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Europäische Selbstzeugnisse in historischer Perspektive – Neue Zugänge1

Claudia Ulbrich

1. Einleitung
Die Selbstzeugnisforschung hat sich in den letzten Jahren in Europa zu einem etablierten
Forschungsfeld entwickelt.2 Seit in den 1980er Jahren ausgehend von Forschungen in den
Niederlanden der Begriff Egodocument eingeführt wurde, mit dem im englischsprachigen
Raum Tagebücher, Memoiren, persönliche Briefe und andere autobiographische
Schriften zu einer Textgruppe zusammengefasst wurden, wurden immer mehr Texte
entdeckt, die als Egodocument gelesen werden können.3 Auch in Frankreich werden seit
2003 Memoiren, Autobiographien, Haus- und Familienbücher, Tagebücher, Chroniken,
Annalen, systematisch gesammelt. Sie werden im Französischen als Les écrits du for
privé bezeichnet. 4 Im deutschsprachigen Raum, in Deutschland, Österreich und der
Schweiz, hat sich in Auseinandersetzung mit der literaturwissenschaftlichen
Autobiographietheorie seit langem der Begriff Selbstzeugnis durchgesetzt. Hiermit

1
Der Beitrag wurde verfasst für die Tagung „Searching for Tradition and Modernity through Diary“ , die
am 8. Und 9. Juni von Byungwook Jung am Research Institute of Korean Studies an der Korean University
in Seoul durchgeführt wurde. Er ist in koreanischer Übersetzung erschienen in der Zeitschrift: Critical
Review of History, 2012, 400-421. Wichtige Anregungen verdanke ich den Mitgliedern der DFG-
Forschergruppe „Selbstzeugnisse in transkultureller Perspektive“ und den Mitgliedern der
interuniversitären Arbeitsgruppe „Autohistoriographie in transkultureller Perspektive (Berlin-Hamburg).
Mein Dank gilt insbesondere Gabriele Jancke, Elke Hartmann, Hans Medick und Angelika Schaser . Einige
der hier vorgetragenen Thesen sind ausführlicher dargestellt in den in Anm. 2 erwähnten Arbeiten und in
Ulbrich, Libri di casa e di famiglia in area tedesci: un bilancio storiografico, in: Giovanni Ciappelli (ed.),
Memoria, famiglia, identità fra Italia ed Europa nell' età moderna, Bologna 2009, 39-61.

2
Ein Überblick über die neuere Forschung findet sich in: Claudia Ulbrich, Hans Medick und Angelika
Schaser (Hg.), „Selbstzeugnis und Person - Transkulturelle Perspektiven“, in Dies. (Hg.) Selbstzeugnis und
Person – Transkulturelle Perspektiven, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2012.1-19; Gabriele Jancke und
Claudia Ulbrich, "Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von
Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung", in Dies. (Hg.) Vom Individuum zur Person. Neue
Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung, Göttingen: Wallstein.
2005, 7-27; Zum Projekt: Selbstzeugnisse in transkultereller Perspektive siehe: http://www.cms.fu-
berlin.de/dfg-fg/fg530/forschergruppe/ulbrich.html [Zugriff 10.7.2012].
3
Zur niederländischen Selbstzeugnisforschung siehe: Onderzoeksinstituut Egodocument en Geschiedenis
http://www.egodocument.net [Zugriff 10.7.2012].
4
Die an der Université de Paris-Sorbonne eingerichtete und von Jean-Pierre Bardet und François- Joseph
Ruggiu geleitete Forschergruppe (GDR 2649 „Les écrits du for privé en France de la fin du Moyen Âge à
1914“) hat bereits mehrere Publikationen vorgelegt. Ein Überblick über die Aktivitäten der Gruppe findet
sich unter: http://www.ecritsduforprive.fr/ [Zugriff am 21.10.2011]

1
werden im Wesentlichen die gleichen Texte bezeichnet, die im Englischen unter dem
Begriff Egodocument subsumiert werden. Mit dem Verzicht auf die Autobiographie als
Maßstab für die Kanonbildung hat sich die historische Forschung ein fast
unerschöpfliches Reservoir von Quellen erschlossen.
Während die Geschichtswissenschaft mit einem weiten Textsortenbegriff arbeitet,
favorisiert die Literaturwissenschaft weiterhin den Begriff der Autobiographie, für deren
Verständnis Philipp Lejeunes Überlegungen zum autobiographischen Pakt maßgeblich
sind: Demnach ist die Autobiographie eine „rückblickende Prosaerzählung einer
tatsächlichen Person über ihre eigene Existenz, wenn sie den Nachdruck auf ihr
persönliches Leben und insbesondere auf die Geschichte ihrer Persönlichkeit legt.“5 Als
rückblickende zusammenhängende Erzählung wird die Autobiographie von Tagebüchern
und Briefen unterschieden, in denen die Verfasser und Verfasserinnen in großer zeitlicher
Nähe ihr Leben beschreiben. „Die Unmittelbarkeit, der Verzicht auf Stilisierung, das
Nebeneinander von Persönlichem und Sachlichem, im Fragmentarischen die Mischung
von Staccato und Legato“ kennzeichnen nach Auffassung von Gustav René Hocke das
Tagebuch6. In gattungstheoretischer Hinsicht gilt es als rudimentär oder, um es mit Ralf-
Rainer Wuthenow auszudrücken, „als Literatur im Rohzustand“.7 Freilich hat auch die
literaturwissenschaftliche Autobiographieforschung in den letzten 20 Jahren eine enorme
Ausdifferenzierung erfahren. Gattungsgrenzen wurden ebenso in Frage gestellt wie die
scharfe Trennung zwischen faktionaler und fiktionaler Literatur.8 Während in der älteren
Literatur noch die Überzeugung vertreten wurde, dass alle autobiographischen
Textgattungen durch Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Lebensnähe gekennzeichnet
seien, wird inzwischen auch das Tagebuch als autobiographische Handlung ernst
genommen und in seiner Komplexität als literarische Form untersucht.
Obwohl Literatur- und Geschichtswissenschaft zum Teil mit den gleichen Texten
arbeiten und über ähnliche Fragen nachdenken, gibt es zwischen den beiden Disziplinen,
die autobiographische Texte erforschen, nur wenig Austausch. Ich möchte im Folgenden
5
Philippe Lejeune, Der autobiographische Pakt, übers. v. Wolfram Bayer und Dieter Hornig, Frankfurt am
Main: Suhrkamp, 1994. 14.
6
Gustav René Hocke, Das europäische Tagebuch, Frankfurt am Main: Fischer, 1991, 21.
7
Ralph-Rainer Wuthenow, Europäische Tagebücher. Eigenart, Formen, Entwicklung, Darmstadt WBG,
1990, IX.
8
Martina Wagner-Egelhaaf, Autobiographie (=Sammlung Metzler: Bd. 323), Stuttgart u.a.: Metzler, 2.
Aufl. 2005, Arno Dusini, Tagebuch. Möglichkeiten einer Gattung, München: Fink, 2005.

2
einen knappen Überblick über neuere Entwicklungen der europäischen
Selbstzeugnisforschung geben und diese Ansätze auf die historische und
literaturwissenschaftliche Tagebuchforschung beziehen. Beginnen möchte ich mit der
Frage nach Tradition und Modernität in der Selbstzeugnisforschung. Sie ist eng mit der
Vorstellung verbunden, dass die Herausbildung eines autonomen Individuums für die
Entstehung der Moderne eine zentrale Rolle spielt.

2. Autobiographie, Individualisierung und Moderne

Vielen Makro-Konzepten der europäischen und amerikanischen Geschichtswissenschaft


liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Herausbildung eines säkularen, autonomen und
selbstbewussten Individuums eine zentrale Rolle für die Entstehung der westlichen
Moderne zukommt. Die Ursprünge dieser Vorstellungen liegen in den Geistes- und
Kulturwissenschaften des 19. Jahrhunderts. Jacob Burckhardt hat in seiner „Kultur der
Renaissance in Italien“ (1860) das „moderne Individuum“ zum Gegenstand der
Forschung gemacht. Er vertrat die These, dass im 14. Jahrhundert zunächst in Italien eine
neue Welt entstand, in der sich das autonome Individuum entfalten konnte. Für ihn stellte
das Individuum eine historische Konstante dar, die in einem bestimmten Moment der
historischen Entwicklung zum Vorschein kam. In einem viel zitierten Satz verweist er
darauf, dass damals die älteren Sozialgebilde an Bedeutung verloren haben und Raum
gaben, damit sich der Mensch selbst erkennen kann.

„Im Mittelalter lagen die beiden Seiten des Bewusstseins – nach der Welt hin und nach
dem Innern des Menschen selbst – wie unter einem gemeinsamen Schleier träumend oder
halbwach. Der Schleier war gewoben aus Glauben, Kindesbefangenheit und Wahn; durch
ihn hindurchgesehen erschienen Welt und Geschichte wundersam gefärbt, der Mensch
aber erkannte sich nur als Rasse, Volk, Partei, Korporation, Familie oder sonst in
irgendeiner Form des Allgemeinen. In Italien zuerst verweht dieser Schleier in die Lüfte;
es erwacht eine objektive Betrachtung und Behandlung des Staates und der sämtlichen

3
Dinge dieser Welt überhaupt; daneben aber erhebt sich mit voller Macht das Subjektive,
der Mensch wird geistiges Individuum und erkennt sich als solches.“9

Burckhardts Deutung des historischen Prozesses wirkt bis in die Gegenwart nach.
Individualisierung gilt als Gegenbegriff zur Einbindung des Menschen in umfassendere
Sozialverbände. So betont, um nur ein Beispiel zu nennen, Winfried Schulze, dass
Individualisierung als „Befreiung von Bindungen, die dem jeweiligen Verband eigen
sind, Abkehr von den jeweiligen Normensystemen, Nutzung neuer Ausdrucksformen“
10
verstanden werden könne. Zwar gibt es auch soziologische Theorien, die
Individualisierung anders konzipieren und beispielsweise auf die Bedeutung sozialer
Netzwerke für den Prozess der Individualisierung verweisen, doch wurde ihnen in den
Makro-Konzepten zur Entstehung der Moderne lange wesentlich weniger
Aufmerksamkeit geschenkt als dem auf Jacob Burckhardt zurückgehenden
Individualisierungstheorem und den an es anknüpfenden eurozentrischen Forschungen.11
Ein wichtiges Indiz für die Entstehung des modernen Individuums war für Jacob
Burckhardt das Aufkommen von Biographien und Autobiographien. Damit wurde eine
geistesgeschichtliche Forschungstradition begründet, die die Selbstzeugnis- und
Tagebuchforschung bis heute beeinflusst.
Dies ist vor allem den Forschungen von Georg Misch zu verdanken12. Hatte schon Jacob
Burckhardt mit Blick auf Italien auf den Zusammenhang zwischen der Entstehung eines
gesteigerten Persönlichkeitsbewusstseins und der Ausbildung der Autobiographie
hingewiesen, so knüpfte der Diltheyschüler Georg Misch in seiner 1904 fertig gestellten

9
Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, 11. Aufl., hg. v. Konrad
Hoffmann, Stuttgart: Metzler 1988 (zuerst 1860, 2. vom Autor ergänzte Aufl. 1869), 99.

10
Winfried Schulze, "Das Wagnis der Individualisierung ", in Wege in die Neuzeit, Hg. Thomas Cramer,
München: Fink 1988, 270-286, hier 272
[http://www.historicum.net/fileadmin/sxw/Lehren_Lernen/Schulze/Das_Wagnis_der_Individualisierung.pd
f ].
11
Gabriele Jancke, "Patronagebeziehungen in autobiographischen Schriften des 16. Jahrhunderts -
Individualisierungsweisen?", in Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit. Individualisierungsweisen in
interdisziplinärer Perspektive, Hg. Kaspar von Greyerz, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007,
13-29.
12
Georg Misch, Geschichte der Autobiographie, 4 Bde. Bern 1949, Frankfurt/M. 1950-1969

4
Geschichte der Autobiographie unmittelbar an diese Überlegungen an und formulierte die
seitdem wiederholt in der Forschung aufgegriffene These, dass die Autobiographie als
„Ausdrucksmittel für die freie Selbständigkeit des Menschen“ in der Renaissance ihre
„eigentliche Grundlegung“ erfuhr.13 Obwohl Mischs Interesse auf die „Entwicklung des
Persönlichkeitsbewusstseins der abendländischen Menschheit“ gerichtet war, widmete er
all jenen Kulturen, die von der antiken Bildungstradition beeinflusst waren, besondere
Aufmerksamkeit.14 Der Vergleich mit der byzantinischen und der arabischen Tradition
ermöglichte ihm, die Besonderheiten der christlich-abendländischen Kultur
herauszuarbeiten. Misch ging es darum, autobiographische Texte „in dem
universalgeschichtlichen Zusammenhang der Entwicklung des menschlichen Geistes in
der europäischen Kultur“ zu erfassen. Nur hier, in der christlich-abendländischen Kultur
sah er eine „zukunftsvolle Entwicklung“.15

Auch wenn an einzelnen Aspekten der Arbeiten von Burckhardt, Misch und einiger
weiterer älterer Autoren Kritik geübt wurde, so beeinflussen sie doch nach wie vor die
Konzepte, mit denen die jüngere Forschung sich den autobiographischen Texten nähert.
So betont auch Ralph-Rainer Wuthenow in seiner Analyse der Europäischen Tagebücher,
es habe „sich seit der Renaissance nach und nach eine europäische diaristische Tradition
herausgebildet, die im Zusammenhang mit der Geschichte des abendländischen
Selbstbewusstseins zu sehen ist, wie sie sich auch in den bedeutenden Autobiographien
manifestiert.“16
Individuum, Person oder Selbst werden in diesen Forschungen häufig essentialistisch
gedacht: Lediglich die Formen des Selbstbewusstseins unterliegen dieser Auffassung zu
Folge einem Wandel. Selbstbewusstsein wird eng mit Individualität verknüpft, deren
Geschichte als eine Geschichte der Entdeckung oder Entfaltung des Individuums
beschrieben wird. In bestimmten historischen Situationen wagt das Selbst sich heraus,

13
Georg Misch, Geschichte der Autobiographie, (wie Anm. 11) IV, 2, 573

14
Georg Misch, „Begriff und Ursprung der Autobiographie“, in Die Autobiographie. Zu Form und
Geschichte einer literarischen Gattung, Hg. G. Niggl, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1989, 33-54, 36

15
Georg Misch, Geschichte der Autobiographie, (wie Anm. 11) III, 2, p. 74.
16
Wuthenow, Europäische Tagebücher. Eigenart, Formen, Entwicklung (wie Anm. 6) 28.

5
beansprucht es Geltung. Wie problematisch ein solch einseitiger Zugang zum Selbst ist,
hat David Sabean in seinen Überlegungen zu Personkonzepten folgendermaßen
zusammengefasst: „It fails to understand, that at any period there are alternative ways of
being, practicing and perceiving the self. It accepts a view of the matter promulgated by
pastors, priest, therapists, petits fonctionnaires, and professors. In most of these accounts
the state is missing and power is left out of the equation”.17 Trotz aller Kritik an dem
älteren geistesgeschichtlichen Konzept hat die Frage nach der Entwicklung von
Individualität nach wie vor die Selbstzeugnisforschung lange dominiert, während andere
Konzepte von Person unbeachtet geblieben sind.
Dies gilt auch für die ältere literaturwissenschaftliche Autobiographieforschung, die die
Autobiographie um 1800 zum Ausgangspunkt ihrer Theoriebildung nimmt. Häufig
werden Texte auf die Frage hin gelesen, „ob ein bestimmter Stand des Bewusstseins oder
der Persönlichkeit schon oder noch nicht erreicht sei, ob sich der jeweilige Autor von
Traditionen sowie von religiösen und sozialen Bindungen unabhängig gemacht habe,
welchen Stellenwert Themen eines „inneren Lebens“ einnehmen und welches Maß an
18
selbstreflektierter Intellektualisierung die Darstellung erkennen lasse“. Auch für
Georges Gusdorf und Roy Pascal stand außer Frage, dass die Autobiographie eine typisch
europäische Form des Schreibens war. Hatte Georg Misch die Entstehung eines
Persönlichkeitsbewusstseins noch für eine „gesamtmenschliche Möglichkeit“ gehalten, so
beschränkt Georges Gusdorf in Anlehnung an in den 1950er Jahren verbreitete
Kulturstufentheorien die Möglichkeit der Autobiographie eindeutig auf den
abendländischen Menschen. Nur in den entwickelten Gesellschaften des Abendlandes
habe der Mensch ein Bewusstsein seiner selbst entwickelt und zum Ausdruck gebracht.19
Das universalistische Konzept des westlichen Individualismus wurde auch auf
nichtwestliche Gesellschaften bezogen und führte dazu, dass eigene Traditionen des
Schreibens verborgen blieben. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Bezug auf das
17
David Sabean und Claudia Ulbrich, "Personkonzepte in der Frühen Neuzeit," in Etablierte Wissenschaft
und feministische Theorie im Dialog, Hg. Claudia von Braunmühl, (Berlin: BWV, 2003), 99-112, hier 101.
18
Jancke/Ulbrich (wie Anm. 1), 16.

19
Georges Gusdorf, "Conditions et limites de l'autobiographie", in Formen der Selbstdarstellung.
Analekten zu einer Geschichte des literarischen Selbstporträts, Hg. Günter Reichenkron und Erich Haase,
Berlin: Duncker & Humblot, 1956,105-123, hier 122. Roy Pascal, Design and Truth in Autobiography,
Cambridge, MA: Harvard University Press, 1960.

6
osmanische Reich hatte die Auffassung, dass das Schreiben über sich Selbst nur möglich
wäre, wenn Menschen sich als autonome Individuen verstehen würden, dazu geführt,
dass man glaubte, es könne in dieser Gesellschaft vor dem 19. Jahrhundert gar keine
Selbstzeugnisse gegeben haben. Texte aus früherer Zeit, in denen Menschen über sich
selbst schrieben, bezeichnete man als Ausnahmen. Nachdem Forschungen zur
europäischen Geschichte das Narrativ, dass Menschen nur dann über sich selbst
schrieben, wenn sie sich als autonome Individuen betrachteten, aufgebrochen und darauf
hingewiesen hatten, dass Selbstzeugnisse auch in sozialitätsorientierten Gesellschaften
geschrieben wurden, begann in der osmanischen Geschichtsforschung eine neue Suche
nach Texten. Seitdem hat man eine große Anzahl von Texten aus dem osmanischen
Reich entdeckt. Es wurde deutlich, dass es sich bei den bis dahin bekannten Texten nicht
um Ausnahmen handelt, sondern dass die Praxis des Schreibens über das eigene Leben
auch im osmanischen Reich weit verbreitet war. Ein interessantes Beispiel ist das
Tagebuch des Seyyid Hasan. Der Autor schreibt darin häufig über seine sozialen
Beziehungen, seine Besuche bei Freunden und Familienmitgliedern. Für Suraya Faroqhi,
die diesen Text erforscht hat,. ist er ein Indiz dafür, dass sich in Istanbul ein
Mentalitätswandel nicht erst im 19. Jahrhundert einstellte, als die Istanbuler Gesellschaft
einen intensiveren Kontakt mit der europäischen Gesellschaft ausbildete, sondern dass es
bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts Prozesse der Individualisierung gegeben hat, die
aus der eigenen Tradition heraus erklärt werden müssen.20
Forschungen zu Selbstzeugnissen nichteuropäischer Gesellschaften knüpfen immer
wieder an das Paradigma des engen Zusammenhangs von Individualität und
autobiographischem Schreiben an und nehmen es zum Maßstab, um autobiographisches
Schreiben in der untersuchten Kultur zu beurteilen. Diese Auffassung verstellt den Blick
auf eigene Entwicklungen und lenkt die Diskussion auf Defizite und Verspätungen.
Dabei wird implizit das Modell einer einzigen westlichen Moderne zugrunde gelegt,
dessen Gültigkeit auch für alle nichteuropäischen Gesellschaften angenommen wird.

20
Suraiya Faroqhi, "Ein Istanbuler Derwisch des 17. Jahrhunderts, seine Familie und seine Freunde: Das
Tagebuch des Seyyid Hasan", in Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit. Individualisierungsweisen in
interdisziplinärer Perspektive, Hg. Kaspar von Greyerz, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007,
113-126.

7
In der historischen Selbstzeugnisforschung sind in den letzten Jahrzehnten grundlegende
Fragen aufgeworfen worden, die das Individualisierungstheorem und den ihm inhärenten
Universalismus und Eurozentrismus in Frage gestellt haben. Sie verweisen darauf, dass
viele der Konzepte, mit denen die Selbstzeugnis- und die Autobiographieforschung „in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in einigen vor allem westeuropäischen Regionen
entwickelt und von da an auch transkulturell und transepochal wirksam gemacht worden
[sind]. Ihre Partikularität in Zeit, Ort, Personen und Texten ist ihnen kaum noch
anzumerken, wenn sie heute vielfach in generalisierter Weise Verwendung finden.“ 21 So
wird oft übersehen, dass „Individualität lediglich ein bestimmtes Personkonzept darstellt,
das neben und mit anderen bislang kaum erforschten Personkonzepten existiert.“22 Da die
ältere Autobiographieforschung für ihre Modellbildung nur eine kleine Zahl von Texten
berücksichtigt hat, die meist von christlichen, weißen, gelehrten Männern verfasst
worden waren, war es ein Desiderat der neueren Selbstzeugnisforschung, die
Quellenbasis zu erweitern.

3. Neuansätze der europäischen Selbstzeugnisforschung

Die faszinierende Vielfalt und Vielschichtigkeit, in der Menschen in verschiedenen


Kulturen und zu verschiedenen Zeiten über ihr eigenes Leben geschrieben haben, wurde
erst sichtbar, als die Forschung sich von dem engen Gattungsbegriff der Autobiographie
gelöst und mit einem weiten Textsortenbegriff zu arbeiten begonnen hat.
Seit in den 1980er Jahren ausgehend von Forschungen in den Niederlanden der
Begriff Egodocument aufgekommen war, mit dem Tagebücher, Memoiren, persönliche
Briefe und andere autobiographische Schriften zu einer Textgruppe zusammengefasst
wurden, wurden immer mehr Texte entdeckt, die als Egodocument gelesen werden
können. Anstelle der kleinen Gruppe literarisch gebildeter Autorinnen und Autoren
21
Gabriele Jancke und Elke Hartmann, "Roupens "Erinnerungen eines armenischen Revolutionärs"
(1921/1951) im transepochalen Dialog - Konzepte und Kategorien der Selbstzeugnis-Forschung zwischen
Universalität und Partikularität", in Selbstzeugnis und Person - Transkulturelle Perspektiven, Hg. Claudia
Ulbrich, Hans Medick und Angelika Schaser, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2012, 31-71, hier 34.
22
Jancke/Ulbrich, „Individuum“, (wie Anm. 1); 9.

8
rückten nun Männer und Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und aus
verschiedenen Kulturen, die ein Egodocument verfasst hatten, in den Fokus der
Forschung. James Amelang, der mit „The Flight of Icarus“ eine grundlegende Studie über
die populare Autobiographie in Spanien verfasst hat, verdanken wir den Nachweis, dass
das Schreiben über das eigene Leben auch bei jenen Menschen verbreitet war, denen
gerne unterstellt wird, dass ihnen die Schriftkultur fremd geblieben sei.23 Das Interesse an
Texten, deren Verfasserinnen und Verfasser nicht der Elite zuzurechnen sind, war auch
einer der Gründe, warum sich die deutschsprachige Forschung seit den 1980er Jahren
verstärkt autobiographischen Quellen zuwandte.
Im Zuge des anthropologischen Perspektivenwechsels in der deutschen
Geschichtswissenschaft war das Interesse für „die Ausdrucksweisen und
Wahrnehmungen, die Verhaltensdispositionen und das Handeln historischer Subjekte“
stark angestiegen. Man hoffte, mit Hilfe von Selbstzeugnissen Zugang zu den
Lebenswelten und Erfahrungshorizonten gerade auch von solchen Männern und Frauen
zu erhalten, die nicht der Elite angehörten.24
Das Interesse für neue, bisher wenig beachtete Texte führte in Frankreich dazu, jenen
Schriften eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, die außerhalb einer Institution
entstanden sind und in denen eine Person ihre eigenen Ansichten über sich, ihr Umfeld,
die Gemeinde oder die Welt zum Ausdruck bringt.25 Während hier das Private und Intime
Bezugspunkt vieler Forschungen ist, ist die deutschsprachige Selbstzeugnisforschung,
deren Fokus auf der Epoche der Frühen Neuzeit liegt, nach wie vor geprägt durch die
Auseinandersetzung mit dem Narrativ der Entstehung des modernen Individuums. Beiden
Ansätzen gemeinsam ist, dass sie die Geschichte der Selbstzeugnisse und die damit
verbundene Erforschung des Individuellen, Intimen und Privaten häufig in eine
kontinuierliche Entwicklungsgeschichte einordnen, deren Fluchtpunkt die europäische
Moderne ist.

23
James S. Amelang, The Flight of Icarus. Artisan Autobiography in Early Modern Europe,Stanford:
Stanford University Press, 1998.
24
Kaspar von Greyerz, Hans Medick und Patrice Veit, "Vorwort," in Von der dargestellten Person zum
erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1500-1850), Hg. Kaspar von Greyerz,
Hans Medick und Patrice Veit, Köln/Weimar/Wien: Boehlau 2001, IX-X.
25
Jean-Pierre Bardet, Elisabeth Arnoul und François -Joseph Ruggiu, (Hg.), Les écrits du for privé en
Europe, du Moyen Âge à l’époque contemporaine. Enquêtes, Analyses, Publications, Bordeaux: Presses
universitaires de Bordeaux, 2010.

9
Selbstzeugnisforschung ist Forschung, die nicht auf ein Thema oder eine Methode
fokussiert ist, sondern um eine ähnlich definierte Quellengruppe herum organisiert ist.
Die weiteste und für themenbezogene Forschung handhabbarste Definition ist sehr offen:
Sie betont, dass die Quellengruppe der Selbstzeugnisse verbunden wird durch „das
„Selbst“ oder die Person, die hier aus ihrer eigenen Sicht über sich schreibt.“26 In dieser
Definition wird der Fokus zunächst einmal auf die Praxis des Schreibens verlagert. Damit
sind Fragen verbunden nach der Schreibsituation, nach den Schreibabsichten, den
anvisierten Leserinnen und Lesern und den jeweils eigenen Perspektiven der
Schreiberinnen und Schreiber. Auch wenn man diese Fragen nicht in allen Fällen
beantworten kann, verändert der Fokus auf die schreibende Person, die sich in ihren Text
einbringt und die die beschriebene Person aktiv gestaltet, den Umgang mit
Selbstzeugnissen. Die Verfasser und Verfasserinnen entscheiden sich, was sie erzählen,
sie wählen aus, ordnen an und greifen bewusst oder unbewusst auf bestehende Narrative
zurück, die sie weitergeben, eventuell auch modifizieren.27 Wer ein Tagebuch schrieb,
orientierte sich oft an anderen Tagebüchern. Er oder sie übernahm literarische Muster,
was letztlich dazu führt, dass in einem Tagebuch unvermittelt Aufgeschriebenes,
literarisch Überhöhtes und frei Erfundenes ununterscheidbar nebeneinander stehen.
Während man die literarischen Modelle oder die Übernahmen aus der Bibel oder aus
antiken Schriften relativ leicht identifizieren kann, sind andere kulturelle Muster, sein
Leben zu erzählen, der Forschung nur schwer zugänglich. Dies wurde besonders
eindrücklich in Studien zur englischen Arbeiterautobiographie aufgezeigt.28

26
Gabriele Jancke, "Jüdische Selbstzeugnisse und Ego-Dokumente der Frühen Neuzeit in Aschkenas. Eine
Einleitung", in Selbstzeugnisse und Ego-Dokumente frühneuzeitlicher Juden in Aschkenas. Beispiele,
Methoden und Konzepte, Hg. Birgit E. Klein und Rotraud Ries, Berlin: Metropol-Verlag 2011, 9-26, hier S.
14.

27
Gabriele Jancke, "Autobiographische Texte - Handlungen in einem Beziehungsnetz. Überlegungen zu
Gattungsfragen und Machtaspekten im deutschen Sprachraum von 1400 bis 1620", in Ego-Dokumente.
Annäherungen an den Menschen in der Geschichte, Hg. Winfried Schulze (Berlin: Akademie-Verlag,
1996), 73-106, hier 76.
28
Siehe z.B. Simon Dentith, „Contemporary Working-Class autobiography: Politics of Form, Politics of
Content“, in Modern Selves: Essays on Modern British and American Autobiography, Hg.. Philipp Dodd,
London: Fran Cass, 1986, 60-80.

10
Selbstzeugnisse sind Texte, die Sinn stiften sollen. 29 Sie sind weder authentische,
unmittelbare Dokumente, die im Unterschied zu literarischen Texten vor allem auf ihren
Wahrheitsgehalt hin befragt werden können, noch unmittelbare Zeugnisse eines Ego.30
Theoretische Konzepte, die sich auf Gedächtnis, Erfahrung, Identität, Raum oder Agency
beziehen sind ebenso wichtig, um autobiographische Texte zu entschlüsseln, wie jene, die
die Bedeutung von Performativität, Positioniertheit und Situiertheit einer Person
betonen.31 Denn ein Selbstzeugnis entsteht in einer ganz bestimmten Situation, in der die
soziale Position des Autors und der Autorin ebenso wichtig sind, wie die beabsichtige Art
der schriftlichen Selbstdarstellung.
Im Zusammenhang mit der Frage nach der Wahrheit kommt auch der Gattung eine
besondere Bedeutung zu, da die Gattung nicht nur das Schreiben, sondern auch die
Erwartungshaltung der Rezipienten und Rezipientinnen beeinflusst. Da
autobiographische Texte als authentisch gelten und mit diesem Anspruch geschrieben
werden, kann Authentizität als ein konstitutiver Effekt der Gattung verstanden werden.32
Daraus ergibt sich die Frage, mit welchen kulturellen oder literarischen Mustern der
Authentizitätseffekt erzeugt wird, welche Aussagen die Verfasser und die Verfasserinnen
mit ihrem Schreiben machen möchten und welche Schreibstrategien sie anwenden. Um
solche Fragen zu beantworten, müssen die autobiographischen Schriften als Texte
analysiert werden. Es reicht nicht aus, sie „gegen den Strich“ zu lesen und die Wahrheit
jenseits der Texte zu suchen. 33 Dort nämlich finden sich nur die bereits erwähnten

29
Paul Ricoeur, Zeit und Erzählung, übers. v. Reiner Rochlitz, 3 Bde., Übergänge, München: Fink, 1988-
1991.
30
Kaspar von Greyerz, “Ego-documents: The Last word?, in German History 28. 3, 2010, 273-282, hier
280.

31
Einen Überblick über wichtige theoretische Neuansätze findet sich in Sidonie Smith/Julia Watson,
Reading Autobiography. A Guide for Interpreting Life Narratives, 2. Edition, Minneapolis, London:
University of Minnesota Press 2010, 213-234.

32
Renate Hof, "Einleitung. Genre und Gender als Ordnungsmuster und Wahrnehmungsmodelle", in
Inszenierte Erfahrung. Gender und Genre in Tagebuch, Autobiographie, Essay, Hg. Renate Hof ,
Tübingen: Stauffenburg, 2008, 7-24.
33
Esther Baur, "Sich schreiben. Zur Lektüre des Tagebuchs der Anna Maria Preiswerk-Iselij (1758-1840),
in Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen
(1500-1850), Hg. Kaspar von Greyerz, Hans Medick und Patrice Veit, Köln/Weimar/Wien:Boehlau 2001,
95-109, hier 96.

11
unausgesprochenen Vorannahmen über das Individuum, seine Empfindungen und
Erfahrungen. Auch Machtverhältnisse spielen beim Schreiben eine Rolle. Authentizität
ist mit Autorität verbunden. Nicht jedem wird zugestanden, authentisch zu schreiben.34
Für die deutsche Geschichtsschreibung der Nachkriegszeit konnte beobachtet werden,
dass man autobiographischen Quellen generell sehr kritisch gegenüberstand, die
Bedenken aber beiseite schob, wenn die Verfasser Autobiographien oder Tagebüchern
wichtige gesellschaftliche Positionen innegehabt hatten. In diesem Fall schien die Person
bzw. das Amt die Glaubwürdigkeit zu garantieren. 35 Ähnliches gilt auch für die
Tagebücher von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die lange unkritisch als
unverfälschte biographische Quellen gelesen wurden. 36 Ganz anders stellte sich die
Diskussion um die Erinnerung der Holocaustüberlebenden dar, die Jacques Presser
letztlich dazu veranlasst hatte, den Begriff Egodokument einzuführen, um den
dokumentarischen Charakter dieser Erinnerungen zu betonen.37
Liest man Selbstzeugnisse nicht als unmittelbares Abbild der Wirklichkeit oder auf die
Frage hin, inwieweit die Autoren oder Autorinnen die Kriterien eines modernen
Individuums schon erfüllen oder Zeugnis seines Wunsches nach Intimität und Privatheit
sind, so ermöglichen sie es, Geschichte in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit aus der
Perspektive handelnder Menschen zu denken und zu schreiben. Dabei geht es nicht nur
um die Frage nach der Konstitution des Selbst und der Wahrnehmung des Anderen,
sondern auch um Themen des alltäglichen Lebens, wie die Sozialisierung in Kindheit,
Jugend und Familie oder um Körpererfahrung und Körperwahrnehmung, um Religion
und Magie, um Lesepraktiken, um Zeit- und Raumwahrnehmung, um Werte und
Normen, um Zugehörigkeiten, um Machtverhältnisse und Gewalterfahrungen und nicht
zuletzt auch um Erinnerung und biographische und historiographische Sinnstiftung. Zu
diesen Themen liegen zahlreiche Untersuchungen vor, auf die hier nicht im einzelnen
eingegangen werden kann.

34
Dusini, Tagebuch. Möglichkeiten einer Gattung,(wie Anm. 7), 15ff..
35
Angelika Schaser, "Einleitung," in Erinnerungskartelle. Zur Konstruktion von Autobiographien nach
1945, Hg. Angelika Schaser (Bochum: Dr. Dieter Winkler, 2003), 7-16.
36
Smith/Watson, Reading Autobiography, (wie Anm. 30), 15-18.

37
Rudolf Dekker, "Jacques Presser's Heritage. Egodocuments in the Study of History," Memoria y
Civilización 5(2002), 13-37

12
Einen Schwerpunkt der europäischen Selbstzeugnisforschung bilden die Repertorisierung
der Quellen und die Frage nach ihrer Materialität und ihrer Bedeutung im Rahmen einer
Kulturgeschichte des Schreibens. Die unglaublich große Anzahl von Écrits du for privé,
die in Frankreich in den letzten Jahren gesichtet wurden (vor einiger Zeit hatte die
Datenbank mehr als 3800 Einträge 38 ) hat zu neuen Einsichten geführt über die
Verbreitung der schriftlichen Kultur in der frühen Neuzeit jenseits der literarischen
Produktion. Hier kann die französische Forschung an die erwähnten Arbeiten von James
Amelang zu Spanien anknüpfen. Auch die italienische Forschung hat mit der
Konzentration auf die livre de raison gezeigt, wie verbreitet die Praxis war, über sein
eigenes Leben zu schreiben. 39 Generell ist davon auszugehen, dass die Zahl der
überlieferten Texte seit dem 18. Jahrhundert enorm anstieg. In der Selbstzeugnisse-
Datenbank des Historischen Seminars Basel sind 870 Texte aus Schweizerischen
Bibliotheken und Archiven erfasst, die zwischen 1500 und 1800 geschrieben wurden.
Etwa ein Drittel davon sind Tagebücher. Die meisten stammen aus dem 18.
Jahrhundert.40 Auch in den Niederlanden ließ sich ein deutlicher Anstieg der überlieferten
Selbstzeugnisse im späten 18. Jahrhundert beobachten. Für die Zeit von 1500 – 1814 hat
eine Gruppe um Rudolf Dekker 1121 Texte zusammengestellt. Für die Tagebücher, die
einen großen Anteil an den Selbstzeugnissen hatten, konnte er zeigen, dass aus Zeiten
politischer Krisen oder Kriege signifikant mehr Tagebücher überliefert sind als sonst.41
Dass das autobiographische Schreiben in Zeiten des Umbruchs oder politischer
Systemwechsel generell ansteigt, haben Studien zum Dreißigjährigen Krieg, zur

38
Jean-Pierre Bardet und François -Joseph Ruggiu, "Les écrits du for privé en France de la fin du Moyen
Âge à 1914," URL: http://www.ecritsduforprive.fr [Zugriff:10.4. 2012].
39
Giovanni Ciappelli, (Hg.), Memoria, famiglia, identità tra Italia ed Europa nell' età moderna. Atti del
convegno internazionale Trento 4 - 5 ottobre 2007, Bologna: 2009.
40
Projekt: "Deutschschweizerische Selbstzeugnisse (1500-1800) als Quellen der Mentalitätsgeschichte"
unter Leitung von Kaspar von Greyerz, 1996-2003 [http://selbstzeugnisse.histsem.unibas.ch]

41
Rudolf Dekker, “Egodocuments in the Netherlands from the Sixteenth to the Nineteenth Century”, in
Envisioning Self and Status. Self Representation in the Low Countries 1400-1700, Hg. Erin Griffey Hull
1999, 255-285.

13
Französischen Revolution, zum Ersten und Zweiten Weltkrieg und zur Wende 1989
herausgearbeitet.42
Selbstzeugnisse können in sehr unterschiedlichen Formen geschrieben werden.
Manchmal handelt es sich um kurze Einträge, die in Vorreden, Grabinschriften oder
Lexikonartikel eingeflochten sind, manchmal aber auch um sehr umfangreiche Werke.
Auch Tagebücher waren oft sehr lang, manche konnten mehrere Tausend Seiten
umfassen. So hinterließ uns Samuel Pepys mehr als 3000 Seiten tägliche Notizen aus den
Jahren 1660-1690, die er binden ließ und in seine Bibliothek integrierte.43 Das Tagebuch
des Hamburger Kaufmanns Heinrich Witt (1799-1890), der in Lima (Peru) als
erfolgreicher international tätiger Kaufmann lebte und arbeitete, umfasst mehr als 10 000
Seiten.44 Heinrich Witt hat seine Lebenserzählung in Tagebuchform organisiert, frühere
Tagebuchaufzeichnungen in seinen Text integriert und manche Zeiträume
zusammenfassend aus dem Gedächtnis oder unter Zugrundlegung anderer Quellen
dargestellt. 45 Sein Text ist eines von vielen Beispielen, dass auch im 19. und 20.
Jahrhundert unter Tagebuch noch sehr verschiedene Textsorten verstanden wurden.
Das Material, das für das Schreiben der Tagebücher verwendet wurde, war sehr
unterschiedlich. Manche Tagebücher wurden auf losen Blättern geschrieben, für andere
wurden Kalender benutzt. 46 Im deutschsprachigen Raum waren Schreibkalender in
Buchform seit 1550 verbreitet. Ihre Besonderheit lag darin, dass die linke Seite mit dem
Kalendarium bedruckt war, während die rechte leer blieb. Sie war dafür vorgesehen,
tägliche Notizen zu machen. Schreibkalender, die in Europa bis ins 19. Jahrhundert
massenhaft verbreitet waren, gelten als ein Medium, das das autobiographische Schreiben

42
Einzelbelege bei Ulbrich/Medick/Schaser, Selbstzeugnis (wie Anm. 1), 7.

43
The Diary of Samuel Pepys – A New and Complete Transcription, 11 Bände; Hg. Robert Latham und
William Mattews, London: Bell & Hyman 1970–1983

44
Eine Edition wird derzeit von Ulrich Mücke und Cristóbal Aljovin de Losada vorbereitet.

45
Christa Wetzel, „Heinrich Witt (1799-1892) und sein Tagebuch im Lima des 19. Jahrhunderts“ in
Selbstzeugnis und Person - Transkulturelle Perspektiven, Hg. Claudia Ulbrich, Hans Medick und Angelika
Schaser, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2012, 139-154, , hier 144.

46
Rudolf Dekker, „Egodocuments“ (wie Anm 40) 260f.

14
befördert und zur Formierung der Autobiographie beigetragen hat. Allerdings sind sie nur
selten aufgehoben und noch seltener systematisch erforscht worden.47
Es steht außer Frage, dass das Tagebuchschreiben seit dem späten 18. Jahrhundert an
Bedeutung gewann und bis heute populär ist. Tagebuchwettbewerbe, wie sie etwa von
der YIVO in den Jahren 1932, 1934 und 1939 in Wilna für jüdische Jugendliche
veranstaltet wurden, zeugen vom Interesse am autobiographischen Schreiben. Damals
wurden über 900 Selbstzeugnisse gesammelt, von denen 300 erhalten geblieben sind.48
Für das 20. Jahrhundert gibt es Untersuchungen, in denen 40% der Befragten aussagten,
sie hätten schon einmal Tagebuch geschrieben. Vor allem in der Jugendphase scheint die
Praxis des Tagebuchschreibens verbreitet, wobei der Anteil der schreibenden Mädchen
und Frauen deutlich höher war als der der Männer.49 Unter den bekannten, gut edierten
und breit rezipierten Tagebüchern dominieren allerdings diejenigen, die von Männern aus
der gebildeten Elite geschrieben wurden.
Einer der Gründe für die Popularisierung des Tagebuchs im bürgerlichen Zeitalter könnte
darin liegen, dass das Tagebuchschreiben seit der Mitte des 18. Jahrhunderts als
pädagogisches Programm proklamiert wurde. Es wurde von Eltern als Erziehungsmittel
eingesetzt. Eines der bekanntesten Kindertagebücher aus dieser Zeit ist das von Otto von
Eck. Er führte von seinem 10. bis zu seinem 16. Lebensjahr, von 1791-1797 Tagebuch.
Seine Eltern, die der holländischen Oberschicht entstammten, „versuchten - insbesondere
über die von ihnen streng kontrollierte Lektüre - Ottos Entwicklung in eine aufgeklärte,
politisch korrekte Richtung zu drängen. Er sollte zu einem Modellbürger des kommenden
19. Jahrhunderts gemacht werden.“50 Ottos Tagebuch ist ein Beispiel dafür, dass man

47
Die Familien der Landgrafen von Hessen-Darmstadt haben zwischen 1624 und 1790 177
Schreibkalender geführt und damit eine Tradition autobiographischen Schreibens innerhalb ihrer Familie
begründet.(Helga Meise, Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-
Darmstadt 1624-1790, Darmstadt: Historische Kommission 2002).

48
Desanka Schwara, „Ojfn weg schtejt a bojm“. Jüdische Kindheit und Jugend in Galizien, Kongreßpolen,
Litauen und Russland, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1999, 89-106. Yivo = Jidišer Visenšaftlicher Institut
(Schwara, 97).

49
Susanne zur Nieden, Alltag im Ausnahmezustand. Frauentagbeücher im zerstörten Deutschland, 1943-
1945,(Berlin: Orlanda-Frauenverlag, 1993), 12.
50
Arianne Baggerman, "Lost Time: Temporal Discipline and Historical Awareness in Nineteenth-Century
Dutch Egodocuments", in Controlling Time and Shaping the Self. Developments in Autobiographical

15
Individuum und Gesellschaft, Privatheit und Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und
reflektiertes, antrainiertes Schreiben nicht strikt trennen kann, dass sich die Sphären
überlagern. Es ist zugleich ein Beispiel dafür, dass das Tagebuch in einer bestimmten
historischen Konstellation dazu genutzt wurde, den modernen Menschen zu bilden.

Sehr oft werden Selbstzeugnisse als Quellen für die Geschichte von Selbst bzw. Identität
genutzt. Gabriele Jancke hat viele Beispiele dafür gebracht, dass frühneuzeitliche
Autoren, wenn sie schreiben, nicht ihr inneres Selbst, sondern ihr soziales Selbst in den
Mittelpunkt stellen. Daraus zieht sie die Konsequenz: „Autobiographische Texte sind
nicht nur auf ein „Selbst“, sondern auch auf Gemeinschaft und Zughörigkeit bezogen.
Dies bedeutet, dass die Frage nach dem „Selbst“ dem Individuum oder der Person nicht
von Zugehörigkeiten und Gruppenkulturen getrennt werden kann: Beides gehört
zusammen. Jedenfalls für die Verfasser und Verfasserinnen frühneuzeitlicher
Selbstzeugnisse.“ Daraus folgert sie: „Die Bedeutung der Selbstzeugnisse liegt also
keineswegs in einer Geschichte der Individualisierung, sondern in einer Geschichte der
Sozialität, in deren Rahmen die möglichen sozialen Räume für Individuen bereitgestellt
oder verweigert, gestaltet und eingebunden werden. Diese Quellengruppe eröffnet einen
Zugang zu den konkreten Ausprägungen von Sozialität in verschiedenen Gesellschaften
und Gruppen. Dabei spielen soziale Netzwerke in der Selbstdarstellung eine zentrale
Rolle.“51

Selbstzeugnisse geben Einblick in Werte und Verhaltensstile einer Gesellschaft und


lassen erkennen, wie Menschen mit normativen Vorgaben umgegangen sind. Das
bedeutet nicht, dass die Frage nach Selbst und Individuum obsolet wird, wohl aber, dass
man nicht vorschnell ein inneres Selbst von seinen sozialen Bezügen trennen kann,
sondern die Person in ihrer Historizität verorten sollte. Die Erkenntnis, dass
Selbstzeugnisse in vielen Kulturen auf Gemeinschaften und Zugehörigkeiten bezogen

Writing since the Sixteenth Century, Hg. Arianne Baggerman, Rudolf Dekker und Michael Mascuch,
(Leiden: Brill 2011), 455-541..
51
Gabriele Jancke, „Jüdische Selbstzeugnisse“, (wie Anm. 25), 15

16
sind, gehört zu den wichtigsten Neuerungen und Weiterungen der
Selbstzeugnisforschung.

Vor dem Hintergrund der skizzierten Forschungen zu Selbstzeugnissen stellt sich die
Frage nach Tradition und Moderne nicht mehr als eine Frage nach der Entwicklung eines
modernen Individuums, das sich durch Privatheit, Innerlichkeit und Selbstreflexion
auszeichnet, sondern als eine Frage nach der Aneignung und Umdeutung von Tradition.
Um die Verflechtung von Tradition und Moderne in den Blick zu bekommen ist es
hilfreich, mit Peter Burke von der Annahme auszugehen, dass Traditionen der ständigen
Umformung, Neuinterpretation und Rekonstruktion unterliegen, weil Menschen sich
immer ihrer jeweiligen räumlichen und zeitlichen Umgebung anpassen: „Menschen
suchen sich aus der Kultur, in der sie leben, das heraus, was sie attraktiv, relevant oder
nützlich finden, und integrieren es (bewusst oder unbewusst) in das bereits Bestehende.
Manche Menschen fühlen sich stärker als andere zum Fremden hingezogen, alle aber
domestizieren ihre Erwerbung durch einen Prozeß der Neuinterpretation und
Rekontextualisierung. Mit anderen Worten Zuhörer und Zuschauer nehmen nicht passiv
auf, sie eignen sich das Neue aktiv an und gestalten es um.“ Sie folgen dabei einer
speziellen „Aneignungslogik“, die oft von der Gruppe, der sie angehören geteilt wird.
Auch wer ein Selbstzeugnis schreibt, muss das Geschehene neu interpretieren und
rekontextualisieren. Tradition und Moderne können diesem Ansatz zufolge nicht als
binäre Oppositionen gedacht werden, vielmehr gilt es den komplizierten Umdeutungs-,
Aneignungs- oder Umfunktionierungsprozessen auf die Spur zu kommen.52

4. Das Tagebuch zwischen Selbstzeugnis und literarischer Gattung

Historiker haben in aller Regel Bedenken, Tagebücher als eine eigene Gattung zu
bezeichnen. Sie verweisen darauf, dass das Tagebuch nur selten in einer „reinen“ Form
vorkommt. In vielen Tagebüchern lassen sich fließende Übergänge zwischen

52
Peter Burke, Die Geschicke des „Hofmann“. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über
angemessenes Verhalten, übers. v. Ebba D. Drolshagen, Berlin: Wagenbach, 1996, 14.

17
rückblickendem Schreiben und regelmäßiger, zeitnaher Tagebuchpraxis beobachten.
Außerdem ist das Genre Tagebuch sehr heterogen: Manchmal besteht ein Tagebuch nur
aus kurzen, alltäglichen Notizen, manchmal handelt es sich um ausführliche
Selbstreflexionen. Tagebücher wurden geschrieben, um Rechenschaft abzulegen, um
etwas zu verschleiern oder um sich abzulenken. 53 Manche benutzen das Tagebuch, weil
sie einen Ort brauchen, um sich ihrer selbst zu vergewissern, andere üben Selbstzensur,
d.h. sie korrigieren die Geschehnisse des Tages durch eine entsprechende Darstellung.
Tagebücher sind manchmal für Freunde, Verwandte oder die Öffentlichkeit geschrieben.
Insofern entspringen sie einem kommunikativen Akt. Dies kann auch dann der Fall sein,
wenn, wie im Tagebuch der Anne Frank, das Tagebuch selbst zum Dialogpartner wird.54
Die unterschiedlichen Funktionen und Formen des Tagebuchs haben Auswirkungen auf
die Schreibstrategien und sprechen eigentlich dagegen, alle Tagebücher in einer Gattung
zusammenzufassen.
Versteht man Genre nicht als feste Form, sondern als „social action“, wie dies Sidonie
Smith und Julia Watson vorschlagen, 55 so ist es dennoch wichtig, die Gattungsfrage
stärker in die historische Selbstzeugnisforschung zu integrieren, als dies bisher geschieht.
Die Entscheidung für ein Genre beeinflusst nicht nur das Schreiben, sondern auch das
Lesen.56 Von einem Text, der in Tagebuchform geschrieben ist, erwarten die Leser, dass
er „wahr“ ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn in einem Text bestimmte
Authentizitätssignale auftauchen, die im Text oder aber in Vorwörtern und Nachwörtern
erscheinen. Für Kriegserinnerungen nach dem Ersten Weltkrieg, die in Tagebuchform
niedergeschrieben worden sind, konnte Sophie Häusner zeigen, dass auch die
öffentlichen Debatten um diese zumeist literarischen Texte dazu beitrugen, sie als

53
Philippe Lejeune, "The Practice of the Private Journal. Chronicle of an Investigation (1986-1998)", in
Marginal Voices, Marginal Forms: Diaries in European Literature and History, Hg. Rachel Langford und
Russell West, Amsterdam: Rodopi, 1999, 106f.
54
Dusini, Tagebuch. Möglichkeiten einer Gattung, (wie Anm. 7), 53.
55
Smith/Watson, Reading Autobiography, (wie Anm. 30), 18. Carolyn R. Miller, “Genre as Social Action”,
in Genre and the New Rhetoric, Hg. Aviva Freedman, Peter Medway, London: Taylor and Francis 1984,
23-42

56
Natalie Zemon Davis: "Revealing, Concealing: Ways of Recounting the Self in Early Modern Times" 11-
08-22, Released Jan 04, 2012 [http://itunes.apple.com/us/itunes-u/early-modern-workshop-
audio/id493085739 Zugriff: 10.7. 2012]

18
57
„autobiographische“ und „historische“ Wahrheiten wahrzunehmen.
LiteraturwissenschaftlerInnen sprechen deswegen zu recht von einem
Authentizitätseffekt, der von der Gattung selbst ausgeht.
Ein wichtiger Unterschied zwischen autobiographischen Roman, rückblickender
Erinnerung (Autobiographie) und Tagebuch liegt ohne Zweifel im unterschiedlichen
Zeitbezug. Tagebuchautoren machen ihren Alltag, ihr Leben und das historische
Geschehen in aller Regel in großer zeitlicher Nähe zum Thema. Die Bedeutung von
Tagebüchern als Quellen, um herauszufinden, wie Menschen bestimmte Ereignisse erlebt
oder verarbeitet haben, oder welche Motive sie hatten, bestimmte Positionen
einzunehmen, wurde in Deutschland vergleichsweise intensiv im Zusammenhang mit
dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg diskutiert. Dies ist eine Zeit, die in
der Erinnerung nur schwer zu rekonstruieren ist, weil diejenigen, die sie erlebt haben,
vieles verdrängt haben. Nach der militärischen Niederlage und dem Zusammenbruch des
nationalsozialistischen Systems 1945 hatten viele Menschen die Erinnerung daran
abgewehrt. Sie hatten sich, wie Margarethe und Alexander Mitscherlich betonten, aus der
eigenen Vergangenheit zurückgezogen.58 Um herauszufinden, wie Mädchen den Alltag
im Nationalsozialismus erlebt haben und in welcher Weise sie an den Ereignissen dieser
Zeit teilgenommen haben, hat Susanne zur Nieden 32 Tage- und Notizbücher aus den
Jahren 1939-1945, sieben Erinnerungsberichte und drei Briefsammlungen untersucht. Sie
wollte mit Hilfe dieser Quellen „die Verflechtung von Politik und Alltag, Öffentlichem
und Privatem, Eigensinn und Geschichte“ erforschen und „einen Blick auf Gefühls- und
Gedankenwelten, an die sich diejenigen, die diese Zeit erlebten, seither selbst nur schwer
59
erinnern können und wollen“ erhalten. Im Zusammenhang mit solchen
Aufarbeitungsprozessen erhalten Tagebücher den Wert eines Archivs. Sie werden zu

57
Sophie Häusner, „Ich glaube nicht, dass ich es für mich behalten darf.“ Autobiographische
Veröffentlichungen von Krankenschwestern im Ersten Weltkrieg, in Selbstzeugnis und Person -
Transkulturelle Perspektiven, Hg. Claudia Ulbrich, Hans Medick und Angelika Schaser,
Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2012, 155 – 171.

58
Alexander Mitscherlich, Margarethe Mitscherlich, Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven
Verhaltens. München: Piper 1967.

59
zur Nieden, Alltag im Ausnahmezustand. Frauentagbeücher im zerstörten Deutschland, 1943-1945,(wie
Anm. 48), 12.

19
Zeitzeugnissen, mit deren Hilfe Erinnerungen in das „kulturelle Gedächtnis“ einer
Gesellschaft überführt werden können. Gerade aufgrund ihrer Bedeutung als historische
Dokumente ist es wichtig, dass man mit diesen Quellen methodisch reflektiert umgeht.
Die intensive Erforschung von Selbstzeugnissen in den letzten Jahren, die historische und
literaturwissenschaftliche Kritik an diesen Quellen und die Einbeziehung postmoderner
und postkolonialer Theorien haben dafür wichtige Grundlagen gelegt.

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