderstände oder sonstige Ursachen die Verformung der Panzerung
örtlich hemmen, kann die plötzliche Überwindung solcher Zwangswirkungen zu-
sätzliche, ihrem Wesen nach dynamische Beanspruchung zur Folge haben.
Darüber wird im Abschn. 102 eingehender berichtet werden.
Weil die radial gerichteten Rißfiächen des Bettungsbetons nur geringen
Schubwiderstand aufweisen werden, sollten in der senkrecht dazu stehenden
theoretisch kreiszylindrischen Berührungsfiäche zwischen dem Beton und dem
Gebirge gleichfalls keine nennenswerten Schubbeanspruchungen auftreten. Die
Berechnung wird unter dieser Annahme durchgeführt; sie ist aber nicht ganz
zutreffend, weil die rauhe Gebirgsoberfiäche reichlich Gelegenheit zu Schub-
widerstand bietet. Dies ist aber für die durchzuführenden Untersuchungen von
geringem Belang, weil es sich darum handelt, ob ein Schubwiderstand solcher
Art in Anspruch genommen wird; dies ist aber nicht der Fall.
Somit kann mit großer Zuverlässigkeit angenommen werden, daß der Wasser-
druck Pli zum Teil von der Panzerung aufgenommen und zum Teil durch den
drehsymmetrischen Druck Pla auf den Bettungsbeton übertragen wird, und daß
letzterer Druckanteil durch Vermittlung des bei hinreichend großem Innendruck
durch Risse geteilten Bettungsbetons an das Gebirge weitergeleitet wird. Der auf
das Gebirge übertragene Anteil PZa soll im Sinne der obigen Darlegungen gleich-
falls drehsymmetrisch wirken.
236 VIII. Druckschächte
wobei rl der mittlere Halbmesser ist, der aber praktisch immer gleich dem lichten
Halbmesser gesetzt werden kann
(3)
(4)
Das negative Vorzeichen weist darauf hin, daß der Halbmesser der Panzerung
eine Verlängerung erfährt; die Vorzeichenfestlegung wurde ja allgemein so ge-
troffen, daß Druckspannungen positiv, Zugspannungen hingegen negativ be-
zeichnet werden.
(J) Elastische Zusammendrückung des Bettungsbetons. Der durch radiale
Risse geteilt angenommene Bettungsbeton steht unter dem Innendruck P2i = Pla
und dem Außendruck P2a, wobei wegen des Wegfalles der Ringwirkung gilt
(5)
Die Dicke der Betonbettung wurde hierin mit d2 bezeichnet. Die durch diese
Belastungen hervorgerufene elastische Zusammenpressung des Betons beträgt
(6)
m,+ 1 m,+ 1
= - mEg g
T2aP2a = - ~ Tli Pla,
g g
(7)
Nach Einsetzen der für die Verschiebungen hergeleiteten Werte erhält man
Nachdem e = Pla: Pli gemäß GI. (1) gilt, findet man aus dieser Beziehung durch
einfache Umformung für die Entlastungsziffer den Ausdruck
1 _ E e Ll i + Ll 2 dl
Pli Tli Tli
(10)
Weil dieser Ausdruck die Dicke der Panzerung d1 enthält, eignet er sich zum
Spannungsnachweis, d. h. zur Berechnung der Entlastungsziffer bei gegebenem
Wert von d1 , woraus dann die Belastung der Panzerung zu
folgt, die mit Hilfe der Membranformel GI. (2) die Ermjttlung der Beanspruchung
der Panzerung gestattet.
Wenn auf eine größere Erstreckung des Druckschachtes die Blechdicke kon-
stant gehalten wird, wie dies bei geringen Fallhöhen auf die ganze Schachtlänge
oder bei hohen Gefällsstufen im oberen Druckschachtabschnitt die Regel bildet,
dann wächst die Anstrengung in der Panzerung mit ansteigendem Innendruck.
Die Entlastungsziffer gemäß GI. (10) läßt sich in der vereinfachten Form
(12)
schreiben. Sie setzt sich aus einem konstanten und aus einem mit dem Innendruck
PIi veränderlichen Anteil zusammen, wobei die Beiwerte Cl und c2 von den ela-
238 VIII. Druckschächte
(13)
Der mit Pli veränderliche Anteil gemäß GI. (12) ist lediglich durch den mangel-
haften Kontakt der Auskleidungsschichten bedingt. Bei vollkommenem Kontakt
ist die Entlastungsziffer
(14)
vom Innendruck Pli unabhängig. Die vorstehenden Überlegungen gelten aber nur
unter der Voraussetzung, daß die SpaItweiten .1 1 und .1 2 vom Druck P1a und damit
von B unabhängig sind. Die Berücksichtung einer doch bestehenden Abhängigkeit
wird später behandelt werden.
Bei Einführung der zulässigen Zugbeanspruchung des Stahls der Panzerung
unter Anwendung von GI. (2), ergibt sich die Entlastungsziffer in der zweiten
Form
(15)
die Bemessungszwecken dienen kann. Hierzu ist zu bemerken, daß für B = 1 aus
statischen Gründen eine Panzerung des Druckschachtes unterbleiben kann,
während für B = 0 keine Entlastung der Panzerung besteht, weshalb sie für den
vollen Innendruck zu bemessen ist.
Allgemein kann die GI. (15) in folgender Form geschrieben werden
_Pla_ C
B - - --. (16)
Pli Pli
Hierin stellt c einen vom Innendruck Pli unabhängigen Beiwert dar, der nur von
den elastischen Eigenschaften der Auskleidungsschichten und deren Abmessungen
abhängt; er beträgt
(17)
Bei voller Ausnützung der zulässigen Beanspruchung des Stahls O'e rul ist die Ent-
lastungsziffer B dem Innendruck Pli gemäß GI. (16) verkehrt proportional. Dies folgt
aus dem Zusammenwirken von Panzerung und Bettung. Wenn nämlich im Stahl-
blech eine bestimmte zulässige Beanspruchung herrschen soll, dann ist die Deh-
nung konstant, und ihr entspricht ein unveränderlicher Außendruck P1a gemäß
GI. (17). Die Tatsache, daß die Entlastungszifjer mit wachsendem Innendruck ab-
nimmt, wenn die zulässige Beanspruchung der Panzerung eingehalten wird, ist von
weittragender Bedeutung. Es wird später Gelegenheit sein auf diesen Umstand be-
sonders hinzuweisen.
Am Schlusse dieser Darlegung wird noch der Begriff der Bettungsziffer ein-
geführt. Darunter versteht man das Verhältnis des betrieblichen Innendruckes
97. Diskussion der Beziehungen für die Entlastungsziffer 239
Pli zur elastischen Dehnung des Stahls, mit anderen Worten jenen Innendruck,
der zu einer bezogenen Dehnung des lichten Halbmessers des Panzerrohres
gleich der Einheit führt. Der Ausdruck dafür lautet
(18)
Wenn man mit Hilfe der GI. (15) die Entlastungsziffer e für eine gegebene zu-
lässige Beanspruchung der Panzerung ermittelt hat, ist das Ziel der Bemessungs-
aufgabe, nämlich die Bestimmung der Panzerungsdicke, leicht zu erreichen. Die
GI. (16) enthält die Beziehung für die Belastung der Panzerung, nämlich
(20)
daraus folgt
d1 = ~ (1 - e) rli. (21)
Gezul
Wie sich leicht nachweisen läßt, nimmt die Wanddicke des Panzerrohres linear
mit dem Innendruck Pli zu. Wenn man in GI. (21) für E den Wert gemäß GI. (16)
einsetzt, folgt nämlich
d1 = -0ezul
Pli (1 - -C )
Pli
rli = -aezul
1 (Pli - c) rH, (22)
von Stahl und Beton ist entsprechend den getroffenen Voraussetzungen konstant
und beträgt E e : E b = 2,100000: 210000 = 10. Als Ordinaten finden sich in der
Abb. 128 die Entlastungsziffern e zwischen den Grenzen und 1,00 schwankend.
e = 0 bedeutet, daß keine Entlastung besteht, daß also die Panzerung wie ein
°
freiverlegtes Rohr berechnet werden muß, während e = 1,00 dem Idealfall der
vollkommenen Entlastung entspricht.
Die Entlastungsziffern wurden für verschiedene Werte des Innendruckes Pli
berechnet, die also jeweils den Parameter der einzelnen e-Kurven darstellen.
Verfolgt man die Kurve der e-Werte, die beispielsweise für den Innendruck
4'1O~------~--~
I
\
\
\
o,ZO
\
------ ----
o zn '10 6'IJ JOO
71-g - Ee:Eg -
Abb. 128 Entlastungsziffer 8 eines gepanzerten Druckschachtes in Abhängigkeit vom Elastizitätsmodul E g des
Gebirges und vom Innendruck P,.
Pli = 50 kgcm- 2 gilt, so zeigt sich, daß bei einem Verhältnis der Elastizitäts-
moduli von etwa E e : E g = 14, entsprechend E g = 150000 kgcm- 2 , die Ent-
lastungsziffer den Wert e = 1,00 annimmt. Diese Grenze bedeutet, daß nur bei
kleinerem Elastizitätsmodul des Gebirges E g aus statischen Gründen eine Panze-
rung des Druckschachtes nötig wäre; bei einem größeren Wert von E g könnte sie
unterbleiben. Die aus Gründen der Wasserdichtheit des Schachtes meist trotzdem
notwendige Panzerung muß aber eine Mindestdicke erhalten, die für das Beispiel
mit a1 = 12 mm gewählt wurde. Diese Mindestdicke scheint groß zu sein. Bei
ihrer Wahl ist es aber nicht ratsam, bis an die für freiliegende Druckrohrleitungen
mögliche Grenze zu gehen, wofür verschiedene Gründe sprechen. Bei größerer
Wanddicke der Panzerung wird die BmIlgefahr durch einen allfälligen Außen-
druck des Bergwassers bei betriebsmäßiger Entleerung des Schachtes beträcht-
lich herabgemindert, weil die Sicherheit gegen einen derartigen Schaden mit der
Wanddicke stark wächst [2]. Außerdem ist es eine Erfahrungstatsache, daß die
Zementeinpressungen zwischen Panzerung und Beton bei geringer Blechdicke
nicht leicht in einwandfreier Form auszuführen sind, weil sich das Blechrohr unter
der Wirkung des Einpreßdruckes immer wieder von der Bettung ablöst und
schwierig in einer endgültigen Lage satt am Beton anliegend zu stabilisieren ist.
98. Abminderung der Entlastung mit der Betriebsaufnahme 241
Ermittelt man die E' Werte für eine Dicke der Panzerung von d1 = 12 mm
aus der GI. (10), so ergibt sich die flachere KurveA-B, für die sich die zulässige
Beanspruchung des Stahls nicht ausnützen läßt, solange nicht gemäß GI. (15) eine
Panzerungsdicke von d1 = 12 mm notwendig ist.
Bei mangelhafter Kenntnis der Festigkeitseigenschaften des Gebirges - und
dies ist bedauerlicherweise oft der Fall - wird die Bedingung gestellt, daß die
Beanspruchung der freiliegend gedachten Panzerung bei vollem hydrodynamischem
Innendruck nicht größer sein soll als der Mindestwert der Streckgrenze des
Stahls (JeF' Diese Bedingung läßt sich wie folgt ausdrücken
(23)
Wenn man (JeF = 2500 kgcm- 2 annimmt, ergibt sich E1 = 0,60; die Ent·
lastungsziffer hat also einen konstanten Wert, der im Diagramm Abb. 128 durch
eine waagrechte Gerade dargestellt wird.
Wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich ist, wird diese Bedingung aber
nicht immer eingehalten.
Cavergno (Maggia.
Kraftwerke A. G. COLTUF28
Locarno) 57,5 220 30 2600 2180 0,84
Zervreila (Kraft.
werke Zervreila UNION 36
A. G., Vals) 73,7 210 24 3600 3370 0,94
Verbano (Maggia ALDUR41
Kraftwerke A. G.) 31,0 285 18 2600 2600 1,00
Lienne (Walliser. COLTUF 32
Alpen) 93,7 160 23 3300 3400 1,03
Peccia (Maggia. COLTUF28
Kraftwerke A. G.) 47,1 180 15 2600 3020 1,16
Fionnay (Grande ALDUR50
Dixence S. A. Sion) 93,5 280 33 3400 4090 1,20
Schächten kaum mit dem Schwinden des Betons zu rechnen ist, weil ja immer
Luftfeuchtigkeit und Bergwasser vorhanden sind. Dies ist aber nicht der Fall.
Der Beton schwindet trotzdem, und es ist daher ein gewisses Schwindmaß in
Berücksichtigung zu ziehen.
Der Beton schwindet nach allen Richtungen annähernd gleich. Bei der Beton-
bettung eines Druckschachtes braucht aber nur das Schwinden in radialer Rich-
tung berücksichtigt zu werden, weil unter der Wirkung des tangentialen Schwindens
radiale Risse entstehen werp.en, wie dies auch in der GI. (5) berücksichtigt wurde.
y) Plastische Verformung des Betons. Es sind Gründe dafür vorhanden, in
dem in Betracht kommenden Beanspruchungsbereich die plastische Verformung
des Betons verhältnisgleich der elastischen zu setzen; die Verhältniszahl erhält
die Bezeichnung ßb' womit für die plastische Zusammendrückung des Betons ge-
mäß GI. (6) der Ausdruck
(25)
gewonnen wird.
0) Die bleibenden Formänderungen des Gebirges. Die bleibenden Formände-
rungen des Gebirges werden im Gegensatz zu jenen des Betons häufig eine be-
achtenswerte Rolle spielen. Ihnen kommt von allen Faktoren, die eine Herabminde-
rung der Entlastung herbeizuführen trachten, die größte Bedeutung zu. Eine starke,
bleibende Nachgiebigkeit des Gebirges vermag die Entlastung zur Gänze aus-
zuschalten. Über die Größe der bleibenden Verformung läßt sich allgemein nichts
aussagen. Sie muß in jedem Einzelfall durch Versuche festgestellt werden. Solchen
Versuchen ist aber bisher nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet worden.
Daraus mag man erkennen, daß man beim Bau von Druckschächten größerer
Abmessung oft ein bedeutendes Risiko auf sich genommen hat und daß auf diesem
Gebiet noch viel zu verbessern ist. Diese Unsicherheit bei der Herstellung von
Druckschächten wird nur dadurch gemildert, daß im Gebirge die Strecken mit
größerer, bleibender Verformungsfähigkeit dem erfahrenen Ingenieur erkennbar
sind und daß bei entsprechender Sorgfalt eine annähernd richtige Beurteilung
der Gebirgsverhältnisse gelingen wird. Mit diesen Hinweisen soll aber keineswegs
jener Anschauung das Wort geredet werden, die sich bei der Beurteilung der ge-
stellten Frage bloß auf die Erfahrung stützen will und theoretische Erwägungen
ablehnt, weil die Grundlagen für letztere nicht gegeben sind oder nicht zur Ver-
fügung stehen. Im Gegenteil, gerade dieser Umstand sollte dafür bestimmend
sein, die Voraussetzungen für eine einwandfreie Berechnung zu schaffen und das
elastische und plastische Verhalten des Gebirges versuchsmäßig zu klären. Es
war notwendig bei der Behandlung der bleibenden Verformung des Gebirges diese
grundsätzlichen Bemerkungen einzuschalten, weil Schäden aus diesem Grunde
leider immer wieder vorkommen.
Über die Ursachen der bleibenden Verformungsfähigkeit des Gebirges ist
ausführlich gesprochen worden (s. Abschn. 5). Sie sind z. T. in der natürlichen
Beschaffenheit des Gebirges zu suchen, werden aber auch häufig durch seine
Schädigung infolge der Sprengarbeiten bedingt. Schließlich muß noch auf jene
Ursachen hingewiesen werden, die in der Gestaltung der Auskleidung ihren Grund
haben, worüber im Abschn. 102 über Nebenwirkungen in der Beanspruchung von
Druckschachtauskleidungen gesprochen werden wird. Ähnlich wie beim Beton
ist es auch beim Gebirge angezeigt, die plastische Verformung der elastischen ver-
hältnisgleich zu setzen.
(26)
16*
244 VIII. Druckschächte
Damit ergeben sich für die Entlastungsziffer aus GIn. (10) und (15) die beiden
folgenden Formen
(27)
(28)
Ulmelinks
!j
o
first
Ulme rechts
Ulmelinks
first
Ulme rechts
Sohle
Rohr-Nllmmer
81echstärke In mm
®
12
®
/2
@
12
~h~ ~~;:~~~~~~~~~~~~~~ii~~~~~~~~~~
Ulmelinks
first
Ulme reehts
Sohle
Abb. 129. Wirkungsweise der Zementeinpressllllgen zwischen Panzerung und Bettungsbeton eines Druckschachtes
bei verschiedenen Rohrwandstärken (aus dem Archiv der Bauunternehmung Innerebner & Mayer, Innsbruck)
246 VIII. Druckschächte
Kriechen des Betons und des Gebirges verbleibt. Beide Vorgänge sind von der
Beanspruchung der jeweiligen Auskleidungsschicht abhängig. Als Ausgangspunkt
wird daher ein Spannungszustand betrachtet, wie er sich aus GI. (10) für den
Spannungsnachweis ergibt.
Die für die Beanspruchung der Panzerung maßgebende Kontaktpressung
Pla ist bei den bisherigen überlegungen zeitunabhängig gewesen. Bei den
folgenden Untersuchungen wird sie veränderlich. Trotzdem soll dafür die Be-
zeichnung Pla beibehalten werden. Die im Zeitpunkt t = 0 herrschende Kontakt-
pressung soll hingegen mit Piao und ihr Endwert zur Zeit t = 00 mit Placo be-
zeichnet werden.
Zur Erzielung einer vollständigen Lösung der Aufgabe soll auch das Schwinden
des Bettungsbetons berücksichtigt werden.
Die Absolutwerte der Verschiebungsgrößen werden nachfolgend berechnet.
Die durch das Schwinden des Betons hervorgerufene Verkleinerung der Dicke
d2 des Bettungsbetons ist
(29)
(30)
sie ist aus der elastischen Verformung des durch radiale Risse geteilten Bettungs-
betons ebenso wie GI. (6) hergeleitet. Hand in Hand mit der Kriechverkürzung
geht eine elastische Erholung des Betons, die unter der Wirkung des Spannungs-
abfalles d (Plao - Pla) erfolgt. Sie beträgt
(31)
Die Kriechverformung des Gebirges wird wie beim Beton der elastischen Ver-
formung verhältnisgleich angenommen, d. h. die Kriechverformung in einem
Zeitintervall dt soll der im Zeitpunkt t, also unter der Belastung Pla = P2i ein-
getretenen elastischen Verformung verhältnisgleich sein, wobei die Verhältniszahl
dVJ ist. VJ bedeutet die Kriechzahl des Gebirges, die ebenso wie die Kriechzahl des
Betons von der Zeit abhängig ist. Nachdem es während der Herstellung eines
Druckschachtes schwer möglich sein dürfte, sich Anhaltspunkte über die Kriechzahl
des Gebirges zu verschaffen, muß ein Weg eingeschlagen werden, der wenigstens
eine Abschätzung ihres Wertes erlaubt und ihren Einfluß erkennen läßt. Dazu ist
es zweckmäßig, die Kriechzahl des Gebirges zu jener des Betons qJ in Relation zu
setzen durch die Beziehung
(32)
Dann kann man die Berechnungen für verschiedene Werte " durchführen und
daraus deren Einfluß erkennen.
Die radiale elastische Verformung des Gebirgsrandes unter der Einwirkung
des Betriebsdruckes Pla ist gemäß GI. (7)
(33)
99. Einflüsse, die eine Herabminderung der Entlastung bewirken 247
•
u3e -
_ m ll
-~E fli
+1 d (Plao - Pla ) • (35)
mg g
Die Panzerung folgt unter der Wirkung des Innendruckes dieser Verformung des
Gebirges. Die Vergrößerung der Belastung beträgt d (Plao - Pla). Bei der Be-
rechnung der Verschiebung der Panzerung ist zu berücksichtigen, daß aus der
Radialbelastung d (Plao - Pla) zunächst die Tangentialspannung in der Panze-
rung zu ermitteln ist, die sich aus der Membrangleichung
(36)
zu
(37)
sie ist gleichzeitig auch die bezogene Radialdehnung des Panzerrohres, und die
Vergrößerung des Radius der Panzerung folgt daher zu
(39)
Führt man die gefundenen Werte gemäß GIn. (29), (30), (31), (34), (35) und (39) ein,
so erhält man die Rohform der Differentialgleichung für die Kontaktspannung Pla
PEla fliln (r 2a )
b rli
dcp - E1 r1i In (r 2a ) d (Plao - Pla)
b rli
+ cpoo
2 d 2 dcp +
+ 1 rli Pla Ud cp -
+~ mg mg
~rli
+1 d(
Plao - Pla - JE
) _ 1 rIi d (
d Plao - Pla .
) (41)
g g g g e l
Q2 = mq +1 Eb (42)
mg Eg
folgt
Plaln (r 2a ) dcp -ln (r 2a ) d (PlaO -
rli rli
Pla) ~ drli2 d cp +
+ E b cpoo
+ Q2 Pla Udcp - Q2 d (Plao - Pla) = !b
e
~liI d (Plao - Pla)' (43)
248 VIII. Druckschächte
Wenn man nun d (Plao - Pla) = - dPla setzt, gewinnt die Differentialgleichung
nach Trennung der Veränderlichen Pla und rp die Form
(44)
Bezeichnet man den Nenner auf der linken Seite mit N so ist
!: ~:i
--::------:-~ =------'-;---;--- (46)
N[ In (~:;) +"Q2] +In (~:;) +Q2
Ihre Integration liefert die Beziehung
(47)
daraus folgt
In (!:) = (50)
und
In ("4) + "Q.
'1/
(51)
Führt man schließlich für N und No die Werte gemäß GI. (44) und GI. (48) ein, 80
ergibt sich für die Kontaktpressung am Ende der Kriech. und Schwindvorgänge
In ('-14) +"Q.
'li 'Pro
In ('24) + Q, +
'ti
Eb 'li
E e d1
(52)
100. Bemessung eines Druckschachtes 249
(a)
250 VIII. Druckschächte
Abb. 130. Bemessung eines Druckschachtes. wobei die zeitabhängigen Wirkungen, nämlich das Kriechen des
Betons und des Gebirges, unberücksichtigt blieben
gezogen wird, ergibt sich ein nach einer Hyperbel gekrümmter Verlauf, wobei für
Pli = 0 ein Wert von BO = - 00 gilt. Dies kommt in der Abb. 130 im oberen
Teil der Bo-Kurve zum Ausdruck.
Wenn BO gegeben ist, läßt sich
) rli
(Je = (
Pli-Pla d'
1
(c)
(d)
100. Bemessung eines Druckschachtes 251
Der Verlauf der so-Werte ergibt sich als eine aus Hyperbelästen zusammengesetzte
Linie, wobei eine Staffelung an den durch den Wechsel des lichten Halbmessers
der Panzerung gegebenen Stellen eintritt. Der Schnitt dieser Linie mit der früher
für den oberen Druckschachtabschnitt ermittelten so-Kurve ergibt in Abb. (130)
den Punkt P. Wenn So gegeben ist, läßt sich auch die Kontaktpressung der Panze.
rung Pla ermitteln:
Pla = So Pli . (e)
Wie ein Blick auf Gl. (28) zeigt, ist Pla im unteren Druckschachtbereich für den
jeweiligen Abschnitt mit gleichbleibendem lichten Halbmesser der Panzerung
konstant.
Die Linie für die Kontaktpressungen im oberen und unteren Druckschachtteil
schneiden sich im Punkt P', der dem Punkt P entspricht.
Aus den Werten Pli - Pla läßt sich nunmehr für den unteren Teil des Druck-
schachtes ein Verlauf der theoretisch erforderlichen Blechdicken ermitteln, WIe
folgt
d1 --
-
Pli - PIa r .
h' (f)
(Je zul
die in Abb. 130 eingetragen wurden. Dabei zeigt sich, daß eine beispielsweise
mit C1 eF = 2750 kgcm- 2 angenommene Mindeststreckgrenze im mittleren Druck-
schachtbereich zwischen den Punkten Rund S überschritten wird. Sofern man
die Bedingung stellt, daß in der freiliegend gedachten Panzerung noch eine ge-
wisse Sicherheit gegen Erreichen der Streckgrenze vorhanden sein soll, die mit
y = 1,2 angenommen wird, ergibt sich im Bereich, der durch die Punkte R' und S'
begrenzt ist, die Notwendigkeit einer Verstärkung der Panzerung, die aus der
Beziehung
-d1 = -VPH
-rli (h)
°eF
errechnet werden kann. Die zweckmäßige Verteilung der Blechdicken ist in der
Abb. 130 durch den gestaffelten mit t4
bezeichneten Linienzug dargestellt.
Damit ist die Bemessung des Druckschachtes unter dem Einfluß der von der
Zeit nicht abhängigen Wirkungen abgeschlossen. Im Sinne der Darlegungen des
Abschn.99 sollen nunmehr auch die zeitabhängigen Einflüsse, nämlich das
Kriechen des Betons und des Gebirges Berücksichtigung finden. Hierfür dient,
wenn die Dicke der Panzerung gegeben ist, also zunächst für den oberen Teil
des Druckschachtes, die GI. (52). Weil aber das Schwinden des Betons aus den
früher dargelegten Gründen außer Betracht bleiben kann, kommt der folgende
einfachere Ausdruck für die Kontaktpressung zur Anwendung
-
..
(, )+"Q,
In ----:
'" rp
I n ( ".)
-
rli
+ Q, +Eb-"-
Ee d
i 00
Plaoo = PlaO e
1
(i)
252 VIII. Druckschächte
wobei
Qs = mg + 1 Eb (k)
mg Eg
gilt. In dieser Beziehung wird für die Endkriechzahl des Betons, ebenso wie bei
der Beurteilung des Bestandes der Vorspannung in einem nach der Kernring-
bauweise hergestellten Druckstollen (Abschn.89) nach der Deutschen Norm
DIN 4227: "Spannbeton, Richtlinien für die Bemessung und Ausführung" der
Wert f{loo = 0,875 errechnet, der unter der Voraussetzung gilt, daß der Beton die
Abb. 131. Bemessung eines Druckschachtes bei Berücksichtigung des Kriechens von Beton und Gebirge
Endfestigkeit Wb = Wboo erreicht hat. Das Kriechen des Gebirges wird durch
den Beiwert "P = 'Xf{I gekennzeichnet, der in dem behandelten Beispiel mit
'X = 2 gewählt wird. Für die in der obigen Gleichung erscheinende Kontakt-
pressung PlaO ist der im früheren Beispiel errechnete, für die Zeit t = 0 geltende
Wert Pta einzusetzen. Damit sind alle für die Auswertung der GI. (i) notwendigen
Größen bekannt. Es bleibt aber zu berücksichtigen, daß GI. (i) die Dicke der
Panzerung enthält, die ja erst zu ermitteln ist. Wenn man für den oberen Teil
des Druckschachtes bei gegebener Panzerungsdicke d1 die Kontaktpressung Plaoo
mit Hilfe von GI. (i) bestimmt, so läßt sich daraus die Entlastungsziffer 8 00 er-
rechnen.
8"" = Ptaoo : Pli . (1)
(m)
101. Grundsätzliches über die Entlastungsziffer 253
Von der Stelle ab, wo die Spannung (feoo das zulässige Maß überschreitet, d. i.
beginnend vom Punkt Q, ist eine Verstärkung der Panzerung notwendig, die
stufenweise durchgeführt wird, wie aus der Abb. 131 ersichtlich ist. Die Berech-
nung ist dabei in der gleichen Weise wie für die Dicke d1 = 1,2 cm als Span-
nungsnachweis mit wachsender Blechdicke durchzuführen, wobei letztere stufen-
weise den von den Walzwerken hergestellten Grobblechen entsprechend zu wählen
ist. Für jede Zone gleicher Blechdicke läßt sich der Wert der Entlastungsziffer
ermitteln, wofür sich in der Abb. 131 der dargestellte abgetreppte Verlauf ergibt.
Die dargelegte Berechnungsweise ist mit steigender Blechdicke so lange fort-
zusetzen, bis die abgetreppte Eoo-Linie den aus Hyperbelästen zusammengesetzten,
für den unteren Druckschachtabschnitt geltenden Verlauf der Eoo-Werte erreicht.
Dies ist bei dem gewählten Beispiel bis zum unteren Druckschachtende nicht der
Fall, weshalb der geschilderte Berechnungsvorgang für die ganze Länge des
Druckschachtes Anwendung finden muß.
Die Berechnung der Stahlbeanspruchung für das freiliegend gedachte Panzer-
rohr ergibt bei Berücksichtigung des Kriechens von Beton und Gebirge Werte, die
durchwegs unter der Mindeststreckgrenze des Blechmaterials liegen. Ihre Ein-
tragung in die Abb. 131 wurde unterlassen, weil eine Verstärkung der Panzerung
so wie sie in Abb. 130 dargestellt wurde, nicht notwendig ist.
Zum Schluß muß noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Berech-
nung des Beispiels unter der Voraussetzung durchgängig gleicher Festigkeits-
eigenschaften des Gebirges erfolgte. Sie ist in der Natur kaum jemals gegeben,
obwohl man bei der Wahl einer Druckschachttrasse immer strenge Anforderungen
an das Gebirge stellen wird. Daraus folgt, daß man bei der Berechnung die vor-
wiegend guten Eigenschaften des Gebirges zugrunde legen und ungünstige Ab-
schnitte durch entsprechende Verstärkung der Panzerung oder erforderlichenfalls
durch besondere bauliche Maßnahmen berücksichtigen wird.
Mit der Frage der Bemessung eines Druckschachtes haben sich der Stahlbau
und der Tiefbau in gemeinsamer Arbeit zu befassen und ihre Erfahrungen zur
Verfügung zu stellen. Beide Fachgebiete haben überdies eine Reihe von Hilfs-
wissenschaften heranzuziehen: Die Technologie des Stahls und des Betons, die
Elastizitätstheorie, die Geologie und die Geomechanik. Es wurde bereits erwähnt,
daß für eine erfolgreiche Tätigkeit das Zusammenwirken unbedingte Voraus-
setzung ist. Die führende Rolle kommt dabei dem Bauingenieur zu, der die geo-
logischen und geomechanischen Untersuchungen in der erforderlichen Richtung
zu lenken und dann in der Bauausführung durch Wahl der Bauweise die Voraus-
setzungen für den sicheren Bestand des Bauwerkes zu schaffen und dem Stahlbau
die Unterlagen zu liefern hat, die die Berechnung der Panzerung ermöglichen.
Der Kontakt zwischen den Fachgebieten wird in erster Linie durch den Begriff
der Entlastungsziffer, mit dem sich die vorhergegangenen Abschnitte befaßt
haben, herbeigeführt. Im Zuge dieser Untersuchungen wurde festgestellt, daß die
Entlastungsziffer, die den vom Gebirge zu übernehmenden Anteil des Innendruckes
darstellt, auch bei homogenem Gebirge keine konstante Größe ist, sondern bei
Einhaltung einer gegebenen zulässigen Stahlbeanspruchung, d. h. eines kon-
stanten Sicherheitsgrades, mit wachsendem Innendruck Pli stark abnimmt.
Am Beispiel, dessen Ergebnis in Abb. 130 zum Ausdruck kommt, wurde nach
erfolgter erster Bemessung auch der Spannungsnachweis für den Fall geführt,
daß der Widerstand der Bettung vollständig versagt. Wo sich eine Überschreitung
des Mindestwertes der Fließgrenze ergab, wurde eine Verstärkung der Panzerung
vorgesehen, derart, daß der Mindestwert der Fließgrenze noch unterschritten
254 VIII. Druckschächte
wird. Diese Bedingung wird häufig für den ganzen Druckschacht als Bemessungs-
grundlage gestellt. CHWALLA schreibt darüber [19]:
"Die Panzerrohre der Druckstollen und Druckschächte werden wie freie, nicht vom Ge-
birge umhüllte Rohre bemessen; doch darf dann die Ringzugspannung im ungünstigsten
Belastungsfall nur 80% der gewährleisteten Mindeststreckgrenze des Blechwerkstoffes
betragen. Dieser Festlegung liegt die Annahme zugrunde, daß dem Panzerrohr der Anteil
1 - e = 0,52 : 0,80 = 0,65 und daher dem umhüllenden Gebirge der Anteil e = 1,00
- 0,65 = 0,35 des Innendruckes zufällt. Der Wert von 0,52 der Mindeststreckgrenze
wurde als zulässige Beanspruchung von frei verlegten Druckrohren festgelegt. In der Nähe
der Geländeoberfläche bei geringer Gebirgsüberlagerung, bei schlechter Gebirgsbeschaffen-
heit oder bei großer Auflockerung des Gebirges durch die Sprengarbeiten, ist der rechnungs-
mäßige Gebirgsanteil von 0,35 des Innendruckes entsprechend zu vermindern, d. h. es ist die
zulässige Beanspruchung zwischen den angeführten Grenzen (52% der Mindeststreckgrenze
bei nicht mittragendem Gebirge und 80% bei gutem Fels und hoher überlagerung) durch
Interpolation zu gewinnen.
Die zulässige Vergleichsspannung freier, gerader Druckrohre wurde später von 52 auf
54,5% der Mindeststreckgrenze erhöht und im Zusammenhang damit erfolgte auch die Er-
höhung der zulässigen Ringzuspannung von Druckschachtpanzerrohren im Falle großer Ge-
birgsüberlagerung und eines sehr guten geologischen Befundes von 80% auf 100% der ge-
währleisteten Mindeststreckgrenze des Blechwerkstoffes; die angeführten Zahlen gelten
naturgemäß für den gedachten Fall des Freiliegens der Panzerung. Diese neue Festlegung, die
im Hinblick auf die erfahrungsgemäß hervorragenden Ergebnisse der Abnahmeprüfung des
Werkstoffes und auch der vorzüglichen Ausführung der Schweißarbeiten, der Betonierungs-
und Injektionsarbeiten getroffen worden ist, entspricht der Annahme, daß dem Panzerrohr
der Anteil 0,545 : 1,00 = 0,545 und der Bettung der Anteil 1,000 - 0,545 = 0,455 des
Innendruckes zufällt."
Diese Feststellungen sind vom Standpunkt des Stahlbaues getroffen worden.
Die Annahme einer vom Druck unabhängigen Entlastung durch das Gebirge
ist aber nicht zutreffend. Wenn man die Annahmen des Beispiels Abb. 130 gelten
läßt und dort die Entlastungsziffer 0,455 anwendet, so zeigt sich, daß die Ent-
lastung im unteren Teil des Druckschachtes tatsächlich etwas geringer ist. Diese
Verhältnisse könnten aber eine weitere Änderung erfahren, wenn die elastischen
Eigenschaften des Gebirges von jenen des Beispiels abweichen.
Der Druckschacht des Kraftwerkes Schwarzach besitzt im oberen Teil einen
lichten Durchmesser von 5,20 m und im unteren einen solchen von 4,90 m. Er
liegt in gutartigem, wechselnd festem Schiefer. Für die Bemessung der Panzerung
des Schachtes wurden die nachstehend angeführten Vorschreibungen gemacht.
Für den Innendruck wurden zwei Lastfälle vorgesehen u. zw. a) der Betriebs-
lastfall mit einer Drucksteigerung von 12% (17,88 m) am Ort des Leitapparates
der Turbinen und b) der Ausnahmelastfall mit 34% dynamischer Drucksteigerung
(50,66 m), gleichfalls am Ort des Leitapparates. Die zulässige Ringzugspannung
des freiliegend gedachten Panzerrohres durfte im Betriebslastfall mit 0,9 . 0,52 .
• (JeP und im Ausnahmelastfall mit 0,9·0,65· (JeP angenommen werden,
wobei (JeP die gewährleistete Mindeststreckgrenze des verwendeten Stahls be-
deutet [19]. Die Mindestwanddicke der Panzerung wurde bei dem großen
Durchmesser mit 15 mm festgelegt; die größte Dicke betrug im Bereich der unteren
Flachstrecke 27 mm.
Bereich verbleiben. Diese Bedingung ist aber nicht nur als Berechnungs-
grundlage zur Erzielung einer der Wirklichkeit nahekommenden Lösung des
Druckschachtproblems anzusehen, sondern sie soll, soweit irgendwie erreichbar,
durch die Gebirgsbeschaffenheit gegeben sein und durch Entwurf und Bauaus-
führung gewahrt bleiben.
Die Bedeutung von Hohlräumen zwischen den Auskleidungsschichten ist aus
den Ausführungen im Abschn. 96 hervorgegangen. Die theoretischen Betrach-
tungen blieben aber auch hierbei auf drehsymmetrische Hohlräume beschränkt.
Wenn dies nicht zutrifft, dann sind Nebenwirkungen zu erwarten und es ist Auf-
gabe der folgenden Ausführungen, die Auswirkung von örtlich vorhandenen
Hohlräumen zu behandeln.
a) Hohlräume zwischen Schachtpanzerung und Bettungsbeton. Solche Hohl-
räume können dadurch entstehen, daß bei der Verarbeitung von plastischem
Beton an der Unterseite der Panzerung infolge Nachsackens des Betons oder
Abb. 132 a-c. Die Ausw rkung von Hohlräumen zwischen der Panzerung und dem Bettungsbeton bei Druck-
schächten
(54)
(54a)
256 VIII. Druckschächte
und die Fläche, um die sich der Querschnitt der Panzerung infolge der elastischen
Dehnung vergrößert, stellt sich auf
1. 7 Kastner, Statik
258 VIII. Druckschächte
hat man sich, wie im Querschnitt Abb. 133 a ersichtlich ist, entschlossen, zunächst
einen Tragring einzubauen um, den Arbeitsraum zu sichern. Der zwischen dem
Tragring und der Panzerung verbleibende Hohlraum wird während der Betonierung
der übrigen Schachtteile mit Beton ausgefüllt. Mit Rücksicht auf die ungünstige
Beschaffenheit des Gebirges hat man außerdem die Panzerung soweit verstärkt
daß sie freiliegend, den vollen Innendruck ohne überschreitung der zulässigen
Beanspruchung des Stahles aufzunehmen vermag.
Bei der Füllung des Druckschachtes wird sich bei der gegebenen Sachlage in
den Bereichen A I A 2 und B I B 2 entsprechend den günstigen Eigenschaften des Ge-
birges eine Entlastung e ergeben. In den Bereichen AIBlund A~2 wird infolge
der Beschaffenheit des Gebirges eine solche Entlastung nicht bestehen. Dabei ist
nicht ausgeschlossen, daß durch Nachbrüche Hohlräume im Gebirge verblieben
sind. Die Schwachstellen werden gewölbeartigüberbrückt, wie dies in der Abb.133a
strichliert eingezeichnet ist. Das Gewölbe muß hierbei den Druck epli übernehmen,
lehmlasse
fnllasfungsgewölbe
Tragring
!I
b c
Abb. 133 a-c. Die Auswirkung von Hohlräumen zwischen dem Bettungsbeton und dem Gebirge und der Einfluß
von Schwachstellen des Gebirges
Maße möglich ist, kann sich ein Gleichgewichtszustand nicht ausbilden, und die
Panzerung wird in den Auflagerpunkten kleine Gleitbewegungen auszuführen
trachten. Im Grenzzustand des Gleitens, also unmittelbar vor Eintritt dieser
Bewegung, wirkt dann auf die Panzerung nur der Reibungswiderstand R, während
der der Differenz LlZ - R entsprechende Anteil des Innendruckes beispielsweise
im Sektor AlOlB l Biegewirkungen zur Folge hat, die sich in einem Stützenmoment
an den Auflagerstellen Al und BI und in einem Feldmoment im Querschnitt 0 1
äußern werden.
Um über die Größe der Biegewirkung ein Bild zu geben, wird ein Beispiel
vorgeführt, dem folgende Annahmen zugrunde liegen: Der lichte Halbmesser der
Panzerung betrage rli = 90 cm, der Innendruck an der in Betracht gezogpnen
Stelle sei Pli = 40 kgcm- 2 , die Entlastung durch das Gebirge sei durch die
Entlastungsziffer e = 0,5 gekennzeichnet und der Reibungswinkel zwischen
Panzerung und Beton mit (! = 30° angenommen. Wegen der ungünstigen geo-
logischen Verhältnisse sei bei der Bemessung der Panzerung auf die entlastende
Wirkung verzichtet worden, weshalb sich deren Dicke reichlich bemessen zu
Xb = ~
n
[Vsin 2 iX + H (iX - sin iX cos iX) + e Pli rli (iX cos iX - sin iX)] (55)
Me = sm e + X b rli + Xe }
MA = MB = Xbrli COSiX + Xe (56)
Mn = - Xbrlt + Xc'
Sie ergeben für die Winkel (! = 10°,20° und 30° die in der nachstehenden Tabelle
angeführten Biegemomente an den Punkten A, 0 und D und die Gesamtspannung
Ge im Querschnitt O. Man ersieht daraus, daß bei (! = 30° die Gesamt-
Tabelle 25. Die Biegewirkung in einer Druckschachtpanzerung, deren Bettung in einem durch den
halben Öffnungswinkel gekennzeichneten Teilbereich versagt
" I
9Jlo
cmkg
MA
cmkg
I Mo
cmkg
I
Mn
cmkg
I ae
kgcm- 2
10°
20°
- 2390
- 9200
260
1900
- 2120
- 7220
I - 60
- 720
1700
3610
30° -20854 I 6190 -14080 -2190 6170
17*
260 VIII. Druckschächte
1'I00I-IIH\-t---+--+--+---+--+---j--I--+--l
l@O~~----+---+---~-+--~--4---~-+--~
\\ wurde, wobei der kritische
Druck mit etwa 2 kgcm- 2
\~ bewertet werden konnte. Der
t 1MO'~~~~--4---+-~---+----+---+-~--~
~1
I ~\f\. andere Fall ereignete sich
L'"0'00
\-~-l-:-:;;=::==:==:==:==::=::=:
\".-+
000'1--Il,""\\'I-'f\.'"
1\ \.
.n:q
bei einem
mit einer lichten
Schachtpanzerung
Durchmes-
\' 'l\_'\ ~~
"'01 "\.,~.,,
Q vollkommener Kontakt ser von 2,50 m, die noch vor
600
\\I\.." ~4.ti)'t'----....... der Betriebsaufnahme auf
'lfJ{}1--tfl~
'''''$.;~~.?);;';{f?'~~..;;:-'f'''-od-=....,..=-+---+---t---I eine Länge von 20 m zwei-
Z/lJ
\I~~~~ . . . . . t--..--
1 ~:.e>~ -1-......... -
--::::::---'--4--1
I ~- -
seitig zusammen um den hal-
o.
~ro~r.~i's~r~
... '%~tl~--~~+-;;--lt--~~-~E~~j§~~-~
Rohr r"-t-. --!-. _ ben Durchmesser eingebeult
100 6/J{} JOO SfJ(J
'I{)]wurde. Der kritische Wasser-
r1i druck konnte theoretisch zu
-:r-
u", - 8 kgcm- 2 ermittelt werden.
Abb. 134. ReuIspannungen für das glatte Druckschacht-Panzerrohr Die Beschädigung einer
aus normalem Flußstahl [2] Druckschachtpanzerung
bringt einen beträchtlichen
Verlust mit sich. Die Panzerung muß an der SchadensteIle herausgeschnitten und
erneuert werden. Dies bedingt kostspielige, mit Abbrucharbeiten am Bauwerk
verbundene Maßnahmen, um die Zugangswege zur Schadenstelle wieder zu er-
öffnen. Die Stillegung des Werkes verursacht überdies einen Ausfall in der Energie-
erzeugung, dessen Gegenwert die Kosten der Wiederherstellungsarbeiten meist
übersteigt. Es liegen also gute Gründe dafür vor, dem Beulproblem bei Druck-
schacht- und Druckstollenpanzerungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Dieses Problem gehört zwar streng genommen in das Gebiet der Statik des Stahl-
baues. Die Maßnahmen zur Verhütung von BeuIschäden sind aber hauptsächlich
bautechnischer Art, bzw. sie beeinflußen die Bauausführung maßgebend, weshalb
dem Beulproblem einiger Raum gewidmet wird.
Die Ausbildung eines Wasserdruckes an der Außenseite der Panzerung setzt
das Vorhandensein von Hohlräumen voraus, die entweder mit Bergwasser oder
mit Leckwasser aufgefüllt werden. Das Leckwasser kann aus dem Schacht selbst
oder aus benachbarten Bauteilen stammen, die unter Druck stehen oder standen.
Der letztere Fall kommt besonders im oberen Teil von Druckschächten bei deren
Entleerung in Betracht, wo aus dem anschließenden Druckstollen oder dem nahe
gelegenen Wasserschloß Wasseraustritte möglich sind und wo die wegen des ge-
ringen betrieblichen Innenwasserdruckes dünne Druckschachtpanzerung be-
sonders beulempfindlich ist und nur schwer hohlraumfrei stabilisiert werden kann
(s. Abschn. 99).
Das Beulproblem ist statisch für ein auf der Betonbettung nicht aufliegendes
Rohr, also bei Berücksichtigung eines ringsum vorhandenen Hohlraumspaltes
zuletzt von AMsTuTz eingehend behandelt worden [2]. Die kritische Beulspannung
103. Das Einbeulen von Druckschacht- und Druckstollenpanzerungen 261
für ein glattes Panzerrohr ist von seinem lichten Halbmesser rli, von seiner Dicke
d1 und von der Weite des Spaltes Ll 1 abhängig. Es ist zweckmäßig, die kritische
Beulspannung f1krit in Abhängigkeit vom Verhältnis rli: d1 darzustellen und den
Hohlraumspalt zum Innenhalbmesser ins Verhältnis zu setzen, d. h. den
Parameter Ll 1 : rli einzuführen. Dann ergibt sich auf Grund der von AMSTUTZ
aufgestellten Beziehungen für die kritische Beulspannung das Diagramm gemäß
Abb. 134. Ein unterer Grenzwert der kritischen Beanspruchung ist durch die
Theorie des unter Außendruck gelangenden, vollkommen freien, unendlich langen
Rohres gegeben (Ll 1 : rli = (0), die in strenger Form im Jahre 1914 von MISES
behandelt wurde [32]. Beim eingebetteten Rohr liegen die Verhältnisse günstiger,
a b c
d e
Abb. 135a-e. Einbeulstadien einer unter Außenwasserdruck gelangenden Druckschachtpanzerung [2]
weil die Panzerung nicht frei ausweichen kann, sondern durch die Bettung behindert
wird; die kritische Spannung erreicht ihren Höchstwert für vollkommenen Kon-
takt (Ll 1 : rI; = 0). Die Art der eintretenden Verformung geht aus Abb. 135 hervor.
Bei zunehmender Ringspannung infolgc des Außenwasserdruckes wird das nicht
satt am Bettungsbeton anliegende und daher in begrenztem Maße verformbare
Rohr bald seine Stabilitätsgrenze erreichen und in eine elliptische Form über-
gehen. Damit ist aber seine Tragfähigkeit nicht erschöpft; vielmehr werden die
stärker gekrümmten Teile bald die Wandungen des Bettungsbetons berühren und
bei weiterer Laststeigerung wird sich die Panzerung in zunehmendem Maße an die
Betonbettung anschmiegen. An den freiliegenden Stellen der Panzerung werden
sich später isolierte Einbuchtungen bilden, die bei wachsender Belastung immer
schmäler und höher werden. Die Tragfähigkeit der Panzerung ist dann all' er-
schöpft anzusehen, wenn an irgendeiner Stelle die Randspannung die Fließgrenze
des Stahls erreicht. Bei noch größerer Belastung wird die Ausbuchtung plastisch
zusammengefaltet und damit der Zusammenbruch des ganzen Rohres eingeleitet.
Die Frage, wie groß die Belastung der Panzerung durch den Außenwasser-
druck werden kann, läßt eine theoretische Beantwortung kaum zu. Nach den
Eigenschaften des Gebirges und nach den hydrologischen Verhältnissen, wie sie
beim Ausbruch des Stollens oder Schachtes angetroffen werden, ist eine Beurtei-
lung des Einzelfalles möglich; sie muß immer angestellt werden, obwohl von ihr
meist nur ein rohes, qualitatives Ergebnis aber keine sichere Bewertung der Größe
des Außenwasserdruckes zu erwarten ist.
262 VIII. Druckschächte
Abb. 137 a u. b. Regelquerschnitte von Druckschächten mit parallel verlaufendem Begehungs- und Entwässerungs-
gang
Betonbettung ein Keil herausgelöst, der trotz der Bewehrung nach oben zurück-
weichen kann. Bei plötzlichem Nachgeben dieses Keiles können dynamische Be-
anspruchungen von beträchtlichem Ausmaß auftreten und zu Schäden an der
Panzerung führen. Dies gilt im gleichen Sinne für die Beispiele gemäß Abb. 139
und 140. Die Ergebnisse der im Abschn.102 durchgeführten Untersuchungen
weisen darauf hin, daß man sich bei der Beurteilung der Pan-
zerung in solchen Fällen keineswegs auf die Sicherheit stützen darf, die das Rohr
bei ringsum gleichmäßig eintretendem Versagen der Bettung, also bei vollständi-
gem Freiliegen noch besitzt. Die entlastende Wirkung der Bettung muß im Be-
reich eines solchen Entwässerungsschachtes unter allen Umständen, also auch
bei ungünstigster Lage der Radialrisse im Beton gewährleitet bleiben, wenn man
es nicht vorzieht, auf Ausführungen solcher Art zu verzichten.
Wosserschloß
119000
I Moröne
Drucks folien
/g.590Qm
! .~~==~~~~:sz.!.!10!!!18,,-,,5"!.0 fensterstollen .A
, f'Z,50m
Rohrbrüche JlJndJI
vom JO.l0. lUQ5
Rohrbruch
vom lOg. 10'17
~
~7LV._·E_2_5~o._-____~~
__~--o__~ ___~__,_ _ _~ >------{§)--c_-<>---o---o~-
Abb. 139a u. b. Regelquerschnitte für die Steilstrecke des Druckschachtes des Gerloskraftwerkes Tirol; a) im
standfesten Gebirge; b) im gebrechen Gebirge [29J
Es wurde bereits früher erwähnt (Absehn. 22), daß am Hang ein Talzuschub,
also eine Felsgleitung postglazialen Ursprunges festgestellt wurde, weshalb man
den Schacht tief in das Berginnere verlegt hat. Diese Vorsichtsmaßnahme wurde
ergriffen, obwohl keine Anzeichen vorhanden waren, die für ein Wiederaufleben
der alten Hanggleitung gesprochen hätten. Ferner sei noch erwähnt, daß sich
nördlich des Druckschachtes alte Goldbergbaue befinden, die im 16. und 17. Jahr.
hundert ausgebeutet wurden und sehr ergiebig waren. Diese alten Goldbergbaue
266 VIII. Druckschächte
im Bereich des Gewölbes über dem Entwässerungsgang. Im Bild rechts ist ein
gegen das Widerlager dieses Gewölbes verlaufender Radialriß erkennbar. Die von
Abb. 141. Begehungs- und Entwässerungsgang im Abb. 142. Druckschacht des Gerloskraftwerkes, Scha-
Druckschacht des Gerloskraftwerkes Tirol an der Scha- denstelle II des Rohrbruches vom Jahr 1945 [98]
denstelle I des Rohrbruches vom Jahre 1945 [98]
dort gegen den Vordergrund des Bildes führende rauhe Bruchfläche des Betons
ist anscheinend ebenfalls durch einen Riß vorgezeichnet, der die Rückfläche der
Betonschale gesucht hat. Eine ähnliche
Erscheinung ist auf der linken Bildseite
zu sehen.
Abb. 142 zeigt die Schäden an der
unteren Rohrbruchstelle von 1945. Man
sieht auf der Unterseite der Panzerung
einen klaffenden Längsriß, der etwas
seitlich der Sohlenmitte verläuft. Er hat
die Montagerundnaht, die zwischen zwei
Gleitfüßenpaaren liegt, ohne daß seine
Richtung beeinflußt worden wäre, durch-
trennt. Im rechten Teil des Bildes sieht
man die stehengebliebeneHälfte der Beton-
auskleidung des Entwässerungsganges.
Ihre Begrenzung folgt annähernd dem
Scheitelquerschnitt des Gewölbes, so daß
anzunehmen ist, daß auch sie durch
einen Radialriß vorgezeichnet wurde.
Im linken Teil des Bildes ist die Aus-
kleidung des Entwässerungsganges voll-
ständig abgetragen und der Tragring aus
Betonformsteinen unterkolkt worden. An
der klaffenden Fuge zwischen Panzerung Abb.143. Rohrbruch 1947 in der unteren Flach-
strecke des Druckschachtes des Gerloskraftwerkes.
und Beton ist zu ersehen, daß das Gewölbe Der herausgerissene Lappen der Panzerung liegt
des Entwässerungsganges um ein be- auf der Oberseite der ursprünglichen Betouüber-
deckung; darüber ist der später hergestellte Auf-
trächtliches Stück nach abwärts gedrückt beton und ganz oben der anläßlich der Instand-
setzungsarbeiten belassene Kriechgang zu sehen
wurde. [98]
268 VIII. Druckschächte
Aus den Abb. 141 und 142 läßt sich erkennen, daß die RIßbildung in der Panze-
rung mit dem Entwässerungsgang im Zusammenhang steht. Besonders auffällig
ist diese Erscheinung aber beim Rohrbruch von 1947, dessen Auswirkungen aus
der Abb. 143 ersichtlich sind. In der durch die auftretenden Wassermassen frei-
gelegten waagrechten Panzerung ist vorne eine Lücke zu sehen; sie entstand da-
durch, daß ein dreieckförmiger Lappen aus dem Rohr herausgerissen und in der
Fließrichtung gegen die Apparatekammer hin geschleudert wurde. Im Anschluß
an diese Lücke sieht man den klaffenden Längsriß, der etwas links vom Scheitel
der Panzerung verläuft, wie dies auch der Zerstörung der Betonüberdeckung ent-
spricht, von der auf der linken Seite mehr abgetragen wurde wie auf der rechten.
Im Hintergrund ist der Aufbeton zu sehen und darüber der Kriechgang. Die Panze-
rung hat den lichten Durchmesser von 1600 mm und eine Dicke von 30,5 mm. Der
Bruch war spröde und ohne jede plastische Verformung.
Bei so schweren Schäden, wie sie eben geschildert wurden, sind meist mehrere
Ursachen im Spiel. Eine sehr wichtige Ursache war aber zweifellos der Zusammen-
bruch der Bettung, die in dem Gewölbe über dem Begehungsgang des Schräg-
schachtes einerseits und im Aufbeton im waagrechten Teil des Druckschachtes
in statischer Hinsicht unzulänglich war. Die beim Versagen der Bettung auf-
tretende, stoßartig wirkende Belastungsänderung hat den Spröd bruch der Panze-
rung herbeigeführt.
Als zweite wesentliche Ursachc des Schadens muß die Trennbruchempfindlich-
keit des Stahls der Panzerung angeführt werden. Sie ist von der chemischen Zu-
sammensetzung des Werkstoffes, von der Schmelzführung bei der Stahlerzeugung
und von der Wärmebehandlung, die der Stahl erfahren hat, abhängig. Die sta-
tischen Festigkeitsuntersuchungen des Stahles zeigten ein einwandfreies und den
geforderten Bedingungen durchaus entsprechendes Verhalten. Zugfestigkeit und
Bruchdehnung waren bedingungsgemäß ; die Einschnürung und das Bruch-
bild zeigten keine Mängel. Unter ruhender Belastung, etwa in einer genieteten
Konstruktion, hätte der Stahl entsprochen. Hingegen hatte die Untersuchung
der Kerbzähigkeit ein ungünstiges Ergebnis, das sich bei niedrigen Temperaturen
noch verschlechterte. Die Eigenschaften des Stahles der Panzerung haben die
Rohrbrüche begünstigt; das Versagen der Bettung kam jedoch als Schadensur-
sache hauptsächlich in Frage. Für diese Anschauung sprechen folgende Gründe:
a) Die Risse in der Panzerung waren in allen Fällen Längsrisse und lagen an
jenen Stellen, wo außerhalb der Panzerung der Entwässerungsschacht verläuft.
b) Eine Beeinflussung der RIßbildung durch die Spannungsfelder in der Nähe
von Schweißnähten oder durch Spannungshäufungen an den außerordentlich
zahlreichen verschweißten Injektionslöchern in der Panzerung war nicht fest-
stellbar. Keiner der Risse suchte eines der vielen Löcher.
c) Zwei von den drei SchadensteIlen lagen in einem Gebirge, das eine unter
den gegebenen Verhältnissen relativ gute Beschaffenheit aufwies. Diese Fest-
stellung beinhaltet einen scheinbaren Widerspruch, der aber sofort geklärt werden
kann. Je besser nämlich die Eigenschaften des Gebirges sind, d. h. je größer sein
Elastizitätsmodul ist, desto größer ist die Entlastung der Panzerung. Wenn nun
die Bettung im Bereich des Entwässerungsganges nachgegeben hat, ist die dabei
auftretende Belastungsänderung umso größer, je stärker die Entlastung vor dem
Bruch war. Damit ist die Tatsache gekennzeichnet, daß in guten Gebirgsstrecken
für die Überwölbung des Hohlraumes bei gleichem Innendruck in höherem Maße
eine Gefährdung bestand, als bei ungünstiger Gebirgsbeschaffenheit. Bei großer
Nachgiebigkeit des Gebirges steht die Panzerung von vorneherein nahezu unter
voller Ringzugspannung, und ein Wegfall der Entlastung bringt keine wesent-
liche Änderung des Belastungszustandes und daher auch keine nennenswerte
Biegewirkung des entlasteten und freiwerdenden Rohrsektors. Solche Gesichts-
105. Grundsätzliches über die bauliche Ausbildung von Druckschächten 269
punkte sollen aber nur zur Begründung dieses außergewöhnlichen Falles gelten;
für ihre Anwendung darf im Druckschachtbau keine Möglichkeit gegeben werden.
Man soll größere Hohlräume in der Bettung oder zwischen Bettung und Gebirge
vermeiden; wenn sie aber unbedingt notwendig sind, muß für einen drehsym-
metrischen und ringsum möglichst gleichmäßigen Widerstand der Bettung Sorge
getragen werden. Im geschilderten Fall wurde denn auch der Bewässerungs-
gang vollständig mit Beton verschlossen und damit eine Sanierung des Bau-
werkes herbeigeführt.
Eine grundlegende Forderung, von der nicht abgegangen werden darf, ist, daß
Zimmerungsholz unter keinen Umständen zwischen Betonbettung und Ge.
birge verbleiben darf. Die heutigen Methoden gestatten es bei Druckschächten
immer den zeitweiligen Ausbau so zu wählen, daß eine Störung des Gebirges mög.
lichst vermieden und ein einwandfreier Kontakt zwischen den Auskleidungs.
schichten gewährleistet wird. Hinsichtlich der Güte des Bettungsbetons ist kein
besonderer Hinweis nötig, hingegen ist es zweckmäßig, darauf aufmerksam zu
machen, daß bei der Ausführung der Zementinjektionen größte Sorgfalt anzu·
wenden ist. Hierfür gelten sinngemäß die im Abschn. 92 bei Druckstollen ge·
gebenen Hinweise.
Schutzkolloid die Verdickung der Mischung verhindert; dadurch wird die Gleit-
fähigkeit erhöht, und die Zementteilchen und Sandkörner bleiben in Suspension,
wodurch die Förderung des Mörtels in Rohrleitungen erleichtert oder überhaupt
erst ermöglicht wird. Die Mischung kann durch lange Rohrleitungen gepumpt
werden, ohne daß es zu einer Verstopfung kommt, und die Suspension wird auch
in den Poren des Kiesgerüstes bis zur Erhärtung aufrechterhalten, so daß keine
Entmischung eintritt.
Über die Zusammensetzung des Mörtels gibt die nachstehende Tab. 26 Auf-
schluß [14], die später durch einige Ziffern von tatsächlichen Ausführungen er-
weitert wird.
Nachdem ein längerer Rohrstrang auf diese Weise vorbereitet war, wurde die
Einpressung durchgeführt, die am Ende der Einpreßzone um einen hinterfüllten
Rohrschuß zurückblieb, damit für die zu injizierende Rohrstrecke eine Kiesauflast
vorhanden war.
Die Herstellung des Prepakt-Mörtels erfolgte im Scheitelbereich des Druck-
schachtes. Der Mörtel wurde dann über einen Zwischenbehälter mit einer Rohr-
leitung der von unten nach oben fortschreitenden Arbeitsstelle zugeführt. Der
Verteilbehälter stand etwa 25 m über der Injektionsstelle. Dieser Höhenunter-
schied entspricht bei einem Raumgewicht des Mörtels von 2 tm-3 einem Druck
von 5 atü. In der Panzerung waren in waagerechten Ebenen die Injektionslöcher
Abb. 144. Einpressung von Prepaktmörtel in einem gepanzerten Druckschacht von einem auf Gummirädern lau-
fenden Aufzugswagen [6]
Kapitel IX
Kavernen
: (-+"':::~I
zum Speicher ~- - ~: Grundriß
l1ooserhoden :~ , I I
I I ' :~
zum IIr,arrwl'l"lf
Umherg
o 5 !Tl 10
Abb.145. Grundriß und Querschnitt der Kaverne des Möllpumpwerkes der Tauernkraftwerke, Kaprun [47 b)
108. Statische Beurteilung des Gewölbes 275
In der Auflockerungszone sind die Festigkeitseigenschaften des Gebirges be-
einträchtigt. Der Elastizitätsmodul des Gebirges ist ein Maßstab für die Reich-
weite dieser Schädigung und die Möglichkeit den Elastizitätsmodul in verschie-
Schnitt J-[
Schnitt ll-ll
~------------------67.5-------------------~
18*
276 IX. Kavernen
denen Tiefenlagen von Bohrlöchern zu bestimmen, erbringt einen Hinweis auf die
schädigende Tiefenwirkung der durchgeführten Sprengarbeiten. Die Messung er-
li
folgteähnlich wie sie im Abschn. 9b beschrieben wurde in parallel angeordneten
Bohrlöchern von entsprechender Tiefe. Die erste Messung wird am Grunde der
%
GO
\
10 \
$tollenfirsf
!~ 1 Zm
10l tOl
%~ %~
2m 2m 2m
20
\ ZOll
\-
% \ %
10 %rA A
.~
em 1m Zm
Abb. 147. Messung der Dicke der Auflockerungszone mit Ultraschall in Rofnagneis [156]
60
°'0 52%
50 50
% 1/1%
1/0 '1O
JO JO
20 GO
2m
$follensohle
Abb. 148. Messungen der Dicke der Auflockeruugszone mit Ultraschall in Marmor [156]
Bohrlöcher ausgeführt; dann werden sowohl die Schallköpfe als auch die Empfänger
in Stufen von etwa 20 cm herausgezogen und die Messungen in jeder Stufe wieder-
holt. Bei den mtraschall-Untersuchungen, die bei der Kraftwerksgruppe Hinter-
rhein durchgeführt wurden, zeigte sich bei Verfolgung des geschilderten Vorganges
108. Statische Beurteilung des Gewölbes 277
von einer gewissen Bohrlochtiefe an ein starkes Wachsen der Schallaufzeit, wo-
durch sich die Schädigung des Gebirges anzeigte. Die Verlängerung der Schallauf-
zeit betrug im Gneis im Mittel 12% gegenüber den Messungen am Bohrloch-
grund. Extremwerte konnten mehr als das Doppelte davon erreichen (Abb.147).
Messungen in Marmor (Abb. 148) zeigten bei dem erwähnten Meßvorgang vom
Bohrlochgrund zur Felsoberfläche fortschreitend, ab einer Tiefe von 1,50 mein
rasches Ansteigen der Schallaufzeit um 30-50%, die dann von 1 m Tiefe bis zur
Felsoberfläche etwa gleich blieb. In Abb. 148 ist bei rd. 1,0 m Tiefe eine nur lokal
begrenzte Laufzeitverlängerung um rd.40% ersichtlich, die auf eine örtliche
Störung schließen läßt.
Weil die verwendeten Geräte auch die Messung der Amplitude dcr ankommen-
den Schwingung gestatten, war die Möglichkeit gegeben, auch die den Empfänger
in verschiedenen Tiefen treffende Schallenergie zu beurteilen. In Übereinstim-
mung mit der Verlängerung
der Schallaufzeit zeigte sich Bereich tangentialer Zugspannungen
bei den durchgeführtenVer- --...,---. bei mr6 1/. iv -0,&
suchen ein Abfall der
Schwingungsamplitude in
dem durch die Sprengarbei-
ten gestörten Gebirge.
Die Auflockerungstie-
fen, die auf diesem Wege
bestimmt wurden, betrugen
im Gneis 1,0 - 1,5 m, im
Sandkalk 1,5-2,0 mund
im Marmor 1,0 m_ Diese
Messungserge bnisse sind im
Einklang mit den vorlie-
genden Schätzungswerten.
Für die Gewölbeberech- Abb. 149. Zur Statik eines Kavernengewölbes
nung wird man zunächst
eine auf die ganze Stützweite wirkende, dem Gewicht der Auflockerungszone ent-
sprechende, gleichförmige Belastung annehmen, wird aber die Untersuchung durch
Berücksichtigung einer teilweisen Belastung erweitern, weil diese Möglichkeit
immerhin gegeben ist. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß bei gutem Kontakt
zwischen Gewölbe und Gebirge die unter teilweiser Belastung entstehende Verfor-
mung in den anderen Gewölbeteilen den Felswiderstand weckt, so daß die Ab-
weichung von der symmetrischen Belastung nicht ganz zur Auswirkung kommen
wird. Voraussetzung für diesen günstigen Umstand ist die sorgfältige Ausführung
der Kontaktinjektionen im First.
Aus der Tatsache, daß die Auflockerung durch Sprengarbeiten die Haupt-
belastung verursacht, folgt, daß man beim Ausbruch des Gewölbes schonungsvoll
vorgehen soll. Man wird insbesondere Stollen und Schächte, die der Erkundung
oder der Aufschließung des Gebirges dienen, nicht ganz an den planmäßigen
Ausbruchsrand heranrücken, weil beim Vollausbruch mit parallel zur Ausbruchs-
fläche angeordneten schwach geladenen Kranzschüssen die Auflockerung in engen
Grenzen gehalten werden kann (s. Abb. 149).
Echter Gebirgsdruck, der eine Überschreitung der Druckfestigkeit des Gebirges
als Ursache hat, soll beim Bau einer Kaverne vermieden werden. Eine Über-
schreitung der Gebirgsdruckfestigkeit kann aber auch infolge der Formgebung
auftreten. In vielen Fällen bleiben die Ulmen unverkleidet, und die Widerlager
des Gewölbes werden aus Sicherheitsgründen bergwärts gerückt (Abb. 149).
Dadurch entstehen Ausbruchszwickel, und an den einspringenden 'Winkeln stellen
sich notwendigerweise Spannungshäufungen ein. Um hierüber ein Bild zu gewinnen,
278 IX. Kavernen
(Jtmax = Pv (1 + ~) (1)
auftreten, wobei a die halbe große Achse der Ellipse und R den Krümmungs-
halbmesser an deren Endpunkten bedeuten. Wenn das Verhältnis der kleinen zur
großen Achse der Ellipse sehr klein wird, wächst die Tangentialspannung stark an;
für R = 0 erreicht sie den Wert 00. Damit ist die Kerbwirkung gekennzeichnet.
In den einspringenden Widerlagerzwickeln wären also im Falle eines auf die ganze
Länge der Kaverne erfolgenden freistehenden Vollausbruches sehr hohe Span-
dem rechnungsmäßigen nicht entspricht. Ferner ist der Einwand anzuführen, daß
infolge der ringweisen Betonierung des Firstgewölbes eine Verspannung in der
Längsrichtung der Kaverne eintritt, so daß der theoretisch ermittelte Zugspan-
nungsbereich nicht zu entstehen
braucht. Demgegenüber muß aber er-
wähnt werden, daß infolge des Hohl-
raumspaltes, der zwischen dem Beton-
gewölbe und dem Gebirge vorerst un-
vermeidlich verbleibt und erst nach
der Herstellung des gesamten Gewölbes 10
durch Injektionen geschlossen wird,
der Firstausbruch doch kurze Zeit auf
seine ganze Länge freisteht, wodurch \
\ .
I
I
'
Verhältnisse gegeben sind, die der \ I (3\.:
theoretischenVora ussetzung des Nicht- _L_ --r- -'=='L-,
bestehens einer Längsverspannung 'N "
entsprechen. ----- y
- ~-r---/
.,
Wenn tektonische Spannungen be- , J![[
1ronsf.:V'ffllJtor
Drehstrom· GenerlJtor
freisfrahl-Turbine
SchieberklJmmer
Ablouf/(lJmmer
Abb. 153. Querschnitt der Kaverne des Kraftwerkes Innertkirchen [65]
eine Breite von 19,5 m über den Gewölbeansätzen gemessen. Sie liegt in stand-
festem Innertkirchener Granit. Die Kaverne wurde so angeordnet, daß ihre Längs-
achse senkrecht zum Hauptkluftstreichen (der Bericht spricht etwas undeutlich
vom Streichen des Felsens) verläuft. Der Bericht erwähnt auch die Spannungs-
konzentration in der Höhe des Gewölbekämpfers. Wegen der guten Gebirgs-
beschaffenheit konnte man sich mit einem verhältnismäßig dünnen Firstgewölbe
begnügen; seine Mindestdicke bis zu den Felsspitzen gemessen beträgt nur 40 cm.
Durch Zementinjektionen ist ein vollständig sattes Anliegen am Fels sowie eine
Verschließung der Spalten des Gebirges erreicht worden. Bei der statischen Be-
rechnung des Gewölbes ist angenommen worden, daß es einen durch Auflockerung
aus dem Gesteinsverband gelösten Felsblock von 5 m Breite und 5 m Höhe ent-
sprechend einer Belastung von rd. 65 t je m Gewölbe zu tragen vermag.
großen Höhe der Ulmen nicht weniger bedeutungsvoll als ähnliche Erscheinungen
im First. Aus der Begrenzung solcher zum Nachbruch neigender Gesteinspartien
und aus der Art und Lage der vorgebildeten Absonderungs- und Gleitflächen kann
auf die zu erwartenden Belastungen der vorzusehenden Auskleidung geschlossen
werden. Auch in diesem Falle kommt daher, ebenso wie bei der Beurteilung der
Möglichkeit von Firstnachbrüchen, den mit den Ausbruchsarbeiten laufend aus-
zuführenden geologischen Detailuntersuchungen, sowie der Deutung und Ver-
wertung ihrer Ergebnisse, eine größere Bedeutung zu, wie rein theoretischen Er-
wägungen. In Abb. 155 sind die nach Herstellung des Firstgewölbes und Abtra-
Schniff E-F
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Abb. 154. Arbeitsvorgang beim]Au~bruch der ClIöllpumpwerks-Kaverne der Tauernkraftwerke, Kaprun [47b]
in rmst (Abb. 152) und jene des Kraftwerkes Ambiesta am mittleren Tagliamento
zeigen (Abb. 157). Das solcherart ausgebildete Gewölbe kann aber wegen der
meist beträchtlichen Höhe der Ulmen nur einen geringen Pfeil erhalten. Außer-
dem kann unter Umständen sein Anschluß an das Firstgewölbe gewisse Schwie-
Abb. 155. Pumpwerkskaverne für die Möllüberleitung der Tauernkraftwerke, Kaprun; Gewölbe eingezogen,
Widerlager freistehend [70i]
Abb. 156. Kaverne des Möllpumpwerkes der Tauernkraftwerke, Kaprun nach Beendigung des Rohbaues [47 b]
109. Beurteilung der Ulmen 283
Abb. 157. Querschnitt der Kaverne von Somp'ago am :Ilittleren Tagliamento. Man beachte die statischen Gesichts-
punkten entsprechende, vollendete Form des Querschnittes [92]
qo)
Kapitel X
Neue Bauweisen
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a b c
Abb. 160a-c. Felsanker nach DIN 21521
anker dargestellt, wobei die beiden letzteren Formen als typische Beispiele von
Expansionsankern zu gelten haben (nach DIN-Vornorm 21521).
Beim Keilschlitzanker wird in den am Ende der Ankerstange angebrachten
Schlitz ein Keil eingesetzt. Durch das Antreiben der Stange gegen den Bohrloch-
grund drängt der Keil die Enden der Stange auseinander und preßt sie gegen die
Bohrlochwandungen. Der Durchmesser des Keilschlitzankers muß seiner Länge
angepaßt sein, weil sonst das Einschlagen auf Schwierigkeiten stößt. RABCEWICZ
gibt an, daß ein Ankerdurchmesser von 20 mm einer Ankerlänge von 150 cm
entspricht, während bei größeren Längen ein Durchmesser von 25 mm nötig ist.
Der Durchmesser des Bohrloches wird mit 36 bis 39 mm zu wählen sein. Der Keil-
schlitzanker hat den Nachteil, daß die Bohrlochlänge jener des Ankers entsprechen
muß. Ferner ist eine Wiederverwendung nicht möglich, weil man den Anker nicht
herausziehen kann. Letzterer Nachteil ist aber von geringer Bedeutung, weil
man einen einmal gesetzten Anker selten wiedergewinnen wird.
Beim Spreizhülsenanker werden die Lamellen der Spreizhülse durch einen
Konus auseinandergetrieben und an der Bohrlochwand fest verklemmt. Beim
Setzen des Ankers wird der Konus in die Spreizhülse hineingezogen, indem die
Ankerstange in den Konus geschraubt oder mittels einer Setzwinde angezogen
wird.
Bei den Expansionsankern wird das Ankerstück am Bohrlochgrund mit der
durch das Anziehen der Mutter ausgeübten Zugkraft erweitert und an die Bohr-
lochwandungen gepreßt. Zur Expansion wird entweder eine Hülse oder ein Doppel-
keil verwendet.
Die Ankerspannkraft wird durch den Widerstand des Ankerkörpers begrenzt.
Dieser wieder ist von der Beschaffenheit des Gesteins abhängig. Durch Versuche
im Ruhrgebiet wurde festgestellt, daß der Ankerwiderstand von der Härte des
Gesteins in gewissen Grenzen abhängig ist, wobei die Härte durch eine Kugel-
schlagprobe ähnlich der BRINELLschen Probe ermittelt werden kann. Bei den
Versuchen hat sich gezeigt, daß Gesteine von mittlerer Härte zur Verankerung
besonders geeignet sind. Bei zu harten und zu weichen Gesteinen kann die Zug-
festigkeit des Stahls nicht ausgenützt werden. Die Versuche, die in Schweden in
Granit und Gneis, also sehr harten Gesteinen, vorgenommen wurden, ergaben eine
geringere Ankerfestigkeit als in Sandsteinen, mit denen man im Ruhrgebiet Ver-
suche angestellt hat. Bei äußerst hartem Quarz begannen die Anker schon bei
einer Zugkraft von weniger als 1 to zu gleiten. Bei weichen Gesteinen ist der Wider-
stand, den der Ankerkopf findet, verhältnismäßig gering. Der Mangel, daß bei
zu harten Gesteinen der Ankerkopf zu wenig tief in das Gestein einbeißt, kann bei
Expansionsankern durch Verwendung von Spezialstahl für die Hülse oder für den
Doppelkeil gemildert werden.
Das Anziehen der Muttern soll mit einem pneumatischen Gerät so kräftig
erfolgen, daß Unterlagen aus Profileisen U 12 oder U 14 verbogen werden und
sich an den Fels anschmiegen. Sofern Zwischenstützungen des Gebirges notwendig
sind, können sie durch Verlängerung dieser Unterlagen leicht herbeigeführt werden,
wobei man diese gewöhnlich in der Längsrichtung des Stollens anbringt. Auch
die Anordnung von Drahtnetzen zwischen den Ankern ist häufig.
Wenn man die Felsanker vor Rost schützt, dann dienen sie nicht bloß als
Hilfsmittel des zeitweiligen Ausbaues, sondern sie bilden einen Bestandteil der
dauernden Sicherung eines Felshohlraumes. Damit wird die Grenze zwischen dem
zeitweiligen und dem dauernden Ausbau ausgeschaltet oder zumindest verwischt.
Zuerst hat man versucht, bei Verwendung von Keilschlitzankern oder Expan-
sionsankern den im Bohrloch verbleibenden Hohlraum durch Zementmörtelinjek-
tionen zu verschließen. Auf diesem Wege wurden aber keine befriedigenden Ergeb-
nisse erzielt. Man bohrte beispielsweise ein eigenes Injektionsloch, das schräg auf
das Ankerloch zulief und injizierte solange, bis der Zementmörtel aus dem Anker-
112. Anwendungsgebiet der Felsankerung 287
loch austrat oder man erweiterte das Ankerloch derart, daß neben dem Anker noch
ein Injektionsrohr eingeschoben werden konnte. Die einwandfreie Füllung des
Hohlraumes gelang aber nicht. Erst die Perfomethode führte zum Ziel [108e]. Bei
dieser werden die beiden Hälften eines der Länge nach auseinandergeschnittenen,
gelochten BIechrohres mit Zementmörtel verfüllt, dann aufeinander gelegt und mit
Draht verbunden. Das so vorbereitete, gelochte Blechrohr wird in das Bohrloch
eingeschoben. Der an seinem Ende zugespitzte Anker wird dann mit einem Auf-
bruchhammer in das Perforohr eingeschlagen. Der Mörtel wird aus dem Rohr ver-
drängt, tritt durch die Löcher aus und verfüllt den Hohlraum einwandfrei. Als
Nachteil des solcherart ausgebildeten Ankers ist zu erwähnen, daß es nicht mög-
lich ist, ihn zu spannen. Dieser Nachteil kann aber dadurch behoben werden, daß
man ein kurzes Stück des gelochten Blechrohres am Bohrlochgrund mit rasch
bindendem Zementmörtel verfüllt, und für den Rest des Rohres gewöhnlichen
Portlandzementmörtel verwendet. Dann kann man das Spannen des Ankers schon
nach kurzer Zeit - weniger als 1 Stunde - einwandfrei durchführen. Versuche,
die in dieser Richtung beim Druckstollen des Kraftwerkes Schwarzach ausgeführt
wurden, hatten ein gutes Ergebnis [70l].
Als Anker werden häufig Profilstäbe verwendet, die dem glatten Rundstahl
überlegen sind. Eine gewisse Schwierigkeit bereitet bei dem rauhen Baustellen-
betrieb die Einhaltung einer bestimmten Vorspannung von einigen Tonnen. Eine
Kontrolle der Spannung kann beispielsweise mit einem Drehmomentenschlüssel
durchgeführt werden. Für diesen Zweck verspricht eine im Ruhrbergbau in Er-
probung stehende federnde Unterlagsscheibe wegen der Einfachheit dieser An-
ordnung Erfolg [108d]. Diese Feder wird zwischen die Unterlagsplatte und die
Bundmutter eingeführt, wobei über die Feder ein Distanzring geschoben wird,
dessen Höhe geringer ist, als die der Feder. Der Unterschied der Höhen ist durch
die Auswahl eines entsprechend hohen Ringes regulierbar und ergibt das Maß der
Zusammendrückung der Feder und damit die Größe der ausgeübten Vorspann-
kraft.
sichtigung dieses Umstandes führt zu der Annahme, daß sich die früher erwähnte
Zugspannungszone erst über dem Auflockerungsbereich entwickelt, wie dies die
Abb. 149 zeigt. Es muß dann Aufgabe der Verankerung sein, den Auflockerungs-
bereich und die Zugspannungszone mit dem darüber liegenden ungestörten Gebirge
zu verbinden. Dazu eignen sich am besten radial angeordnete Anker, deren Be-
rechnung auf Grund der früheren Darlegungen (Absehn. 33) keine Schwierigkeit
bereitet. Wählt man beispielsweise den Halbmesser eines kreisförmigen Ausbruchs-
querschnittes mit r a = 2,0 m und schätzt man die Dicke der durch Spreng-
arbeiten entstandenen Auflockerungszone mit 1,0 m so ergibt sich auf Grund der
Tab. 9 im Abschn. 33 für den Wert der POISsoNschen Zahl mg = 6 eine größte
Dicke der Zugspannungszone d. im Scheitel von d. = 0,51 m. Das Gewicht der
Lockermasse über dem First beträgt daher (1,0 + 0,51) ·2,7 = 4 tom-2 • Die
Länge der Anker wird man, um sie sicher in das unbeeinHußte Gebirge einzubinden,
länger als 1,50 m, also etwa 2,50 m wählen. Nachdem ein Anker vom Durchmesser
22 mm aus Torstahl bei einer zulässigen Beanspruchung von 2000 kgcm- 2 7'6 t zu
tragen vermag, ist die Anordnung von einem Anker je m 2 Firstfläche reichlich.
Gegen die Ulmen hin wird man den Ankerabstand etwas vergrößern und die Anker
etwas kürzer halten. Die Größe der Vorspannung wird man mit etwa 4 t wählen.
Die Vorspannung des Gebirges ergibt Druckspannungstrajektorien, die vom
Ankerkopf bis zum Bohrlochgrund spindelförmig verlaufen. Bei kleinklüftigem
Gebirge ist es daher notwendig, auch zwischen den Ankern Maßnahmen gegenNach-
bruche zu treffen. Sie können in der Anordnung von verlängerten Unterlags-
platten, eines Drahtgitters oder einer Spritzbetonschicht bestehen.
Die angestellten Überlegungen verlieren ihre Gültigkeit bei ausgeprägter An-
isotropie, also bei geschichtetem odl'lr geschiefertem Gestein. Dann sind andere
Gesichtspunkte maßgebend,. Es ist fruher ausgeführt worden, daß bei einem
Streichen der Schieferung oder Schichtung annähernd senkrecht zur Tunnel- oder
Stollenachse und bei gleichzeitigem steilem Einfallen die Möglichkeit von Nach-
brüchen gering ist, weil sich die Schichtpakete senkrecht zur Stollenachse ver-
spannen können. Dann ist es möglich die früher dargelegten Gesichtspunkte im
allgemeinen beizubehalten; die Anker werden aber zweckmäßigerweise in der
Längsrichtung des Stollens eine Neigung erhalten.
Anders liegen die Dinge, wenn die Streichrichtung der Schichtung oder Schiefe-
rung annähernd parallel zur Stollenachse verläuft, und wenn sie lotrecht oder
schräg einfallen oder waagrecht liegen. Dann wird die Gefahr von Nachbruchen
durch die Gleitwilligkeit in den Schicht- oder Schieferungsflächen begünstigt,
und die Ankerung hat eine ähnliche Funktion zu übernehmen, wie die Schub-
bewehrung in einem Stahlbetontragwerk. Durch eine Vorspannung des Gebirges
wird überdies der Schubwiderstand in diesen Flächen wesentlich vergrößert.
Bei waagrechter Lagerung der Schicht- oder Schieferungsflächen ist die Ana-
logie mit einem Stahlbetonbalken vollkommen. Als Grundsatz hat zu gelten, daß
die Anker möglichst unter einem Winkel von 45° die Schicht- oder Schieferungs-
flächen schneiden.
Bei lotrechter Lage der Schicht- oder Schieferungsflächen ist es notwendig, an
den Ulmen eine waagrechte Ankerung vorzusehen, um das Ablösen von Gesteins-
platten zu vermeiden.
Die Ankerung wird in allen diesen Fällen dem Ausbruch rasch nachfolgen, um
der Auflockerung keine Entwicklungszeit zu lassen. Es ergibt sich dabei zwangs-
läufig, daß die Anker im Bereich jeder Abschlagslänge im Zusammenhang mit
dem Bohren für den nächsten Angriff gesetzt werden, weil dann das Arbeitsgerust
und die Geräte dafür zur Verfügung stehen. Dieses rasche Setzen der Ankerung
ist aber insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Verspannung in der Längs-
richtung des Stollens zwischen dem rückwärtigen, durch Ankerung bereits ge-
sicherten Teil und dem Gebirge hinter der Stollenbrust ausgenützt werden kann.
112. Anwendungsgebiet der Felsankerung 289
Die Felsankerung ist eine Bauweise, die aus der Praxis entwickelt wurde. Des-
halb kann man die Grenze ihrer Anwendungsmöglichkeit durch theoretische
Erwägungen nicht festlegen. Die Ankerung setzt jedenfalls voraus, daß das Ge-
birge nach erfolgtem Abschlag wenigstens solange standfest bleibt, bis der nächste
Angriff gebohrt werden kann. Diese Bedingung ist auch bei gebrechem Gebirge
sehr häufig gegeben. Wenn sie aber nicht zutrifft und Getriebezimmerung erforder-
lich wird, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der Ausbau dem Ausbruch voraus-
eilt, dann scheidet die Methode der Felsankerung wohl aus.
19 Kastner, Statik
290 x. Neue Bauweisen
oder geknickten Oberfläche in First oder Sohle. Durch lotrechte Anker wird der
Schubwiderstand des Gebirges erhöht, und dies führt zu einer günstigen Wirkung.
Die dargelegten Erfahrungen dürfen bei echtem Gebirgsdruck allgemeine Gültig-
keit beanspruchen. Es ist aber mehr noch wie bei Auflockerungsdruck notwendig,
die Verankerung rasch dem Ausbruch folgen zu lassen, damit dem Gebirge nach
Möglichkeit keine Zeit zur plastischen Verformung bleibt. Diese Verformung ist
ja fast immer mit Brucherscheinungen (Bruchfließen) verbunden. Durch Ab-
schalungen an den Ulmen rückt der Ausbruchsrand bergwärts, und je länger man
zuwartet, desto größer ist die Gefahr, daß die Anker nicht ausreichend tief ins
gesunde Gebirge eingreifen.
Die Felsankerung zum Schutz gegen die Wirkungen des echten Gebirgsdruckes
wurde im Abschnitt Lend des Druckstollens des Kraftwerkes Schwarzach in
großem Ausmaß verwendet [701]. Dort wurden insgesamt 2172 Felsanker mit einer
Gesamtlänge von 4970 m gesetzt. Zum Teil kamen Keilschlitzanker, zum Teil vor-
gespannte Perfoanker zur Anwendung. Die Zweckmäßigkeit der Felsankerung er-
wies sich besonders bei den häufig auftretenden Verbrüchen. Ein solcher wurde
bereits im Abschn. 57 geschildert. Um nach dem eingetretenen Schaden den Ar-
beitsraum zu sichern, wurden die Ränder der Bruchfläche und, soweit es notwen-
dig war, auch deren mittlerer Teil mit 3,0 m langen Perfoankern in das unge-
störte Gebirge geheftet. Diese Maßnahme genügte, um weitere Schäden bis zum
Nachrücken der Betonierungseinrichtung zu verhindern.
19*
292 X. Neue Bauweisen
Der Einfülltrichter liegt 1,65 m über dem Boden. Die Förderleistung an losem
Material beträgt etwa 4 m 3 JStd. Der Bedarf an angesaugter Luft ist 10 m 3 Jmin.
Abb. 161 zeigt den Einsatz der Spritzbetonmaschinen, u. zw. im Vordergrund
das Alivagerät und links davon die Torkret-Betonspritzmaschine. Aus der Abb. 162
ist das Aufspritzen des Betons als nachträgliche Sicherung des Vollausbruches
gegen Auflockerungserscheinungen zu ersehen.
Abb. 161. Einrichtungen für die Herstellung eines zeitweiligen Spritzbetonausbaues im Druckstollen des Salzach-
kraftwerkes Schwarzach der Tauernkraftwerke A. G.
Abb. 162. Auftragung einer dünnen Spritzbetonschicht in wenig nachbrüchigem Gebirge nach erfolgtem Voll-
ausbruch [112]
mischung hat sich die Beigabe des Zusatz mittels in Pulverform bewährt, das
dem Zement in einigen Gewichtsprozenten (3%) zugemischt wird. Die Zusatz-
mittel, die schnelles Abbinden und rasche Anfangserhärtung herbeiführen, haben
manchmal die Nebenwirkung, daß sie die Endfestigkeit des Betons beeinträchtigen.
Aber die Vorteile der hohen Anfangsfestigkeit sind im Tunnel- und Stollenbau von
so ausschlaggebender Bedeutung, daß man den angeführten Nachteil in Kauf
nimmt. Sollten sulfathältige Bergwässer auftreten und wird Sulfathüttenzement
verwendet, so stehen auch für diesen Fall Zementzusatzmittel mit schnellbindender
Wirkung zur Verfügung. Die Erfahrungen damit sind aber nicht durchaus günstig,
so daß bei ihrer Anwendung Vorsicht geboten ist, wie denn überhaupt das Auf-
treten von aggressiven Wässern hoher Konzentration den Tunnel- und Stollenbau
immer vor schwierige Aufgaben stellt.
Hinsichtlich der Zuschlagstoffe ist von besonderer Wichtigkeit, daß man, wie
bereits erwähnt wurde, mit den heute in Verwendung stehenden Betonspritz-
maschinen Korngrößen bis 25 mm verarbeiten kann, so daß die Berechtigung be-
steht, von Spritzbeton zu sprechen. Das Größtmaß von 25 mm wird aber in der
Praxis meist unterschritten. Hinsichtlich der Kornzusammensetzung möge die
nachstehende Tabelle als Richtschnur dienen
Korngröße mm Gewichtsanteil in %
0- 3 40-60 i. M. 50
3-10 30-50 " 35
10-25 10-20 " 15
Durch Steigerung der maximalen Korngröße konnten nicht bloß die Festig-
keitseigenschaften des Spritzbetons gegenüber dem Torkret verbessert werden, es
trat auch eine Verringerung des Schwindmaßes ein.
An die Wasserdichtheit des Spritzbetons darf man keine allzugroßen Anforde-
rungen stellen. Vollkommene Wasserdichtheit, die manchmal als Vorteil angeführt
wird, ist nicht zu erreichen. An Stellen, wo Bergwasser auftritt, sind bald nach
dem Spritzbetonauftrag Sintererscheinungen zu beobachten.
Bousfahlgiffer· Bouslah/giffer-
Spritzbeton- einlage einlage
auskleidung
die gegen die Widerlager hin auf 60 cm vergrößert wurde. Die Streckenbogen
wichen von der endgültigen Kreisform tangential ab und stützten sich auf
einspringende Nischen. Dadurch wurde die spätere Verlängerung der Strecken-
bogen erleichtert. Die Firstsicherung eilte dem Strossenabbau voraus. Letzterer
$chnilf A
~_ Sprillbeton,S" '10cm
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SpritzlJrlon JO···60cm
Sehn/He SchniftD
Stahlsfreckenbogen BOlIsfohlgfffer
Spritzbeton
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längsschnitt
$fro$sen- und Widerlogerollsbruch Vor/rieb lind Allsbau der Kaloffe
Stoh/sfreckenlJogen BOlls/ohlg/lfer
Spritzbeton,versförld aufJOcm
SprifzlJelon, JO· ··60 cm ~
I
I-A
Abb. 167. Ausbruch im bindigen, vorübergehend tragfähigen Hangschutt beim Triebwasserstollen des Salzach-
kraftwerkes Schwarzach [117]; 1 Vortrieb der Kalotte und Sicherung des :Firstes mit 5-10 cm Spritzbeton;
2 Verbreiterung des Kalottenausbruches, Einbau von Stahlstreckenbogen und Anordnung einer mit Baustahlgitter
bewehrten 30-60 cm dicken Spritzbetonschicht; Schaffung von einspringenden Widerlagern; 3 und 4 Ausbruch
der Strosse und Sicherung der Ulmen mit Stahlstreckenbogen, die an die Firstbogen angeschlossen werden und mit
einer bewehrten Spritzbetonauskleidung von 40-100 cm Dicke; 5 und 6 Sicherung der Sohle durch ein Spritz-
betongewölbe
Abb. 168. Abdrückung der mit Baustahlgitter be- Abb. 169. Brucherscheinungen am Fuß der Ulm eines mit
wehrten Spritzbetonverkleidung an der Ulm eines Spritzbeton gesicherten Druckstollens als Folge der Kerb-
Druckstollens wirkung in dem durch die WiderJagerform vorgeschriebenen
einspringenden Ausbruchszwickel [701]
Handelte es sich bei dem eben beschriebenen Beispiel um die Sicherung des
Ausbruches im bindigen Lockergebirge gegen Nachbrüche, so traten beim Druck-
stollen des Kraftwerkes Schwarzach auch Strecken auf, wo dem echten Gebirgs-
druck zu begegnen war. Im Baulos Lend war dies auf eine Länge von 502 m der
Fall [70l]. Die Gebirgsdruckerscheinungen traten in ihrer charakteristischen
Form besonders an den Ulmen auf und hatten die bekannten, immer zu beob-
achtenden Gesteinsablösungen und Nachbrüche zur Folge, die durch die Schie-
ferung des anstehenden Phyllits begünstigt wurden. Anzeichen für die Wirksam-
keit von tektonisch bedingten Spannungen waren nicht vorhanden. Die Druck-
erscheinungen sind in der Abb. 168 durch Schäden an der Spritzbetonauskleidung
zu erkennen. Wie aus dieser Abbildung gleichfalls zu ersehen ist, wurden solche
SchadensteIlen durch Felsanker gesichert. Die Abb. 169 zeigt die durch den
Gebirgsdruck verursachten Ablösungen des mit Spritzbeton verkleideten Ge-
birges, wie sie am Fuß der Ulmen sehr häufig auftraten. Bei echtem Gebirgsdruck
kommt der Gewölbewirkung der Ulmenverkleidung besondere Bedeutung zu.
Dies ist bei den häufig vorkommenden Hufeisenprofilen von Wichtigkeit, wo die
Krümmung der bergseitigen Begrenzung des Ausbruchsquerschnittes an den Ulmen
gegenüber dem First verringert wird, wenn nicht gar die Ulmen durch
eine geneigte, ebene Fläche begrenzt vorgesehen werden. Bei dieser Form
wird die Gewölbewirkung der Spritzbetonauskleidung bzw. ihr Widerstand gegen
117. Schwerer Spritzbetonausbau in Verbindung mit Stahlstreckenbogen 299
Abb. 170. Ulmverbruch im Druckstollen des Salzachkraftwerkes Schwarzach. Die Ränder des Verbruches wurden
zunächst durch rasch angebrachte Felsanker gesichert und im Anschluß daran konnten die Aufräumungsarbeiten
durchgeführt werden.Die nachträgliche Aufbringung einer Spritzbetonverkleidung des Bruchbereiches unterblieb.
weil der Betonierzug bereits nahe der Bruchstelle war, weshalb der endgültige Ausbau rasch nachfolgen konnte [70 l]
geschah bei der gegebenen Form des Ausbruchsquerschnittes in der Weise, daß
die Füße der Stahlstreckenbogen durchgehend mittels 2 -3 m langer Felsanker
gesichert wurden. Bei der Anordnung der Stahlstreckenbogen wurde darauf
Bedacht genommen, daß die Hohlseite des Kelchprofiles dem Ausbruchsraum
zugewendet ist, so daß sich zwischen
den Streckenbogen gut aufgelagerte Ver-
spannungsgewölbe ausbilden konnten.
Das gleiche gilt auch im First, wo es
dann zur Ausbildung von doppelt ge-
krümmten Gewölben kommt. Ein Gewölbe
spannt sich zwischen den Streckenbogen,
die in einem dem Druck entsprechenden
Abstand gestellt wurden, das andere folgt
der Leibung des Ausbruchsquerschnittes.
Man erkennt aus dieser überlegung,
welche außerordentliche Tragfähigkeit
dieser Ausbauform zukommt. Man ersieht
aber auch aus der Abb.171, wo ihre
schwache Stelle liegt, nämlich am Fuß
der Stahlstreckenbogen. Eine gegenseitige
Absteifung der Bogenfüße wäre der wei-
teren Durchführung der Arbeiten, insbe-
sondere in der Sohle, außerordentlich
hinderlich gewesen, weshalb eine Veran- Abb. 172. Spritzbetonverkleidung mit zusätzlicher
kerung im Gebirge vorgesehen wurde, die Anordnung von Stahlstreckenbogen, die an ihren
Füßen mittels Perfoankern im Gebirge verankert
mittels Perfoankern erfolgte. Sie hat sich wurden. Aus der Abbildung ist zu ersehen, daß der
gut bewährt. An den Füßen der zahlreich Anker standhielt, während der Streckenbogen und
mit ihm der Spritzbeton nach innen gedrückt wurde
[701]
angeordneten Streckenbogen sind keiner-
lei Bewegungen eingetreten. Ein einziger
Streckenbogen ist im Ulmenbereich herausgedrückt worden, während die Veran-
kerung standhielt. Die Abb. 172 zeigt diesen Fall; in dem im Spritz beton aufge-
tretenen klaffenden Riß ist der verschobene Streckenbogen deutlich zu erkennen.
Das Spritzbetonverfahren ist noch sehr jung, und es ist daher nicht leicht, die
Grenzen seiner Anwendungsmöglichkeit einwandfrei festzulegen. Seine Vorteile
sind jedoch so groß, daß das Bestreben besteht, weiter in jene Gebiete vorzu-
dringen, die bisher den traditionellen Bauweisen vorbehalten waren. Es ist aber
notwendig, darauf hinzuweisen, daß diesem Bestreben Schranken gesetzt sind.
Eine Grenze besteht, wie bereits ausgeführt wurde, vor allem dann, wenn die
Ausbruchflächen auch kurze Zeit nicht ungeschützt bleiben dürfen, wie beispiels-
weise bei vollständig zerrüttetem Fels oder in kohäsionslosem Lockergebirge.
Bei einer derartigen Gebirgsbeschaffenheit ist in der Regel auch ein Brustverzug
notwendig, der die Anwendung des Spritzbetonverfahrens beschränkt. Selbst
wenn es möglich wäre, sofort eine Spritzbetonschicht aufzubringen, ist doch eine
gewisse Zeit notwendig, bis sie auch bei raschester Erhärtung statisch in Wirksam-
keit tritt. Bis dahin kann aber bei vollständig zertrümmertem Fels und bei
kohäsionslosem Lockergebirge sehr viel Schaden entstanden sein. Wenn es also
die starke Nachbrüchigkeit des Felsens oder das kohäsionslose Lockergebirge
erfordern, den Arbeitsraum sofort zu sichern, bzw. fortlaufend gesichert zu
halten, muß von der Anwendung des Spritzbetonausbaues abgeraten werden.
Der Schutz der Belegschaft erfordert bei einer solchen Gebirgsbeschaffenheit die
Getrie bezimmerung.
Eine andere Beschränkung in der Anwendung des Spritzbetonverfahrens
ist dann gegeben, wenn starker Wasserzudrang herrscht. Insbesondere, wenn das
Bergwasserflächenhaft auftritt. Dann ist es trotz Ableitung der Bergwässer oft nicht
möglich, eine zusammenhängende Spritzbetonschicht aufzubringen.
Anderseits möge auch noch auf den Fall schweren, echten Gebirgsdruckes hin-
gewiesen werden. Der Druck braucht zur Entwicklung einige Zeit, d. h. die pla-
stischen Verformungen des Gebirges entstehen in der Regel erst einige Zeit nach der
erfolgten Entspannung durch den Ausbruch. Wenn es gelingt, in dieser Zeit eine
Spritzbetonschicht von entsprechender Dicke herzustellen, so wäre damit ein
Weg geschaffen, der rascher zum Ziel führt als alle sonstigen Bauweisen. Daß
dabei große Tunnel- oder Stollenquerschnitte in Teilausbrüche aufgelöst werden
müssen, bei deren Anordnung und Formgebung auf die statische Wirksamkeit
der Auskleidung Rücksicht zu nehmen ist, versteht sich von selbst.
Für derart schwierige Fälle ist die Tatsache besonders beachtenswert, daß es
im Druckstollen des Kraftwerkes Schwarzach gelang, das Trockengemisch von
Zement, Zusatzmitteln und Sand bis 300 m weit durch Rohrleitungen zu blasen,
an deren Ende sich der Schlauch mit der Düse befand. Es besteht sicher die
Möglichkeit, diese Entfernung noch zu vergrößern. Sie schafft den bedeutenden
Vorteil, daß sich das Sand- und Zementlager, die Mischmaschine und das Beton-
spritzgerät nicht in der Nähe der Arbeitsstelle befinden und nicht fortlaufend
umgestellt werden müssen, wodurch die Einsatzbereitschaft der Anlage bedeutend
erhöht werden kann.
In solchen Fällen schwer druckhaften Gebirges ist die Spritzbetonkubatur
sehr groß, und man wird eine entsprechende Leistungsfähigkeit der Geräte ver-
langen müssen. Aber durch die gleichzeitige Verwendung von zwei oder drei
Maschinensätzen ist schon jetzt die Betonauftragung so rasch durchführbar, daß
Aufgaben bedeutenden Umfanges bewältigt werden können. Wenn aber große
Leistungen möglich sind, dann ist es naheliegend, in einem Arbeitsgang sofort
und unmittelbar dem Ausbruch folgend, den Ausbau zur Gänze durchzuführen.
Damit ist, wie HETZEL festgestellt hat, der Trennungsstrich zwischen dem zeit-
weiligen und dem endgültigen Ausbau gefallen [Mb]. Schalungen sind nicht mehr
erforderlich. Dabei kann man zwar die Auskleidung mit einer profilgerechten
Oberfläche herstellen, aber nicht so glatt ausbilden, wie bei Anwendung einer
Stahlschalung. Es besteht aber die Möglichkeit der Aufbringung eines Glatt-
119. Vollmechanisierter Stollenausbruch 303
Abb. 173. Stollenfräse mit 7,0 m Durchmesser für den Vortrieb der Umlaufs tollen des Oahe-Dammes am Oberen
Missouri. Nach Waterpower, August 1957 [81c]
einer Maschine, die gleichzeitig die Schutterung besorgt. Geräte solcher Art sind
in Amerika im Kohlenbergbau bereits mit Erfolg in Verwendung (Abb.173)
[81e]. Beim Oahe-Damm am oberen Missouri hat man mit einer solchen Stollen-
fräse 5 Umlaufstollen mit 7,0 m Durchmesser und 3 km Gesamtlänge bereits her-
gestellt, während dem Bericht zufolge 7 Triebwasserstollen mit 8,0 m Durch-
messer und rd. 7,5 km Gesamtlänge seit Herbst 1958 in Arbeit stehen. An der
Stirnseite des Gerätes sind 2 gegenläufig rotierende Fräsköpfe angeordnet, von
welchen der äußere infolge seiner Ausbildung als Schaufelrad gleichzeitig das
Hauwerk auf ein Förderband verlädt. In dem anstehenden Gebirge, einem un-
regelmäßig gelagerten Tonschiefer, konnten Tagesfortschritte bis 22 m erreicht
werden.
Ein grundsätzlich ähnliches Gerät ist gegenwärtig in Österreich in Erprobung.
Es wurde von der Wohlmeyer Stollenbohrmaschinen-Verwertungsgesellschaft,
Wien, konstruiert und von der Österreichischen Alpine-Montangesellschaft,
Werk Zeltweg gebaut. Die Vortriebsmaschine ist im lotrechten und waagrechten
Sinn durch Laufwerke an den ausgefrästen Stollenwandungen abgestützt. Diese
Laufwerke sind hydraulisch verstellbar und gestatten eine genaue Lenkung vom
Führersitz aus.
304 X. Neue Bauweisen
Abb. 174 zeigt das Gerät bei Auffahrung eines Stollens mit 3 m Durchmesser
in devonischem Kalkstein. In der Abb. 175 sind die Bohrbrust und die glatte
Wandung des Ausbruches zu erkennen. Der Konstrukteur erwartet sich im
Kalkstein eine Vortriebsleistung von 1,8 mjStd.
Abb. 174. Die WOHLMEYER-Stollenbohnnaschine, ein Erzeugnis der Österreichischen Alpine Montangesellschaft,
Werk Zeltweg, für einen Stollendurchmesser von 3,0-3,50 m
Abb. 175. Die Brust eines mit der WOHL!!EYER-Stollenbohrmaschine in devonischem Kalk aufgefahrenen Stollens
Die Auswirkungen, die sich bei der Verwendung eines solchen Gerätes er-
geben, sind noch nicht abzusehen. Die Vorteile, nämlich das genaue, profilgerechte
Herausarbeiten des Stollenquerschnittes, die statisch günstigste Kreisform, die
Vermeidung jeder Auflockerung des benachbarten Gesteins und damit die Ver-
kürzung der Einbaustrecken, das Ausschalten der Kerbwirkung mit dem gleichen
Ergebnis, sind ins Auge springend und sofort erkennbar. Nicht ohne weiteres
vorauszusehen ist aber die Entwicklung des dauernden Ausbaues, die sich an
119. Vollmechanisierter Stollenausbruch 305
20 Kastner, Statik
Schrifttum
Das Verzeichnis blieb auf eine Auswahl jener Werke und Aufsätze beschränkt, die ver-
wertet oder im Text zitiert wurden.
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20*
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