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MÜNCHEN+
73 Konzerttechno mit Liveinstrumenten: Jan Blomqvist & Band
74 Nach der Tragödie wieder auf Tour: Madrugada
78 Er macht gern das Maul auf und will Fressefreiheit: Ingmar Stadelmann im Redeschwall
80 Mit „Dr. Alici“ holen die Kammerspiele Arthur Schnitzler ins Heute

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Foto: © Rocco Gardner

Foto: Münchner Kammerspiele


Foto: © Robert Maschke

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Foto: Knut Aaserud

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MÜNCHEN
Foto: Andreas H. Bitesnich KLUBS + KONZERTE

Rebekka Bakken Muffathalle


Rebekka Bakken muss sich immer wieder dagegen wehren, als Jazzsän- sondern obendrein noch eine ehrliche und furchtlose Songwriterin. Mit
gerin bezeichnet zu werden. Das ist ein bisschen so, wie den Nobelpreis ihrem neuen Album „Things you leave behind“ signalisiert Bakken, dass
abzulehnen, denn höheres Lob gibt es ja kaum. Aber Bakken will eben sie noch lange nicht fertig ist – sie wird stattdessen nur mit jeder neuen
lieber ihr eigenes Ding machen und singt deshalb zum Beispiel auch nie- Platte besser als zuvor.
mals Jazzstandards. Denn die Norwegerin ist nicht nur eine großartige
Sängerin, deren Stimme mit Leichtigkeit über vier Oktaven hinweggleitet, 2. 4., 20 Uhr
Foto: Yves Borgwardt
Foto: Dragon Productions

Motorjesus Backstage Club Woods Of Birnam Milla


Nur die harten Rocker steigen die Karriereleiter rauf: Motorjesus mussten Die Woods Of Birnam haben ihren Namen von dem schottischen Wald,
im Laufe ihrer Karriere schon einige Schläge einstecken. Immer mal der bei Shakespeare Macbeth zum Verhängnis wird. Ein Schuss Hoch-
wieder ist der Motor ins Stottern geraten – erst vor kurzem mussten wie- kultur schwingt also immer mit, wenn die Band unterwegs ist. Tatsäch-
der ein paar Mitglieder ausgewechselt werden. Aber statt links ranzu- lich hat die Gruppe aus Christian Friedel und ehemaligen Mitgliedern
fahren, hat die Band lieber noch einen Gang hochgeschaltet: Ihr Album von Polarkreis 18 den seltenen Spagat zwischen E- und U-Musik von
„Race to Resurrection“ kommt mit fetten Riffs und der lautstarken, aber Anfang an gemeistert. Einerseits haben sie den Song zu Til Schweigers
wandelbaren Stimme von Chris Birx direkt durch die Haustür gekracht. Film „Honig im Kopf“ geliefert, andererseits sind sie immer wieder als
Man wünscht Motorjesus, dass sich das Blut und der Schweiß auszahlen: Theaterband unterwegs und hatten mit „Searching for William“ sogar
Wenn es aufwärts gehen soll, muss man eben auch mal bergauf fahren. ihr eigenes Theaterprojekt. Soeben ist das dritte Album „Grace“ erschie-
nen, das die kommende Tour bestimmen wird.
4. 1., 20 Uhr
5. 1., 20 Uhr

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Foto: Schmidt Schliebener


17 Hippies Ampere
Ein bisschen tanzbarer als früher klingen 17 Hippies heute. Dabei sind
nicht alle Mitglieder noch die Allerjüngsten – immerhin existiert das
Kollektiv schon seit über 20 Jahren. Doch das (Neu-)Erfinden gehört
nach wie vor zum Ethos von 17 Hippies. Nicht nur live spielt Improvi-
sation eine große Rolle in ihrem Sound, der auch sonst nur schwer auf
einen Stil festzunageln ist: Chansons, Global Beat, Rock’n’Roll und
noch mehr geben sich die Studioklinke in die Hand. Wie es sich für
Hippies gehört, haben die 13 (nicht 17) keine Hierarchie, sondern
funktionieren als Gruppe am besten. Eine neue, anarchisch bunte
Scheibe erscheint obendrein.

19. 1., 20 Uhr


Foto: Phoebe Fox Shotbyphox

Jerry Williams Milla


Jerry Williams – nein, nicht der kürzlich verstorbene Sänger aus Schwe-
den, sondern die noch ganz junge Musikerin aus Portsmouth. Gerade
einmal 22 Jahre ist die Britin alt und doch schon ein aufsteigender
Stern am Indiepophimmel. Das Beeindruckende: Sie hat das alles ganz
allein geschafft, hat ihre EPs selbst veröffentlicht und sich den Erfolg
mühsam Show für Show erspielt. Das Geheimnis dieses Erfolgs ist die
ansteckende Energie von Williams’ bunten, aber doch lakonischen
Songs. Auch ihre Cover von Bands wie The Cure oder den Killers schaf-
fen es, dem vertrauten Material etwas Eigenes hinzuzufügen. Im neuen
Jahr geht es für Jerry Williams erst richtig los.

21. 1., 20 Uhr

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MÜNCHEN
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Foto: Dennis Dirksen


Foto: Walter P. R. Schnabel
Rhonda Milla Friska Viljor Theaterfabrik
Rhonda mögen manchmal nostalgisch sein, aber sie sind nie rück- Da haben sich die Fans die Augen gerieben: Die Newcomerband Shotgun
wärtsgewandt. Ihre moderne Version des Sixties-Soul mixt auch Punk Sisters, die beim diesjährigen Reeperbahn Festival gespielt hat, war in
und Mod mit hinein und stellt so sicher, dass es niemals langweilig Wahrheit Friska Viljor, das schwedische Duo, das seit zwei Jahren nicht
wird. Insbesondere Sängerin Milo Milone aber hat keinen Grund, der mehr aufgetreten war. Grund für die Pause war die Trennung Joakim
Vergangenheit nachzuweinen: Denn früher, bevor Rhonda aus den Sveningssons von seiner Lebensgefährtin. Die hat ihn so schlimm
Trashmonkeys hervorgegangen sind, war sie erst mal nur die Bassistin. getroffen, dass er eigentlich nie wieder musizieren wollte – doch sein
Wer ihre sofort erkennbare Stimme heute hört, fragt sich, wie es so Kollege Daniel Johansson schlug vor, erst einmal abzuwarten. Die War-
lange dauern konnte, bis Milo es ins Rampenlicht geschafft hat. Aber tezeit ist vorbei, Sveningsson hat seine Trauer verarbeitet, und Friska
manch gut Ding braucht eben Weile – so wie die Musik von Rhonda, Viljor sind einmal mehr auf Tour. Und spielen vielleicht auch ihren Song
die sich aus der Vergangenheit speist, aber trotzdem ständig besser wird. „Shotgun Sister“ – ganz ohne Verwirrung.

24. 1., 20 Uhr 25. 1., 20 Uhr


Foto: Francis Moult

Foto: Melt! Booking

Jeremy Loops Tonhalle Rudimental Muffathalle


Ein Mann voller Widersprüche ist Jeremy Loops schon immer gewesen. „Toast to our Differences“ heißt das neue Rudimental-Album, das im
Einer, der sein Wirtschaftsstudium über den Haufen wirft, um Weltrei- Januar erscheint. Das war schon immer der Ethos des Quartetts: Menschen
sender und Musiker zu werden. Einer, der gleißende Sommerhits und Kulturen zusammenbringen und sie auch in ihren Unterschieden
schreibt und sich gleichzeitig gegen die Erderwärmung engagiert. Allein zu feiern. Dazu vermengen sie ihren Drum & Bass mit Pop, Elektro und
mit seiner Gitarre und seinem Lächeln könnte der Südafrikaner genug Soul. Diese universale Botschaft kommt an – zu Hause in Großbritannien
Herzen sammeln, aber damit gibt er sich nicht zufrieden. Stattdessen haben Rudimental mehr als zweieinhalb Millionen Singles verkauft. Sie
spielt er noch Mundharmonika und Loop Station und macht so seine haben schon mit Stars wie Ed Sheeran und Macklemore zusammenge-
Songs zu vielschichtigen Hits. Kommen dann noch seine Band und der arbeitet und wurden auf YouTube mehr als 800 Millionen Mal gestreamt.
Rapper Motheo Moleko dazu, steht der sommerlichen Party nichts Auch für ihr neues Album haben sich Rudimental eine ganze Reihe von
mehr im Wege. Nicht mal ein Widerspruch. Freunden eingeladen, darunter einen südafrikanischen Männerchor.

25. 1., 20 Uhr 26. 1., 20 Uhr

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Foto: Dirk Messner / Sony Classical


Max Mutzke Muffathalle
Auch wenn es schmerzhaft ist: Wir sollten uns alle kollektiv eingestehen,
dass Castingshows in der Regel eher selten zum versprochenen Erfolg
verhelfen. Zumindest haben fast alle Ausnahmen von dieser Regel inter-
essanterweise mit Stefan Raab zu tun: Nicht nur Lena Meyer-Landrut,
sondern auch Max Mutzke wurde von ihm entdeckt. Und mehr als viel-
leicht irgendwer sonst hat Mutzke es geschafft, seinen Sieg in der Raab-

DAS NEUE ALBUM


Show „SSDSGPS“ in dauerhaften, bedeutsamen Erfolg zu verwandeln.
Sowohl Fans als auch Feuilletons feiern ihn für seine Musik, die von
Pop über Funk bis hin zu Klassik reicht. Auch „TV Total“ hat Mutzke
überlebt: Sein neues Album „Colours“ ist im September erschienen.

27. 1., 20 Uhr


ERHÄLTLICH ALS
CD, VINYL,
DOWNLOAD & STREAM
Foto: Karsten Jahnke Konzertdirektion

Lejana zehner
Viele behaupten ja, Musik und Schauspielerei sei so ungefähr dasselbe
– bei beiden präsentiert man den Leuten eine Show, oft auf einer
Bühne, und nutzt dazu Stimme und Körper. Doch wenn die Fachfrau
fragt, haben beide nichts miteinander zu tun. Linda Marlen Runge, die
Frontfrau von Lejana, hat erst kürzlich ihre Rolle bei „Gute Zeiten,
schlechte Zeiten“ aufgegeben, um sich voll auf ihre Band konzentrie-
ren zu können. Und das, sagt sie, sei etwas ganz anderes – denn hinter
dem Mikro muss sie keine Rolle spielen, sondern kann ganz sie selbst
sein. Dabei helfen Runge ihre vier mexikanischen Kollegen, mit denen
sie Lejanas düster-staubigen Rock produziert.

1. 2., 20 Uhr

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MÜNCHEN
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Foto: Volker Neumann at Neomania


Foto: Nils Lucas
Steiner & Madlaina Backstage Club Oysterband Ampere
Nora Steiner und Madlaina Pollina kennen sich seit Schulzeiten – ent- Die ganzen Wechsel, die Pausen und Neuanfänge, die die Oysterband
sprechend teilen sie nicht nur denselben Musikgeschmack, sondern durchlaufen hat, kann man in wenigen Sätzen kaum nachzeichnen.
auch den gleichen Humor. Als Steiner & Madlaina haben sie just ihr Deshalb versuchen wir das auch gar nicht erst. Immerhin gibt es die
Debütalbum „Cheers“ veröffentlicht und zelebrieren wie schon auf ihren Band schon seit 1976. Damals fanden sich in Canterbury eine Gruppe
EPs folkige Mehrdeutigkeit – manchmal buchstäblich, denn auf der junger Leute zusammen, um Folkrock zu spielen, zu dem man auch
Platte finden sich Songs auf Deutsch, Englisch und sogar einer auf tanzen kann. Mit den Jahren sind die Songs nachdenklicher geworden
Schweizerdeutsch. Ohne Skrupel mischen sie die süßesten Harmonien und manche von ihnen zu echten Klassikern des Genres – darunter
und die beißendsten Texte. Die Assoziation mit einem anderen Schweizer „Granite Years“, „When I’m up (I can’t get down)“ oder „Everywhere I go“.
ist dabei kein Zufall: Madlainas Bruder ist Julian Pollina, besser Der letzte Song ist auch namensgebend für die aktuelle Tournee der
bekannt als Faber. Oysterband, bei der die alten Herren wie stets die Bühnen rocken werden.

3. 2., 20 Uhr 12. 2., 20 Uhr

Foto: Julian Hargreaves


Foto: Felix Baab

Moop Mama Tonhalle Eros Ramazzotti Olympiahalle


Wenn Moop Mama ihr neues Album schlicht „Ich“ genannt haben, wol- Wer sein Kind Eros nennt, darf sich später nicht wundern, wenn es zum
len die Zehn damit nicht eine Einstimmigkeit demonstrieren, die bei Troubadour wird. Heute ist Eros Ramazzotti auf der ganzen Welt berühmt
einer so großen Band gar nicht möglich ist. Stattdessen geht es weiter- für Liebeslieder wie „Quanto Amore sei“ oder „Cose della Vita“ – letzteres
hin darum, die chaotische Mischung aus Rap, Gesang und Brassband vor allem in der Version mit Tina Turner. Überhaupt ist die Liste von
bis in die Extreme zu verfolgen – Kakophonie statt Harmonie. Und das berühmten Kollegen, die mit dem Poprocker gearbeitet haben, schier
geht immer noch gleichzeitig in die Beine und in den Kopf. Das kann endlos: Neben Turner, Cher und anderen Popdiven finden sich auch
man auch daran erkennen, dass für die neue Platte unter anderem klassische Musiker wie Luciano Pavarotti. Wer Ramazzotti also bis
Kryptik Joe von Deichkind und die Antilopen Gang als Gäste vorbeige- heute als Schnulzensänger abtut, hat entweder kein Herz oder keine
schaut haben. Am explosivsten ist dieser Sound, wenn alle zehn Ichs Ohren. Im neuen Jahr bricht der Italiener zu einer Tour auf, um sein
von Moop Mama gemeinsam auf der Bühne stehen. Album „Vita ce n’é“ vorzustellen.

16. 2., 20 Uhr 17. + 18. 2., 20 Uhr

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KLUBS + KONZERTE

Foto: Simon Fessler


Christian Kjellvander Milla
Auf seinem neuen Album „Wild Hxmans“ macht uns Christian Kjellvander
buchstäblich ein X für ein U vor. Dahinter steckt eine Anklage: Men-
schen, die einander so behandeln wie wir, verdienen diesen Namen
eigentlich nicht. Ernsthafte Thematik also schon auf dem Cover. Aber
das ist man von Kjellvander ja gewohnt: Schon seit seinen Anfängen
mit der Band Loosegoats ist der Folkrock des Schweden mit Schwer-
mut und Nachdenklichkeit durchsetzt. Es ist eben nicht nur seine tiefe
Stimme, die an Leonard Cohen erinnert. Auch mit 42 Jahren weigert
Kjellvander sich, den leichten Weg zu wählen. Stattdessen sucht er –
mittels seiner Musik – immer weiter nach Antworten. DAS N E U E A L B U M !
17. 2., 20 Uhr
B IT TE R-SWE ET
Jan Blomqvist & Band
I N K LU S I V E D E R S I N G L E
Muffathalle „ R E AS O N O R R H Y M E “
„Und Band“ – man muss das dazu sagen,
denn es ist bei Jan Blomqvist nicht so
selbstverständlich wie vielleicht bei
BEKANNT
anderen Künstlern. Eigentlich kommt er
aus den Berliner Klubs und ist insofern
auch oft genug allein unterwegs – bleibt es
AUS
aber nicht lange, sobald die Leute zu tanzen anfan-
gen. Doch seine elektronischen Klanglandschaften
reichen Jan nicht aus. Um die Szene
wirklich zu erneuern, braucht man
etwas anderes: echte Musiker mit echten
Instrumenten zum Beispiel. Und so bieten
Jan Blomqvist und seine Band aus Klavier
und Drums etwas Einmaliges zwischen
minimalistischem Techno und tanz-
barem Elektropop – er selbst
nennt das „Konzerttechno“.

20. 2., 20 Uhr


Foto: Rocco Gardner

DAS A L B U M
J E T ZT Ü B E RA L L I M H A N D E L !
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MÜNCHEN
KLUBS + KONZERTE

Foto: Carina Antl

Foto: Knut Aaserud


Simon Lewis Backstage Club
Nicht nur Bon Iver kann Songs in einer Berghütte schreiben – auch
Simon Lewis hat sich in die Einsamkeit begeben, um die Lieder für sein
Debütalbum in Angriff zu nehmen. Noch kurz zuvor hatte der Österreicher
in einem Callcenter gearbeitet und nebenbei an U-Bahnstationen Stra-
ßenmusik gemacht. Doch nach einer Trennung vor zwei Jahren hat er
genug gehabt und ist in das alte Haus seiner Großmutter nach Kufstein
gezogen. Den von Folk getränkten Poprock, der Simons Spezialität ist,
schreibt man eben am besten fernab der Städte. Doch nun ist der Singer/-
Songwriter wieder in die Zivilisation zurückgekehrt, die Platte „Pilot“
abgemischt und der Tournee steht nichts mehr im Wege.

23. 2., 20 Uhr

Madrugada Technikum
Es endete in Tränen: Der letzte Song, den Madrugada veröffentlicht
Foto: Glenn Dearing

haben, heißt „All this Wanting to be free“ und nimmt Abschied von
Gitarrist Robert Burås. Sein plötzlicher Tod im Jahr 2007 hatte die Lauf-
bahn der norwegischen Band erst einmal beendet. Plötzlich klangen die
melancholischen, bluesgeprägten Songs zu schmerzhaft. Zehn Jahre
ist das letzte Konzert von Madrugada deshalb her, und die Fans hatten
Jonathan Jeremiah Strom sich damit abgefunden, ihre Lieblingsband nie wieder live erleben zu
können. Doch nun scheint es, dass die Wunden, die Burås’ Tod hinter-
Als Kind, erzählt Jonathan Jeremiah, mochte er seine eigene Stimme lassen hat, verheilt sind – zumindest genug, damit sich Madrugada
überhaupt nicht: „Als ich 14 Jahre alt war, wollten alle so singen wie wieder auf die Bühnen Europas wagen. Taschentücher braucht es viel-
Nick Drake, und ausgerechnet ich bekomme einen kräftigen Bariton.“ leicht trotzdem.
Heute hat sich der Brite damit abgefunden, ja mehr noch: Er holt aus
seiner Stimme alles raus, was geht. Und das ist eine ganze Menge. 28. 2., 20 Uhr
Jeremiah liefert Jahr für Jahr seidigen Blue-Eyed-Soul ab, der sich auch
gern mal bei Helden wie Bill Withers bedient. Trotz seines nostalgischen
Sounds ist er froh, in der Gegenwart zu leben – denn erst hier lassen
sich die Genres so bunt durcheinandermischen, wie Jeremiah es auf
seinem aktuellen Album „Good Day“ beweist.

25. 2., 20 Uhr

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Foto: a.s.s. concerts


Joanne Shaw Taylor Ampere
„Reckless Heart“ – also auf Deutsch „Waghalsiges Herz“ – hat Joanne
Shaw Taylor ihre neue Platte genannt. Und so eins hat die Musikerin
tatsächlich. Das braucht man aber auch, wenn man eine Karriere wie
Taylor hinlegen will. Zum neuen Gesicht des Bluesrock wird man nicht
über Nacht, und diese Leistung wird keineswegs einfacher, wenn man
eine Frau ist und noch dazu aus England stammt. Doch Joanne Shaw
Taylor hat das alles wie mit links geschafft und sogar den amerikani-
schen Markt erobert, auf dem es an Blueskünstlern nun wirklich nicht
mangelt. Doch schon bei ihrem Debüt „White Sugar“ war klar: Hier
spielt, singt und schreibt ein Ausnahmetalent.

28. 2., 20 Uhr


Foto: Thomas Lohr

Paul Kalkbrenner Zenith


Vor zehn Jahren hat Paul Kalkbrenner im Film „Berlin Calling“ auch
Spießern und Stubenhockern gezeigt, wie sich eine durchtanzte Tech-
nonacht in Berlin anfühlen kann. Wer wäre besser für diese Rolle geeig-
net gewesen als er – schließlich waren sich Filmfigur und Schauspieler
als DJs in Berlin, die auch mal über die Stränge schlagen, verdammt
nah. Kalkbrenners Soundtrack, vor allem „Sky and Sand“, machte ihn
zum vielleicht bekanntesten Elektromusiker Deutschlands. Heute ist die
Partynacht vorbei, und auf dem neuesten Album „Parts of Life“ reflektiert
der Musiker die Stationen seines bisherigen Lebens. Tanzbar bleibt das
natürlich trotzdem.

28. 2., 20 Uhr

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MÜNCHEN
KLUBS + KONZERTE

Foto: Ben Donoghue


The Australian Pink Floyd Show
Zenith
„Wir spielen nur Pink Floyd.“ Das stand schon 1988 auf dem Zettel,
den Gitarrist Lee Smith in einem Plattenladen in Adelaide aufgehängt
hatte. Sofort hat er Gleichgesinnte gefunden – The Australian Pink
Floyd Show war geboren. Am zentralen Motto der Band hat sich in den
dreißig Jahren seitdem nichts geändert: das Feeling einer Liveshow von
Pink Floyd wiederzugeben – so nah am Original wie möglich, inklusive
Lasershow und riesigem Gummischwein. Das aktuelle Programm „All
that you love“ hält ebenfalls, was es verspricht: Gespielt werden nur
die besten Songs aus Pink Floyds langer Laufbahn.

7. 3., 20 Uhr

Foto: Benedikt Schnermann


Revolverheld Olympiahalle
Foto: Steve Gullick

Sie können’s einfach nicht lassen: Ein Jahr Auszeit hatten sich Revolverheld
nach ihrer Tournee zum „MVT Unplugged“ Album vorgenommen. Doch
schon nach einem Monat waren sie die Ruhe leid. Außerdem hatten
sie zwar in letzter Zeit viele, viele Konzerte gegeben, aber schon lange
White Lies Neue Theaterfabrik keine neue Musik mehr geschrieben. Also haben sich Sänger Johannes
Strate und Gitarrist Kris Hünecke hingesetzt und das getan, was sie am
Immer wieder werden White Lies mit Joy Division verglichen. Insbe- besten können: Songs schreiben, die Geschichten aus dem Leben
sondere die Stimme von Sänger Harry McVeigh mit ihrer glatten Dun- erzählen und im Radio auch nach dem tausendsten Hören noch gut
kelheit erinnert viele Hörer an Ian Curtis. Doch White Lies selbst legen klingen. Kurz darauf ist „Zimmer mit Blick“ fertig geworden, das fünfte
Wert darauf, dass sie eigentlich keine großen Fans der Band sind – und Album, das auch auch ein Jahr später noch die Fans begeistert.
noch dazu viel fröhlicher klingen. Und da haben sie recht: Das Trio aus
England, das früher mal Fear Of Flying hieß, hat sich extra umbenannt, 24. 3., 20 Uhr
als klar wurde, dass die neuen Songs ernsthafter klingen würden als
die alten. Und auch viele Anleihen aus den Achtzigern kann man ihm
nicht absprechen. Aber White Lies machen zuletzt immer ihr eigenes
Ding – so auch auf dem mittlerweile fünften Album „Five“.

15. 3., 20 Uhr

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KLASSIK

Isabelle Faust
Residenz 10. + 11. 1., 20 Uhr
JEDEN TAG
GROSSES
Isabelle Faust ist ebenso Publikums- wie Kriti-
kerliebling, überzeugt mit Klassikern genauso
wie mit zeitgenössischen Stücken und nähert sich
ihren Interpretationen mit großem Feinsinn und
musikhistorischem Verständnis. Die Berliner Violi-
KINO
BEI UNS IN DEN
KINOS
nistin spielt bis zu 120 Konzerte im Jahr und ist
auch regelmäßig zu Gast in der bayerischen Metropo-
le. Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rund-
funks unter der Leitung von Daniel Harding inter- Wir zeigen Filme im
pretiert Faust diesmal Schönbergs Violinkonzert
sowie Beethovens „Pastorale“. ORIGINAL
MIT UNTERTITELN
Montag & Dienstag
KINOTAG
Mittwochabend
SNEAK PREVIEW
Montags um 21 Uhr:
M O N G AY
Das schwullesbische Kultkino
SPÄTVORSTELLUNGEN
& SONNTAGSMATINEEN
Foto: Molina Visuals

SPECIAL EVENTS
F E S T I VA L S
FILMKUNSTWOCHEN
DIE BESTEN ARTHOUSE-FILME DER STADT!
Sabine Meyer Manz / Studnitzky
Klarinettenmeisterin Sabine Meyer und die Klarinettist Sebastian Manz und Jazz-Trompeter/
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen – Pianist Sebastian Studnitzky mixen Stile, Kom- Und vor & nach dem Film geht’s in die
eine exzellente Kombi für Werke von Beethoven, ponisten und Klangwelten in „A Bernstein Story“.
Mozart, Dvorák. BR-Funkhaus 22. 1., 20 Uhr
Gasteig 20. 1., 15 Uhr
Diana Damrau
Daniel Müller-Schott Belcanto-Star Diana Damrau und Dirigent
Das BR-Kammerorchester macht mit dem Mariss Jansons bürgen gemeinsam für höchste
großartigen Cellisten Daniel Müller-Schott Qualität. Perfekt für Strauß-Lieder und Bruckners
gemeinsame Sache. Gespielt werden Respighi, Große Messe.
Haydn, Elgar und Mozart. Residenz 24. + 25. 1., 20 Uhr
Prinzregententheater 20. 1., 11 Uhr
Hilary Hahn
Zaide Geigenstar Hilary Hahn und der große Maestro
Mozarts Singspielfragment „Zaide“ wird an Paavo Järvi sind ein Traumpaar der Bühne.
diesem Abend vom Münchner Rundfunkor- Das Programm des Abends: Beethoven, Rach-
chester in konzertanter Version auf die Bühne maninov, Prokofjew.
gebracht. Gasteig 28. 1., 20 Uhr Für genussvolle Momente
Prinzregententheater 20. 1., 19 Uhr rund um Ihren Kinobesuch!
(im Innenhof von City & Atelier)
Sonnenstr. 12 (300 m vom Stachus)

77 www.city-kinos.de /city.kinos
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MÜNCHEN
ENTERTAINMENT

Foto: Udo Leitner


Stermann &
Grissemann
Die beiden sind schon ein seltsames
Paar. Gemeinsam bestreiten der Öster-
reicher Christoph Grissemann und der
Deutsche Dirk Stermann schon seit zehn
Jahren die satirische TV-Late-Night-
Show „Willkommen Österreich“ im ORF,
dazwischen aber gehen sie immer wie-
Foto: Robert Maschke

der mit abendfüllenden Programmen


auf Tournee. Mit Programmen, die von
Nonsens bestimmt sind, so sehr, dass
die beiden ihre neue Tour einfach nur
mit „Gags, Gags, Gags!“ betitelten.
Wahrscheinlich stand dieser Titel
schon, als noch keine Zeile des Pro-

Ingmar Stadelmann gramms geschrieben war. Doch man


kann sich auf Stermann & Grissemann
durchaus verlassen, denn sie sind: im
„Die humoristische Betrachtung dramatischer Ereignisse ist immer schon Ausdruck heroischer Gelas- Zweifel links und immer, schlicht immer
senheit. Sie setzt eine zweite Ebene voraus und die Fähigkeit zu analysieren.“ Ingmar Stadelmann reizt politisch unkorrekt.
auch in seinem neuen Programm „Fressefreiheit“ die Freiheit zur Pointe reichlich aus – und macht sie
gleichzeitig zum Thema, heißt der Untertitel des Programms doch „Meinungsstresstest“. Dabei nimmt 23. + 24. 1., 20 Uhr
er sich gerne die sogenannten Gutmenschen zur Brust, ohne deshalb rechts zu stehen – im Gegenteil: Lustspielhaus
Die Kritik am Gutmenschentum, die das Fehlen von analytischer Schärfe kritisiert, ist ein originär pro-
gressives, linkes Thema. Doch jetzt sind wir schon wieder viel zu ernst geworden, und dabei ist ein
Abend mit Ingmar Stadelmann doch etwas ganz besonders Lustiges!

26. 1., 20 Uhr Schlachthof

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HG Butzko
Foto: Peter Knaup

Der Kabarettist HG Butzko macht kein


Frontalkabarett, er führt auf der Bühne Dis-
kurse als Monolog – das ist ein Unter-
schied! Butzko bezieht den Kollegen Dieter
Nuhr via Zitat kurzerhand in eine Nummer
über den Islam mit ein, zitiert im nächsten
Satz den Religionskritiker Karlheinz Deschner,
zerlegt Statistiken über den Zusammen-
hang von Wurstverzehr und Darmkrebs, definiert den Begriff „Restrisi-
ko“ in Zusammenhang mit der Benutzung eines Kondoms und erklärt
uns so, wie Terror und Hysterie Hand in Hand gehen. HG Butzko ist
ein Aufklärer im besten Sinn, komisch ist er obendrein auch noch, und
das schon seit über 20 Jahren. Echt jetzt? Ja, genau, „echt jetzt“ heißt
das neue Programm des Kabarettisten, in dem er politisch auf der
Höhe der Zeit ist und sich gleichzeitig die Zeit nimmt, auf die letzten
20 Jahren zurückzublicken.

6. 1., 20 Uhr Münchner Lach- und Schießgesellschaft

Quichotte
Er war in seinem Leben schon ein paar
Jahre lang Lehrer, spielt in der Bluesrap-
Band Querfälltein mit und hat mir dem
Foto: Fabian Stuertz

Poetry-Slam-Kollegen Patrick Salmen schon


zwei Rap-Alben veröffentlicht. Dennoch gilt
Quichottes Hauptaugenmerk der Slam-
Poetry. Und als Slam-Poet kommt er jetzt
mit neuem Material auf Tour. „Die uner-
trägliche Leichtigkeit des Neins“ heißt das Programm und geht der
Frage nach, wie deutlich man sich mit einer deutlichen Meinung noch
aus dem Fenster lehnen kann angesichts der immer komplexer wer-
denden Welt. Und wie sieht es gar mit meiner Haltung aus? Kann ich
mir die noch leisten, ja aber?

10. 1., 19.30 Uhr Vereinsheim

Markus Barth
In seinem neuen Programm widmet Markus
Barth sich der Millisekunde zwischen dem
Lachen und der Erkenntnis, dass der Gegen-
Foto: Thomas Klose

über gar keinen Witz gemacht hat, sondern


Ernst. Kurz: Er behandelt die schlimmsten
Katastrophen der jüngsten Zeitgeschichte,
von denen wir noch vor kurzem nicht mal in
unseren kühnsten Träumen vermuteten, dass
sie wahr würden. Kein Witz, nein, die Realität. Wer auf die Website von
Markus Barth geht, liest aktuell, wie der Meister der Pointe (Autor von
„Ladykracher“, „Heute-Show“) ernsthaft zurückschreibt. Dort steht als neu-
ester Eintrag im Blog ein offener Brief an Anja Karliczek. Wer das ist, wol-
len Sie wissen? Unsere Bundesbildungsministerin! Warum sie besser wei-
ter unscheinbar geblieben wäre, als haltlose Behauptungen über die Ehe
für alle abzusondern, ist dort nachzulesen. Lustig? Nein. Aber notwendig.

18. 1., 20 Uhr Drehleier

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MÜNCHEN
Foto: © Münchner Kammerspiele
THEATER

Dr. Alici MÜNCHNER KAMMERSPIELE ab 25. 1.

Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ galt bis vor kurzem als in litera- ßes war, so ist es heute der Islam. Was klingt wie eine mehr oder weni-
turhistorische Vergessenheit geratenes Stück – erst Thomas Ostermeier ger platte Aktualisierung, wird durch den Regisseur aufgewertet: Das näm-
entdeckte vor zwei Jahren an der Berliner Schaubühne, wie das 1918 lich ist Ersan Mondtag, und der brachte mit „Die Vernichtung“ (in Bern)
uraufgeführte Drama Fragen nach der historischen Verantwortung von und „Kaspar Hauser und Söhne“ (in Basel) schon mehrere Texte Bachs in
Intellektuellen und der Unmöglichkeit politischer Neutralität verhandelte. einer Mischung aus Formalismus, Begeisterung für Trash und Pulp und
Die Autorin Olga Bach hat „Professor Bernhardi“ in die Gegenwart trans- politische Schärfe auf die Bühne. An den Kammerspielen inszenierte
feriert: Aus Männern wurden Frauen, aus einem Krankenhaus ein Polizei- Mondtag vorletzte Spielzeit mit „Das Erbe“ ebenfalls einen Olga-Bach-Text
präsidium, und wenn 1918 Bernhardis jüdischer Glaube Stein des Ansto- – nicht ohne Erfolg.

Die Möwe Amsterdam


Foto: © Wilfried Hösl

CUVILLIÉSTHEATER ab 19. 1. VOLKSTHEATER ab 27. 1.

Erst vor eineinhalb Jahren inszenierte Christian Eine israelische Orchestermusikerin im multikulturellen Ams-
Stückl Tschechows traurige Komödie „Die terdam erhält eine unbeglichene Gasrechnung – aus dem Jahr
Möwe“ schon einmal in München, am Volks- 1944. Als sie versucht, den eigentlichen Empfänger der Rech-
theater. Aber das scheint in der Staatsschauspiel- nung zu finden, gräbt sie immer tiefer in der Vergangenheit
Wahrnehmung nicht vorzukommen, jedenfalls ihres Mietshauses und stellt dabei fest, dass die weltoffenen
gibt es jetzt schon wieder eine „Möwe“ an der Isar. Aber: Das Stück gibt so viel her, Niederlande der Gegenwart ziemlich ungemütlich werden können,
da können auch zwei unterschiedliche Regiestile nebeneinander bestehen. Während wenn man ihr Selbstverständnis als aufrechte Nazigegner in
Stückl nämlich die Komödie auf die ihm eigene derbe Art aus der Vorlage heraus- Frage stellt … Maya Arad Yasurs Stück springt zwischen den
schälte, hat man am Cuvilliéstheater Alvis Hermanis verpflichtet, und der entwickelt Erzählhaltungen und den Positionen zur Handlung, die Stimmen,
sich mit zunehmendem Alter immer mehr zum konservativen Theatermacher. Der die um die Protagonistin schwirren, sind mal aggressiv, mal iro-
Lette wollte eigentlich nicht mehr in Deutschland Schauspiel inszenieren, weil nisch, mal kommentierend, mal humorvoll. Die deutschsprachige
man hier dem Dichterwort nicht mit der gebührenden Ehrfurcht gegenübertrete. Erstaufführung wird inszeniert von Sapir Heller, eine 1989 in
Und vor einigen Jahren ließ er ein festes Engagement am Hamburger Thalia platzen, Israel geborene Regisseurin, die nach ihrem Abschluss an der
weil man dort für seinen Geschmack zu flüchtlingsfreundlich eingestellt sei. Tja. Theaterakademie August Everding sowohl im Stadttheaterkontext
Muss man nicht gut finden, aber dass da ein anderer Zugang existiert als am als auch in der freien Szene inszeniert, unter anderem am Thea-
Volkstheater, liegt auf der Hand. Die Inszenierung ist Hermanis’ zweiter Versuch ter Hof, dem Zimmertheater Tübingen und dem Berliner Gorki.
mit der „Möwe“: Schon 1996 hatte er den Stoff einmal in Riga inszeniert..

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+M_s80s81_theater-jw-1k_+M_s86s87_Theater 12.12.18 15:00 Seite 81

THEATER

Stille Nachbarn
MARSTALL ab 25. 1.

Vor zwei Monaten war im Marstall Ronald Topors „Der Mieter“ als Hor-
rorversion des Zusammenwohnens zu sehen – die Uraufführung von
Azar Mortazavis „Stille Nachbarn“ ist so etwas wie das freundlich-wert-
freie Gegenstück zu diesem Alptraum in Dreizimmerküchebad. Ortazavi
beschreibt hier die eigene Fremdheit anhand von vier Alltagsmenschen:
„Menschen, die wie einsame Planeten zu ihrem je eigenen Weg ver-
dammt scheinen, während sie unvermeidlich die Bahnen der anderen
beeinflussen, diese kreuzen und dabei manchmal kollidieren“, beschreibt
die Staatsschauspiel-Dramaturgie den Zugriff der 1984 in Wittlich
geborenen, mehrfach preis-
Foto: © Wilfried Hösl

gekrönten Nachwuchsdra-
matikerin. Das Stück wird
im Rahmen des Marstall-
jahresplans inszeniert von
Aureliusz Smigiel, der in
München erstmals mit einer
beeindruckenden Interpre-
tation von Fassbinders „In
einem Jahr mit 13 Monden“
auf sich aufmerksam ma-
chen konnte.

Aufführung des Monats

No Sex
MÜNCHNER KAMMERSPIELE wieder am 1. 1.

Was nehmen wir uns fürs neue Jahr vor? Vielleicht: Weniger
Sex zu haben? Das ist in Fernost ein anscheinend weitver-
breitetes Phänomen, das der überalterten japanischen
Gesell-schaft tatsächlich auch ökonomisch zu schaffen
macht. Vergangenen April entwickelte Toshiki Okada einen
unterhaltsamen Abend über das Thema, der die Medien ein
Stück weit mit den zuvor stark kritisierten Kammerspielen
versöhnte. „Einen entzückenden Abend über den Verlust der
Lust an der Gier“ sah Egbert Tholl von der Süddeutschen
Zeitung, Theresa Grenz-
mann war in der FAZ
positiv irritiert: „Soll er
(der Zuschauer) dem
hinreißenden Nonsens
trauen oder der stilvollen
Tristesse?“. Und Bernd
Noack von der Neuen
Foto: © Julian Baumann

Zürcher Zeitung kam so


beseelt aus dem Theater
wie lange nicht mehr,
worüber wir uns natür-
lich besonders freuen.

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+M_s82_kunst-jw-1k_+M_s114 12.12.18 16:01 Seite 82

MÜNCHEN
AUSSTELLUNG

Alex Katz
Red Hat, 2013, Öl auf Leinwand,
Privatsammlung

Abb.: Andreas Pauly © Alex Katz, VG Bild-


Kunst, Bonn 2018

Alex Katz
Wer sich wie Alex Katz öffentlich dazu bekennt, seine Malerei alt, seit 60 Jahren mit seiner Frau Ada verheiratet, die gefühlt
sei zutiefst oberflächlich, hat keinen leichten Stand in der ach die Hälfte seiner Gemälde ziert, und arbeitet immer noch wie
so hintergründigen Kunstwelt. Dass sich der Amerikaner in den ein Besessener. Im Museum Brandhorst zeigt Alex Katz mit
1950ern lieber weiterhin seinen Porträts und Landschaften mehr als 80 Werken eine Art Retrospektive von den 1950ern
widmete, statt sich dem Trend des abstrakten Expressionismus bis heute, darunter auch Bilder aus der Reihe „The Red Hat“
zu unterwerfen, tat sein übriges. Dennoch – oder vielleicht (unsere Abbildung), die aufs Schönste Katz’ ikonische Porträt-
gerade deshalb – zählte Katz immer zu den Großen seiner technik repräsentieren.
Zunft. Er war Vorreiter der Pop Art und nicht nur von Kritikern
gelobt, sondern auch kommerziell erfolgreich (was nur auf
wenige seiner Kollegen zutrifft). Heute ist der Mann 91 Jahre MUSEUM BRANDHORST noch bis 22. 4.

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