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Kentler-Experiment: Berlin hat Pflegekinder gezielt an

Pädophile vermittelt – auch an Männer aus hohen Kreisen


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vermittelt-auch-an-maenner-aus-hohen-kreisen-a3268583.html

June 18, 2020

Berlin hat jahrzehntelang Kinder und Jugendliche an Pädophile in Pflege gegeben. Die
Pflegeväter waren einem Bericht von Forschern zufolge mitunter mächtige Männer aus
Wissenschaft und Forschungseinrichtungen.

Berlin startete Ende der 1960er Jahre das „Kentler-Experiment“. Dabei wurden Kinder
und Jugendliche gezielt in die Obhut teils vorbestrafter Pädophiler gegeben. Das Projekt
wurde in der Zeit der „sexuellen Befreiung“ ins Leben gerufen und lief drei Jahrzehnte
lang.

Der Berliner Sozialpädagoge Helmut Kentler war Leiter dieses, wie er sagte,
„wissenschaftlichen Experiments“. Kentler war eine hoch angesehene Persönlichkeit
und bis Mitte der 1970er Jahre in Berlin am Pädagogischen Zentrum als
Abteilungsleiter tätig, einer nachgeordneten Behörde des Senats.

Er vertrat die Ansicht, dass sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen nicht
schädlich seien. Kentler der nie für seine Taten belangt wurde und 2008 verstorben ist,
meinte sogar: Pädophile seien in besonderer Weise als Pflegeväter geeignet.

Kentler und die Pflegeväter haben nicht allein gehandelt. Das zeigt ein Abschlussbericht
von Forschern der Universität Hildesheim, der Anfang der Woche in Berlin vorgestellt
wurde.

Vielmehr handele es sich um ein ganzes Netzwerk an Verantwortlichen: „Ein Netzwerk


quer durch die wissenschaftlichen pädagogischen Einrichtungen insbesondere der
1960er und 1970er Jahre und die Senatsverwaltung (dem Landesjugendamt) bis hinein
in einzelne Berliner Bezirksjugendämter, in dem pädophile Positionen akzeptiert,
gestützt und verteidigt wurden“, zitiert RTL aus dem Bericht. Wie viele Kinder zu
Opfern wurden, ist nicht bekannt.

Pädophile Pflegeväter aus hohen Kreisen


Neben zwei schon länger bekannten Fällen in Berlin habe sich auch ein Betroffener
gemeldet, der in einer von Berlin geführten Pflegestelle in Westdeutschland
untergebracht war, berichteten die Wissenschaftler. Es gebe die begründete Annahme
für weitere solche Pflegestellen oder Wohngemeinschaften in Westdeutschland, damals
initiiert durch Berliner Behörden. Betroffene berichteten laut den Forschern etwa von
Grenzüberschreitungen, Gewalt und Missbrauchserfahrungen.

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Ein Opfer sagte dem „Deutschlandfunk“ unter Voraussetzung der Anonymität: Es habe
„körperliche Züchtigung“ gegeben. „Devise war gewesen: Er schlägt den Teufel in uns,
nicht uns. Und der sexuelle Missbrauch, der mit sechs Jahren angefangen hat.“

Aus Sicht der Aufarbeitung handle es sich um „Kindeswohlgefährdung in öffentlicher


Verantwortung“, sagte Mitautorin des Abschlussberichts Julia Schröder. Kentler wird
als einer der Hauptakteure eines Netzwerks beschrieben, das laut Bericht quer durch die
wissenschaftlichen pädagogischen Einrichtungen insbesondere der 1960er und 1970er
und die Senatsverwaltung bis hinein in Bezirksjugendämter ging.

So seien pädophile Positionen „akzeptiert, gestützt und verteidigt“ worden, Übergriffe


nicht nur geduldet, sondern gerechtfertigt. Dabei habe es durchaus auch gegenteilige
Positionen gegeben. Kentler habe maßgeblich Einfluss auf Entscheidungen
Verantwortlicher ausgeübt. Die Verantwortung für Kentlers Aktivitäten liegen laut
Schröder beim Berliner Senat als dessen Dienstherr.

Die bisherigen Hinweise würden darauf hindeuten, dass es sich bei den Pflegestellen

um allein lebende, mitunter mächtige Männer aus Wissenschaft, Forschungseinrichtungen


und anderen pädagogischen Kontexten gehandelt hat, die pädophile Positionen akzeptiert,
gestützt oder auch gelebt haben“.

Scheeres spricht von „Behördenversagen“


Berlins Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Sandra Scheeres, sprach von
„Behördenversagen“. Die SPD-Politikerin sagte den Opfern eine
Entschädigungszahlung zu. „Wir haben ein Netzwerk aufgedeckt“, betonte sie. Es sei
deutlich geworden, dass Kentler Kindesmissbrauch angestrebt habe. Sie nannte das
Vorgehen „menschenverachtend“. Berlin übernehme die Verantwortung. Die
Betroffenen bat Scheeres um Verzeihung.

Die Aufarbeitung des institutionellen Missbrauchs soll auch über Berlin hinausgehen.
Zudem sollen die Berliner Strukturen noch einmal genauer unter die Lupe genommen
werden, sagte Scheeres. Eine Studie soll mehr Klarheit bringen.

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs erklärte,


sie unterstütze „nachdrücklich den Vorschlag, dass die Jugendministerkonferenz eine
bundesweite Aufarbeitung zu Gewaltverhältnissen im Pflegekinderwesen und der
Heimerziehung auf den Weg bringen muss, um die vorliegenden Hinweise auf ein weit
verzweigtes Netzwerk weiter aufarbeiten zu können“.

Helmut Kentler, der später als Professor für Sozialpädagogik an der TU Hannover
lehrte, wurde für sein „Experiment“ nie strafrechtlich verfolgt. Die Taten galten als
verjährt. (so/dpa)

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