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Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.

doc Seite 1

Predigt
Thema / Text: Text: 1. Tim 2:11-15 können Frauen ein Leitungsamt in der
Gemeinde wahrnehmen?
Erstellt am: 19.09.2011 Von: Uli Probst Version: '1.0
Gehalten in (am): Watzenborn-Steinberg
Zielgedanke: Jeder Mensch, der die Autorität der Bibel respektiert, kann Frauen
guten Gewissens das gleiche Recht zum Lehren und zur Ausübung
von Autorität und zugestehen, wie Männern, in dem er sich von einer
Auslegung von 1Ti 2:111-15 überzeugen läßt, die dem historischen
Kontext des Textes Rechnung trägt.

0 Intro (Folie 1 - Schwarz)

0.1 Einstieg
Eine Gruppe von Wissenschaftlern bekam den Auf-
trag, herauszufinden, wie die Machtverhältnisse in der Fa-
milie wirklich sind. Sie kamen auf folgende Idee: Sie
wählten ein Dorf aus, dass sie als einigermaßen repräsenta-
tiv ansahen. Dann stellten sie auf dem Dorfplatz zwei
Schilder auf.
Auf dem ersten stand: "Hier stehen alle Männer, die
in ihrem Haushalt der Chef waren."
Auf dem zweiten Schild stand: "Hier stehen alle
Männer, bei denen in Wirklichkeit die Frau zuhause das
Sagen hatte."
Die Männer sollten sich, je nachdem was auf sie zu-
traf, hinter dem jeweiligen Schild aufstellen. Hinter den
zweiten Schild war eine lange Schlange. Hinter dem ersten
Schild stand nur ein Mann
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Die Forschungsgruppe befragte den Mann: "Das fin-


den wir ja toll, dass sie hier stehen. Ganz schön mutig von
ihnen, sie sind ja der einzige. Würden sie uns sagen, wel-
che Überlegungen genau sie dazu geführt haben, sich hin-
ter diesem Schild aufzustellen?"
Der Mann antwortete: "Ich weiß auch nicht so genau,
warum ich hier stehe. Meine Frau hat halt gesagt: stell du
dich mal dahin"

0.2 Überleitung zum Thema


Ich bin nicht sicher, inwiefern dieser Witz die Macht-
verhältnisse zwischen Männern und Frauen wirklich wi-
derspiegelt. Auf jeden Fall zeigt er, dass das Thema nicht
so ganz einfach ist.
Wir beschäftigen uns im Moment in einer Predigtserie
mit der Frage, wie gleichberechtigt Männer und Frauen in
der christlichen Gemeinde sein sollen.
Eigentlich ist diese Fragestellung ja ein Widerspruch
in sich. In einer christlichen Gemeinschaft kann es eigent-
lich gar keine Diskriminierung zwischen Menschen geben,
wieder nach Herkunft, noch nach sozialer Schicht, noch
nach Geschlecht.
Der Galaterbrief drückt genau diese Tatsache sehr
klar aus. Wir lesen Galater 3 Vers 28: Hier (bei Menschen,
die zu Jesus Christus gehören) ist nicht Jude noch Grieche,
hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch
Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus.
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Wir haben im Lauf dieser Predigtserie gesehen, dass


diese Aussage dem Gesamtbild entspricht, dass sowohl das
Alte als auch das Neue Testament von der Beziehung zwi-
schen Mann und Frau entwirft, wie sie ursprünglich ge-
dacht war.
Trotzdem gibt es einige wenige Texte im neuen Tes-
tament, die beim ersten Lesen den Schluss nahe legen, dass
Frauen bestimmte Aufgaben, insbesondere im Bereich der
Leitung, nicht wahrnehmen sollen – dass es also doch so
etwas wie eine Diskriminierung nach dem Geschlecht gibt.
Und da wir als Christen die biblischen Schriften ernst
nehmen, weil wir glauben, dass sie nicht einfach so ent-
standen sind, sondern unter der Inspiration Gottes ge-
schrieben wurden, kommen wir da in eine innere Zwick-
mühle.
Ich glaube allerdings, dass es sich um einen scheinba-
ren Widerspruch handelt. Ich glaube nämlich, dass die
Texte, die den Zugang von Frauen zu Leitungsämtern ein-
zuschränken scheinen, die sie in Wirklichkeit gar nicht tun,
wenn man sie richtig versteht.
Das möchte ich euch heute anhand des Textes zeigen,
indem der scheinbare Ausschluss von Frauen aus dem Lei-
tungs- und Predigtamts am deutlichsten zu Tage tritt.
Außer diesem Text gibt es nur noch zwei weitere, die
die Beteiligung von Frauen am Leben der christlichen Ge-
meinschaft einzuschränken scheinen. Diese beiden Texte
stehen im ersten Korinther Brief, und sind beide bei wei-
tem nicht so brisant, wie der Text den wir heute behandeln.
Ich habe mir über diese beiden Texte auch Gedanken ge-
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macht, und bin gern bereit, euch dazu Rede und Antwort
zu stehen. Allerdings können wir das nicht auch noch in
diese Predigt packen, sonst wird es einfach zu viel. Und
ich wollte auch die Predigtserie nicht noch nochmal ver-
längern.
Deshalb stürzen wir uns heute auf den Text, der mit
Sicherheit der schwierigste und brisanteste in dieser Frage-
stellung ist. Er wird auch von Befürwortern einer Ge-
schlechterhierarchie innerhalb der christlichen Gemein-
schaft immer wieder zitiert. Er wird von vielen auch als
Schlüsseltext betrachtet, durch dessen Brille alle anderen
Bibeltexte zu dieser Frage zu verstehen sind.

0.3 Das Problem des Kontexts


Bevor wir uns dem Text jetzt zuwenden, habe ich
noch ganz andere Frage an euch:
was bedeutet der Satz "dieser Stuhl hat schon eine
Nase!"? Dieser Satz wurde wirklich gesagt. Was könnte er
bedeuten?…
Ich gebe euch mal die Auflösung. Dieser Satz wurde
gesagt bei einem Kindergeburtstag. Alle Geburtstagsgäste
hatten zur Begrüßung eine Pappnase bekommen die sie
sich um binden sollten.
Nach dem Kaffeetrinken ging die ganze Geburtstags-
gesellschaft nach draußen, um ein Spiel zu machen. Jedes
Kind nahm seine Pappnase ab, und hängte sie an den Stuhl,
auf dem es gesessen hatte. So war klar, an welchem Platz
ist nachher wieder sitzen würde.
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Während die Kinder draußen waren, kam ein verspä-


teter Geburtstagsgast. Er sollte noch etwas Kaffee und Ku-
chen kriegen, wusste aber nicht genau wo er sich hinsetzen
sollte. Als er einen der Stühle ansteuerte, sagte die Mutter:
"da kannst du dich nicht hinsetzen. Dieser Stuhl hat schon
eine Nase."
Wenn man den Zusammenhang kennt, in dem dieser
Satz gesagt wurde, macht es Sinn. Solange man ihn nicht
kennt, kann man den Satz völlig missverstehen, oder man
versteht ihn überhaupt nicht.
Was hat das nun mit unserem Text zu tun? Ganz ein-
fach: solange wir den Zusammenhang, in den hinein er ge-
schrieben wurde, nicht richtig kennen, können wir ihn
nicht richtig verstehen, oder werden ihn sogar heftig miss-
verstehen. Lasst uns jetzt den Text zusammen lesen.

0.4 Der Text: 1.Tim 2:11-15 (Folie 2)


(11)Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung.
(12) Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch
nicht, daß sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still.
(13) Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. (14)
Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber hat sich zur
Übertretung verführen lassen. (15) Sie wird aber selig
werden dadurch, daß sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie
bleibt mit Besonnenheit im Glauben und in der Liebe und
in der Heiligung.

Wenn man diesen Text liest, dann klingt er zunächst


einmal genauso, dass Frauen in der christlichen Gemeinde
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bestimmte Leitungs- und Lehraufgaben nicht ausüben dür-


fen.
1) eine Frau soll in der Stille und "mit aller Unterord-
nung" lernen.
2) es ist ihr nicht gestattet, dass sie lehrt.
3) es ist ihr auch nicht gestattet, über die Männer "Herr zu
sein" (oder Autorität auszuüben).
4) das liegt daran, dass Adam zuerst gemacht wurde. Das
muss in diesem Zusammenhang wohl bedeuten, dass
das männliche Geschlecht gegenüber dem weiblichen
eigenen Autoritätsvorsprung hat.
5) Weiter wird zur Begründung gesagt, dass Eva sich ver-
führen lassen hat, und nicht Adam. Das muss wohl be-
deuten, dass das weibliche Geschlecht eher dazu neigt,
sich verführen zu lassen, als das männliche. Folgerich-
tig sollten Frauen lieber keine Leitungspositionen einer
christlichen Gemeinde einnehmen, sonst gerät die Ge-
meinde womöglich auf Irrwege.
6) Frauen sollen zuhause bleiben und Kinder kriegen. Das
reicht, dass sie gerettet werden. Man kommt mit die-
sem Satz zwar in Widerspruch zum Rest des NT, in
dem deutlich gesagt wird, dass man gerettet wird, in-
dem man an Jesus glaubt. Aber was soll’s – es passt so
gut zu einem chauvinistischen Verständnis des restli-
chen Textes.
Soweit – so gut. Jetzt möchte ich euch gerne nochmal
an den Stuhl mit der Nase erinnern. Ich glaube nämlich,
dass wir hier genau diese Situation haben: dass man die
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Aussagen dieses Abschnitts total missversteht, weil einem


der Hintergrund fehlt.

1 Hintergrundwissen (Folie 3)
Was wissen wir denn über den Hintergrund? Was
kann man herausfinden? Der 1.Timotheusbrief wurde ge-
schrieben von Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus
(wie der Name sagt). Timotheus war zu diesem Zeitpunkt
in der Stadt Ephesus.
In Ephesus war vor kurzem eine christliche Gemeinde
entstanden, die aber noch sehr jung war; soweit wir wis-
sen, war sie gerade mal drei Jahre alt. D.h., die Leute in
dieser Gemeinde waren noch nichts besonders gefestigt,
was ihre Kenntnis der christlichen Lehre angeht. Und des-
halb gab es ein ziemliches Durcheinander in den theologi-
schen Ansichten, die innerhalb der Gemeinde vertreten
wurden.
Das zeigt sich an verschiedenen Stellen im
1.Timotheusbrief. Paulus nennt das, was die verschiedenen
Prediger dort von sich gegeben haben, "unnützes Ge-
schwätz" und sagt, "sie würden selbst nicht verstehen, …
was sie so fest behaupten“ (Kapitel 1:6-7).
An einer anderen Stelle spricht er davon, dass es sich
bei dem, was dort verbreitet wird, um "ungeistliche Alt-
weiberfabeln" handelt. Die Leute, die diese Dinge verbrei-
ten, nennt er "heuchlerische Lügenredner" (Kapitel 4:2.7).
Er sagt, sie wären "aufgeblasen" und hätten "die Seu-
che der Fragen und Wortgefechte" (Kapitel 6:4).
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Timotheus selbst wird eins ums andere Mal aufgefor-


dert, die richtige christliche Lehre weiterzugeben, und da-
rin trotz aller Opposition nicht nachzulassen.
Wir sehen also, dass den Gläubigen, die ja noch sehr
jung im Glauben waren, die Inhalte der christlichen Bot-
schaft nicht wirklich klar waren, und dass in der Gemeinde
manche schrägen Ansichten weitergegeben wurden.
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn damals
trafen im Mittelmeerraum die unterschiedlichsten Kultu-
ren, Philosophien und Religionen aufeinander.
Dabei hat man die fremdartigen Überlieferungen, die
man dabei kennen gelernt hat, in der Regel nicht bekämpft,
sondern einfach in sein eigenes System integriert. Es kam
zu einer Vermischung der verschiedenen Relgionen und
System.
Wenn man Latein gehabt hat, dann hat man das ge-
lernt, dass die Römer die griechischen Gottheiten einfach
in ihre Göttergemeinschaft mit aufgenommen haben: Zeus
wird mit dem römischen Gott Jupiter identifiziert, Aphro-
dite mit Venus, Artemis mit Diana, usw.
Dabei sind die Eigenschaften der Gottheiten aneinan-
der angeglichen, die Mythen werden teilweise umgedeutet,
die kultischen Praktiken werden miteinander vermischt,
und am Ende kommt etwas gemeinsames heraus, das aber
nicht unbedingt der ursprünglichen Gestalt der jeweiligen
Gottheit und Gottesverehrung gerecht wird.
Das war die Art, wie man mit dem Aufeinandertreffen
von verschiedenen religiösen und philosophischen Syste-
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men umzugehen versucht hat. Und das hat dann oft ziem-
lich abstruse Gedankensysteme ergeben. Es war ein biss-
chen so, wie wir es heute in der Esoterik wieder finden.
Drei religiöse Einflüsse (Folie 4) waren, soweit wir
das heute sagen können, für die jungen Christen von Ephe-
sus eine besonders wichtige Rolle gespielt.

1.1 Das Judentum


Es gab in Ephesus, wie in allen größeren Städten des
Mittelmeerraums, eine jüdische Synagoge. Paulus hat dort
sogar am Anfang seiner Tätigkeit in Ephesus ein Viertel-
jahr lang regelmäßig gepredigt (APG 19:8).
Eine ganze Reihe der jungen Christen war jüdischer
Herkunft, und kannte das Alte Testament und die gesamte
jüdische Überlieferung daher natürlich sehr gut.
Allerdings gab es in der jüdischen Gemeinschaft dort
auch die Tendenz, den jüdischen Glauben mit allerhand
mystischen Spekulationen und okkulten Praktiken zu ver-
mischen.
Das war übrigens nicht nur in Ephesus so, sondern
wir wissen das auch von den anderen jüdischen Gemein-
schaften, die außerhalb von Israel gelebt haben.
Aber in Ephesus gibt es sogar konkrete Anhaltspunkte
dafür: Apostelgeschichte Kapitel 19 berichtet nämlich von
sieben Brüdern, die behaupteten, aus der Familie des jüdi-
schen Hohenpriesters zu stammen, und die deshalb in An-
spruch nahmen, dass sie besondere spirituelle Kräfte hät-
ten, mit deren Hilfe sie Dämonen austreiben können.
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Das hat nicht immer wirklich funktioniert, aber sie


haben mit ihrer Mischung aus jüdischer Tradition und ok-
kulten Praktiken großen Eindruck gemacht.

1.2 Der Kult der Artemis


Der zweite außerordentlich große religiöse Einfluss in
Ephesus war der Artemis-Kult. Der Tempel von Artemis
(in der Apostelgeschichte wird sie Diana genannt) war das
Wahrzeichen der Stadt.
Er hat sogar zu den sieben antiken Weltwundern ge-
hört, und er war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die
Stadt.
Unter anderem wurden von Silberschmieden kleine
Abbilder dieses Tempels hergestellt und verkauft.
Als Paulus in Ephesus tätig war, hat das Christentum
innerhalb von nur drei Jahren so viel Einfluss gewonnen,
dass der Absatz dieser Tempelbilder empfindlich einge-
brochen ist. Das hat zu solchen sozialen Un-
ruhen geführt, dass Paulus dann die Stadt
ziemlich überstürzt verlassen musste. Das
kann man in Apostelgeschichte Kapitel 19
nachlesen.
Ich erzähle das, um deutlich zu machen
wie stark der Einfluss des Artemistempels,
und des Artemiskultes war.
Artemis war eine Muttergottheit. Hier
ist ein Bild von ihr. Man sieht, dass sie nicht
nur zwei Brüste hat, sondern ungefähr 30,
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um ihre Fruchtbarkeit zu betonen. Unten auf ihrem Rock


sind verschiedene Tiere abgebildet. Das soll darauf hin-
weisen, dass sie die Mutter allen Lebens war, sowohl
menschlichen als auch tierischen.
Die Verehrung von Muttergottheiten war im Mittel-
meerraum sehr verbreitet – da gab's noch mehr davon –
und es ging dabei darum, dass man das Weibliche als die
eigentliche Quelle allen Lebens und die Quelle aller wah-
ren Weisheit verehrte. (Das müsst ihr euch merken, denn
das wird für die Auslegung unseres Textes eine Rolle spie-
len). Also: in diesen Kulten wurde das Weibliche als die
Quelle allen Lebens und die Quelle aller wahren Weisheit
verehrt.
Das Personal, das am Artemistempel gearbeitet hat,
war weitestgehend weiblich, bis hinauf zur Leitung. Wir
haben ja letztes Mal gesehen, dass Frauen im öffentlichen
Leben eigentlich gar keine Rolle spielen durften, und dass
sie – sowohl im Judentum als auch in der griechisch römi-
schen Kultur – als minderwertig und den Männern unterle-
gen angesehen wurden. Aber hier, in diesem Bereich, näm-
lich dem Kult der Muttergottheit, da hatten sie Würde und
Wert und konnten entsprechend selbstbewusst auftreten.

1.3 Die Gnosis


Ein weiteres System, das damals aufkam, und das ei-
nen großen Einfluss auf die junge Christenheit ausgeübt
hat, nimmt man die Gnosis.
Gnosis heißt auf Deutsch einfach "Erkenntnis". Das
kommt daher, dass die Anhänger dieser Bewegung gesagt
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haben: um erlöst zu werden, muss man mehr wissen als die


meisten Leute. Man braucht eine bestimmte Erkenntnis.
Das was die anderen wissen, auch die Juden und die Chris-
ten, das reicht nicht. Denen fehlen die wichtigsten Einsich-
ten, die haben nur wir.
Die Gnosis war das System, mit dem sich die frühe
Christenheit am meisten rum schlagen musste. Es gab im-
mer wieder Christen die dann Anhänger der Gnosis wur-
den, und andersrum. Die Grenzen waren da oft nicht so
klar. Der Höhepunkt dieser Bewegung war erst im zweiten
und dritten Jahrhundert n. Chr., aber es gab frühe Formen
davon, und die gab es auch schon zur Zeit von Paulus.
Und wir wissen, dass es diese Strömung in Ephesus
gab, und dass Timotheus sich damit herumschlagen muss-
te. Paulus erwähnt sie sogar ausdrücklich in 1Tim 6:20:
O Timotheus! Bewahre, was dir anvertraut ist, und meide
das lose Geschwätz und das Gezänk der fälschlich so ge-
nannten Erkenntnis.

Und da steht "Gnosis". Das Gezänk der fälschlich so


genannten Gnosis.
Die Gnosis hatte ein paar Eigenarten, die für das Ver-
ständnis unseres Bibeltextes wichtig sind.
Sie sagt zum Beispiel, dass alles Körperliche schlecht
ist. Die Materie ist das Gefängnis für die Seele.
Erlösung heißt im Verständnis der Gnosis, dass sich
die Seele von allen Fesseln des Körperlichen lösen muss,
um sich aufzuschwingen zum Göttlichen.
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Deswegen werden solche Dinge wie Essen, Sex,


überhaupt die Freude am körperlichen mit Argwohn be-
trachtet.
Das ist übrigens einer der Grundzüge griechischer
Philosophie überhaupt; das findet man schon bei Platon so
ähnlich und durchgängig durch die ganze alte griechische
Philosophie.
Gott ist natürlich gut – sagt die Gnosis – und d.h. in
ihrer Weltanschauung, dass er völlig unkörperlich ist, weit
entfernt von allem was mit Körper oder Materie zu tun hat.
Damit will er nichts zu tun haben, denn das ist schlecht
und böse. Gott ist einfach die reinste Form von Idee.
Jetzt trifft diese Vorstellung auf die biblische Schöp-
fungserzählung von Moses, die sagt, dass Gott alles mate-
rielle und körperliche geschaffen hat, und dass er es "sehr
gut" fand.
Das kann natürlich nicht gut gehen, denn das passt ja
nicht zusammen. Was hat die Gnosis nun gemacht? Sie hat
kurzerhand gesagt: Mose wusste auch nicht alles. Das war
alles ein bisschen anders. (Stichwort: besondere religiöse
Erkenntnis).
Es war gar nicht Gott, das heißt der gute reine und
entrückte Gott, der die Welt gemacht hat. Sondern es war
ein bösartiger, jähzorniger und herrschsüchtiger Unter-
Gott.
Man nannte diesen unter Gott den "Demiurgen."
Manche gaben ihm auch den Namen "Ikabod" d.h. auf
Deutsch derjenige, der keine Herrlichkeit hat.
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Dieser bösartiger und herrschsüchtige unter Gott hat


nun Adam getäuscht, und ihm erzählt, er wäre der einzige
Gott, und Adam müsste ihn verehren.
Also, das wird sich jetzt alles ziemlich abgefahren an,
aber es war wirklich so. Das lernt man übrigens im Theo-
logiestudium ziemlich früh, und wenn man ab und zu ein-
mal in einem Kommentar zu einem neutestamentlichen
Text schaut, dann stolpert man ziemlich bald über den Be-
griff und auch die Lehren der Gnosis. Das sind also keine
neuen und unbekannten Sachen, die ich euch hier erzähle,
sondern Dinge die zum Einmaleins des Theologiestudiums
gehören.
So, und jetzt brauche ich euren Scharfsinn. Jetzt wol-
len wir mal versuchen, wie Gnostiker zu denken. Mal se-
hen, ob ihr gute Gnostiker geworden wärt.
Nämlich: (Folie 5)Wie erzählen Gnostiker in Ephesus
wohl die Geschichte von der Erschaffung von Adam und
Eva und die Geschichte vom Sündenfall?
Lasst uns mal die Elemente, die wir bisher hatten, zu-
sammenfügen.
1) Wir habe die biblische Erzählung – zumindest ru-
dimentär war sie bekannt durch den jüdischen Einfluss,
den es gab. Man wusste von Adam, man wusste von Eva,
und man wusste von einem Baum der Erkenntnis und von
der Schlange.
2) Wir haben den Gedanken, dass „Erkenntnis“ etwas
ganz wichtiges und positives ist, das man braucht, um er-
löst zu werden.
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3) Wir die Idee, der Schöpfergott gar nicht der eigent-


liche Gott ist, sondern ein bösartiger Untergott, der die
Menschen täuscht.
4) Wir haben den Gedanken, dass alles Leben und al-
le Weisheit vom Weiblichen kommt.
Was passiert in diesem Kontext wohl mit der Ge-
schichte von der Erschaffung von Adam und Eva und dem
Sündenfall? Hat jemand eine Idee, was dabei rauskommen
könnte?
Antwort: Es sind zwei wesentliche Verdrehungen der
biblischen Schöpfungserzählung passiert.
1) Wurde die Geschichte so erzählt, dass Eva zuerst
da war, und nicht Adam, weil sie die Mutter alles Lebendi-
gen ist. Sie muss Adam das Leben gegeben haben, nicht
umgekehrt (Erinnert euch an die Verehrung des Weibli-
chen als Quelle allen Lebens).
Ich habe euch ein Zitat mitgebracht, dass das belegt.
Es ist ein Zitat aus einem gnostischen Text. Man sieht da-
rin übrigens auch ein bisschen, wie kompliziert und
verschwurbelt die Gnostiker gedacht haben. Aber der
Hauptpunkt kommt raus:
Nach dem Tag der Ruhe sandte Sophia (das war eine Art
weibliche Urgottheit der Weisheit – Sophia heißt „Weis-
heit“) ihre Tochter Zoe, die Lebens-Eva genannt wird (Zoe
heißt auf deutsch „Leben“ – und „Eva“ kommt vom hebrä-
ischen Wort für „Leben“ deshalb ist Zoe die „Lebenseva“)
–,… um Adam, in dem keine Seele war, zu erwecken…
Also: Adam war zwar aus Lehm gebildet, aber er war noch
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leblos. Die Eva war schon lange da. Die hat schon vor der
Schöpfung der Welt existiert.
Als… Eva ihr Abbild daliegen sah, erbarmte sie sich sei-
ner und sagte: Adam, lebe! Erhebe dich von der Erde! So-
gleich wurde ihr Wort zum Werk. Denn als Adam sich er-
hob, öffnete er sogleich seine Augen. Als er sie sah, sagte
er: Dich wird man die Mutter der Lebendigen nennen, weil
du es bist, die mir das Leben gegeben hat. (Vom Ursprung der
Welt, NHC II,5 115,31-116,8, zitiert nach Clark Kroeger, S. 152).

Krass, oder. So kann man biblische Erzählungen um-


formen.
2) Die zweite Idee, die sich fast logisch aus dem
ergibt, was wir bis jetzt gesehen haben, ist die: Das was
wir den Sündenfall nennen, war nach Ansicht der Gnosti-
ker eigentlich etwas Positives, weil es den Menschen über
die Täuschung hinausgeführt hat, die der bösartige Gott
ihm auferlegt hat.
Wer war der getäuschte? Adam. Noch ein Zitat: Da
sagen die Schöpfermächte (Der Schöpfergott hat in dieser
Version der Geschichte noch ein paar Helfer):
(2x drücken!) Lasst uns aber Adam nicht sagen, dass er
nicht jemand von uns ist [das soll heißen, dass er letztlich
gar nicht von dem bösen Schöpfergott und seinen Helfern
kommt, sondern eigentlich doch irgendwie von dem ur-
sprünglich guten Gott. Die wollen nicht, dass er das ent-
deckt, sonst würde er nämlich über sie hinauswachsen]. ,
sondern lasst uns einen Schlaf über ihn bringen, und lasst
uns ihm in seinem Schlummer mitteilen, dass sie [die Frau]
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 17

aus seiner Rippe entstanden sei, damit die Frau sich un-
terordne und er über sie Herr sei. (Vom Ursprung der Welt, NHC
II,5 116,21-25 – zitiert nach Clark Kroeger, S. 154).

Also, der arme Adam war der Getäuschte oder Ver-


führte. Und wer hat ihm aus dieser Täuschung herausge-
holfen? Eva natürlich, übrigens mit Hilfe der Schlange
(aber das will ich jetzt mal hier nicht vertiefen).
Adam sagt (nach gnostischer Überlieferung):
Sie (= Eva) ließ mich ein Wort der Erkenntnis (W: Gnosis)
des ewigen Gottes wissen. [Denkt daran: Der ewige Gott
ist nicht der gleiche, wie der Schöpfergott] Und wir gli-
chen den großen, ewigen Engeln, denn wir waren über den
Gott erhaben, der uns erschaffen hatte, und über jene
Kräfte bei ihm, die wir nicht kannten. (Die Apokalpyse des Adam,
NHC V, 5 64,6-16, zitiert nach Clark Kroeger, S. 156).

Das ist gnostisches Gedankengut: 1) Eva war vor


Adam da, ja sie war sogar an seiner Erschaffung beteiligt,
denn das Weibliche ist die Quelle allen Lebens. 2) Der
Sündenfall war in Wirklichkeit eine Erleuchtung. Die ver-
führte Person war Adam. Eva hat ihm geholfen, die Wahr-
heit zu sehen und sich über den bösen Schöpfergott zu er-
heben.
Man muss übrigens dazu sagen, dass diese Texte alle
ungefähr 100 bis 150 Jahre nach unserem Bibeltext aufge-
schrieben wurden. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass diese
Ideen schon zu Paulus Zeiten zirkuliert sind, ist – soweit
ich das überblicken kann – relativ hoch.
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 18

Zumal diese Ideen sich verschiedenen gnostischen


Texten finden, d.h. sie waren weit verbreitet. Es gibt da
ziemlich viel Material Verweis auf Clark Kroeger.
Jetzt lasst uns, mit dem, was wir jetzt wissen, noch-
mal unseren Bibeltext anschauen. (Folie 6)

2 Auslegung

2.1 Die Begründung


Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht,
daß sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still. Denn
Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wur-
de nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung
verführen lassen. (1Ti 2:12-14)
Wenn wir diese Worte mit unserem jetzigen Wissen
hören, dann klingt es doch schon ziemlich anders als vor-
her, oder?
Auf einmal erscheinen diese starken Betonungen,
dass Adam zuerst gemacht wurde, und dass Eva verführt
wurde und nicht er, plötzlich in einem ganz anderen Licht.
Dann geht es hier nicht darum, das grundsätzliche,
Wesenszüge von Männern und Frauen aufgezeigt werden,
also dass Männer im Allgemeinen dafür gemacht seien,
Autorität auszuüben, und das Frauen im Allgemeinen
leichter verführbar wären. Sondern es geht darum, eine
damals verbreitete Verdrehung des biblischen Schöp-
fungsberichts zu korrigieren.
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 19

2.2 Die Urheberschaft in Anspruch nehmen


Aber es geht noch weiter. Wir müssen uns den zwölf-
ten Vers nochmal anschauen: einer Frau gestatte ich nicht,
dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr
sei.
Das sind zwei Verben drin: "lehren" und ein zweites,
das hier übersetzt wird mit "Herr sein".
Fast alle Ausleger, auch die, die diese Stelle völlig
anders verstehen, als ich es tue, stimmen darin überein,
dass diese beiden Wörter zusammengehören. D.h., dass
hier ein Gedanke mit zwei Wörtern ausgedrückt wird.
Ich sag es mal mit einem deutschen Beispiel: wenn
ich zu meinem Sohn, der auf dem Trampolin hüpft, sage:
"Ich möchte aber nicht, dass du hüpfst und Quatsch
machst!", dann meine ich damit, dass er beim hüpfen kei-
nen Quatsch machen soll. Das zweite Verb bestimmt das
erste näher.
So ähnlich ist es hier: "den Frauen gestatte ich nicht,
dass sie lehren und (sozusagen damit) ‚Herr sind‘.“
Jetzt habt Ihr hoffentlich gemerkt, dass sich das "Herr
sein" immer in Anführungszeichen gesetzt habe. Ich glau-
be nämlich, dass es die falsche Übersetzung für dieses
Wort ist.
Es ist nämlich ein eigenartiges Wort, das Paulus hier
gebraucht. Es kommt im ganzen Neuen Testament über-
haupt nur an dieser einen Stelle vor. Normalerweise, wenn
Paulus davon spricht, dass jemand Autorität ausübt, ver-
wendet er andere Wörter.
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 20

Es kann bedeuten "Autorität ausüben", dafür gibt es


einige Belegstellen. Allerdings wird es zur Zeit des Neuen
Testaments selten so gebraucht. Man findet diese Bedeu-
tung erst deutlich später.
Eigentlich bedeutet dieses Wort "der Urheber von et-
was sein". Auf Griechisch heißt es "AUTHENTEIN". Von
diesem Wort kommt unser Wort "Autor". Also jemand, der
der Urheber eines literarischen Werkes ist.
Wenn wir das jetzt zusammen nehmen mit dem, was
wir über die Lehren der Gnosis gelernt haben, dann ergibt
unser Text auf einmal einen sehr klaren, nachvollziehbaren
Sinn:
Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre und dabei die
Urheberschaft über den Mann beanspruche, sondern sie
sei still (zu diesem Wort kommen wir gleich noch). Denn
Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wur-
de nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung
verführen lassen.

D.h. also: die Frauen sollen aufhören, zu behaupten,


sie seien der Ursprung der Männer gewesen. Genau das hat
die Gnosis ja behauptet. Eva wäre zuerst da gewesen, und
hätte Adam das Leben eingehaucht. Aber so war es eben
nicht. Sondern Adam wurde zuerst gemacht, und danach
Eva.
Und Adam wurde nicht verführt. Die bessere Über-
setzung für das Wort heißt übrigens „getäuscht“. Und da
steht genau das gleiche griechische Wort, das auch in den
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 21

gnostischen Texten vorkommt, wo es heißt, dass Adam ge-


täuscht wurde.
Also: Nicht Adam wurde getäuscht, sondern die Frau
hat sich zur Übertretung verführen lassen (und nicht zur
Erleuchtung). Deshalb wird hier die Übertretung so betont.
Seht ihr, wie dieser Text jetzt völlig anders klingt? Es
geht gar nicht darum, dass Frauen grundsätzlich nicht pre-
digen oder über Männer Autorität ausüben dürften, weil sie
erst als zweites geschaffen wurden, und weil sie so leicht
zu verführen seien.
Sondern es geht darum, dass die Frauen nicht behaup-
ten sollten, sie seien der Ursprung der Männer und außer-
dem hätten sie schon von Anfang an den Männern die ei-
gentliche Erkenntnis und Erleuchtung gebracht – denn so
war es nicht.
Jetzt haben wir schon mal einen ganz schön hartes
Stück Arbeit hinter uns gebracht. Aber es gibt noch ein
oder zwei Fragen mehr, die wir beantworten müssen.

2.3 Die Rolle von Frauen bei der Verbrei-


tung dieser Mythen
(Folie 7- Schwarz)Eine Frage lautet zum Beispiel:
warum wendet Paulus sich hier direkt an die Frauen? So
etwas soll doch keiner verbreiten, egal ob Mann oder Frau.
Das stimmt natürlich, aber hier hilft uns der
1.Timotheusbrief selbst weiter. Es scheint nämlich so ge-
wesen zu sein, dass vor allem Frauen diese schrägen Leh-
ren verbreitet haben.
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 22

In 1.Tim 4:7 nennt er die Lehren, die Timotheus be-


kämpfen soll, "gottlose Altweiberfaden". Die Stelle haben
wir vorher ja schon einmal gesehen. Wörtlich übersetzt
steht da: "heidnische und von alten Frauen verbreitete Fa-
beln".
D.h., dass dort wohl besonders alte Frauen diese ver-
drehten Versionen der Schöpfungsgeschichte erzählt ha-
ben.
Man kann sich das heute nicht mehr so richtig vorstel-
len, aber in einer Zeit, in der es keine Unterhaltungs-
Medien gab, war das Erzählen von Geschichten einer der
beliebtesten Zeitvertreibe. Und mythische Geschichten wa-
ren dabei nicht unbeliebt.
Es gibt noch eine Stelle aus dem 1. Tim, die zeigt,
was damals passiert ist. In Kapitel 5:13 geht es darum, un-
ter welchen Bedingungen Witwen von der Gemeinde ver-
sorgt werden sollen. Paulus sagt, dass man sie nicht vor-
schnell in diese Versorgungsliste aufnehmen soll, sonst…
…sonst werden sie faul und lernen, von Haus zu Haus zu
laufen; und nicht nur faul werden sie, sondern auch ge-
schwätzig und vorwitzig und reden, was nicht sein soll.
In dem Film Michel aus Lönneberga gibt es eine Fi-
gur, die heißt Kröser-Maja, und die erzählt auch immer im
ganzen Dorf irgendwelche Geschichten herum, von Ge-
spenstern, Geistern, und Werwölfen.
An die habe ich gedacht, als ich versucht habe, mir
vorzustellen, wie das wohl gewesen ist, als alte Frauen zu
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 23

den Leuten in die Häuser kamen und Mythen und Fabeln


verbreitet haben.
In diese Situation hinein spricht also unsere Textstel-
le. Paulus sagt: ich will nicht, dass die Frauen herumgehen,
und Geschichten erzählen, und dabei behaupten, das Weib-
liche sei die Urheberin des Männlichen, und die weibliche
Erkenntnis hätte den Mann aus seiner Täuschung gerissen.
Denn so war es nicht.
Was sollen die Frauen stattdessen tun?

2.4 Der bessere Weg: lernen.


(Folie 8) Vers 11: sie sollen "lernen in aller Stille und
Unterordnung." Die Betonung liegt auf lernen. Sie sollen
lernen, und nicht falsches Zeugs herum erzählen.
Das ist wiederum revolutionär. Vielleicht erinnert ihr
euch noch an das Zitat von Rabbi Elieser ben Hyrcanus
(Mitte 1.Jahrhundert), das wir letztes Mal gesehen haben:
Lieber soll man die Thora verbrennen, als die Frauen zu
unterrichten.
(nach http://jwa.org/encyclopedia/article/torah-study).
Paulus sagt: Nein, sie sollen lernen, und zwar so, wie
ein ernsthafter Student die Tora lernt, nämlich mit Stille
und Unterordnung, d.h. mit einem sanftmütigen und demü-
tigen Geist.
Das Wort „Stille“, das hier steht, bedeutet nicht „den
Mund halten“ sondern „eine sanftmütige, demütige Hal-
tung gegenüber dem der biblischen Unterweisung an den
Tag legen.“
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 24

So hat man das damals einfach die richtige innere


Haltung eines spirituellen Menschen beschrieben, beson-
ders im Umgang mit den biblischen Texten:
Wonach soll ein Mann in dieser Welt streben? Er soll Stille
sein. Dies sollte wohl auch für seine Haltung gegenüber
den Worten der Tora gelten.” (Rabbi Isaak (1543-1572),
Bei Clark Kroeger S. 83).

Das gleiche Wort, nämlich "still sein" kommt in unse-


rem Text übrigens zweimal vor:
Einmal, wo es um die richtige Haltung gegenüber den
Bibeltexten geht (V11), von denen man lernen soll (das
haben wir grade gesehen).
Und das zweite Mal, wo es darum geht, wie die alten
Frauen bei ihren Hausbesuchen gegenüber den anderen
auftreten sollten (V12): Sie sollten nicht lehren und be-
haupten, sie seien der Ursprung des Mannes (und damit
Streitereien auslösen) sondern sie sollten still sein – eben
sanftmütig im Umgang sein. Nicht den Mund halten, son-
dern angenehm, liebevoll und sanftmütig sein.
Vielleicht sind die Frauen, die diese verdrehten Ver-
sionen der biblischen Geschichten erzählt haben, tatsäch-
lich ein bisschen provokativ aufgetreten. Vielleicht musste
man sie besonders darauf hinweisen, dass auch sie – so wie
alle Christen – in ihrem Umgang mit den anderen sanftmü-
tig sein sollten.
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 25

2.5 Und das Kinderkriegen?


Jetzt gibt es noch eine Stelle in unseren Text, die un-
klar ist, und das ist der Schluss: (Folie 9)
Sie [die Frau] wird aber selig werden dadurch, daß sie
Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleibt mit Besonnenheit
im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung.

Was soll das heißen?


Wir erinnern uns daran, dass es ein Grundzug der
gnostischen Weltanschauung war, dass alles körperliche
schlecht sei. Deshalb waren gnostische Kreise oft sehr as-
ketisch: man musste möglichst auf alle körperlichen Freu-
den verzichten, damit die Seele frei wurde und sich zu Gott
empor heben konnte.
In 1.Tim 4:3-4 sehen wir, dass genau solche asketi-
schen Gedanken in Ephesus verbreitet waren. Da heißt es
nämlich von den Leuten, die diese verdrehten Geschichten
verbreitet haben:
Sie gebieten, nicht zu heiraten und Speisen zu meiden, die
Gott geschaffen hat, daß sie mit Danksagung empfangen
werden…

Also, es gab dort diese Ablehnung von allem Körper-


lichen. Und in manchem gnostischen Kreisen gehörte dazu
eine heftige Ablehnung des Kinderkriegsrechts.
Das steht eigentlich im Widerspruch zur Überhöhung
alles Weiblichen, das wir vorhergesehen haben. Aber das
ist so bei der Gnosis. Besonders logisch ist dieses Gedan-
kensystem nicht immer.
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 26

Es gibt gnostische Texte, die ausdrücklich sagen, dass


eine Frau, die Kinder gewährt, das ewige Leben nicht be-
kommen kann. (Nach Clark-Kroeger S. 212).
Wahrscheinlich sind solche Gedanken damals auch in
Ephesus zirkuliert, und deshalb muss Paulus dazu noch ein
Wort sagen: Frauen werden natürlich gerettet, auch wenn
sie Kinder kriegen.
In der Luther Übersetzung, die sich der Predigt zu
Grunde gelegt habe, steht, dass sie gerettet werden, da-
durch dass sie Kinder kriegen.
Das ist aber ungenau übersetzt. Besser übersetzt heißt
es "auch wenn sie Kinder kriegen" können sie natürlich ge-
rettet werden, vorausgesetzt sie bleiben im Glauben und in
der Liebe und in der Heiligung.

3 Schluss (Folie 10)


Es gäbe noch mehr zu diesem Text zu sagen, aber
jetzt wollen wir’s mal gut sein lassen.
Lasst uns zum Schluss nochmal zusammenfassen,
was wir jetzt alles über die Situation gelernt haben, in die
hinein unser Text geschrieben wurde. Wir haben gelernt,
1. dass die Christen in der Gemeinde von Ephesus noch
sehr jung im Glauben waren, und dass sie im Bezug auf
einige zentrale Inhalte des christlichen Glaubens etwas
verwirrt waren. Deshalb hat Paulus seinen Mitarbeiter
Timotheus dorthin geschickt, um diese Verwirrungen
zu klären. Wie er das machen soll, darum geht's im
1.Timotheusbrief.
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 27

2. Dass es einige Leute gab, die zu dieser Verwirrung be-


sonders beigetragen haben. Und dazu gehörte auch eine
Gruppe von älteren Frauen, die, wenn sie ihre christli-
chen Freunde besucht haben, verdrehten Versionen der
biblischen Geschichten erzählten.
3. Dass zu den verdrehten Geschichten auch eine Version
der Schöpfungsgeschichte und der Sündenfallgeschich-
te gehörte. Diese wurde vermutlich so erzählt, dass Eva
zuerst da war, und Adam zum Leben erweckt hat; und
das Adam vom bösen Schöpfergott getäuscht wurde,
und dass Eva ihn aus dieser Täuschung geholt und zu
seiner eigentlichen menschlichen Bestimmung geführt
hat.
4. Dass daraus die Frauen abgeleitet haben, dass die Män-
ner ihnen ihre Existenz verdanken. Das hat ja auch mit
den über ein zugestimmt, was sie im Tempel der Arte-
mis gelernt hatten: das weibliche ist die Quelle allen
Lebens, natürlich auch des männlichen Lebens. Viel-
leicht sind die Frauen, wenn sie diese Ansichten geäu-
ßert haben, ein bisschen anmaßend aufgetreten.
5. Dass sie geglaubt haben, dass man möglichst auf alles
Körperliche verzichten musste, damit man erlöst wer-
den konnte. Dazu hat auch Sex und Kinderkriegen ge-
hört.
Mit all diesen Hintergrundinformationen klingt der
Text völlig anders, als man ihn beim ersten, oberflächli-
chen hören verstehen würde (Folie 11).
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 28

(11) Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung.

(12) Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre, und
dabei die Urheberschaft über den Mann beanspruche,
sondern sie sei sanftmütig.

(13) Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. (14)


Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber hat sich zur
Übertretung verführen lassen.
(15) Sie wird aber selig werden auch wenn sie Kinder zur
Welt bringt, wenn sie bleibt mit Besonnenheit im Glauben
und in der Liebe und in der Heiligung.
Wir verstehen, dass dieser Text gar nicht davon
spricht, dass Frauen in der Gemeinde nicht predigen oder
leiten dürften, sondern dass er einfach ein paar ziemlich
schräge Ansichten und Praktiken korrigiert, die damals in
Ephesus verbreitet waren. Übrigens z.T. später, dann auch
anderswo – da war dieser Text durchaus relevant, auch
wenn wer das heute nicht mehr so ist.
Der Versuch, diesem Text eine Geschlechterhierar-
chie in der christl. Gemeinde abzuringen basiert auf einem
großen Mißverständnis. Man hat einfach nicht verstanden,
„warum dieser Stuhl eine Nase hat“, weil man den Hinter-
grund des Textes nicht beachtet hat.
In Wirklichkeit korrigiert dieser Text verdrehte An-
sichten und Praktiken, mit denen die ersten Christen sich
rumschlagen mussten. Er ändert aber überhaupt nichts an
dem Bild, das wir schon vom AT her gesehen haben und
im NT noch deutlicher, dass nämlich Frauen und Männer
Frauen sind in der Gemeinde gleichberechtigt 3 Version 3.doc Seite 29

in der Gemeinschaft der Gläubigen gleichgestellt sind und


gleichberechtigten Zugang zu allen Formen der Mitarbeit
und der Leitung haben. (Folie 12 – Schwarz).

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